Am anderen Ende des Tunnels - Ross Abel - E-Book

Am anderen Ende des Tunnels E-Book

Ross Abel

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Beschreibung

Mitte der achtziger Jahre kämpft sich die DDR durch den real existierenden Sozialismus und der sechzehnjährige Niko befindet sich mittendrin. Als wäre es nicht schon schlimm genug, sich in dieser speziellen Zeit zurechtzufinden, muss er sich tagtäglich mit den ganz normalen Herausforderungen des Erwachsenwerdens auseinandersetzen. Seine Freizeit verbringt Niko am liebsten auf dem Fußballplatz oder mit seinen Freunden vor der Eisdiele, dem Treffpunkt der örtlichen Jugend. Dort begegnet er eines Tages Sina und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Ihre intensive Beziehung ist aber nicht von langer Dauer, da beide noch nicht reif genug dafür sind. In den folgenden Monaten warten viele spannende, lustige und traurige Erlebnisse auf ihn und er genießt die neuen Erfahrungen in vollen Zügen. Es passieren aber auch einige wirklich skurrile Dinge, wie die Massenkarambolage bei der Friedensfahrt, für die sein Freund Mike verantwortlich zu sein scheint. Trotz sehr guter Zensuren erhält er bei der Bewerbung zu seiner Wunschlehrstelle eine klare Absage und beginnt nun erstmals bewusst über die offensichtlichen Zusammenhänge nachzudenken. Demnach ist nicht allein die Leistung ausschlaggebend, sondern Beziehungen und die „richtige“ politische Einstellung. Ersteres hat er nicht und das andere dummerweise auch nicht. Als Einziger seiner Klasse hat er nicht an der Jugendweihe teilgenommen. Dieser Makel sowie die fehlende Parteimitgliedschaft seiner Mutter sind verantwortlich für die Absage der Bewerbung. Am 1. Mai findet das entscheidende Fußballspiel um die Kreismeisterschaft statt. Nikos Mannschaft verliert unglücklich das Ortsderby – mit schwerwiegenden Folgen. In betrunkenem Zustand zerstören Niko und einige Freunde den „Friedensplatz“ im Nachbarort und reißen dabei auch eine DDR-Fahne herunter. Was sie da angerichtet haben, begreifen sie erst, als die Staatssicherheit auftaucht und von einer politisch motivierten Straftat redet. Auf der Party seines Freundes Sigmar trifft er Sina wieder und sie verbringen die Nacht gemeinsam. Vielleicht hat ihre Liebe ja doch eine zweite Chance verdient. Niko muss lernen, sich seinen Problemen zu stellen und Verantwortung für sein Tun zu übernehmen, sei es in der Schule, der Freizeit oder der Liebe. „Am anderen Ende des Tunnels“ ist weder ein politischer Roman, noch handelt es sich um DDR-Satire á la „Sonnenallee“. Dieser Roman ist ein Porträt der DDR-Wirklichkeit in den achtziger Jahren, die am Alltag Nikos geschildert wird.

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Veröffentlichungsjahr: 2018

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Ross Abel

Am anderen Ende des Tunnels

 

 

 

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- gekürzte Vorschau -

Inhaltsverzeichnis

Titel

Einleitung

Sina

Von Toren, einer Feier und seltsamen Flecken

Urlaub im Harz

Nichts als Ärger

Die Fete bei Robert

Die fehlenden Beziehungen

Zahnschmerzen und andere Schwierigkeiten

Was für ein Tag

Das große Spiel und seine Folgen

Eigenartige Dinge geschehen

Wie gewonnen, so zerronnen

Der letzte Schultag

Das Wiedersehen

Als ich aus dem Traum erwachte

Besuch beim Arzt

Dieser vermaledeite Sonnabend

Wieder zurück

Impressum tolino

Einleitung

Ich hatte wieder schlecht geschlafen, und nun war ich wach, und niemand nahm Notiz von mir. Verdammt noch mal, musste ich sie denn erst anbrüllen? Im Hintergrund hörte ich doch ihre Stimmen. Gerade jetzt in diesem Moment. Auch wenn sich alles so weit entfernt anhörte, erkannte ich doch eindeutig den Klang einer männlichen Stimme. Der tiefe Bass verursachte in mir beinahe Kopfschmerzen, so sehr vibrierte er.

Wie lange das nun schon so ging, konnte ich nicht einmal mehr sagen. Ich lag in meinem Bett wie jeden Tag und dämmerte im Wachzustand vor mich hin. Am liebsten hätte ich laut los geschrien: "Warum zum Teufel hilft mir denn keiner? Seht ihr denn nicht, dass ich aufgewacht bin?", aber dieses Unterfangen war aussichtslos. Ich musste es wissen, denn ich hatte es immer und immer wieder versucht, sie auf mich aufmerksam zu machen: ohne Erfolg.

Einige Zeit hatte ich mir sogar eingebildet, dass sie mich nicht verstehen wollten. Vermutlich deshalb, weil ich ständig mit ihnen redete und sie mir nicht antworteten. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass sie mich, aus einem mir unbekannten Grund, wirklich nicht hören konnten, aber das war doch völlig absurd. Schließlich konnte ich ihre Stimmen und andere Geräusche doch auch vernehmen. Wie konnte das dann sein?

Na gut, ohne mich hören zu können, wäre es für sie zugegebenermaßen nicht leicht gewesen zu erkennen, ob ich wach war oder schlief, denn ich konnte, seitdem ich zum ersten Mal wieder zu mir gekommen war, meine Augen nicht öffnen. Genauso wenig konnte ich mich bewegen. Mein Geist war zwar willig, aber das Fleisch war zu schwach. Ich lag einfach nur so da.

Trotzdem konnte ich nicht glauben, dass sie nichts merkten von meinen geistigen Aktivitäten. Mein Gehirn arbeitete ununterbrochen. Andauernd fielen mir Dinge aus meinem Leben ein, aus der Schule, von zu Hause, vom Fußball und von Sina. Das konnte ihnen doch nicht verborgen bleiben.

Auch vorhin hatte ich wieder einen dieser Träume, der wie alle anderen zuvor in der

Vergangenheit spielte. Ein bisschen Angst machte es mir schon, dass alles, was mein Gehirn hervorbrachte, ausschließlich bereits vergangen war, aber letztlich war das in Ordnung, denn es gab viele schöne Erinnerungen, die dadurch wieder an die Oberfläche kamen. Mir fielen Geschichten ein, von denen ich nicht mal erwartet hatte, dass sie in meinem Gedächtnis gespeichert waren. Es war schon eigenartig, sich jetzt noch einmal an den ersten richtigen Kuss oder die Streiche aus der Schulzeit erinnern zu können.

Seltsamerweise schien es in meinen Träumen keine Zukunft zu geben und ich fragte mich, was der Grund dafür sein mochte. Damals hatten sich meine Träume immer in kommenden Zeiten abgespielt und meine Phantasie hatte allerlei Sonderbares ausgeheckt, aber nun war es genau umgekehrt. Das war schon etwas komisch.

Konnte ich dieses Phänomen vielleicht sogar in Verbindung bringen mit den Dingen, die sich zwischen Leben und Tod abspielten? Darüber hatte ich schon häufiger gelesen oder etwas im Fernsehen gesehen und dieses Thema hatte auf mich immer eine große Faszination ausgeübt. Auch im Religionsunterricht bei Pfarrer Focke kamen wir des Öfteren damit in Berührung.

Jeder Mensch besaß, jedenfalls behaupteten das die Wissenschaftler, eine innere Uhr und diese weiß angeblich genau, wann die Zeit zum Sterben gekommen ist. Alle Personen, die in einer lebensbedrohlichen Situation waren, berichteten unabhängig voneinander, dass sie in dieser Zeit ihr gesamtes Leben an sich vorüberziehen sahen und sich an längst vergessen geglaubte Einzelheiten ihrer Vergangenheit erinnern konnten. Niemand sprach davon, dass er seine Zukunft gesehen hatte und ich stellte mir insgeheim die Frage, ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.

Entgegen meinem üblichen Pessimismus tendierte ich dazu, es als gutes Omen anzusehen, denn um von ihren Beobachtungen und Erlebnissen berichten zu können, mussten sie ja wohl überlebt haben. Andererseits konnte man es aber auch so sehen, dass die Verstorbenen es ebenso erlebten, nur sie konnten nicht mehr davon berichten. Wie dem auch sei, komisch war es jedenfalls.

Wenn ich doch wenigstens gewusst hätte, wo ich mich befand. War ich überhaupt noch am Leben? Natürlich war ich das, verwarf ich diesen törichten Gedanken sofort wieder. Und wenn nicht?

Bevor ich weiter darüber nachgrübeln konnte, überfiel mich eine starke Müdigkeit und ich sank in einen tiefen Schlaf. Kaum war ich eingeschlafen, begann ich wieder zu träumen.

Sina

Endlich war die Schule vorbei. Sechs lange Stunden. In der letzten Zeit konnte nicht schnell genug Schluss sein, denn danach fing der Tag eigentlich erst richtig an.

Um 15 Uhr trafen wir uns mit den anderen vor der Eisdiele. War nicht mehr viel Zeit, bis ich los musste.

Zum Glück brauchte ich heute keine Hausaufgaben mehr machen, weil sich zur Abwechslung mal Ralf darum kümmerte. Er hatte mir gegenüber noch etwas gutzumachen. So wusch eine Hand die andere.

Es war kurz vor um, und Mike kam wie immer zu spät. Wie mich das nervte. Aber schließlich hatte ich die anderen nur durch ihn kennen gelernt und das schwächte meinen Ärger über sein ständiges Zuspätkommen ein wenig ab. Ohne ihn würde ich wahrscheinlich noch immer nur mit den Leuten aus unserer Klasse rumhängen, und das wäre doch mächtig öde. Bbbrrr, daran mochte ich gar nicht denken.

Der höllische Krach unserer Klingel riss mich aus meinen Gedanken. Ich öffnete die Tür. Davor stand Mike, völlig verschwitzt und die Finger voll Schmiere.

"Meine Karre ist schon wieder kaputt", hechelte er bloß.

"Als ob das was Neues wäre", antwortete ich und machte ihm die Tür zum Bad auf.

Mike war bereits 16 und damit der einzige aus unserer Klasse, der schon einen Führerschein besaß. Er war auch mit Abstand der Älteste in unserer Klasse, aber nicht, weil er schon mal sitzen geblieben war, sondern weil ihn seine Eltern ein Jahr später eingeschult hatten. Als Kind war er nämlich körperlich etwas mickrig gewesen, wovon heute allerdings nichts mehr zu sehen war, ganz im Gegensatz dazu war er zu einem recht wohlgenährten Kerlchen herangewachsen.

Während er sich die Hände wusch, erzählte er mir, dass er dabei war, an seinem Moped den Auspuff aufzubohren, wegen dem besseren Klang und so. Ich glaube, ich war der Einzige aus unserer Klasse, den das wirklich nicht interessierte, aber ich hörte mir alles geduldig an und sagte nur ab und zu "echt" oder "ach wirklich?".

"So, was ist jetzt, können wir dann los? Die anderen sind schon lange da und wir kommen wieder mal als letzte", sagte ich mit etwas genervtem Unterton.

"Los geht’s!" erwiderte darauf Mike schon wieder gut gelaunt. Nach fünfzehn Minuten Fußmarsch kamen wir endlich an. Mike war ganz schön geschafft, weil er es nicht mehr gewöhnt war, mehr als hundert Meter zu laufen. Die restliche Sippschaft lachte sich erst mal ´nen Ast, als wir auftauchten.

"Ist euch die Klapperkiste unterm Hintern zusammengebrochen oder haben euch die Bullen das Teil eingezogen?" frotzelte Svenny.

"Na du musst es ja wissen", konterte Mike daraufhin, "wenn ich mich recht erinnere, steht dein Ofen doch schon seit drei Wochen mit einem Platten in der Garage von deinem Alten."

"Kriegt euch mal wieder ein, ihr Pappnasen, gleich kommt nämlich hoher Besuch! Frank will mit seiner neuen Flamme vorbeischauen. Vorstellungsbesuch sozusagen. Auf alle Fälle habe ich versprochen, dass wir uns von unserer besten Seite zeigen werden. Ich hoffe, das geht klar", sagte Rico.

"Man sollte nie Dinge versprechen, die man nicht halten kann", rief Svenny lachend dazwischen und wackelte strafend mit dem Zeigefinger in seine Richtung.

"Ha, ha, sehr witzig", gab er zurück.

"Keine Angst, das geht schon klar, ist doch keine Frage. Wir wollen die ja nicht gleich wieder vergraulen", witzelte Mike und rülpste lauthals in die Runde. Mann, gab das ein Gelächter. Nur Rico schüttelte den Kopf, und Petra guckte verächtlich zu uns herüber, so nach dem Motto: "Oh Gott, seid ihr blöd."

So verging auch heute der Nachmittag wie im Fluge, so wie jeder Tag in der Woche, seitdem wir uns hier trafen.

Die Eisdiele war der ideale Ort, weil sie in diesem Teil Mollins sehr zentral in Bahnhofsnähe lag. Im Prinzip musste jeder, der hier etwas zu erledigen hatte, an uns vorbei und genau das machte diesen Platz so interessant. Es kamen ständig Leute her, um zu quatschen und irgendwie die Langeweile totzuschlagen. Hier war einfach immer was los. Eigentlich war das hier der einzige Treffpunkt, den es noch in Mollin gab. Der Jugendklub war tagsüber schon seit Monaten geschlossen, außer an den Wochenenden. Da war meistens Disco, aber Einlass erst ab 16 Jahren, also nichts für einen Großteil von uns. In unserer Clique waren alle zwischen 13 und 16 und wenn wir es trotzdem mal probierten, uns Samstagabend Zutritt zur Disco zu verschaffen,

scheiterten wir Jüngeren meistens an den strengen Ausweiskontrollen und wurden nicht hineingelassen.

Wollte man also nicht zu Hause abhängen und sich langweilen, dann war das hier die einzige Alternative.

Inzwischen war es kurz nach 18 Uhr, als endlich Frank auftauchte. Er hatte zwei Mädels im Schlepptau, eine Dunkelhaarige und eine mit langen blonden Haaren. Zu ihm konnte nur die mit den dunklen Haaren gehören, denn obwohl er ständig neue Freundinnen anschleppte, war, wenn ich mich recht erinnere, noch nie eine Blondine dabei. Komisch, eigentlich.

"Hallo Leute, ist leider etwas später geworden", begrüßte uns Frank, "aber wir waren bei Antjes Eltern zum Kaffeetrinken eingeladen."

"Aber sicher", sagte Mike und grinste sich einen ab, während er die beiden Mädchen frech musterte.

"Hallo, ich bin Antje, und das ist meine beste Freundin Sina. Tut mir leid, dass wir so spät kommen", entschuldigte sie sich und gab zur Begrüßung jedem die Hand. Sina beließ es bei einem allgemeinen "Hallo" und setzte sich auf die Bank genau gegenüber. Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn wie ich es erwartet hatte, gehörte Antje, das Mädchen mit den schulterlangen dunkelblonden Haaren, zu Frank. Doch das war mir in diesem Moment vollkommen egal. Meine Augen waren einzig und allein auf Sina gerichtet, denn sie sah einfach umwerfend aus.

Ich merkte, dass mein Herz zu rasen anfing und guckte etwas ängstlich in die Runde, weil ich dachte, man würde mir das vielleicht ansehen können. Glücklicherweise waren die anderen inzwischen fest ins Gespräch vertieft, und so fielen ihnen meine wohl mächtig erstarrten Gesichtszüge nicht auf.

In den folgenden Minuten redeten alle wild durcheinander, über Gott und die Welt, und Mike riss seine üblichen Witze. Da ich nicht irgendwas Falsches sagen wollte, hielt ich mich mehr im Hintergrund und lauschte den Gesprächen. Dabei versuchte ich ab und an, einen unauffälligen Blick von Sina zu erhaschen. Was hätte ich denn auch erzählen sollen?

Schließlich begann der große Aufbruch.

Sven brüllte uns noch ein "Morgen gleiche Stelle, gleiche Welle?" hinterher und wir

darauf "Na logo" zurück. Als ob das wirklich eine Frage wäre. Natürlich würden wir morgen Nachmittag wieder dort sein, so wie jeden Tag.

Auf dem Nachhauseweg quatschte Mike mal wieder wie ein Wasserfall darüber, wie er morgen sein Moped reparieren würde. Das war mir im Moment sehr recht, denn mit meinen Gedanken war ich ganz weit weg. Für mich gab es eigentlich nur eine wichtige Frage: Wann würde ich Sina wiedersehen und vor allen Dingen: wie könnte ich es dann anstellen, sie kennenzulernen? Ich zermarterte mir den Kopf darüber, kam aber zu keinem Ergebnis.

Mike holte mich wieder zurück auf die Erde.

"Sag mal, Niko, hörst du mir überhaupt zu?" fragte er mich.

"Na klar, was denkst du denn?" antwortete ich ertappt.

"Also, ich hole Dich morgen kurz vor sieben ab. Bis dann ", verabschiedete sich Mike.

"Bis dann", bekam ich gerade noch so raus und winkte Mike hinterher.

Nach dem Abendessen verzog ich mich früher als sonst auf mein Zimmer. Ich wollte jetzt nur noch allein sein. Im Bett ließ ich den Tag noch mal Revue passieren und überlegte, was als Nächstes zu tun wäre. Ich musste Sina wiedersehen, koste es was es wolle. Mit der festen Überzeugung, dass mir schon irgendwas einfallen wird, schlief ich zufrieden ein.

Es war Donnerstagnachmittag. Fußballtraining. Normalerweise war das der Teil meines Sports, auf den ich gut und gerne verzichten konnte, denn der Fleißigste beim Training war ich bestimmt nicht. Für mich war es ein leider notwendiges Übel. Außerdem konnte ich am Donnerstag deshalb nicht zur Eisdiele. Schluss war nämlich erst nach 20 Uhr und da war an unserem Treffpunkt schon Totentanz. Diesmal freute ich mich allerdings aufs Training, denn ich hoffte, Frank über Sina ausfragen zu können. Da Frank auf eine andere Schule ging als ich, hatte ich ihn seit dem letzten Mal an der Eisdiele nicht mehr gesehen.

Zum Beginn des Trainings mussten wir wie immer eine Runde um den Block laufen, was etwa 20 Minuten dauerte und ich suchte nach einer Möglichkeit, um mit ihm unter vier Augen sprechen zu können.

"Wann lässt du Dich denn mal wieder an der Eisdiele sehen?" begann ich das Gespräch.

"Ja, würde ich gerne mal wieder machen, aber im Moment muss ich für die Schule büffeln. Meine Eltern machen Stress wegen der 4 in Mathe. Ich habe ja nicht mal Zeit für Antje", keuchte Frank, dem das Laufen sichtlich schwerer fiel als mir.

Wir unterhielten uns über alles Mögliche, nur nicht über das, was ich mir erhofft hatte. Ich schaffte es einfach nicht, ohne dass es auffallen würde, unser Gespräch auf Sina zu lenken. Schließlich kam mir ein Zufall zu Hilfe, denn Frank begann von sich aus, über seine Beziehung zu Antje zu reden und damit automatisch auch über Sina.

"Mit Antje ist das auch so eine Sache. Jedes Mal wenn wir uns sehen, ist ihre Freundin mit dabei. Die beiden hängen zusammen wie Pech und Schwefel. Mit ihr mal alleine sein ist da nicht. Immer wenn ich Antje darauf anspreche, sagt sie, dass Sina nun mal ihre beste Freundin ist und ich das halt akzeptieren müsste. Am besten wäre wahrscheinlich, wenn Sina auch einen Freund haben würde, nur das ist nicht so einfach", erzählte er mir.

Damit hatte er mir meine wichtigste Frage bereits beantwortet. Sie war also noch solo. Ich atmete tief durch und fragte ihn, warum das mit dem Freund bei ihr nicht so einfach wäre.

"Na ihr letzter Typ war wohl ein ziemliches Arschloch und hat nebenbei noch was anderes zu laufen gehabt. Deshalb hat sie jetzt erst mal die Schnauze voll von Kerlen."

So war das also.

Inzwischen waren wir wieder am Sportplatz angekommen und da wir die letzten waren, mussten wir zur Strafe eine Extrarunde im „Stadion“ absolvieren. Ich war mit meinen Kräften völlig am Ende, aber das eigentliche Training fing nun erst an. Zum Glück standen heute hauptsächlich Torschussübungen auf dem Programm. Das war nicht so anstrengend und machte mir eigentlich immer den meisten Spaß, obwohl ich das Tor aus 25 Metern nur selten traf. Der Großteil meiner Schüsse ging leider am Kasten vorbei, aber darauf kam es als Mittelstürmer ja auch nicht an. Da zählten schließlich nur Tore, völlig egal wie diese zustande kamen. Wen interessierte es schon, wie ich meine Tore schoss. Hauptsache war doch, dass ich welche schoss. In

dieser Saison immerhin 11 Stück. Damit war ich unser Torschützenkönig. Das war sicher auch der Grund, warum ich vom Trainer zufrieden gelassen wurde. Trotzdem hätte er sich wahrscheinlich gewünscht, dass ich mich im Training mehr reinhängen würde, aber entscheidend war die Leistung im Spiel, und die brachte ich fast immer.

Für mich waren Training und Spiel zwei völlig verkehrte Paar Schuhe. Zum Punktspiel musste mich niemand motivieren, da gab ich immer alles. Sobald ich auf dem Platz stand, war ich ein anderer Mensch. Das machte halt tierisch Spaß. Aber Training....

Nach über zwei Stunden konnten wir endlich unter die Dusche. Wie meistens war ich einer der letzten, die mit dem Umziehen fertig waren. Ich hatte mich bereits aufs Fahrrad geschwungen und wollte gerade losfahren, als mir Frank hinterher brüllte.

"Hey, Niko, warte doch mal!" rief er und kam angerannt.

"Was gibt‘s denn Wichtiges?" fragte ich ihn und hatte das Gefühl, dass er irgendetwas auf dem Herzen hat.

"Weißt du, ich wollte Dich fragen, ob du mir nicht einen Gefallen tun würdest?"

"Na ja, das kommt auf die Art des Gefallen an", antwortete ich skeptisch.

"Am Montag ist doch der 30. April und auf dem "Platz der Freundschaft" findet wie jedes Jahr das Maifeuer statt mit anschließendem Kinofilm. Da werde ich mit Antje und Sina hingehen. An dem Abend sind meine Eltern nicht zu Hause; ich habe sozusagen sturmfreie Bude. Und da wollte ich dich fragen, ob du nicht Lust hast mitzukommen".

" Ich soll mich also um Sina kümmern, damit ihr euch klammheimlich verdrücken könnt?" sprach ich das aus, was er offensichtlich meinte und fügte sofort hinzu: "Gar keine so schlechte Idee, aber wie soll das denn funktionieren?"

"Das weiß ich leider auch nicht. Ich dachte, dass dir vielleicht was einfallen würde", sprach Frank und machte einen etwas resignierenden Eindruck auf mich.

" Okay", sagte ich, "ich werde mir schon irgendwas ausdenken. Das kriegen wir hin. Bis Montag sind ja noch ein paar Tage Zeit, um sich was zu überlegen."

Frank war ziemlich aus dem Häuschen. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mich ohne viel Federlesen auf diese Sache einlassen würde, aber etwas Besseres konnte mir gar nicht passieren. Nur davon hatte er ja nicht die

leiseste Ahnung.

"Mann, wenn das klappt, hast du bei mir ewig was gut", versprach mir Frank.

"Das möchte ich auch hoffen", sagte ich aus Spaß zu ihm und schwang mich auf mein altes Fahrrad.

Wir hatten uns für Montagabend 18 Uhr am Bahnhof verabredet.

Auch in der Schule gab es nur ein Thema: das große Maifeuer und der Kinofilm danach. Allzu viele Höhepunkte gab es in unserem kleinen Ort ja nicht, aber der 30. April war so einer und hatte inzwischen jahrzehntelange Tradition. Darauf freuten sich alle schon Wochen vorher. Die Gerüchteküche brodelte wie jedes Jahr, welcher Film wohl zu sehen sein würde, aber etwas Genaues wusste keiner. Im vorigen Jahr wurde "Das fliegende Auge" gezeigt und wir hatten es bereits eine Woche früher gewusst. Diesmal war nichts durchgesickert. Eigentlich war es auch egal, welcher Film laufen würde. Hauptsache war doch, dass endlich mal etwas los war hier und man sich mit Leuten treffen konnte, mit denen man selten zusammenkam. Irgendwie war es wie ein Volksfest für groß und klein. Der frühe Abend gehörte den Eltern und ihren Kindern mit dem Fackelzug und anschließendem Maifeuer und danach nahm die Jugend den Platz beim Open- Air- Kino in Beschlag.

Genauso wie Frank, der für die Schule büffeln musste, erging es mir nun auch, da die Zeit bis zu den Zeugnissen unaufhörlich näherrückte. Obwohl ich das wusste, machte mir die Schule überhaupt keinen Spaß mehr und meine Motivation dafür ließ sehr zu wünschen übrig. Dass mein Abschlusszeugnis der 9. Klasse entscheidend war für die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz, wusste ich natürlich selbst und auch, dass ich den Antrag für eine Lehrstelle mit Abitur noch längst nicht sicher in der Tasche hatte.

Beim letzten Besuch meiner Großeltern hatte ich mir, meine schulischen Leistungen betreffend, eine ziemliche Standpauke anhören müssen. Vor allen Dingen mein Opa konnte nicht verstehen, dass ich mir durch mangelnden Fleiß möglicherweise die Chance entgehen ließ, das Abitur machen zu dürfen, welches die Vorraussetzung für ein späteres Studium war.

Wie immer bei solchen Anlässen, begann er Geschichten aus seiner Jugendzeit zu erzählen. In aller Ausführlichkeit berichtete Großvater davon, dass er damals selber gerne studiert hätte, es aber zu seiner Zeit nicht möglich war für die einfachen Leute,

zu denen seine Familie nun einmal gehörte. Seine Eltern hatten in der Zeit der großen Weltwirtschaftskrise ganz andere Sorgen, schließlich galt es in der kleinen 4-Zimmerwohnung im Herzen Berlins neun Münder zu stopfen. Außer seinen Eltern und der Oma mütterlicherseits, teilten sich mit ihm insgesamt sechs Geschwister die zwei winzigen Kinderzimmer, wobei der Raum für die vier Jungen nicht viel mehr war als eine Schlafunterkunft. Es gab nicht mal einen Tisch darin, und zum Schulaufgaben machen benutzten sie alle den großen im Wohnzimmer, und dort herrschte jedes Mal ein grenzenloses Chaos.

Oma dagegen war in Mollin groß geworden und hatte seitdem noch nie woanders gewohnt. Ihr Vater war aus dem ersten Weltkrieg nicht wiedergekommen, und ihre Erinnerung an ihn war nicht sonderlich groß, aber er war es gewesen, der damals mit dem Geld einer Erbschaft, hier das kleine Grundstück erworben hatte, auf dem sie später ein Haus bauten. Zwei Jahrzehntelang lebten dort drei Generationen von Frauen unter einem Dach: meine Oma, ihre Mutter und deren Mutter. Dort lernten sich meine Großeltern schließlich auch kennen, denn ohne männliche Unterstützung im Haushalt war es unumgänglich für Reparaturen der unterschiedlichsten Art Handwerker zu holen. Opa arbeitete zu dieser Zeit als Klempner bei einem Notdienst, und als eines Tages die Toilette im Haus verstopft war, nahm das Schicksal seinen Lauf.

Genauso wie Oma ihren Vater kaum kennen gelernt hatte, war es mir ergangen, denn meiner war bei einem Unfall gestorben, als ich noch ein Baby war. Was genau passiert war, hatte ich bis jetzt nicht in Erfahrung bringen können. Mutti sprach fast nie von ihm, und in unserer Wohnung gab es, mit Ausnahme einiger Fotos, nichts, was an ihn erinnert hätte. Das meiste über ihn wusste ich daher durch meinen Opa, der mir ab und zu Geschichten von damals erzählte, von gemeinsamen Familienfeiern oder Sonntagsausflügen mit Picknickkörben in den Tanndorfer Forst. An derselben Stelle im Wald veranstalteten wir immer unsere schon legendären Federballturniere mit anschließendem Essen und Trinken bis zum Umfallen. Laut Opa war ich dabei der legitime Nachfolger meines Vaters, da ich in den vergangenen Jahren, so wie er damals, kaum ein Spiel verloren hatte. Überhaupt meinte Opa des Öfteren, er würde ihn, von der Art meiner Bewegungen, in mir wiedererkennen. Oma

hielt sich zwar mit solchen Sprüchen weitestgehend zurück, aber manchmal sah sie mich mit großen aufgerissenen Augen an, schüttelte den Kopf und sagte: "Junge, du siehst aus wie dein Vater."

Ehrlich gesagt, konnte ich diese angebliche Ähnlichkeit mit ihm nicht entdecken, allerdings konnte ich zum Vergleich nur die wenigen Fotografien heranziehen, die existierten. Unsere Gesichtszüge waren meiner Meinung nach keineswegs gleich, das einzige, was ich offenbar hundertprozentig von ihm geerbt hatte, waren die Haare, und das war nun wirklich nicht gerade der Teil an mir, auf den ich sonderlich stolz war. Trotz häufigem Waschen sahen sie nämlich fast immer strähnig und fettig aus, und fingen ab einer bestimmten Länge an zu verwuscheln, aber am schlimmsten war es, wenn ich in einen Regenguss kam. Dann hingen die sich durch die Nässe gebildeten Löckchen regelrecht verklebt in meinem Gesicht. In so einem Fall konnte ich nur zusehen, schnell nach Hause zu kommen, ganz schnell. Und etwas anderes störte mich auch noch: meine Größe. In unserer Klasse war ich einer der kleinsten, und beim Fußball sah es nicht viel besser aus. Auf dem Hochzeitsfoto meiner Eltern war eindeutig zu sehen, dass mein Vater nicht besonders groß war, und ich befürchtete, dass ich das ebenfalls geerbt haben könnte und nicht mehr weiterwachsen würde, aber jeder, den ich darauf ansprach, meinte nur, ich solle mich da nicht in etwas hineinsteigern. Garantiert würde ich später, mit 17 oder 18, noch einen Schub machen, nur dessen war ich mir nicht so sicher.

Am Wochenende wurde mir nun auch von meiner Mutter endgültig klargemacht, dass ich allmählich etwas für die Schule tun musste, nachdem sie beim vergangenen Elternabend von meinem Klassenlehrer zur Seite genommen worden war.

"Ich muss ihnen leider sagen, dass Niko mit dem Desinteresse und seiner Faulheit, die er an den Tag legt, im Moment nicht damit rechnen kann, von mir für eine Bewerbungskarte mit Abitur vorgeschlagen zu werden. Sie können sich doch sicher vorstellen, wie schwer es ist, bei einer Klasse mit 28 Schülern. Ich habe nur die Möglichkeit, bei den fünf Besten eine dementsprechende Empfehlung an den Kreisschulrat zu geben, und vor einem halben Jahr wäre Niko auf jeden Fall darunter gewesen, aber seitdem weiß ich auch nicht, was mit ihm los ist. Er macht in einigen Fächern kaum noch mit im Unterricht und seine Hausaufgaben, wenn er denn mal

welche hat, sind mangelhaft. Ich will gar nicht davon sprechen, wann er das letzte Mal pünktlich zur Schule gekommen ist. Ich weiß, dass es für sie nicht leicht ist, alleine mit den Kindern, und dass sie erst spät am Abend nach Hause kommen, aber am Ende des Schuljahres entscheidet sich der weitere Lebensweg ihres Sohnes, und noch können sie darauf Einfluss nehmen. Vielleicht können sie ihm ja den Ernst seiner Lage klar machen, auf mich hört er jedenfalls nicht." Er machte eine kurze Pause zum Luftholen. "Ich würde es sehr schade finden, falls Niko nicht unter den Fünfen sein sollte, schließlich war er immer einer der besten Schüler seiner Klasse und es ärgert mich, dass er sein Potential nicht ausschöpft. Von allen hat er immer die leichteste Auffassungsgabe gehabt. Andere, wie sein Banknachbar Ralf zum Beispiel, müssen sich zu Hause stundenlang auf den Hosenboden setzen, um Leistungen zu erreichen, wie sie für Niko sonst ganz normal waren, aber aufgrund seiner Faulheit ist das jetzt eben nicht mehr so. Versuchen sie bitte, ihm das klarzumachen, noch hat er Zeit und kann etwas ändern!"

Seit der Elternversammlung gab es dicke Luft zu Hause und ich musste Mutti versprechen, mich ab der kommenden Woche wieder verstärkt der Schule zu widmen, was natürlich auch die Hausaufgaben mit einschloss.

Nach unserem Gespräch, das am Sonnabendnachmittag stattgefunden hatte, war mit mir überhaupt nichts mehr anzufangen, und ich machte mir viele Gedanken darüber. Am Sonntag dachte ich aber auch über etwas ganz anderes nach, nämlich darüber, was ich am Montag in Sinas Gegenwart erzählen könnte, ohne mich zu blamieren. Mir viel einfach nichts Sinnvolles ein. Ich stand stundenlang im Badezimmer vor dem Spiegel und übte Gespräche ein, die so bestimmt niemals stattfinden würden. Das flaue Gefühl in der Magengrube wurde immer stärker, je näher der Montag kam.

Schließlich war es soweit.

Seit über einer Stunde war ich jetzt schon im Bad, als meine Schwester Sabine wutentbrannt gegen die Tür donnerte.

"He, du Blödmann, ich muss da auch mal rein. Das Scheißhaus gehört schließlich nicht dir alleine", brüllte sie durch die geschlossene Tür.

"Immer mit der Ruhe", sagte ich ganz cool, "ich bin gleich fertig."

"Das will ich auch hoffen für dich", antwortete mir darauf Sabine.

Normalerweise gingen unsere Dispute nicht so friedlich ab. Allein dieses "He, du Blödmann" hätte dazu geführt, dass ich mir erst recht Zeit gelassen hätte. Doch heute hatte ich keine Lust, mich mit ihr rumzustreiten.

Inzwischen war es 20 Minuten vor 18 Uhr und ich beschloss, loszugehen. So hatte ich genug Zeit, um nicht abgehetzt am Bahnhof anzukommen. Mein Herz fing mächtig zu rasen an und ich versuchte, ganz tief durchzuatmen, in der Hoffnung, so ein wenig ruhiger zu werden. Zu meiner eigenen Überraschung klappte das sogar einigermaßen.

Als ich am Bahnhof ankam, hatte ich noch einige Minuten Zeit. Vom "Blauen Bock", wie unser Orts-Express im Volksmund genannt wurde, war noch nichts zu sehen. Also setzte ich mich auf eine der Bänke auf dem Bahnsteig und wartete gespannt darauf, dass der Zug einfahren würde.

Der "Blaue Bock" war die einzige richtige Verkehrsverbindung in Mollin, und fuhr stündlich zwischen den beiden größten Ortsteilen hin und her, die sich seit Beginn der dreißiger Jahre, als viele Berliner der Stadt den Rücken gekehrt hatten und hierher aufs Land gezogen waren, in den Umgebungen der Bahnhöfe gebildet hatten. Im Prinzip bestand unsere Gemeinde aus etlichen weit auseinander liegenden Siedlungen, die man nach dem Krieg zur besseren Verwaltung einfach zusammengelegt hatte. Daher gab es auch kein Zentrum im herkömmlichen Sinne. In der Nähe vom "Platz der Freundschaft" waren zwar einige Geschäfte, unter anderem die Post, ein Schreibwaren- und ein Schuhladen, aber die restlichen waren über ganz Mollin verstreut. Eine Einkaufsstraße, auf der man alles Notwendige finden konnte, so wie es sie eigentlich in jedem Dorf gab, suchte man hier vergebens. Für jede noch so kleine Besorgung benötigte man, wollte man nicht stundenlang unterwegs sein, ein Fahrrad, ein Moped oder besser noch ein Auto. Letzteres besaß in unserer Familie leider niemand, so dass wir die meisten Wege mit unseren Rädern zurücklegten, vorausgesetzt, dass sie gerade funktionstüchtig waren.

Am anderen Ende Mollins befand sich dagegen unser Treffpunkt, die Eisdiele, und nicht weit davon entfernt lag der Sportplatz, und nicht zu vergessen die Drogerie, in der kurz vor dem Jahreswechsel immer die Hölle los war, weil dort die

Silvesterknaller verkauft wurden. Jahr für Jahr stellten sich einige Verrückte bereits gegen Mitternacht an, um am nächsten Morgen als einer der ersten die begehrten Raketen, Harzer Knaller, Bengalischen Feuer oder sonstige Utensilien zu ergattern, mit denen in der Silvesternacht das neue Jahr begrüßt wurde.

Die großen Entfernungen im Ort waren auch der Hauptgrund dafür, dass es bis zum heutigen Tag zwei Schulen gab, obwohl für die paar tausend Einwohner bestimmt eine große ausgereicht hätte. Jedenfalls war es äußerst selten, dass in den Molliner Schulen pro Jahrgang mehr als eine Klasse zusammenkam. Es gab aber noch einen anderen Grund, der hing damit zusammen, dass Mollin von den Eisenbahnschienen des Berliner Außenringes, über den ein Großteil des Güter- und Personenverkehrs Richtung Süden abgewickelt wurde, regelrecht in zwei Hälften geteilt wurde.

Zum Beispiel gingen die Schüler, die im "Dorf" wohnten, das war die Gegend entlang der Maxim-Gorki-Straße, an der sich der Dorfanger und die Kirche befanden, nicht mehr in unsere Schule, seitdem vor einigen Jahren der Schulbus eingestellt wurde, der sie sonst immer hergefahren hatte. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad führte die kürzeste Strecke von dort über einen unbeschrankten Bahnübergang und die Eltern hatten berechtigte Angst, dass ihre Kinder statt dem ungefährlichen, aber längeren Weg am Bahnhof, die Abkürzung nehmen würden. Um einer unnötigen Gefährdung vorzubeugen, hatten sie schließlich durchgesetzt, dass ihre Kinder auf die andere Schule wechseln durften. Diese war zwar etwas weiter vom "Dorf" entfernt, aber dafür auf derselben Seite der Bahnschienen.

Im Hintergrund hörte ich nun das ratternde und quietschende Geräusch des alten Waggons.

Die ersten Leute stiegen aus dem Zug und ich versuchte, in dem Gewimmel jemanden zu erkennen. Zuerst sah ich Frank, der mit seinen 1,80 Metern ja auch nicht zu übersehen ist. Dahinter liefen Antje und Sina. Mann, war ich aufgeregt.

Jetzt hatte auch Frank mich entdeckt und deutete in meine Richtung. Kurz darauf standen die drei vor mir.

"Hallo, Niko, schön das du da bist. Musstest du lange warten?" begrüßte mich Frank, der sichtlich erfreut war, mich zu sehen.

"Nein, ich bin gerade erst gekommen", antwortete ich ihm und wendete mich den Mädchen zu.

"Ich glaube, ich muss mich erst mal vorstellen", begann ich etwas zögerlich, worauf mir sofort Antje ins Wort fiel.

"Das ist nicht nötig. Frank hat uns schon eine ganze Menge über dich erzählt."

"Ja, und zwar fast nur Gutes", lächelte mich Sina an.

"Das möchte ich auch hoffen", gab ich zur Antwort und drehte mich Frank zu.

Das Eis war damit sofort gebrochen und wir unterhielten uns, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Meine Bedenken, die ich wegen heute hatte, waren wie weggeblasen.

Langsam gingen wir die Straße entlang zum Rummelplatz, welcher seit einer Woche auf dem Parkplatz in der Nähe der Post aufgebaut war. Dort standen im Halbkreis etwa zehn verschiedene Wagen, unter anderem eine Schießbude und ein Kettenkarussell. Heute herrschte hier natürlich Hochbetrieb. Der "Platz der Freundschaft" war nur einige hundert Meter entfernt und da noch eine gute Stunde Zeit war, bevor das große Spektakel beginnen würde, trafen sich die meisten vorher hier.

Wir steuerten die Imbissbude am äußeren Rand des Rummelplatzes an und bestellten uns was zu trinken.

"Hat jemand Lust, da drüben Bälle zu werfen?" deutete Frank auf einen großen blauen Wagen, an dessen Seite ein riesiges Schild mit der Aufschrift "Jeder Wurf ein Treffer" angebracht war. So richtig begeistert war keiner von dem Vorschlag, aber um Frank nicht in den Rücken zu fallen, sagte ich "Klar, warum nicht?"

Drei Bälle kosteten 50 Pfennig und wir beschlossen, dass jeder von uns 3 Bälle werfen muss. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, anfangen zu dürfen, konnte die Pyramide aber nicht umwerfen. Den anderen erging es allerdings auch nicht besser. Sina war die einzige von uns, die getroffen hatte und erhielt 1 Punkt. Was sollte man bloß mit einem Pünktchen anfangen? Dafür gab es gerade mal einen Kugelschreiber oder eines dieser hässlichen Plasteautos. Wir guckten uns die Auslage an und versuchten, irgendwas Sinnvolles darin zu entdecken. Außer einer Flasche billiger Rotwein war dort aber nichts. Für den Wein musste man 6 Punkte haben, und wir entschlossen uns dazu, die fehlenden 5 Punkte zu werfen. Als wir die Flasche

endlich in unseren Händen halten konnten, waren wir um 15 Mark ärmer, aber wir hatten unser Ziel erreicht.

Die Rotweinflasche steckte ich vorerst in die Innentasche meiner Jacke, denn noch war es viel zu hell, als dass wir uns getraut hätten, sie in aller Öffentlichkeit zu trinken. Das hätte einen Höllenärger gegeben, wenn uns ein Lehrer, von denen hier einige zu sehen waren, mit einer Pulle Wein erwischt hätte. Also warteten wir die Dämmerung ab.

Kurz nach 20 Uhr, nachdem der Fackelzug wieder am Platz angekommen war, wurde das Maifeuer entzündet. Diesmal kam es mir noch gewaltiger vor, als in den vergangenen Jahren. Die Flammen loderten meterhoch, und der Wind trieb die Funken in den Abendhimmel. Am Horizont waren nur noch rötliche Streifen zu sehen und die Dunkelheit hielt Einzug.

"Was ist, wollen wir nicht endlich den Wein aufmachen? Der Film wird sicher bald losgehen", sagte Sina und zeigte auf meine Jackentasche.

"Klar, von mir aus gerne. Lasst uns mal ein ruhiges Plätzchen suchen!" antwortete ich.

Am hinteren Ende des Platzes waren einige hohe Sträucher, wo wir ungestört die Flasche öffnen konnten. Da wir leider keinen Korkenzieher dabei hatten, zog ich meinen rechten Schuh aus und schlug mehrere Male mit voller Kraft auf den Flaschenboden. Langsam hob sich der Korken, so dass ich mit den Zähnen nachhelfen konnte. Es hatte zwar eine Weile gedauert, aber nun war die Flasche offen. Ich reichte, ganz Gentlemen, den Wein zu den Mädels rüber. Zuerst nahm Antje einen großen Schluck und schüttelte sich.

"Igitt, ist der süß!" sprach sie verächtlich und reichte die Flasche sofort weiter zu Sina.

Nachdem auch sie ein wenig davon getrunken hatte, reichte sie mir ohne Kommentar die Flasche. Ihrem Gesichtsausdruck war nicht anzumerken, ob ihr der Wein geschmeckt hatte oder nicht.

Nun war ich an der Reihe. Ich setzte den Flaschenhals an meinen Mund und trank etwas davon. Erleichtert stellte ich fest, dass der Wein gar nicht so schlecht schmeckte. Klar, war er ein wenig zu süß, aber was konnte man denn von einem 6-

Punkte-Wein auf dem Rummel erwarten?

Die Flasche machte nun ständig die Runde, bis der letzte Tropfen ausgetrunken war. Bei vier Leuten dauerte das ja auch nicht allzu lange.

Inzwischen war es stockdunkel geworden und auf der großen Bühne begann der Kinoabend, wie immer mit dem "Augenzeugen". Als ob das jemand sehen wollte!

Frank nahm Antje an der Hand und ging los in Richtung Leinwand. Nach ein paar Metern drehte er sich zu uns um.

"Na los, lasst uns mal einen vernünftigen Platz suchen! Der Film wird sicher gleich anfangen", forderte er uns zum Mitkommen auf.

"Geht schon mal vor, wir kommen gleich nach!" antwortete Sina und guckte mich mit ihrem unvergleichlichen Lächeln an. Da sie mein verwundertes Gesicht sah, setzte sie zu einer Erklärung an.

"Antje wollte endlich mal mit ihrem Schatz alleine sein und deshalb haben wir ausgemacht, dass sich die zwei bei einer günstigen Gelegenheit absetzen. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass jetzt nur noch wir beide übrig sind. Aber wir werden uns schon vertragen, oder?"

Ich war erst mal mächtig baff, versuchte aber, mir das nicht zu sehr anmerken zu lassen.

"Das will ich doch hoffen, dass wir uns vertragen. Lass uns rüber zur Leinwand gehen!"

Vor der Bühne hatten sich einige hundert Leute versammelt, so dass alle Sitzplätze längst besetzt waren. Wir stellten uns hinter die Sitzbänke und warteten gespannt darauf, welchen Film es wohl zu sehen gäbe.

Endlich war es soweit. Der Vorspann des Films lief und es ging ein Raunen durch die Menge.

Es war "Das verrückte California Hotel". So ein alter Schinken. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Gerade vorletzte Woche kam der Film im Ersten. Zwar im Westfernsehen, aber das guckten doch sowieso alle.

Während sich die Handlung des Films langsam vorwärts quälte, guckte ich mehrfach zu Sina herüber, um herauszufinden, ob ihr der Film gefiel oder nicht. Um von ihrem Gesicht eine Reaktion ablesen zu können, war es leider viel zu dunkel. Als ich wieder

zu ihr rüber sah, trafen sich unsere Blicke.

"Willst du den Film zu Ende gucken?" fragte sie mich.

"Wenn ich ehrlich bin, nicht unbedingt", flüsterte ich ihr ins Ohr, "so toll ist der Film ja auch nicht. Außerdem kam der gerade erst im Fernsehen."

"Gut, von mir aus können wir gehen. Ich muss sowieso bald zu Hause sein", hauchte sie mir so leise wie möglich zu.

Wir schlenderten in aller Ruhe durch die Nacht und redeten über gemeinsame Freunde, die Schule, Musik und und und. Es war eine Vertrautheit zwischen uns, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Obwohl wir einige Umwege gemacht hatten, kamen wir schließlich bei mir zu Hause an. Statt uns zu verabschieden, standen wir noch einige Minuten vor meinem Hauseingang und unterhielten uns. Irgendwann guckte Sina auf ihre Uhr und bekam einen ganz schönen Schreck.

"Ich muss jetzt schnell los", sprach sie sichtlich aufgeregt und fügte leise hinzu, "Das wird bestimmt Ärger geben. Eigentlich sollte ich um 23 Uhr spätestens da sein und jetzt ist es schon kurz nach halb 12."

"Warte mal, ich hab eine Idee! Wir holen mein Fahrrad und das meiner Schwester aus dem Keller und radeln schnell zu dir. Zurück fahre ich dann mit beiden Rädern. Na, was meinst du?"

Erleichtert sah sie mich an. "Ist eine Super Idee."

Nach nur 10 Minuten waren wir bei ihr. Wir stellten hastig die Fahrräder ab.

"War ein toller Abend, Niko. Können wir von mir aus sehr gerne mal wiederholen." Ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt, und ich konnte ihren Atem spüren.

In diesem Moment lag eine unheimliche Spannung zwischen uns und ehe ich etwas antworten konnte, küsste sie mich zaghaft auf den Mund. Wie weich doch ihre Lippen waren. Es war ein unbeschreibliches Gefühl.

"Ich muss jetzt rein. Vielleicht sehen wir uns ja mal", verabschiedete sie sich und winkte mir zum Abschied zu.

"Wir werden uns sicher sehen", rief ich ihr leise hinterher, bevor sie in der Dunkelheit verschwand.

Nun war ich alleine mit meinen Gedanken in dieser warmen Frühlingsnacht und

machte mich mit den beiden Fahrrädern auf den Nachhauseweg. War gar nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte. Mit der linken Hand lenkte ich mein Rad, während ich mit der rechten Hand, die ich in der Mitte des Lenkers vom anderen Fahrrad hatte, versuchte, Sabines Rad zu steuern. Zum Glück waren keine Autos unterwegs, so dass ich die Straße für mich allein hatte. Und die brauchte ich auch.

Ohne auch nur einmal gestürzt zu sein, kam ich kurz nach Mitternacht zu Hause an. Drinnen war alles ruhig und ich schlich mich auf den Zehenspitzen leise in mein Zimmer. Dort angekommen, zog ich meine Sachen aus und legte mich ins Bett. Überglücklich lag ich noch lange wach und malte mir aus, wie es wohl zwischen uns weitergehen würde. Eines wurde mir auf jeden Fall klar: ICH HATTE MICH ZUM ERSTEN MAL VERLIEBT.

Von Toren, einer Feier und seltsamen Flecken

Am 1. Mai hatten wir Besuch bekommen von meinem Onkel Hans und seiner Frau Ingrid aus Westberlin. Eigentlich wollten sie einen Tag später, zum Geburtstag meiner Mutter, kommen, aber das hätte sich nach der Arbeit nicht mehr gelohnt und so hatten sie beschlossen, den Feiertag auszunutzen. Am darauffolgenden Tag waren nach der Schule meine Großeltern da und wir feierten bis spät abends Muttis Geburtstag.

An der Eisdiele war ich schon seit Tagen nicht mehr gewesen. Komischerweise verspürte ich danach auch kein Bedürfnis. Das einzige, was mir im Moment durch den Kopf ging, war Sina. Die jetzige Situation war irgendwie unbefriedigend, denn ich wusste nicht so recht, woran ich bei ihr war. Ich hatte gehofft, dass sie sich bei mir melden würde, aber wahrscheinlich erwartete sie von mir den nächsten Schritt. Ich spürte, dass ich jetzt gefordert war und beschloss, heute vor dem Fußballtraining bei ihr vorbeizugehen.

Da ich mit Mädchen bisher nicht viel Erfahrung hatte, begann ich in der Schule Jens auszufragen. Wir kannten uns seit frühester Kindheit an, denn er wohnte gleich bei mir um die Ecke und wir hatten immer zusammen gespielt. Unser Verhältnis war recht gut, obwohl er fast anderthalb Jahre älter war als ich und die anderen aus der 10. Klasse mit uns "Kleinen" nichts zu tun haben wollten.

Ich schilderte ihm meine Situation und er hörte sich alles interessiert an. Als ich mit dem Erzählen fertig war, blickte er mir in die Augen.

"Du willst also wissen, was du jetzt machen sollst? Ist doch gar kein Problem. Wenn du heute Nachmittag zu ihr hingehst, fragst du sie einfach, ob sie mit dir gehen will! Was soll schon passieren? Mehr als nein sagen kann sie ja nicht. Außerdem, nach allem was du mir erzählt hast, wird sie nicht nein sagen."

Sein Wort in Gottes Ohr, dachte ich mir, aber sollte ich sie das wirklich fragen? Ich wusste es nicht so richtig. Jens riss mich aus meinen Gedanken.

"Wird schon schief gehen, Alter", klopfte er mir auf die Schulter, "bei mir hat das bis heute immer funktioniert. Viel Glück."

Er ließ mich stehen und ging wieder zu seinen Kumpels, die am Ende des Schulhofs unter den großen Pappeln standen.

Nach der Schule beeilte ich mich, schnell nach Hause zu kommen. Heute war ich mit Einkaufen dran und musste danach noch den Abwasch von gestern machen. Beides dauerte zum Glück nicht so lange, wie ich erwartet hatte. Schnell packte ich meine Sportsachen ein und machte mich auf den Weg zu Sina.

Als ich bei ihr ankam, war es erst kurz nach 17 Uhr. Bis zum Training hatte ich also noch genug Zeit. Ich lehnte mein Fahrrad an den Gartenzaun und klingelte. Meine Hände zitterten etwas, aber alles in allem war ich weniger aufgeregt als beim letzten Mal.

Ich klingelte noch einmal. Nichts. Anscheinend war niemand zu Hause.

Das war ja eine schöne Pleite, dachte ich und wusste nicht so recht, was ich nun machen sollte. Ich nahm mein Rad und fuhr ziellos durch die Gegend, um irgendwie die Zeit rumzukriegen bis zum Beginn des Fußballtrainings. Zur Abwechslung war ich dadurch sogar mal zu früh da, was bei mir äußerst selten vorkam. Normalerweise kam ich immer auf den letzten Drücker, weil ich zu spät losfuhr, oder die Bahnschranken geschlossen waren.

Mein Trainer guckte ungläubig auf seine Armbanduhr, als er mich sah.

"15 Minuten zu früh, dass ich das noch mal erleben darf", lachte er und fasste sich theatralisch an sein Herz. "Wenn du willst, kannst du schon die Bälle aufpumpen!"

Neben ihm lag ein Netz mit etwa 10- 15 Fußbällen und einer Ballpumpe.

"Geht klar, Trainer, ich ziehe mich bloß schnell um", antwortete ich und ging an ihm vorbei zur Umkleidekabine.

Während ich mich an die Arbeit machte, trudelten nach und nach die anderen Spieler ein. Frank erschien als einer der letzten. Nachdem er mich gesehen hatte, kam er schnurstracks auf mich zu.

"Hallo, Niko, schön dich zu sehen", begrüßte er mich per Handschlag. "Danke noch mal für Montag. Hast du ja prima eingefädelt."

Ich überlegte einen Moment, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte, entschied mich aber, es nicht zu tun.

"Hoffentlich hattet ihr noch einen schönen Abend", erwiderte ich.

"Kann ich mich nicht beklagen", bedeutete er mir vielsagend, "den Film haben wir uns auf jeden Fall nicht angesehen. Und was ist mit euch, wie lange wart ihr noch da?"

"Allzu lange sind wir auch nicht dageblieben. Maximal eine halbe Stunde. Der Film war diesmal ja nicht so toll."

"Na und?"

"Was na und?"

"Na du weißt schon, was ich meine. Ist was gelaufen zwischen euch?" wollte er wissen.

"Nein, wo denkst du hin. Ich habe sie nur nach Hause gebracht."

"Das war alles? Nach dem was Antje mir erzählt hat, dachte ich schon, dass sonst was passiert sein muss. Auf Sina musst du auf jeden Fall einen mächtigen Eindruck gemacht haben. Sie hat Antje ziemlich was vorgeschwärmt von dir."

"Hat Antje das wirklich zu dir gesagt?" fragte ich ihn ungläubig.

"Sicher, was denkst du denn? Übrigens würde ich mich an deiner Stelle heute ein bisschen anstrengen. Nachher wollen die beiden nämlich zum Training zugucken kommen."

"Was ist los, Herr Kleber, zieht sich der Herr freundlicherweise auch mal um? Ich würde gerne mal mit dem Training beginnen, wenn’s denn recht ist", grantelte der Trainer und deutete Frank den Weg zur Kabine. Im selben Moment drehte er sich schon wieder um und brüllte laut "Kann es dann endlich losgehen?" über den Platz.

Heute war der erste Donnerstag im Monat und das bedeutete: Konditionstraining. Die große Runde außerhalb des Sportplatzes fiel daher aus. Als besonderes Bonbon hatte sich unser Trainer ausgedacht, den sogenannten Coopertest durchzuführen. Dabei mussten wir zuerst 3000 Meter im Stadion zurücklegen, natürlich nach Zeit. Danach durften wir fünf Minuten verschnaufen, um neue Kräfte zu sammeln. Die brauchten wir auch, denn jetzt wurden nacheinander je drei Mal die 60, 100 und 200 Meter gelaufen. Nachdem das hinter uns lag, wurden uns wieder einige Minuten Pause gegönnt.

Ich war fix und fertig. Zwischendurch schaute ich immer wieder zur Tribüne herüber, auch wenn man das eigentlich nicht so nennen konnte, um zu sehen, wann Sina und Antje auftauchen. Bisher war allerdings Fehlanzeige.

"Nicht so schlapp, Leute, seid ihr Männer oder was? Auf zur 2. Runde. Erst laufen wir 2000 Meter, dann sind die 400 dran und schließlich die 800."

Unser Trainer war so richtig in seinem Element. Ich glaube, es machte ihm Spaß, uns rumzuscheuchen, als Sportoffizier bei der Armee machte er das ja sogar berufsmäßig. Andererseits würden wir ohne ihn wahrscheinlich immer noch eine Niederlage nach der anderen kassieren.

"Auf die Plätze, fertig, los", rief er uns zu und klatschte in seine Hände.

Am Ende jeder Runde feuerte er uns an und wir versuchten wirklich, das Beste aus uns herauszuholen. In der letzten Runde lieferte ich mir mit Rene einen Kampf um den 1. Platz, den ich am Ende auch knapp erreichte. Ohne Pause mussten wir nun die 400 Meter und zum krönenden Abschluss die 800 Meter laufen. Nach dem Überqueren der Ziellinie ließ ich mich völlig erschöpft auf den Rasen fallen. Für heute hatten wir den Coopertest geschafft.

Minutenlang lag ich regungslos im Gras, das längst mal wieder gemäht werden musste, und hatte meine Augen geschlossen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich im Augenwinkel Sina auf der Tribüne stehen. Wie lange sie wohl schon da war? Ihre blonden Haare wehten im Wind und ließen so das schwarze Kleid, das sie trug, hervorragend zur Geltung kommen. Bisher hatte sie ihre Haare immer zusammengebunden, aber so sah es noch besser aus. Ob sie sich extra für mich schick gemacht hatte?

Die Stimme meines Trainers holte uns alle zurück in die Wirklichkeit.

"Dann wollen wir mal wieder. Jeder holt sich einen Ball und stellt sich danach am 16er auf."

Bernd kann schon ins Tor gehen. Los, los, nicht so müde."

Ich nahm mir einen der Bälle, die ich vorhin aufgepumpt hatte und ging damit auf die linke Torseite. Da ich mit meinem rechten Fuß besser schießen konnte, schoss ich meistens von dieser Seite, um so einen größeren Effet in den Torschuss zu kriegen. Auf dem Weg zum 16-Meterraum tippte mir Frank sachte auf die Schulter.

"Schon gesehen, wer da ist?" deutete er unauffällig in Richtung der Tribüne.

"Klar, schon lange", antwortete ich.

Beim Torschuss üben war ich heute so gut wie seit langem nicht mehr. Lag wahrscheinlich daran, dass ich wusste, Sina guckt zu und da wollte ich mich natürlich nicht blamieren. Mein Trainer sah einige Male anerkennend zu mir herüber und dachte sicherlich schon über unser kommendes Spiel am Sonntag nach. Unser Gegner war dann der Tabellenführer und da konnte es ihm nur recht sein, wenn sein Mittelstürmer im Training ein Tor nach dem anderen schoss. Zum Abschluss machten wir noch ein lockeres Spielchen, das meine Mannschaft klar mit 5:2 gewann.

Nachdem das Spiel zu Ende war, liefen Frank und ich zu den Mädels und begrüßten sie. Sina lächelte mich an und gab mir einen Kuss auf die Wange. Noch bevor wir uns groß unterhalten konnten, brüllte unser Trainer über den Platz, dass wir doch erst mal duschen gehen sollten, weil er auch irgendwann noch nach Hause will.

"Wir sind gleich wieder hier. Dauert nicht lange", sagte ich und mit einem Satz sprang ich über das Geländer, welches die Tribüne vom Innenraum trennte.

Unter der Dusche stand wie jedes Mal nur noch Torsten, unser Bummelletzter, und wir beeilten uns so schnell wir konnten. Als wir fertig waren und uns vom Trainer verabschiedeten, war Torsten immer noch nicht soweit.

"Leute, ihr wisst Bescheid wegen Sonntag?" fragte er uns.

"Aber logo, 11 Uhr 30 auf dem Sportplatz", erwiderten wir, wie aus der Pistole geschossen.

"Na dann, Tschüß und viel Spaß noch", deutete er in Richtung der beiden Mädchen.

Endlich war das Training vorbei und wir hatten Zeit für Antje und Sina. Wir unterhielten uns über alles Mögliche und werteten auch den letzten Montag aus.

"Vorhin habe ich beim Einkaufen unseren Rotwein im Konsum gesehen. Schätzt mal, was der gekostet hat!" fragte ich in die Runde.

"Bestimmt nicht mehr als 3,50 Mark, so wie der geschmeckt hat", frotzelte Antje und die anderen lachten laut los.

"Ihr werdet es nicht glauben, aber der kostete nur 2,80 Mark. Das war der billigste Fusel im ganzen Regal. Da haben die vom Rummel einen guten Gewinn durch uns eingeheimst."

"Stimmt schon, aber Spaß gemacht hat es trotzdem, oder?", warf Sina ein und sah mich dabei augenzwinkernd an.

"Das ist wohl wahr", grinste ich zurück.

Antje und Frank verabschiedeten sich, weil sie um 21 Uhr zu Hause sein musste und so blieben wir beide alleine zurück.

"Was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Abend?" wollte ich von Sina wissen.

"Weiß nicht so genau, vielleicht könnten wir ja nachträglich mit einer richtigen Begrüßung beginnen. Vorhin war ja leider keine Zeit dafür." Sie musterte mich und versuchte herauszufinden, wie ich reagieren würde. Wir standen uns einige Zehntelsekunden gegenüber und schauten uns ganz tief in die Augen.

"Ich finde auch, wir sollten die Begrüßung wiederholen", flüsterte ich ihr leise zu, während ich sie langsam in meine Arme nahm. Unsere Lippen trafen sich und wir küssten uns leidenschaftlich. Ich war überglücklich in diesem Moment und erlebte ein Gefühl, das ich bisher nicht gekannt hatte. Ihre Lippen schmeckten samtig-weich und unsere Zungen verschlangen sich ineinander, als wären sie eins. Es war ja nicht so, dass ich zum 1. Mal ein Mädchen küsste, schließlich gab es in unserer Schule alle 14 Tage eine Disco, wo bei der langsamen Runde im Dunklen schon ab und zu mal Küsse ausgetauscht wurden, aber das hier...

Der Kuss dauerte eine kleine Ewigkeit, in der wir ganz fest umschlungen da standen, und ich konnte förmlich Sinas Herz schlagen hören. Sie schien genauso aufgeregt zu sein, wie ich selbst. Wir drückten uns so eng aneinander, dass ich ihre festen Brüste an meinem Körper spüren konnte. Am liebsten wäre ich ewig so mit ihr stehen geblieben, aber schließlich trennten sich unsere Körper wieder voneinander.

"Wow, kannst du gut küssen. Das war toll", sagte sie mächtig beeindruckt und strich mir durch die Haare.

"Du hast das sicher auch nicht zum ersten Mal gemacht. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, es war... überwältigend."

Wir guckten uns in die Augen und fingen an zu lachen. Sollte ich sie nach diesem Kuss überhaupt noch fragen, ob sie mit mir gehen wollte? Eigentlich war doch damit alles gesagt.

Ich war mir nicht ganz schlüssig.

"Ich muss nach Hause, bringst du mich?"

"Ja gerne, gehen wir", gab ich zur Antwort und nahm mein Fahrrad in die rechte Hand.

"Hast du eigentlich den Tag Ärger bekommen, weil du zu spät zu Hause warst?" fragte ich sie etwas besorgt.

"Nein, nicht richtig. Ich habe meiner Mutter einfach die Wahrheit erzählt und sie war deshalb auch nicht böse auf mich."

"Und was hast du ihr erzählt?" erkundigte ich mich neugierig, "das interessiert mich jetzt aber."

"Ich habe ihr gesagt, dass ich einen tollen Jungen kennen gelernt habe. Darauf hat sie dann gesagt, wenn der so toll ist, dass ich erst mitten in der Nacht nach Hause komme, möchte sie ihn auch kennenlernen."

"Das hat sie wirklich gesagt?" erwiderte ich sehr überrascht.

"Genau so war’s."

Wir hatten inzwischen Sinas Gartentor erreicht. Für mich war klar, dass ich mir meine Frage sparen konnte und das sollte mir nur recht sein. Aber sie schien noch irgendetwas auf dem Herzen zu haben.

Schließlich rang sie sich durch und fragte mich: "Sag mal, würde es dir was ausmachen, am Wochenende zum Kaffeetrinken herzukommen? Meine Mutter möchte schon gerne wissen, mit wem ich mich in meiner Freizeit rumtreibe. Na ja, wie Mütter eben so sind. Du brauchst auch keine Angst zu haben, sie wird schon nicht beißen."

"Gut, können wir machen. Ich freue mich drauf, wirklich. Bleibt nur die Frage, wann?" sprach ich zu ihr.

"Wir sind Sonnabend und Sonntag da. An uns soll es also nicht liegen. Sag einfach einen Tag", blinzelte sie mir zu und presste ihre Lippen zusammen.

"Also mir wäre es am liebsten am Sonntagnachmittag, nach dem Spiel, so gegen 15 Uhr. Was meinst du?"

"Ist eine ganz hervorragende Idee", lachte sie mich an. "Sehen wir uns vorher noch? Ich meine, kann ich dich vielleicht besuchen kommen?"

"Würde ich mich riesig drüber freuen. Wenn du willst, morgen nach der Schule. Ab 16 Uhr wäre okay."

"Na gut, dann bis morgen Nachmittag. Ich muss jetzt rein", sagte sie und gab mir zum Abschied einen dicken Kuss.

Kurz danach verschwand sie im Garten und ich rief noch leise " Tschüß und gute Nacht" hinterher.

Überglücklich machte ich mich auf den Heimweg. Zu Hause angekommen, machte ich mir noch schnell eine Kleinigkeit zu essen und zog mich auf mein Zimmer zurück. Morgen stand in der zweiten Stunde eine Klassenarbeit in meinem "Lieblingsfach" Mathematik auf der Tagesordnung und ich hatte noch nicht eine Minute dafür gelernt. Irgendwann nach Mitternacht schlief ich völlig erschöpft ein.

Es war Sonntagmittag. In der Umkleidekabine hielt unser Trainer eine flammende Rede, in der Hoffnung, uns etwas Selbstbewusstsein eintrichtern zu können. Schließlich wartete heute nicht irgendein Gegner auf uns, sondern der bisher ungeschlagene Tabellenführer. In der Hinrunde hatten wir mit 0:6 eine kostenlose Lehrstunde erhalten, obwohl wir mit dem Ergebnis sogar noch zufrieden sein konnten. Diesmal waren die Vorzeichen nicht viel anders, außer dass wir im Abstiegskampf unbedingt punkten mussten. Wir standen also ziemlich unter Druck.

Die erste Halbzeit verlief genau so, wie wir es erwartet hatten. Unser Gegner zog sein Spiel auf nach Belieben und wir kamen nicht einmal richtig über die Mittellinie. Warum wir nur 0:2 zurücklagen, konnten wir selber nicht verstehen. In der Halbzeitpause brüllten alle durcheinander. Die Stürmer schimpften über die schwache Verteidigung, welche wiederum der Meinung waren, dass im Mittelfeld zu wenig passierte, und auch wir Stürmer bekamen unser Fett weg. Alles sah nach einem Debakel wie im Hinspiel aus. Nur heute war es irgendwie anders. Vielleicht hatte uns auch bloß die Ansprache unseres Trainers in der Pause wachgerüttelt, aber als der Schiedsrichter die zweiten 45 Minuten anpfiff, waren wir plötzlich heiß und hatten den Glauben an uns selbst zurückgewonnen. Sicher waren die anderen uns spielerisch klar überlegen, aber bei uns kämpfte jetzt jeder für jeden. Kein Ball wurde verloren gegeben und wir erarbeiteten uns eine Chance nach der anderen.

In der 78. Spielminute war es endlich soweit. Nach einer abgewehrten Ecke befand sich die gegnerische Verteidigung bereits wieder in der Vorwärtsbewegung, als Rene seinem Gegenspieler den Ball abnehmen konnte und von links außen eine Flanke auf die Höhe des Elfmeterpunktes hereinbrachte. Der Torhüter blieb zu meinem Erstaunen auf der Torlinie stehen und da ich zuerst am Ball war, hatte ich keine Mühe, den Anschlusstreffer zu erzielen. Jetzt wollten wir natürlich den Ausgleich und kämpften bis zum Umfallen. Leider war unser Tor zu spät gefallen, um das Spiel noch umbiegen zu können. Ein zweites Tor gelang uns nicht mehr.

Nach dem Schlusspfiff wurden wir von den gut 150 Zuschauern mit Beifall verabschiedet, was in der letzten Zeit eher selten passierte und was viel wichtiger war, wir glaubten wieder an uns.

Ich war nach diesem Spiel, und vor allem durch mein Tor, blendend gelaunt. Die zwei Bier später in der Umkleidekabine hatten sicher auch ihren Anteil daran, dass ich ungemein ruhig war, als ich zum Kaffeetrinken bei Sina und ihrer Mutter ankam. Vorher hatte ich mir schon so meine Gedanken gemacht, aber jetzt war ich überhaupt nicht aufgeregt.

Ich klingelte und wenig später saß ich auch schon am Kaffeetisch, der mit einer Kirschtorte und einem Käsekuchen für uns 3 reichlich gedeckt war.

"Wie ist euer Spiel ausgegangen?" wollte Sinas Mutter wissen.

"Wir haben 1:2 verloren, aber gegen den Gegner ist das keine Schande. Die haben in 18 Punktspielen gerade mal fünf Punkte abgegeben."

"Und wo steht ihr in der Tabelle?" fragte Sina interessiert.

"Im Moment sind wir 11. von 14 Mannschaften. Die beiden letzten steigen ab. Also sind wir mittendrin im Abstiegskampf, aber ich bin ziemlich optimistisch, dass wir nicht absteigen werden. Hoffe ich doch stark.“

"Dann wünsche ich euch viel Erfolg. Wird schon klappen", versuchte ihre Mutter, mir etwas Mut zu machen.

Wir unterhielten uns eine ganze Weile und ich hatte ein gutes Gefühl dabei. Obwohl die Unterhaltung eher einem Frage- und Antwortspiel glich. Aber das war sicherlich meistens so, wenn man den Eltern beziehungsweise einem Elternteil zum ersten Mal vorgestellt wird.

Nach dem Kaffeetrinken zeigte mir Sina ihr Zimmer. Es war nicht besonders groß, aber für sie alleine reichte es. In meiner Klasse hatten viele gar keinen Raum für sich, sondern mussten sich ihr Zimmer mit Geschwistern teilen. Da war ich froh, dass ich mein kleines Reich hatte und Sina ging es genauso.

Erstaunlicherweise hingen bei ihr keine Poster von Musikgruppen an der Wand, so wie bei mir. Stattdessen hatte sie ein großes Bild über dem Bett zu hängen mit einer Landschaft von der Ostseeküste im Winter. Sah toll aus. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Schreibtisch. An der Wand dahinter waren etliche Fotos angepinnt, auf denen Sinas Familie und Schulfreunde zu sehen waren.

"Dein Zimmer gefällt mir. Ist sehr gemütlich", sagte ich und schaute mich im Raum um.

"Sag mal, kann man sich auch irgendwo hinsetzen? Meine Knochen tun mir ganz schön weh vom Fußball spielen."

"Klar, ist ja keine Stehhalle hier", antwortete sie und zeigte auf das Bett.

"Eigentlich wollte ich mich nur hinsetzen, aber von mir aus...können wir auch ins Bett gehen."

"Ja, ja, das könnte dir so passen, was? Aber da wirst du noch eine ganze Weile warten müssen." Sie lachte mich mit dem süßesten Lächeln der Welt an und kam langsam auf mich zu.

"Meine Mutter ist übrigens begeistert von dir, und das will was heißen. Sie findet dich sogar richtig nett, obwohl ich das wiederum gar nicht verstehen kann", frotzelte Sina und drückte sich leicht an mich.

"Also ich kann das sogar gut verstehen", konterte ich, "schließlich bin ich ein netter Typ. Oder etwa nicht?" Ohne eine Antwort abzuwarten, umarmte ich Sina und küsste sie.

Wir verbrachten einen wunderschönen Nachmittag und ich war unheimlich froh, dass ich auf ihre Mutter einen guten Eindruck gemacht hatte.

Von diesem Tage an, sahen wir uns fast täglich und waren jede freie Minute zusammen. Für mich war eine völlig neue Zeitrechnung angebrochen.