Am Mittag lauert der Tod - Molly Flanaghan - E-Book

Am Mittag lauert der Tod E-Book

Molly Flanaghan

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Tod bittet zum Tanz.

Ein berühmter irischer Tanzwettbewerb findet mitten im verschlafenen Ballinwroe statt. Fionas Bed & Breakfast ist bis unters Dach ausgebucht. Sogar das Wetter spielt mit, alles scheint perfekt – bis einer der Tänzer ermordet wird. Wer war der Mann, über den seine Teamkollegen kaum etwas wissen? Schnell rückt Pater Moran in den Fokus der Ermittler. Er kannte den Toten besser als er zunächst behauptet hat. Fiona und Aidan eilen ihrem Freund zu Hilfe – und stecken damit erneut mitten in einem gefährlichen Fall ...

Fiona O'Connors fünfter Fall: Unerschrocken ermittelt sie in der rauen Landschaft Irlands.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 189

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Cover for EPUB

Über das Buch

Im gemütlichen Ballinwroe an der irischen Westküste geht es ungewohnt trubelig zu: Das Dorf darf den diesjährigen County Clare Open Feis ausrichten, ein wichtiges Nachwuchsturnier für irische Stepptänzerinnen und Stepptänzer. Fiona O’Connors Bed & Breakfast in ihrem geliebten Greenhill Cottage brummt, alle Zimmer sind ausgebucht. So groß ist der Andrang, dass sogar das alte Gebäude der ehemaligen Schule kurzerhand in ein vorübergehendes Hostel umgewandelt wird, um die vielen Teilnehmenden und deren Eltern unterzubringen. Zwischen den Wettbewerbstänzen treten zahlreiche Schautanzpaare auf, um das Publikum bei Laune zu halten. Einen der Schautänzer verbindet eine düstere Vergangenheit mit dem hiesigen Pater Michael Moran. Dieser will seine tragische Jugend eigentlich hinter sich lassen, möglichst keinen Staub mehr aufwirbeln. Doch dann stirbt der Tänzer. Auf der Bühne, vor aller Augen. Und Michael wird zum Verdächtigen.

Über Molly Flanaghan

Molly Flanaghan, geboren 1978, reiste vor Jahren während der Semesterferien mit dem Rucksack durch Irland und verliebte sich Hals über Kopf in das Land. Während einer zweiten Reise lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, mit dem sie inzwischen in Deutschland lebt. Irland ist ihr zur zweiten Heimat geworden.

Im Aufbau Taschenbuch hat ihre beliebte Pensionsbetreiberin Fiona O’Connor bisher schon vier weitere Fälle gelöst: »Der Tag beginnt mit Mord«, »Der Tod bleibt über Nacht«, »Der Frühling bringt den Tod« und »Mit dem Morgen kommt der Tod«.

ABONNIEREN SIE DEN NEWSLETTERDER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

die besten Neuerscheinungen aus unserem vielfältigen ProgrammLesungen und Veranstaltungen rund um unsere BücherNeuigkeiten über unsere AutorenVideos, Lese- und Hörprobenattraktive Gewinnspiele, Aktionen und vieles mehr

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

http://www.aufbau-verlage.de/newsletter

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Molly Flanaghan

Am Mittag lauert der Tod

Ein Krimi in Irland

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Motto

Zitat

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Impressum

Wer von diesem Krimi begeistert ist, liest auch ...

»Into each dance must be packed the panic and ecstasy of her last moment of life, for underneath was death.«

Edna St. Vincent Millay

»Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt, mein Trauergewand hast du gelöst und mich umgürtet mit Freude, damit man dir Herrlichkeit singt und nicht verstummt.«

Psalm 30, 12

Prolog

Nur noch dieser letzte Tanz. Cormac atmete tief ein und hatte doch das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Jeder Atemzug tat weh, seine Hände zitterten. Trotzdem drückte er, als er die ersten Takte der Musik, seiner Musik, hörte, stolz die Brust durch, reckte das Kinn. Zog die Schultern zurück und hielt die Arme in einer geraden Linie an die Seiten des Körpers entlang gestreckt. Jeder Muskel war in Bereitschaft, die Anspannung zerriss ihn fast. So hatte es sich noch nie angefühlt. Seine Füße streckten sich in den festen Schuhen, an deren Sohlen und Absätzen Platten aus Metall befestigt waren. Die Erinnerung an die Stimme seines Vaters hallte durch seinen Kopf. Tanz, Cormac, tanz! Die Musik erklang, der traditionelle Reel Bonnie Kate. Musik, zu der schon unzählige Tänzer seit mehr als einhundert Jahren gesteppt hatten, im 19. Jahrhundert auf fest gestampften Lehmböden in verräucherten Pubs. Oftmals wurden damals auch Türen aus den Angeln gehoben und auf den Boden gelegt, damit die schnellen Schritte der Tänzer nicht nur zu sehen, sondern auch weithin zu hören waren. Man tanzte auf grob gezimmerten Holzböden unter den Buchen und Linden der Festplätze irischer Dörfer. Heute bewegten die Tänzer sich auch auf den glatt geschliffenen Böden der Bühnen rund um die Welt.

Das Publikum erkannte die Melodie, er konnte wippende Köpfe und Füße sehen. Einige kleine Kinder drehten vor der Bühne lachend ihre Kreise. Kurz dachte Cormac an seinen ersten großen Auftritt im Siamsa Tíre: Auf der Bühne des nationalen Folklore-theaters in Kerry hatte er zu genau dem gleichen Lied getanzt. Stolz durchflutete ihn, und er setzte zu dem ersten der drei großen Sprünge an, die ihn in die Mitte der Bühne bringen würden. Reihte sich ein in die Tradition der vielen Tänzer vor ihm. Die Kostüme und ein Teil der Schritte mochten sich geändert haben. Aber die Haltung, der Stolz und die Kraft, die der Tanz von ihm erwartete, in ihm erweckte, waren unverändert geblieben. Die Musik, die ihn antrieb und begleitete, wurde heute von einer Gruppe von sechs Musikern gespielt: zwei Geigen, zwei Konzertina, eine Bodhrán, deren Spieler mit seinem Holzschlägel den Takt vorgab. Eine Flöte würde später im Stück die Melodie übernehmen und sich wie ein Gesang über die anderen Instrumente legen. Cormac suchte den Blick des ältesten Geigers, der mit einem Nicken aus dem ruhigeren Vorspiel in den schnelleren Hauptteil wechselte. Die anderen Musiker folgten ihm. Er hatte mit ihnen abgesprochen, nach und nach das Tempo zu steigern, bis alles in einem atemlosen Finale endete. Cormac holte tief Luft, sog die Energie aus seinen Erinnerungen, der Musik und den Menschen vor sich ein, und ließ sie dann in seinem ersten hohen Sprung los.

Sprung, tap, tap, tip, Sprung, tap, tap, tip. Die gestreckten Beine so hoch, dass seine Knie fast die Nase berührten. Höher Cormac, höher! Sprung, tap, tip, tap. Die Füße kreuzen und weiter. Schneller, Cormac, schneller!

Sein Herz raste. Das Publikum verschwamm vor seinen Augen. Wo war Michael? Wo war Lily?

Cormac steppte immer schneller, drehte sich, sprang – bis er nicht mehr wusste, ob er sich selbst bewegte oder die Welt um ihn herum in wilden Drehungen taumelte. Höher, schneller. Er rang verzweifelt nach Luft, ein stechender Schmerz in seiner Brust, ihm wurde heiß, immer heißer, dann fiel er. Durch das immer lauter werdende Rauschen in seinem Kopf hörte er die letzten Takte seiner Musik, die ersten Schreie aus dem Publikum. Und dann: Stille.

1

Am Tag zuvor saß Fiona O’Connor zufrieden in der warmen Junisonne und blickte amüsiert auf das Treiben vor sich: Ballinwroe, ihr Heimatdorf, richtete an diesem langen Wochenende den County Clare Open Feis aus, ein wichtiges Nachwuchsturnier für irische Stepptänzer. Auf dem alten Sportplatz wimmelte es von Menschen: Dorfbewohner standen zwischen europäischen und amerikanischen Touristen, die begeistert ihre Kameras und Handys gezückt hatten. Tänzerinnen mit ihren kurzen, weiten Röcken und oft prachtvoll bestickten oder glitzernden Oberteilen rannten oder schritten – je nach Alter – durch die Menge. Viele der Mädchen und jungen Frauen trugen neben ihren Kostümen auch noch eine aufwendige Lockenperücke, die hoch aufgetürmt mit einem Haarband an Ort und Stelle gehalten wurde. Andere hatten ihre eigenen Haare kunstvoll geflochten. Die Jungen und Männer trugen enge Hosen und Hemden, meist in Schwarz, und machten möglichst erwachsene Gesichter.

Fiona hatte in den wenigen Stunden, in denen die Tänzer mitsamt ihren Angehörigen und Trainern ins Dorf eingefallen waren, schon mitbekommen, dass es zwei Lager gab: Traditionell gegen modern. Die traditionellen Tanzschulen ließen die Tänzerinnen die Perücken tragen und Kleider aus besticktem Samt in Grün oder Blau, die modernen Tanzschulen erlaubten Glitzer, eine größere Farbauswahl und die eigenen Haare. Doch allen Tänzern war die gleiche Aufregung ins Gesicht geschrieben, und Fiona freute sich auf die Auftritte. Es gab zusätzlich zu den Wettkämpfen, in denen die Tänzer gegen Gleichaltrige antraten und von einer dreiköpfigen Jury bewertet wurden, ein buntes Rahmenprogramm aus Showtänzen, Vorführungen in traditioneller Handwerkskunst und Gastauftritten regionaler Musikgruppen. Der Wettbewerb erstreckte sich über vier Tage. Heute, am Donnerstag würde es die feierliche Eröffnung geben und die Wettbewerbe der jüngsten Teilnehmerinnen. Am Abend war im Pub eine Session geplant, an der auch Fiona mit ihrer Geige teilnahm – wobei so viele Musiker im Dorf waren, dass sie ihren Platz auf der kleinen Bühne im Pub wahrscheinlich schnell weitergeben würde.

An einem Ende des wenig genutzten Sportplatzes war eine große überdachte Bühne aufgebaut, vor der sich Stühle für die Zuschauer aufreihten. Die alten Umkleiden waren frisch gestrichen und die defekten, altmodischen Flutlichter durch neue ersetzt worden. Aus großen Lautsprechern klang fröhliche Musik, die Kinder lachten aufgeregt, und es roch nach frischem Sodabrot und Ginster, der um diese Jahreszeit überall neben den alten Steinmauern und an den Dorfwegen blühte.

Viele von Fionas Kindheitserinnerungen waren mit diesem Duft verbunden, vor allem der Sommer, in dem sie zehn oder elf gewesen sein mochte. Sie hatte zusammen mit Evan, Katelyn und Dylan in der Ruine der alten Mühle unter Brombeerranken und Ginstersträuchern ein Geheimversteck gebaut und sich die wildesten Geschichten ausgedacht. Das Versteck hatte eine Tür aus einem alten Holzbrett und sogar Wände mit kleinen Fenstern gehabt, die sie im Sperrmüll hinter dem Sägewerk gefunden hatten. Wahrscheinlich hatte jeder der Erwachsenen im Dorf ganz genau gewusst, wo sie sich rumtrieben, aber spielende Kinder waren zufriedene Kinder und wurden nicht gestört.

Den Geruch nach frischem Brot verdankten sie dem neu gebauten Brotofen – ein weiteres Projekt der langsam wieder zusammenwachsenden Dorfgemeinschaft. Vielleicht würde es in Zukunft, wie früher, einen Backtag geben, an dem der Ofen angeheizt wurde und alle ihre Brote vorbeibringen konnten.

Fiona backte in ihrer edlen Pension, dem Greenhill Cottage, bereits seit der Eröffnung eigenes Brot und nutzte dafür den großen Gastronomiebackofen ihrer Küche. Der wurde auch heiß genug, um die typische Kruste zu erzeugen, aber Brot aus dem Holzofen schmeckte einfach besser. Die lange Schlange an hungrigen Besuchern bestätigte das. Zum Brot gab es frische Butter und einen Eintopf aus einem alten Feldkochherd, der ebenfalls seit Fionas Kindheit bei Dorffesten zum Einsatz gekommen war. Sie hatten ihn erst einmal aus dem Schuppen des Gemeindehauses holen und von Spinnweben und Staub befreien müssen. Lange Zeit hatte es im Dorf kein Fest wie dieses mehr gegeben.

»Noch zehn Minuten bis zur Eröffnung. Die Teilnehmenden bitte hinter die Bühne. Alle Trainer und Trainerinnen bitte den Bühnenbereich verlassen.«

»Fiona!«

Sie sah auf und lächelte, als sie Aidan auf sich zukommen sah. Der ehemalige Inspector der Garda Síochána na hÉireann – der Nationalpolizei der Republik Irland –, der Hüter des Friedens, hatte im letzten halben Jahr wieder etwas an Gewicht zugelegt. Die Arbeit in seinem Garten und seinem neu gekauften Cottage mitten im Dorf hatte Farbe in sein Gesicht gebracht, und der gehetzte Ausdruck war verschwunden. Für seine verdeckte Ermittlung gegen ein Netzwerk korrupter Beamter in den eigenen Reihen hatte er einen hohen Preis bezahlt. Nun lebte er seit knapp sechs Monaten mit seiner Tochter in Ballinwroe.

Fiona schaute sich suchend um.

»Wo ist Ella?«

»Sie bringt Dubs und Eanáir zu Katelyn – hier ist zu viel los für die Hunde, und Katelyn hat sich angeboten, ein Auge auf sie zu werfen. Katelyn hat wohl für solche Veranstaltungen nicht viel übrig?«

Fiona schüttelte lachend den Kopf.

»Nicht wirklich.«

Sie wollte, inmitten von Fans und Angehörigen der Tänzer, nun wirklich nicht wiedergeben, was ihre streitbare Freundin genau gesagt hatte. Die Wörter »leistungsorientiert«, »anachronistisch«, »antiquiert« waren neben einigen noch deutlicheren gefallen. Fiona konnte die Kritik nachvollziehen: Gerade für die offiziellen Wettbewerbe, die von den Verbänden veranstaltet wurden, gab es strenge Regeln und Auflagen für die Tänzerinnen. Der Wettbewerb hier mit den Nachwuchstänzern hatte eher Volksfestcharakter. Und Fiona hatte nun mal – wie so viele andere ihrer Generation – 1994 vor dem Fernseher gesessen, als in Dublin der Eurovision Song Contest ausgetragen worden war. Jean Butler und Michael Flatley hatten vor dreihundert Millionen Zuschauern auf der ganzen Welt die Aufführung gezeigt, aus der später die Riverdance-Show hervorgegangen war. Fiona hatte damals mit ihren knapp sieben Jahren davon geträumt, ebenso elegant und stark wie die Tänzerinnen über die Bühne zu schweben. Die traditionellen irischen Steppschulen wurden mit Anmeldungen überhäuft. Die ganze Welt wusste plötzlich, wie ein irischer Stepptanz aussah.

»Ella sollte gleich wieder da sein.«

Ein Hauch von Besorgnis lag in Aidans Stimme. Besorgnis, die Fiona verstehen konnte, denn auch das Mädchen war ins Visier der korrupten Beamten und ihrer Handlanger geraten und nur knapp entkommen. Doch bevor sie sich ebenfalls Sorgen machen konnte, sah sie, wie Aidans Tochter auf sie zukam, fröhlich grinsend und nach rechts und links grüßend. Das Mädchen hatte sich schnell daran gewöhnt, nicht mehr in Dublin, sondern in einem kleinen Dorf zu wohnen, und genoss es sichtlich – wozu der kleine schwarze Hund, den Aidan ihr geschenkt hatte, nicht unerheblich beitrug: Dubs war eine fröhliche Mischung aus Zwergpudel, Corgi und möglicherweise Mops. Sein Name lehnte sich an das gälische Wort für »schwarz« an.

Wenn Fiona Ella mit ihren elf Jahren sah und mit sich selbst in diesem Alter verglich, war sie jedes Mal gleichsam erstaunt und froh. Aidan war beileibe kein perfekter Vater, aber er hatte Ella etwas gelehrt, was Fiona von ihren Eltern nie erfahren hatte: Selbstliebe. Ella strahlte ein Selbstbewusstsein und eine Zufriedenheit mit sich selbst aus, die Fiona manchmal immer noch trotz ihrer fast vierzig Lebensjahre fremd war. Das Wissen, so geliebt zu werden, wie man war, machte einen riesigen Unterschied.

Es schien Ella auch dabei zu helfen, Fiona an der Seite ihres Vaters zu akzeptieren. Sie war nicht eifersüchtig, weil sie sich Aidans Liebe schlicht sicher war. Und da Fionas Pension seit den ersten Frühlingstagen ausgebucht war, war ihre Zeit mit Aidan begrenzt. So hatten Vater und Tochter gemeinsam das kleine Cottage renoviert und den Garten auf Vordermann gebracht.

Ella schlüpfte auf den freien Platz neben Aidan, die Musik aus den Lautsprechern verstummte, und nach einem kurzen Moment der Stille setzte neue, schnellere Musik ein. Ein Mann und eine Frau traten mit großen eleganten Schritten in die Mitte und warteten auf ihren Einsatz. Der Wettbewerb begann!

2

Pater Moran stand am Rande des Sportplatzes und versuchte, so unauffällig wie möglich mit den anderen Besuchern des Tanzwettbewerbs zu verschmelzen. Er trug eine ausgeblichene Jeans und ein schlichtes langärmliges graues Shirt.

Seit er die kleine Gemeinde in Ballinwroe, dem Örtchen in Irlands einsamem Westen, übernommen hatte, lag sein weißer Priesterkragen ganz unten in seiner Sockenschublade. Zu den Gottesdiensten trug er natürlich die feierlichen Messgewänder. Da Ballinwroe so klein war, dass Kirche und Pfarrhaus seit Jahren keinen eigenen Priester mehr gehabt hatten, musste er die schweren Gewänder jedoch alleine anlegen. Geld für einen Küster gab es nicht, Messdiener waren rar gesät in einer Gemeinde, die mitsamt den umliegenden Dörfern vielleicht aus fünfhundert Menschen bestand, von denen auch nur ein Bruchteil die Gottesdienste besuchte. Und dieser Bruchteil war im Schnitt älter als sechzig. Aber Michael hatte ja auch lieber alleine sein wollen. Deswegen hatte er Bischof Teehan gebeten, ihn so weit weg wie möglich von Dublin mit seinem Trubel und seinen Menschenmengen zu schicken. An einen ruhigen Ort an der irischen Westküste, in dem er seinen einsamen Kampf mit den Dämonen seiner Vergangenheit ungestört ausfechten konnte.

Aber das Schicksal, oder vielleicht Gott, hatten andere Pläne mit ihm gehabt. Und so hatte er statt Einsamkeit Freundschaft und Gemeinschaft gefunden. Und vielleicht auch wieder ein klitzekleines Stückchen seines verloren gegangenen Glaubens. Zusammen mit der Pensionswirtin Fiona O’Connor und dem Polizisten Aidan Connolly hatte er einiges durchgestanden. Auch das Dorf war gewachsen. Der neue Bürgermeister und Besitzer des örtlichen Pubs, Evan Gallagher, hatte dafür gesorgt, dass Ballinwroe im Herbst erfolgreich an Irland singt teilnahm. Seit Michael denken konnte, hatte er, wie der Rest der Insel, stets am ersten Wochenende im Dezember vor Radio oder Fernseher gesessen. Die Zuschauerzahlen in Amerika, Australien und überall sonst auf der Welt, wo sich die Iren eine neue Heimat geschaffen hatten, waren ebenfalls hoch. Bei Irland singt traten Dörfer aus dem ganzen Land in einen musikalischen Wettstreit, der seit den Fünfzigerjahren regelmäßig alle zwei Jahre veranstaltet wurde. Die teilnehmenden Chöre und Musikgruppen bestanden nicht aus professionellen Sängern und Musikern, sondern aus einem Querschnitt der Bewohner eines Dorfes, die sich zusammentaten, um Musik zu machen. Es ging nicht darum, immer den richtigen Ton zu treffen – etwas, was Ballinwroe nur zugutegekommen war. Es ging um das Gemeinschaftsgefühl. Ihr Dorf hatte zwar nicht gewonnen, aber einen respektablen fünften Platz erlangt. Ziemlich viele Iren wussten also seit dem letzten Dezember, wo auf der Landkarte Ballinwroe zu finden war. Und jetzt hatte Evan das nächste große Ereignis an Land gezogen: einen großen, bunten Tanzwettbewerb. Das brachte dringend benötigte Touristen und Umsätze, aber in Michaels Augen leider auch viel zu viele Menschen zu ihnen. Erstaunlich viele Menschen, denn es gab den Wettbewerb, in dem Tänzerinnen und Tänzer zwischen acht und sechzehn Jahren um Siege und Platzierungen kämpften. Diese hatten eine Unmenge an Trainern, Eltern, Verwandten und Freunde mitgebracht. Zugelassen waren nur Kinder, die an den offiziellen Tanzschulen des Verbandes unterrichtet wurden. Fiona hatte versucht, ihm das komplexe Regelwerk des Wettbewerbs zu erklären, musste aber zugeben, dass auch sie nicht alle Einzelheiten verstanden hatte. Zusätzlich zu den Teilnehmerinnen gab es dann auch noch die Showtänzer, die das Rahmenprogramm gestalteten und für die Besucher und Touristen auftraten. Diese waren meist Berufstänzer, die mit solchen Auftritten ihr Geld verdienten. Zusammen mit den Tänzern waren ein Haufen Musiker angereist. Und Fiona hatte ihn dann auch noch überredet, die freien Zimmer im Pfarrhaus einer Truppe dieser Musiker zur Verfügung zu stellen.

Gestern Abend hatten sie im Garten des Pfarrhauses unter dem alten Baum gesessen, um dessen Stamm Michael eine Bank gezimmert hatte, und musiziert. Leise, verträumte Musik, um den Tag ausklingen zu lassen. Michael hatte durch das geöffnete Fenster der Bibliothek des Pfarrhauses gelauscht – sehnsüchtig gelauscht, wie sich Musikstücke mit Lachen und Gesang abwechselten. Die Männer und Frauen waren alle Anfang zwanzig und studierten in Dublin Musik. In den Semesterferien und an den Wochenenden zogen sie über die Dörfer, spielten auf Festivals und für die Touristen. Michael seufzte. Er war nur wenig älter als die Studenten, und doch lagen Welten zwischen ihnen. Leichte und unbeschwerte Sommernächte hatte es für ihn nie gegeben, und auch gestern hatte er sich nicht überwinden können sich dazuzugesellen. Zu groß war seine Angst, immer noch.

Michael lehnte sich mit dem Rücken an die kühle Wand einer der Umkleidekabinen und ließ seinen Blick über die Menge gleiten.

In einer der vorderen Reihen saßen Fiona und Aidan nebeneinander, Aidans Arm lag um Fionas Schulter. Das versetzte Michael einen Stich. Er war nicht eifersüchtig auf die romantische Beziehung der beiden, auch wenn er das am Anfang kurz gedacht hatte. Aber Fiona war ihm in den letzten Jahren zu einer Freundin und Vertrauten geworden. Sie kümmerte sich um ihn. Sie sorgte sich – und das war etwas, was ihm guttat. Er freute sich auch, dass Aidan nach den dramatischen Ereignissen des letzten Jahres nach Ballinwroe gezogen war. Er respektierte und vertraute dem Inspector. Beide kannten seine Geschichte, kannten den Grund, aus dem er hier war.

Die beiden zusammen so glücklich zu sehen, sollte doch auch ihn glücklich machen, stattdessen fühlte er sich einsam. Je mehr Menschen um ihn herum waren, desto einsamer fühlte er sich. Vielleicht, weil er sich dann vor dem Ansturm der Blicke nach innen verkroch. Und die Einsamkeit in ihm war das, was …

Er wurde aus seinen Grübeleien gerissen, als die Musik aus dem Lautsprecher wenige Meter neben ihm verstummte und erneut einsetzte. Eine Tänzerin in einem schlichten schwarzen Kleid und ein ebenfalls ganz in Schwarz gekleideter Tänzer betraten die Bühne. Die beiden waren zu alt, um am Wettbewerb teilzunehmen und gehörten zu den Tänzern, die das Rahmenprogramm gestalteten. Michael wusste nicht allzu viel über Irish Dancing, aber er sah und hörte vor allem, dass beide keine Steppschuhe, sondern weiche, geschnürte Schuhe trugen.

Der Mann fasste seine Partnerin von hinten um die Taille, hob sie auf seine rechte Schulter und trug sie scheinbar mühelos in die Mitte der Bühne. Dort setzte er sie ab und beide senkten die Arme und begannen dann mit weichen und eleganten Schritten nebeneinander zu tanzen. Die Arme waren dabei fest gegen die Körperseiten gepresst, etwas, was Michael bisher immer als steif und seltsam verhalten wahrgenommen hatte. Aber seine Erfahrungen mit der traditionellen Tanzform waren auch nicht groß. Als Kind hatte er in den Saint-Patrick’s-Day-Paraden in Dublin die Tanzgruppen gesehen, die mit ihren schweren Schuhen und der verzerrten Musik aus den Lautsprechern durch die Straßen zogen. Und egal, wo man in Dublin groß wurde, es gab immer Ecken, an denen Tänzer mit wenigen Handgriffen einen Boden aufbauten, um für die europäischen und vor allem die amerikanischen Touristen zu tanzen. Die echten Dubliner gingen weiter und taten so, als würden sie sich von alldem weder stören noch beeindrucken lassen. Als Fiona ihm das erste Mal erzählt hatte, dass der Tanzwettbewerb im Dorf stattfinden würde, hatte Michael sich einige Videos im Internet angeschaut, die auf ihn verstaubt und seltsam aus der Zeit gefallen wirkten. Aber als er die beiden Tänzer nun direkt vor sich sah, konnte er sich ihrem Zauber nicht entziehen. Die geraden Rücken und die stolz gereckten Köpfe wirkten kraftvoll und elegant. Als würden Elfen tanzen. Und zwar nicht die lieblichen, süßen mit den Glitzerflügeln, wie es sie in Walt Disneys Welt gab, sondern die kämpferischen, die seit Jahrtausenden die Geschichten seiner Heimat bevölkerten. Michael wurde rot, als er sich dabei erwischte, die Ohren der Tänzerin auf der Suche nach Elfenspitzen unter die Lupe zu nehmen. Unwillkürlich war er einige Schritte nach vorn an den Bühnenrand ins helle Sonnenlicht getreten. Er kniff die Augen zusammen, um den männlichen Tänzer besser sehen zu können, dann schwankte er kurz, wurde blass, drehte sich um und ging mit gesenktem Kopf und schnellen Schritten die Dorfstraße entlang zurück zu seiner Kirche.

3

Aidan hatte es genossen, zwischen Fiona und Ella vor der Bühne zu sitzen, den Auftritten der Tänzer zuzusehen und frisches, noch warmes Sodabrot zu essen, von dem die Butter über seine Finger gelaufen und auf seine Hose getropft war.

Es war alles so unglaublich normal, und der Teil von ihm, der immer noch sorgsam über die Schulter blicken wollte, wenn er eine einsame Straße entlangging, war erfreulich still gewesen.

Nach den heutigen Wettbewerben hatte Fiona sich beeilt, zu ihrer ausgebuchten Pension zu kommen, und Aidan war mit Ella zurück zu ihrem neuen Zuhause geschlendert.