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Mein Dark-Crime-Thriller `Aufschrei des Entsetzens` bringt die perfekte Fassade der glamourösen Traumstadt Los Angeles, die Stadt der Reichen und Schönen, unerbittlich zum Einsturz. Zum Vorschein kommt ein Sumpf aus Alkohol, Drogen, Prostitution, Alltagskriminalität, brutalen Bandenkriegen zwischen verfeindeten Gangs und Tod. L.A., ein Sumpf, der für viele zum Grab wird. Als Grundlage für diesen Thriller dienten mir persönliche Gespräche mit einem Cop, sowie Zeitungs- und Fernsehberichte und True-Crime-Stories. Dies alles vereint verleiht, `Aufschrei des Entsetzens` eine Authentizität, wie sie eher selten in Thrillern vorkommt.
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Seitenzahl: 384
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Die Idee zu „Aufschrei des Entsetzens“ entstand während meiner Urlaubsaufenthalte in Los Angeles. Besondere Unterstützung bei meinen Recherchen erhielt ich von einem Streifencop, den ich in `Los Angeles Downtown` kennen lernte.
Täglich berichten die Medien über zahllose Verbrechen, die oft in ihrer Skurrilität kaum zu übertreffen sind. Schockierende Polizeifotos und Original- Videoaufnahmen lassen den Fernsehzuschauern das Blut in den Adern gefrieren. Aber auch `Standard`-Delikte wie Waffenhandel, Korruption und Prostitution verlieren sich immer noch in Zeitungsartikeln zwischen den `Großen`, rücken dabei aber beinahe in den Hintergrund. Beängstigend sind zudem Berichte über die zunehmende Kaltblütigkeit, mit der die Bandenkriege in `South Central` und `East Los Angeles` ausgetragen werden. Als weitere literarische Informationsquelle diente mir die Vielfalt von True-Crime-Stories.
„Aufschrei des Entsetzens“ entführt den Leser in eine Welt, die mit Hilfe der Kombination aus glamourösem Traumstadtflair, authentischen Verbrechen, dem Schicksal eines Streifencop und frei erfundenem Plot eine besondere Art der Spannung herbeiführt. Dieser Thriller könnte sich also theoretisch irgendwo in den dunklen Bezirken von Los Angeles so zugetragen haben.
Carsten Kühler 2004
Police-Officer Dorn, Streifencop in `Est L.A., verliert bei einem Einsatz auf tragische Weise seine Partnerin. Ihren Platz nimmt Sergeant Hernandéz ein, ein junger, arroganter, aber strebsamer Cop aus Chicago. Dorns Antipathie ihm gegenüber lässt sowohl verbale als auch psychische Spannungen entstehen, zudem der neue Partner bei Einsätzen äußerst skrupellos vorgeht und sich dabei nicht immer auf legalem Terrain bewegt. Trotzdem verschmelzen die beiden Cops im Laufe der Zeit zu einem Team und werden sogar Freunde.
Als Sergeant Hernandéz wegen Krankheit ans Bett gefesselt ist, wird eine alte Frau auf brutale Weise überfallen. Kurz bevor sie ihren schweren Verletzungen erliegt, kann sie noch eine bruchstückhafte Täterbeschreibung geben. Officer Dorn ist fassungslos, denn die Beschreibung passt auf seinen Partner. Aber wie kann das sein?
Wenig später wird Sergeant Hernandéz bei einem Einsatz angeschossen und fällt für längere Zeit aus. Unter äußerst mysteriösen Umständen werden Menschen kaltblütig ermordet. Hierbei muss Officer Dorn mit Entsetzen feststellen, dass auch in diesen Fällen sämtliche Indizien seinen Partner in Verdacht geraten lassen. Doch wie soll das möglich sein? Handelt es sich um eine Verwechslung? Wer ist dieser unheimliche Killer wirklich? Es beginnt ein gefährliches Katz- und Mausspiel mit einem Phantom, das unaufhaltsam weitermordet – einem eiskalten, unberechenbaren Psychopathen.
Der Schuss
Captain Rhea
Die neue Stadt
José
Nachtstreife in den Tod
Black Dragon Club
Ein Junkie ist nichts wert
Killer- Cops
Verdacht
Schusswechsel
Eine Schimäre?
Eiskalter Killer
Das Verhör
Lebensretter
Die Wahrheit bedeutet Tod
Die herannahende Nacht verschlang mehr und mehr von der freundlich scheinenden Stadt, die jedoch so viel Angst und Schrecken verbarg. Plötzlich brachen die grauschwarzen Wolken auf, welche schon den ganzen Nachmittag tief über Los Angeles hingen und dicke Regentropfen prasselten unerbittlich gegen die Scheiben und auf das Blech des schwarzweißen Chevrolets, der in östlicher Richtung unterwegs war. Die Scheibenwischer hatten große Mühe, den Insassen des Wagens freie Sicht zu verschaffen. Auch das Licht der Scheinwerfer drang nur schwerfällig durch das Schwarz der Nacht und den dichten Regen. Sergeant Linda McNell wünschte, sie wäre statt im Dienst jetzt zu Hause in ihrer kuschelig warmen Wohnung und schmiegte sich eng an ihren Freund, der sie zärtlich umschlungen hielt. Doch sie hatte eine Entscheidung gegen den Rat ihres Vaters und das Flehen ihrer Mutter getroffen und war Polizistin geworden. Jetzt musste sie die Konsequenzen tragen: Schichtdienste in einem der gefährlichsten Stadtteile und das Risiko, eines Tages vielleicht sogar im Leichenschauhaus zu liegen, wo sie ihre Eltern unter Tränen identifizieren mussten. Trotz alledem machte ihr der Job viel Spaß und sie empfand es als ehrenvolle Aufgabe, sich für die Sicherheit dieser schönen Stadt einzusetzen, die sie so sehr liebte. Neben ihr saß Police Officer Alan J. Dorn, ein hochgewachsener, breitschultriger Mann, der wie ein Fels in der Brandung stand, aber mit bereits fünfundvierzig Jahren schon zum `Alten Eisen` im Streifendienst gehörte. Doch voller Stolz konnte er auf gute fünfundzwanzig Jahre Erfahrung und einigen Auszeichnungen zurückblicken. Vor einem Jahr bot ihm Captain Rhea eine Stelle im Innendienst an, die er jedoch schmunzelnd ablehnte.
„Ihr wollt mich doch wohl nicht schon im Zenit meines Lebens in eine verstaubte Abstellkammer setzen, in der ich Karteikarten aus- und einsortiere?“, hatte er immer scherzhaft gesagt. „Gebt mir noch ein paar Jahre, dann werde ich es mir überlegen, ob ich eure Registratur übernehme, im Rollstuhl und mit einer Decke über den Beinen, mein Gebiss im Glas Wasser auf dem Tisch.“ Captain Rhea musste daraufhin selbst lachen, denn er wusste, dass Police
Officer Dorn regelmäßig freiwillig an zusätzlichen Trainings-stunden für seine Fitness teilnahm, die er, auch zum Erstaunen der Neulinge, mit Bravur bestand. Seine Ergebnisse beim Schießen waren hervorragend und an seiner Reaktionsfähigkeit konnte man nicht das Geringste aussetzen.
Sergeant McNell bog gerade in die Vancouver Avenue am Belvedere Park ein, als die Zentrale über Funk einen Überfall in der Escuela Street No. 9214 meldete. Sofort griff Officer Dorn zum Mikro. „Hier Flash 3 DA, Police Officer Dorn. Wir befinden uns gerade auf der Vancouver Avenue und übernehmen. Flash 3 DA Ende.“
Er nickte Linda McNell ernst und auffordernd zu und legte zwei der zu Dutzenden am Armaturenbrett befindlichen kleinen Schalter um. Die Sirene heulte laut auf, übertönte mit ihrem schrillen Klang das erbarmungslose Prasseln des Regens, und die schnell rotierenden rotblauen Signallichter flackerten warnend durch die Dunkelheit. Derweil trat Linda das Gaspedal kräftig durch, so dass der Chevrolet sich mit ordentlichem Schub durch die Nacht bohrte. Nur kurze Zeit später trafen sie in der Escuela Street No. 9214 ein. Nach einer Vollbremsung schleuderte der Wagen, machte dabei eine beinahe Neunzig- Grad- Drehung und kam quer auf der nassglitzernden Straße zum Stehen. In diesem Moment stürzte eine dunkel gekleidete Gestalt aus dem kleinen Haus und rannte in Richtung Eagle Street. Sergeant McNell stieß die Tür auf, zog die Waffe aus dem Holster und entsicherte sie. Jetzt spürte Linda den erbarmungslos herabstürzenden Platzregen hart durch ihr Gesicht peitschen und die nasskalte Nacht drang wie eine Armee von Nadelspitzen in ihren Köper. Sie schüttelte kurz, mit heftig zuckenden Bewegungen, die erste Kälte ab und verfolgte den Einbrecher mit kurzen, aber für ihre etwas mollige Figur, erstaunlich schnellen Schritten.
„Halt! Stehen bleiben oder ich schieße!“, rief sie. Ihre Stimme bebte vor Kälte. Es folgten zwei Warnschüsse. Officer Dorn riss ebenfalls seine Waffe aus dem Holster und wollte Linda zu Hilfe eilen, als plötzlich ein zweiter Mann über den Gartenzaun des Hauses sprang und sich an Lindas Fersen hängte. „Linda!“, schrie
Alan und jagte hinter dem Komplizen her, der seine Partnerin verfolgte. Der gab mehrere Schüsse auf den Officer ab, doch die Projektile verfehlten zum Glück ihr Ziel und verloren sich in der Dunkelheit.
„Linda! – Pass auf! – Verdammt! – Der Kerl hat eine Waffe!“
Doch Linda schien ihn nicht zu hören. Die Schritte des Typen wurden jetzt stetig größer. Der Abstand zwischen ihr und der dunklen Gestalt schrumpfte erschreckend schnell. An der Kreuzung Eagle Street, Arizona Avenue trennten die beiden nur noch etwa sechs Meter. Officer Dorn hingegen schien zurückzufallen. Aber das war doch unmöglich!? Er rannte so schnell er konnte, kam jedoch keinen Meter von der Stelle!? Etwa knappe fünf Meter lagen jetzt nur noch zwischen Sergeant McNell und ihrem Verfolger. Noch nie war sie dem Tod so nahe wie in diesem Moment.
Sie musste schon seinen eisigen, stinkenden Atem wahrnehmen können. Auf der regennassen Straße spiegelte sich der fahle Schein der Laternen. Officer Dorn mobilisierte seine letzten Kraftreserven und rannte nun bis hin zur Verzweiflung, um ihr zu helfen. – Aber etwas war seltsam. Seine Beine hasteten, flogen, überschlugen sich, aber er trat auf der Stelle!?
Alan konnte seiner Partnerin nicht helfen. Entsetzen, Panik und der stechend aufschlagende Sturzregen verzogen seine Gesichtszüge. Linda und die finstere Gestalt entfernten sich immer weiter, hinein in die dunkle Nacht. Vier Meter! Nur das unheimliche Licht des Vollmondes schimmerte über Linda und ihrem Verfolger. Drei Meter! Plötzlich ein kurzer Lichtblitz, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall!
„Linda! – Nein!“
Alan konnte gerade noch schemenhaft erkennen, wie seine Partnerin zusammenbrach und leblos am Boden liegen blieb. Wie in Zeitlupe sackte sie zusammen, bevor ihr Körper, mit einem dumpfen Knall, auf den nassen Asphalt aufschlug. Ihr Kopf lag mit dem Gesicht, über das sich ein erstarrter, verzerrter Ausdruck des Schmerzes gezogen hatte, nach unten auf dem kalten Beton, über den der Regen wie ein reißender Strom hinwegschoss. Er musste zu ihr. Er lief, kam ihr aber nicht näher! `Etwas hält mich zurück.
Verdammt! Etwas hält mich fest.`
Schließlich gaben seine Beine auf. Erschöpft und verkrampft, ohne dass sie auch nur einen einzigen Schritt gemacht hatten. Reglos stand Officer Dorn dort in der Nacht. Allein in der Escuela Street, Ecke Clela Avenue, East L.A. - Tot! Seine Partnerin war tot! Heimtückisch in den Rücken geschossen. Und er hatte ihr nicht helfen können.
Alan sank verwirrt kopfschüttelnd, und von atemloser Verzweiflung gepeinigt, auf die Knie und starrte in die unheimliche Leere der Nacht. Der Regen hatte inzwischen etwas nachgelassen. Durch die kalte, erdrückende Luft zog sich der muffige Gestank des Todes.
„Mein Gott, sie war noch so jung. – Warum?“, murmelte er verzweifelt. Dann sah er, wie sich das am Bordstein entlang-fließende Regenwasser allmählich rot färbte, blutrot, von Sergeant McNells Blut.
Plötzlich tauchte aus der Dunkelheit eine Silhouette auf. Im Schein der nahen Straßenlaterne nahm sie zunehmend menschliche Gestalt an. Jetzt stand sie direkt vor Alan. Es war der Typ, der seine Partnerin niederstreckte. Das hasserfüllte runde Gesicht des Chinesen sah zu Officer Dorn hinunter und verzog sich plötzlich zu einem unheimlichen, breiten Grinsen. Er sagte nichts, ließ das Plätschern des Regens unberührt. Der Cop, der gerade seine Partnerin verloren hatte, schreckte plötzlich zurück. Er sah in den Lauf einer automatischen Waffe. Trotz des fahlen Lichts erkannte Alan, wie sich die Muskeln des Fingers seines Gegenübers am Abzug langsam anspannten. Er hielt den Atem an. Ein Funke, ein Knall. Alan starrte immer noch regungslos auf die Waffe. Das Projektil schoss auf ihn zu. Er wollte sich zur Seite wegrollen, aber es war unmöglich. Blitzartig begann ein verzweifelter Kampf mit seinen Muskeln, die mit einem Mal aus Stahl zu sein schienen – ein aussichtsloser Kampf mit der Gewissheit, dass er ihn verliert. Wie versteinert hockte er dort, konnte nur noch auf den sicheren Tod warten. Dann ein schmerzhafter Schlag auf der Stirn. Ein kurzer Aufschrei. Der Kopf schlug in den Nacken, und vor seinen Augen wurde es schwarz.
Alan schreckte auf - . . . und - . . . lag im Bett, mit weit aufgerissenen Augen zur Decke starrend. Ruckartig richtete er sich auf. Sein Herz raste, schlug wie verrückt gegen den Brustkorb. Sein panischeres Atmen überschlug sich, er drohte beinahe an der Luft zu ersticken. Er hyperventilierte und verdrehte dabei die Augen so weit, dass es schien, als würden sie jeden Moment aus ihren Höhlen springen. Dicke Schweißperlen klebten auf seiner Stirn. Alans Kopf glühte. Minutenlang starrte er in die Dunkelheit, die zeitweise von der defekten, rot, grün und gelb flackernden Neonlichtreklame des gegenüberliegenden Kinos aufgehellt wurde. Officer Dorn zitterte am ganzen Körper – eiskalte Schauer durchfuhren ihn, dann, im blitzartigen Wechsel, jagten erstickende Hitzewellen, brodelndes Blut, durch seine Adern, und mit derart unerträglichem Druck, dass sie jeden Augenblick zu platzen droh-ten. Das unregelmäßig zuckende Reklamelicht des Kinos drang wie zahllose Nadelstiche tief in seine Augen und bereitete ihm unangenehm stechende Schmerzen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich Alans Körper wieder einigermaßen beruhigt hatte. Schließlich stand er auf und schleppte sich erschöpft in die Küche zum Kühlschrank. Er war beinahe zu schwach, die Tür aufzuziehen. Alan griff mit zitternder Hand nach der Papptüte Orangensaft und schluckte den Rest daraus hastig hinunter. Dann sank er langsam, erschöpft und in Schweiß gebadet, auf den Boden in die Hocke, mit dem Rücken an die Kühlschranktür gelehnt und ließ den Kopf in seine Hände fallen.
„Linda würde noch leben, wenn ich nur etwas schneller gewesen wäre und sofort auf den Typen geschossen hätte.“, murmelte er melancholisch. Alan machte sich immer wieder Vorwürfe, gab sich die Schuld an Lindas Tod. Leise brach er in Tränen aus.
„Ich hätte ihr junges Leben retten können. Ich werde alt . . . ja, alt! . . . Ich bin schon zu alt für die Straße.“ Von tiefem Schmerz erfüllt schüttelte Officer Dorn seinen Kopf und würgte mehrmals, um den Kloß in seinem Halshinunter zu schlucken. „Ich müsste statt ihrer jetzt in der kalten, dunklen Erde liegen. – Nicht dieses junge Ding.“
Plötzlich, elektrisiert wie von einem Stromschlag, fuhr Alan auf, starrte entsetzt in den Raum und durch die gegenüberliegende Wand hindurch. Linda McNell erschien vor seinem inneren Auge, zunächst noch schemenhaft, verschwommen, dann ganz deutlich. Dorn erkannte sogar das kleine Muttermal auf der rechten Wange nahe ihrem Ohr. Sie schien so real, dass es Alan einen fürchterlichen Schrecken versetzte. Linda strahlte, lächelte ihn an. Sie streckte den Arm nach ihm aus. Und dann - Alan zuckte zusammen und erstarrte sodann. Es war, als berührte sie ihn! Er fühlte ihre todkalte Hand auf seiner glühenden Wange. Sie streichelte sie. Mit einem Mal jedoch holte sie aus und schlug mit ungeheurer Kraft zu. Alans Kopf schleuderte zur Seite.
„Du! – Du bist schuld an meinem Tod! – Du bist schon viel zu alt für die harte Welt da draußen! Du alter Schlappschwanz kannst es doch nicht mehr mit diesen jungen Killern aufnehmen. Hätte ich doch bloß auf einen jüngeren Cop als Vorgesetzten bestanden – dann lebte ich jetzt noch.“, keifte Linda zornig.
„Nein! Nein!“, schrie Alan verzweifelt und schlug seinen Kopf mehrmals gegen die Kühlschranktür. Linda verschwand in einem gleißenden Licht, welches sie allmählich verschluckte. Alan schüttelte den Kopf jetzt so heftig, dass es schien, als wolle er diese schrecklichen Gedanken aus ihm herausschleudern. Sein Nacken schmerzte. Dann stand er auf, schlurfte ins Bad und stellte sich vor den Spiegel.
„Mein Gott! Ich sehe furchtbar aus. Grauenhaft.“ Alans schweißverklebte Haare und seine rotunterlaufenen Augen, in denen die salzigen Tränen furchtbar brannten, ließen ihn wie einen verwahrlosten Penner aussehen, der von einem Ungeheuer attackiert worden war und gerade noch fliehen konnte. Dann öffnete er den Wasserhahn und wartete, bis das Wasser eiskalt herauslief. Alan schnaubte. Dabei spürte er ein elektrisierendes Prickeln auf der Haut. Es fühlte sich an, als verdampfe das kalte Wasser auf seiner rotglühenden Haut. Allmählich kam er wieder zur Besinnung. Sein Herz schlug wieder gleichmäßiger und sein Atem wurde ruhiger. Alan, der alternde Officer, ging zurück ins Schlafzimmer und schaute gedankenversunken aus dem Fenster – mit ausdruckslosen Augen, wie hypnotisiert von dem unheimlich flackernden Neonlicht des antiken Kinos.
Ein dunkler Schleier bedrückender Gedanken zog an ihm vorbei: `Linda McNell, ein so fröhliches und aufgeschlossenes Mädchen, feierte erst vor drei Wochen ihren vierundzwanzigsten Geburtstag. Alle Cops der Abteilung bewunderten ihre ebenholzfarbene Lockenmähne und die lieben, treufunkelnden, schwarzbraunen Augen, denen vornehmlich die männlichen Kollegen keinen Wunsch abschlagen konnten. Aufgrund ihrer stämmigem, etwas molligen Erscheinung hielt man sie eher für träge, doch jeder, der einmal mit ihr zusammen Trainingsläufe absolviert hatte, wusste, dass Linda verblüffend schnell mit ihren verhältnismäßig kurzen Beinen laufen konnte.
Und es gab nur Eines, was das Strahlen der Sonne in den Schatten stellte, ihr Licht verblassen ließ: Sergeant McNells fröhliches, einzigartiges Lächeln aus ihrem kakaobraunen, runden Gesicht. Sie war die Tochter von John McNell, einem farbigen Offizier im Polizeipräsidium am Santa Monica Boulevard, der nach einer Bilderbuchkarriere den Posten als Leiter der Drogenabteilung bekleidete. Er kannte die Straßen Los Angeles` nur allzu gut und hatte seiner Tochter immer wieder davon abgeraten, Streifen-polizistin zu werden. Doch Linda hatte den Trotzkopf ihrer Mutter geerbt, und wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war es sinnlos, auf sie einzureden, um sie doch noch davon abzubringen.
Bevor Lindas Mutter Denise John kennen lernte und ihren Beruf aufgab, um sich ganz ihrer Familie widmen zu können, arbeitete sie als leitende Angestellte in `Tom`s Historic Cars` auf der Centinela Avenue und verkaufte dort restaurierte Oldtimer. Sie war mit ihren mittlerweile achtundvierzig Jahren eine immer noch äußerst attraktive Erscheinung, der nach wie vor viele junge Männer nachschauten, und eine starke Frau, die wusste, was sie wollte. Denise liebte ihre Tochter über alles. Sie war stolz darauf, ein so bezauberndes und von allen geliebtes Geschöpf in die Welt gesetzt und liebevoll fürsorglich aufgezogen zu haben, das seit jeher vor außergewöhnlichem Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit nur so strotzte. Lindas Durchsetzungsvermögen und Argumentationsgeschick glichen einem unaufhaltsamen Orkan, dem sich besser niemand, nicht einmal ihr Vater, hätte in den Weg stellen sollen. Sie ging aus fast jeder Diskussion als Siegerin hervor.
Im nächsten Monat wollte Linda ihren Verlobten Chris Duncan heiraten. In den letzten Tagen sprach sie mit Officer Dorn nur noch über die bevorstehende Hochzeit und wie aufgeregt sie schon sei. So viele Zukunftspläne hatten die beiden. Kinder, drei Kinder wünschten sie sich. Ein eigenes Haus mit Garten, den viele bunte Blumen zieren sollten und Tiere; Hunde, Katzen und Kaninchen standen ebenfalls auf Lindas und Chris` Wunschliste. Aber in den ersten Jahren wollten sie die Welt kennen lernen und möglichst viel reisen, soweit der Beruf das zuließ. Und nun hatte nur der Bruchteil einer Sekunde alles zerstört.
Als John seiner Frau die Nachricht vom Tod ihrer Tochter überbrachte, erlitt sie einen schweren Nervenzusammenbruch und bedurfte zwei Tage intensiver, ärztlicher Behandlung im Krankenhaus. Auch Chris wollte es zunächst nicht glauben und brach ebenfalls unter dem Schmerz zusammen. Völlige, schwarze und unerträgliche Leere umgab den jungen Mann jetzt. Zeitweise beschlichen ihn sogar Selbstmordgedanken, aber ihm fehlte zum Glück der Mut dazu.
Statt vor dem Traualtar stand Chris nun letzte Woche Freitag vor dem Grab und sah mit tränenüberströmten Augen hinunter auf den Sarg, in dem seine Verlobte lag. Sein Vater und der stattliche Mann, der beinahe sein Schwiegervater geworden wäre, mussten ihn stützen, damit die schwachen Beine ihn nicht zusammensacken ließen. Neben den Eltern und Verwandten nahmen auch ein Dutzend Kollegen, Captain Rhea und natürlich Police Officer Alan J. Dorn Abschied von Sergeant Linda McNell. Bei der Grabrede spürte Alan, wie ihn zwei Augenpaare immer wieder fixierten. Unauffällig wanderten seine Blicke zu John und Denise McNell, die ihn vorwurfsvoll ansahen. Er wurde das Gefühl nicht los, als sähe er in ihren Augen nicht nur tiefschmerzende Trauer, sondern ihm gegenüber auch abgrundtiefen Hass. Doch er konnte ihnen ihre Tochter nicht mehr zurückbringen. Während der Trauerfeier versuchte Alan, Lindas Eltern und Chris ein paar tröstende Worte zu spenden, doch sie wandten sich wortlos mit verächtlichen Blicken von ihm ab. Allein und voller Schuldgefühle hatte er die Trauerfeier schließlich verlassen.
Die Luft in dem von Einsamkeit, Totenstille und heimlichen Leiden erfüllten Schlafzimmer erbebte, als Alan plötzlich einen lauten Aufschrei ausstieß. Er schlug die Hände vors Gesicht.
`Ein Traum! – Ein Alptraum. Es ist alles nur ein schrecklicher Alptraum.“, dachte er schließlich betrübt und ging gequält im Zimmer auf und ab. Doch es war ein Alptraum, den Police Officer Dorn nicht durch Aufwachen aus der Welt schaffen konnte, dem er nie würde entfliehen können. Er war verdammte Realität. Schließlich legte sich Alan wieder ins Bett, konnte jedoch nicht einschlafen und wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere. Jede Sekunde dauerte eine qualvolle Ewigkeit, bis endlich der Wecker klingelte.
Um halb fünf Uhr morgens drang der aufdringliche Summton des Weckers durch das Schlafzimmer, welches noch von tiefer, schwarzer Nacht erfüllt war. Die Klimaanlage rauschte leise und monoton, irgendwie gelangweilt, vor sich hin. Angenehme Wärme erfüllte dabei den in undurchdringlicher Finsternis liegenden Raum. Dann erklang leises Rascheln. - . . . Die dünne Bettdecke bäumte sich auf, legte sich in zahllose, unterschiedlich große Falten, schlug Wellen wie das Meer bei einem aufkommendem Sturm. Quälendes Stöhnen kroch über das Kopfkissen. Ein nackter Arm ragte unter der Decke hervor. Plötzlich schlug er hektisch, blind tastend über den Nachttisch. Das Stöhnen verwandelte sich zu verärgertem Ächzen. Schließlich ein dumpfer Knall! - . . . Im selben Moment verstummte der elende Summton. Jetzt herrschte wieder angenehme Stille - bis auf den noch müden, zaghaften Herzschlag des Mannes im Bett. Er war allein, wie schon seit zwei Jahren, obwohl es ihm vorkam, als sei der Platz neben ihm erst seit gestern leer. Der Mann drehte sich langsam auf die andere Seite und streichelte zärtlich das Kopfkissen neben dem seinen. Tränen traten in seine Augen. „Du fehlst mir so sehr, Nicole.“
Er küsste das am Abend zuvor frisch bezogene Kissen, dann drückte er es ganz feste an seine Wangen. Traurigkeit verzehrte die Verärgerung über das nervenzerreißende Summen des Weckers, der jetzt, nach fünf Minuten, erneut die Stille zerriss. Ein letztes Mal. Der Mann wusste, dass er das Kuscheln mit seiner hübschen Frau beenden, die liebevolle Umarmung lösen musste. Alan J. Dorn wälzte sich mit zerknirschtem Gesicht auf die andere Seite, sah verschlafen auf die Zahlen, die ihm bedeuteten, dass es Zeit wurde, aufzustehen. Ruckartig riss er die Bettdecke beiseite, setzte sich aufrecht auf die Bettkante und schlug erneut mit der Hand auf den `Aus`- Schalter des Weckers. Er hielt kurz inne, starrte entspannt in die endlos tiefe Finsternis. Etwas war anders als sonst. -? - Nur die roten Zahlen des Weckers leuchteten, strahlten als einzige Lichtquelle die Zeit in den Raum. Irgendwie fehlte etwas – und das Nichtvorhandene brachte Ruhe in Alans Unterbewusstsein. Die ihn umhüllende Schwärze blieb. - Das flackernde Neonlicht des Kinos fand nicht mehr den Weg in das Zimmer – ein schwerer Vorhang verhinderte nun endlich das unregelmäßige Zucken des Lichtes, das bis vor kurzem jedes Mal Gemütsstörungen in ihm hervorrief. Er musste dem Flackern den Garaus machen, bevor sich das nervös zuckende Licht auf seinen Geist übertrug. Es hätte nicht mehr lange gedauert, dann wäre Alan vermutlich ein Fall für die geschlossene Anstalt für Nervenkranke geworden, denn seit dem Tod seiner Partnerin konnte er das unerbittliche Flackern der Neonlichtreklame nicht mehr ertragen. Warum? Alan konnte es sich nicht erklären.
Alan drehte an dem winzigen runden Bronzeschalter der Nachttischlampe. Das freundliche, aber grelle Licht verdrängte die stehende Dunkelheit. Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Der stämmige Cop blinzelte mit den Augen und wischte die Tränen mit dem Handrücken von seinen Wangen. Jetzt fiel sein Blick auf das kleine Bild auf dem Nachttisch, welches er in moosgrünem Holz hatte einrahmen las-sen. Die junge Frau sah ihn mit ihren himmelblauen Augen fröhlich lächelnd an. Rotblonde Haare fielen in langen Wellen über ihren runden Kopf mit süßen Pausbacken und Stupsnase hinunter bis zu ihrer schmalen Taille. Den Hals zierte eine weiße Perlenkette. Gedankenversunken starrte Alan es einige Sekunden lang an. „Nicole! – Meine Liebste.“, murmelte Alan leise melancholisch. Dann griff er das Bild mit beiden Händen, führte es zum Mund, küsste Nicole auf die vollen Lippen und drückte sie anschließend zärtlich an seine Brust. Alan unterdrückte angestrengt Tränen, die erneut aus seinen Augen zu rinnen drohten. Voller Wehmut stellte er das Bild vorsichtig wieder auf den Nachttisch zurück und atmete schwer mehrere Züge Luft tief in seine Lungen. Bei jedem Aufstehen und zu Bett gehen vollzog er diese Art von Ritual.
Schließlich stand Alan auf, streckte seine Arme weit aus und reckte sich, bevor er ins Bad ging und eine kalte Dusche nahm. Dabei sang er, jetzt in etwas heiterer Stimmung, `Sunshine in the morning`, denn seit langem hatte er endlich einmal wieder ein paar Nächte durchschlafen können – ohne Alpträume, ohne die quälenden Bilder von Lindas Tod.
Inzwischen zeigte die Uhr im Bad fünfzehn Minuten nach fünf Uhr. Schnell schlüpfte Officer Dorn in seine ordentlich an der Garderobe im Korridor aufgehängte Uniform, ging hinaus ins Treppenhaus, schloss die Wohnungstür ab und sprang drei Stufen gleichzeitig nehmend die Treppe hinunter bis in die Tiefgarage. Alan nahm auf der weichen Sitzbank seines `58er Chevy Bel Airs Platz, schaute wieder auf die Uhr und fuhr los. Den Motorraum des schwarzroten Chevrolets füllte mittlerweile ein Big- Block- Aggregat mit 350 PS, was zum Schnellfahren verleitete.
Der Tachometer zeigte fünfundsiebzig Stundenkilometer an, als Alan durch die Innenstadt in Richtung Hauptquartier raste. Doch er wusste meistens, wo die Radarkontrollen standen. Trotzdem kam es in den letzten Jahren, seit Alan das kraftvolle Big- Block- Aggregat eingebaut hatte, häufiger vor, dass man ihn wegen Geschwindigkeitsübertretungen angehalten hatte, und so legte sich Officer Dorn schon vor Fahrtantritt immer überzeugende Erklärungen zurecht.
Über die breiten Hauptstraßen floss der Verkehr wie zähflüssige Lava, deshalb jagte Alan seinen Bel Air durch unzählige Seitenstraßen. Trotz der Umwege traf er zehn Minuten vor sechs Uhr am Hauptquartier ein und stellte seinen Wagen auf dem Ost- Parkplatz ab. Jetzt hatte Officer Dorn noch genügend Zeit, pünktlich um sechs Uhr in Captain Rheas Büro zu erscheinen. Alan mochte sich nicht ausdenken, was für eine Predigt ihn erwartet hätte, wenn er zu spät gekommen wäre. Der Chef der Abteilung konnte Unpünktlichkeit auf den Tod nicht ausstehen. Erst letzten Monat hatte er Sergeant Toni Heller nach einem Disziplinarverfahren gekündigt, weil der wochenlang regelmäßig zu spät kam. Als Grund gab Toni an, dass sein Sohn krank sei. Doch Nicolas brachte in Erfahrung, dass Kevin bei Sergeant Hellers geschiedener Frau lebte.
Und obgleich Alans Uhr erst fünf Minuten vor sechs anzeigte, war er sichtlich nervös, als ihn die Sekretärin gleich durchwinkte und er den Türknauf zu Captain Rheas Büro mit feuchten Händen herumdrehte. Wie ein kleiner, ängstlicher Schuljunge, der etwas ausgefressen hatte und nun zum Rektor zitiert wurde, trat er ein. Leise drückte er die Tür hinter sich ins Schloss. Er ging zwei Schritte und blieb plötzlich unsicher stehen. `Was ist nur los mit mir?`, fragte Alan sich in Gedanken. `Jedes Mal, wenn ich mich bei ihm zum Dienstantritt melde, ist es unbewusste Routine, aber nie entfachte es derart seltsame Gefühle.` Doch heute war nicht ein Tag wie jeder andere. Heute war ein besonderer Tag. Einer, von dem sich jeder Polizist wünschte, es würde ihn niemals geben.
Captain Nicolas Rhea saß streng aufrecht in einem hochlehnigen Ledersessel und blickte über seine Brille mit elegantem, goldfarbenen Gestell hinweg zur Tür, als Officer Dorn das Büro betrat. Er schloss die vor ihm liegende Unterschriftsmappe und legte den teuren Füllfederhalter beiseite. Er hasste Kugelschreiber - nicht nur die aus billigem Plastik, sondern diese Stifte im Allgemeinen. Rhea war der Meinung, sie verderben das Schriftbild, und damit hatte er natürlich wieder einmal Recht. Seit Alan Kugelschreiber benutzte, wurde seine Schrift immer unleserlicher, ja, zum Teil konnte er sie nachher selbst kaum noch entziffern. Captain Rhea strich mit der Hand durch sein graumeliertes, schütteres Haar. Er war auf dem besten Wege, das siebenundfünfzigste Lebensjahr zu überschreiten. Nächsten Monat hatte er Geburtstag. Sein Gesicht war hager, wie seine gesamte Gestalt, aber von Härte gezeichnet. Die Haut wies zahlreiche Fältchen und eine Narbe zwischen Unterlippe und Kinn auf – sie stammte von einem Wahnsinnigen, der den damaligen Officer während seiner aktiven Zeit auf der Straße mit einem Messer attackierte.
Die Anzüge, die er trug, kannten nur die verschiedensten Grautöne; dazu passende Krawatten in gedämpften Farben; dezente Hemden; stets auf Hochglanz polierte Schuhe und eine alte, aber sehr exklusive Armbanduhr - dies alles in Kombination verlieh ihm eine streng konservative und äußerst gepflegte Erscheinung, was auch seinem Wesen entsprach. Sein drakonischer Charakter äußerte sich jedoch in positiver Haltung gegenüber Mitarbeitern. Besonderen Wert legte er auf Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit, volle Einsatzbereitschaft und Kollegialität. Captain Rhea zeigte sich immer hilfsbereit, und man konnte mit allen Problemen, gleich, ob sie dienstlicher oder privater Natur waren, zu ihm kommen. Er hörte aufmerksam zu, versuchte Lösungen zu finden. Er legte Objektivität und Rechtsempfinden in jeder Situation an den Tag. Captain Rhea stellte sich als ideales Vorbild und Vorgesetzter dar, der vor keinem Problem davonlief, sondern sich ihm offen gegenüberstellte. Ein Mann, den man liebte oder hasste. Zu alledem kam hinzu, dass er auch noch ein absoluter Gesundheitsfanatiker war. Obst, Gemüse, Kartoffeln und Fleisch in ausgewogenem Verhältnis, Tee und Heilwasser standen auf seinem Speiseplan. Fast Food, Süßigkeiten, Kaffee und was sonst noch schmeckt, war verpönt. Alkohol und Tabak kannte sein Vokabular erst gar nicht.
Eine Flasche Stilles Wasser stand auf Rheas Schreibtisch. Noch mindestens zwei weitere Flaschen lagerte er im Schreibtischfach, das wusste jeder der Abteilung. `Viel trinken ist gesund. Sonst trocknen Ihre Gehirne aus und Ihre Denkzellen verdursten.`, predigte Nicolas immer mit verschmitztem Grinsen. Im Besonderen fiel jedoch Captain Rheas Trinkgewohnheit auf. Gerade eben, als Officer Dorn noch wie angewurzelt an derselben Stelle stand, an der er nach dem Eintreten stehen geblieben war, konnte er es wieder beobachten. Nicolas setzte zu einem großen Schluck an. Aber er schluckte das Wasser nicht gleich hinunter, sondern sammelte es im Mund und kaute darauf herum! Das wirkte irgendwie komisch, und jeder, der diesem Ritual beiwohnte, musste sich krampfhaft das Lachen verkneifen, wollte sich nichts anmerken lassen – so viel Respekt besaßen sie vor Captain Rhea. Doch er hätte es ihnen natürlich nicht übelgenommen, denn Spaß hielt er für die gesündeste Medizin für Körper, Geist und Seele. Alles in Allem war der Chef der Abteilung ein gebildeter Mann mit Verstand, ausgeprägter Menschenkenntnis und gesundem Humor.
„Guten Morgen, Captain.“, kam es Officer Dorn zaghaft über die Lippen. Plötzlich wunderte sich Alan darüber, dass er seinen Chef so zurückhaltend, ja beinahe sogar ängstlich begrüßte. Schließlich hatte er nichts verbrochen, wurde nicht in Rheas Büro zitiert, um wegen eines gesetzeswidrigen Verstoßes Rede und Antwort stehen zu müssen. Er hatte nichts getan, wofür er sich hätte rechtfertigen oder gar verteidigen müssen. Schließlich wusste Alan, weswegen der Captain ihn in sein Büro geordert hatte. Aber vielleicht gerade deswegen beschlich ihn ein seltsames Gefühl.
„Guten Morgen, Officer Dorn.“, sagte Captain Rhea ruhig mit rauer Stimme. Dabei deutete er Alan mit ausgestrecktem Arm, Platz zu nehmen. „Wie geht es Ihnen heute?“, fragte er mit besorgter Miene. Jeden Tag, wenn sie sich vor und nach dem Dienst zur Meldung sahen, stellte er diese Frage; seit Officer Dorn seine Partnerin verloren hatte. Alan wusste, dass er ernsthaft besorgt war, er seine Besorgnis um einen seiner besten Männer nicht nur vorspielte. Schließlich waren Linda McNell und Officer Dorn als Team optimal zusammengewachsen und auch privat Freunde.
Zusätzlich erkundigte er sich regelmäßig bei Kollegen nach Alans Befinden, da Rhea sichergehen musste, dass dieser noch in der Lage war, den Streifendienst gewissenhaft auszuüben, ohne eine Gefahr darzustellen. Captain Rhea fürchtete, dass Dorn durch Fehler und Unaufmerksamkeit sein eigenes Leben und das anderer ernsthaft gefährden könnte. Doch er wollte ihn nicht einfach dem Streifendienst entziehen und ihn in den Innendienst versetzen, solange der Officer den harten Dienst auf der Straße noch ausüben konnte - sowohl psychisch als auch physisch. Nicolas konnte ihm das nicht antun, nicht einem erfahrenen Polizisten, der mit Leib und Seele Streifencop war. Vermutlich würde das bei Alan sogar irreversible Depressionen auslösen. Er müsste glauben, dass man ihn für unfähig hielte und ihn aufs Abstellgleis schieben wollte, wo er mit verstaubten Akten auf die Rente warten sollte.
Während Officer Dorn auf dem Stuhl Platz nahm, antwortete er jetzt selbstbewusst mit kräftiger Stimme: „Mir geht es schon wieder besser, Captain. Danke. Ich schlafe nachts wieder durch, und die schrecklichen Alpträume peinigen mich auch seltener.“
Captain Rhea nickte zufrieden. „Das freut mich zu hören und beruhigt mich ein wenig.“
„Aber vergessen kann ich es wohl nie, Sergeant McNell und auch ihren schrecklichen Tod nicht.“
„Und es ist vielleicht sogar gut, wenn Sie Sergeant McNell nicht vergessen, sie nicht völlig aus Ihrem Leben streichen. Immerhin
war sie ein Teil Ihres Lebens. Aber sollten irgendwelche Probleme auftauchen – Sie wissen, ich bin jederzeit für sie da.
Sozusagen als Ihr Beichtvater.“ Er warf Officer Dorn einen freundschaftlichen, aufmunternden Blick zu.
„Danke Captain. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie derart besorgt um mich sind, Verständnis zeigen und mir nach Sergeant McNells Tod so viel Ihrer Zeit opferten. Das findet man nicht oft – nicht einmal unter Freunden. Die unterbreiten einem immer nur gute Ratschläge, die aber inakzeptabel und doch nicht umzusetzen sind. Die meisten können sich einfach nicht in meine Situation hineinversetzen. Ich verspreche, dass ich auf Ihr Angebot zurückkomme, falls es mir wieder schlechter geht.“
„Gut Officer, ich verlasse mich darauf. Schließlich möchte ich Sie nicht verlieren. Einen guten und erfahrenen Mann wie Sie es sind zu ersetzen, kostet viele Jahre mühevolle Arbeit. Und selbst das ist kein Garant dafür, einen meinen Vorstellungen entsprechenden strebsamen, korrekten und einsatzbereiten Cop wie Sie zu reproduzieren.“
„Danke Captain, das ist eine große Ehre für mich.“ Captain Rhea nickte bestätigend.
„Darf ich Ihnen ein Wasser anbieten, oder soll ich veranlassen, dass unsere nette Miss Cinsza Ihnen Tee oder Kaffee kocht?“, fragte er höflich.
In Anbetracht des Gesundheitswahns seines Chefs gab er ohne zu zögern zurück: „Ich nehme gerne ein Wasser; das ist derzeit bekömmlicher für meinen Magen.“
Captain Rhea nahm ein großes Glas aus dem Schreibtisch, füllte es mit seinem Stillen Wasser und reichte es Alan herüber. „Danke.“
Rhea lehnte sich beinahe flegelhaft, das passte gar nicht zu ihm, in seinen Sessel zurück und legte die elegante Brille der exklusiven Marke Bugatti vorsichtig auf den Schreibtisch. Er schloss für einige Sekunden die Augen. Man sah ihm an, dass er nachdachte, überlegte, wie er das Gespräch beginnen sollte. Kurz darauf erklang ein verhaltenes Räuspern. „Officer Dorn, glauben Sie mir, es fällt mir wirklich schwer, und ich muss eingestehen, dass ich nicht weiß, wie ich beginnen soll. Unsere Unterredung wird zwei
Seiten aufweisen, sowohl für Sie, als auch für mich und ich wünschte, Sie würden mir heute aus einem anderen Grund gegenübersitzen.“ Alans Chef umklammerte mit seinen langen, dünnen Fingern das Glas Wasser, führte es langsam zum Mund. Dann nahm er einen großen Schluck und kaute wieder darauf herum. Anschließend schluckte er es hinunter und holte ein paar Mal tief Luft. Er sah auf seine Uhr. Alan konnte fühlen, dass es Nicolas schwerfiel, dieses Gespräch zu führen, obwohl es nicht das Erste seiner Art war und auch nicht das Letzte bleiben würde. Er suchte nach den richtigen Worten. Im Fall Officer Dorn schien alles anders zu sein. Vielleicht weil er Rheas Aushängeschild der Abteilung war, und er zudem wusste, welch enge freundschaftliche Beziehung Dorn zu Linda McNell pflegte.
„Officer, es geht, wie Sie wissen, um ihren neuen Partner.“, begann er schließlich. „Das ist weiß Gott keine einfache Aufgabe, auch nicht für mich. Es bedurfte langer Überlegungen, wie die Entscheidung sowohl zu Ihrer als auch zu meiner Zufriedenheit ausfallen müsste. Sergeant Conell, den ich zuerst in Betracht gezogen hatte, konnte ich Ihnen nicht als neuen Partner zur Seite stellen, da er kürzlich aus persönlichen Gründen seine Versetzung nach Chicago beantragt hatte, der ich verständlicherweise, wenn auch ungern, entsprochen habe. Er erschien mir als der optimale Partner für Sie. Sergeant Raphael Malone passt charakterlich nicht zu Ihnen. Officer Kinley, wie Sie wissen, heiratete letzten Monat und entschied sich, den Dienst zu quittieren, um eine Familie zu gründen. Officer Murphy, der für den Distrikt South Central zuständig war, bevor er zu unserem Hauptquartier für East Los Angeles wechselte, entschied sich letztendlich für die Sitte. Tut mir leid, ihn hätte ich gerne an Ihrer Seite gesehen.“
Officer Dorn dachte die ganze Zeit darüber nach, welche Cops sein Vorgesetzter nun in die engere Wahl gezogen hatte.
„Verzeihen Sie, Captain. Auch mir schwebten einige Namen durch den Kopf, von denen nur einer übrigblieb. Ich dachte an Sergeant Peggy Miller. Sie könnte von einem `Alten Hasen` wie mir viel lernen, zumal sie ja, entschuldigen Sie meine saloppe Ausdrucksweise, noch `grün hinter den Ohren` ist und eine strenge Hand gut brauchen könnte, um in der harten Welt da draußen zu überleben.“
Captain Rhea zog seine Brauen hoch und neigte dabei den Kopf leicht nach links. Officer Dorn legte seine Stirn erwartungsvoll in Falten, in der Hoffnung, dass auch Nicolas sich für Sergeant Miller als seine neue Partnerin entschieden hatte.
„Tatsächlich, ich habe sie in Erwägung gezogen. Aber, so leid es mir tut, musste ich mich für jemand anderes entscheiden.“
Nicolas beugte sich vor und legte seine verschränkten Arme auf die Schreibtischplatte, auf der sorgfältig, bündig gestapelt, drei kleine Berge von Ordnern lagen. „Alan.“, sagte er in ungewohnt vertrauensvollem Ton zu Dorns Erstaunen. Noch nie hatte er einen seiner Mannschaft mit dem Vornamen angeredet.
Das verstieß gegen den Grundsatz, Distanz zu seinen Mitarbeitern zu wahren.
Aber die besonderen Umstände dieses Falls ließen eine einmalige Ausnahme zu. „Ich weiß, dass Sie damit gerechnet haben, dass ich Ihnen Peggy zur Seite stelle. Aber glauben Sie mir, ich habe alle Pro und Contras sorgfältig aufgewogen und bin zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen. Ich bin mir absolut sicher, dass es für Sergeant Miller einfach noch zu früh ist, sie im gefährlichsten Distrikt East LA`s einzusetzen. Und ich bin mir des Weiteren sicher, dass Sie dafür Verständnis zeigen.“ Captain Rhea sah die Enttäuschung in Officer Dorns Augen, der nur stumm nickte. Rhea stand auf, ging um den Schreibtisch herum und klopfte Alan tröstend auf die Schulter. „Aber eines verspreche ich Ihnen. Für Vertretungsfälle teile ich Ihnen Peggy zu. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.“
Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, strahlten Alans Augen wieder, denn die beiden verstanden sich wirklich sehr gut. „Danke Captain. Ich hoffe, dass mein neuer Partner, wer immer das auch sein mag, möglichst früh und oft ausfällt.“, rutschte es Officer Dorn euphorisch, ohne Nachzudenken, heraus. Erst als er den Satz beendet hatte, wurde ihm die Bedeutung seiner Bemerkung bewusst und er wünschte sich, es nie ausgesprochen zu haben. Sofort verdrängten schockierte Gesichtszüge die Freude, die gerade noch breit auf seinem Gesicht zu sehen war. Sie ließen sein Gesicht jetzt einfrieren.
Aber Captain Rhea hatte Verständnis für Officer Dorns euphorischen Ausbruch und wusste, dass er es nicht so meinte, wie er es sagte. Gerade nicht in dieser Zeit - kurz nachdem er seine Partnerin verloren hatte. Rhea schaute wieder auf seine elegante Uhr. „Ich denke, ich lasse Ihnen jetzt doch besser einen starken Kaffee bringen.“ Alan sah mit entschuldigender Miene zu seinem Chef auf. Rhea erkannte in dessen Augen, dass er förmlich nach starkem Kaffee schrie, das fahle Wasser nur seinetwegen hinunterwürgte. Schließlich gehörte Dorn zu den ausgesprochenen Kaffee-genießern.
„Miss Cinsza, bringen Sie unserem Officer bitte eine Kanne starken Kaffee!“, hallte Rheas Stimme durch die Sprechanlage in das kleine Vorzimmer hinein, in dem Miss Cinsza saß.
Inzwischen zeigte Captain Rheas edler Zeitmesser 6.28 Uhr. Er trank sein Glas Heilwasser aus und lehnte sich entspannt zurück. Dann klopfte es zaghaft an die Tür. Noch einmal sah er auf die Uhr und lächelte. „Halb Sieben. Pünktlich auf die Minute. – Kommen Sie herein!“ Miss Cinsza öffnete die Tür und trat ein, das Tablett mit dem Kaffee in der Hand. Sie war von unauffälliger Erscheinung, wie ein graues Mäuschen, dass sich am liebsten vor allen Männern verstecken wollte. Unvorteilhaft für ihre Figur trug sie stets weite Kleidung, obwohl sie das nicht nötig hatte. Kurze, haselnussbraune Haare, schmales Gesicht und auf ihrer ein wenig zu lang geratenen Nase ruhte eine schäbige Hornbrille, die dicke Gläser einfasste. Sie verlieh dem jungen Mädchen einen starren und beinahe unheimlichen Blick – ihre mausgrauen Augen schienen weit aus den Höhlen hervorzutreten. Sie besaß für ihr schmales Gesicht einen ungewöhnlich schönen Schmollmund, den sie mit kräftigem Lippenstift wunderbar hätte hervorheben können. Doch sie verzichtete auf kräftiges Rot, wie überhaupt auf Make- up, und so lagen die Lippen unauffällig zwischen ihren Wangen und dem Kinn, welches ein winziges Grübchen aufwies. Am Hals hatte sie zwei kleine Muttermale. Sie sahen wie der Biss eines Vampirs aus und gaben oft Anlass für geistesarme Sprüche irgendwelcher Kollegen. Daher trug sie seit kurzem immer ein Halstuch - natürlich in stumpfem, kaltem Grau. Miss Cinsza folgte ein kleiner, junger Mann von schlanker Statur in elegantem Zwirn und perfekt sitzender Krawatte. Kurz geschnittene schwarze Haare, sie waren wirklich schwarz wie die Nacht, schwarzbraune Augen in einem runden Kopf und dunkle Haut ließen eindeutig auf einen Südamerikaner schließen. Ein zurückhaltendes, seltsames Lächeln lag auf seinem Gesicht. Officer Dorn musterte ihn misstrauisch.
„Sergeant José Hernandéz.“, stellte Miss Cinsza den Mann vor. Der Latino ging mit ausgestrecktem Arm schnurstracks auf Captain Rhea zu, ohne Dorn dabei zu beachten, ihn keines Blickes würdigend, und begrüßte den Abteilungsleiter freundlich mit festem Händedruck. „Es freut mich, für Sie arbeiten zu dürfen, Captain Rhea. Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Sie sind bereits als Legende im Polizeidienst bekannt. Als ich nach unserem ersten Gespräch hörte, dass Sie mich für Ihr Police Department ausgewählt hatten, erfüllte es mich mit besonderem Stolz.“ Sofort fiel Officer Dorn der südamerikanische Akzent auf, der aber nicht der gleiche war, den die meisten hier lebenden Latinos sprachen. Er wies nur geringfügige Unterschiede auf, aber man konnte sie heraushören. Nur ein geringer Teil Latinos besaß diese Mischung aus Näseln, Lispeln und unrhythmischer Betonung in ihrem Akzent.
„Danke, Sergeant Hernandéz. Genug der Begrüßungsfloskeln. Ich heiße Sie im Namen unserer Abteilung herzlich willkommen.“
`Aalglatter Schleimer!`, dachte Alan. `Bitte lass es nicht den sein, für den ich dieses Arschloch halte.` Miss Cinsza stellte das Tablett mit einer Kanne Kaffee, Milch, Zucker und Tasse vor Officer Dorn auf den Schreibtisch. „Danke. Vielen Dank, Miss Cinsza.“, sprühte er Rheas Sekretärin überaus höflich entgegen. Die junge Frau erwiderte mit einem verhaltenen Schmunzeln und schenkte ihm ein. Dann verließ sie stumm das Zimmer. In diesem Moment kam sich Officer Dorn irgendwie verloren und überflüssig vor und trank einige Schlucke des herrlich duftenden, stark gebrannten kolumbianischen Kaffees. Derweil brach Captain Rhea geschickt die überfahrende Tirade des jungen Latinos ab. „Wir werden uns in den nächsten Tagen noch des Öfteren miteinander unterhalten. Aber jetzt möchte ich Ihnen erst einmal Ihren Partner und Vorgesetzten,“, das letzte Wort betonte Nicolas besonders, „vorstellen.“, sagte Rhea und wies auf den knurrig dreinschauenden Officer. „Und, Officer, das ist ihr neuer Partner, Sergeant José Hernandéz, Streifencop aus Chicago.“
`Oh nein! Und dieser Typ soll zu mir passen? Niemals! Mit dem soll ich ein Team bilden, mich durch das brutale East L.A. schlagen? Das kann, nein, das darf doch nicht Captain Rheas Ernst sein. Ich bin doch kein Kindermädchen. Das muss ein böser Traum sein!`, schoss es Alan entrüstet durch den Kopf.
„Officer Dorn ist der beste Mann meiner Abteilung. Sie können sich glücklich schätzen, mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Ich bin mir sicher, dass sie beide schon sehr bald ein optimales Team bilden.“
Jetzt wandte sich der schmächtige junge Mann Dorn zu. „Es freut mich außerordentlich, Officer Dorn. Captain Rhea hat während unserer Gespräche nur Gutes von Ihnen berichtet.“, sagte er höflich und reichte ihm die Hand. Dorn zögerte einen Moment und blickte kurz an Sergeant Hernandéz vorbei, hinüber zu seinem Chef. Der zwinkerte mit den Augen und nickte. Widerwillig gab er dem Sergeant die Hand. Der übte einen nicht zu vermutenden Druck aus, mit dem Alan bei der schmächtigen Gestalt nicht gerechnet hätte, sah ihn verwundert an und presste sich ein stures, aber dennoch höfliches „Guten Morgen, Sergeant Hernandéz. Freut mich ebenfalls, Sie kennen zu lernen.“ heraus.
„Ich habe Sie mir . . .“, begann Sergeant Hernandéz, als ihn Captain Rhea erneut unterbrach.
„Sie beide haben gleich genügend Zeit, sich zu unterhalten, aber zuvor möchte ich Sie Ihnen den anderen Kollegen meiner Abteilung vorstellen. Anschließend zeige ich Ihnen auf einem Rundgang die Räumlichkeiten unserer Abteilung, Ihren Spind, die Duschen, ihren Schreibtisch, den Aufenthaltsraum und was unser Police- Department sonst noch zu bieten hat.“
Captain Rhea sah Officer Dorn auffordernd an und ging zur Tür. Sergeant Hernandéz folgte ihm. Alan trank seinen Kaffee aus und schloss sich dem Rundgang der beiden an. Ihm kam es so vor, als sei er jetzt nur das Fünfte Rad am Wagen, obwohl er nur zu genau wusste, dass der Schein trog. Schließlich gehörte er zu den Besten der Abteilung. Mürrisch schlenderte er hinter Captain Rhea und dem Jüngling her, der mit äußerster Aufmerksamkeit den Ausführungen seines neuen Chefs lauschte und ihn darüber hinaus interessiert mit Fragen überhäufte. Eine Stunde später betraten die Drei erst wieder das Büro. Danach entließ Captain Rhea Officer Dorn und seinen neuen Partner. Zuerst stand die Kleiderkammer auf dem Plan. Anschließend räumte Sergeant Hernandéz seinen Spind ein, bevor er den Schreibtisch einräumte. In dem Aufenthaltsraum gab Officer Dorn dem jungen Latino- Cop eine ausführliche Unterweisung.
Bereits zwei Tage später begann für Sergeant Hernandéz der offizielle Dienst.
Captain Rhea gab zum Abschluss noch einige Ausführungen zu den Dienstabläufen und unterschrieb den Dienstplan für den heutigen Tag, bevor er Officer Dorn zusammen mit seinem neuen Partner Sergeant Hernandéz zum Einsatz entließ.
„Ich wünsche Ihnen beiden noch einen ruhigen Tag. Wir sehen uns heute Nachmittag.“ Er füllte das leere Glas wieder mit seinem stillen Heilwasser auf, genoss einen großen Schluck und wandte sich noch einmal dem jungen Sergeant zu. „Officer Dorn wird Ihnen alles Weitere ausführlich erklären. Obgleich es im Großen und Ganzen sicherlich keine nennenswerten Unterschiede zu New York, Chicago, San Francisco, Dallas und anderen großen Metropolen in den U.S.A. gibt. Allerdings haben wir es hier in Los Angeles in größerem Umfang mit organisierten Verbrechen und Banden zu tun, deren Altersgrenzen immer weiter nach unten tendieren - besonders in East Los Angeles und South Central. Sollten Sie dazu noch Fragen haben, Officer Dorn wird sie Ihnen gerne ausführlich beantworten. Ich bin überzeugt, Sie werden sich in unserer Stadt schnell eingewöhnen. Viel Glück. Bye- bye.“
„Ich werde Ihnen Ihren besten Cop heile wieder zurückbringen. Versprochen.“, scherzte Sergeant Hernandéz spitz. Captain Rhea lachte. „Das will ich meinen, Sergeant. Sonst wird das heute hier Ihr letzter Tag gewesen sein.“, konterte Rhea und lachte herzhaft. Auch Alan zwängte sich ein verkrampftes Schmunzeln heraus. Doch erstickte er es in zornigem Räuspern. Dann riss er wütend die Tür auf und deutete Sergeant Hernandéz, vorauszugehen. In dem Moment, kurz bevor sie laut zuzuknallen drohte, bremste Officer Dorn sie ab. „Und Officer Dorn!“, hörte er die ermahnende, raue Stimme seines Vorgesetzten. Alan öffnete die Bürotür noch einmal einen Spalt breit und steckte seinen Kopf hindurch, die Stirn in zornige Falten gelegt. „Ja, Chef!?“
Captain Rhea sah ihn mit ermahnendem Blick an.
„Sergeant Hernandéz ist ab heute Ihr neuer Partner. Denken Sie daran und verhalten Sie sich entsprechend. Sie wissen, wie ich das meine!?!“
Alan nickte und winkte mit der Hand ab. „Alles klar. Bye- bye.“
`Eine dumme Bemerkung von diesem eingebildeten Küken und ich bringe ihn gleich auf der ersten Schicht um.`, dachte Alan und grinste breit, als er und Sergeant Hernandéz in den Dienstwagen einstiegen.