18,99 €
Studienarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: sehr gut, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (FB 11 (Sprach- und Literaturwissenschaften)), Veranstaltung: Seminar: Theodor Fontane: Novellen und Romane, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Hausarbeit geht auf ausgewählte Nebenfiguren in Theodor Fontanes Roman ,,Effi Briest" ein. Dabei soll es nicht allein um eine Charakteristik derselben gehen, vielmehr liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung ihrer Beziehung zu den Hauptfiguren und zu dem Romangeschehen allgemein, also auch auf ihren Funktionen. Zudem soll eine Einordnung der Nebenfiguren in Fontanes Realismus-Verständnis vorgenommen werden. Häufig wird in der älteren Sekundärliteratur nur auf die Hauptfiguren in ,,Effi Briest" - oder allenfalls noch auf den Chinesen - eingegangen. Erst in den letzten Jahren hat die Forschung ihr Augenmerk auf die übrigen Gestalten gerichtet. Dabei ist anzumerken, daß einige für die Handlung wichtige Aussagen und Charakterisierungen gerade von den Nebenfiguren stammen. Trotzdem beschäftigte sich die von uns eingesehene Sekundärliteratur oft nur am Rande mit ihnen, so daß wir oft auf allgemeine Interpretationen zum Roman zurückgreifen mußten. Es fehlen z.B. eingehende Studien über Geheimrat von Wüllersdorf oder Annie von Innstetten, über die uns nur sehr wenig Material zugänglich war. Im folgenden wollen wir kurz die Gliederung unserer Arbeit darstellen: Der Hauptteil beginnt mit der Ausarbeitung der Bedeutung von Nebenfiguren bei Theodor Fontane. Dies geschieht, um ein Grundverständnis im Zusammenhang mit seinen Ansichten von Realismus herzustellen, das für die weiteren Ausführungen nötig ist. Punkt 3 beschäftigt sich mit den Nebenfiguren, auf die wir unser Augenmerk gerichtet haben. Dabei unterscheiden wir zwischen den Figuren der Natürlichkeit und den Gesellschaftsmenschen im Roman. Aufgrund seiner Vielschichtigkeit wird der Chinese gesondert betrachtet. Eine abschließende Erörterung des Zusammenhangs zwischen den beschriebenen Figuren und Fontanes Realismus-Verständnis beendet unsere Hausarbeit.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2002
Page 1
Page 2
Verantwortlich für die Seiten 5 bis 22 zeichnet sich Andrea Becker. Die Seiten 23 bis 41 wurden von Maren Reyelt verfaßt. Einleitung und Schlußbemerkung wurden ge- meinsam ausgearbeitet.
Page 4
Diese Hausarbeit geht auf ausgewählte Nebenfiguren in Theodor Fontanes Roman „Effi Briest“1ein. Dabei soll es nicht allein um eine Charakteristik derselben gehen, vielmehr liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung ihrer Beziehung zu den Hauptfiguren und zu dem Romangeschehen allgemein, also auch auf ihren Funktionen. Zudem soll eine Einordnung der Nebenfiguren in Fontanes Realismus-Verständnis vorgenommen werden.
Häufig wird in der älteren Sekundärliteratur nur auf die Hauptfiguren in „Effi Briest“ - oder allenfalls noch auf den Chinesen - eingegangen. Erst in den letzten Jahren hat die Forschung ihr Augenmerk auf die übrigen Gestalten gerichtet. Dabei ist anzumerken, daß einige für die Handlung wichtige Aussagen und Charakterisierungen gerade von den Nebenfiguren stammen. Trotzdem beschäftigte sich die von uns eingesehene Sekundärliteratur oft nur am Rande mit ihnen, so daß wir oft auf allgemeine Interpretationen zum Roman zurückgreifen mußten. Es fehlen z.B. eingehende Studien über Geheimrat von Wüllersdorf oder Annie von Innstetten, über die uns nur sehr wenig Material zugänglich war.
Im folgenden wollen wir kurz die Gliederung unserer Arbeit darstellen: Der Hauptteil beginnt mit der Ausarbeitung der Bedeutung von Nebenfiguren bei Theo-dor Fontane. Dies geschieht, um ein Grundverständnis im Zusammenhang mit seinen Ansichten von Realismus herzustellen, das für die weiteren Ausführungen nötig ist. Punkt 3 beschäftigt sich mit den Nebenfiguren, auf die wir unser Augenmerk gerichtet haben. Dabei unterscheiden wir zwischen den Figuren der Natürlichkeit und den Gesellschaftsmenschen im Roman. Aufgrund seiner Vielschichtigkeit wird der Chinese gesondert betrachtet. Eine abschließende Erörterung des Zusammenhangs zwischen den beschriebenen Figuren und Fontanes Realismus-Verständnis beendet unsere Hausarbeit.
1Theodor Fontane: Effi Briest, Stuttgart 1969 ff. Alle folgenden Zitate aus dem Roman wurden dieser Reclam Ausgabe entnommen. Bei folgenden Erwähnungen werden deshalb lediglich die Seitenzahlen in Klammern hinter den Textzitaten angegeben.
Page 5
2. „Nebenfiguren sind immer das Beste“: Die Bedeutung der Nebenfiguren bei Theodor Fontane
Welchen Stellenwert Nebenfiguren bei Theodor Fontane einnehmen, zeigt sich schon in einem Gedicht, das dieser 1890 der Erstausgabe seines Romans „Stine“ als Widmung voranschickte:
Auch in einem Brief an Maximilian Harden betont Fontane die Funktion seiner Nebenfiguren: „Es ist richtig, daß meine Nebenfiguren immer die Hauptsache sind (...)“3
Diese „Liebe zum Detail“ entspringt Fontanes allgemeinem Interesse am scheinbar Nebensächlichen, am Beiwerk, das er selbst als „die Hauptsache“ bezeichnet hat.4Dies alles enthüllt sich besonders deutlich in seinem Roman „Frau Jenny Treibel“, als Fontane Professor Schmidt sagen läßt:
„Das Nebensächliche, soviel ist richtig, gilt nichts, wenn es bloß nebensächlich ist, wenn nichts drin steckt. Steckt aber was drin, dann ist es die Hauptsache, denn es gibt einem dann immer das eigentlich Menschliche.“5
Überträgt man diese Aussage auf „Effi Briest“, so läßt sich feststellen, daß es gerade die ‚natürlichen‘ Nebenfiguren sind, die durch ihre Ausgestaltung zu Sinnbildern menschlicher Humanität werden und so die Inhumanität der Gesellschaft mit samt
2Heide Buscher: Die Funktion der Nebenfiguren in Fontanes Romanen unter besonderer Berücksichtigung von "Vor dem Sturm" und "Der Stechlin", Bonn 1969, S. 20.
3Theodor Fontane an Maximilian Harden, 20.08.1890, in: Theodor Fontane: Werke, Schriften und Briefe, Abteilung IV, Bd. 4: 1890-1898, München 1980 (=Hanser Ausgabe), S. 57/58.
4Elsbeth Hamann: Theodor Fontanes „Effi Briest“ aus erzähltheoretischer Sicht unter besonderer Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen Autor, Erzählwerk und Leser, Bonn 1984 (Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft, Bd. 353)., S. 151.
5Theodor Fontane: Frau Jenny Treibel, Stuttgart 1998, S. 76.
Page 6
ihren Werten demaskieren. Elsbeth Hamann schreibt diese Tatsache der Fontaneschen Erkenntnis zu, „daß sich gerade im scheinbar Nebensächlichen die Wahrheit des Menschen zu verbergen pflegt.“6Auch Heide Buscher äußert sich ähnlich, wenn sie davon spricht, daß Fontane „solche Nebensächlichkeiten als wesentliche Ausdrucksmittel seiner dichterischen Intention“ verwendet, und weiter: „Dem Detail verleiht er Transparenz für das symptomatisch Allgemeine, für das große Ganze.“7All diese Detailliebe und der Blick auf das Nebensächliche - denn so erscheinen die Nebenfiguren auf den ersten oberflächlichen Blick - zeigen sich auch in einer von Fontane 1853 veröffentlichten Schrift:
„ (...) so geben wir nunmehr unsere Ansicht über das, was er [der Realismus, die Verf.] ist, mit kurzen Worten dahin ab: er ist die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst; er ist, wenn man uns diese scherzhafte Wendung verzeiht, eine»Interessenvertretung«auf seine Art. Er umfängt das ganze reiche Leben, das Größte wie das Kleinste (...) Der Realismus will nicht die bloße Sinnenwelt und nichts als diese; er will am allerwenigsten das bloß Handgreifliche, aber er will dasWahre.“8