Anfang und Ende - Paul Heyse - E-Book

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Paul Heyse

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Beschreibung

Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830–02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die "Breite seiner Produktion". Der einflussreiche Münchner "Dichterfürst" unterhielt zahlreiche – nicht nur literarische – Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen "geben würde und ein Heysesches Zeitalter" dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag

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Paul Heyse

Anfang und Ende

Novelle

Paul Heyse

Anfang und Ende

Novelle

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-962811-10-5

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Anfang und Ende

(1857)

In der tie­fen Fens­ter­ni­sche des licht­er­hel­len Saals brann­te nur eine ein­zel­ne Ker­ze auf sil­ber­nem Leuch­ter, den eine ge­flü­gel­te Fi­gur mit bei­den Ar­men em­por­hielt. Der be­schei­de­ne Glanz wur­de noch ge­dämpft durch schat­ti­ge Ge­wäch­se mit brei­ten Blät­tern und den letz­ten Blü­ten des Jah­res, und eine schlan­ke Pal­me über­wölb­te zier­lich mit ih­ren leich­ten Zwei­gen den Ein­gang in die dämm­ri­ge Lau­be. Zwei Ses­sel stan­den dar­in trau­lich ein­an­der ge­gen­über. Aber der eine war leer. In dem an­dern ruh­te eine schlan­ke Frau­en­ge­stalt, das Haupt auf die Hand ge­stützt, die Au­gen ge­schlos­sen. Wer sie im Ver­dacht hat­te, dass sie sich aus der mun­tern Ge­sell­schaft in dies grü­ne Ver­steck zu­rück­ge­zo­gen habe, um nur de­sto mehr be­merkt und auf­ge­sucht zu wer­den, tat ihr Un­recht. Sie dach­te durch­aus nicht dar­an, wie zart das Hell­dun­kel der Pal­me über ihre schö­ne Stir­ne fiel, wie weich und mond­schein­haft der Schein der Ker­ze in den Rin­gen ih­res schwar­zen Haa­res spiel­te. Noch auch be­nutz­te sie, wäh­rend am an­dern Ende des Saals eine sanf­te Mäd­chen­stim­me zum Kla­vie­re sang, die ver­stoh­le­ne Ein­sam­keit dazu, Ge­dan­ken nach­zu­hän­gen, wie sie wohl in der Som­mer­blü­te des Le­bens hin­ter ge­schlos­se­nen Au­gen­li­dern ihr We­sen trei­ben. Denn, um es kurz zu sa­gen: die Mu­sik, der sie An­fangs mit hal­b­em Ohr ge­folgt war, hat­te sie end­lich wie ein mü­des Kind in Schlaf ver­senkt.

Auch er­wach­te sie nicht, als das Lied zu Ende war, die al­ten Herrn ihr auf­mun­tern­des Bra­vo rie­fen, der Stuhl am Kla­vier ge­rückt wur­de und die un­ter­bro­che­nen Ge­sprä­che mit neu­er Leb­haf­tig­keit durch den Saal schwirr­ten. Nie­mand kam, sie zu stö­ren. Denn sie war fremd in die­sem Krei­se, und über­dies lag ein Zug von ge­hal­te­nem Ernst auf ih­rem Ge­sicht, der neu­en Be­kannt­schaf­ten nicht ge­ra­de ent­ge­gen­kam. Es war ihr Schick­sal, für stolz zu gel­ten, und sie wuss­te es. Dass sie nichts tat, den ir­ri­gen Glau­ben zu zer­stö­ren, ent­sprang mehr aus Be­quem­lich­keit, als aus Ge­ring­schät­zung.

Eine be­kann­te Stim­me, die ih­ren Na­men nann­te, drang durch ih­ren Schlaf. Als sie ver­wirrt die Au­gen auf­schlug, stand der Haus­herr vor ihr, einen Frem­den an der Hand hal­tend, des­sen hohe Stirn an die Pal­men­zwei­ge stieß. Er­lau­ben Sie mir, Ihre Me­di­ta­ti­on zu stö­ren, Frau Eu­ge­nie? sag­te der Wirt lä­chelnd. Ich brin­ge Ih­nen mei­nen Freund und Vet­ter Va­len­tin, der seit ei­ni­gen Stun­den un­ser Gast und erst seit ei­ni­gen Wo­chen wie­der im deut­schen Va­ter­lan­de ist. Nun aber wer­den wir ihn fest­hal­ten, denk’ ich, und wer könn­te uns bes­ser da­bei un­ter­stüt­zen, als die deut­schen Frau­en? –

Er hat­te längst wie­der den Rücken ge­wandt, und die Bei­den ver­harr­ten noch ohne ein Wort der Be­grü­ßung ein­an­der ge­gen­über. Die Au­gen des Man­nes wa­ren auf die rote Rose im Haar der schö­nen Frau ge­senkt, und nur das Schwan­ken des Pal­men­zwei­ges ihm zu Häup­ten ver­riet, dass Blut in sei­nen Adern klopf­te. Eu­ge­ni­ens Ge­sicht sah ernst­haft zu ihm auf, wie man ei­nem Rät­sel nach­sinnt. Oder hat­te der Schlaf sei­nen Schlei­er noch nicht ganz von ih­ren Au­gen ge­nom­men? Wenn dies Be­geg­nen nur ein Traum war, so träum­te sie ihn frei­lich nicht zum ers­ten Mal. Aber ha­ben Träu­me die Macht, be­kann­te Züge zu ver­wan­deln, wie es die Jah­re tun, Lo­cken zu kür­zen und jene Fal­ten in die Stirn zu gra­ben, wel­che sie dort über den star­ken Brau­en des Man­nes im ers­ten Auf­blick er­kannt hat­te?

Je län­ger er sie auf sei­ne An­re­de war­ten ließ, de­sto rö­ter glüh­ten ihr die Wan­gen. Ein paar­mal öff­ne­te sie die Lip­pen, schwieg aber und senk­te die Au­gen. Ihr Fä­cher glitt auf den Tep­pich nie­der. Er ließ ihn lie­gen.

Frau Eu­ge­nie, sag­te er end­lich, – er­lau­ben Sie auch mir, Sie so zu nen­nen. Ich tre­te eben erst ins Haus und habe es wahr­lich ver­säumt, mei­nen Gast­freund nach dem Na­men Ihres Ge­mahls zu fra­gen. Wie wun­der­bar trifft man sich im Le­ben wie­der! Ich muss über mei­ne Ah­nungs­lo­sig­keit stau­nen, dass mir dies Wie­der­se­hen durch kein Vor­zei­chen des Him­mels oder der Erde an­ge­kün­digt wor­den ist.

Eine be­son­de­re Ver­an­las­sung hat mich hie­her ge­führt, er­wi­der­te sie rasch. Ich will mei­nen Sohn in eine Schu­le brin­gen, und man sag­te mir, dass er in die­ser Stadt am bes­ten auf­ge­ho­ben sein wür­de. Die vo­ri­ge Nacht habe ich im Post­wa­gen völ­lig ohne Schlaf zu­ge­bracht, und ich darf Ih­nen wohl ge­ste­hen, dass eben, als Sie ka­men, die schwa­che Na­tur ge­gen alle Schick­lich­keit das Ver­säum­te nach­zu­ho­len im Be­griff war. Ich sage es Ih­nen, weil es einen al­ten Freund be­frem­den muss, so zer­streut und we­nig herz­lich be­grüßt wor­den zu sein.

Sie bot ihm jetzt die Hand. Ich dan­ke Ih­nen, ver­setz­te er, und sein We­sen hell­te sich auf, ich dan­ke Ih­nen, dass sie mir mein ge­rin­ges An­recht auf Ihre Freund­schaft be­wahrt ha­ben. Fah­ren Sie nun fort, mich auf dem al­ten Fuß zu be­han­deln, und ge­nie­ßen Sie wei­ter die Ruhe, die ich Ih­nen lei­der ge­stört habe. Ich wer­de sor­gen, dass Nie­mand wie­der in die­se Lau­be ein­drin­ge, und, wenn Sie es wün­schen, selbst am Ein­gang bei der Pal­me Wa­che ste­hen.

Sie lach­te. Nein, sprach sie, so ist es nicht ge­meint. Nur für das Ge­spräch mit wild­frem­den Men­schen bin ich zu müde. Wenn Sie mit mei­nem gu­ten Wil­len vor­lieb neh­men wol­len, so set­zen Sie sich zu mir und er­zäh­len mir, wie es Ih­nen geht und er­gan­gen ist.

Sie wer­den am bes­ten selbst ur­tei­len, wie es mir er­gan­gen sein muss, wenn ich Ih­nen im tiefs­ten Ge­heim­nis ver­traue, wie es mir in die­sem Au­gen­bli­cke geht. Mein Freund hat mich zu sich ein­ge­la­den, um mich auf ir­gend eine Art zu ver­hei­ra­ten. Was sa­gen Sie dazu? Er hält es für sei­ne Pf­licht. Wie weit muss es mit ei­nem Men­schen ge­kom­men sein, des­sen Freun­de es für ihre Pf­licht hal­ten, ihn un­schäd­lich zu ma­chen!

Sie er­schre­cken mich, er­wi­der­te sie lä­chelnd. Als ich Sie kann­te, wa­ren Sie, wenn auch im­mer­hin nicht ganz un­ge­fähr­lich, doch weit da­von ent­fernt, so viel Un­heil an­zu­stif­ten, dass man im In­ter­es­se der öf­fent­li­chen Si­cher­heit nö­tig ge­habt hät­te, Sie in Fes­seln zu le­gen.

Sie spot­ten, Frau Eu­ge­nie. O die­se Ihre Kunst, wie wohl­be­kannt ist sie mir! Aber dies­mal tref­fen mich Ihre Pfei­le nicht. Für Nie­mand fürch­tet mein ed­ler Vet­ter Un­heil von mir, als für mich selbst. Er ist des Glau­bens, wenn ich fort­füh­re, auf dem al­ten Raub­schloss, das ich mir ge­kauft, ein­sam zu hau­sen, Gril­len zu fan­gen und Ha­sen zu ja­gen und der Land­wirt­schaft mei­ner Bau­ern mit Re­zep­ten auf­zu­hel­fen, von de­nen ich selbst nichts ver­ste­he, so wür­de das Rest­chen ge­sun­der Ver­nunft, das er so gü­tig ist bei mir vor­aus­zu­set­zen, ei­nes schö­nen Ta­ges in Rauch auf­ge­gan­gen sein. Sie se­hen, er denkt mich ho­möo­pa­thisch zu be­han­deln, eine Tor­heit durch die an­de­re zu hei­len. Vi­el­leicht hat er Recht, und wenn man be­wie­sen hat, dass man selbst nicht im Stan­de ist, sein Le­ben ver­nünf­tig ein­zu­rich­ten, muss man ja wohl dank­bar still­hal­ten, wenn sich ein gu­ter Freund die Mühe gibt. Zu­wei­len den­ke ich frei­lich, dass es zu spät sein möch­te.

Zu spät? Ich kann nach­rech­nen. Vier­zehn Jah­re ist es, dass wir uns nicht ge­se­hen. Wenn Sie sich da­mals nicht jün­ger mach­ten, als Sie wa­ren, so hal­ten Sie jetzt kaum an den Jah­ren, die man die bes­ten nennt.

Ich mich jün­ger ma­chen? Lie­ber Him­mel, eher das Um­ge­kehr­te wäre in mei­nem In­ter­es­se ge­we­sen. Woran er­in­nern Sie mich, Eu­ge­nie!