Aristoteles: Die Physik - Aristoteles - E-Book

Aristoteles: Die Physik E-Book

Aristoteles

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Beschreibung

Für Leser, die an der Geschichte der Naturphilosophie und antiken Wissenschaft interessiert sind, ist 'Die Physik' von Aristoteles ein unverzichtbarer Text. Dieses Buch bietet einen faszinierenden Einblick in das Denken eines der größten Denker der Geschichte und zeigt die Ursprünge der Physik als Wissenschaft. Durch die Lektüre von 'Die Physik' können Leser nicht nur das Denken des Aristoteles besser verstehen, sondern auch die Grundlagen für viele moderne wissenschaftliche Konzepte entdecken.

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Aristoteles

Aristoteles: Die Physik

Die Beschreibung von Naturvorgängen wie: Raum, Zeit, Bewegung und Ursache

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1561-4

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch
Erstes Capitel
Zweites Capitel
Drittes Capitel
Viertes Capitel
Fünftes Capitel
Sechstes Capitel
Siebentes Capitel
Achtes Capitel
Neuntes Capitel
Zweites Buch
Erstes Capitel
Zweites Capitel
Drittes Capitel
Viertes Capitel
Fünftes Capitel
Sechstes Capitel
Siebentes Capitel
Achtes Capitel
Neuntes Capitel
Drittes Buch
Erstes Capitel
Zweites Capitel
Drittes Capitel
Viertes Capitel
Fünftes Capitel
Sechstes Capitel
Siebentes Capitel
Achtes Capitel
Viertes Buch
Erstes Capitel
Zweites Capitel
Drittes Capitel
Viertes Capitel
Fünftes Capitel
Sechstes Capitel
Siebentes Capitel
Achtes Capitel
Neuntes Capitel
Zehntes Capitel
Eilftes Capitel
Zwölftes Capitel
Dreizehntes Capitel
Vierzehntes Capitel
Fünftes Buch
Erstes Capitel
Zweites Capitel
Drittes Capitel
Viertes Capitel
Fünftes Capitel
Sechstes Capitel
Sechstes Buch
Erstes Capitel
Zweites Capitel
Drittes Capitel
Viertes Capitel
Fünftes Capitel
Sechstes Capitel
Siebentes Capitel
Achtes Capitel
Neuntes Capitel
Zehntes Capitel
Siebentes Buch
Erstes Capitel
Zweites Capitel
Drittes Capitel
Viertes Capitel
Fünftes Capitel
Achtes Buch
Erstes Capitel
Zweites Capitel
Drittes Capitel
Viertes Capitel
Fünftes Capitel
Sechstes Capitel
Siebentes Capitel
Achtes Capitel
Neuntes Capitel
Zehntes Capitel

Erstes Buch

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Erstes Capitel

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Da das Wissen und das Erkennen hinsichtlich aller der Gegenstände, die Ihre Anfänge, Ursachen und Gründe haben, auf der Erforschung dieser beruht, (denn dann glauben wir etwas zu kennen, wenn wir seine ersten Ursachen erforscht haben und seine ersten Anfänge, und bis zu den Grundwesen), so ist klar, daß auch bei der Naturwissenschaft zuerst versucht werden muß, Bestimmungen zu geben über die Anfänge. Es geht aber unser Weg von dem, was uns verständlicher ist und deutlicher, nach dem von Natur Deutlicheren und Verständlicheren. Denn nicht dasselbe ist für uns verständlich und an sich. Darum ist es nothwendig, auf diese Art fortzuführen von dem, was von Natur undeutlicher, uns aber deutlicher ist, zu dem von Natur Deutlichern und Verständlichern. Nun ist uns zuerst klar und deutlich das mehr Zusammengesetzte; nachher werden aus diesem verständlich die Anfänge und die Grundwesen, durch Zerlegung von jenem. Deshalb muß man von dem Allgemeinen zu dem Besondern fortgehen. Denn das Ganze ist für den Sinn verständlicher; das Allgemeine aber ist eine Art von Ganzem, denn es enthält dieses Allgemeine ein Vieles, als Theile. In demselben Falle befinden sich gewissermaßen auch die Worte, im Verhältnis zum Begriffe. Sie bezeichnen nämlich ein Ganzes auf unbestimmte Weise; z.B. der Kreis. Die nähere Bestimmung erst zerlegt sie in ihr Besonderes. Auch die Kinder nennen ja zuerst alle Männer Vater, und Mutter die Frauen; später aber fangen sie an, bei beiden zu unterscheiden.

Zweites Capitel

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Nothwendig ist entweder Einer der Anfang, oder mehre. Und wenn Einer, entweder unbeweglich, wie Parmenides und Melissos sagen, oder bewegt, wie die Naturforscher, deren einige die Luft nennen, andere das Wasser, als ersten Anfang. Wenn aber mehre, entweder begrenzte oder unbegrenzte. Und wenn begrenzte, aber doch mehr als Einer, entweder zwei, oder drei, oder vier, oder irgend eine andere Zahl. Es ist dieß dieselbe Untersuchung, wie wenn nach dem Wieviel des Seienden gefragt wird. Denn auch hier untersucht man zuvörderst, woraus das Seiende ist, und nach diesem handelt es sich, ob es eins, oder viele; begrenzt oder unbegrenzt viele. So daß die Untersuchung in der That dem Anfang und dem Grunde gilt, ob er einer oder viele.

Die Forschung nun, die auf Einheit und Unbeweglichkeit des Seienden ausgeht, ist nicht die Naturforschung. Denn wie auch der Geometer nichts mehr mit demjenigen zu thun hat, der die Anfänge läugnet, sondern dieß entweder einer andern Wissenschaft angehört, oder einer, die allen gemein ist; so der, der von den Anfängen selbst handelt. Denn es giebt keinen Anfang mehr, wenn nur Eines ist, und auf diese Weise Eines ist; da jeder Anfang entweder etwas beginnt, oder das erste unter mehren ist. Es ist also die Betrachtung des diesergestalt Einen gleich dem Reden über irgend einen beliebigen Satz von denen, die nur des Begriffes wegen aufgestellt werden; wie jener heraklitische; oder wie wenn man sagen wollte: Ein Mensch sei das, was ist; oder dem Lösen einer spitzfindigen Aufgabe. So etwas heben auch wirklich jene beiden Lehren, die des Melissos und die des Parmenides: sie beginnen von falschen Voraussetzungen und fahren nicht in eigentlicher Schlußform fort. Besonders aber ist des Melissos Lehre schroff und durchaus einseitig. Doch, ist Ein seltsamer Grundsatz einmal zugegeben, so folgt das Uebrige von selbst. Wir nun gehen davon aus, daß das zur Natur Gehörige, entweder alles oder einiges, ein bewegtes ist. Dieß aber ergiebt sich aus der allmähligen Betrachtung der hierunter enthaltenen Gegenstände. Uebrigens braucht man nicht allem zu begegnen, sondern nur den falschen Schlüssen, die einer aus den Anfängen zieht: Z.B. die Verwandlung des Kreises in ein Viereck, die mittels der Kreisabschnitte, hat der Geometer zu widerlegen; die des Antiphon hingegen geht den Geometer nichts an. Indeß, da die Aufgaben jener zwar nicht die Natur zum Gegenstand haben, aber doch auf die Naturwissenschaft von Einfluß sind, so ist es vielleicht wohlgethan, sie ein wenig zu besprechen; denn die Betrachtung hat wissenschaftlichen Gehalt.

Wir beginnen am schicklichsten mit folgendem. Da Sein vielerlei bedeutet, so fragt sich, wie es diejenigen nehmen, die da sagen, daß alles Eins sei. Meinen sie ein Wesen dieses Alls, oder eine Größe, oder eine Beschaffenheit? Und weiter: wenn ein Wesen, ist es dann ein einzelnes, wie Ein Mensch, oder Ein Pferd, oder Eine Seele? oder eine auf gleiche Weise einzelne Beschaffenheit, z.B. weiß, oder warm, oder sonst etwas dergleichen? Denn alles dieß ist gar sehr verschieden, obwohl gleich unstatthaft es auszusagen. Wenn es nämlich sowohl Wesen, als auch Größe und Beschaffenheit sein soll, und dieß gleichviel ob getrennt von einander, oder nicht, so haben wir eine Vielheit des Seienden. Soll aber alles Beschaffenheit oder Größe sein, gleichviel ob daneben ein Wesen sei oder nicht sei, so ist dieß seltsam; wenn man nichts anders seltsam nennen darf das Unmögliche. Denn nichts von den übrigen besteht getrennt, außer dem Wesen, da allem diesem etwas ihm zum Grunde liegendes vorausgesetzt wird, nämlich eben das Wesen. – Melissos aber nennt das Seiende unbegrenzt. So wäre das Seiende eine Größe. Denn das Unbegrenzte ist in der Größe. Daß aber ein Wesen unbegrenzt sei, oder eine Beschaffenheit, oder ein Leiden, ist nicht statthaft, außer nebenbei, wenn sie etwa zugleich Größen wären. Denn der Begriff des Unbegrenzten setzt die Größe voraus, aber nicht das Wesen oder die Beschaffenheit. Wenn nun aber das Seiende sowohl Wesen ist, als Größe, so ist es zwei, und nicht Eins. Ist es aber nur Wesen, so ist es nicht unbegrenzt, noch hat es irgend eine Größe; denn sonst wäre es eine Größe. – Da aber auch das Wort Eins vielerlei bedeutet, wie das Wort Sein, so ist auch in dieser Hinsicht zu sehen, auf welche Weise sie meinen, das Eins sei das Ganze. Man nennt aber Eins entweder das stetig Zusammenhängende, oder das Untheilbare, oder das, dessen Begriff, der sein Was enthält, einer und derselbe ist: wie Wein und Traubensaft. Ist es nun das stetig Zusammenhängende, so ist das Seiende vieles; denn ins unendliche theilbar ist das Stetige. Auch veranlaßt es Streitfragen über die Begriffe des Theils und des Ganzen, die vielleicht jene Lehre nichts angehen, aber an und für sich solche sind: ob Eins oder mehre der Theil und das Ganze, und wenn Eins, wie Eins; wenn mehre, wie mehre. So auch hinsichtlich der nicht stetig zusammenhängenden Theile, die, wenn ein jeder mit dem Ganzen unzertrennlich Eins ist, auch unter sich selbst es sind. – Ist es hingegen das Untheilbare; nun so kann es weder Größe, noch Beschaffenheit, noch unbegrenztes sein, wie doch Melissos sagt, noch auch begrenztes, wie Parmenides. Denn die Grenze ist untheilbar, nicht das Begrenzte. Soll endlich nach dem Begriffe Eins sein das Seiende, wie Kleid und Rock, so verfällt man in jenen Behauptung des Heraklitos. Denn einerlei wäre dann für den Guten und für den Schlechten das Nichtgutsein und das Gutsein. So daß gut und nicht gut selbst einerlei wird, und Mensch und Pferd. Es handelt sich dann nicht mehr darum, daß Eins sei das Seiende, sondern daß es Nichts sei; und das Sein der Beschaffenheit nach, und das der Größe nach, fällt zusammen.

Es fiel auch diese Bedenklichkeit den Späteren bei, wie schon den Früheren, daß es ihnen begegnen möchte, das nämliche zugleich zu Einem zu machen und zu Vielen. Darum fingen einige an, das »ist« wegzulassen, wie Lykophron. Andere wandten den Ausdruck anders und fragten nicht: der Mensch ist weiß, sondern, er hat weiße Farbe angenommen; noch, er ist im Gange, sondern, er geht: damit sie nämlich nicht das »ist« ansetzend, zu Vielem machen möchte das Eine, als bezeichne etwas anschließendes das Eine und das Seiende. Vieles ist aber das Seiende, entweder dem Begriffe nach. So ist es ein anderes, weiß zu sein und musikalisch, doch kommt beides demselben zu; wir haben also als ein Vieles das Eine. Oder durch Sonderung, wie das Ganze und die Theile. Hier nun stutzten sie und ließen zu, daß das Eine Vieles sei. Als ginge es nicht an, daß das nämliche Eins sei und Vieles, doch nicht das Entgegengesetzte. Denn es ist ja das Eine, theils als Möglichkeit, theils als Wirklichkeit.

Drittes Capitel

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Greift man es also auf diese Weise an, so erscheint es als unmöglich, daß das Seiende Eines sei. Auch ihren Beweisen zu begegnen ist nicht schwer; denn beide bedienen sich verfänglicher Schlüsse, Melissos und Parmenides. [Besonders aber ist des Melissos Lehre schroff und durchaus einseitig. Doch, ist Ein seltsamer Grundsatz einmal zugegeben, so folgt das übrige von selbst.] Daß nun Melissos fehlschließt, ist klar. Denn er glaubt annehmen zu dürfen, daß, wenn alles Werdende einen Anfang hat, das nicht Werdende keinen hat. Sodann ist auch dieß auffallend, überall einen Anfang des Dinges in dem Dinge selbst anzunehmen, und nicht auch bloß des Dinges überhaupt in der Zeit. Und dieß nicht nur beim Werden an und für sich, sondern auch bei demjenigen, das zugleich Umbildung ist; als gäbe es keinen durchgehenden Uebergang. Weiter, warum soll es gerade unbeweglich sein, wenn es Eines ist? Denn gleichwie auch der Theil, des Einer ist, z.B. dieses bestimmte Wasser, sich in sich selbst bewegt: warum nicht eben so das Ganze? Und dann, warum soll es keine Umbildung dieses Ganzen als solchen geben? – Der Formbestimmung nach endlich kann es vollends gar nicht Eins sein, man müßte denn darunter das, woraus es ist, verstehen. Auf solche Weise nahmen auch einige der Naturforscher die Einheit an; auf jene Weise aber nicht. Denn der Mensch ist verschieden vom Pferde eben nach der Formbestimmung, und alles Entgegengesetzte von einander.

Was den Parmenides betrifft, so hat er dieselbe Wendung jener Lehre, und vielleicht noch andere ihm eigenthümliche. Die Widerlegung geht theils darauf, daß sie falsch ist, theils, daß sie der richtigen Folge ermangelt. Falsch ist sie, indem sie voraussetzt, daß Sein eine einfache Bedeutung habe, da es doch eine vielfache hat. Nicht folgerecht, weil, wenn man auch nur das Weiße setzen wollte, so daß das Weiße eine Einheit bezeichnete, nichts desto weniger das Weiße ein Vieles wird, und nicht Eines. Weder nämlich durch stetigen Zusammenhang Eins wäre das weiße Ding, noch im Begriffe. Denn ein anderes wäre das Sein der weißen Farbe und des die Farbe annehmenden Dinges. Es braucht darum nicht außerhalb des Weißen etwas besonderes angenommen zu werden, denn nicht wiefern es gesondert ist, wird es zum Andern, sondern das Sein an sich ist ein anderes für die Farbe, und für das Ding, das sie annimmt. Aber dieses sah Parmenides nicht ein. Es müssen also voraussetzen, die da sagen, daß Eines das Seiende sei, nicht allein daß Eins bedeute das Seiende, wovon es auch ausgesagt werde; sondern auch, sowohl insofern es seiendes, als insofern es Eines ist. Denn als anhängendes oder beiläufiges gilt etwas nur, wiefern ihm etwas zum Grunde liegt. Etwas sonach, dem das Sein anhängen sollte, kann es nicht geben. Denn es wäre ein anderes als das Sein; sein also würde ein Nichtseiendes. Folgt demnach, daß es nichts vorhandenes giebt, als das Seiende als solches. Denn in seinem Sein hätte es kein Sein mehr, wenn nicht Vieles bezeichnen soll das Seiende; dergestalt, daß ein Sein des Einzelnen gesetzt wird. Allein es war ausgemacht, daß das Seiende Eins bedeuten soll. Wenn nun das Seiende als solches keinem anhängt, sondern alles jenem; was für ein Unterschied bleibt dann, ob das Seiende als solches bedeute das Seiende oder ein Nichtseiendes? Denn wenn das Seiende als solches zugleich auch weiß sein kann, das Weißsein aber nicht Seiendes als solches ist, so kann ihm nicht einmal das Sein zugeschrieben werden, denn ein seiendes ist nur das Seiende als solches; und das Weiße wird folglich zum nichtseienden. Nicht etwa so, daß es dieses Bestimmte nicht wäre, sondern daß es überhaupt nicht Seiendes ist. So wird denn das Seiende als solches zum Nichtseienden. Denn mit Recht läßt sich von dem Seienden als solchem aussagen, daß es weiß ist. Dieses aber bezeichnete das Nichtseiende. Sollte sonach auch das Weiße das Seiende als solches bedeuten können, so würde das Seiende eine Mehrheit bedeuten. – Auch keine Größe wird das Seiende haben, wenn nur das Seiende als solches das Seinede ist. Denn jedwedem der Theile käme ein anderes Sein zu.

Daß aber das Seiende als solches in anderes Seiende als solches zerfällt, ergiebt sich auch aus dem Begriffe. Z.B. wenn der Mensch ein Seiendes als solches ist, so muß auch das Thier ein Seiendes als solches sein, und das Zweifüßige. Denn sind sie nicht Seiende als solche, so sind sie Anhängende, und entweder der Mensch oder irgend etwas anderes gilt als ihre Grundlage. Aber dieß ist unmöglich. Denn anhängend heißt dasjenige, entweder welches sowohl dasein als nicht dasein kann, oder in dessen Begriff dasjenige, dem es anhängt, gegenwärtig ist; z.B. das Sitzen, so getrennt gesagt. Auch in dem Lahm ist der Begriff des Beines gegenwärtig. In diesem Bezug nennt man dergleichen wie die Lahmheit, ein Verhängniß. Nun aber was in dem Begriffe und der Bestimmung des Ganzen enthalten ist, oder woraus dieses ist, in dessen Begriff ist nicht gegenwärtig der Begriff des Ganzen; z.B. in dem Zweifüßigen der des Menschen, oder in dem Weißen, der des weißen Menschen. Wenn nun dieses solchergestalt sich verhält, und dennoch dem Menschen das Zweifüßige anhängen sollte, so müßte dasselbe von ihm getrennt werden können; so daß es anginge, daß der Mensch nicht zweifüßig wäre: oder in dem Begriff des Zweifüßgen wäre enthalten der Begriff des Menschen. Aber dieß ist unmöglich; den jenes ist in dem Begriffe von diesem enthalten. Sollte aber einem andern anhängen das Zweifüßige und das Thier, und ist nicht jedes von beiden ein Seiendes als solches; so würde auch der Mensch zu den Dingen gehören, die einem andern anhängen. – Es bleibt also dabei, daß, was ein Sein als solches hat, keinem anhängt, und daß als Grundlage vielmehr beides und was aus ihnen besteht, zu nennen ist. Aus Untheilbarem also besteht das Ganze.

Einige aber gaben beiden Lehren nach: der, daß alles Eins, wenn das Seiende Eins bedeutet, mit dem Zusatze, daß auch das Nichtseiende ist. Der andern aber dergestalt, daß sie die Spaltung in zwei bis auf untheilbare Größen herabführten. Uebrigens erhellt, daß es nicht wahr ist, daß, wenn Eins bedeutet das Seiende, und nicht zugleich der Widerspruch sein kann, es darum kein Nichtseiendes gebe. Denn nichts hindert, daß das Nichtseiende zwar als Allgemeines nicht ist, aber doch als ein bestimmtes Nichtseiende. Zu sagen aber, daß, wenn außerhalb des Seienden selbst nicht etwas anderes ist, alles Eins werden müsse, ist sonderbar. Denn wer versteht etwas anderes unter dem Seienden als solchen, als das Sein eines bestimmten Seienden als solchen? Ist aber dieß so, so hindert auch von dieser Seite nichts, daß Vieles das Seiende sei; wie bereits gesagt. Daß nun eine solche Einheit des Seienden unstatthaft sei, ist klar.

Viertes Capitel

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Die Lehre der Naturforscher hat zweierlei Gestaltungen. Die einen nehmen als einig Seiendes einen zum Grunde liegenden Körper an: entweder eines der drei Elemente, oder einen andern, der dichter ist als Feuer, feiner aber als Luft, und lassen aus diesem das Uebrige entstehen, dessen Vielheit sie auf Dichtigkeit und Dünne zurückführen. Dieß aber sind Gegensätze. Der allgemeine Ausdruck für sie ist: Ueberwiegen und Zurückbleiben: in diesem Sinne nennt Platon sie das Große und das Kleine; nur daß dieser dieselben als Stoff behandelt, das Eine aber als Formbestimmung; Andere aber das Eine zum Grunde liegende als Stoff, die Gegensätze aber als Unterschiede und Formbestimmungen; noch Andere aus dem Einen die darin enthaltenen Gegensätze herausziehen, wie Anaximander sagt. – An diese nun schließen sich diejenigen an, die da sagen, daß Eines und Vieles ist, wie Empedokles und Anaxagoras, denn aus der Mischung ziehen auch diese das Uebrige heraus. Sie unterschieden sich von einander dadurch, daß der eine dieß in einem Kreislaufe, der andere es Einmal geschehen läßt, und daß dieser eine unbegrenzte Vielheit sowohl der gleichen Wesen, als der Gegensätze, jener nur die sogenannten Elemente annimmt. Es scheint aber Anaxagoras auf diese seine Annahme einer unbegrenzten Vielheit dadurch gekommen zu sein, daß er die gemeine Meinung der Naturforscher als wahr zum Grunde legte, als entstehe nichts aus dem was nicht ist. Denn deswegen sagen sie so: zugleich waren alle Dinge; und das Entstehen des Einzelnen ist nichts als Umbildung, oder, wie Einige sagen, Verbindung und Scheidung. Weiter aber, aus dem Entstehen aus einander schreiben sich die Gegensätze her. Sie waren also schon in jenem vorhanden. Denn wenn alles Entstehende nothwendig entweder aus Seiendem entsteht, oder aus Nichtseiendem, von diesen beiden aber das Entstehen aus Nichtseiendem unmöglich ist (denn in dieser Meinung stimmen alle überein, die von der Natur handelten); so mußten sie annehmen, was allein noch übrig blieb, daß aus Seiendem und schon Gegenwärtigem das Entstehen geschehe, doch, wegen Kleinheit der Massen, aus uns Unwahrnehmbarem. Darum sprechen sie, daß Alles in Allem gemischt sei. Denn sie sahen ja Alles aus Allem entstehen. Als unterschieden aber erscheine es, und werde Anderes zu Anderem genannt, nach dem was überwiegt durch seine Menge in der Mischung der unbegrenzten Theile. Denn daß unvermischt zwar ein Ganzes weiß oder schwarz, oder süß, oder Fleisch, oder Knochen sei, finde nicht statt. Wovon aber ein jedes das meiste hat, dieß scheine die Natur des Dinges zu sein.

Wenn nun das Unbegrenzte, sofern es unbegrenzt, unerkennbar ist; so ist das nach seiner Menge oder Größe unbegrenzte, eine unerkennbare Größe; daß der Formbestimmung nach unbegrenzte, eine unerkennbare Beschaffenheit. Sind aber die Anfänge unbegrenzt sowohl nach Menge als auch nach Formbestimmung, so ist es unmöglich, das zu erkennen, was aus ihnen folgt. Denn dann nur glauben wir ein Zusammengesetztes zu erkennen, wenn wir wissen, woraus und welchermaßen es ist. – Ferner, wenn ein Ding, dessen Theil jede beliebige Größe oder Kleinheit haben kann, nothwendig selbst diese muß haben können, (ich spreche aber von solchen Theilen, in die das bestehende Ganze getheilt wird); wenn es hingegen unmöglich ist, daß ein Thier oder eine Pflanze jede beliebige Größe oder Kleinheit habe: so erhellt, daß auch keiner ihrer Theile so beschaffen sein kann. Denn dieß würde sich auf das ganze erstrecken. Fleisch aber, und Knochen und dergleichen, sind Theile des Thieres, und die Früchte der Pflanzen. Offenbar also ist es unmöglich, daß Fleisch oder Knochen oder etwas anderes sich gleichgültig verhält gegen die Größe, sei es in dem Vergrößern oder dem Verkleinern. – Weiter, wenn alles solches bereits gegenwärtig ist in einander, und nicht entsteht, sondern ausgeschieden wird als schon vorhandenes; nach dem Vorherrschenden genannt wird; entsteht aber ohne Unterschied aus Jedem (wie aus Fleisch Wasser durch Ausscheiden, oder Fleisch aus Wasser); jeder begrenzte Körper endlich aufgezehrt wird von einem begrenzten Körper: so erhellt, daß keineswegs in Jedem Jedes vorhanden sein kann. Denn scheidet man aus dem Wasser Fleisch aus, und dann wieder anderes aus dem von der Scheidung Ueberbliebenen, und so fort, so wird, wenn das Ausgeschiedene immer kleiner wird, es doch nicht über irgend eine bestimmte Größe durch seine Kleinheit hinausgehn. So daß also, wenn je die Scheidung zum Stehen kommt, nicht Alles in Allem enthalten ist; denn in dem übrigbleibenden Wasser ist dann kein Fleisch mehr vorhanden.

Soll sie aber nie stillstehen, sondern stets neue Wegnahme statt finden: so sind in einer begrenzten Größe gleich begrenzte Theile enthalten von unbegrenzter Menge. Dieß aber ist unmöglich. Ueberdieß wenn jeder Körper durch Wegnahme eines Theils kleiner werden muß; von dem Fleische aber das Wieviel sowohl nach Größe als nach Kleinheit bestimmt ist: so ist klar, daß aus dem kleinsten Theile Fleisches kein Körper ausgeschieden werden mag; denn er wäre dann kleiner als der kleinste. Ferner, in den unbegrenzten Körpern wäre dann bereits gegenwärtig unbegrenztes Fleisch und Blut und Hirn; geschieden wohl von einander, nichts desto weniger aber seiend und unbegrenzt ein jedes. Dieß aber ist widersinnig.

Doch das: »keine vollkommene Scheidung,« ist unverständig zwar, aber doch richtig gesagt. Denn die Zustände sind unzertrennlich. Wären nämlich die Dinge eine Mischung, z.B. der Farben und ihrer sonstigen Eigenschaften, so ergäbe sich bei der Scheidung ein Weißes und ein Gesundes, welches weder zugleich etwas anderes wäre, noch auch etwas zum Grunde liegend hätte. In dem sonderbaren Falle demnach, ein Unmögliches zu suchen, findet sich der Gedanke, wenn er die Sonderung zwar anstrebt, sie aber zu vollbringen ihm unmöglich ist, sowohl nach der Größe als auch nach der Beschaffenheit: nach der Größe, weil es nicht eine kleinste Größe gibt, nach der Beschaffenheit, weil untrennbar sind die Zustände. – Nicht durchaus richtig aber ist auch die allgemeine Annahme des Anaxagoras von dem Entstehen des Gleichartigen. Denn von Einer Seite zwar wird der Schlamm in Schlamm zerlegt; von der andern aber nicht. Auch ist die Art nicht dieselbe, daß, wie Ziegel aus dem Hause, und das Haus aus Ziegeln, so auch Wasser und Luft aus einander bestehen und entstehen. Besser ist es, von Wenigem und Begrenztem auszugehen, wie Empedokles thut.

Fünftes Capitel

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Alle aber nehmen Gegensätze als Anfänge an; sowohl die da sagen, daß Eines das All und unbeweglich sei (denn Parmenides macht Warmes und Kaltes zu Anfängen; dieses nennt er aber Feuer und Erde), als die Dünnes und Dichtes, und Demokrit, der das Undurchdringliche und Leere nennt. Von diesen sagt er, daß das eine als seiendes, das andere als nichtseiendes sei. Auch in Lage, Gestalt und Ordnung nimmt er Gegensätze an, nämlich folgendergestalt. In der Lage, als oben und unten, vorn und hinten. In der Gestalt: eckig und winkellos, gerade und krumm. Daß nun Gegensätze irgendwie Alle zu Anfängen machen, ist klar. Und dieß mit gutem Grunde. Denn die Anfänge dürfen weder aus einander entstehen, noch aus anderem. Aus ihnen ist ja alles. Den ersten Gegensätzen aber kommt dieß zu, indem sie die ersten sind, nicht aus anderem, und indem sie Gegensätze, nicht aus einander zu entstehn. Doch muß dieß noch begriffmäßig betrachtet werden, wie es zugeht.

Voraussetzen müssen wir zuvörderst, daß von allem was ist, wesentlich nichts weder wirkt, noch auch leidet jedes beliebige von jedem beliebigen; noch jedwedes aus jedwedem entstehet: man müßte denn annehmen, nebenbei. Denn wie sollte das Weiße aus dem Musikalischen entstehen, wenn nicht etwa nebenbei an das an das Weiße oder das Schwarze das Musikalische sich knüpft? Sondern Weißes entsteht aus Nichtweißem, und nicht aus jedem solchen, sondern Schwarzem oder dem, was in der Mitte liegt; und Musikalisches aus Nichtmusikalischem, doch nicht aus allem, sondern aus Unmusikalischem und wenn etwa zwischen ihnen ein mittleres ist. Auch kein Uebergang findet in das erste beste statt; so geht das Weiße, nicht in das Musikalische über, außer vielleicht nebenbei, sondern in das Nichtweiße; und in das Nichtweiße nicht, in welches es sich trifft, sondern in das Schwarze, oder das Mittlere. Eben so auch das Musikalische in das Nichtmusikalische, und dieß nicht wie es sich trifft, sondern in das Unmusikalische oder wenn etwas zwischen ihnen in der Mitte ist. Gleicherweise findet dieß Statt auch bei dem andern. Denn auch die Dinge, die nicht einfach, sondern zusammengesetzt sind, verhalten sich nach demselben Gesetz, obgleich, weil hier die entgegengesetzten Zustände nicht benannt sind, dieser Hergang unbemerkt bleibt. Denn nothwendig muß alles Geordnete aus Ungeordnetem entstehen, und daß Ungeordnete aus Geordnetem. Und seinen Untergang hat das Geordnete in einer Unordnung, und dieß nicht in jedweder, sondern in der ihm entgegenstehenden. Es ist aber kein Unterschied, Ordnung zu sagen, oder Fügung, oder Zusammensetzung; denn offenbar ist der Begriff derselbe. Gewiß doch entstehet das Haus, und die Bildsäule, und jedes andere dieser Art auf gleiche Weise. Denn das Haus entsteht, indem dieß und jenes, so und so, nicht verbunden ist, sondern zerstreut liegt. Und die Bildsäule, und was gestaltet ist, aus Gestaltlosigkeit. Und jedes von diesen ist theils eine Fügung, theils eine Zusammensetzung. Wenn also dieß wahr ist, so möchte wohl alles Entstehende entstehen und alles Vergehende vergehen, aus Gegensätzen oder in Gegensätze, und was zwischen diesen in der Mitte ist. Das Mittlere aber ist aus den Gegensätzen; so die Farben aus Weiß und Schwarz. Somit wäre denn alles von Natur Entstandene entweder Gegensatz oder aus Gegensätzen Bestehendes.

Bis hierher nun begleiten uns ziemlich die Meisten auch der Andern, wie wir bereits vorhin sagten. Denn alle setzen die Grundwesen und die von ihnen so genannten Anfänge, zwar ohne ihren Begriff, aber doch als Gegensätze, gleich als würden sie von der Wahrheit selbst dazu gezwungen. Sie unterscheiden sich von einander, indem die einen höhere, die andern niedere zum Grunde legen, die einen verständlichere nach dem Begriff, die andern nach den Sinnen. Denn Einige setzten Warmes und Kaltes, Andere Nasses und Trocknes, wieder Einige Ungerades und Gerades, Andere Feindschaft und Freundschaft als Ursachen des Werdens. Dieß aber unterscheidet sich von einander auf die angegebene Weise. So daß sie sowohl dasselbige sagen auf gewisse Weise, als auch Verschiedenes von einander. Verschiedenes, wie es auch den Meisten so vorkommt; dasselbige aber, wiefern Entsprechendes; denn sie nehmen aus derselben Reihe. Einige von den Gegensätzen enthalten die andern; andere sind in jenen enthalten. Solchergestalt sprechen sie dann übereinstimmend und abweichend; schlechter und besser; Einige verständlicher nach dem Begriffe, wie vorhin gesagt, Andere nach den Sinnen. Das Allgemeine nämlich ist nach dem Begriff verständlich, das Besondere aber, nach den Sinnen. Denn begriffen wird das Allgemeine, empfunden das Theilwesen. So ist das Große und Kleine ein nach dem Begriffe gewählter Gegensatz; das Dünne und das Dichte nach den Sinnen. Daß also entgegengesetzt sein müssen die Anfänge, ist jetzt ersichtlich.

Sechstes Capitel

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Damit zunächst zusammenhängen möchte die Untersuchung, ob ihrer zwei oder drei oder mehre sind. Denn daß nur Einer sei, ist nicht statthaft, weil nicht Eins die Gegensätze sind. Daß aber unbegrenzte, auch nicht, weil dann nicht erkennbar das Seiende wäre. – Ein Gegensatz nur ist in jeder Gattung enthalten; das Wesen aber bildet Eine Gattung. Uebrigens reichen begrenzte Anfänge hin; und es ist besser, aus begrenzten zu erklären, wie Empedokles, als aus unbegrenzten. Alles nämlich glaubt dieser aus begrenzten erklären zu können, wie Anaxagoras aus unbegrenzten. – Ferner gehen einige Gegensätze anderen voran, und es entstehen einige aus andern; z.B. das Süße und Bittere, und Weiß und Schwarz; die Anfänge aber müssen ewig bleiben. – Daß nun also weder Einer nur, noch unbegrenzte sind, erhellt hieraus. Um nun bei den begrenzten zu bleiben, so hat, nicht zwei nur anzunehmen, seinen Grund. Denn fragen könnte man, wie die Dichtigkeit dazu kommt, auf die Dünne zu wirken, oder diese auf die Dichtigkeit; und gleichergestalt auch jedweder andere Gegensatz. Denn nicht führt die Freundschaft die Feindschaft zusammen und schafft etwas aus ihr, noch die Feindschaft aus jener; sondern beide bedürfen eines dritten. Einige legen noch mehres zum Grunde, um daraus hervorgehn zu lassen die Natur der Dinge. – Hierüber könnte man ferner folgende Frage aufwerfen; wenn man nicht will irgend eine andere Natur den Gegensätzen zum Grunde legen. Bei keinem Dinge erblicken wir Gegensätze des Wesens. Der Anfang aber darf nicht eine anderweite Grundlage voraussetzen; denn dann gäbe es einen Anfang des Anfangs. Die Grundlage nämlich würde Anfang, und früher zu sein scheinen, als das, was dafür gegeben ward. Sodann sagen wir, daß kein Wesen entgegengesetzt sei einem Wesen. Wie nun sollte aus dem, was nicht Wesen ist, ein Wesen werden können? oder wie, was nicht Wesen ist, vor dem Wesen sein? Folglich wer sowohl die vorige Auseinandersetzung für wahr zu halten geneigt ist, als diese, muß notwendig, um beide zu retten, ein drittes zum Grunde legen.

So nun verfahren auch diejenigen, die Ein bestimmtes Wesen für das Ganze ausgeben, z.B. das Wasser, oder das Feuer, oder das Mittlere zwischen diesen. Nichtiger wird wohl das Mittlere genannt; denn Feuer und Erde und Luft und Wasser gehen ja mit der Natur des Gegensatzes in ihre Verflechtungen ein. Darum handeln diejenigen nicht ohne Grund, die das was zum Grunde liegt, zu etwas anderem als diese Wesen machen. Von den Andern am meisten, die die Luft nennen. Denn die Luft hat am wenigsten unter den übrigen sinnlich wahrnehmbare Unterschiede. Ihr zunächst steht das Wasser. Alle indessen lassen dieses Eine durch die Gegensätze sich gestalten: wie durch Dichtigkeit und Dünne, und durch das Mehr und Minder. Dieses aber ist im Allgemeinen Ueberwiegen offenbar und Zurückbleiben, wie zuvor gesagt. Und es scheint alt zu sein auch diese Meinung, daß das Eine, und Ueberwiegen und Zurückbleiben Anfänge der Dinge sind. Wiewohl nicht in derselben Weise; sondern die Alten hielten die zwei für das Thätige, das Eine für das Leidende; von Späteren aber einige umgekehrt, das Eine für das Thätige, die zwei für das Leidende.

Drei Grundwesen also anzunehmen, könnte, wenn man es von dieser und von andern verwandten Seiten betrachtet, einigen Grund zu haben scheinen, wie wir bereits ankündigten. Mehr als drei aber nicht. Denn zu dem Leiden ist hinreichend das Eine. Sollten aber ihrer vier sein, und diese zwei Gegensätze bilden, so entsteht die Nothwendigkeit, daß besonders für jeden derselben ein eigenes Mittelwesen angenommen werde. Wenn aber die Glieder der Gegensätze mit einander gegenseitig zeugen können, so wäre überflüßig der eine der Gegensätze. – Indessen es ist sogar un möglich, daß mehre die ersten Gegensätze sind. Denn das Wesen ist Eine Gattung des Seienden; so daß also nach dem Vor und Nach sich die Anfänge allein unterscheiden können; aber nicht nach der Gattung. Denn stets ist in Einer Gattung Ein Gegensatz. Alle Gegensätze aber scheinen sich zurückzuführen auf Einen. – Daß nun weder Eines das Grundwesen, noch mehr als zwei oder drei sind, ist klar. Von diesen aber welches, unterliegt, wie wir sagten, vielem Zweifel.

Siebentes Capitel

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So wollen wir denn nun zuvörderst von dem Werden überhaupt handeln. Denn es ist naturgemäß, zuerst das Gemeinschaftliche auszusprechen und so zu der Betrachtung des dem Einzelnen Eigenthümlichen zu schreiten. Wir pflegen zu sagen, daß aus dem einen das andere werde, und aus diesem jenes, und meinen damit theils das Einfache, theils das Zusammengesetzte. Ich meine dieß aber so. Es kann ein Mensch musikalisch werden: es kann aber auch das Nichtmusikalische musikalisch werden, oder der nichtmusikalische Mensch ein musikalischer Mensch. Unter dem Einfachen nun verstehe ich, sofern das Werden von ihm ausgeht, den Menschen und das Nichtmusikalische; sofern es Ziel des Werdens ist, das Musikalische; ein zusammengesetztes Werdende in beider Hinsicht aber ist vorhanden, wenn wir sagen, daß der nicht musikalische Mensch musikalisch, oder ein musikalischer Mensch geworden ist. Hier nun wird in dem einen Falle nicht allein gesagt, daß etwas Bestimmtes, sondern auch daß es aus etwas Bestimmtem wird, wie aus dem Nichtmusikalischen ein Musikalisches; in dem andern aber wird dieß nicht allemal gesagt; denn nicht aus dem Menschen wird der Musikalische, sondern der Mensch wird musikalisch. Von demjenigen Werdenden aber, was wir als einfachen Ausgangpunct des Werdens nannten, bleibt das eine im Werden bestehen, das andere bleibt nicht bestehen. Der Mensch nämlich bleibt, indem er zum musikalischen Menschen wird, oder dieß ist. Das Nichtmusikalische aber und das Unmusikalische bleibt nicht, weder als einfaches, noch in der Zusammensetzung.

Nach diesen Bestimmungen nun ist über das Werdende überhaupt folgendes festzusetzen, wenn man auf das Gesagte zurückblickt. Es muß stets etwas zum Grunde liegen als Werdendes, und dieß, wenn es auch der Zahl nach Eines ist, kann doch der Formbestimmung nach nicht Eins sein. Formbestimmung und Begriff aber nehme ich gleichbedeutend. Es ist nämlich nicht dasselbe, Mensch und unmusikalisch zu sein; das eine bleibt, das andere bleibt nicht. Das nicht Entgegenstehende nämlich bleibt: der Mensch also bleibt; das Musikalische aber und das Unmusikalische bleibt nicht, noch das aus Beiden Zusammengesetzte, wie der unmusikalische Mensch. Aus etwas werden aber, und etwas nicht werden, wird mehr zwar gesagt von dem Nichtbleibenden; z.B. aus einem Unmusikalischen ein Musikalischer werden; aus einem Menschen aber nicht. Doch heißt es bisweilen auch von dem Bleibenden eben so; daß nämlich aus dem Erz eine Bildsäule wird, sagen wir, nicht daß das Erz eine Bildsäule. So auch von dem Werden aus dem Entgegenstehenden und Nichtbleibenden braucht man beide Ausdrücke: aus diesem wird das, und dieß wird das: es heißt nämlich sowohl, aus einem Unmusikalischen wird ein Musikalischer, als, der Unmusikalische wird musikalisch. Darum auch bei den Zusammengesetzten eben so: man sagt sowohl, daß aus dem unmusikalischen Menschen, als daß der unmusikalische Mensch ein musikalischer wird. – Wenn übrigens Werden auf vielfache Weise gesagt wird, und von Einigem nicht Werden schlechthin, sondern ein bestimmtes Werden, Werden schlechthin aber nur von den Wesen; so ist hinsichtlich des übrigen zwar ersichtlich, daß etwas zum Grunde liegen muß, das da wird: denn Größe, Beschaffenheit, Verhältniß, Zeitliches und Räumliches hat ein Werden nur wiefern etwas dabei zum Grunde liegt, weil allein das Wesen ohne anderweite Grundlage besteht, das übrige aber alles nicht ohne das Wesen. Daß aber auch die Wesen, und was sonst noch schlechthin Seiendes ist, aus irgend einer Unterlage sein Werden hat, möchte bei genauerer Betrachtung sich ergeben. Denn stets ist etwas, das zum Grunde liegt, daraus das Werdende wird; so die Pflanzen und die Thiere aus dem Saamen. Es wird aber das schlechthin Werdende, theils durch Umbildung, wie die Bildsäule aus dem Erze, theils durch Zusetzung, wie das Wachsende, theils durch Wegnahme, wie aus dem Steine das Brustbild, theils durch Zusammensetzung, wie das Haus, theils durch Umbildung, wie was sich verändert dem Stoffe nach. Von allem aber was so wird, ist ersichtlich, daß es aus zu Grunde liegendem wird. So daß es klar ist aus dem Gesagten, daß das Werdende alles stets ein zusammengesetztes ist. Es ist etwas, das da wird, es ist aber auch etwas, das da dieses wird; und dieß ist ein zweifaches, das zum Grunde liegende, oder das Entgegenstehende. Ich nenne aber als entgegenstehend, das Unmusikalische, als zum Grunde liegend, den Menschen. Und die Ungestalt, und die Formlosigkeit oder die Unordnung, als Entgegenstehendes, das Erz aber, oder den Stein, oder das Gold, als zum Grunde liegendes. Ersichtlich ist nun, wenn Ursachen und Anfänge der natürlichen Dinge sind, aus denen als ersten sie sind und wurden, nicht nebenbei, sondern jedes so zu sagen seinem Wesen nach; daß sein Werden alles hat aus der Grundlage und der Form. Es besteht nämlich der musikalische Mensch aus dem Menschen und dem Musikalischen, auf gewisse Weise; denn auflösen lassen sich die Begriffe in jene Begriffe. Klar also möchte sein, daß das Werdende wird aus diesem. – Es ist aber das zum Grunde liegende der Zahl nach Eins, der Formbestimmung nach aber zwei. Was gezählt wird, ist nämlich der Mensch und das Gold, und überhaupt der Stoff. Denn dieß ist mehr ein Etwas, und nicht nebenbei wird aus ihm das Werdende. Die Verneinung aber und der Gegensatz gelten für beiläufig. Eins aber ist die Formbestimmung wie die Ordnung, die Musik oder irgend etwas anderes auf diese Weise bezeichnetes. – So kann man denn einerseits für zwei ausgeben die Anfänge, wie z.B. das Musikalische und das Unmusikalische, das Warme und das Kalte, das Geordnete und das Ordnunglose; andererseits aber nicht, indem es unmöglich ist, daß Gegentheile von einander Einwirkungen aufnehmen. Gelöst aber wird auch dieß dadurch, daß das zum Grunde liegende ein anderes ist. Denn dieses ist kein Gegentheil. So daß also weder mehre, als die entgegengesetzten Glieder, die Anfänge gewissermaßen sind, sondern zwei, so zu sagen der Zahl nach; noch wiederum durchaus nur zwei, weil ihnen ein verschiedenes Sein zukommt, sondern drei. Denn ein verschiedenes Sein hat der Mensch und das Nichtmusikalische; das Gestaltlose und das Erz.

Wie viele nun die Anfänge der dem Werden unterworfenen Naturwesen und auf welche Weise sie so viele sind, ist besprochen worden. Und klar ist, daß etwas zum Grunde liegen muß dem Gegensatze; die in diesem Begriffenen aber zwei sind. Auf gewisse Weise kann man dieß umgehen, denn hinreichend sein mag das eine der entgegengesetzten Glieder, durch seine Abwesenheit oder Anwesenheit die Veränderung hervorzubringen. – Das zum Grunde liegende Wesen aber lernt man kennen durch vergleichende Betrachtung. Denn wie zur Bildsäule das Erz, oder zum Stuhle das Holz, oder zu irgend einem andern das Form hat, der Stoff und das Formlose sich verhält, ehe es die Form annimmt, so verhält dieses sich zu dem Wesen, und dem Etwas, und dem Seienden. – Wir können somit Einen Anfang annehmen, der jedoch nicht dergestalt Einer ist, wie das bestimmte Etwas, sondern vielmehr Einer als Begriff. Ihm gegenüber steht die Verneinung. In welchem Sinne nun dieß zwei, und in welchem es mehre sind, ist oben gesagt worden. Zuerst wurde ausgesprochen, daß die Anfänge nur die Gegensätze sind. Hierauf, daß noch ein anderes ihnen zum Grunde liegen muß, und ihrer drei sind. Aus dem jetzt Gesagten aber ist ersichtlich, worin der Unterschied der Gegensätze besteht, und wie sich die Anfänge zu einander verhalten, und was das zum Grunde liegende ist. Ob aber Wesen die Formbestimmung oder die Grundlage sei, ist noch nicht klar. Aber daß die Anfänge drei, und wie sie drei sind, und welche ihre Weise ist, ist klar. – Ueber die Zahl nun und die Beschaffenheit der Anfänge möge diese Betrachtung genügen.

Achtes Capitel

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Daß aber einzig so gelöst wird auch der Zweifel der Alten, wollen wir nach diesem bemerken. Indem nämlich die ersten, die der Wissenschaft oblagen, die Wahrheit suchten und die Natur der Dinge, wankten sie zur Seite, gleichsam auf einen andern Weg abgeführt durch Unerfahrenheit. So sprechen sie denn, daß nichts von dem was ist, weder werde noch vergehe, um der Nothwendigkeit willen, daß da werde das Werdende entweder aus dem Seienden oder aus dem Nichtseienden. Aus beiden aber sei es gleich unmöglich: denn weder das Seiende möge werden; es sei ja schon: aus dem Nichtseienden aber könne nichts werden, denn zum Grunde liegen müsse etwas. Und so über das sich der Reihe nach Ergebende sich verbreitend, behaupten sie, daß es kein Vieles giebt, sondern allein das Seiende als solches selbst. Jene nun nahmen diese Meinung an, wegen des Gesagten. Wir aber behaupten, daß, ob aus Seiendem oder Nichtseiendem etwas werde, ob das Seiende oder das Nichtseiende etwas thue oder leide, oder irgend zu etwas werde, auf gewisse Weise kein Unterschied ist; so wie ob der Arzt etwas thue oder leide, oder ob aus dem Arzte etwas sei oder werde. Denn da dieß auf beiderlei Weise gesagt wird: warum nicht auch, daß aus dem Seienden etwas sei, oder daß das Seiende etwas thue oder leide? Nun bauet der Arzt nicht als Arzt, sondern als Baumeister, und weiß wird er nicht als Arzt, sondern als schwarzer; er heilt aber, und wird zum Nichtarzt als Arzt. Da aber wir am eigentlichsten dann von einem Thun oder Leiden des Arztes oder von einem Werden aus und durch den Arzt sprechen, wenn er als Arzt dieß leidet oder thut, so ist klar, daß auch das Werden aus dem Nichtseinenden gleichfalls das Werden aus diesem als Nichtseiendem bedeutet. Diesen Unterschied nun machten jene nicht und mußten darum abstehen. Und diese Unkunde zog so viel andere Unkunde nach sich, daß sie an kein Werden noch Sein des Uebrigen glaubten, sondern alle Entstehung aufhoben. Wir aber sagen ebenfalls, es wird zwar nichts schlechthin aus dem Nichtseienden, aber dennoch wird etwas aus dem Nichtseienden, gleichsam nebenbei. Aus der Verneinung nämlich, was an sich das Nichtseiende ist, indem etwas nicht vorhanden ist, wird etwas. Darüber aber wundert man sich, und hält es für unmöglich, daß da werde etwas aus dem Nichtseienden. Eben so aber muß man sagen, daß auch nicht aus dem Seienden das Seiende werde, außer nebenbei; daß es nämlich auch hier auf dieselbe Weise werde, wie wenn aus einem Thier ein Thier würde, und aus einem bestimmten Thier ein bestimmtes Thier, z.B. wenn ein Hund aus einem Pferde würde. Denn es würde hiemit nicht allein aus einem bestimmten Thiere der Hund, sondern auch aus einem Thiere überhaupt; aber nicht wiefern er ein Thier ist, denn vorhanden schon ist dieses. Soll aber ein Thier werden nicht auf beiläufige Art, so muß es nicht aus einem Thiere werden. Und soll ein Seiendes werden, nicht aus Seiendem, aber auch nicht aus Nichtseiendem; denn von dem Werden aus dem Nichtseienden haben wir schon gesagt, was damit gemeint ist, nämlich das Nichtseiende als solches. – Bei allem dem heben wir das Sein von allem, oder das Nichtsein nicht auf.

Eine Art, jenen zu begegnen, ist diese. Auf andere Weise läßt sich dasselbe sagen mittelst der Begriffe der Möglichkeit und Wirklichkeit. Dieß aber ist anderwärts genauer bestimmt worden. So werden denn also, wie wir bemerkten, die Zweifel gelöst, durch die gezwungen sie einiges von dem Beigebrachten läugnen. Denn deshalb irrten die Früheren so weit von dem Wege ab, der zu dem Entstehen und Vergehen führt, und überhaupt zu aller Veränderung. – Denn hätten sie jene Wesenheit erblickt, so würde diese alle ihre Ungewißheit gelöst haben.

Neuntes Capitel

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