Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport -  - E-Book

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Beschreibung

Ziel dieses Werkes ist es, Theorie und Praxis der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport zu verbinden und somit neue Anregungen sowohl für die Forschung als auch für die Betreuungspraxis zu bieten. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu relevanten sportpsychologischen Themen werden beschrieben und die praktische Relevanz anhand von Fallbeispielen aus dem Leistungs- und Spitzensport dargestellt. Dazu wird ein neues konzeptionelles Rahmenmodell der Angewandten Sportpsychologie für den Leistungssport vorgestellt. Die Kapitel zum Rollenverständnis, zur Auftragsklärung oder zu ethischen Richtlinien sind innovative Neuerungen im Feld der Angewandten Sportpsychologie, ebenso haben die Kapitel zu mentalen Wettkampfstrategien, zu achtsamkeitsbasierten Interventionen, zur sexualisierten Gewalt im Sport oder zu psychischen Störungen bislang kaum Eingang in wissenschaftliche Fachbücher gefunden. Gleichwohl umfasst das Buch auch die etablierten Themen der Angewandten Sportpsychologie. Hierzu zählen beispielsweise Teamentwicklung und Konfliktmanagement, Kommunikation und Führung, Selbstvertrauen und Umgang mit Erwartungen, Motivation und Zielsetzung oder Erholungs- und Belastungssteuerung. Auch in diesen Kapiteln werden auf Basis des aktuellen Forschungsstandes und von Praxis-Erfahrungen neue Akzente für den Leistungssport gesetzt. Die Autorinnen und Autoren dieses Buches können auf langjährige Erfahrungen in der sportpsychologischen Betreuung im Leistungssport zurückblicken. Sie waren zum Teil bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften tätig oder haben Athletinnen und Athleten darauf vorbereitet und geben in diesem Buch Einblick in ihre Arbeit.

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Kathrin Staufenbiel

Monika Liesenfeld

Babett Lobinger

(Hrsg.)

Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport

Sportpsychologie

Band 9

Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport

Dr. Kathrin Staufenbiel, Monika Liesenfeld, Dr. Babett Lobinger

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Bernd Strauß, Prof. Dr. Wolfgang Schlicht, Prof. Dr. Jörn Munzert, Prof. Dr. Reinhard Fuchs

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images/jacoblund

Satz: Mediengestaltung Meike Cichos, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2019

© 2019 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2874-1; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2874-2)

ISBN 978-3-8017-2874-8

http://doi.org/10.1026/02874-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

1 Konzeptionelles Rahmenmodell der Angewandten Sportpsychologie: Eine Einführung

2 Etablierung der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport

3 Professionelles Selbstverständnis

4 Sportpsychologische Ethik: Pflichten – Werte – Grenzen

5 Qualitätsoptimierung sportpsychologischer Praxis

6 Sportarten und Zielgruppen

7 Coach the Coach: Führung und Kommunikation

8 Auftragsklärung und Beziehungsgestaltung

9 Teamentwicklung und Konfliktmanagement

10 Selbstvertrauen und ein selbstwirksamer Umgang mit Erwartungen

11 Motivation und Zielsetzung

12 Erholungs- und Belastungssteuerung

13 Optimierung der Bewegungsvorstellung und der Aufmerksamkeitsregulation

14 Achtsamkeitsbasierte Interventionen

15 Mentale Wettkampfstrategien

16 Grenzbereiche und psychische Störungen

17 Sexualisierte Gewalt im Sport

18 Sportpsychologisches Verletzungsmanagement

19 Zukunft der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport

Die Herausgeberinnen dieses Bandes

Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

|7|Vorwort PD Dr. Gabriele Neumann

Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport – ein Thema bzw. Arbeitsbereich, welches in den letzten 15 Jahren eine bemerkenswert positive Entwicklung genommen hat. Besonders hervorzuheben sind hier zum einen die regen Aktivitäten im Bereich der praxisrelevanten wissenschaftlichen Unterstützung in Form von sportpsychologischer Forschung und Betreuung bzw. Beratung des deutschen Nachwuchs- und Spitzensports. Zum anderen haben natürlich auch die über das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp), den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) eingeleiteten zahlreichen strukturellen und organisatorischen Änderungen und Anstrengungen sowie die finanziellen Aufwüchse der letzten Jahre erheblich zu einer festen Verankerung der sportpsychologischen Arbeit im Leistungssport beigetragen.

Aber all diese Anstrengungen würden nicht nachhaltig wirken, wenn die Sportpraxis nicht von der hohen Qualität der sportpsychologischen Arbeit gerade im Anwendungsfeld der Betreuung und Beratung überzeugt sein würde. Was immer wieder für selbstverständlich angesehen wird (aber nicht ist) und deshalb nicht häufig genug Erwähnung findet: die sportpsychologischen Angebote würden nicht angenommen werden vom Sport, wenn die sportpsychologischen Expertinnen und Experten keine gute Arbeit leisten würden! Die starke Nachfrage an langfristiger sportpsychologischer Unterstützung durch die Spitzenverbände und ihren Athletinnen und Athleten einerseits und die vielen in den Verbänden und an den Olympiastützpunkten tätigen sportpsychologischen Expertinnen und Experten andererseits unterstreichen die Wertschätzung und den hohen Stellenwert in der Sportpraxis.

Wie facettenreich und komplex die Arbeit in der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport aussieht, welche Themen wie konkret bearbeitet werden und welche zukünftigen Herausforderungen vor uns liegen, können am besten diejenigen beschreiben, die in diesem Anwendungsfeld nicht nur arbeiten, sondern „zu Hause“ sind. Aus diesem Grund ist es sehr erfreulich, dass drei ausgewiesene Expertinnen im Bereich der Angewandten Sportpsychologie für den deutschen Leistungssport – Katrin Staufenbiel, Monika Liesenfeld und Babett Lobinger – sich der Aufgabe gestellt haben, das vorliegende Werk auf den Weg zu bringen und als |8|Herausgeberinnen mit zahlreichen weiteren renommierten Kolleginnen und Kollegen umzusetzen.

Mit dem Buch „Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport“ ist den drei Herausgeberinnen etwas Besonderes gelungen. Sie haben es geschafft, ihre eigene Expertise sowie die von zahlreichen renommierten Kolleginnen und Kollegen aus der Angewandten Sportpsychologie zu bündeln und damit nicht nur wissenschaftlich fundierte Kenntnisse zu etablierten sportpsychologischen Themen in das Buch einzubringen, sondern auch eine beindruckende Anzahl an aktuellen konkreten Fallbeispielen aus der Praxis im Leistungs- und Spitzensport. Zudem umfasst das Buch einige Kapitel, welche im Feld der Angewandten Sportpsychologie als innovativ zu bezeichnen sind. Gerade die Kapitel zum Rollenverständnis, zur Auftragsklärung oder zu ethischen Richtlinien sind Neuerungen, die so bisher nicht vorlagen, gleichzeitig jedoch für dieses Arbeitsfeld unbedingt notwendig sind. Auch werden einige Themen beleuchtet, die in dieser Form bisher ebenfalls nur randständig in der Literatur zur Angewandten Sportpsychologie aufgegriffen wurden. Hierzu zählen beispielsweise die Kapitel zu Achtsamkeit oder zu sexualisierter Gewalt im Sport. Genauso wichtig wie auch innovativ wirft das abschließende Kapitel einen Blick in die Zukunft der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport und lässt dafür fünf renommierte Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Perspektiven zu Wort kommen.

Herzlichen Glückwunsch allen Beteiligten zu dieser Höchstleistung!

PD Dr. Gabriele Neumann

Ständige Vertreterin des Direktors des Bundesinstituts für Sportwissenschaft/Fachbereichsleiterin „Forschung und Entwicklung“/Fachgebietsleiterin Psychologie

|9|Vorwort Olav Spahl

Von Olympischen Spielen geht seit jeher eine besondere Anziehungskraft aus. Als Reaktionen auf sportliche Höchstleistungen beobachten wir Bewunderung genauso wie Argwohn oder Skepsis.

Bei den Olympischen Spielen 2012 in London war es gute Gewohnheit, dass sich Athletenbetreuer_innen morgens im Mannschaftsbüro trafen, ihre Erlebnisse des Vortages schilderten, von Begegnungen mit Prominenten sprachen und sich gegenseitig ihre besten Fotos zeigten. Ein Novize in der Mannschaft kam am Tag vor der Eröffnungsfeier strahlend in die Runde und rief begeistert: „Ich weiß jetzt, was die Olympischen Spiele sind. – Die Olympischen Spiele sind ein Monster!“ Ein Kollege schaute ihn nachdenklich an und fragte: „Und? Reitet es Dich oder kannst Du es reiten?“

Die Sportpsychologie versucht definitionsgemäß menschliches Verhalten, Handeln und Erleben von Personen im Praxisfeld Sport zu erfassen. Dabei werden die Aktivitäten von Sportpsychologinnen und Sportpsychologen häufig mit der Aufgabenstellung des mentalen Trainings, der Selbstregulation oder der Krisenintervention verknüpft.

Die Erfahrung der zurückliegenden Olympiazyklen zeigt, dass die Angewandte Sportpsychologie sehr viel mehr zu leisten vermag. Die Beschäftigung mit Grenzmomenten des Lebens, mit Anfang und Ende von Lebensabschnitten, mit psychiatrischen Erkrankungen bei Leistungssportler_innen und ihren Trainer_innen, mit gesamtgesellschaftlichen Aufgabenstellungen wie dem Kindeswohl zeigen, dass die Angewandte Sportpsychologie neben der klassischen Trainings- und Wettkampfbetreuung einer Organisationspsychologie für die Lebens- und Arbeitswelt des Leistungssports gleichkommt.

In den vergangenen zwei Dekaden ist es gelungen, im deutschen Leistungssport das sportpsychologische Grundlagentraining und Fertigkeitstraining so in die Service- und Betreuungsangebote der Sportler_innen einzubinden, dass zwischenzeitlich die Sportpsychologie zum Trainingsprozess genauso dazugehört wie die motorische bzw. konditionelle Ausbildung. In einem großen Netzwerk von qualifizierten, in der Leistungssportpraxis tätigen Kolleginnen und Kollegen haben sich verschiedene Profile von Sportpsychologinnen und Sportspychologen herausgebildet. Sie arbeiten kollegial zusammen, respektieren und unterstützen sich |10|gegenseitig. Diese Interaktion ist gleichfalls in den Betreuerteams der Leistungssportler_innen zu beobachten, wo unterschiedliche Disziplinen (Medizin, Physiotherapie, Trainingswissenschaften, Sportpsychologie) gleichberechtigt die Sportler_innen bestmöglich unterstützen. Für die Athletinnen und Athleten besteht durch niedrigschwellige Angebote ohne „Türsteherfunktionen“ von Verantwortlichen im organisierten Sport die direkte Zugangsmöglichkeit zur Sportpsychologie.

Eine vermeintlich neue und wesentliche Aufgabe der Angewandten Sportpsychologie ist die aufmerksame Beobachtung der Lebens- und Arbeitswelt des Leistungssports und ihre Beschreibung. Der große Vorteil der Angewandten Sportpsychologie ist es dabei, die analytische Darstellung um eine systemische Betrachtung ergänzen zu können. Somit kann sie sich differenziert mit den Wechselwirkungen von Organisationen, den Personen, die diese prägen sowie den Athlet_innen und Betreuer_innen, die sich darin bewegen, auseinandersetzen. Ihre Aufgabe ist es, die Fragen zu stellen, die zum ersten Mal gestellt werden, und die Menschen nach passenden Antworten suchen zu lassen.

Am Ende steht die Aufgabe, andere Menschen dazu zu befähigen, eigenverantwortlich zu handeln. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die eigene Rolle und Wechselwirkung im System des Leistungssports. Zielstellung ist es, im Idealfall durch die Trainer_innen zu agieren und Athlet_innen in die Lage zu versetzen, sich selbst zu regulieren. Die große Kunst der Angewandten Sportpsychologie besteht darin, zum einen Ruhe zu geben und zum anderen zu provozieren, wo es für Höchstleistung notwendig ist. Diese Aufgaben und Herausforderungen lassen sich mit der Kreativität Sportpsychologinnen und Sportpsychologen bewerkstelligen.

Leistungssport ist Wettkampf – auf dem Sportplatz, in der Sporthalle, auf der Piste. Die Wettkämpfer_innen sind die Athlet_innen. In den Funktionsebenen wie der Angewandten Sportpsychologie bedeutet Leistungssport die bestmögliche Unterstützung derjenigen, die sich im Wettkampf befinden. Im Kollegen- und Betreuerkreis ist Wettkampf untereinander weder sinnvoll noch zielführend. Dieses Buch mit seinen Herausgeberinnen, Autorinnen und Autoren ist der beste Beleg für kollegiale, zielgerichtete Zusammenarbeit.

Zur Beschäftigung mit der eigenen Lebens- und Arbeitswelt gehört die Beobachtung der verwendeten Sprache und Metaphern. Wie drücken wir die Emotionalität von Angst, Aufregung bis hin zu Enttäuschung oder Freude sprachlich aus? Häufig scheinen im Leistungssport die Begriffe des Kämpfens, des Streitens, ja manchmal sogar bis ins Kriegerische und Zerstörerische zu dominieren. Fortwährendes Kämpfen empfinden Zuschauer_innen und Beobachter_innen auf Dauer wenig ansehnlich. Über den Kampf heißt es manchmal aber auch wieder ins Spiel zurück zu finden.

Wahre Bewunderung erfahren diejenigen, die ihre Leistung nahezu mühelos und ohne Anstrengung erbringen, die mit ihren Gegnerinnen und Gegnern spielen. Selbst wild genug auf Leistung und Erfolg zu sein, das vermeintliche Monster na|11|mens „Olympische Spiele“ zähmen zu können und mit ihm zu spielen, kann als die hohe Schule der Angewandten Sportpsychologie verstanden werden.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, dass sie aus diesem Buch Anregung und Inspiration für ihre Tätigkeit mitnehmen, ihre Möglichkeiten erweitern und lernen, diese spielend einsetzen zu können und schließlich dazu beizutragen, dass Athlet_innen, Trainer_innen und Betreuer_innen ihre Leistungen mit Leichtigkeit erbringen können.

Olav Spahl

Ressortleiter Support- und Servicemanagement

Geschäftsbereich Leistungssport

Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB)

bis August 2018

Direktor Leistungssport

Belgisches Olympisches und Interföderales Kommitee (BOIK)

seit September 2018

|12|Vorwort Prof. Dr. Bernd Strauß

Die Entwicklung der nationalen und internationalen Sportpsychologie ist an drei Säulen orientiert, nämlich a) der wissenschaftlichen Psychologie und ihren methodischen Grundlagen, b) der Sportwissenschaft und ihren Teildisziplinen und c) den verschiedenen Anwendungsfeldern im Sport (wie z. B. dem Leistungssport, dem Gesundheitssport, dem Freizeitsport).

Heinz Heckhausen, einer der bedeutendsten deutschsprachigen Psychologen, sprach 1979 aus Anlass seines für die deutsche Sportpsychologie wegweisenden Hauptvortrages bei der 10. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) von den drei Eckpunkten eines magischen Dreiecks: „Die Eckpunkte des Dreiecks werden besetzt von der Mutterdisziplin Psychologie, von den anderen sportwissenschaftlichen Einzeldisziplinen und schließlich von der sportpraktischen Fachöffentlichkeit.“ (S. 43)

Sportpsychologie bewegt sich in diesem magischen Dreieck und die Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport (wie auch andere angewandte Felder) ist damit nicht denkbar ohne neueste psychologische und sportwissenschaftliche Erkenntnisse und einer psychologischen und sportwissenschaftlichen Expertise mit akademischer und fundierter Aus- und Weiterbildung, die auch von denen nachgewiesen werden muss, die in der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport tätig sind. Dieses Konzept, dass nachhaltige Wirkungen bei den Adressaten zum Ziel hat und ethisch verantwortbar ist, setzt sich damit auch ganz deutlich von sogenannten Mentaltrainer_innen, Motivationstrainer_innen, Psycholog_innen mit gelegentlicher Sporterfahrung und vielen Kreisen ab, die glauben, auf kurzfristige schrille Effekte setzen zu können.

Diese ganzheitliche und anspruchsvolle Leitidee verfolgt die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) seit vielen Jahrzehnten. Die asp ist die Organisation in Deutschland, die die Belange der Sportpsychologie im nationalen und internationalen Raum vertritt. Gegründet 1969 in Münster in einer Gründungsversammlung von 23 Personen sind mittlerweile (Juli 2018) 460 Personen Mitglied in der asp (www.asp-sportpsychologie.org). Zahlreiche Mitglieder sind in der sportpsychologischen Praxis des Leistungssport tätig, ein Feld, das in den letzten 15 Jahren erheblich gewachsen ist, und mittlerweile selbstverständlicher Bestandteil eines professionellen Leistungssports wie Sportmedizin und Trainingswissenschaft geworden ist.

|13|Dies war nicht immer so. Sehr lange wurde die Sportpsychologie und die Idee einer umfassenden und nachhaltigen mentalen Unterstützung und eines sportpsychologischen Trainings im Leistungssport entweder belächelt, als nutzlos oder als Scharlatanerie abgetan, bis hin zu Befürchtungen, als psychisch erkrankt oder aber auch als inkompetent in der Rolle der Trainerin oder des Trainers zu gelten.

Mitte der Achtziger Jahre hat u. a. die asp in der BRD im damaligen Präsidium unter Leitung von Jürgen Nitsch (insbesondere von Roland Singer und Hans Eberspächer) angefangen, den Prozess der Aus- und Weiterbildung von Sportpsychologinnen und Sportpsychologen in der Praxis durch das Angebot eigener Curricula einzuleiten. Pioniere wie Hans Eberspächer mit dem Heidelberger Modell, Inge Sonnenschein in Köln oder auch Hans Kratzer in der DDR, um nur einige wenige zu nennen, trieben die Entwicklung erheblich voran. Als Partner bildeten sich in den darauffolgenden Jahren das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp), z. B. mit der BISp-Expertenliste und der finanziellen Förderung der Sportpsychologinnen und Sportpsychologen in der leistungssportlichen Praxis und der DSB und später DOSB sowie auch der BDP, der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, heraus.

Heute bietet die asp ein anspruchsvolles asp-Curriculum zum sportpsychologischen Experten bzw. zur sportpsychologischen Expertin an, und die oben genannten Organisationen arbeiten eng auch institutionell seit 2014 im asp-Ausbildungsbeirat zusammen, dies mit dem Ziel, Psycholog_innen und Sportwissenschaftler_innen für den Leistungssport aus-, fort- und weiterzubilden und zu zertifizieren. Unterstützt wird dies alles seit 2013 durch einen asp-Praxisservice.

Dieses Buch, verantwortet und editiert von drei der bekanntesten und erfahrensten Sportpsychologinnen in der Praxis des Leistungssports (Kathrin Staufenbiel, Babett Lobinger und Monika Liesenfeld) steht in bestem Sinne in der Tradition eines anspruchsvollen ganzheitlichen Konzepts einer Angewandten Sportpsychologie für den Leistungssport. Die führenden deutschsprachigen Sportpsychologinnen und Sportpsychologen sind ihrer Einladung gefolgt, an diesem Band, der zum 50. Geburtstag der asp im Jahr 2019 erscheint, mitzuwirken, um die wesentlichen Grundlagen und Entwicklungen erfolgreicher sportpsychologischer Arbeit für den Leistungssport, sei es aus konzeptioneller , struktureller, inhaltlicher und aus ethischer, rechtlicher Sicht zu berichten und zu diskutieren. In diesem Sinne zeichnet das Buch auch die Entwicklung der Sportpsychologie für den Leistungssport nach, geht auf die neuesten Entwicklungen und Strömungen ein und ist dabei auch gleichzeitig eine erhebliche Hilfe und Unterstützung für die sportpsychologische Praxis im Leistungssport.

Ich würde mich freuen, wenn dem Buch eine große Leserschaft beschieden ist. Ich bin mir sehr sicher, dass es einen wichtigen Beitrag zur weiteren positiven Entwicklung der Sportpsychologie für den Leistungssport darstellt.

Prof. Dr. Bernd Strauß

Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp)

|15|1 Konzeptionelles Rahmenmodell der Angewandten Sportpsychologie: Eine Einführung

Kathrin Staufenbiel, Monika Liesenfeld und Babett Lobinger

1.1 Einleitung

Die Entscheidung, gemeinsam ein Buch zur Sportpsychologie für den Leistungssport zu schreiben, fiel auf der asp-Tagung 2016 in Münster. Wichtig war uns, Theorie und Praxis der Angewandten Sportpsychologie zu verbinden, etablierte Themen neu zu denken und bislang vernachlässigte Themen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Ebenso wichtig war es uns, viele Kolleginnen und Kollegen davon zu überzeugen, an dem Buch mitzuwirken und einen Einblick in ihre Praxis zu geben. Die Arbeit an dem Buch führte zu vielen konstruktiven Diskussionen, in persönlichen Treffen, telefonisch, auf Tagungen und Spaziergängen. Sollen die Fallbeispiele anonym oder mit Einverständnis und Namen der Sportler_innen1 erstellt werden? Wie kann die Angewandte Sportpsychologie gestärkt werden, durch Vereinheitlichung oder durch Akzeptanz von Unterschieden in unserem Feld? Inwiefern ist die Sportpsychologie mehr als Psychologie im Sport? Viele Diskussionen waren überfällig und haben vielleicht auf den Anlass dieses Buches gewartet. Nun, drei Jahre später, liegt dieses Buch vor uns und gleichzeitig sind wir noch immer auf dem Weg. Zu einigen Fragen jedoch haben wir Antworten gefunden, gesammelt, erarbeitet und formuliert, die wir auf den nächsten Seiten einleitend vorstellen. Wir beginnen mit dem Entwurf eines konzeptionellen Rahmenmodells der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport und schließen mit einem Überblick über die Themen, Kapitel und Anliegen dieses Buches.

|16|1.2 Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport

Die Sportpsychologie in Deutschland ist originär interdisziplinär (Nitsch, Gabler & Singer, 2000), eine Teildisziplin der Sportwissenschaft und ein Anwendungsfach der Mutterdisziplin Psychologie (FEPSAC, 1996). Die Sportpsychologie „befasst sich mit Verhalten und Erleben im Rahmen sportlicher Aktivität […]. Sie ist darauf ausgerichtet, dieses Verhalten und Erleben zu beschreiben, zu erklären, zu beeinflussen und das gewonnene Wissen praktisch anzuwenden“ (Alfermann & Stoll, 2012, S. 16). Das Verhalten und Erleben von Menschen im Sport wird durch psychologische Dimensionen analysiert, vor allem durch affektive, kognitive, motivationale oder sensomotorische Dimensionen. Zudem ist nicht nur das Verhalten und Erleben von Sportlerinnen und Sportlern für die Sportpsychologie von praktischer Relevanz und wissenschaftlichem Interesse, sondern das aller Personen, die Teil des sportbezogenen Settings sind. Somit beispielsweise auch von Trainer_innen, Eltern oder Physiotherapeut_innen (FEPSAC, 1996). In der Definition von Alfermann und Stoll (2012) wird auch der Anspruch der Sportpsychologie als Disziplin deutlich, wissenschaftlich fundiertes Wissen in die Anwendung zu bringen. Die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie in Deutschland e.V. (asp) sieht als Grundlage der Angewandten Sportpsychologie stets wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse und Methoden, sowie den Dreischritt aus Diagnostik, Intervention und Evaluation (asp, 2015). In der Angewandten Sportpsychologie kann zwischen zwei zentralen Anwendungsbereichen unterschieden werden: der Anwendung des sportpsychologischen Wissens im Gesundheitssport und im Leistungssport. Dieses Buch widmet sich der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport.

Mit dem Titel dieses Buches „Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport“ wird hervorgehoben, dass in diesem Buch explizit die Perspektive einer „Wissenschaft für den Leistungssport“, d. h. eines Dienstleisters eingenommen wird. Spitzenleistungen im Sport werden durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Ziel der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport ist es, die psychischen Aspekte der sportlichen Leistungsfähigkeit zu analysieren, zu trainieren und zu optimieren. Als Grundlage einer positiven und nachhaltigen Leistungsentwicklung werden die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Sportlerinnen und Sportler gesehen. Somit bieten sportpsychologische Expertinnen und Experten neben der Leistungsförderung auch Unterstützung in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung und die psychische Gesundheit von Sportler_innen. Die gezielte sportpsychologische Betreuung kann im Nachwuchsleistungssport beginnen, sich im Erwachsenenalter fortsetzen oder auch im Erwachsenenalter beginnen, je nach Anforderung und Rahmenbedingungen der Sportart und Nachfrage durch die genannten Zielgruppen.

Die Angebotspalette unterscheidet grundsätzlich zwischen sportpsychologischem Training, sportpsychologischer Beratung/Coaching und sportpsychologischer Be|17|treuung. Sportpsychologische Diagnostik wird als Vorbereitung und zur Qualitätssicherung von sportpsychologischen Maßnahmen eingesetzt (z. B. Fragebogen, Erstgespräch). Im sportpsychologischen Training steht die systematische Erarbeitung von Techniken und Strategien im Vordergrund, beispielsweise das Üben von Entspannungsverfahren oder Konzentrationstechniken. In der sportpsychologischen Beratung oder im sportpsychologischen Coaching stehen hingegen Themen persönlicher Weiterentwicklung und die Begleitung in Krisensituationen im Vordergrund. Da die Begriffe Beratung und Coaching häufig synonym verwendet werden, wird an dieser Stelle zwischen beiden nicht weiter differenziert, während hingegen zum sportpsychologischen Training eine deutliche Abgrenzung vorgenommen wird (Ausbildung Sportpsychologie, 2018; Brand, 2010). Sportpsychologische Trainingsmaßnahmen werden zudem häufig in Gruppensettings (z. B. Workshops) durchgeführt, während sportpsychologische Beratung zumeist in Einzelsettings erfolgt. So stellten Benthien, Grote und Brand (2013) in einer Analyse sportpsychologischer Angebote im Leistungssportsystem in Brandenburg fest, dass für Nachwuchsathletinnen und -athleten eher sportpsychologische Trainingsmaßnahmen in Gruppensettings Anwendung finden, während mit Spitzenathletinnen und -athleten eher individualisierte, sportpsychologische Beratungen durchgeführt werden. In Abgrenzung zu dem sportpsychologischen Training und der Beratung stellt die sportpsychologische Betreuung eine umfassendere und oft langfristige Zusammenarbeit dar, welche neben Beratung und Trainings weitere Maßnahmen umfasst (z. B. Wettkampfbegleitung oder Trainingsbeobachtung). In eine Betreuung werden zudem oft mehrere Personen sowohl individuell als auch in Gruppen einbezogen.

Sportpsychologische Dienstleistungen werden von Expert_innen mit psychologischem und/oder sportwissenschaftlichem Studium erbracht. Die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie bietet eine Fortbildung zur sportpsychologischen Beratung und Betreuung im Leistungssport für Personen mit einem einschlägigen abgeschlossenen Psychologie- oder Sportstudium an. Absolvent_innen dieser Fachrichtungen schließen die Fortbildung als Sportpsychologischer Experte/Sportpsychologische Expertin ab. Auch einzelne Hochschulen und Universitäten bieten Masterprogramme in Sportpsychologie an. Die Berufsbezeichnung „Psychologin“/„Psychologe“ kann aufgrund eines Urteils des deutschen Gerichtshofs nur von Personen geführt werden, die ein Hochschulstudium im Hauptfach Psychologie abgeschlossen haben. Dies gilt nach der derzeitigen Auffassung des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) auch für „Sportpsychologin“ und „Sportpsychologe“. Im vorliegenden Buch wird sowohl die Bezeichnung „Sportpsychologe bzw. Sportpsychologin“ als auch „Sportpsychologischer Experte bzw. Sportpsychologische Expertin“ verwendet. Dabei wird nicht weiter zwischen den Bezeichnungen differenziert. Sollten die unterschiedlichen Zugangswege oder Qualifikationen für einen beschriebenen Inhalt von Relevanz sein, so wird dies benannt.

|18|1.3 Konzeptionelles Rahmenmodell der Angewandten Sportpsychologie

Für die Praxis der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport wurde eine Reihe von Modellen entwickelt, die das Vorgehen von Sportpsycholog_innen in der Arbeit mit Athlet_innen darstellen. Darin finden sich unterschiedliche Schwerpunkte. Im Folgenden beschreiben wir drei Modelle, das Modell von Sonnenschein (2001), von Beckmann und Elbe (2008) sowie von Keegan (2016) und stellen daraus abgeleitet, ein neues konzeptionelles Rahmenmodell für die sportpsychologische Beratung vor.

Im deutschsprachigen Raum beeinflusste das Modell des Trainingsprozesses zur Verbesserung psychischer Voraussetzungen von Sonnenschein (2001) die sportpsychologische Betreuung im Leistungssport. Das Modell dient im Sinne der oben beschriebenen Dienstleistungen insbesondere als Grundlage für das sportpsychologische Training, kann bei einzelnen Themen oder Fragestellungen jedoch auch für die sportpsychologische Beratung Anwendung finden. So stellt es einen kontinuierlichen Soll-Ist-Abgleich in Bezug auf das sportliche Verhalten dar. Besteht eine Abweichung zwischen Soll- und Istwert, sieht das Modell auf Grundlage sportpsychologischer Diagnostik eine gezielte Trainingsplanung und Trainingsdurchführung vor. Das Modell macht deutlich, dass es sich bei sportpsychologischen Trainingsmaßnahmen um einen gezielten Prozess handeln sollte. Gleichwohl kommt es in der Praxis auch beim Training sportpsychologischer Fertigkeiten zu Störungen, Rückschlägen oder Zielanpassungen.

Das Modell von Beckmann und Elbe (2008) beeinflusste die Entwicklung und Arbeitsweise der Angewandten Sportpsychologie maßgeblich. Beckmann und Elbe (2008) schlagen ein räumlich-zeitliches Strukturmodell für die sportpsychologische Betreuung vor. Die Struktur soll als Orientierungsrahmen für eine systematische sportpsychologische Betreuung dienen. Es fokussiert somit nicht einzelne Beratungsgespräche oder Trainingsmaßnahmen, sondern bettet diese in ein räumlich-zeitliches Strukturmodell ein. Dabei folgt nach der Kontaktaufnahme die je nach Problemlage und Themenbereich notwendige Diagnostik. Auf der Basis einer Analyse von mentalen Stärken und Schwächen werden gezielte sportpsychologische Interventionen geplant. Es wird unterschieden zwischen dem psychologischen Grundlagentraining (Ebene 1), dem psychologischen Fertigkeitstraining (Ebene 2) und der Krisenintervention (Ebene 3). Das Grundlagentraining umfasst Entspannungsverfahren und Teambuilding. Es wird davon ausgegangen, dass dies allgemeine Grundlagen darstellen, über die jede_r Sportler_in bzw. jedes Team verfügen sollte. Das Fertigkeitstraining schließt sich an das Grundlagentraining an, baut auf diesem auf und vermittelt individuell zugeschnittene Techniken und Strategien. Diese umfassen u. a. Techniken der Selbstgesprächsregulation, Aufmerksamkeitsregulation oder Selbstwirksamkeitsüberzeugung und sind eng an die vorangegangene Diagnostik gebunden, beispielsweise unter Verwendung di|19|agnostischer Instrumente wie dem Wettkampfangst-Inventar-State (Brand, Ehrlenspiel & Graf, 2009). Die Ebene 3 wird als Krisenintervention bezeichnet, welche vom Zeitpunkt her „anders als bei den ersten beiden Ebenen – dem Grundlagen- und Fertigkeitstraining, die systematischer und kontinuierlicher Natur sind – […] nicht planbar und vorhersehbar“ ist (Beckmann & Elbe, 2008, S. 131). Als mögliche Krisen werden Verletzungen, Konflikte in der Mannschaft oder psychische Erkrankungen genannt. Zusätzlich wird der Betreuungsprozess durch ein regelmäßiges Monitoring ergänzt, beispielsweise mittels des Erholungs-Belastungs-Fragebogens von Kellmann und Kallus (2000).

Dieses Strukturmodell bietet eine gute Orientierung für nachhaltig und langfristig angelegte sportpsychologische Betreuungsmaßnahmen. Zudem bietet es Anregungen, welche sportpsychologischen Themenfelder als Grundlagen zu bezeichnen sind, welche eine Analyse der individuellen Stärken und Schwächen voraussetzen und welche ungeplant in der Betreuung auftreten können. Gleichwohl birgt eine strikte Orientierung an dem Modell die Gefahr, dass Sportpsycholog_innen nicht genau prüfen, was der jeweilige Athlet, die jeweilige Athletin oder auch eine Mannschaft im Moment einer Betreuung tatsächlich an Unterstützung benötigt. Dies kann sich zwischen Betreuungssitzungen verändern und setzt ein flexibles Eingehen auf die aktuelle Situation voraus.

Andere Modelle zur sportpsychologischen Betreuung beziehen sich weniger auf die zeitliche Anordnung thematischer Schwerpunkte, sondern eher auf die Aufgaben und Meta-Aufgaben der Sportpsycholog_innen. Keegan (2016) stellt ein umfassendes Modell vor, welches neben einer Schritt-für-Schritt Beschreibung eines Betreuungsprozesses auch Aspekte einbezieht, welche die grundsätzliche Arbeitsweise eines Sportpsychologen/einer Sportpsychologin widerspiegeln. Grundlage eines sportpsychologischen Betreuungsprozesses sind in diesem Modell ethische Standards und die eigene Berufsauffassung, somit persönliche Annahmen dazu, wie die sportpsychologische Betreuung erfolgreich sein kann. Der Betreuungsprozess wird dann gegliedert in Kontaktaufnahme, Bedarfsanalyse, Formulierung eines Arbeitsmodells zur Ableitung von Maßnahmen, Auswahl einer Maßnahme, Planen einer Maßnahme, Durchführen und Evaluation der Maßnahme. Ausgehend vom Betreuungsprozess beschreibt Keegan (2016) relevante Lernprozesse und Aspekte der Qualitätssicherung. Neben dem Protokollieren und der Reflexion der eigenen Betreuungsspraxis werden auch Supervision und Monitoring genannt. Ein großer Mehrwert des Modells kann darin gesehen werden, dass die sportpsychologische Betreuungspraxis nicht losgelöst von der Person dargestellt wird, sondern eng mit dieser verbunden. Nicht allein die sportpsychologischen Themen und Methoden machen eine gute sportpsychologische Betreuung aus, sondern auch die Art und Weise, wie diese mit der Person des Sportpsychologen/der Sportpsychologin verbunden sind (u. a. ethische Prinzipien, Selbstreflexion) und eingesetzt werden. Aus unserer Sicht macht das im Umkehrschluss deutlich, dass eine Limitierung sportpsychologischer Betreuung auf die |20|Anwendung sportpsychologischer Methoden und Inhalte zu kurz greift und die Persönlichkeit, die Qualitätssicherung sowie der Erfahrungshintergrund handelnder Sportpsycholog_innen mitberücksichtigt werden sollten. Das Modell von Keegan (2016) verdeutlicht – ähnlich wie Forschungsbefunde (Paczwardowski, Aoyagi, Shapiro & van Ralatte, 2014) – zudem die Wichtigkeit der eigenen Berufsauffassung für die sportpsychologische Betreuung. Die Schritt-für-Schritt Beschreibung des sportpsychologischen Betreuungsprozesses legt allerdings nahe, dass die Betreuung linear verläuft sowie klar strukturierte und planbare Schritte enthält.

Abbildung 1: Konzeptionelles Rahmenmodell der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport (Grafik von Anke Albrecht)

Wir schlagen mit diesem Buch ein konzeptionelles Rahmenmodell der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport vor. Es spiegelt unsere Erfahrungen und Arbeitsauffassung wieder und stellt die Kapitel dieses Buches in einen größeren Sinnzusammenhang. Dieses Rahmenmodell wurde in erster Linie für die sportpsychologische Beratung entwickelt, bietet jedoch auch für die Durchführung von sportpsychologischen Trainings oder für die sportpsychologische Betreuung relevante Hinweise.

Das Modell bildet den Kontext Leistungssport und die Rahmenbedingungen ab, da diese den sportpsychologischen Beratungsprozess maßgeblich beeinflussen. Das Modell versteht den Leistungssport als einen spezifischen (Handlungs-)kontext mit spezifischen Rahmenbedingungen, der eigene Themen hervorbringt und Methoden nahelegt. Somit werden Beratungsgespräch und sportpsychologische Themen und Methoden in Kontext gesetzt und nicht davon losgelöst dargestellt. Durch die Darstellung der beteiligten Personen wird verdeutlicht, dass die sportpsychologische Praxis nicht unabhängig von den handelnden Personen zu verstehen ist und nicht unidirektional verläuft, sondern die Beratungssituation von bei|21|den Seiten gestaltet wird. Im Mittelpunkt stehen daher die Auftragsklärung und die Beziehungsgestaltung, denen in diesem Modell eine zentrale Rolle im sportpsychologischen Beratungsprozess zugeordnet wird, da diese vor der Erarbeitung von Themen und Methoden stehen und im Prozess wiederholt vorkommen. Insgesamt wird mit diesem Modell der Fokus auf das Zustandekommen der behandelten Themen und Methoden in der sportpsychologischen Beratung gelegt. Somit wird durch die Auftragsklärung und Beziehungsgestaltung auch die situationsgerechte Arbeitsweise festgelegt. Diese Arbeitsweise kann dem Vorgehen eines der zuvor beschriebenen Modelle entsprechen oder ähneln. Das konzeptionelle Rahmenmodell bietet folglich auch einen Rahmen für diese Modelle. Die einzelnen Aspekte des Rahmenmodells werden nachfolgend näher beschrieben, beginnend mit dem Kontext Leistungssport.

Der Kontext Leistungssport ist schnelllebig. Veränderungen, die sich möglichst auch in der sportlichen Leistung widerspiegeln, werden schnell erwartet. Meist haben Leistungssportler_innen einen streng durchgetakteten Wochenablauf, welcher zeitliche Effizienz notwendig macht. Leistungssportler_innen sind es gewohnt eine Vielzahl an Terminen zu koordinieren. Sie können dabei häufig auf ein umfassendes Unterstützungssystem zurückgreifen (z. B. Trainerstab, Sportinternat). Dieses Unterstützungssystem kann es mit sich bringen, dass Leistungssportler_innen stark von anderen bestimmt werden. Zudem ist der Leistungssport durch das öffentliche Interesse geprägt, welches von Sportart zu Sportart unterschiedlich stark ausgeprägt ist, was wiederum Einfluss auf die finanziellen Mittel in einer Sportart hat. Dies sind einige Beispiele für Besonderheiten des Kontexts Leistungssport, welche sich auf die sportpsychologische Beratungstätigkeit auswirken. Beispielsweise kann das limitierte Zeitbudget dazu führen, dass Beratungsgespräche auch auf der Anreise zu einem internationalen Wettkampf durchgeführt werden. Ebenso kann es dazu führen, dass besondere Vorkehrungen zur Wahrung der Diskretion getroffen werden, insbesondere bei Athlet_innen oder Trainer_innen, die im öffentlichen Interesse stehen. Bezogen auf die Rahmenbedingungen macht es zudem einen Unterschied für die sportpsychologische Beratung, wie die Beratungssitzungen finanziert werden. Werden diese über Dritte, wie etwa einen Verein, Verband oder Olympiastützpunkt finanziert, bestehen oftmals implizite oder explizite Regeln und Erwartungen, wie eine sportpsychologische Betreuung durchzuführen ist. Hier kann es beispielsweise sein, dass eine maximale Anzahl an Beratungsstunden festgelegt ist oder dass die Anmeldung zur sportpsychologischen Beratung ein festgelegtes Prozedere notwendig macht (z. B. vorangehende Diagnostik, Anmeldung über Trainer_in). Die Rahmenbedingungen für die sportpsychologische Beratung variiert jedoch nicht nur zwischen Verein, Verband oder Olympiastützpunkt, sondern hat sich auch über die letzten Jahre erheblich gewandelt. Beispielsweise ist es heute allgemein unter Trainer_innen bekannt, welch großen Einfluss psychische Prozesse auf die sportliche Leistung haben und dass folglich Athlet_innen entsprechende Unterstützung erfahren sollten. In den zurückliegenden 20 Jahren hat sich die Sportpsychologie etabliert, nun beginnt eine |22|Phase der weiteren Professionalisierung und Differenzierung. Als Sportpsychologin oder Sportpsychologe ist es somit ratsam, sich mit dem Kontext Leistungssport und den jeweiligen Rahmenbedingungen vertraut zu machen und zu prüfen, ob und welches konkrete Arbeitsfeld zur eigenen Person und zum professionellen Selbstverständnis passt. Es wird deutlich, dass die sportpsychologische Beratung nach diesem Modell nicht losgelöst von der Person des Sportpsychologen oder der Sportpsychologin gesehen werden kann. Neben Persönlichkeit, Ausbildung und Erfahrungshintergrund kommt es dabei insbesondere auf das professionelle Selbstverständnis an. Zugleich stellen ethische Prinzipien und die Sicherung von Qualität und Nachhaltigkeit wichtige Bezugsgrößen auf Seiten der Sportpsycholog_innen dar. Insgesamt gilt es, sich in Bezug auf den Kontext zu positionieren und zu klären, welchen Charakteristika des Kontexts unter den gegebenen Rahmenbedingungen entsprochen werden kann und welchen nicht. In Bezug auf ein Beratungsgespräch gilt es für den Sportpsychologen oder die Sportpsychologin somit zu prüfen, welches Beratungsangebot in Anbetracht der jeweils gegebenen Rahmenbedingungen und der eigenen Möglichkeiten (z. B. Ausbildung, Erfahrung) gemacht werden kann, was folglich die Auftragsklärung und Beziehungsgestaltung beeinflusst. Doch auch die Ratsuchenden werden durch den Kontext Leistungssport und die jeweiligen Rahmenbedingungen beeinflusst. Hierdurch entstehen beispielsweise implizite Annahmen dazu, wie eine sportpsychologische Beratung abläuft und was dadurch bewirkt werden kann. Darüber hinaus ist jeder Klient und jede Klientin eines sportpsychologischen Beratungsgesprächs ein Individuum. Die gleiche sportpsychologische Methode kann beispielsweise bei zwei Athlet_innen gleichen Alters zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen. Es bestehen auch unterschiedliche thematische Schwerpunkte je nach sportpsychologischer Zielgruppe oder Sportart. Somit ist zum einen Hintergrundwissen zu den unterschiedlichen Zielgruppen und Sportarten relevant, zum anderen jedoch auch ein offener Blick und ein offenes Ohr für das Individuum, das sportpsychologische Beratung nachfragt. In der Beratungssituation kommt es zur Auftragsklärung und Beziehungsgestaltung zwischen Sportpsycholog_innen und Sportler_innen.

Auftragsklärung und Beziehungsgestaltung werden als zentrale Elemente der sportpsychologischen Beratung im Leistungssport angesehen. Auftragsklärung umschreibt dabei den Klärungsprozess, der zu einem gemeinsamen Verständnis dessen führt, was in der Beratung unter den gegebenen Rahmenbedingungen erreicht werden kann und was die Beteiligten zur Zielerreichung jeweils beitragen. Eine umfassende Auftragsklärung führt auch dazu, dass die tatsächlichen Fragestellungen der Athletin oder des Athleten besprochen werden können und nicht nur die ersten Beweggründe aus denen sportpsychologische Beratung aufgesucht wurde. Beziehungsgestaltung beschreibt den dynamischen Prozess, in dem Sportpsycholog_in und Sportler_in miteinander in Beziehung gehen und diese gestalten.

Eine gute Beratungsbeziehung allein kann positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Sportler_innen haben. Wie im therapeutischen Kontext so kann auch |23|für die sportpsychologische Beratung angenommen werden, dass die Beziehungsgestaltung einen hohen Einfluss auf die Qualität und den Erfolg der Beratung hat. Weder Auftragsklärung noch Beziehungsgestaltung stehen nur zu Beginn einer Beratung, sondern sind wiederkehrender Teil des Beratungsprozesses. Daher wird im Modell durch die zirkulär angelegten Pfeile dargestellt, dass es sowohl auf Seiten des Sportpsychologen bzw. der Sportpsychologin als auch auf Seiten des Klienten bzw. der Klientin immer wieder zu einem Hinterfragen des Auftrags und der Beziehung kommen kann und sollte. Die sportpsychologischen Themen, welche sich aus der Auftragsklärung und Beziehungsgestaltung entwickeln, können das gesamte Spektrum sportpsychologischer Fragestellungen umfassen. Hierbei kann es sich um bewährte sportpsychologische Themen handeln wie Selbstvertrauen und Umgang mit Erwartungen, Motivation, Erholungs- und Belastungssteuerung oder Aufmerksamkeitssteuerung, welche in den letzten Jahren zuverlässig Eingang in sportpsychologische Fachbücher gefunden haben (u. a. Beckmann & Elbe, 2008; Engbert, Droste, Werts & Zier, 2011; Weinberg & Gould, 2015). Je nach Thema bieten sich bewährte Methoden und Verfahrensweisen an, die auch als „mentaler Werkzeugkasten“ beschrieben werden (u. a. Beckmann & Elbe, 2008). Hierbei gilt es jedoch genau zu prüfen, welche mentalen Fertigkeiten bereits auf Seiten des Sportlers/der Sportlerin gegeben sind bzw. welche sportpsychologischen Techniken beherrscht und worauf bereits aufgebaut werden kann. Zudem liegt es in der Expertise des Sportlers/der Sportlerin, eine sportpsychologische Technik oder Strategie für die eigenen Bedarfe anzupassen oder auch zu verwerfen, sollte diese als nicht passend empfunden werden. Für den Sportpsychologen/die Sportpsychologin bieten sportpsychologische Methoden (nur) erste Ansätze, wie bei einem Thema vorgegangen werden kann. Beim Fokussieren auf diese „Werkzeuge“ im Beratungsprozess besteht die Gefahr, dass diese allein Expertise suggerieren und das eigentliche Anliegen des Klienten bzw. der Klientin oder auch deren bereits bestehende Fertigkeiten übersehen werden.

Die sportpsychologische Dienstleistung besteht nicht in der Anwendung einer Methode, sondern in der Bearbeitung eines Auftrags. Sportpsychologische Expertise basiert somit nicht allein in einem gut gefüllten „Werkzeugkasten“, sondern im passgenauen, themenbezogenen „Werkzeuggebrauch“. Aus diesem Grund wird im Modell auch kein Pfeil von den Themen und Methoden zurück zum Auftrag dargestellt, obgleich dies in der Praxis auch vorkommt und kritisch geprüft werden sollte (z. B. wissenschaftliches Interesse oder finanzielle Mittel bestimmen sportpsychologisches Angebot). Zudem können auch ganz andere Themen deutlich werden, die über sportpsychologische Möglichkeiten hinausgehen können, wie private Krisen, psychische Belastungen und Erkrankungen oder auch sexualisierte Gewalt im Sport. Hier gilt es auf Seiten des Sportpsychologen/der Sportpsychologin zu prüfen, ob dieser Beratungsauftrag angenommen werden kann oder ob beispielsweise eine Weiterleitung an einen Kollegen/eine Kollegin mit psychotherapeutischer Ausbildung ratsam erscheint. Manche Themen erfordern |24|Methoden, für die eine gesonderte Ausbildung notwendig ist. Um in der Metapher der Werkzeuge zu bleiben: Manche Werkzeuge erfordern eine gesonderte Qualifikation, einen „Werkzeugführerschein“ oder gar „Maschinenführerschein“. Nicht ohne Grund stehen daher im Modell die Themen oberhalb und somit zeitlich vor den Methoden. Die Kapitel dieses Buches greifen diese Aspekte auf, somit versteht sich das vorgestellte Modell als konzeptionelle Grundlage einer Sportpsychologie für den Leistungssport und dient zugleich der Strukturierung der Beiträge dieses Buches.

1.4 Anliegen und Inhalte des Buches

1.4.1 Was ist das Anliegen dieses Buches?

Ein Anliegen dieses Herausgeberwerks ist es, Theorie und Praxis der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport miteinander in Verbindung zu setzen und somit neue Anregungen sowohl für die Forschung als auch für die Praxis anzubieten. Dies soll letztlich dazu führen, dass sich die Angewandte Sportpsychologie als Disziplin weiterentwickelt, nicht um ihrer selbst willen, sondern für den Leistungssport. Dieses Anliegen spiegelt sich auch im Titel des Buches „Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport“. Wir sehen die Sportpsychologie dabei nicht mehr in einem Anfangsstadium, in dem um die Existenzberechtigung gekämpft wird, sondern in einer zweiten Phase, der Phase der weiteren Professionalisierung und Differenzierung.

Im Selbstfindungsprozess der Sportpsychologie als Disziplin wurde aus unserer Sicht lange Zeit auf die Schnittmenge zwischen Sportwissenschaft und Psychologie fokussiert, wobei angewandte Sportpsycholog_innen insbesondere diese Schnittmenge bedienten. Im jetzigen Stadium, der zweiten Phase, gilt es jedoch, die Bandbreite sportpsychologischer Möglichkeiten zu erweitern. Dabei müssen nicht alle Sportpsycholog_innen alles können, sondern alle sollten sich dessen bewusst sein, was sie aufgrund ihrer Ausbildung, Erfahrung und Persönlichkeit können und was sie folglich anbieten möchten. Anstatt einer Reduzierung auf die gemeinsame Schnittmenge erhoffen wir uns auf diese Weise eine Erweiterung sportpsychologischer Möglichkeiten. Dies ist aus unserer Sicht nur durch die Wertschätzung und Nutzung der genuinen Möglichkeiten beider Disziplinen, der Sportwissenschaft und der Psychologie, zu erreichen. Dabei bleibt die Verbundenheit durch die Schnittmenge und dem gemeinsamen Arbeitsauftrag bestehen, die psychischen Prozesse von Menschen im Leistungssport zu unterstützen. Wir verfolgen mit diesem Buch somit das Anliegen, die Sportpsychologie nicht nur zu beschreiben, sondern zu gestalten.

|25|Zielgruppe des Buches sind daher in erster Linie Kolleg_innen, die in der Angewandten Sportpsychologie für den Leistungssport tätig sind oder zukünftig sein möchten. Aber auch Kolleg_innen sollen angesprochen werden, die durch ihre Forschung zur wissenschaftlichen Fundierung der Angewandten Sportpsychologie für den Leistungssport beitragen. Das Buch soll zur Selbstreflexion, zum Hinterfragen des professionellen Selbstverständnisses anregen. Darüber hinaus richtet sich das Buch auch an Studierende, Athlet_innen, Trainer_innen sowie weitere Verantwortliche im Leistungssport und Leser_innen, die an der Sportpsychologie interessiert sind. Für diese Zielgruppe bietet das Buch Einblicke in die Angewandte Sportpsychologie und Anregungen für die eigene Tätigkeit im Leistungssport. Das Buch kann somit nicht nur als Lehrbuch, sondern als Arbeitsbuch verstanden werden und zwar als ein Arbeitsbuch, aus dem Leser_innen für sich selbst einen Arbeitsauftrag identifizieren können.

1.4.2 Was macht dieses Buch besonders?

Es ist uns gelungen, eine Reihe von renommierten Kolleg_innen für dieses Buch als Autor_innen zu gewinnen, die mit ihren Erfahrungen die Bandbreite der Sportpsychologie repräsentieren. Alle Autor_innen des vorliegenden Buches haben eine universitäre Ausbildung durchlaufen, mehrheitlich in Psychologie und/oder Sportwissenschaft, mit Spezialisierung in Sportpsychologie. Einige Autor_innen sind in Forschung und Lehre im Feld der Angewandten Sportpsychologie an Hochschulen und Universitäten tätig. Sie verfügen zudem über eine langjährige Erfahrung in der Betreuung und Beratung im Leistungssport und Hochleistungssport. Gleich mehrere Autor_innen waren bereits bei internationalen, sportlichen Großereignissen wie den Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften als Sportpsycholog_innen tätig oder haben Athlet_innen darauf vorbereitet.

Die Autor_innen werden im Anhang kurz vorgestellt, für weitere Informationen seien interessierte Leser_innen beispielsweise auf die Homepages der Autor_innen verwiesen.

Die Autor_innen stellen in ihren Beiträgen Themen aus ihrem Berufsalltag dar und bringen über Fallbeispiele ihre Erfahrungen mit direktem Bezug zum Leistungssport ein. Die Kapitel stellen zugleich den wissenschaftlichen State-of-the-Art zum jeweiligen Thema dar. Wir haben die Autor_innen zudem darum gebeten, zum jeweiligen Thema die eigene Sicht und konkrete Vorgehensweise zu schildern. Dieser Zugang entspricht einem authentischen Herausgeberwerk und dem zuvor beschriebenen Rahmenmodell der Angewandten Sportpsychologie, in welchem Themen und Methoden nicht unabhängig von den jeweiligen handelnden Personen gesehen werden können. Auch für die Autor_innen dieses Buches gilt, dass sie kein einheitliches Bild der Angewandten Sportpsychologie zeichnen, sondern unterschiedliche, praxisnahe Herangehensweisen auf Basis des wissenschaftli|26|chen Fachwissens anbieten. Bei der Editierung des Buches ist uns auch die teilweise unterschiedliche Terminologie der Kapitel aufgefallen. Dies zu vereinheitlichen war nicht Anliegen dieses Buches. Das Buch wirft somit auch offene Fragen und Aufgaben der Sportpsychologie auf, die zukünftig aufgegriffen werden können. Die geschilderten Vorgehensweisen in den Kapiteln sind als Einblick in die praktische sportpsychologische Tätigkeit und als Anregungen für Kolleg_innen zu verstehen, jedoch nicht als einzige oder beste Möglichkeit mit einem sportpsychologischen Thema umzugehen. Die dargelegten Methoden in diesem Buch dienen somit der Erweiterung des sportpsychologischen Handlungsrepertoires bei gleichzeitiger kritischer Reflexion, ob und wie die beschriebenen Verfahren zur eigenen Arbeitsweise und zum eigenen Selbstverständnis passen.

Der Fokus dieses Herausgeberwerks liegt auf der angewandten Forschung und Praxis der Sportpsychologie im Leistungssport. Dabei setzt dieses Buch auch durch die Auswahl der Inhalte neue Akzente und reiht sich zugleich ein in die Reihe der Fachbücher, welche Theorie und Praxis der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport beleuchten (u. a. Beckmann & Elbe, 2008; Mayer & Hermann, 2015; Weinberg & Gould, 2015). Da sich dieses Herausgeberwerk explizit der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport widmet, sei für einen Überblick über die sportpsychologische Forschung auf andere Werke verwiesen (u. a. Alfermann & Stoll, 2012; Brand, 2010; Schlicht & Strauß, 2009). Auch wenn sich in diesem Werk einzelne Kapitel mit Relevanz für den Gesundheitssport finden, sei für einen Überblick über die Angewandte Sportpsychologie im Gesundheitssport auf Fuchs und Schlicht (2012)verwiesen.

1.4.3 Welche Inhalte erwarten Sie?

Bei der Auswahl der Inhalte dieses Buches wurden einige Inhalte gewählt, welche im Feld der Angewandten Sportpsychologie bislang kaum oder gar nicht Eingang in wissenschaftliche Fachbücher gefunden haben. Beispielsweise sind die Kapitel zum professionellen Selbstverständnis, zu ethischen Richtlinien oder zur Auftragsklärung und Beziehungsgestaltung Themenbereiche, die nach Ansicht der Herausgeberinnen für dieses Arbeitsfeld unbedingt notwendig sind. Zudem werden einige sportpsychologische Themen beleuchtet, die bisher ebenfalls selten bis gar nicht in der Literatur zur Angewandten Sportpsychologie aufgegriffen wurden. Hierzu zählen besonders die Kapitel zu Achtsamkeit oder zu sexualisierter Gewalt im Sport. Gleichwohl umfasst das Buch auch etablierte Themen der Angewandten Sportpsychologie. Hierzu zählen beispielsweise die Kapitel zu Teamentwicklung und Konfliktmanagement, Selbstvertrauen und Umgang mit Erwartungen, Motivation und Zielsetzung oder Erholungs- und Belastungssteuerung. Auch in diesen Kapiteln werden auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen State-of-the-Art und eigener Praxiserfahrungen neue Akzente gesetzt.

|27|Das vorgestellte Rahmenmodell der Angewandten Sportpsychologie dient als Grundlage und zugleich Strukturierung des Buches. Nach diesem Einführungskapitel folgen sieben Kapitel, welche auf einer Meta-Ebene zur Reflexion sportpsychologischen Handelns anregen. Hier werden – dem Modell folgend – die Rahmenbedingungen, die beteiligten Personen und die Arbeitsweise in der sportpsychologischen Praxis beschrieben. Die daran anschließenden zehn Kapitel umfassen sportpsychologische Themen und Methoden, die im Leistungssport von zentraler Bedeutung sind. Das Buch schließt mit einem Kapitel, welches einen Blick in die Zukunft der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport wirft.

Im Detail wird im folgenden 2. Kapitel des Buches die Etablierung der Sportpsychologie im Leistungssport beschrieben und somit auch der Kontext und die Rahmenbedingungen sportpsychologischer Praxis in Deutschland näher beleuchtet. Babett Lobinger, Jan Mayer und Gabriele Neumann stellen in diesem Kapitel neben der Entwicklung der Angewandten Sportpsychologie auch die wichtigsten Institutionen und Partner_innen sportpsychologischer Praxis heraus, beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp), das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) und die Zentrale Koordination Sportpsychologie (ZKS) im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Der Kontext Leistungssport beeinflusst nach dem Rahmenmodell sowohl den Sportpsychologen bzw. die Sportpsychologin als auch die ratsuchende(n) Person(en). Kapitel 3, 4 und 5 beleuchten daher unterschiedliche Aspekte bezogen auf die Person und Arbeitsweise der sportpsychologischen Expert_innen. Kapitel 3 stellt das professionelle Selbstverständnis dar, welches untergliedert wird in sportpsychologische Fachkompetenz, Beratungskompetenz und Rollenkompetenz. Thorsten Weidig und Monika Liesenfeld werfen in diesem Kapitel die Frage auf, wie sich ein Sportpsychologe oder eine Sportpsychologin professionell verorten kann und betonen die Wichtigkeit der Reflexion in Bezug auf die eigene Rolle. Kapitel 4 hinterfragt ethische Aspekte des sportpsychologischen Handelns. Hans-Dieter Hermann stellt eine philosophiegeleitete Zusammenfassung des Begriffs „Ethik“ vor und diskutiert, was Ethik für sportpsychologisch Tätige sein kann und was sportpsychologische Werte ausmachen. Kapitel 5 stellt die Qualitätssicherung als wichtige Bezugsgröße auf Seiten der Sportpsycholog_innen dar. Ole Benthien und Christian Heiss verdeutlichen Sinn und Zweck der Qualitätssicherung in der sportpsychologischen Praxis und stellen Reflexionsfragen heraus. Die Seite des Ratsuchenden wird mit Kapitel 6 des Buches näher betrachtet. Frauke Wilhelm verdeutlicht beispielhaft, welche sportpsychologischen Schwerpunkte je nach Sportart oder Zielgruppe bestehen können. Kapitel 7 beleuchtet Trainer_innen als Zielgruppe sportpsychologischer Betreuung und mit Führung und Kommunikation zwei zentrale Themenfelder dieser Zielgruppe. Babett Lobinger beschreibt dabei Methoden und Inhalte der Arbeit mit Trainer_innen. Kapitel 8 beschreibt Grundlagen der Auftragsklärung und Beziehungsgestaltung sowie mögliche Wechselwirkungen. Monika Liesenfeld und Kathrin Staufenbiel stellen den Prozess der Auftragsklärung vom Beratungsanlass bis zum Auftrag dar und gehen dabei auch auf besondere Herausforderungen (z. B. |28|Dreiecksaufträge) ein. Ausgewählte sportpsychologische Themen und Methoden werden in den Kapiteln 9 bis 18 dargestellt. Kapitel 9 bezieht sich auf die sportpsychologische Betreuung von Teams oder Mannschaften und integriert Aspekte des sportpsychologischen Konfliktmanagements. Michael Kuhn stellt in diesem Kapitel u. a. Einflussgrößen auf den Teamzusammenhalt und die Phasen der Teamentwicklung dar. Kapitel 10 beleuchtet das komplexe Thema Selbstvertrauen und Umgang mit Erwartungen. Denise Beckmann-Waldenmayer und Jürgen Beckmann beschreiben dabei die unterschiedlichen Ebenen einer Angstreaktion und wie Interventionen daran ansetzen können. Kapitel 11 befasst sich mit den sportpsychologischen Themen Motivation und Zielsetzung. Jens Kleinert und Marion Sulprizio stellen anhand von drei Fallbeispielen unterschiedliche Ursachen und Handlungsempfehlungen bei Motivationsdefiziten dar. Kapitel 12 befasst sich mit der Erholungs- und Belastungssteuerung im Leistungssport. Sarah Kölling, Jahan Heidari, Maximilian Pelka und Michael Kellmann gehen dabei auf unterschiedliche Erhebungsverfahren von Erholung und Belastung ein. Bewegungsvorstellung und Aufmerksamkeitsregulation, zwei traditionell bedeutsame Themen der Angewandten Sportpsychologie, werden in Kapitel 13 beschrieben. Hanspeter Gubelmann und Oliver Stoll verdeutlichen in diesem Kapitel die Wichtigkeit der inneren Stimme und der Antizipationsfähigkeit zur Steuerung der Aufmerksamkeit. Kapitel 14 befasst sich mit dem Ansatz der Achtsamkeit, ein Ansatz, welcher erst in den letzten Jahren vermehrt Eingang in die sportpsychologische Betreuung und Beratung gefunden hat. Daniel Birrer stellt den Nutzen dieses Ansatzes auch durch praxisnahe Dialoge der sportpsychologischen Beratung dar. Kapitel 15 beschreibt, wie das, was in der sportpsychologischen Beratung erarbeitet wurde, für die unmittelbare Wettkampfvorbereitung und für Wettkämpfe genutzt und umgesetzt werden kann. Gaby Bußmann und Kathrin Staufenbiel stellen in diesem Kapitel auch die Wichtigkeit von mentalen Wettkampfstrategien für Trainer_innen und Sportpsycholog_innen heraus. Kapitel 16 befasst sich mit der Thematik Grenzbereiche und psychische Störungen, welche eine besondere Professionalität in der sportpsychologischen Praxis und ggf. auch eine Weiterleitung des Klienten oder der Klientin an therapeutisch ausgebildete Kolleg_innen erforderlich macht. Brit Hitzschke und Katharina Scheuermann stellen in diesem Kapitel ausgewählte psychische Störungen vor und geben Hinweise auf sportspezifische Risikofaktoren. Während in den letzten Jahren ein Bewusstsein für psychische Erkrankungen im Leistungssport vermehrt entstanden ist, ist dagegen das Bewusstsein für Sexualisierte Gewalt im Leistungssport noch als gering zu bezeichnen. Kapitel 17 nimmt sich daher dieser Thematik an. Jeannine Ohlert und Meike Schröer stellen Möglichkeiten der Prävention und der Intervention für Sportpsycholog_innen vor. Kapitel 18 beschreibt das sportpsychologische Verletzungsmanagement. Christian Heiss und Kathrin Staufenbiel weisen dabei auf Charakteristika und sportpsychologische Handlungsmöglichkeiten in den verschiedenen Phasen der Verletzungsrehabilitation hin. Das abschließende Kapitel des Buches, Kapitel 19, nimmt schließlich die Zukunft der Angewandten Sportpsychologie für den Leistungssport in den Blick. Aus fünf verschiedenen Perspektiven werfen |29|ausgewiesene Wegbereiter_innen der Sportpsychologie, namentlich Anne-Marie Elbe, Lothar Linz, Jürgen Nitsch, Michael Scharf und Chris Willis, einen Blick in die Zukunft der Angewandten Sportpsychologie für den Leistungssport. Somit wird mit diesem Buch auch der Bogen zwischen Vergangenheit, Gegenwart (Kapitel 2) und Zukunft (Kapitel 19) gespannt. Wir freuen uns darauf, mit allen Autor_innen und allen Leser_innen die Zukunft der Angewandten Sportpsychologie auf Basis des bereits Erreichten zu diskutieren, zu reflektieren und zu gestalten.

Literatur

Alfermann, D. & Stoll, O. (2012). Sportpsychologie: Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Aachen: Meyer & Meyer Sport.

Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp). (2015). Angewandte Sportpsychologie. Verfügbar unter: https://www.asp-sportpsychologie.org/content.php?cont=180

Ausbildung Sportpsychologie (2018). Inhalte. Verfügbar unter: http://www.ausbildungsportpsychologie.de/inhalte.php

Beckmann, J. & Elbe, A.-M. (2008). Praxis der Sportpsychologie. Mentales Training im Wettkampf- und Leistungssport. Balingen: Spitta.

Benthien, O., Grote, M. & Brand, R. (2013). Vom Sportschüler zum Olympiasieger. Ein Best-Practice-Modell zur Einbindung sportpsychologischer Angebote in das System der institutionalisierten Leistungssportförderung in Deutschland. Leistungssport,43, 15 – 22.

Brand, R. (2010). Sportpsychologie. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Crossref

Brand, R., Ehrlenspiel, F., Graf, K. (2009). Das Wettkampfangst-Inventar (WAI). Manual. Bonn: Sportverlag Strauß.

Engbert, K., Droste, A., Werts, T. & Zier, E. (2011). Mentales Training im Leistungssport – Ein Übungsbuch für den Schüler- und Jugendbereich. Stuttgart: Neuer Sportverlag.

FEPSAC (1996). Position statement of the European Federation of Sport Psychology (FEPSAC): 1. Definiion of Sport Psychology. The Sport Psychologist,10, 221 – 223.

Fuchs, R. & Schlicht, W. (2012). Seelische Gesundheit und sportliche Aktivität. Göttingen: Hogrefe.

Keegan, R. J. (2016). Being a sport psychologist. London: Palgrave MacMillan.

Kellmann, M. & Kallus, K. W. (2000). Der Erholungs-Belastungs-Fragebogen für Sportler. Manual. Frankfurt: Swets Test Service.

Mayer, J. & Hermann, H.-D. (2015). Mentales Training. Grundlagen und Anwendung in Sport, Rehabilitation, Arbeit und Wirtschaft. Berlin: Springer. Crossref

Paczwardowski, A., Aoyagi, M., Shapiro, J. K. & van Ralatte, J. (2014). Developing professional philosophy for sport psychology consulting practice. In A.Papaoioannou & D.Hackfort (Hrsg.). Routledge companion to sport and exercise psychology: Global perspectives and fundamental concepts. London: Routledge.

Schlicht, W. & Strauß, B. (2009). Grundlagen der Sportpsychologie. Göttingen: Hogrefe.

Sonnenschein, I. (2001). Training psychischer Handlungsvoraussetzungen im Leistungssport. In H.Gabler, J. R.Nitsch & R.Singer (Hrsg.). Einführung in die Sportpsychologie (2. Aufl.). Schorndorf: Hofmann.

Weinberg, R. & Gould, D. (2015). Foundations of Sport and Exercise Psychology. Champaign, IL: Human Kinetics.

1

Dieses Buch folgt in Bezug auf gendergerechte Sprache den Richtlinien der Manuskriptgestaltung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs).

|30|2 Etablierung der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport

Babett Lobinger, Jan Mayer und Gabriele Neumann

2.1 Einleitung

Die Angewandte Sportpsychologie hat sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend im Leistungssport etabliert. Sichtbar wird das beispielsweise an der steigenden Anzahl von Sportpsycholog_innen, die in den Sportfachverbänden und an den Olympiastützpunkten tätig sind oder an der steigenden Anzahl der Kolleg_innen, die in den Leistungszentren der Fußball-Bundesligisten arbeiten. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Maßgeblich und richtungsweisend war und ist die zunehmende Institutionalisierung der Sportpsychologie an deutschen Universitäten und die Förderung der Sportpsychologie durch die tragenden Institutionen des Leistungssports, des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp). Aber auch die durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) beschlossene Lizenzauflage für die Nachwuchsleistungszentren, Stellen für Sportpsycholog_innen oder sportpsychologische Expert_innen einzurichten, ist Zeichen der Etablierung der sportpsychologischen Betreuung vor allem im Bereich der Talententwicklung.

Dieses Kapitel zeichnet, 50 Jahre nach der Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) 1969, die Entwicklung der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport nach (vgl. dazu auch Lobinger & Stoll, 2019). Dabei wird zunächst die Beziehung zwischen dem Leistungssport und der Sportpsychologie generell in Deutschland näher beleuchtet, bevor die Institutionalisierung der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport dargestellt wird und die zentralen Stakeholder beschrieben werden. Es schließen sich Ausführungen zur Aus- und Fortbildung in Sportpsychologie im Leistungssport an. Das Kapitel schließt mit einem Fazit und kurzen Ausblick auf zukünftige Aufgaben.

|31|2.2 Der Leistungssport und die Sportpsychologie

Historisch betrachtet lässt sich der Leistungssport als Motor für die Entwicklung der Sportpsychologie verstehen: „Der Leistungssport ist nach wie vor ein Hauptfaktor für die Entwicklung geblieben, und seine Fragestellungen wie die psychologische Wettkampfvorbereitung, die Psychoregulation, die Vermittlung psychologischer Kenntnisse an Trainer fördern nunmehr eine Institutionalisierung der Fachdisziplin (...)“ (Rieder, 1979, S. 5).

Dabei ist der Weg der Sportpsychologie in den Leistungssport ein sehr steiniger. Zwar wird der Einfluss mentaler Stärke auf die Wettkampfleistung durchaus wahrgenommen (vgl. Nitsch, 1999), doch scheint die Inanspruchnahme professioneller sportpsychologischer Hilfestellung und Unterstützung häufig auch als Schwäche ausgelegt zu werden. Medien stereotypisieren sportpsychologische Unterstützung nicht selten als skurrile „Psychotricks“ und Eingeständnis mentaler Schwäche (vgl. Lobinger & Porten, 2007; Seiler, 1989). Erst um die Jahrtausendwende setzt in der Öffentlichkeit ein Umdenken ein, das maßgeblich auch von Profisportler_innen getragen wird, die sich positiv zur Sportpsychologie äußern (vgl. auch Porten, 2006).

„In Deutschland wurde die psychologische Betreuung viel zu lange belächelt – als ob das nur für Sportler mit Dachschaden sei. Der neue Bundestrainer hat in kurzer Zeit viel bewegt. Jetzt kann man über Psychologie im Sport reden, ohne dass die Leute einen komisch angucken.“ (Dirk Nowitzki, Stern, 28.10.04)

„Klinsmann hat sie [die Sportpsychologie] nun wieder belebt. ,Ein Psychologe beziehungsweise ein Mentaltrainer gehört dazu, die Spieler kommen in Stresssituationen, auf die sie niemals vorbereitet worden sind.‘“ (Die Welt, 04.08.04)

Maßgeblich beigetragen zum positiven Image der Sportpsychologie in der Öffentlichkeit und wichtiger, zur Akzeptanz im Leistungssport, hat zweifelsohne Hans-Dieter Hermann, seit 2004 Psychologe der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) ehrte ihn 2010 als „Sympathieträger“ im „Rampenlicht der Öffentlichkeit“ und begründete die Preisverleihung u. a. damit, dass es ihm gelungen sei zu vermitteln, dass die Sportpsychologie eine „ernstzunehmende Disziplin“ sei (dgps.de). Möchte man die Entwicklung der Angewandten Sportpsychologie für den Leistungssport an Namen fest machen, wären noch viele Kolleg_innen zu nennen – einer darf jedoch in keinem Fall fehlen: Hans Eberspächer. Seine praxisnahen Handbücher, allen voran „Mentales Training“, das 2012 in der 8. Auflage erschien, darf man durchaus als Standardwerk des sportpsychologischen Trainings im Leistungssport beschreiben.

Doch nicht nur die Bekenntnisse erfolgreicher Sportler_innen sondern auch tragische Ereignisse, wie der Suizid von Robert Enke 2009 haben dazu geführt, dass |32|die Sportpsychologie im Leistungssport Unterstützung erfahren hat. Der Leistungssport und die in ihm handelnden Personen haben eine Verantwortung gegenüber ihren Akteuren. Im Vorfeld der Fußball Weltmeisterschaft 2018 nahm Per Mertesacker, einer der Schlüsselspieler der WM 2014, öffentlich zum enormen Leistungsdruck im Profifußball Stellung. Die so entfachte Diskussion führte, vor allem bei Verbänden und Vereinen, zu einem intensiven Nachdenken über psychosoziale Unterstützung für Spieler_innen. Der von den Medien gestalteten Diskussion zum Thema Druck, die sich mit dem Abschneiden der Deutschen Mannschaft bei der WM in Russland noch verstärkte, folgte nicht selten die pauschale Forderung nach mehr oder besserer „Mentalität“ der Spieler. Die Forderung, dem Druck des Leistungssports mit „Mentalität“ zu begegnen, ist eine gefährliche Vereinfachung der Zusammenhänge von Anforderungen des Leistungssports und Leistungsbereitschaft der Sportler_innen und ein schmaler Grat für die Angewandte Sportpsychologie, die entscheiden muss, ob sie (systemkonform) helfen möchte, Spieler_innen „mental stärker“ zu machen oder ob sie (systemkritisch) analysiert und interveniert. Diese Überlegungen betreffen nicht zuletzt Selbstverständnis und Rolle der Sportpsycholog_innen im Leistungssport zwischen – pointiert formuliert – „Diener“, „Narr“ und/oder „Advocatus Diaboli“ der Entscheidungsträger. Daraus abgeleitet können entweder Methoden zum Tragen kommen, die auch vom System ohne intensive Auseinandersetzung als sinnvoll angesehen werden („Diener“), die einen kurzfristigen Effekt erhaschen („Narr“) oder die das System als Ganzes beleuchten, ggf. konstruktiv kritisieren („Advocatus Diaboli“) und nicht nur die Sportler_innen in sportpsychologische Interventionen einbeziehen, sondern auch mit anderen Stakeholdern gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Ein Beispiel für eine gemeinsame Verantwortungsübernahme ist die Förderung der Dualen Karriere, die sowohl die Vereinbarkeit von sportlicher und schulischer Ausbildung als auch Fragen des Übergangs in das Berufsleben (Transition) umfasst und intensiv vom DOSB (Duale-Karriere.de; Baumgarten, 2018) und der Stiftung Deutsche Sporthilfe (sporthilfe.de) unterstützt wird. An den 18 Olympiastützpunkten in Deutschland finden sich zudem 41 Laufbahnberater_innen (Stand Juli 2018), die mit den beteiligten Partner_innen individuelle Lösungen für konkrete Herausforderungen der Athlet_innen bei der Planung der Dualen Karriere finden. Auch in den Leistungszentren der Bundesligisten wird die Vereinbarkeit von Leistungssport und schulischer Ausbildung über Kooperationen mit Schulen bzw. Sportinternaten oder Eliteschulen des Sports gefördert, zudem sind Pädagogische Leiter_innen an den Leistungszentren verpflichtend.

Die systematische psychologische Unterstützung im Nachwuchsfußball brauchte vergleichsweise länger für eine Etablierung. In seiner Zeit als Sportdirektor beim DFB (2006 bis 2012) setzte sich vor allem Matthias Sammer explizit für eine ganzheitliche Persönlichkeitsförderung im Nachwuchsfußball ein. Mit den Zertifizierungskriterien nach niederländischem Beispiel wird seit 2007 auch explizit psy|33|chologische Unterstützung in den Leistungszentren gefördert (vgl. Lobinger, Raab, Gärtner & Zastrow, 2009). Ein Schwerpunkt der Förderung liegt dabei traditionell auf Entwicklung und Training mentaler Fertigkeiten (Mayer & Hermann, 2014). Waren in der Zeit zwischen 2006 und 2014 nur vereinzelt Psycholog_innen in Vereinen angestellt (so z. B. bei Bayer Leverkusen und zeitweise beim Hamburger Sportverein), so stieg die Anzahl der beschäftigten Sportpsycholog_innen in den letzten Jahren spürbar (z. B. RB Leipzig, Hannover 96, Schalke 04, TSG Hoffenheim) und löste dort vielfach Honorartätigkeiten ab. Seit dem 1. April 2018 schließlich ist aufgrund gemeinsamer Bestrebungen von Kolleg_innen aus dem Feld, der asp und DFL und DFB eine halbe oder volle Stelle (je nach Ligazugehörigkeit) für einen Sportpsychologen/eine Sportpsychologin verbindliche Lizensierungsauflage.

Zuweilen ist es jedoch auch notwendig, Athlet_innen ebenso wie Trainer_innen Unterstützung und Hilfe außerhalb des Systems Leistungssport zu ermöglichen. In diesem Fall ermöglicht die 2011 gegründete Netzwerkinitiative „MentalGestärkt“ des Psychologischen Instituts der Deutschen Sporthochschule Köln in Kooperation mit der Robert-Enke-Stiftung, der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) und der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) die schnelle und vertrauliche Vermittlung von Sportpsycholog_innen und niedergelassenen Psychotherapeut_innen oder Psychiater_innen (mentalGestärkt.de). Neben der Vermittlung werden seit 2013 regelmäßig auch Einzelbetreuungen und Workshops mit dem Ziel der Gesundheitsförderung und Prävention, besonders im Nachwuchsleistungssport, angeboten (Kleinert, Sulprizio & Anderten, 2016).

2.3 Institutionalisierung der Sportpsychologie in Deutschland

Die Sportpsychologie ist eine Teildisziplin der Sportwissenschaft und ein Anwendungsfach der Mutterdisziplin Psychologie (European Federation of Sport Psychology [FEPSAC], 1996). Auch wenn die Sportpsychologie bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, Erwähnung findet (siehe Nitsch, Gabler & Singer, 2000), institutionalisierte sie sich in Deutschland erst ab den 1920er Jahren (ebd.). Die Sportpsychologie war und ist dabei Forschungsfeld, Lehrfach und Berufsfeld zugleich (Nitsch, Gabler & Singer, 2000). Dies zeigt auch ihre Entwicklung, getragen durch Ausbildung und Lehre an Hochschulen und Universitäten, befördert von der dortigen Forschung und etabliert über die Anwendung in Vereinen und Verbänden.

Nach dem 2. Weltkrieg verlief die Entwicklung der Sportpsychologie in beiden Teilen Deutschlands durchaus unterschiedlich. In der DDR nahm die Psychologie eine relativ eigenständige Entwicklung und verfolgte angewandte sportpsycholo|34|gische Themen vor allem im Schulsport sowie in der Trainerausbildung und im Hochleistungssport (z. B. Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport (FKS), Armeesport, Sportvereinigung Dynamo; für einen Überblick siehe Kunath, Ilg & Vogt, 1999). 1951 wurde an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) ein Lehrgebiet Sportpsychologie eingerichtet, in Folge der Berufung von Paul Kunath wurde 1961 das Institut für Sportpsychologie der DHfK gegründet.

In der Bundesrepublik wurde die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp)am 08.10.1969 in Münster gegründet. Inspiriert durch den zweiten Internationalen Kongress für Sportpsychologie in Washington ein Jahr früher, wollten die drei dort anwesenden deutschen Sportpsychologen Essig, Hahn und Veit auch in Deutschland die Möglichkeit schaffen, an der Sportpsychologie Interessierte zusammenzubringen. Unter den 23 Gründungsmitgliedern befanden sich 11 „Leibeserzieher“ und 12 Psychologen (siehe auch Rieder, 1999). Die Verbindung der asp zur Sportwissenschaft erschien dabei dominanter als die zur Psychologie. Bereits früh in ihrer Entstehungsgeschichte schloss die asp eine Kooperationsvereinbarung mit der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs). An Deutschen Universitäten ist die Sportpsychologie fast ausschließlich an sportwissenschaftlichen Fakultäten angesiedelt. Bereits zehn Jahre nach der Gründung bilanzierte Rieder (1979), dass es der Sportpsychologie gelungen sei, an den Universitäten in Forschung und Lehre Fuß zu fassen und mit mehreren internationalen Veranstaltungen und zahlreichen Arbeitstagungen an wissenschaftlicher Reputation zu gewinnen (Allmer, 2001). Nach der Wiedervereinigung gelang 1991 ein Zusammenschluss der Sportpsycholog_innen aus DDR und BRD in der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (Hackfort, 1999).

2.3.1 Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie und ihre Bedeutung für die Angewandte Sportpsychologie in Deutschland

Zu den zentralen Aufgaben der asp zählt die Förderung und Weiterentwicklung der Sportpsychologie, welches sich sowohl auf Forschung und Lehre, wie auch auf die Anwendungsfelder Leistungs-, Breiten- und Gesundheitssport bezieht. Darüber hinaus sieht sich die asp als zentrale Anlaufstelle für Informationen, die weiterführende Fragen zur Sportpsychologie in Forschung und Praxis betreffen. Dies beinhaltet unter anderem die Förderung von Kommunikation und Informationsaustausch innerhalb der Sportpsychologie sowie die Verbreitung von Nachrichten aus dem Fachgebiet in der Öffentlichkeit. Einen wesentlichen Bestandteil des wissenschaftlichen Austausches bilden die asp-Jahrestagungen, die seit 1971 durchgeführt werden. 2018 fand die 50. Jahrestagung der asp in Köln statt, die vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln (gegründet 1965), ausgerichtet wurde. Neben dem wissenschaftlichen Programm bietet die asp im |35|Rahmen der Tagungen seit einigen Jahren auch Praxisworkshops rund um den Leistungssport an.

Doch nicht nur die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie hat den Bereich der Sportpsychologie geprägt, auch andere Institutionen waren als zentrale Kooperationspartner entscheidend für die Etablierung der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport. So haben das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit seiner Zentralen Koordination Sportpsychologie (ZKS) die strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen, um sportpsychologische Dienstleistungsangebote nachhaltig im Leistungssport zu verankern. Auch an der inhaltlich-fachlichen Ausrichtung, Weiterentwicklung und Qualitätssicherung der Angewandten Sportpsychologie waren und sind BISp und ZKS federführend beteiligt.

2.3.2 Bundesinstitut für Sportwissenschaft: Aufgaben, Zuständigkeiten und Bedeutung für die Angewandte Sportpsychologie im Leistungssport