Aufschreibung aus Trient - Franz Tumler - E-Book

Aufschreibung aus Trient E-Book

Franz Tumler

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Beschreibung

Ein Mann macht mit seiner Freundin eine Reise nach Italien. Kurz vor Trient hat er einen Unfall, der ihn zwingt, in der Stadt zu bleiben. Unversehens begegnet er dort seiner eigenen Vergangenheit und jener der Deutschen und Italiener, die sich so lange um das Land Südtirol gestritten haben. Auf den Spuren seines Vaters kommt er hinter das Geheimnis der Menschen, die dort leben. Schritt für Schritt fügt sich so ein Bild gemeinsamen Schicksals zusammen, ein Bild der Landschaft, ihrer eingesessenen und zugewanderten Bewohner, für die es nur die Möglichkeit gibt, zusammenzuleben. Auch Jahrzehnte nach Erscheinen hat Franz Tumlers Aufschreibung aus Trient nichts an Aktualität verloren. Sanft offenbart sein Blick, was den beiden Sprachgruppen gemeinsam ist und was sie trennt. Und damals wie heute fasziniert Tumlers Schreiben - so still und zurückgenommen, und dabei von einer Klarheit, die man nur mehr selten findet.

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Titel

Franz Tumler

Aufschreibung

aus Trient

Roman

Mit einem Nachwort von Sieglinde Klettenhammer

Erster Teil

1

Das Hotel klein, heiß, das heißt: unten geht es, auf dem Fußboden aus weißem Marmor. Aber wenn ich die Treppe in die Höhe gehe, die vier Stockwerke, schlägt mir die Hitze entgegen. Zuletzt aus dem Zimmer, in dem die Frau auf dem Bett liegt, mit Schweißperlen auf der Stirn und nackten Armen, und den Kopf nicht rührt. Nur die Augen rührt, die hin- und hergehen und sagen: Bitte Wasser. Und wenn ich sie stütze, trinkt sie, und das Wasser rinnt ihr über die Lippen auf die Haut, es ist eiskalt. Und ich brauche es aus dem Hahn nicht lange laufen zu lassen, es ist im ersten Augenblick kalt, trotz der Hitze sonst hier, weil hier Gebirge ist, weil es aus dem Stein kommt, aus der harten dichten sofort eiskalten Steinmasse, auf der die Erde in den Tälern hier ein bißchen verwitterte Krume ist, nicht sehr tief, nicht locker, und von Steinen durchsetzt. Aber sonst ist die Hitze im Zimmer und hier auch auf dem weißen Marmor, aus dem das Waschbecken ist; und dem weißen Marmor, aus dem das Fenstergesims ist; und draußen auf den rostroten Ziegeln, engen Röhrchen nebeneinander, auf die ich hier sehen kann auf die niederen Dächer. Ich habe sie unter mir: die rostroten Ziegel, die Fliegen, die auf ihnen kriechen, die Schwalben, die über ihnen fliegen; und nur etwas ist grün eine Wand gegenüber, höher als die Ziegeldächer und auf der anderen Seite, der Platz dazwischen; dort steigt sie auf, höher auch als das Hotelzimmer: eine grüne Efeuwand an einer grauen Mauer. In dem Efeu raschelt die trockene Hitze, in den grauen Mauersteinen sitzen Spinnweben, aber die zierlichen Fenster haben Stäbe und Bogen und Kleeblätter und wieder aus weißem Marmor. Es sieht aus, als wären sie extra unterstrichen und nachgezeichnet, damit man sie deutlich sieht in der grauen Mauer und über der grünen Efeuwand, die sie allmählich umflutet: grün und grau, Efeu, Stein und Fensterloggia; das Kastell.

Ich sage der Frau den Namen, er steht im Reiseführer. Das Kastell Buonconsiglio, die Loggia gotisch. Ich lese es ihr vor, wie es dasteht: Der Mittelbau und der Flügel, der die Museen enthält, sind Renaissancebauten. Ich lese es ihr nicht mehr ganz wörtlich vor, aber sehe die Sätze, wie sie dastehen: Man besichtigt das Museo Nazionale Trentino mit Gegenständen aus archäologischen Grabungen in der Region, und das Museo del Risorgimento mit Erinnerungsstücken aus den Freiheitskämpfen bis zum Krieg 1915 bis 1918.

Aber nun höre ich zu lesen auf. Die Frau sieht mich an. Es ist nicht das erstemal, daß wir so aufhören mit Lesen oder Reden, weil uns die Stimme versagt, und daß wir uns ansehen und nur wissen, daß wir am Leben geblieben sind, und daß es ein anderes Leben sein wird, das beginnt. Die Frau denkt, es ist auch jetzt so. Aber ich lese weiter und höre noch einmal auf und lege ihr den Finger auf die Zeilen. Ich sage: Es ist die Hitze. Sie liest: Ferner werden als ein italienisches Nationalheiligtum die Zellen gezeigt, in denen die Patrioten Damiano Chiesa, von den Österreichern am 19.Mai 1916 füsiliert, Cesare Battisti und Fabio Filzi, am 12.Juli 1916 gehenkt, ihre letzten Stunden verbrachten, und der Graben der Märtyrer, wo sie den Tod fanden.

Ich sehe hinüber, sehe neben der Pforte eine weiße Tafel, ein Viereck aus Marmor, und davor ein Blechschild mit einem Pfeil. Ich bin hinübergegangen und bin wieder umgekehrt. Aber seither weiß ich, ich bin hier vor dieser Pforte. Und sehe jetzt von dem Hotelzimmer hinüber: von dem Zimmer mit dem Bett, in dem die Frau liegt, die sich nicht rühren kann. Aber es ist der erste Tag, und es wird besser nein, keinen Arzt, sagt sie. Es ist nachmittag. Vormittag war ich drüben an dieser Pforte. Und alles ist Zufall: als sie uns in das Hotel brachten, war es finster; und der Mann, der uns brachte, war der Mann vom Abschleppdienst, der Besitzer, proprietario, ein höflicher älterer Mann mit einem Schnauzbart, einer dicken Frau, einer jungen Tochter, einem Hund im Auto. Und Zufall auch, und woran mich der Schnauzbart erinnert, so daß ich es hätte erkennen müssen: ein Mann, der noch in der österreichischen Armee gedient hatte ja, so alt. Und jetzt Abschleppdienst, gewissenhaft, beruhigend, fährt sicher durch enge Straßen, die kaum breiter sind als sein großes Auto; fährt an grauen Mauern vorbei, an erleuchteten Springbrunnen, Efeugärten, Palmen immer im Kreis, kommt mir vor, und lädt uns hier ab: hält vor dem Hotel mit seinem Auto, in dem wir fahren, weil es unser Auto jetzt nicht mehr gibt. Aber nichts ist geschehen. Und tritt noch an die Bar mit uns, trinkt ein Glas Wein mit uns. Die Frau kann den Kopf noch rühren. Aber allmählich, als sie sich beruhigt, kommt der Schmerz. Sie hält noch durch, bis der Wein ausgetrunken ist: dieses Glas und noch ein anderes Glas; und bis man alles genauer erkennen kann, was hier ist: den weißen Fußboden, der durch den Flur und die Bar bis in den Speisesaal geht, und auf dem weißen Stein die Schmutzspuren der Schritte, und draußen eine Schwingung von Platz, Brüstung, Mauer, grüne Efeuwand, das Kastell; und die roten Weintropfen auf dem weißen Stein der Bar ein helles Rot, wie es dieser Wein hier hat. Sie trinkt und schleckt und sieht nun doch unruhig auf die Tür nach oben, aber hält aus, bis die Wirtin kommt, bis das Zimmer fertig ist dann geht sie nach oben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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