Am Salzmarkt - Katrin Scheiding - E-Book

Am Salzmarkt E-Book

Katrin Scheiding

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Beschreibung

Beim Stöbern in historischen Dokumenten lernt Henriette den Archäologen Justus kennen, der ebenfalls großes Interesse an den alten Schriftstücken hat. Doch nicht nur Justus' Verhalten kommt Henriette zunehmend seltsam vor. Auch ein gespenstisches Porträt und unheimliche Schritte in der Dachkammer rauben ihr Schlaf und Nerven. Als Henriette die Zusammenhänge langsam erkennt, steckt sie schon mitten im Grauen.

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Für meine Clara und meinen Clemens.

Eine Schauergeschichte, extra für Euch ausgedacht.

Das Haus war groß, alt und schön. Es blickte über den Salzmarkt, den Marktplatz des Städtchens. Ein Treppenhaus führte von der imposanten Eingangshalle bis unter das Dach, größere Räume und kleinere Stuben schmiegten sich an, unter die Dachsparren kuschelten sich Kammern und auch geräumigere Speicher. Viel Platz, ein kleiner Park hinter dem Haus, in dem man im Sommer wunderbar spazieren gehen konnte. Auch im Winter der richtige Ort für Schneespaziergänge, nach denen man sich am warmen Kaminfeuer im Salon mit einer Tasse heißer Schokolade oder Tee aufwärmen konnte.

So ein Wintertag war es, damals, im Jahr 1879 kurz vor Weihnachten, irgendwo in Brandenburg. Henriette lebte hier mit ihren Eltern. Sie war mit ihren fast 30 Jahren schon das, was man eine alte Jungfer nennen konnte. Aber sie mochte einfach nicht heiraten. Keiner der jungen und auch schon nicht mehr ganz so jungen Männer des Städtchens gefiel ihr. Eigentlich, so musste sie sich eingestehen, konnte es ihr auch niemand recht machen. Sie hatte ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Vorstellungen. Und so lange sie keinen Gefährten finden konnte, der dazu passte, blieb sie lieber unverheiratet dem Spott der Nachbarschaft ausgesetzt und führte ihren alt werdenden Eltern den Haushalt. Sollten sich die Nachbarn das Maul zerreißen. Sie war nicht hässlich und nicht arm, hatte das schöne Anwesen mit Grundbesitz als Erbe zu erwarten und eine ansehnliche Aussteuertruhe. Was den Männern sicherlich nicht ungelegen kam, aber sie hatte ihre Eigenwilligkeiten, und das wiederum passte den meisten Herren ihrer Umgebung überhaupt nicht. Aber warum sollte sie sich den Vorstellungen fremder Leute beugen? Womöglich ein Korsett anziehen, wie die Damen der Gesellschaft? Das war vielleicht beim Flanieren und beim gesitteten Dasitzen angemessen, aber bei ihrer Leidenschaft für alte Schriften eher hinderlich. Stundenlang konnte sie im Archiv der Stadt und des alten Pfarrhauses hocken und staubige alte Bücher anschauen. Was da alles an Geheimnissen zu erfahren war! Dort war es sowieso egal, ob ihr Kleid in Ordnung war, die Frisur saß und die Schuhe glänzten. Nach ihren Stunden in den alten Gewölbekammern war sie ohnehin staubig, hatte Spinnweben im Haar und Schmutz auf dem Kleid. Sollten die Nachbarn doch den Kopf über sie schütteln, wenn sie in den Dienstmädchenkleidern über den Kirchhof hastete – die guten Kleider konnten sicher in der Truhe warten, bis irgendwann ein gesellschaftlicher Anlass Henriette ins Korsett zwang.

Wieder einmal hatte sie im Archiv die Zeit vergessen – der Abend war schon fortgeschritten, als sie müde, staubig und hungrig über den Salzmarkt eilte. Nur schnell nach Hause, ein Bad nehmen und eine Tasse Tee trinken. Sie schloss das Eingangsportal ihres Hauses auf und erklomm die Treppen hinauf in die zweitoberste Etage, wo sich ihre Wohnstube und ihr Bad befanden. So spät konnte sie nicht das Dienstmädchen rufen, damit sie ihr ein heißes Bad bereitete. Also holte Henriette selbst Feuerholz und brachte den Badeofen in Gang. Unmöglich konnte sie sich so staubig in ihr weißes Bettleinen legen. Während das Wasser aufheizte, ging sie in ihre Stube, wo der Ofen noch immer eine behagliche Wärme ausstrahlte. Auch heißes Wasser für einen Kräutertee war noch im Kessel.

Plötzlich horchte sie auf. Was war das? Knacken im Gebälk? Leise Schritte? Über ihr wohnte aber niemand, Henriette hatte die Wohnund Schlafstube direkt unterhalb des Dachgeschosses. Nur ein paar Kammern und Speicherräume verbarg das alte Haus noch unter den Dachsparren. Da, wieder. Trappeln. Ob Mäuse unterwegs waren? Dann war es dringend Zeit, den Hauskater unter das Dach zu scheuchen. Sie öffnete ihre Zimmertür und rief nach dem Kater. „Miez miez, komm her, Zacharias! Hier, feinfein“, lockte sie. Mit leisen Schritten trat die getigerte Samtpfote ein und rieb schnurrend das Köpfchen an Henriettes Beinen. „Komm mal mit, mein Freund, heute Nacht geht es auf die Jagd.“ Mit dem Kater auf dem Arm erklomm sie die Treppe zum Dachboden, die Petroleumlampe in einer Hand.

An der Dachbodentür fauchte der Kater auf. „Zacharias, sei nicht albern. Die Mäuse tun dir nichts, eher umgekehrt. Hoffe ich. Hier“, sie öffnete die Tür zur Kammer, die oberhalb ihrer Stube lag, „müssen sie sein.“ Sie entließ den Kater aus ihrer Umarmung in der Hoffnung, dass er den Mäusen den Garaus machen würde. Außerdem sollte das Badewasser nun wohl heiß sein. Henriette streckte ihre müden Gliedmaßen und freute sich auf warmes Wasser und weichen Seifenschaum.

Auch am nächsten Tag eilte Henriette über den schneebedeckten Salzmarkt Richtung Archiv. Ihre Pflichten in der Haushaltführung waren erfüllt, Henriettes Gedanken waren schon wieder bei ihren alten Schriftstücken. Sie hatte im Archivkeller eine weitere Gewölbekammer entdeckt, in der uralte Schriftstücke dem Vergessen preisgegeben waren und sich zum Ziel gemacht, die Papiere zu sichten, zu säubern, zu sortieren und zu katalogisieren. Ordentlich in Truhen aufbewahrt sollten diese Schätze sicherlich noch ein paar Jahrhunderte überdauern. Voller Tatendrang betrat sie das Archiv und stieg die Stufen in den Gewölbekeller hinunter.

„Was tun Sie hier?“ Der Schreck fuhr ihr durch die Knochen, als sie die gebückte Gestalt im Gewölbekeller sah. Ein Mann, der Kleidung nach zu urteilen. Er fuhr herum, stieß sich den Kopf an einem niedrigen Türsturz, wischte sich mit der Hand über das Gesicht und verlor dabei seine Nickelbrille, die in einem Aschehäufchen auf dem Boden landete.

„Verzeihung ...“ Der Mann war sichtlich überrumpelt.

Henriette musste lachen – es schien keine Gefahr von dieser kauzigen Erscheinung auszugehen. In abgerissener, staubiger Kleidung hatte er sich über eine Truhe gebeugt, Staubfäden in den Haaren und Schmutz im Gesicht. Und nun sicherlich auch noch mit einer dicken Beule auf dem Kopf. Sie fischte die schmutzige Brille aus der Asche, rieb sie notdürftig sauber und reichte sie dem Mann. „Um unseren misslungenen Start in die Bekanntschaft auszubügeln – mein Name ist Henriette von der Marwitz und ich versuche mich hier als Archivarin. Sofern der desolate Zustand der Schriftstücke das zulässt.“