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Noch nie nah dran gewesen? Ein Beinah-Unfall, eine unklare Diagnose? Oder vielleicht jemanden begleitet, der den letzten Weg gegangen ist? Der Tod und das Leben, ein Widerspruch? Ist es Religiosität, Esoterik oder blanke Verzweiflung, sich an ein lebendiges Danach zu klammern? Diese Geschichten zu Leben und Tod wollen traurig, hoffnungsvoll, spannend oder nachdenklich sein und facettenreich dem Leser seine ganz eigene Interpretation ermöglichen zum provokativen Satz: Am Ende lebe ich.
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Gewidmet dem Leben, für das ich dankbar bin.
Wir lachen uns zu Tode, finden manches todschick, anderes todlangweilig. Wir rufen zur Hölle mit wem auch immer oder gehen wahlweise über den Jordan oder die Wupper, um uns die Radieschen von unten zu betrachten. Wissen wir eigentlich wovon wir dann reden?
Wenn der beständige Rhythmus des Alltags abrupt durchbrochen wird, wie ein Herzstolpern, ein Schwindel, ein Straucheln, dann kommen sie, die ernsten Gedanken an die Endlichkeit unseres Seins. Das Ende, irgendwann, wie wird es sein?
Wenn die Schwester meiner Frau, innig von ihr geliebt, durch einen Hirntumor in Monatsfrist aus einem zartfühlenden und lebensbejahenden Dasein gerissen wird,
wenn Menschen ihre Seele und die Erinnerung auf dem Weg verloren haben und selbst der Blick zurück nur Ratlosigkeit hinterlässt,
wenn in stummen Begleitern grässliche Narben früheren Leids pochen, stärker als ihr eigenes Herz,
wenn der Hochmut des Erfolgreichen sich in der Angel des Banalen verheddert und er zu ertrinken droht,
dann entsteht bisweilen eine Idee, die sich unter den tastaturenden Fingern zu einer Geschichte auswächst. Sie geht ihre eigenen Wege. Manchmal meine ich, mich dafür entschuldigen zu müssen. Aber es ist die Sache dieser einen Geschichte, ihr Dasein zu verantworten. Am Ende habe ich sie nur aufgeschrieben. Sie hat sich selbstständig gemacht. Sie ist in mir geboren, emanzipierte sich und zeigt mir Wort für Wort ihre Möglichkeiten auf.
Ich wünsche Euch nachdenkliche Momente. Ich wünsche Euch, berührt zu werden von meinen kleinen Geistern.
Piet Brender
Waldkraft
Ebbe und Flut
Das halbe Meer
Katze
Winter
Pedro und Evita
Das Haus
Gelebt
Moment
Der weite Weg
Die Helferin
Zitternde Wasseradern laufen braunschlierig über die Haut. Vernarbte, von Krampfadern gedemütigte Haut. Stumpfbraune, klobige Lederschuhe schmatzen im schwarzen Sumpfboden. Alles versinkt, alles verläuft. Wasser, überall nichts als ein nicht enden wollender Strom von Wasser.
„Mist!! So ein beschissenes Wetter!!“ Jörn Markgraf versetzt seinem überdimensionierten Luxus-SUV einen Kick-down, um sich aus dem ockerfarbenen Schlammloch heraus zu katapultieren. Der Achtzylinder brüllt auf, wie ein waidwunder Bär auf der Flucht. Im Dämmerlicht nässender Unwetterwolken sieht er durch die Gischt-Fontänen gerade noch die geduckte, rotweiße Absperrung vor sich auftauchen, beleuchtet von einer jämmerlichen Signallampe. Das hilflos im lahmen Rhythmus zuckende, blasse Gelb versteckt sich hinter den vom Himmel stürzenden Wassermassen.
Er versetzt den Wagen nach links, ESP, ABS und ASR, alles funktioniert, der Wagen steht quer zum Absperrbalken, allein der Scheibenwischer tanzt seinen hysterisch hektischen Rhythmus.
Markgraf starrt auf die Funzel, die vergeblich versucht, sich Geltung in dem tosenden Inferno zu verschaffen. „Verdammt!!“ Wut prallt auf das Lederlenkrad. „Diese Gott verdammte Gegend, es kann doch nicht wahr sein, dass ich nur wegen so einer lächerlichen Umleitung in dieses Kaff gerate und jetzt noch das!! Ich könnte schon auf dem Brenner sein. Herr Gott, ihr Österreicher, lebt ihr eigentlich auf dem Mond, oder was?!“
Mit zwei hektischen Wendemanövern dreht er und schießt die Straße zurück durch knöcheltiefes Wasser.
Sein Auto repräsentiert grenzenlose Souveränität. Er als Extremsportler hatte keine Lust, sich seine fordernden Touren durch Canyons, Schluchten und Berge durch mangelnde Motorisierung begrenzen zu lassen. „Wenn Du sechsstellig verdienst, dann musst Du auch sechsstellig leben“, sein Credo für Nachwuchsmanager, denen seiner Meinung nach der Hunger fehlte. Wie ein Kind konnte er selbst in gefährlichsten und höchst stressigen Verkehrssituationen den Spaß an Geschwindigkeit, Reaktion und Akustik genießen.
Plötzlich, mitten im scheinwerferhellen Sprühnebel, taucht eine Schlamm-Muräne auf. Ein gewaltiger Tritt verzögert die zweieinhalb Tonnen, den Rest besorgt das Erdreich. Ein dumpfer Knall, ein Schaben und Markgraf steht. „So ein Mist!! Das ist ja die Hölle, verdammt, verdammt, verdammt!!!“ Er muss raus. Die wetterfeste Outdoor-Jacke liegt auf dem Beifahrersitz, ebenso wie eine große Maglite-Taschenlampe. Kaum öffnet er die Tür, fällt ein rasendes Heer von Wassertropfen über ihn her. Wie täuscht doch das künstliche Klima einer Luxuslimousine über die tatsächlichen Verhältnisse außerhalb dieses Schutzpanzers. Er kämpft sich zur Vorderseite seines Wagens, leuchtet mit der Lampe auf den vorderen Stoßfänger. Die Frontschürze ist eingerissen, aber sonst scheint der Wagen intakt. Dann hockt er davor und wartet. Es dauerte fast eine Minute, bis ihm sein glasklarer Verstand zu verstehen gibt: Du musst hier irgendwo übernachten.
Wieder wendet er. Da waren doch vor der Absperrung links Lichter. Er biegt in eine Kiesauffahrt, immer noch forsch, und rutscht nach einer lang gezogenen Rechtskurve auf ein gedrungenes Bauernhaus zu. Durch den Regen sieht man nur nasses dunkles Holz und blassgrüne Wände. Außen leuchtet eine kümmerliche Funzel. Haben die hier keinen Strom, oder was, spotten seine Gedanken. Er steigt aus, hastet zum Eingang. Keine Klingel, also klopfen. „Hallo? Ist da jemand?“ Nach einigen Sekunden hört er Schritte und aufgeregte Stimmen. Die Tür öffnet sich.
„Hallo, Entschuldigung,...“
„Ahh, mein Gott kummens doch rein, sie hoins sich ja den Tod, Herrschoftszeiten.“
„...ich bin hier steckengeblieben, kann man bei Ihnen übernachten, ich zahl gut?“
„Ja, schoo, aber mein Gott, was moch i denn jetzt“?
Ihm gegenüber kauert eine Frau, schätzungsweise siebzig, krummbeinig, bucklig, weißes, hastig nach hinten gebundenes Haar. Doch in den Augen lodert das Feuer der Angst. Sie blickt nach hinten.
„Mariandl!! Hostn Hansi erreicht?!“
„Nein, Mama, der ist noch mit dem Taxi unterwegs!“
„Mei, mei, mei. Bittschen, nehmens doch solang Plotz. Hat die Mutter denn den Mantel oazogn?! Na, bei dem Wetter, mein Gott, wenns der jötz wos passiert.“
Plötzlich wendet sie sich wieder Jörn Markgraf zu. Verwundert verfolgt er die sich abspielende Szene.
„Hörns, guter Mann, mei Mutta, oiso, meine Mutter, verstehn´s, die is verschwundn. Sie woid an bissl a Hoiz holn, bei dem Wetter!“
„Wie lange ist das her?“ Markgraf spürt, dass jetzt einer hier kühlen Kopf bewahren muss. Er hat nicht umsonst bei seiner schwedischen Mutterfirma mehrere Survival-Kurse absolviert. „Schaffst Du die Wildnis in der Natur, dann beherrschst Du auch die Wildnis im Management.“
„Dös sind scho zwei Stunden, mei Gott, die Ärmste!"
„He, bleiben sie ruhig, wohin ist sie gegangen?“
Im Türdurchgang zum hinteren Teil des Wohnhauses erkennt er plötzlich die andere Stimme, offensichtlich die Tochter, hinter sich die Dunkelheit typischer Bauernhausflure über die man zu den hinteren Wohnräumen gelangt. Hier vorne stehen sie in einem einfach eingerichteten Frühstücksraum, etwas abgetrennt vom bescheidenen Reich der Vermieter. Die Tische sind sauber, die Stühle einfach und die Blumen auf den Tischen aus Plastik.
„Sie kann nur den Weg über den Bach nehmen, zum Bergwald hinauf, woanders ist nicht genug Holz zum Sammeln.“
Diese Frau hat kein Alter, Markgraf ist irritiert. Ihre Haare sind rot, widerspenstig, das Gesicht fast asketisch und voller Sommersprossen. Die Augen funkeln, wie die Ihrer Mutter, jedoch in kühlem hellblau, frei von Angst oder Unsicherheit. Die vor der flachen Brust verschränkten Arme drücken Abwehr aus. „Großmutter holt sich noch Holz, um fit zu bleiben und weil sie am Traditionellen hängt. Was soll sie denn sonst schon groß machen?“
Den letzten Satz richtete sie an ihre Mutter.
„Mariandl, d´sollst mir net immer widersprechen, die Mutter is dumm und verrückt.“
„Wie alt ist sie denn?“ Markgraf wird allmählich neugierig. Galt es hier mit sportlichem Einsatz jemandem das Leben zu retten?
„Oananeinzig, oba sie is immer noch gut zu Fuaß.“ Die Wirtin, das musste sie sein, setzt sich nun auf einen der Stühle, schluchzt, schneufzt sich ins Taschentuch. Trotz grotesker Falten und der krummen gebückten Haltung, ihre Haut und ihr ganzes Wesen hat etwas Weiches, Verletzliches.
„Lechleitner, Marianne, Entschuldigung“, die Tochter reicht ihm die Hand. Sie ist knochig, mit forschem Griff. Spröde, denkt er, aber...
„Meine Mutter macht sich viel zu viel Sorgen um Anna, meine Großmutter. Die ist hier groß geworden. Wenn Sie irgendwann stirbt, dann sowieso hier in der Natur, dann sucht sie es sich auch aus.
„Haltst Deinen Mund!!,“ rief die Alte ihr energisch zu und schlug nach hinten mit der Hand nach ihrem Arm, verfehlte ihn aber.
„Mutter, wir werden sie ja suchen.“
„Hören Sie, mein Name ist Markgraf, Jörn Markgraf, Senior Consultant der Enterprise Optimizing Germany. Ich darf bei Ihnen übernachten und dafür suche ich Ihre Mutter, ich kann sowieso nicht weiter.“
„Aber bei dem Wetter, Sie kennen sich doch gar nicht aus.“
„Hey, hören Sie, es ist okay, sie sind vom Land. Für Sie gibt es Traktoren und irgendwelche kleinen Autos. Ich habe einen Allroader, der kommt überall durch, es sei dann man sperrt die Straße ab.“
„Wie bitte? Sie wollen hier mit dem Auto fahren? Sie kommen keine 200 Meter weit. Wissen Sie, was da draußen los ist?“
„Ich war mit dem Auto schon in Gegenden, da würden Sie nicht mal zu Fuß hinkommen. Außerdem bin ich Spezialist im Survival-Geschäft, Überleben, verstehen Sie? Wo ist der Bach?“
„Weiter den Weg hoch, nach zweihundert Metern rechts. Warten Sie, ich komme mit!“
„Keine Chance, Süße, das ist Männersache.“
Verdutzt steht Marianne Lechleitner am Türeingang, beobachtet mit halboffenem Mund, wie der Fremde wieder in sein großes, feines Auto steigt und den Motor aufheulen lässt. Sie ist nicht zimperlich. Mit 39 Jahren ist sie Kreditbearbeiterin der hiesigen Bank, Handwerkerin, Landwirtin oder Pflegerin zu Hause, immer unter Strom und immer in Bewegung. Und dann kommt so ein Schnösel und erzählt etwas von „Süße“ und „Männersache“?
„Mama, komm zieh Dir den Regenmantel an, wir suchen mit.“ „Jo Mariandl, wart i kimm scho“, hallt es aus der Tiefe der hinten gelegenen Wohnküche.
Die Bäume sind das Gedächtnis des Berges, hör nur wie sie rauschen, sie träumen, unruhig träumen sie. Und das Wasser, das erzählt Geschichten, manchmal stille leise Schlaflieder, dann wieder fröhliche plätschernde Weisen, aber jetzt, jetzt sind es wütende, rasende Anklagen. Der Berg ist böse. Was haben Sie ihm alles angetan, die Menschen. Gesprengt, gerodet, die Ski-Hänge überall, dann der Müll, die gejagten Tiere, die heraus gerupften Pflanzen. Recht hat er, der Berg, dass er die Menschen verjagt, Recht hat er.
Es schien, als würden die Wassermassen ihn zuschnüren, von allen Seiten, von oben, von unten. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Der Weg, ein reißender Bach. Der Randstreifen war eben noch erkennbar, doch das Wasser lief jenseits davon in scheinbar unendlicher Breite mitten durch den Wald. Nur aus dem Fernsehen kannte er solche Bilder, die Nachrichten von verheerenden Überschwemmungen, Dresden, Avignon, Sechuan, usw. Ihm wurde mulmig. Fuhr er noch auf der Straße? Wo war der Bach? Würde gleich sein Motor absaufen? Das Wasser reichte bis zum Türschweller und mehr und mehr wurde ihm klar, dass er keinen Landrover, sondern einen Luxuswagen besaß, dessen Ledersitze vielleicht bald übel zugerichtet sein würden. In der Hoffnung bald eine Senke durchquert zu haben, fuhr er weiter.
Plötzlich schlägt ihm etwas das Lenkrad aus der Hand. Schreckstarr blickt er aus dem linken Seitenfenster. Da war er, der Bach, oder besser gesagt, das tobende Grauen. Weißbraun aufschäumend, brüllend, gurgelnd, und immer wieder tief dröhnend, reißt er Felsbrocken und Äste mit sich. Das Auto war nach rechts gegen einen kleinen Baum gedrückt worden, der sich mit Mühe gegen das tonnenschwere Gefährt stemmt. Panisch stiert Markgraf auf dieses tobende Ungeheuer. Unter seinem Wagen spürt er dumpfes Kratzen. Er setzt den Rückwärtsgang ein, doch die Bodenhaftung ist für alle vier Räder verloren, nur der zitternde Baum stemmt sich verzweifelt gegen den tonnenschweren Koloss, verhindert, dass er mitsamt seinem Auto fortgerissen wird.
Jetzt hat er Angst. Pure, nackte Angst. Jetzt fällt alles Souveräne von ihm ab, wie abgeplatztes Blattgold. Sein Herz hämmert, er beginnt verschwommen zu sehen. Nicht sein Auto, sein Leben ist es, um das er jetzt bangt. Der Moloch stürzt weiter rechts metertief, durch große Felsen und Bäume hindurch.
Die Fahrertür klemmt. ‚Ich muss durch die Beifahrertür raus, nein, Mist! Da ist der Baum, die Heckklappe, halt meine Lampe‘.
Er löst den Gurt, hektisch, mit nestelnden, zitternden Fingern. Das Auto schwankt, quietscht, er drückt die Heckentriegelung, schiebt sich vorsichtig zwischen den Vordersitzen über die Lehne, stolpert kopfüber auf die Rückbank. Es gibt einen dumpfen Knall, ein Fels trifft das Auto. In rasender Panik stürzt er über die nächste Hürde, stößt gegen die Hecktür, direkt mit der linken Schulter, etwas kracht und birst, der Wagen ruckt nach rechts, legt sich auf die Seite, schaukelt kurz zurück, er drückt - vor Schmerzen stöhnend - gegen die Klappe, sie öffnet sich, mit einem Ruck kippt die Karosserie, er fällt rückwärts ins Wasser, direkt auf einen Stein. Ein schreiendes Geräusch, Metall auf Fels, ein dumpfes Grollen, ein krachender Aufschlag. Dann nur noch Rauschen, ohrenbetäubendes Rauschen.
„Aua, mein Kreuz!“ Die Stimme, ein heiseres, hilfloses, verzweifeltes Aufstöhnen. Er liegt bis zum Bauch im Wasser. Sein Kopf, seine Knie und seine Schultern ragen einzig aus dem brodelnden Bach, der einmal ein Feldweg gewesen war.
Langsam versucht er sich aufzurichten. Sein Körper ist eine einzige Wunde. Der Rücken, die Schulter und auch das rechte Knie. Der Schädel dröhnt. Seine Hand tastet eine Beule, am Hinterkopf. Eine offene Stelle, ein Riss, nass. Zur Dunkelheit der Regenwolken gesellt sich jetzt die schleichende Finsternis der Nacht. Aber das Blut an seiner Hand kann er noch erkennen, viel Blut.
„Stell Dich nicht so an, Jörn, das ist nur eine Platzwunde, das ist nicht das erste Mal.“ Doch seine Selbstbeherrschung wankt. Mühsam richtet er sich auf, mit zitternden Knie. Wo bin ich?
„Ach du Scheiße!“ Sein Auto liegt halb ersoffen vor einem riesengroßen Felsen, verbeult, die Scheiben zerborsten. In der Dämmerung sieht es aus wie eine Leiche.
Für einen Moment denkt Markgraf an Pannendienst, ADAC, dann lacht er in sich hinein, ein höhnisches, ein teuflisches Lachen, eines das nichts Schlimmeres mehr erwartet, weil es schlimmer nicht kommen kann. Nein, er würde sein Smartphone nehmen und die Polizei, den Rettungsdienst rufen, dem Auto kann sowieso keiner mehr helfen. Er will nur noch weg. Er greift in seine Jackentasche,
Gott sei Dank, es ist noch da, der Retter in der Not.
„Nur wer immer erreichbar ist, ist auch immer am Ball."
Er nimmt das Handy, jetzt wieder mit selbstsicherer Geste, einmal schnapp und aufklappen. Doch es ist feucht, nass, glitschig. Es rutscht über die greifenden Finger leicht nach oben, neigt sich, als ob es wippen wollte, balanciert auf der Oberkante der gewölbten Außenseite seines linken Zeigefingers, die eigentlich das Handy halten sollte. Das Großhirn gibt rasend schnell Befehl an die Ersatzhand, ruft nebenbei, „Du Idiot, kannst Du es nicht festhalten“, lässt die rechte Hand auf die linke zu schnellen, schnappt, erwischt Luft…
Ein klatschendes Geräusch und die Verbindung zur Außenwelt ist abgetaucht.
Fassungslos starrt er in die gurgelnden Fluten, die wie zäher Teig wirken, ruhelos getrieben vom Mahlwerk der Natur.
Es bist Nacht. Seine Taschenlampe! Er holt sie vorsichtig aus der Jackentasche, fest umklammert mit beiden Händen, zitternd vor Kälte und desorientiert. Wo ist noch Land? Er kommt sich wie ein Schiffbrüchiger vor. Links von ihm wackeln Sträucher im flackernden Licht seiner Leuchte. Völlig durchnässt stapft er durch das Wasser auf einem Weg, den er nur ahnen kann. Von reiner Überlebensangst getrieben, zieht er sich an einem kleinen Strauch hoch auf einen Hügel. Das Licht zeigt eine breite Böschung, aus den Wassermassen herausragend. Da muss ich hin, an Land.
Ach, mir ist so kalt, lieber Wald und mein Regenschutz, er ist so schwer. Hast Du nicht genug gezürnt. Auch die Rehe und Vögel leiden. Hab ein Einsehen. Schau, Du bist so mächtig und gewaltig, nun leg Dich doch zur Ruh.
Marianne und ihre Mutter standen keine zwanzig Meter von ihrem Haus entfernt, da wussten sie, es gab kein Durchkommen. Aber wo war nur dieser vorlaute Typ geblieben.
„Bin i froh, dös du net mitganga bist.“
„Das kannst Du wohl sagen. Weißt Du was? Vielleicht ist die Mutter doch nach unten auf die andere Seite gegangen, aber da scheint ja auch alles überflutet?“
„Mir missen die Polizei rufn, Mariandl, herst!!“
„Ja, ja, aber die kommen sowieso nicht hier raus. Wenn selbst der feine Herr mit seinem tollen Auto hier gelandet ist. Glaub mir, die Mutter, die ist bestimmt o.k.“
„Mei, mei, Mariandl, i glaubs net!“
Beide standen sie, trotz Regenjacken völlig durchnässt in der Nähe des Hauses, hilflos, ratlos. Schließlich resignierten sie vor den infernalen Wassermassen und flüchteten in die trockene Wohnstube.
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