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Ein drohender Krieg zwingt den jungen Prinz Antario in den Norden. Er begibt sich mit seinen Begleitern auf eine Reise mit ungewissem Ausgang. Eine Reise, in ein unbekanntes Land, mit fremden Wesen, einem stetig wachsenden Schatten entgegen.
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Seitenzahl: 480
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Mein Dank gilt in erster Linie meiner lieben Freundin Melissa und meiner Mutter Erika, den beiden wichtigsten Frauen in meinem Leben. Nur dank Ihrer Hilfe konnte dieses Projekt zur Vollendung kommen. Nicht weniger danke ich allen fleißigen Lesern. Ich hoffe sehr, dass Ihnen das Lesen dieses Buches Freude bereitet.
Nick Judgeman
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Die Dämmerung brach herein im Dorf Gabori, das südlich an den ersten Ausläufern des Berothatgebirges lag. Der Bauer Beret stand vor seinem Haus und betrachtete seine Felder, in denen der auffrischende Wind mit seiner unsichtbaren Hand das Meer aus Weizen hin und her bewegte. Die Tür des einfachen Holzhauses, in dem er und seine Familie lebten, öffnete sich. Seine Frau Sagritt stellte sich zu ihm "Die Nacht bricht gleich an und ich denke ein Sturm zieht herauf. Wir sollten das Vieh in den Stall bringen und die Fenster verriegeln."
"Du hast Recht, wir sollten uns beeilen, bevor das Dunkel der Nacht alles nur erschwert.“
“Sind die Kinder schon im Bett?" erwiderte Beret, ohne den Blick von seinen Feldern zu lösen. "Ja" antwortete Sie.
Das Land in dem sie lebten war einfach und bis auf das nahe Berothatgebirge äußerst unspektakulär. Viele Felder vermischt mit kleinen Wäldchen und von Zeit zu Zeit bekam man ein kleines Dorf zu Gesicht, wenn man diesen nördlichen Teil von Saratan durchreist.
Berets Felder sind schon seit Generationen im Besitz seiner Familie. Das Land wird immer vom Vater an seinen Erstgeborenen weiter vererbt. Doch Beret wurde diese Ehre nur zu Teil, weil sein älterer Bruder Marat damals von der Jagd aus den Bergen nicht zurückgekehrt war. Sein Vater Beros hatte damals, Tage nach seinem Fernbleiben mit fast allen Männern des Dorfes in den Bergen nach ihm gesucht, doch die Suche blieb erfolglos. Der Suchtrupp hatte lediglich seinen Beutel und seinen, von ihm selbstgebauten Bogen gefunden. Bitter waren die Tränen, die seine Mutter zu dieser Zeit weinte. Wenige Jahre später starb Beros und von diesem Tag an führte Beret den Hof.
Geübt waren die Handgriffe, mit denen Sagritt die Fenster verbarrikadierte, während Beret seine vier Schafe und die zwei Kühe in den kaum als das zu bezeichnenden Stall trieb.
Die Tiere schienen den nahenden Sturm schon zu spüren, aber da war noch etwas, etwas anderes was sie beunruhigte.
Sie kannten das raue Wetter in den nördlichen Landen. Auch Beret lief ein kalter Schauer über den Rücken, wenn sein Blick in die immer stärker zunehmende Dunkelheit fiel.
Später am Abend saß der Bauer gemeinsam mit seiner Frau am Kamin. Beret war so in das Schnitzen neuer Zinken für seine Harke vertieft, dass er die Geräusche des immer heftiger wütenden Sturms schon gar nicht mehr wahrnahm. Die Blitze und der darauf folgende Donner ließen Sagritt jedes Mal erneut zusammenfahren. Obwohl sie schon ihr ganzes Leben in dieser Gegend lebte hatte sie sich nie an diese ständigen Gewitter gewöhnt. Nur um ihrem Gatten nicht bei seiner Arbeit zu stören, unterdrückte sie bei jedem Donnern ein lautes Aufschreien, fuhr aber immer wieder zusammen, als würde das Haus über ihr zusammenbrechen.
So zog der Abend dahin und das Feuer brannte langsam herunter. Sagritt sah noch einmal in die Kammer der Kinder, ehe sie sich zu Bett begeben wollte. "Warte noch mein Schatz, ich bin sofort fertig", meinte Beret in ruhigem fast flüsterndem Ton, um die Kinder nicht zu wecken. Seine Frau hatte die zusammen gezimmerten Bretter, die sie als Tür zur Kammer der Kinder benutzten, noch nicht gänzlich geschlossen. "Beeil dich bitte, es war ein langer Tag, ich hoffe nur, dass ich bei dem schrecklichen Gewitter auch nur ein Auge zu bekomme." Nach kurzem nachdenklichen Zögern, gefolgt von einem langen Seufzer, den Beret sehr gut kannte, sage sie: "Wann kommt denn endlich mal wieder so richtig die Sonne hervor? Ich kann dieses Grau in Grau am Himmel nicht einen Tag länger ertragen." "Nun beruhige dich wieder, du wirst die Sonne schon noch oft genug zu Gesicht bekommen. Was mir Sorgen macht ist, wie wir ein Ferkel für den Winter in nur drei Monaten so fett bekommen sollen, dass es uns durch den Winter bringt. Ein fettes Schwein zu kaufen können wir uns beileibe nicht leisten." Als Sagritt aus ihrer nachdenklichen Starre erwachte, und ihren Mann mit dem Schnitzmesser in der Hand vor sich im Stuhl sitzen sah, legte sie ein freundliches beinahe mütterliches Lächeln auf ihre Lippen. Sie drehte sich um, schloss die Tür und sagte leise und besonnen: "Mach dir das Herz heute nicht mehr schwer, darüber lässt es sich am morgigen Tag genauso gut nachsinnen. Komm zur Ruhe mein lieber Beret." "Du hast Recht, wir gehen zu Bett, möge die Nacht und der Schlaf uns neue Kraft geben, den morgigen Tag so zu meistern wie den heutigen", entgegnete Beret, nachdem er aus seiner Denkstarre aufwachte. Er stand aus seinem alten Stuhl auf, den er vor einiger Zeit aus ein paar alten Holzresten gefertigt hatte.
Mit Holz zu arbeiten war seine große Leidenschaft. Er würde gerne für das Dorf, neben seinem Hof, als Schreiner arbeiten, aber es gibt bereits einen Zimmerer im Ort und Beret will auch niemandem im Ort Konkurrenz machen. Dafür hatte er nicht die Zeit und schon lange nicht das Geld, um sich das nötige Werkzeug anzuschaffen.
In ihrem Schlafraum angekommen, zog Sagritt ihr einziges Nachthemd an. Es war einfach genäht und bestand zum Teil aus zusammengenähten anderen Kleidungsstücken, die schon ausgedient hatten. Das Bett der beiden war, genau wie das der beiden Kinder, die zusammen in einem Bett schliefen, aus einem einfachen Holzrahmen, der mit Brettern bedeckt war und auf dem einige Felle lagen. Als Kissen musste ein zusammen gebundenes Bündel alter Tücher und Stofffetzen ausreichen. Sie hatten nicht viel, aber was sie besaßen gehörte auch wirklich ihnen. Sie mussten keine Pacht an jemanden entrichten, nur die anfallenden Steuern an den König, die zu ihrem Glück in Saratan nicht sehr hoch waren.
Sagritt schlief sehr schlecht in dieser Nacht. Der Sturm und quälende Albträume raubten ihr den Schlaf. Beret hingegen schlief wie immer, tief und fest. Ein lauter Knall und das darauf folgende Brüllen und Gejaule der Tiere im Stall ließ selbst seinen Schlaf ein jähes Ende finden. Sofort saß er aufrecht im Bett und blickte zu seiner Frau herüber, die völlig verängstigt neben ihm lag und die Augen weit aufgerissen hatte. "Der Blitz hat in unseren Stall eingeschlagen" gab sie fast hysterisch von sich. Doch Beret kannte das Geräusch wenn ein Blitz in den Boden fährt, und das war es seiner Meinung nach nicht gewesen. Ein beklemmendes Gefühl stieg in ihm auf, doch um seine Frau nicht noch weiter aufzuregen, sagte er ihr nichts davon. In dem Moment sprang die Tür zu ihrem Zimmer auf und der nächste Schreck führ durch ihre Glieder. Laut durcheinander redend und mit einem Ausdruck auf ihren jungen Gesichtern, als hätten sie einen Geist gesehen, kamen Mortett und Karis, die beiden Mädchen der beiden ins Zimmer gestürmt. Sagritt erwachte aus ihrer angstgeschürten Starre und fing an, die Kinder zu beruhigen.
Immer noch über das ungewöhnliche Geräusch des Blitzschlags nachdenkend, zog Beret seine Kleider an und fing an, sich die Schuhe zu binden. "Gehst du nach dem Vieh sehen, Beret?" "Ja sicher, es hört sich so an, als wären die Tiere frei gekommen, außerdem muss ich nachsehen, ob Feuer ausgebrochen ist. Es hört sich so an, als entfernen die Tiere sich vom Hof, ich will hoffen, dass sie noch in der Weide sind" entgegnete Beret. "Ich kann hören, wie das Blöken der Schafe sich immer weiter entfernt, und noch ein anderes Geräusch, das nicht von unseren Tieren stammt" seine letzten Worte hatte er beim Hinausgehen für sich selbst gemurmelt.
Als Beret das Haus verließ, umfing ihn Dunkelheit. Ein kalter Wind blies ihm den Regen ins Gesicht. Mit seiner Rechten griff er neben die Tür und bekam den Stiel seiner alten Holzfälleraxt zu fassen. Er packte sie mit der linken unter dem Kopf und mit der rechten ganz unten am Stiel, immer bereit, einen gezielten Schlag auszuführen. Aber gegen wen? Das Dorf war zwei Kilometer entfernt, und wer sollte schon bei so einem Wetter hier raus kommen? Aber das beklemmende Gefühl blieb. Etwas stimmte nicht.
Der Regen ließ nach, doch immer noch zuckten Blitze, wenn auch einige Kilometer entfernt und erhellten für einen kurzen Augenblick die Nacht. Beret machte sich auf den Weg über den Hof zum Stall, dabei wäre er fast gefallen, als er über einige vom Wind herbei gewehte Äste stolperte. Als er den Stall erreichte, war nach seinem ersten Blick zu urteilen, kein Schaden zu sehen, doch die einzige Lichtquelle waren die Blitze in der Ferne, die jetzt immer weiter nach Osten zogen.
Der Bauer ging um den Bretterverschlag herum und öffnete die Pforte zum Gehege der Tiere. Die rostigen Nägel, die das aus alten Brettern zusammen gezimmerte Gebilde in den Angeln hielten, gaben einen kratzenden Ton von sich und Beret dachte nur, wenn wirklich jemand hier draußen ist, dann weiß derjenige jetzt, dass ich hier bin. Mit vorsichtigen Schritten bewegte er sich weiter um den Stall herum, um zum Eingang zu gelangen. Als er endlich sein Ziel erreicht hatte, konnten seine Augen in der Dunkelheit keine Veränderung feststellen. Plötzlich durchbrach ein weiterer Blitz die Finsternis und es traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Das Tor, das die Tiere von der Weide trennte, war weg, es war komplett verschwunden. Als der nächste Blitz die Nacht erhellte, konnte er das ganze Ausmaß der Zerstörung sehen.
Das Tor war einfach aus den Angeln und mit einem kleinen Teil des Stalls herausgerissen worden. Aber es waren keine Brandspuren oder sonstige Anzeichen eines Blitzschlags vorhanden, und wo ist das Tor? Dieser Gedanke spukte Beret immer wieder durch den Kopf. In der Nähe hörte er immer noch seine Schafe blöken, doch plötzlich nicht mehr. Stille umfing ihn, der Wind hatte abgeflaut, nur ein gelegentliches Donnern in der Ferne war zu hören. Das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, wurde langsam aber sicher zur Gewissheit.
Was ist hier passiert und warum hörte er die Schafe nicht mehr? Er bewegte sich rückwärtsgehend von seinem Stall weg, um sich den Schaden aus einigen Meters Entfernung anzusehen, als er unverhofft über etwas fiel. Etwas verwirrt versuchte Beret, sich wieder hoch zu stemmen, als er unter sich Holz spürte. Es waren einige Bretter des Tores. Sie lagen überall verstreut. "Bei meiner Treu und Glauben, welche Kraft hat das Tor denn so verwüstet?" flüsterte der Bauer leise vor sich hin. Nachdem Beret wieder auf seinen Füßen stand, wand er sich Richtung Norden, die Richtung, aus der er die letzten Laute seiner Schafe gehört hatte. Nach einigen hundert Metern unbeholfenen Stapfens durch die Dunkelheit sah er bei einem erneuten Blitz ein helles Fellknäuel einige Schritte vor ihm auf dem völlig durchnässten Boden liegen. Er näherte sich vorsichtig dem Tier, es könnte ja noch am Leben sein und er wollte es nicht erschrecken. Doch als er sich dem Tier nähert, muss Beret zu seinem Entsetzen feststellen, dass sein Schaf tot war.
Was der Bauer nicht bemerkt hatte, war, dass das Tier von oben bis unten aufgerissen war und die Augen des Schafs aus ihren Höhlen entfernt wurden. Beret kniete sich neben das Tier und versuchte es in der Hoffnung, dass es noch lebte zum Aufstehen zu bewegen. Erst als er das Schaf anfasste und seine Hände bei dem darauf folgenden Blitz betrachtete, traf ihn die Wahrheit wie ein Hammerschlag in den Rücken.
Entsetzt und verwirrt zugleich sprang er auf und sah sich um. Ein Blitz schlug ganz in der Nähe ein und erhellte die Weide. Jetzt sah er auch die anderen Tiere, denen das gleiche Schicksal wie ihren Artgenossen widerfahren war. Auch die beiden Kühe waren auf dieselbe Weise verstümmelt worden. Mark und Bein zerfressende Angst und Fassungslosigkeit nahmen, wie ein schwarzer Schatten Besitz von Berets Seele und Verstand. Nach wenigen Augenblicken bekam er wieder einen klaren Kopf und dachte darüber nach, was nun werden sollte, ohne die Tiere. Beret sann noch darüber nach was den vier Schafen und zwei Kühen wohl zugestoßen sei, als ihm der Gedanke kam, was die Tiere auf so entsetzliche Weise getötet hat, könnte auch ihm und seiner Familie gefährlich werden. Beret nahm die Beine in die Hand und lief so schnell er konnte zum Haus zurück. Er stolperte oft und verletzte sich dabei an Händen und Knien, doch schließlich erreichte er wieder den Stall und wollte ihn umrunden, als er erneut stolperte und mit der linken Hand in einen scharfen metallischen Gegenstand fiel. Blut lief aus der klaffenden Wunde in seiner Hand. Er spürte kaum einen Schmerz vor Aufregung. Als der Bauer den Gegenstand betrachtete, der ihn so stark verletzt hatte, lief ihm ein kalter Schauer durch jede Faser seines Körpers. In seiner Rechten hielt Beret eine Waffe, halb Axt halb Schwert, nur kürzer. Noch nie hatte er in seinem vom Krieg weitgehend verschontem Leben eine derartige Waffe gesehen. Panik überfiel ihn und alle Wunden und Schmerzen waren vergessen, er wollte nur noch zu seiner Frau und den Mädchen, um sich ihrer Unversehrtheit zu vergewissern. Wenige Augenblicke später hat er das Wohnhaus erreicht und steht vor der Eingangstür und zögert.
Was wenn ihnen dasselbe widerfahren war wie seinem Vieh, konnte er den Anblick ihrer geschundenen Körper ertragen? Und wie sollte es dann weitergehen? Er konnte doch nicht ohne sie leben. Schnell fasste Beret sich wieder und schüttelte den Herz und Seele zerreißenden Gedanken ab und betrat das Haus. Zu seiner Verwunderung waren weder die Leichen, noch seine völlig verängstigten Kinder, noch seine Frau im Haus. In rasender Panik durchsucht Beret jeden Raum seiner kleinen Hütte, doch ohne Erfolg. Nur von dem Gedanken bestärkt, seine Familie zu retten, schloss er den Griff um seine Axt fester und stürmte aus dem Haus. In seinem Kopf gab es nur eins: seine Frau und die Kinder.
Völlig planlos rannte er in das nahe gelegene Weizenfeld hinein. Er lief einfach weiter, Tränen quollen aus seinen Augen bis er plötzlich auf eine Spur von platt getretenem Weizen traf. Wie besessen folgte Beret der Spur bis zum einzigen Baum, der in seinem Feld stand. Fassungslosigkeit und schier unendliche Trauer nahmen von Beret dem Bauer besitz, als er seine Familie, sein ein und alles, verstümmelt, nackt und mit Schlamm beschmiert in der allein stehenden Zeder hängen sah.
Völlig am Boden zerstört kniete Beret vor dem Baum an dem seine Frau und die beiden Mädchen hingen. Dunkelheit. Erst als er Geräusche aus östlicher Richtung auf ihn zukommen hörte, hörte Beret auf zu weinen und kommt wieder zu sich.
Er richtet sich auf und umschließt seine Axt, die er noch immer bei sich hatte, mit beiden Händen. Beret dreht sich in einer schnellen Bewegung um und will in die Richtung seines Feindes losstürmen. Sein Angriff hatte ein Ende gefunden, bevor er überhaupt begonnen hatte. Er sah in das Gesicht einer Kreatur, zur Hälfte Mensch, dem Körper nach zu urteilen, aber mit einer entsetzlichen Fratze und langen von unten nach oben ragenden Hauern. Die Haut des Wesens war grünbraun und seine Körperhaltung war gebeugt. Entsetzen und Furcht bestimmten die Gesichtszüge des Bauern, der in seinem Leben noch nie einem solchen Wesen begegnet war.
"Deine Zeit ist abgelaufen Mensch, genau wie die deiner Rasse, euch wird alle der Tod ereilen " gab das Wesen mit einer tiefen und rauen Stimme von sich.
Das nächste und letzte was der Bauer aus Saratan spürte war ein kalter durchdringender Schmerz in seinem Rücken, bevor er tot in sein Weizenfeld fiel.
Kalter Morgentau lag noch auf dem Land Aritea als Prinz Antario aus seinem tiefen Schlaf erwachte. Er öffnete seine Augen und sofort erhöhte sich sein Pulsschlag. Heute war der Tag der Tage in seinem Leben. Heute wurde ihm zu Ehren ein großes Fest veranstaltet. Es war der Tag seines Baralat, die Schwelle eines jeden Mannes in Aritea vom Jungen zum Mann.
Mit dem Erreichen der Baralat, bekam er seine Mündigkeit zugesprochen. Lange schon sehnte er diesen Tag herbei. Rasch zog er sich seinen feinsten Rock an und lief aus seinem Zimmer auf den langen Flur. Der Palast seines Vaters Bario war ein gewaltiger Bau im Süden von Aritea. Antario war ein junger Mann von stattlichem Körperbau mit schwarzen langen Haaren.
Sein Vater war Bario König von Aritea, zudem hatte er noch fünf Brüder und eine Schwester. Ihr Name war Melest und Antario war gerade auf dem Weg zu ihr, denn er wollte diesen Tag mit ihr an seiner Seite verbringen. Als Antario an der Tür zu Melests Gemächern ankam und klopfte, war sie nicht da. Eine Dienstmagd sagte ihm, dass er sie im Garten finden würde, wo sie sich Blumen für einen Haarkranz pflücken wollte. Sofort machte sich der junge Prinz auf den Weg.
Unterwegs lief er Morset einem sehr alten und weisen Mann über den Weg. Morset hatte schon König Bestet, Barios Vater mit seinem Rat zur Seite gestanden. Die Last der Jahre hatte seinen Rücken gebeugt und viele Winter hatten ihre Spuren in seinem Gesicht hinterlassen doch seine Augen strahlten stets wachsam. Mit einem finsteren Blick beäugte er den Jungen Prinzen und brachte ihn mit einer kurzen Geste zum Stehen.
„Warum haben wir es denn so eilig? “ wollte der alte Mann wissen.
„Ich wollte zu Melest, sie ist im Garten. Wisst ihr denn nicht welcher Tag heute ist?“ entgegnete Antario aufgeregt.
„Doch, wie könnte ich das vergessen? Ihr sprecht seit Wochen über nichts anderes, und doch ist es kein Grund wie ein wild gewordener Wolf durch die Flure zu hetzen. Ab dem heutigen Tag wird man euch kindisches und unpassendes Verhalten nicht mehr mit einem Lächeln verzeihen, soviel sei euch gesagt. Aber heute ist wohl nicht der richtige Tag euch zu tadeln oder zu belehren. Geht zu eurer Schwester sie erwartet euch sicher schon“.
Antario verabschiedete sich von Morset und lief weiter den Flur entlang, bis zum Eingang in den Palastgarten.
Er sah seiner Schwester noch eine Weile beim Blumenpflücken zu, ehe er zu ihr ging. Sie trug eine tiefgrüne Tunika und einen goldenen Gürtel darüber. Sie war wunderschön anzusehen. Manche sagten: Sie sei die schönste Frau, die je in Aritea gelebt hätte. Antario und seine Schwester verband eine sehr tiefe Freundschaft.
Viele Sommer hatten sie zusammen bei ihren Verwandten auf dem Land verbracht, wo es so manche Abenteuer zu bestehen galt.
Antario näherte sich seiner Schwester und sie sah ihn an und lächelte. Ihr Lächeln war so wunderschön, dass es wohl niemanden gab, der ihm hätte widerstehen können.
„Melest meine geliebte Schwester deine Schönheit scheint sich von Tag zu Tag selbst übertreffen zu wollen. Wie geht es dir an diesem wundervollen Morgen?“ sagte Antario.
„Besser denn je, aber es geht heute wohl eher darum wie du dich fühlst, schließlich ist das dein Tag heute“ antwortete sie etwas sarkastisch. Melest hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie das Baralatfest, welches nur für Männer ausgerichtet wurde, für ungerecht hielt. Frauen könnten ebenso gute Entscheidungen fällen wie Männer und ebenso tapfer sein, wenn man sie ließe.
„Ich bin so aufgeregt“ sagte Antario und überspielte ihre Bemerkung einfach.
„Ich habe dich aufgesucht, um dich zu fragen, ob du nicht diesen Tag mit mir an meiner Seite verbringen möchtest. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das alleine durchstehe und ich möchte, dass du diesen Tag ebenso genießen kannst wie ich.“ sagte Antario. Melest willigte etwas widerwillig ein und machte sich auf zu ihren Gemächern, um sich für die Festlichkeiten fertig zu machen. Die Stunden bis zum Beginn der Feierlichkeiten kamen Antario vor wie Tage.
Am späten Nachmittag betraten Melest und Antario endlich zusammen den großen Saal in der Mitte des Palastes. Viele hundert Gäste aus allen Teilen Ariteas waren gekommen, um Antario zu gratulieren. Die Gäste bestanden aus hochrangigen Offizieren und Adeligen mit ihren Familien. Jeder begrüßte den jungen Prinz und wünschte ihm alles Gute für seine Zukunft. Als alle begrüßt und alle Glückwünsche ausgesprochen waren, begann das Ritual.
Alle Anwesenden bildeten einen Kreis um den Thron Barios und Antario kniete sich vor ihn. Bario stand auf und blickte auf seinen Sohn herunter. Bario war ein großer Mann mit breiten Schultern und einem ernsten Gesicht. Nur seine grauen Harre ließen auf sein hohes Alter schließen. Ein Diener reichte ihm ein Schwert auf einem Kissen. Bario nahm es und hielt es hoch, der blanke Stahl strahlte im Fackelschein. Bario rief den Reim für seinen Sohn, welcher schon seid vielen Jahren beim Baralat gesprochen wird in den Saal und seine Worte schmetterten durch den Raum wie Donnerschläge.
„Vor zwanzig Jahren erwacht,
vom Land und vom Leben zum Manne gemacht.
Führe dies Schwert mit Stolz und Verstand,
Beschütze die Schwachen in deines Vaters Land“
Antario stand auf mit gebeugtem Kopf und sein Vater reichte ihm das Schwert. Er nahm es und bewunderte das Schwert eine Weile ehrfürchtig. Antario drehte sich um und sah in die Runde, er wusste nicht recht, wie er sich jetzt verhalten sollte. Er verbeugte sich vor seinen Gästen und anschließend vor seinem Vater und alle Anwesenden jubelten und klatschten in die Hände.
Nachdem der Jubel verhalt war, setzten sich alle an die langen Tische im Saal und die zahlreichen Diener begannen das Essen aufzutragen. Musik spielte und die Menschen feierten und tanzten. Die Feier nahm einen ausgelassenen und friedlichen Verlauf, bis ein Mann den Saal betrat, der offensichtlich nicht aus Aritea zu stammen schien. Er hatte blondes Haar und trug einen grünen Mantel, der seine besten Tage schon lange hinter sich hatte. Er trat vor den König und verneigte sich bevor er sich als Markur vorstellte.
„Seid gegrüßt ehrenwerter König Bario aus Aritea Sohn Bestets. Ich bin Markur aus Saratan, erster Bote meines Königs Eofelt und bin den weiten Weg aus dem Norden hierher geritten, um euch um Hilfe zu ersuchen „sagte Markur und verneigte sich erneut.
„Nun, dann sprich Markur aus Saratan“ antwortete Bario, dem diese Störung ganz offensichtlich nicht gefiel.
„Verzeiht mein Herr, aber die Nachricht, die ich zu überbringen habe ist ganz gewiss nicht für Jedermanns Ohren bestimmt“.
„Dann muss sie warten, denn wie ihr wohl seht, gibt es eine Feier meines Sohnes zu Ehren. Ich werde mir später anhören, was ihr zu sagen habt“. Der Bote verbeugte sich und trat zurück, um sich an einen Tisch abseits der anderen zu setzten und etwas zu essen, während die Feier ihren normalen Verlauf wieder aufnahm. Die Nacht verstrich und es war schon weit nach Mitternacht, ehe die letzten Gäste sich zu Bett begaben. Der Bote aus Saratan saß immer noch an seinem Tisch und wartete darauf, seine Nachricht zu überbringen. Mit einem Wink bat Bario ihn vorzutreten. Es waren nur noch Bario, seine Söhne und seine Tochter Melest anwesend und warteten darauf, was Markur zu sagen hatte.
„Ich trete vor euch König Bario mit dem Ersuch um Hilfe in höchster Not. Krieg ist heraufgezogen, unser Land wird überfallen und wir können uns nicht mehr aus eigener Kraft dagegen wehren. Orkverbände kommen aus dem Norden und brennen unsere Dörfer und Höfe nieder. Aus diesem Grund bittet mein König Eofelt euch um Unterstützung“ sagte Markur.
„Orks sagst du? Selbst mein Vater könnte sich nicht mehr daran erinnern, wann zuletzt ein Ork einen Fuß über die Berge gesetzt hat“ antwortete Bario ungläubig.
„Niemand weiß, wie sie über die Berge kommen. Doch sie kommen zu Tausenden und verwüsten unser Land. Wenn wir sie nicht aufhalten, kann jedes Land in Athgarat das nächste sein. Niemand wird mehr sicher sein“.
„Das ist eine schlimme Nachricht, die du uns bringst. Wer sagt mir, dass sie wahr ist?“.
„König Eofelt schickte mich mit dieser Nachricht zu euch weil die Zeit drängt. Er setzt auf euer Vertrauen und darauf, dass ihr das Richtige tut“. Lange dachte König Bario angestrengt nach, ehe er antwortete.
„Ich kann euch nicht helfen. Zu frisch sind die Wunden, die mein Volk und die Menschen aus Armaßien einander zugefügt haben. Wenn ich meine Streitkräfte in den Norden schicke, werden sie über uns herfallen. Nur in allergrößter Not würde ich dies tun. Ohne Beweis kann ich eurer Bitte nicht nachkommen. Es tut mir leid“.
„Ich kann euch keinen Beweis geben, mein Herr“.
Antario lauschte den Worten des Boten und verspürte bei jeder Silbe eine größere innere Unruhe. Er wusste, dass er etwas tun musste. Erst gegen Ende des Gesprächs wurde ihm klar, was er zu tun hatte.
„Ich werde gehen“ sagte er entschlossen. Alle Beteiligten sahen ihn an und ganz besonders seine Schwester suchte seinen Blick.
„Ich werde nach Norden reiten und dir Nachricht bringen. Wenn es noch nicht zu spät ist, werden wir gegen die Orks reiten“. Keiner sagte ein Wort, bis Bario aufstand und zu seinem Sohn ging und ihm tief in die Augen sah.
„Du bist jetzt ein Mann, mein Sohn und ein schlechter Vater wäre ich, würde ich von dir verlangen zu gehen, doch du wählst aus freien Stücken diesen Weg. Ich werde dich nicht aufhalten und du erweist deinem König einen großen Dienst. Wenn dies also dein Schicksal ist, so soll Lester dich begleiten. Stets war er dein Weggefährte und Lehrmeister“. Der Bote war mit dieser Entscheidung nicht sonderlich zufrieden, hatte er doch gehofft, dass der König seine Streitmacht auf den Weg schicken würde. Doch er musste sich dem Willen des Königs beugen. Markur machte sich am selben Abend noch auf den Weg, um seinem König zu berichten.
Antario und seine Familie saßen noch lange an diesem Abend zusammen und sprachen über die Aufgabe, die vor ihm lag.
Die ersten Sonnenstrahlen streichelten lautlos übers Land. Antario war schon lange wach. Er konnte diese Nacht eh nicht schlafen. Er stand am Fenster seiner Gemächer, und seine Gedanken wanderten umher. Er dachte viel über die bevorstehende Aufgabe nach, aber auch über ihre Konsequenzen. Sollte sich die Aussage des Boten bewahrheiten, was würde aus dieser Welt werden, sollte es den Menschen nicht gelingen, die schwarzen Horden aus dem Norden zu bezwingen? Wäre er schnell genug wieder zu Hause, um seine Familie zu warnen oder war jetzt schon alles zu spät? Haben die Orks die nördlichen Drei schon überrannt? Sein Herz war schwer und voller Angst als es plötzlich an die Tür klopfte. Er wusste sofort wer vor der dicken Eichentür auf Einlass wartete und mit einer Stimme, die nicht gleich auf seinen Gefühlszustand schließen ließ, bat er die Person einzutreten. Es war der alte Morset, der in schleichendem Tempo und leicht gebückt den Raum betrat. „Guten Morgen junger Prinz, wie fühlt ihr euch heute Morgen kurz vor dem Beginn eurer großen Reise?“ fragte er mit seiner kratzigen alten Stimme. „Ich fühle mich großartig, ich könnte Bäume ausreißen.“ entgegnete Antario und versuchte, seinen Worten so viel Schwung wie möglich mitzugeben.
„Ihr seid ein sehr schlechter Lügner mein junger Freund. Und aus diesem Grund empfehle ich euch, den Weg der Lüge nur dann zu wählen, wenn ihr keine andere Wahl habt. Also was beschäftigt euch?“ „In all den Jahren habe ich es noch nie geschafft euch etwas vor zu machen mein Freund, und natürlich habt ihr Recht, wie immer. Es geht um meine bevorstehende Reise. Was ist wenn ich zu spät komme oder versage?“ „Ich denke, dass nichts dergleichen eintreffen wird. Wenn die nördlichen Länder schon gefallen wären, dann hätten wir schon früher davon erfahren und nicht erst durch einen Boten, den sie selbst geschickt haben. Versagen werdet ihr nicht. Ihr seid zu dieser Reise berufen. Als ihr euch gestern Abend für diese Aufgabe gemeldet habt, da sprach das erste Mal der Mann aus euch und ein ehrenhafter Mann seid ihr. Ehrenhafte Männer, die sich aus eben solchen Gründen in ein Abenteuer stürzen, deren Reisebegleiter sind Glück und Mut. Aus diesem Grund hege ich gegen euer Vorhaben nicht die geringsten Zweifel.“ Ein ermutigendes Grinsen machte sich auf Morsets altem Gesicht breit. Antario bedankte sich bei seinem Freund mit einem Lächeln und die beiden fielen sich zum Abschied in die Arme. Antario bemerkte, dass selbst bei dem Mann, von dem er dachte, dass er die Kraft ewiger Jugend in seinem Herzen besaß, die Haltung und Stärke nachgelassen hatten. „Bevor ich alter Greis es wieder vergesse, ich wollte euch noch ein Geschenk geben, dass euch auf eurer Reise Glück bringen soll.“ Morset redete noch während er in seinem Umhang kramte. „Ich bekam dieses Messer vor sehr langer Zeit, als ich etwa in deinem Alter war, von jemanden ganz besonderem geschenkt, und jetzt möchte ich, dass ihr es tragt. Ich hoffe, es gibt euch genauso viel wie mir.“ Das Messer war eine halbe Elle lang und hatte einen kunstvoll verzierten Holzgriff, die Scheide war aus dunkelrotem Leder. Als Antario das Messer aus der Scheide zog, schien es grünlich zu leuchten, kein richtiger Schein, nur ein leichtes Glühen von dem man nicht genau sagen konnte, ob man es nun gesehen hatte oder nur gedacht man hatte es zu sehen. Ehrfürchtig betrachtete er das Messer, während er es ganz vorsichtig in seinen Händen wiegte. Die Verzierungen und Zeichen, die auf die Schneide geätzt waren, waren schon sehr alt und doch wies das Messer keinerlei Macken oder sonstige Verschleißerscheinungen auf. „Es ist wunderschön, von wem hast du es bekommen?“ fragte Antario während er das Messer weiter ehrfürchtig betrachtete.“ Dieses Messer gehörte einst Artis dem Kriegerkönig. Er gab es mir einige Jahre bevor er verschwand. Kennst du noch die Geschichte der sieben Unsterblichen Krieger?“ fragte der Alte.“ Nur die, die man uns als Kinder erzählt hat.“ „Dann werde ich sie dir erneut erzählen, denn dieses Wissen über diese uralten Helden darf niemals in Vergessenheit geraten. Die sieben Kriegerkönige lebten in einer Zeit tausend Jahre vor deinem Urgroßvater. In einer Zeit voller Krieg und Leid. Eine Zeit, in der die sieben Königreiche gegeneinander Krieg führten. Dieser Krieg tobte auf ganz Athgarat, die Orks lebten damals noch viel weiter im Norden, nur wenige von ihnen wagten sich zu den Menschen. Der Krieg dauerte so lange bis sieben mutige Krieger, die besten und gefürchtetsten aus jedem Land, sich trafen und den Frieden beschlossen. Als die sieben Krieger ihre Waffen niederlegten, folgten alle Soldaten aller sieben Königreiche ihrem Beispiel. Die Könige, die es niemals geschafft hätten, ihre Differenzen beizulegen, hatten nun keine andere Wahl, als untereinander Frieden herrschen zu lassen. Athgarat konnte sich erholen und eine lange Zeit des Friedens untereinander brach an.
Dafür belohnte Athgarat die sieben mutigen Männer mit der Gabe der Unsterblichkeit und verlieh ihren Schwertern große Macht, auf dass sie ewig den Frieden bewahren.“ Antario sah den alten Mann mit großen Augen an. Er konnte es nicht glauben, dass dieser Mann, den er schon sein ganzes Leben lang kannte, mit einem der sieben Kriegerkönige befreundet war oder wohlmöglich noch ist. Denn nur weil niemand weiß wo Artis sich aufhielt, muss dass noch lange nicht heißen, dass er tot war. „Was ist aus ihm geworden?“ fragte Antario. „Ich weiß es nicht mein Junge. Er hat dieses Land vor vielen Jahren verlassen, niemand hat ihn seit her gesehen.“ „Was ist passiert, warum ist er gegangen? Er könnte uns im Kampf gegen die Orks, sollte es einen geben, eine große Hilfe sein.“ „Sein Herz war schwer und sein Geist müde von den ewigen Entbehrungen des Kampfes “ sagte Morset. „Aber du sagtest doch, dass viele Jahre Frieden herrschte“ entgegnete der junge Prinz. „Das war auch so. Doch dieser Frieden musste verteidigt werden. Es gab und wird immer dunkle Mächte geben, die versuchen werden den Frieden zu stören und die Macht an sich zu reißen. Aber genug von der Vergangenheit, du bist jung und solltest dir nicht zu viele Sorgen machen über Dinge, die waren. Vielmehr über die Aufgabe, die vor dir liegt, junger Prinz“. „Ich danke dir mein Freund für alles und hoffe, dass wir uns bald wieder sehen“.“ Das hoffe ich auch junger Prinz.“.
Mit diesen Worten verabschiedete sich der alte Mann und verließ den Raum genauso leise wie er ihn zuvor betreten hatte. Antario sah noch eine kleine Weile aus dem Fenster, bevor er sich fertig machte. Als er in den Hof hinaustrat, hatte die Sonne schon begonnen das Land mit goldenen Strahlen zu fluten. Er trug einen dunklen Lederharnisch mit einem dunkelgrünen Umhang darüber. Sein Schwert und das Messer, das Morset ihm zuvor gegeben hatte, hing an einem alten abgetragenen Ledergürtel. Wer es nicht besser wusste, hätte ihn niemals der königlichen Familie zuordnen können. Nur das königliche Amulett, das er unter seiner Kleidung trug, verriet seine Herkunft. Es behagte ihm nicht seine Abstammung zu verleugnen, aber außerhalb dieser Burg konnte es einem Mitglied der Königsfamilie schnell zum Problem werden. Man könnte ihn gefangen nehmen und ein Lösegeld fordern oder ihn gar aus politischen Motiven heraus töten. Alle waren versammelt, um sich von ihm zu verabschieden. Und das tat er ausgiebiger als es seinem Begleiter, dem Schwertmeister Lester, behagte. Doch er hielt sich mit Einwänden zurück. Viele Tränen liefen über die Wangen Antarios, seiner Schwester und seiner Mutter. Als der Prinz und Lester schließlich das Tor der Festung passierten, sah Antario sich noch einmal um und erkannte den Stolz, der im Gesicht seines Vaters zu sehen war. In diesem Moment wusste er, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Seite an Seite ritt er mit seinem Freund und Begleiter Lester voller Hoffnung dem strahlenden Sonnenaufgang entgegen.
Nachdem Antario und Lester die Festung Barios hinter sich gelassen hatten, brach Lester das seit einiger Zeit vorherrschende Schweigen und sagte: “ Mein Prinz, das Amulett, das ihr um den Hals tragt, zeigt es niemandem.
Ich werde euch auch nur noch bei eurem Namen ansprechen. Ihr müsst, solange wir unterwegs sind, auf euren Titel verzichten. So leid es mir tut aber euer Vater hat nicht nur Freunde in diesem Land.“ “ Das sehe ich ein, begrüße es sogar, zum einen kann ich mich mit dir unbefangener unterhalten und zum anderen hatte ich für die offiziellen Anreden für mich eh nichts übrig. Also bin ich einfach nur Antario und du einfach nur Lester, zwei Reisende auf dem Weg in den Norden.“ entgegnete Antario. „Wir sollten uns einen guten Grund für unsere Reise in den Norden überlegen, denn niemand begibt sich freiwillig in Kriegsgebiet.“ Beide schwiegen und überlegten eine Weile.
Schließlich sagte Lester:“ Es wird wohl am besten sein, wenn wir den Leuten erzählen, dass wir Jäger sind und wollen in den nördlichen Wäldern die großen Bären und Hirsche jagen, von denen man schon so viel gehört hat.
Wir müssen so tun als ob wir an die Gerüchte über den Krieg mit den Orks nicht glauben, sollte uns jemand darauf ansprechen.“ “ Aber wenn wir gerade erst durch einen Eilboten von dem Krieg erfahren haben, wie sollen dann die Menschen auf der Straße davon wissen?“ “ Je nördlicher uns unser Weg führt, desto eher wissen die Leute davon.“ “ Du hast recht, ich denke wir sollten am besten so wenig wie möglich von uns preisgeben.“
Wortlos setzten beide ihren Weg fort. Sie ritten vorbei an einigen kleinen Ortschaften mit den anliegenden Feldern und kleinen Baumgruppen, die zwischen den Wiesen standen. Die wenigen Bauern, denen sie begegneten, beachteten sie kaum. Der eine oder andere grüßte höflich, doch die Mehrzahl der Leute ging stumm ihren Beschäftigungen nach. Die Sonne hatte schon einige Stunden ihren höchsten Zenit überschritten, als sie den großen Wald erreichten. Ein Mann mit einem Eselskarren kam ihnen entgegen. Er hatte Stroh auf seinem alten von der Witterung stark mitgenommenen Wagen, geladen. Er begrüßte die Beiden mit dem Abnehmen seines zerknitterten Hutes. „Wohin des Weges meine Herren?“ sagte der Mann mittleren Alters.“ Warum fragt ihr mein Herr?“ gab Lester misstrauisch zurück, und beäugte den Mann und sein Karren eingehend. „Es sieht mir so aus, als ob ihr auf dem Weg in den Wald seid.“ “Und wenn es so wäre, was würde dagegen sprechen den Wald zu bereisen?“ gab Lester dem Bauern, nun leicht gereizt zur Antwort.
„Keine Sorge junger Herr ich habe nichts Böses im Sinn, ich wollte euch nur warnen. Es geschehen seltsame Dinge dieser Tage im Wald.“ „Wovon sprecht ihr?“ fügte Antario sich in das Gespräch mit ein. Leicht irritiert sagte der Mann:“ Menschen verschwinden und immer wieder hört man von den Überfällen der Banditen. Diese Kerle, eine Gruppe von etwa einem Dutzend Männern, hat ihr Versteck irgendwo in diesem Wald. Ich an eurer Stelle würde, sollte ich heute noch in den Wald gehen, sehen dass ich vor Einbruch der Nacht wieder draußen bin. Das ist nur ein gut gemeinter Rat.“
Dem Mann nun merklich wohl gesonnener, bedankte sich Lester bei dem Bauern und versprach seinen Rat zu beherzigen. Mit einem gleichgültigen Schulterzucken verabschiedete sich der Mann und zog mit seinem Esel weiter.
Nach kurzer Absprache über das Für und Wider entschlossen sich die Beiden zu versuchen den Wald noch vor Sonnenuntergang zu durchqueren.
Die Sonne war stetig auf ihrem Weg nach Osten und Antario und Lester auf dem Weg nach Norden. Die Straße zog sich schlängelnd durch den Wald und die dunkelgrünen Nadeln der dicht stehenden Tannen ließen so gut wie keinen Sonnenstrahl zum Waldboden durch. Je weiter der Tag voranschritt, desto finsterer wurde es.
Ein beklemmendes Gefühl befiel den jungen Prinzen und ließ ihn schaudern.“ Ob es wohl die richtige Entscheidung war, den Wald heute noch zu durchreiten?“ sagte er mit leiser Stimme. Er traute sich nicht seine Bedenken lauter auszusprechen, denn der Gedanke beobachtet oder gar verfolgt zu werden, bemächtigte sich seines Verstandes zunehmend mit jedem Schritt, den sein Pferd machte. „Ich denke nicht, dass wir etwas zu befürchten haben mein Freund. Dieser alte Mann war nichts weiter als ein abergläubischer Schwarzseher. Mag sein, dass sich in diesen Wäldern Banditen herumtreiben, aber der Wald ist groß und wer weiß, wo diese Leute solche Geschichten her haben.“
Doch der Versuch von Lester, Antario zu beruhigen, verfehlte seine Wirkung.
Die Dämmerung brach an und es war immer noch kein Ende des immer grünen Tunnels vor ihnen in Sicht.
Die Zeit verstrich und das gleichmäßige Geräusch der Pferdehufe ließ Antario seine Gedanken über die möglichen Gefahren fast vergessen. Plötzlich stellte sein Pferd die Ohren auf und fing an zu bocken. Sofort waren seine Bedenken über einen möglichen Banditenüberfall wieder da. Erst als Lesters Pferd ebenfalls etwas zu wittern schien, schwangen seine Gedanken in panische Angst um. Beide Pferde waren stehen geblieben und trippelten nervös auf der Stelle. Das dumpfe Surren einer vorschnellenden Bogensehne übertönte die Stille des Waldes. Das Geräusch lies Lesters Blick blitzschnell nach links schnellen, als gleich darauf ein Pfeil in einem leichten Bogen zwischen Lester und Antario hindurch, auf der anderen Seite des Weges in den Wald flog. Im nächsten Moment drangen aus allen Richtungen Stimmen zu den beiden Reisenden vor. Lester zog blitzschnell sein Schwert aus der Scheide. Antario tat es ihm gleich, nur nicht mit seiner Schnelligkeit. Gespannt auf die weiteren Geschehnisse warteten sie mit gezogenen Schwertern auf die Männer, die sich langsam aus dem dunklen Wald näherten. „Wer ist da und wagt es auf uns zu schießen?“ rief der junge Prinz in den Wald hinein. „Ich denke nicht, dass ihr eine Antwort bekommen werdet, mein Freund.“ sagte Lester. „Doch das wird er, denn schließlich soll der junge Herr ja wissen, wer in Zukunft sein Geld und sein Pferd besitzen wird.“ Als beide Reiter ihren Blick erschrocken wieder auf die Straße richteten, stand ein Mann vor ihren Pferden und blickte sie mit einem Grinsen und einem Ausdruck von Triumph und Genugtuung im Gesicht an.
Er war von enormer Statur, mit breiten Schultern und einem, trotz seiner Größe viel zu großen Bauch. Der Bandit trug ein schweres Beil mit einem langen Stiel an seinem Gürtel. Sein Auftreten und seine Haltung wiesen offensichtlich darauf hin, dass der Mann, der vor Antario und Lester Stellung bezogen hatte, der Anführer der Banditen sei. Er war einfach gekleidet und trug ausgelaufene alte Lederstiefel. „Ich denke, eure Reise ist hier vorerst beendet, meine Herren“ sagte der Anführer, der sein selbstzufriedenes Grinsen noch nicht abgelegt hatte. „Was ist ihr Begehr und warum bei allen Geistern schießen sie auf uns?“ entgegnete Lester entschlossen. „Wie ich schon sagte, ich will eure Pferde und euer Geld. Der Pfeil war schlicht eine Warnung, dass jeder Versuch zu fliehen sinnlos wäre.“ “ Und wie kommt ihr auf den Gedanken, dass wir euch unser Hab und Gut freiwillig aushändigen?“ sagte Lester mit ernster Miene. “ Nun ich gehe nicht davon aus, dass ihr mir eure Sachen freiwillig gebt aber euch bleibt leider keine Wahl.“ In diesem Moment kamen ein Dutzend Männer aus dem Wald und stellten sich in einem großen Kreis um die beiden Reisenden auf. Panik überfiel Antario.
Noch keinen ganzen Tag unterwegs und schon ist unsere Reise vorbei. „Wenn sie haben was sie wollen, hängen sie unsere toten Körper im Wald auf und die Krähen nehmen uns die letzte Würde“: dachte der junge Prinz.
Die finster aussehenden Gestalten ließen nicht darauf schließen, dass sich wohl doch noch alles als Missverständnis entpuppt. Ihrem Aussehen nach lebten diese Gestallten schon mehr als ein Jahr im Wald. Einer der Männer sah schon gar nicht mehr aus wie ein Mensch, eher wie eine Mischung aus Mensch und Schwein. Sein Gesicht hatte schon die Form eines Tieres. Seine ganze Erscheinung erinnerte an ein Schwein. Auch die übrigen Banditen boten keinen viel besseren Anblick. Mit gezogenen Messern und schartigen Beilen standen die Banditen um die beiden Reisenden verteilt. Es schien keinen Ausweg zu geben.
Jetzt verlor Antario seine anfängliche Panik, fasste sich ein Herz und sagte mit energischer Stimme: “ Macht den Weg frei Gesindel, wisst ihr denn nicht wen ihr vor euch habt?“ Lester gebot ihm zu schweigen, doch der junge Prinz ließ sich nicht beirren und sprach weiter.“ Ich bin Prinz Antario, Barios Sohn, gebt den Weg frei oder es wird euch schlecht bekommen.“ Das Grinsen auf dem Gesicht des Banditenanführers wurde noch breiter. Er sagte: „Sieh an, einen Prinzen haben wir hier. Wer sollte mich dazu veranlassen, euch auch nur ein Wort zu glauben?“ „Niemand, der Junge redet wirr“ entgegnete Lester schnell. Doch in diesem Moment zog Antario das königliche Amulett unter seinem Harnisch hervor und hielt es vor sein Gesicht. Der Banditenanführer schlitzte seine Augen und sah genau auf das goldene Amulett, bevor er laut loszulachen begann. Seine Kameraden stimmten in sein Gelächter mit ein.“ Das ändert sie Sache ungemein, jetzt steht mehr auf dem Spiel als nur euer Geld und die Pferde. Euer Vater wird ein beachtliches Lösegeld für euch bezahlen.“ In diesem Moment wurde Antario sein törichtes Verhalten erst bewusst. Hätten sie den Banditen ihr Geld und die Pferde gegeben, hätten sie wenigstens noch eine Chance mit dem Leben davon zu kommen. Doch jetzt stand viel mehr auf dem Spiel.
Das Gelächter verstummte und der erste der zwölf Banditen machte einen Schritt auf die Beiden zu, als plötzlich ein schriller Pfeifton durch den Wald schallte.
Die Banditen drehten sich hektisch um und suchten mit ihren Blicken die Umgebung ab. Das Pfeifen stammte offensichtlich von einem weiteren Banditen, der die Ankunft eines weiteren Reisenden ankündigte. Einen Augenblick später bog ein Mann in einem einfachen braunen Kapuzenmantel um die Biegung hinter ihnen.
Sofort machte sich Unruhe bei den Banditen breit und alle warteten auf einen Befehl ihres Anführers.“ Er ist es, lasst uns schnell verschwinden“: hörte Antario einige Banditen sagen, und dann gab der Anführer das Zeichen zum Rückzug. Und genauso wie sie gekommen waren, verschwanden die Banditen wieder.
Der Mann, der ihnen scheinbar die Gefangennahme erspart hatte und die zwölf Banditen in die Flucht geschlagen hatte, machte keinen besonders gefährlichen Eindruck. Er hatte einen leicht wackeligen Gang und führte ein altes braunes Pferd am Zügel hinter sich her.
Der Mann kam langsam auf sie zu und Antario beschlich ein Gefühl der Vertrautheit, so als würde er diesen Mann schon sein Leben lang kennen und doch sah er ihn heute zum ersten Mal. Als der unbekannte Mann die beiden Reisenden erreicht hatte, blieb er nicht stehen, er verlangsamte nicht mal seine Schritte, er trottete einfach weiter. Antario und Lester sahen sich verwundert an.
Nach einem kurzen Schulterzucken von Lester setzten die beiden ihre Reise an der Seite des Unbekannten fort.
„Wir danken euch mein Herr für unsere Rettung. Wenn ihr nicht gekommen wäret, hätte es böse enden können für uns. “ begann Lester das Gespräch. Der Mann, dessen Gesicht zur Hälfte von seiner Kapuze verdeckt wurde, antwortete nicht. Eine kurze Weile verging.
Antario und Lester sahen sich erneut verwundert an, als der Mann sagte: “Ihr braucht mir nicht zu danken, ich habe nichts getan, um euch zu retten. Die Banditen in diesen Wäldern sind leicht zu verscheuchen, aber sie kommen wieder und dann etwas entschlossener vom Alkohol und ihrem eigenen dummen Geschwätz. Bei eurem zweiten Treffen mit diesen Gesellen dürfte es euch nicht leicht fallen, mit ihnen fertig zu werden.“ “ Keine Sorge, wir haben nicht vor diesen Kerlen ein weiteres Mal zu begegnen.“ gab Lester zurück. “ Ihr hört euch an wie ein kluger Mann, ganz im Gegensatz zu eurem jungen Freund, der sich offensichtlich für einen der Sprösslinge Barios unseres Königs hält. “ sagte der Reisende in einem herausfordernden Ton. Sofort stieg Antario die Zornesröte ins Gesicht und er entgegnete energisch: “ Ich halte mich nicht für den Sohn Barios meines Vaters sondern ich bin es und das kann ich beweisen mit diesem Amulett, seht her. “ Der Mann mit der Kapuze machte keine Anstalten sich das Amulett anzusehen, was den jungen Prinzen nur noch mehr auf die Palme brachte. “ Na schön, dann ist es wohl so, ihr seid der Sohn Barios. Ihr solltet es euch in Zukunft verkneifen mit diesem Amulett zu hausieren, denn es bringt euch mehr Nachteile als Vorteile, wenn jeder weiß, wer ihr seid.“ sagte der Mann. Antario wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, da kam Lester ihm zuvor. “Ich denke, unser Freund hat recht was die Sache mit dem Amulett angeht, wir sollten wirklich etwas vorsichtiger sein. Das hat uns der Banditenüberfall mehr als deutlich gemacht.“ „Also schön vielleicht hat er Recht. Jetzt wisst ihr wer ich bin und das ist Lester mein Freund und Begleiter. Ich hoffe, du kannst die Tatsache über meinen Stand für dich behalten?“ sagte Antario. „Mach dir keine Sorgen, dein Geheimnis ist bei mir in guten Händen.“ antwortete der Mann. „So jetzt weißt du wer wir sind. Verrätst du uns auch deinen Namen?“ fragte Lester in höflichem Ton.“ Meine Name ist Mortim, ich bin ein einfacher Reisender auf dem Weg in die nächste Stadt. “ antwortete er. „Wir sind ebenfalls auf dem Weg nach Gisa. Wollen wir den Rest des Weges gemeinsam gehen?“ fragte Lester. „Wenn es euer Wunsch ist! “ gab Mortim zurück.
Etwas Geheimnisvolles war an diesem Mortim, und doch strahlte er Vertrautheit und eine allumfassende Ruhe aus, die keinen Zweifel daran ließ, dass ihm so schnell nichts in Angst versetzen würde, dachte Antario.
Gemeinsam setzten die Drei ihre Reise fort. Antarios anfängliche Bedenken, sich Mortim anzuschließen, bestärkten sich zusehends.
Mortim war ein Mann mittleren Alters mit schwarzen kurzen Haaren, die er sich offensichtlich, wenn es nötig wird, selbst schnitt. Er scheint in seinem Leben schon sehr viel gereist zu sein. Das schloss Antario aus seiner vom Wetter gegerbten rauen Haut und seinen von den langen Wanderungen beanspruchten Kleidern. Sein Gang war wackelig und schief und doch trat er fest mit beiden Füßen auf. Er ließ sich von seinem Pferd nicht abdrängen, wenn es am Wegesrand etwas Essbares sah.
Mortims Kleider würde man als die eines Bettlers bezeichnen, zumindest die man sehen konnte. Er trug immer noch seinen braunen alten Umhang. Er machte im Ganzen eine sehr ärmliche Erscheinung und doch strahlte Mortim Würde und Ehre aus. Waren die Zeiten seiner großen Taten schon vorbei und wartet er nur auf die Gelegenheit, sich erneut verdient zu machen? Die Dämmerung hatte schon fast ihr Ende erreicht, als die drei Reisenden, zu Antarios Erleichterung, endlich den Wald verließen. Sie konnten noch einen letzten Blick auf die am Horizont verschwindende Abenddämmerung werfen, bevor der vergangene Tag sich mit tödlicher Endgültigkeit vor der herangerückten Nacht versteckte.
„Ich schlage vor, wir sitzen auf und reiten den Rest bis nach Gisa, bevor uns die Nacht endgültig unserer Sicht beraubt“: sagte Lester.
„Reitet ruhig voraus. Ihr wollt bestimmt in der Stadt übernachten. Ich für meinen Teil kann mir solchen Luxus nicht leisten. Ich kampiere vor der Stadt und werde erst morgen bei Tagesanbruch nach Gisa gehen“: gab Mortim zur Antwort.
„Betrachtet euch als unser Gast, mein Freund.“ entgegnete Lester.
„Nein danke, ich werde die Stadt erst morgen betreten.“
„Wie ihr wünscht. Dann nochmals vielen Dank für unsere Rettung und eure Gesellschaft, mein Herr. Ich hoffe inständig, dass sich unsere Wege nochmals kreuzen.“ sagte Lester. Er und Antario saßen auf und bevor die beiden den Weg vorausritten, warf Antario noch einen letzten Blick auf Mortim, der zum ersten Mal seinen Kopf hob und unter seiner Kapuze hervor sah.
Die Blicke der beiden Männer trafen sich und Antario erschrak so, dass er fast vom Pferd gefallen wäre. Die Augen des Mannes, der vor seinem Pferd stand, waren schwarz, so tief schwarz wie er es noch nie gesehen hatte. In diesem einen Moment schnellten ihm so viele Gedanken durch den Kopf. Zu tausenden rauschten sie durch seinen Verstand und doch blieb nur einer haften und brannte sich auf ewig fest. Diese Augen haben das Ende der Welt gesehen, Athgarat selbst hat ihm diese Augen gegeben.
Mit einem dunklen Fleck auf seiner Seele behaftet ritt Antario hinter Lester her, der schon ein Stück vorausgeritten war.
Nach wenigen Meilen überquerten Lester und Antario einen leichten Hügel, von da konnten sie die Lichter der Stadt schon sehen.
Gisa war keine große Stadt doch ihr Ruf war mehr als schlecht, die Leute nannten sie den Schandfleck Ariteas.
Die Stadt bestand aus ein paar hundert Holzhütten und nur wenigen gemauerten Häusern. Der Geruch von Verwesung und Unrat wurde schlimmer je näher die Beiden der Stadt kamen. Die Palisade, wenn sie denn den Namen verdiente, bestand aus in die Erde getriebener, verwitterter Holzpfähle. Die Nacht hatte gänzlich das Land eingehüllt und man konnte durch die spärliche Beleuchtung nicht mehr viel erkennen. Doch Antario sah, dass dies kein Ort war an dem er lange verweilen wollte.
Antario und Lester näherten sich dem Stadttor, als sie unfreundlich aus einer dunklen Ecke heraus zum Halten aufgefordert wurden. Beide stoppten ihre Pferde und aus der Dunkelheit traten zwei Soldaten, mit den typischen Lanzen bewaffnet.
„Was wollt ihr in Gisa?“ fragte einer der Wächter barsch. „Wir sind auf der Durchreise, wir suchen eine Herberge für die Nacht.“ gab Lester zurück. Einer der beiden Soldaten trat einige Schritte näher. Er hatte sich eine der Fackeln genommen, die neben dem Stadttor hingen. Sein Blick wanderte zwischen Lester und Antario hin und her. Der andere der Beiden stand mit der Lanze im Anschlag, einige Schritte entfernt. Die Beiden trauten der nächtlichen Ruhestörung offensichtlich nicht.
„Wer sagt uns, dass ihr beide nicht von den Banditen im Wald geschickt wurdet, um hier Ärger zu machen?“ sagte der Mann der mit der Lanze. Der andere der Beiden stimmte mit einem einfachen „Ja“ seinem Kollegen zu. Die beiden schienen nicht die hellsten zu sein. „Wir sind keine Banditen, wir sind einfache Reisende auf dem Weg nach Norden.“ gab Lester zurück. Seine Geduld schien fast am Ende zu sein, schließlich waren sie den ganzen Tag geritten und dann der Banditenüberfall. Lester schien sich nicht mehr lange beherrschen zu können. Nach einer kurzen Bedenkpause ließen die Beiden Lester und Antario passieren.
Langsam, mit knarrenden Geräuschen öffnete sich das Stadttor.
Gisa war eine kleine Stadt, die nicht viel zu bieten hatte.
Außer einem Schmied, einer Gerberei und zwei Nähereien und einigen Händlern gab es etliche Kneipen, in denen die umliegenden Bauern ihr Geld versoffen.
Die Beiden suchten sich das Lokal aus, das den besten Eindruck auf sie machte und brachten ihre Pferde direkt davor zum stehen. Müde ließen sich beide von ihren Pferden herab und betraten das Lokal. Es roch nach Pfeifenkraut und Schnaps, die Kneipe machte von innen längst nicht so viel her wie von außen. Der Boden bestand aus alten stark abgenutzten Holzdielen, deren letzte Reinigung schon einige Zeit zurücklag. Das Mobiliar bestand aus einer langen Theke und einigen Tischen mit den dazugehörigen Stühlen, deren Zustand auf viele Jahre strapaziösen Einsatz schließen ließ.
Lester ging direkt zur Theke um mit dem Wirt zu sprechen. Antario blieb im Eingang stehen und beobachtete die Leute, die sich im Lokal befanden. Es waren nicht viele, nur ein paar Bauern und einige Arbeiter aus der Stadt selbst, die vor ihren Bierkrügen saßen, sich unterhielten oder einfach nur stumpf in den Raum starrend an ihren Krügen nippten. Antario folgte Lester zur Theke der gerade mit dem Wirt sprach, ein kleiner dicker Mann mit einer völlig verdreckten Schürze bekleidet. Seine Erscheinung ließ keinen Zweifel daran zu, dass, sollte jemand versuchen ihn übers Ohr zu hauen, er nicht scheute demjenigen eine Tracht Prügel zukommen zu lassen. Er war mürrisch, laut und seine Laune war offensichtlich nicht die beste.
Als Lester ihm jedoch einige Münzen in seine dicken Hände drückte, wandelte sich sein Gemütszustand von einen auf den anderen Augenblick. Von jetzt an war er zuvorkommend und höflich.
Nach einigen Minuten hatten Lester und Antario ein Zimmer und Jemanden, der sich um ihre Pferde kümmerte. Nachdem Antario und Lester ihre Zimmer in Augenschein genommen hatten und ihr Gepäck verstaut hatten, fanden sie sich wieder im Gastraum im Erdgeschoss ein. Die Beiden setzten sich an einen freien Tisch ganz in der Ecke und warteten auf ihr Abendessen.
Nach einer Weile trat der Wirt an ihren Tisch und brachte etwas Speck mit Brot und Käse. Beide ließen sich das Essen schmecken und gingen früh zu Bett.
Nach einer kurzen Nacht in einem durchgelegenen Bett wachte Antario mit starken Kopfschmerzen auf. Sein Kopf fühlte sich an als ob jemand mit einem Pferdewagen darüber gefahren wäre. Nach einer kurzen Wäsche begaben die Beiden sich nach unten um ein schnelles Frühstück einzunehmen und sich dann wieder auf den Weg Richtung Norden zu machen.
Antario hatte den Treppenabsatz noch nicht ganz erreicht, da stockte ihm der Atem. Die Stimme, die lauthals nach dem Wirt schrie war die des Banditenanführers vom Vortag. Sofort spürte er Lesters Hand auf seiner Schulter. „Was machen wir jetzt?“ flüsterte Antario seinem Gefährten zu. Lester überlegte, doch es gab nur einen Weg nach draußen, Sie mussten durch die Kneipe an dem Banditen vorbei.
Lester ging voran, er versuchte sich so unauffällig wie möglich zu geben. Als er die Theke erreicht und auf den Ausgang zu steuerte, dicht gefolgt von Antario, ertönte die Stimme des Banditen durch die Kneipe. „Hey, wen haben wir denn da, die beiden Vögel von gestern. Ihr schuldet mir noch euer Gold und zwei Pferde.“ Antario blieb das Herz fast stehen. Lester schob sich an Antario vorbei zwischen ihn und den Banditen. Lester dachte, dass der Mann es kaum wagen würde unter Zeugen einen Raubüberfall in der Stadt zu verüben, denn obwohl es früher Morgen war, waren schon einige Gäste in der Kneipe und starrten ihn an. Lester irrte sich, der Bandit kam direkt auf ihn zu und seine Hand griff nach seinem Beil. Sofort glitt Lesters Hand zu seinem Schwert, doch so weit kam es nicht. Zwei weitere Männer hatten die Kneipe betreten und der eine hielt Lesters Arm fest während der andere neben Antario stand und aufpasste, dass er keine Waffe zog. Ihre Lage war aussichtslos.
Sobald einer von ihnen sich wehren würde, würde es dem anderen schlecht bekommen. “Jetzt bekommen diese Dreckskerle doch noch was sie wollten“: dachte Antario. Der Anführer hatte wieder sein selbstgefälliges Grinsen aufgelegt und kam mit gezücktem Beil auf die beiden Wehrlosen zu. Plötzlich stand ein Mann auf und stellte sich vor den Banditenanführer mit dem Rücken zu Lester gewandt. „Noch einen Schritt Strauchdieb und dein Kopf rollt über die Theke“: gab der Mann mit ruhiger und doch entschlossener Stimme von sich. Sofort blieb der Bandit stehen und betrachtete den Mann.
Antario hatte ihn an der Stimme wiedererkannt. Es war Mortim. „Halt dich daraus, das geht dich nichts an, du bist uns schon gestern in die Quere gekommen.
Verschwinde. “ brummte der Bandit zurück. Der Bandit machte einen weiteren Schritt nach vorn um Mortim dazu zu bewegen den Weg frei zu geben. Dann ging alles blitzschnell. Mit einer einzigen Bewegung zog Mortim sein Schwert und enthauptete den Banditenanführer. Im Bruchteil eines Augenblicks drehte Mortim sich um und hob sein Schwert. Die Spitze zeigte genau zwischen die Augen des Mannes, der neben Lester stand. Ein dicker Tropfen Blut löste sich von der Klinge und fiel zu Boden, während die Schwertspitze eine Hand breit vor den Augen des Banditen im Raum zu schweben schien. Völlig außer Fassung über die wahr gemachte Drohung und den Tod ihres Anführers wagten die beiden anderen Banditen nicht, sich zu rühren. Ihre ungläubigen Blicke ruhten noch auf dem rumpflosen Kopf der auf der Theke lag. Die Zunge hing aus dem Mund und die Augen waren geschlossen und ein Meer aus Blut tropft von der Theke und breitet sich auf dem Boden aus.
„Verschwindet, wenn ihr nicht seinem Beispiel folgen wollt.“ gab Mortim mit ruhiger Stimme von sich. Die Blicke lösten sich von dem Anblick ihres Anführers und sahen den Mann, der ihnen sein Schwert entgegen streckte in die Augen, doch sie konnten seinem finsteren Blick nicht lange standhalten. Selbst Antario konnte den Anblick dieser tiefschwarzen Augen nicht lange ertragen. Der Griff des Banditen löste sich von Lesters Handgelenk und im selben Moment verschwanden die beiden Banditen durch die Tür.