Anima Migratio - Michael Pick - E-Book

Anima Migratio E-Book

Michael Pick

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Beschreibung

Die Notbeleuchtung tauchte das Innere des Kreuzers in veniges Rot. Als hätte sich jemand die Pulsadern aufgeschnitten und wäre damit durch das Raumschiff gelaufen. Die Sicherheitsbeauftragte des Knotenpunktes Acair bellte Kommandos. Der Solarbeschleuniger surrte monoton und penetrant wie eine dicke Fliege. Kontrolllampen blinkten auf, als warteten sie ungeduldig auf das Startsignal. Im Pilotenstuhl saß eine Frau. Ihr Oberkörper bedeckte einen Teil der Instrumententafel. Die Arme hingen kraftlos herunter, als wäre sie mitten im Startvorgang eingeschlafen. Von der rechten Hand tropfte eine Flüssigkeit neben ihren Fuß und bildete dort eine kleine Lache – deren Farbe auch ohne die Notbeleuchtung eindeutig war.

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Anima Migratio
Michael Pick
Copyright © 2018 Michael Pick
All rights reservedThe characters and events portrayed in this book are fictitious. Any similarity to real persons, living or dead, is coincidental and not intended by the author.No part of this book may be reproduced, or stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, or otherwise, without express written permission of the publisher.
Anima Migratio
Michael Pick
Die Notbeleuchtung tauchte das Innere des Kreuzers in veniges Rot. Als hätte sich jemand die Pulsadern aufgeschnitten und wäre damit durch das Raumschiff gelaufen.
Die Sicherheitsbeauftragte des Knotenpunktes Acair bellte Kommandos. Der Solarbeschleuniger surrte monoton und penetrant wie eine dicke Fliege. Kontrolllampen blinkten auf, als warteten sie ungeduldig auf das Startsignal.
Im Pilotenstuhl saß eine Frau. Ihr Oberkörper bedeckte einen Teil der Instrumententafel. Die Arme hingen kraftlos herunter, als wäre sie mitten im Startvorgang eingeschlafen. Von der rechten Hand tropfte eine Flüssigkeit neben ihren Fuß und bildete dort eine kleine Lache – deren Farbe auch ohne die Notbeleuchtung eindeutig war.
Auf dem Bildschirm des Kreuzers drehte sich der violette Arm eines spiralförmigen Nebels. Zwei Männer in der stahlschwarzen Uniform des Sicherheitsdienstes von Acair betätigten drei, vier Schalter und dockten den Kreuzer wieder an die Energieversorgung des Knotenpunktes an. Kurze Zeit später ersetzte kaltes Stationslicht die Notbeleuchtung und das Surren des Solarbeschleunigers erstarb in Stille.
Unwillkürlich registrierte Sirius die flinken Augen der Sicherheitsbeauftragten. Ohne Zweifel hatte sie sich den Tatort eingeprägt und gleichzeitig seine altmodische Kleidung abgeschätzt. Die kraus gezogene Stupsnase deutete ihren Unmut über beides an. Zwischendurch stach sie den beiden Männern am Schaltpult mit kleinen, grauen Augen in den Rücken.
Eine besondere Art von Achtung, dachte Sirius. Er hielt sich im Hintergrund, aber ihren grauen Augen entkam er nicht.
»Wollen Sie mir sagen, wie ich diesen Unfall zu untersuchen habe?«, ihre Stimme war mit Minen gespickt und hatte einen leichten russischen Akzent.
Vor der Andockstation fand sich eine Gruppe Schaulustiger ein. Ihr anonymes Flüstern endete abrupt, als die Sicherheitsbeauftragte einen polarkalten Blick in diese Richtung warf.
»Du solltest dich im Schatten halten. Karilenka ist reizbar wie ein Magengeschwür.«
Neben Sirius war Meyer aufgetaucht. Sirius kannte ihn vom Stammsitz, wo sie einige Zeit in der gleichen Abteilung gearbeitet hatten. Vor zwei Jahren sprang Meyer eine Sprosse höher auf der Karriereleiter – Versetzung als Chefverantwortlicher auf den Knotenpunkt Acair.
»Schnüffler von Mutter sind hier nicht gern gesehen.«
Sirius blieb es ein Rätsel, warum der Stammsitz in den Außenstationen ausgerechnet Mutter genannt wurde. Manchmal ist alles nur ein Irrtum oder Gewohnheit oder beides. Eine Frau in weißer Kleidung, mit Handschuhen und hochgesteckten Haaren untersuchte die Leiche. Sie hatte ein Gesicht wie ein Kind, feinsinnig und naiv. Etwas zu rundlich vielleicht.
»Aber wenn schon jemand von Mutter kommen musste, bin ich froh, dass du es bist.«
Die Frau tastete sich vom Hinterkopf zum Rücken der Toten. Sie arbeitete langsam und sorgfältig; ließ sich von der aufgeladenen Stimmung, die die Sicherheitsbeauftragte verbreitete, nicht beirren. Zuletzt nahm sie mit einer Pipette eine Probe von der Flüssigkeit auf dem Boden. Sie hatte runde Hände, kurze, zigarrendicke Finger.
»Wie geht es Narzissia?«
Sirius war überzeugt, dass Meyer längst wusste, dass Narzissia ihn vor drei Monaten verlassen hatte. Solche Nachrichten verbreiteten sich in der Firma wie ein Virus.
»Besser.« Das war vielleicht sogar die Wahrheit.
Die Frau in Weiß winkte einen der Männer zu sich. Sie legte seine Hände an die Schulter und den Arm der Toten; sie selbst übernahm die andere Seite. Vorsichtig zogen sie den Oberkörper der Leiche nach hinten, bis er in die Rückenlehne fiel. Die Sicherheitsbeauftragte Karilenka nahm hinter dem Sitz Stellung und versperrte Sirius den Blick auf alles Weitere.
Der Tod mochte vor drei Stunden eingetreten sein; ihr aller Pech, dass Sirius gerade in der Nähe war. Aus alter Gewohnheit knetete er sein Kinn und wurde sich bewusst, dass er sich seit einigen Tagen nicht rasiert hatte.
»Als ich Karilenka eröffnete, dass ein Ermittler vom Stammsitz kommen würde, hätte sie mich am liebsten erdolcht.«
Karilenka war einen Kopf kleiner als die Ärztin; ihre Hände waren in ständiger Bewegung wie die Flügel eines Kolibris. Sirius wunderte sich, wie ernst Kolibris aussehen konnten.
»Du hast Glück gehabt«, erwiderte Sirius. »Wo war die Tote auf dem Knotenpunkt untergebracht?«
Einer der schwarz uniformierten Männer schaltete den Bildschirm aus und der Spiralnebel löste sich auf.
»Ich nehme ihr Zimmer«, sagte Sirius.
»Das wird nicht möglich sein«, Meyer war bleich als hätte ein Vampir ihn angezapft. »Karilenkas Männer sichern noch Spuren und sie kann es nicht ausstehen, wenn man ihr irgendwo dazwischenkommt.«
»Ich nehme es dennoch. Schicke mir eine Nachricht, wenn ihr damit fertig seid. Ich werde … wo kann ich warten?«
»Samuel wird dich führen. Er ist mein Assistent. Eine kleine Bar, gemütlich, so etwas wie der zentrale Punkt von Acair.«
Meyer nickte einem Kerl zu, der die Statur eines Gorillas hatte. Sirius warf aus Routine noch einen Blick auf den Tatort, um ihn sich einzuprägen. Karilenka drosch verbal auf die Ärztin ein, als wolle sie sie von etwas überzeugen. Sirius vermutete, dass es ihr nicht schwerfallen würde. Ein Blinken hielt seinen Blick auf; an der linken Hand der Toten glitzerte es. Vielleicht ein Schmuckstück.
Sirius ertappte sich bei dem Gedanken, dass er früher jeder Einzelheit nachgegangen wäre. Mit jedem weiteren Tag nach Narzissias Abschied erkannte er Neues an sich.
Samuel sah nicht so aus, als würde er auf ihn warten. Sirius wendete sich ab und folgte dem Hünen und fühlte sich dabei wie ein unartiger Hund.
Die Gänge im Knotenpunkt waren in spartanischem Graugrün; die Farbe sollte beruhigend wirken; die gleiche Tönung wie die Wände im Stammsitz. Im Zentrum der Anlage befand sich die Operationszentrale, direkt darunter das Handelscenter und die K-Bar, in der nach Sirius Erfahrungen mehr Geschäfte abgewickelt wurden, als im Handelscenter. Unterhalb hiervon befand sich der Technikraum, mit der Lebenserhaltungsanlage und dem Energiespeiser. Ein Standardraumknoten. Tausend Mal hatte Sirius die Pläne solcher Anlagen studiert, Schrittlängen berechnet, Zeiten simuliert.
Samuel führte ihn drei Decks nach oben. Mit jedem anderen Besucher hätte der Riese sicher ein Schwätzchen gehalten; er hatte dünne Lippen, da flutschten Wörter leicht rüber. Am Ende des Korridors zeigte Samuel auf eine durchsichtige Tür, die in einen sichelförmigen Raum führte. Ein Dutzend Tische, abwechselnd in schwarz und weiß gehaltene und gleichfarbige Stühle ließen vermuten, dass dem Raumgestalter ein Schachbrett als Kreativquelle gedient hatte.