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Der smarte Anwalt Blake Bennington braucht dringend eine Frau, die zu ihm passt. Die berechenbar ist. Vernünftig. Also das genaue Gegenteil zu der unkonventionellen Jax, die er gerade als Pflegerin für seine kranke Schwester eingestellt hat. Und doch lodert ungeahntes Verlangen in Blake auf, sobald er in Jax’ Nähe ist. Mit jeder Faser sehnt er sich danach, sie an sich zu ziehen und wild zu küssen. Dass Jax ihren Arbeitsvertrag mit ihm spontan um die Klausel "Küssen verboten!" ergänzt, macht es nicht besser. Ständig muss Blake an ihre sinnlichen Lippen denken …
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Seitenzahl: 198
Veröffentlichungsjahr: 2013
Aimee Carson
Anwälte küssen besser!
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2013 by Aimee Carson Originaltitel: „First Time For Everything“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: RIVA Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 192013 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Monika Schott
Fotos: Masterfile
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-95446-621-4
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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Blake Bennington öffnete schwungvoll die Tür des Gerichtsgebäudes, setzte seine Ray-Ban-Brille auf und trat hinaus in den sonnigen Tag. Sollte er Sara fragen, ob sie mit ihm ausgehen wollte? Seinen 14-Stunden-Tag müsste er ohnehin abkürzen, um am Abend zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung zu gehen. Was bedeutete, dass er nach zehn Stunden in Schlips und Kragen seinen Anzug gegen einen Smoking tauschen müsste. „Danke für die Info, Sara.“
Die aparte Brünette im teuren Designerkostüm lächelte ihn ermutigend an, während sie neben ihm die Treppe hinunterlief. Seitdem sie vor einigen Jahren im Ausschuss für Drogenbekämpfung in Südflorida zusammengearbeitet hatten, hatte sie ihm mehr als einmal zu verstehen gegeben, dass sie nichts gegen eine etwas intimere Beziehung hätte. Ihren eindeutigen Annäherungsversuchen war Blake bisher aber stets aus dem Weg gegangen.
„Wenn es im Menendez-Fall einen Schuldspruch gibt, erhöht das deine Chancen auf eine Beförderung, Blake“, sagte sie. „Ich hoffe, die Unterlagen helfen dir.“
„Jedes Mehr an Information hilft.“ Als sie den belebten Bürgersteig erreichten, blieb Blake stehen und wandte sich der hübschen Anwältin zu. „Danke, dass du mir deine Zeit opferst.“
„Du weißt, dass ich dir jederzeit zur Verfügung stehe.“ Sara streifte seinen Arm mit den Fingern.
Blake räusperte sich. Ihre Berührung wirkte wie eine bedeutungslose Geste, aber er wusste, dass sie das nicht war.
Sara hatte Stil. War selbstsicher und intelligent, mindestens ebenso engagiert und pragmatisch wie er selbst. Genau die Art von Frau, mit der er hätte ausgehen sollen. Genau die Art von Frau, mit der er normalerweise ausging. Eine, die seine beruflichen Ziele und seine zeitliche Beanspruchung kannte.
Warum also zögerte er?
Blake wusste, dass es idiotisch war, ihr Interesse an ihm zu ignorieren. Seine kleine Schwester Nikki nahm ihn momentan sehr in Anspruch, ganz zu schweigen von dem aufsehenerregenden Fall, an dem er gerade arbeitete, aber er war ein Mann aus Fleisch und Blut, der ebenso viel Spaß am Sex hatte wie jeder andere. Trotz ausreichender Gelegenheiten war es bereits sechs Monate her, dass er zum letzten Mal neben einer Frau aufgewacht war. Sechs Monate, seitdem er zum letzten Mal seiner Lust nachgegeben hatte.
Was war nur mit ihm los?
In diesem Moment stolperte eine Frau, die so jung aussah, dass Blake bezweifelte, dass sie schon wählen durfte, gegen ihn. Den Blick starr auf ihr Handy gerichtet, platzierte sie den Absatz von einem ihrer schwarzen Stiefeletten direkt auf seinen Zehen. Blake fing sie auf und sah irritiert an ihrem langen, honigfarbenen Haar, dem Beatles-T-Shirt und den verführerischen abgeschnittenen Jeans hinunter, die nicht so kurz waren, dass man ihre Unterwäsche darunter hervorblitzen sah – aber fast. Statt sich weiter Gedanken über sein Liebesleben zu machen, dachte er nun darüber nach, ob sich unter diesen Shorts Spitzenwäsche oder ein String verbarg. Und dann diese aufregenden Cowboystiefel …
Er sollte sich wirklich zusammenreißen.
Die junge Frau steckte ihr Handy ein und entfernte ihren Fuß von seinem. „Tschuldigung, Anzugträger. Ich hab’s eilig“, sagte sie, „aber das rechtfertigt nicht, dass ich Sie umrenne.“
„Sie sollten aufpassen, wo Sie hinlaufen“, antwortete er. „Mit diesen Stiefeln können Sie leicht jemanden verletzen.“
„Kopf hoch! Vielleicht können Sie mich ja wegen Unfallflucht belangen.“
Das belustigte Funkeln ihrer braunen Augen war ansteckend.
„Abgesehen davon, dass Sie nicht geflüchtet sind“, erwiderte er, um einen ernsten Gesichtsausdruck bemüht. „Wenn Sie mir Ihren Namen verraten, habe ich also nichts gegen Sie in der Hand.“
„Hm, wenn das so ist …“ Sie reichte ihm die Hand, und ihm fielen sofort ihre weiche Haut und ein kleines Tattoo auf der Innenseite ihres Handgelenks auf. „Jacqueline Lee“, stellte sie sich vor. „Und nur, falls Sie mich fragen wollen, ob ich mit Ihnen ausgehe …“, sie ließ seine Hand los, „… meine Freunde nennen mich Jax.“
Offenbar hatte sie ihre Unterhaltung als Anmache missverstanden. „Ich gehe nicht mit Minderjährigen aus“, stellte er klar.
„Ich bin 23 und geistig und körperlich gesund“, antwortete sie. Blake kannte sie nicht gut genug, um zu wissen, wie es um ihren Geist bestellt war, aber ihr Körper war definitiv gesund. Sie legte den Kopf schief. „Hilft Ihnen das weiter?“
„Eigentlich schon, aber ich gehe nicht mit Frauen mit Männernamen aus“, erklärte er lächelnd.
„Sie haben sich ja schrecklich viele Regeln auferlegt“, neckte sie ihn und wandte sich zum Gehen, hielt dann aber inne und warf ihm einen kessen Blick über die Schulter zu. „Rufen Sie mich an, falls Sie mal gegen eine Ihrer Regeln verstoßen wollen.“
Kopfschüttelnd beobachtete er, wie sie den Rasen vor dem Gerichtsgebäude betrat. Wie lange war es her, dass er sich zum letzten Mal auf einen harmlosen Flirt eingelassen hatte? Offenbar zu lange. Es wurde Zeit, dass er sich wieder verabredete, wenn er so einem gestiefelten Satansbraten hinterherguckte. Auf eine Frau wie sie konnte er gut verzichten.
Plötzlich dröhnte aus einem vor dem Gerichtshaus abgestellten alten VW Käfer laute Musik. Und seine aufregende Angreiferin, die eben noch über die Wiese geschritten war, begann zu tanzen. Blake begriff zuerst nicht, was sie da tat, bis sich nach und nach Jugendliche zu ihr gesellten. Bald führten mehr als ein Dutzend Teenager einen Tanz auf, der gut genug war, um in einem professionellen Musikvideo verwendet zu werden.
Blake sah, wie Jax erstarrte, bevor die Antwort aus ihr herausplatzte. „Auf keinen Fall!“
Als sie sich zu ihm vorbeugte, umwehte ihn der Duft von Zitronenshampoo und feuchter Erde. „Moment, lassen Sie es mich anders formulieren: Auf überhaupt keinen Fall!“
„Warum diese vehemente Weigerung? Nikki hat mir erzählt, dass aufgrund der Kürzungen mehrere Kurse in dem Jugendzentrum gestrichen werden – unter anderem Ihre. Sie brauchen also einen Job.“
„Nein. Ich brauche einen guten Plan, um die Kurse wieder zum Laufen zu bringen.“ Jax zog die Augenbrauen zusammen. „Und verstehen Sie das nicht falsch, aber bei mir läuft es nicht so schlecht, dass ich einen Job annehmen würde, der es erfordert, dass ich bei Ihnen einziehe.“
Blake sah ihr fest in die Augen. Die Atmosphäre zwischen ihnen war so angespannt, dass ihr das Atmen plötzlich schwerfiel. Schließlich wandte Jax sich ab und sah geradeaus.
Er konnte ihren Widerwillen gut verstehen. Nikki hatte immerhin schon drei Leute vergrault, die er angestellt hatte, um sich um sie zu kümmern. Und sie weigerte sich, den Limousinenservice zu benutzen, so wie er es manchmal tat. Doch Blakes Geduld war wirklich am Ende gewesen, als er herausgefunden hatte, dass seine Schwester allein mit dem Gips zu dem Flashmob gefahren war.
Mit einem Gips, der bis zum Oberschenkel reichte.
Was mindestens genauso unverantwortlich war wie die leichtsinnige Aktion, bei der sie sich das Bein gebrochen hatte. Es grenzte an ein Wunder, dass sie dabei mit dem Leben davongekommen war. Und wenn er Nikki nicht dazu bewegen konnte, Hilfe anzunehmen, würde sie bei einem Autounfall ums Leben kommen – genau wie sein Vater. Einen Moment lang machten die auf ihn einströmenden Erinnerungen ihm das Atmen schwer.
Blake rieb sich die Stirn, um seine Anspannung zu lindern, und sah durch das getönte Fenster. Stoßweise bewegte sich der Verkehr vorwärts; es war Freitag und Rushhour. Seine Schwester würde ihn noch in den Wahnsinn treiben. In den letzten zwei Jahre waren sie immer häufiger aneinandergeraten. Inzwischen dachte er schon, dass sie das alles nur tat, um ihm auf den Geist zu gehen.
Wie sollte er sich auf den größten Fall seiner bisherigen Laufbahn konzentrieren, wenn er in ständiger Angst vor ihrer nächsten halsbrecherischen Aktion lebte? Er brauchte jemanden, der sich um sie kümmerte, und sie bestand darauf, dass das dieser gestiefelte Teufelsbraten hier sein sollte.
Er warf dem Teufelsbraten einen Seitenblick zu. Unglücklicherweise hatte sich sein erster Eindruck beim Gerichtsgebäude als korrekt erwiesen. Jax Lee war alles andere als einfach – impulsiv, eigensinnig und vorwitzig.
Und was noch schlimmer war: Alles an ihr erregte ihn.
Das honigblonde Haar, das ihr in ungebändigten Wellen über den Rücken fiel, und das kleine Tattoo auf der Innenseite ihres rechten Handgelenks, welches ihre widerspenstige Ausstrahlung unterstrich. Und als sei das alles nicht verwirrend genug, waren ihre langen Beine, die aus der abgeschnittenen Jeans ragten, nackt – bis auf die schwarzen Cowboystiefel.
Es war ihm relativ leichtgefallen, seine Reaktion im Zaum zu halten, bis er entdeckt hatte, dass ihr gesunder Körper tatsächlich einen gesunden Geist beherbergte. Ihre Schlagfertigkeit und ihr scharfer Verstand lösten ein Verlangen in ihm aus, das so stark war, dass er es nicht weiter ignorieren konnte. Unglücklicherweise war Intellekt nicht gleichbedeutend mit Vernunft. Oder gesundem Menschenverstand. Und ihre unbesonnene Art machte sie zu einer Gefahr.
Einer Gefahr, die er wohl oder übel auf sich nehmen musste.
Blake schob seine Zweifel beiseite, lehnte sich zurück und konzentrierte sich auf den sonderbar verführerischen Anblick ihres wippenden Fußes. Offenbar war diese Dame nicht in der Lage, still zu sitzen.
Oder ihre Ansichten für sich zu behalten.
„Was würde Sie umstimmen?“, fragte er. „Geld?“
Sie rollte mit den Augen, als wolle sie damit sagen, dass das ein schwacher Versuch war.
„Das Dreifache Ihres bisherigen Gehalts, egal, wie hoch es war.“
„Nein, danke“, sagte sie, ohne zu zögern. „Sie finden sicher jemand anders.“
„Nikki weigert sich, bezahlte Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und das einzige weitere Familienmitglied ist meine Mutter, aber genau sie war es, die Nikki noch ermutigt hat, heute selbst zum Gerichtsgebäude zu fahren.“
Als Jax ihn neugierig ansah, fühlte er sich verpflichtet, zu versuchen, ihr seine Mutter, Abigail Bennington, zu erklären, was nicht gerade einfach war. „Meine Mutter hält nicht viel davon, Grenzen zu setzen.“
Was in Ordnung gewesen war, solange sein Vater noch gelebt hatte. Nach dessen Tod hatte Blake dafür sorgen müssen, dass seine starrsinnige zwölfjährige Schwester wohlbehalten erwachsen wurde. Kein leichtes Unterfangen.
Er neigte den Kopf. „Sie würden sich übrigens großartig mit ihr verstehen. Sie findet auch, dass jeder seinem Herz folgen sollte.“
„Kluge Frau.“
„Ja. Aber sie glaubt auch an Liebestränke und Tarotkarten“, fügte er trocken hinzu.
Jax lächelte. „Klingt, als wäre sie wundervoll!“
Abigail war anstrengend. Und furchtbar unzuverlässig. Soviel sie ihm bedeutete, es war nicht leicht, mit ihr klarzukommen. Zum Glück war sie auf ihre verdrehte Art sehr liebenswert.
Verdreht, genau wie diese schöne Frau neben ihm. Ihre Hand ruhte auf ihrem Schoß, und Blake versuchte unauffällig, zu erkennen, was ihr Tattoo darstellte. Doch alles, was er sah, waren ihre nackten, braungebrannten, äußerst wohlgeformten Schenkel.
Er zwang sich, ihr wieder ins Gesicht zu sehen. „Sehen Sie“, sagte er, „Nikki braucht Gesellschaft, und ich arbeite momentan an einem Fall, der mich voll beansprucht. Und meine Mutter hat so viele gesellschaftliche Verpflichtungen – die First Lady ist nichts dagegen.“ Er seufzte. „Die meisten alten Schulfreundinnen von Nikki wohnen nicht mehr hier. Und die wenigen, die noch da sind, arbeiten. Ich glaube wirklich, dass ihr ihre Freundinnen fehlen.“
Jax hörte auf, mit dem Fuß zu wippen und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Offenbar überdachte sie ihre Absage – eher von Mitleid getrieben als von dem Geld, das er ihr angeboten hatte. Und er gedachte, dies auszunutzen.
„Nikki hat sich seit Monaten auf die Sommerferien gefreut. Jetzt sitzt sie zuhause fest. Sie braucht jemanden in ihrem Alter, der ihr Gesellschaft leistet.“ In Wirklichkeit dachte er, dass seine Schwester jemanden brauchte, der auf sie aufpasste, aber das behielt er für sich. „Damit sie sich nicht so … allein fühlt.“
Seufzend wandte Jax sich ihm zu. „Also gut, ich mache es.“ Der Triumph brachte Blakes Blut in Wallung. „Aber nur unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“
„Sie kümmern sich um meine rechtlichen Probleme.“
Sein Triumph war dahin. „Ich bin kein Verteidiger, sondern Bundesanwalt.“
„Ich kann mir keinen Anwalt leisten, nicht einmal mit dem dreifachen Gehalt.“
„Dann bekommen Sie einen Pflichtverteidiger zugewiesen. Die meisten von ihnen sind sehr gut.“
„Sorry, aber …“ Ihr Blick war plötzlich sehr ernst. „Ab meinem zehnten Lebensjahr habe ich in Pflegefamilien gelebt, also habe ich im Laufe der Zeit mit einigen Sozialarbeitern zu tun gehabt. Am Ende habe ich die Schlechten auf einen Kilometer Entfernung erkannt.“ Dieses Bruchstück über ihre Vergangenheit wühlte ihn auf. Doch in ihrem Blick war kein Selbstmitleid, sondern eine Abgeklärtheit, die ihn beeindruckte, und Blake kämpfte gegen das in ihm aufwallende Mitgefühl an. „Es genügt wohl, zu sagen“, fuhr sie fort, „dass ich genügend Erfahrungen mit Staatsdienern habe, um misstrauisch gegenüber braven Beamten zu sein. Ja, vielleicht hätte ich Glück, und man würde mir einen exzellenten Verteidiger zuweisen. Aber ich weiß auch, wie schlimm es werden würde, wenn ich einen schlechten Verteidiger bekäme.“
Ihre braunen Augen drückten Skepsis und eine aus bitteren Erfahrungen gewonnene Weisheit aus. Zu gern hätte Blake ihr Zusicherungen gemacht, aber er wusste, dass eine schlechte Verteidigung lebenslange Konsequenzen haben konnte.
Und Jacqueline Lee wusste es offenbar auch.
„Sehen Sie es als einen Austausch von Gefälligkeiten“, sagte sie. „Wenn Sie wollen, dass ich Ihnen mit Nikki helfe, ist das meine Bedingung.“
In Kombination mit seinem derzeitigen Pensum bedeutete das, dass er Nachtschichten würde einlegen müssen. Doch wenn er weiterhin in der ständigen Angst leben müsste, dass Nikki zum Auto humpeln und durch die Stadt fahren würde, um sich ein zweites Gipstattoo aufmalen zu lassen, würde er auch nicht vernünftig arbeiten können.
Blake rieb sich das Kinn und sah Jax streng an. „Sie müssen meinen Anweisungen genauestens Folge leisten.“
„Geht in Ordnung.“
„Was bedeutet, dass es keine Debatten gibt.“
„Ich bin durchaus in der Lage, meinen Mund zu halten“, antwortete sie mit einer Unschuldsmiene.
„Das werden wir ja sehen.“ Bislang sprachen alle Beweise gegen sie.
Ohne den Blick abzuwenden, antwortete sie mit herausfordernder Stimme, die sein Verlangen weiter anstachelte: „Das werden wir.“
Am nächsten Morgen ließ Jax ihre Freundin, die sich am Pool ihres Bruders entspannte, allein und ging mit ihrem Tablet-PC in der Hand den Weg zum Haupthaus hinauf. Da Jax in einem kleineren Bungalow für Gäste hinter dem Pool Quartier bezogen hatte, war es bislang nicht schwer gewesen, dem Besitzer des Grundstücks aus dem Weg zu gehen. Doch irgendwann würde sie ihm begegnen.
Zum x-ten Mal, seitdem sie zugesagt hatte, fragte sich Jax, ob ihre Entscheidung richtig gewesen war. Sie war in ihren Pflegefamilien stets von Menschen umgeben gewesen, hatte sich aber immer einsam gefühlt.
Und nun klang das Wort ‚allein‘ zum ersten Mal verlockend. Das aufwühlende Beisammensein mit Blake in der Limousine war schon schwer genug zu ertragen gewesen, doch jetzt wohnte sie auf seinem Grund und Boden. Als seine Angestellte. Und die Vorstellung, eine Untergebene dieses überkorrekten Mannes zu sein, war alles andere als angenehm. In den acht Jahren als Pflegekind hatte sie eine Abneigung dagegen entwickelt, unter irgendjemandes Fuchtel zu stehen. Doch so frustrierend es war – sie wusste, dass er ein brillanter Anwalt war. Brillant, genau so hatte Nikki es ausgedrückt. Eigentlich also ein perfekter Austausch von Gefälligkeiten … wäre da nicht sein überhebliches, leicht belustigtes Verhalten bei ihrer ersten und zweiten Begegnung gewesen.
Und es war noch schlimmer geworden.
Denn als die Limousine vor dem Gerichtsgebäude gehalten hatte, war ihr Auto nicht mehr da gewesen. Nach einer Schrecksekunde ihrerseits hatte Blake bei der Polizei angerufen und erfahren, dass ihr Wagen wegen Falschparkens abgeschleppt worden war.
Also musste sie es ertragen, dass Blake mit in ihre Wohnung kam, während sie packte – und das Leuchten in seinen Augen hatte ihr gesagt, dass er die ganze Geschichte nun, nachdem die Liste ihrer Vergehen um einen Parkverstoß erweitert wurde, noch lustiger fand. Sie wusste, dass es dumm war, sich darüber zu ärgern, dass der Mann sie für eine komplette Null hielt.
Ärgerlicherweise musste sie ihn nun daran erinnern, indem sie ihn bat, sie zur Fahrzeugverwahrstelle zu bringen, damit sie ihren VW abholen konnte.
Jax unterdrückte ein Stöhnen; Angst und eine unangenehme Anspannung machten sich in ihr breit, als sie die Eingangshalle betrat. Sie hielt kurz inne und fragte sich, wo sie nach Blake suchen sollte. In ihren abgewetzten Jeans kam sie sich unangemessen gekleidet vor.
Sein modernes, u-förmiges Haus war wunderschön in einem Nobelviertel in South Miami Beach gelegen. Jax ging in das riesige Wohnzimmer mit dem Brasilholzboden. Durch die riesigen, deckenhohen Fenster hatte man nach Norden hin freien Blick auf die Biscayne Bay, und auf der Südseite sah man den Pool, der sich in das U schmiegte. Als Jax Blake am anderen Ende des Raumes erspähte, begann ihr Herz schneller zu schlagen, und sie erwog, kehrtzumachen, bevor er sie entdeckte. Nach all den demütigenden Momenten gestern Abend sehnte sie sich plötzlich regelrecht danach, sich wieder zu Nikki an den Pool zu gesellen und ihr Auto zu vergessen. Doch unglücklicherweise hatte das Quietschen der Sohlen ihrer Tennisschuhe sie verraten, und Blake wandte sich um.
Als er mit großen Schritten auf sie zukam, begann ihr Herz zu rasen.
Blake war frisch rasiert und makellos gekleidet und sah fast so förmlich aus wie am Tag zuvor. Anstelle des Smokings trug er nun anthrazitfarbene Hosen und ein weißes Hemd, und sein dichtes, pechschwarzes Haar war noch ein wenig feucht, wahrscheinlich vom Duschen.
Wusste er denn nicht, dass Samstag war? Und warum konnte sie ihre Hormone nicht davon überzeugen, dass er absolut nicht ihr Typ war? Und zwar in so vielerlei Hinsicht, dass sie gar nicht erst anfangen musste zu zählen. Sie hatte mehr Bedenken, als er Dollars auf dem Konto hatte. Trotzdem hätte sie zu gern gewusst, wie er an ein solches Vermögen gekommen war.
„Bitte sagen Sie mir nicht, dass Sie Bestechungsgeld von der Mafia nehmen“, sagte sie.
Seine Schritte verlangsamten sich, und einen Moment lang sah er sie verwirrt an. „Wie bitte?“
Als er vor ihr stehen blieb, schlug ihr sein mittlerweile vertrauter Duft entgegen. Während sie versuchte, die Glut, die in ihr aufstieg, zu ersticken, ließ sie ihren Blick von seinen breiten Schultern zu seinem umwerfenden Gesicht hinauf wandern.
„Egal, wie hoch sein Posten ist, ein Bundesanwalt kann sich ein Haus wie dieses nicht leisten. Außer, er ist korrupt.“
In seinen Augenwinkeln zeigten sich Lachfältchen. „Ich kann Ihnen versichern, dass ich keine Bestechungsgelder annehme. Und, ganz im Vertrauen: Niemand schlägt aus finanziellen Gründen eine Laufbahn im öffentlichen Recht ein. Ich habe genug Geld, um mir keine Gedanken um mein Gehalt machen zu müssen.“ Er blickte zur Seite, und seine Züge verhärteten sich. „Ich habe mein Geld geerbt.“
Geerbt. Was bedeutete, dass jemand – ein Familienangehöriger – gestorben war. Und in Anbetracht seines Gesichtsausdrucks war das ein Thema, das sie tunlichst vermeiden musste.
Eine verwirrende Zärtlichkeit wallte in ihr auf. Dieser Mann, dem die Welt zu Füßen lag, hatte eine Schwachstelle. Und zwar eine, die sie – wenn sie auch nicht geerbt hatte – selbst allzu gut kannte.
Sie wollte die Stimmung wieder auflockern, bevor sie ihn um einen Gefallen bat. „Dann muss ich meinen ersten Eindruck, dass Sie ein James-Bond-Typ sind, wohl berichtigen. Wahrscheinlich lag es am Smoking.“
„Wahrscheinlich“, sagte er amüsiert.
„Denn der Superreiche, der für die Gerechtigkeit kämpft, ist ja eher Batman als James Bond“, fuhr sie fort und versuchte, ebenso cool zu wirken wie er.
Ein hinreißendes schiefes Lächeln, von dem Jax ganz schwindelig wurde, huschte über sein Gesicht.
„Aber nur, wenn man außer Acht lässt, dass der auf eigene Faust außerhalb des Gesetzes handelt. Und – nur für’s Protokoll: Ich trage lieber Smoking als Strumpfhosen.“
Sich seine muskulösen Beine in hautenger Kleidung vorzustellen, brachte Jax noch mehr durcheinander.
„Interessante Vorstellung“, murmelte sie, wobei ihre Stimme verräterisch heiser klang.
Sie sahen sich in die Augen.
Keiner sagte etwas.
Jax kämpfte gegen die Verwirrung an, die sie gerade preisgegeben hatte. An Blakes Blick sah sie, dass es ihm nicht entgangen war.
Großer Fehler, Jax.
Jetzt mit diesem Mann in ein Auto zu steigen, war wohl kaum eine gute Idee. Doch ohne ihr Auto saß sie in diesem Haus fest und hatte keine Möglichkeit, zu verschwinden – und wenn es nur für eine kleine Atempause war.
Also überwand sie sich. „Ich wollte fragen, ob Sie mich zu meinem Auto fahren könnten.“
„Heute Nachmittag hätte ich Zeit“, antwortete er.
Erleichtert über den Aufschub seufzte Jax innerlich auf. Zu früh, wie sie kurz darauf feststellen musste. Denn Blake fuhr unbeirrt mit seinen Ausführungen fort.
„Heute Vormittag habe ich zu tun. Aber vorher würde ich gern mit Ihnen die Bedingungen unseres Arbeitsvertrages durchgehen!“
Das Herz rutschte ihr in die Hose.
Wie ärgerlich! Sie hatte ihm doch sofort entkommen zu können geglaubt!
Als er in Richtung Tür ging, folgte sie ihm seufzend in den Flur und betete, dass sein Arbeitszimmer genauso groß war wie sein Wohnzimmer. Denn seit der Fahrt in der Limousine wusste sie, dass sie nicht mit den Empfindungen klarkam, die auf sie einströmten, wenn sie mit ihm auf engem Raum eingesperrt war. Und sie würde diese Verhandlungen über den Vertrag gern ohne noch mehr peinliche Situationen überstehen.
Blake lehnte sich in seinem Ledersessel zurück. Glücklicherweise trennte sein riesiger Schreibtisch ihn von Jax, die auf der anderen Seite den Vertrag lesend auf und ab ging.
In ihren abgewetzten Jeans und dem Madonna-T-Shirt – hatte diese Frau auch Anziehsachen ohne Gesicht drauf? – sah sie in seinem in Jägergrün und Dunkelbraun gehaltenen Arbeitszimmer frisch und erstaunlich entspannt aus. Ihr Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten. Zuerst hatte er gedacht, ihre zurückhaltende Frisur würde ihm dabei helfen, seine wachsende Begeisterung über ihr Äußeres zu drosseln.
Doch da hatte er sich geirrt. Denn der Anblick ihres schlanken Halses und ihres geschmeidigen, gewandten Körpers ließ ihn wieder an ihre Tanzaufführung denken. Und die Erinnerung an ihre sich im Rhythmus des Latino-Hip-Hop-Songs wiegenden Hüften war nicht gerade geeignet, um seine Begeisterung zu drosseln. Ganz zu schweigen von ihrer Stimme vorhin im Wohnzimmer. Dieser Stimme, die ihm verraten hatte, dass auch sie ihn wollte …
Eine sengende Hitze breitete sich in seinem Inneren aus. Jetzt, wo er wusste, dass die Anziehungskraft gegenseitig war, fiel es ihm wesentlich schwerer, sein eigenes Verlangen zu ignorieren.
Als Jax schließlich alles gelesen hatte und den Vertrag vor ihn auf den Tisch legte, sah sie ihn mit ihren hellbraunen Augen skeptisch an.
„Ist das wirklich nötig?“, fragte sie.
„Es ist ein ganz normaler Arbeitsvertrag.“
Sie stützte sich mit den Händen auf die Tischplatte, was unglücklicherweise ihre Brüste auf seine Augenhöhe brachte. „Das kommt mir aber doch ein bisschen lang vor, dafür, dass es nur darum geht, dass ich für Sie arbeite, welche Regeln gelten und wie hoch mein Stundenlohn ist.“
Blake vermied es, in ihren Ausschnitt zu starren, und griff nach dem Vertrag. „Man sollte kein Beschäftigungsverhältnis eingehen, ohne vorab die Bedingungen geklärt zu haben.“
Nachdem er die letzten Minuten damit verbracht hatte, sie beim Lesen des Vertrages zu betrachten, fiel es ihm schwer, sein geschäftsmäßiges Auftreten beizubehalten. Denn ihr Anblick hatte ihn alles andere als kalt gelassen.
Er räusperte sich und hoffte, dass sie bald unterschreiben und verschwinden und somit seine Qualen beenden würde. „Der Vertrag schützt auch Ihre Interessen, indem er die Bedingungen für eine vorzeitige Beendigung der Anstellung nennt, falls das Verhältnis nicht funktionieren sollte.“
Bei dem Wort Verhältnis zuckte Blake innerlich zusammen, aber Jax schien es nicht zu merken. Sie war zu sehr damit beschäftigt, ihn anzusehen wie einen Außerirdischen.
Sie richtete sich wieder auf und verschränkte die Arme, wodurch ihre Brüste nach oben geschoben wurden. Blake hoffte inständig, dass sein Körper nicht darauf reagieren würde.
„Wird es Ihnen nie zu viel, ständig so vorsichtig zu sein?“, fragte sie. „Ich meine … wow.“ Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der so sehr auf der Hut ist. Ihre Muskeln müssen doch ganz überanstrengt sein von all der Anspannung und ständigen Alarmbereitschaft.“ Sie sah ihn ernst an. „Ich kenne Sie erst seit gestern, aber ich finde Sie jetzt schon ganz schön anstrengend.“
Sie sah jünger aus, als sie war, frisch und hübsch, mit einem jugendlichen Überschwang, der hinreißend war. Und absolut nicht angestrengt. Sein Verlangen hingegen …
Das wurde ihm tatsächlich zu anstrengend.
Er wünschte, dass sie sich wenigstens hinsetzen würde, damit weniger von ihr zu sehen wäre. „Ich bin nicht auf der Hut, wie Sie es sagen. Ich bin einfach nur praktisch veranlagt. Eine Rückzugsstrategie parat zu haben, macht das Leben leichter.“
„Machen Sie sich nie einfach locker und nehmen das Leben, wie es kommt?“