Ausgstochen - Martina Parker - E-Book
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Ausgstochen E-Book

Martina Parker

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  • Herausgeber: GMEINER
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

„Geh hör ma auf. Das gibt’s ja nicht. Und des steht alles in dem Biachl von der Frau Bürgermeister?“ Die Frau Fuith war wirklich schockiert. »Nun“, sagte Hilda und leckte sich die Finger ab. „Dieses Buch ist sehr, sehr ordinär.“ „Wirklich? Ordinär sagst du?“, murmelte die Frau Fuith in gespielter Empörung. „Und“, Hilda machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor sie etwas Puddingcreme auf ihre Gabel balancierte und zum Mund führte: „Ich glaube, es ist alles wahr, was da drin steht …“ Der Bürgermeister liegt beim Pannonischen Adventmarkt tot unterm Christbaum. Seine Witwe schreibt Erotikliteratur. Ein Zuagroaster macht aus der Madonnenstatue Kleinholz. Und ein Unbekannter stellt seltsame Fragen. Es geht rund im vorweihnachtlichen Südburgenland. Bei den Ermittlungen ist der Gartenklub an vorderster Front dabei. Denn neben Misteln schneiden, Hyazinthen treiben, Grammeln (Grieben) auslassen und Kekse backen, liebt der Klub der Grünen Daumen die Verbrecherjagd. Und dabei sind Tannenläuse im Christbaum wahrlich das kleinste Problem.

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Seitenzahl: 354

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Martina Parker

Ausg’stochen

Gartenkrimi

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

Illustration und Coverdesign: Lena Zotti, Wien

ISBN 978-3-8392-7646-4

Zitat und Widmung

»If I had a flower for every time I thought of you … I could walk through my garden forever.«

Alfred Lord Tennyson

*

Einmal mehr für dich

PROLOG

Erster Social-Media-Kommentar von Patrick

Hallo, einen wunderschönen Tag wünsche ich. Bitte sei nicht beleidigt, weil ich ohne Erlaubnis in deine Privatsphäre gesprungen bin. Ich habe nach einem alten Freund gesucht, als ich auf dein erstaunliches Profil gestoßen bin, und ich sehe, dass Sie denselben Namen haben wie meine liebe Mutter. Also habe ich dir eine SMS geschrieben, um dich wissen zu lassen, dass ich dich als Freund hier kontaktieren möchte, ich hoffe, Sie sind nicht beleidigt.

*

Erste Nachricht von Patrick

Hallo! Dein Lächeln hat mich sofort gezaubert und ich möchte Sie besser kennenlernen. Ich bin geboren und aufgewachsen in Seattle. Ich lebe allein mit meinen wunderbaren Hunden in eine schönen Haus. Ich liebe meinen Garten. Ich liebe die Natur. Nach dem Tod von meiner Frau habe ich mein Leben ganz meiner Profession als Arzt gewidmet und meine Brauchen nach Liebe unterdrückt. Irgendwann hoffe ich, wieder eine glückliche Beziehung zu haben, aber ich habe keine Eile, Freundschaft zuerst. Ich bin nicht oft auf Social Media, wegen der geschäftigen Zeit im Hospital … Aber wir können uns gerne schreiben [email protected]

Ein Kuss auf die Wange. Dein Freund, Patrick

PS: Entschuldige bitte mein schreckliche Deutsch. Ich habe es wie Kind gelernt aber es ist gerostet.

*

Zweite Nachricht von Patrick

Hallo mein lieber Freundin!!!

Ich bin sehr glücklich, dass du auf meine Nachricht an dich geantwortet hast. Ich denke, dass ich und du, wir werden die besten Freunde sein. Es ist angenehm, mit einer Frau von einem andere Kontinent zu sprechen und sich so gutest zu verstehen. Heute ist ein guter Tag. Ich habe frei und es regnet nicht. In Seattle regnet es viel. Das gefällt den Blumen. Aber ich lieber die Sonne. Ich sehe die Menschen in den Straßen. Ich komme auf die Idee, dass ich gerne einmal mit dir spazieren würde. Ich bin wirklich sehr einsam in meinem Leben. Mein Leben ist so beschäftigt. Wir alle eilen irgendwo hin und nehmen einander nicht wahr. Die Menschen sind so stark in ihre Ideen und Problems verstrickt, dass es manchmal sehr schwierig ist, anderer Menschen wirklich zu erreichen. Siehst du das auch?

Ich küsse dich auf die Wangen, Dein Patrick

*

Dritte Nachricht von Patrick

Mein Engel,

deine Mail hat mich so glücklich gemacht. Ich weiß, in der Zukunft werden wir einander nahe sein. Aber ich will noch einmal sagen, dass wir nichts überstürzen sollen. Ich weiß um die Verantwortung, wenn wir ins Leben eines anderen Menschen treten. Wenn wir Freunde oder Geliebte werden, tragen wir eine große Verantwortung für die Emotionen und Gefühle derer, mit denen wir kommunizieren. Leider versteht das nicht jeder so tief wie du, viele denken darüber nie nach. Die menschliche Gleichgültigkeit schmerzt mich. Wir denken an uns selbst und an unsere Gefühle, aber wir bemerken nicht, was in der Seele des nahen Menschen vorgeht. Ich bin müde von so einer Gleichgültigkeit und ich möchte in der Nähe der Frau sein, die mich lieben wird, mich verstehen wird und darüber nachdenkt, was sie sagt und tut. Du bist mir sehr lieb geworden und ich möchte unsere Beziehung auf einer Straße mit Verständnis und Respekts entwickeln.

Ich umarme dich mein Engel,

Dein Patrick

*

Vierte Nachricht von Patrick

Hallo mein Engel.

Es tut mir SEHR leid, dass ich dir nicht früher schreiben konnte. Ich hoffe, dass du verstehst. Es war eine Tragödie – eine Patientin ist gestorben. Ein sechs Jahre alte Mädchen, sie hatte ein Gehirntumor und dieser hat sie getötet. Für die Eltern ist es ein nicht füllender Verlust und es war sehr schwer für sie, mit diesem großen Verlust fertig zu werden. Ich verstehe sie, denn sie haben das Liebste verloren, das bei ihnen war und das bei ihnen sein konnte, ihr Kind. Es ist sehr traurig. Als Arzt im Hospital ist der Tod immer da, aber der Tod eines Kindes ist das Schlimmste. Ich werde mich nie gewöhnen können.

In Liebe Dein Patrick

*

Fünfte Nachricht von Patrick

Meine lieber und zärtlicher Engel!

Dein letztes Mail hat mich überwältigt. Dein Verständnis und deine Worte haben etwas in mir bewirkt. Ich habe mich in dich verliebt. Und diese Liebe zu dir ist wie eine Schneelawine, die mich überrollt und mich in Ungewisse zieht. Noch weiß ich nicht, was am Ende auf mich wartet. Eine Schlucht, die mit Dornen gefüllt ist, oder eine Wiese, die voll hoher weicher Gräsern und dem betäubenden süßen Duft der Liebe. Aber ich muss gestehen, diese Ungewissheit erregt mich. Ich bin von Sinnen an der Schwelle des Wahnsinns.

In ewiger Liebe Dein Patrick

*

Sechste Nachricht von Patrick

Mein Engel, meine Geliebte, mit der ich mein Leben teilen möchte,

ich schwanke zwischen Aufregung und Angst, Freude und Furcht. Die praktische Seite sagt mir, dass ich verrückt bin, weil ich mich so sehr verliebt in eine Frau habe. Mein Herz klopft sofort. Du bist die EINE.

Ich bete unaufhörlich: Bitte, Gott, lass mich sie mit der Leidenschaft in meinem Herzen, mit der Romantik in meiner Seele und mit der Intelligenz meiner Lebenserfahrungen lieben. Ich möchte auf alle deine Bedürfnisse, Wünsche, Fantasien eingehen, dein Mann fürs Leben sein. Meine Schulter als dein Kissen. Deine Stimme zu hören macht mich so glücklich. Deine Liebe gibt mir so viel Kraft. Kraft, von der ich zehre. Es gibt da nämlich gerade ein Problem in meinem Leben, es ist was passiert …

Kapitel 1 – Das Weihnachtsdorf

Um über den Winter zu kommen, produziert der nordamerikanische Waldfrosch Rana sylvatica Traubenzucker als Frostschutzmittel. Im Spätherbst beginnt die Froschleber mit der Herstellung von Traubenzucker. Dieser wird über das Blut im Körper verteilt und lässt den Blutzuckerspiegel auf das 250-fache des Normalwerts steigen. Die Folge der Überzuckerung: Der Gefrierpunkt sinkt. 

Johanna hievte die schwere Holzkiste aus ihrem Lieferwagen. Das war gar nicht so einfach, weil sie dicke Fäustlinge trug und die Kiste nur kleine Metallausbuchtungen als Tragegriffe hatte, die sie mit ihren durchgefrorenen Fingern nur schwer zu fassen bekam. Mit einiger Mühe wuchtete sie die schwere Last auf die Sackkarre. Als sie erschöpft Luft ausstieß, verwandelte sich ihr Atem sofort in eine kleine weiße Wolke.

»Arschkalt heute«, stellte Tom fest, der auf dem Parkplatz neben ihr stand und Kartons mit selbst produziertem Gin auslud. »Bezaubernde Ginny« stand auf den Kartons. Tom hielt inne, zog einen silbernen Flachmann aus der Innentasche seines Anoraks und öffnete ihn.

Tom hatte diesen Ausdruck in den Augen. Es wirkte, als würde er auf verschmitzte Art lächeln, auch wenn er es nicht tat. Lachfalten zogen sich von den Augenwinkeln bis zu den Schläfen. Er hatte es in seinem Leben oft lustig gehabt.

Als Tom den Flachmann an seine Lippen setzte, bemerkte Johanna, dass seine Lippe aufgeplatzt war. Und das war noch nicht alles. Ihr Blick wanderte höher. Die Haut unterhalb von Toms rechtem Auge schillerte rotviolett und wirkte geschwollen.

»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Johanna, »wer hat denn dich so z’sammg’richt? Hat dich wer g’haut?«

»Mich haut keiner …« Tom nahm noch einen kräftigen Schluck. »Und wenn’s einer versucht, kriegt er selber eine auf die Goschn.« Er lachte und zwinkerte Johanna so bubenhaft verschmitzt zu, dass diese nicht wusste, ob er sie nur auf den Arm nahm.

Tom hielt den Flachmann Richtung Johanna und nickte ihr auffordernd zu: »Magst auch?«

Johanna schüttelte den Kopf. »Nein danke, ich mach mir nichts aus Schnaps.«

»Das ist kein normaler Schnaps, das ist mein weihnachtlicher Wundergin«, sagte Tom: »Ganz neue Rezeptur. 24 verschiedene Kräuter. Der wärmt dich richtig durch. Des brauchst bei dieser Orschkälten.«

»Weißt du eigentlich, warum es ›arschkalt‹ heißt?«, fragte Johanna.

Tom schüttelte den Kopf.

»Nun, der Grund ist, dass die Leute früher keine geheizten Toiletten hatten. Bei vielen war das Plumpsklo vor dem Haus. Und im Winter ist dir dann halt auf der eiskalten Klobrille der Hintern abgefroren.«

Tom nickte beeindruckt.

»Dauert eh nimmer lang, bis es wieder taut«, sagte er dann und machte eine wegwerfende Handbewegung. Johanna bemerkte, dass die Knöchel seiner rechten Hand verschorft waren. Also doch in eine Schlägerei gekommen, dachte sie.

»Jetzt, Ende November, denkst dir, die Hölle gefriert«, ereiferte sich Tom. »Und zu Weihnachten hat es dann 15 Grad. Dafür schneit’s dann zu Ostern wieder, wenn wirklich keiner mehr den Schnee braucht.«

Johanna stieg nicht auf das Thema ein. Sie hatte dieses Lamento schon oft genug gehört.

Hauptsache, heute passt es, dachte sie und blickte sich um. Es war der erste Adventsonntag, und es sah aus wie in einem Bilderbuch. In den Tagen zuvor war Schnee gefallen. Nichts Ungewöhnliches für die Jahreszeit. Das Ungewöhnliche war, dass er trotz des milden pannonischen Klimas tatsächlich liegen geblieben war. Minus sechs Grad zeigte das Thermometer heute an.

Tom sah auf Johannas voll beladene Sackkarre. »Komm, ich helf dir, die Sachen zu deinem Stand zu bringen.«

Johanna nickte dankbar.

»Bist du deppert, das ist schwer«, sagte Tom, als er versuchte, eine zweite von Johannas Kisten auf der ersten zu stapeln: »Was zahrst du da alles zum Christkindlmarkt? Steine?«

»Das ist die Metalldeko vom Gerhard«, sagte Johanna: »Die wiegt so viel. Ich verkauf das, was ich auch in meinem Hofladen anbiete: Seifen, Pflanzenkosmetik, selbst gemachte Delikatessen, Sirup, Punsch und natürlich Weihnachtskekse.«

»Natürlich«, sagte Tom. »Ein Weihnachten ohne Johannas Kekserl – undenkbar! Hast auch die Unwiderstehlichen mitgebracht?« Ein bubenhaftes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Tom, der verlebte Wirt, konnte auch mit Mitte 40 immer noch so begeistert strahlen wie ein Kind. Vor allem, wenn es um die Unwiderstehlichen ging. Eine der besten Kekssorten aller Zeiten.

»Klar«, bestätigte Johanna, »und ich sag dir was: Wenn du mir hilfst, das Auto auszuräumen, schenk ich dir ein Tatzerl davon.«

»Na sicher helf ich dir«, sagte Tom.

Eine knappe Stunde später stand Johanna mit roten Backen in ihrem Hütterl, das mit einer großen beleuchteten Sieben gekennzeichnet war. Toms Hütte hatte die Nummer 13. Insgesamt gab es 24 solcher Holzhütten, die im Kreis um einen riesengroßen Christbaum aufgebaut waren.

Der Weihnachtsmarkt, der einem Adventkalender nachempfunden war, war Teil des Südburgenländischen Adventzaubers, der an jedem der vier Adventwochenenden stattfinden sollte. Eine Idee des Tourismusdirektors.

Gleich beim Eingang gab es eine Christkindlwerkstatt, in der Kinder Kerzen ziehen, Christbaumkugeln bemalen und Orangen mit Gewürznelken spicken konnten.

Dahinter, in einem kleinen Gehege, befand sich eine lebende Krippe, in der sich Esel, Ziege und Schaf um eine Babypuppe scharten, die auf Stroh gebettet war. Die Tiere ließen es allerdings an Respekt fehlen und zupften begeistert Strohhalme unter dem Hintern des vermeintlich frischgeborenen Heilands heraus.

Friedlicher ging es bei der Krippenausstellung zu, die sich in einem Gebäude ganz hinten befand. Hier gab es auch eine Sammlung alter Spielsachen: Blechspielzeuge, Steckenpferde, Trommeln, Glasmurmeln und ein antikes Puppenhaus.

In diesem Saal sollte am dritten Adventsonntag auch die Prämierung der besten Weihnachtskekse stattfinden. Johanna hatte gute Chancen, den Wettbewerb zu gewinnen. Das fanden zumindest die Mitglieder des Klub der Grünen Daumen. Ein Verein, der von Johanna vor drei Jahren gegründet worden war, um Einheimischen und Zuagroa­sten Garten-Know-how, aber auch Wissenswertes zu Tradition und Handwerk näherzubringen.

Johanna blickte auf ihre Uhr. In wenigen Minuten würde der Weihnachtsmarkt offiziell seine Pforten öffnen. Die ersten Besucher strömten bereits herein. Johanna hob grüßend die Hand und winkte, als sie ihre Klubfreundinnen Vera, Mathilde und Isabella entdeckte.

Die drei Frauen verstanden sich bestens, obwohl sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Vera, dunkelhaarig, groß und oft in asymmetrische Teile gekleidet, die in der Stadt als Avantgarde und am Land als seltsam bezeichnet wurden, war Journalistin bei der Lokalzeitung. Sie war Alleinerzieherin einer 15-Jährigen und hatte lange in der Großstadt gelebt, bevor sie das Schicksal in das alte Bauernhaus ihrer Urgroßmutter verschlagen hatte. Ihre größte Stärke war ihr Recherchetalent. Ihre größte Schwäche war Tom. Der Tom mit der dicken Lippe, mit dem sie vor 20 Jahren eine Affäre gehabt hatte, die immer wieder aufgewärmt wurde. Was Ernstes wurde nie draus, was an Toms Bindungsparanoia lag, die er wie einen Schutzschild vor sich hertrug. Vera dachte, die Menschen am Land würden davon nichts mitkriegen, dass sie und der Tom das Pantscherl auf kleiner Flamme am Köcheln hielten. Das war freilich reines Wunschdenken. Am Land kriegten immer alle alles mit, was damit zu tun hatte, dass Geheimnisse unter dem Siegel der Verschwiegenheit sofort brühwarm dem oder der Nächstbesten weitererzählt wurden. Immer unter dem Motto: Von mir hast des net, aber hast schon g’hört?

Eine, die für ihre Klatschsucht berühmt war, war Mathilde. Eine liebenswerte, warmherzige Köchin, die sich gerne im Stil der Fifties stylte. Sie meinte es nicht böse, wenn sie über andere tratschte, sie tat es hauptsächlich deshalb, weil sie ihr eigenes Leben an der Seite ihres Künstlerfreundes Gerhard, der tagaus, tagein auf Metallteile eindrosch, sterbenslangweilig fand.

Isabella, die Dritte im Bunde, fand ihr Leben alles andere als langweilig. Die feingliedrige Kräuterpädagogin mit den raspelkurzen Haaren war Witwe und hochschwanger. »Das, was ich erlebt habe, würde ein Buch füllen«, pflegte sie zu sagen.

»Irgendwann, wenn ich Zeit habe, schreibe ich ein Buch über uns, was heißt eines, jede von uns kriegt dann einen eigenen Band«, pflegte Vera darauf zu antworten. Aber alle wussten, dass das niemals passieren würde, weil Vera viel zu beschäftigt war, um Bücher zu schreiben.

»Hier, nehmt euch was zu trinken«, sagte Johanna und griff nach einer großen Thermosflasche mit Tee. Die Blätter, Beeren und Blüten dafür hatte sie im Sommer selbst gepflückt und die Mischung dann mit Zimtrinde, getrockneten Uhudlertrauben und allerlei Gewürzen verfeinert.

»Ist da eh kein Alkohol drinnen?«, fragte Isabella.

»Keine Sorge«, sagte Johanna und dann zu Vera und Mathilde gewandt: »Wenn ihr beide was Härteres trinken wollt, müsst ihr zu den Punschhütten rüber oder zum Tom.« Sie deutete in Richtung Hütte Nummer 13, vor der sich bereits eine lange Schlange gebildet hatte.

»Vielleicht später«, sagte Vera, als sie ein taubenblaues, handgetöpfertes Häferl mit Johannas Tee entgegennahm.

»Der Tom ist ein bisschen lädiert«, sagte Johanna. »Schaut aus, als hätt er gestern a Rauferei gehabt.«

»Der Arme«, sagte Mathilde und machte ihr Erzähl-mir-mehr-Gesicht. Aber Johanna hatte leider nicht mehr zu erzählen, und Vera schien auch nicht zu wissen, mit wem und warum sich Tom gestern geprügelt hatte.

»Wir schauen dann zur Eröffnung vor, damit wir noch einen Platz kriegen«, sagte Isabella. Ihr Babybauch war schon kugelrund. Der dicke Fellmantel, den sie trug, ließ sich gar nicht mehr schließen, weshalb sie einen dicken Schal um ihre Leibesmitte gewickelt hatte. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und massierte ihr Kreuz. Das Stehen schien sie anzustrengen. Isabella war auch hochschwanger lieber in Bewegung. Sie hatte so viel Energie in sich, dass sie lieber drei Sachen gleichzeitig machte, als nur herumzustehen.

»Ja, geht’s nur«, sagte Johanna. »Ich seh’ euch später.«

Es machte ihr nichts aus, an ihrem Stand zurückzubleiben und die Eröffnung zu versäumen. Da reden ohnehin nur die Großkopferten, dachte sie.

*

»Was heißt, der Bürgermeister ist noch nicht da?«, herrschte der Tourismusdirektor den Amtmann an. Seine Stimme war genervt und er machte eine große Show, als er auf seine Armbanduhr sah. Die Uhr war Vintage und auch wenn sie ob des Handaufzugs nicht sekundengenau war, war klar, dass sich der Bürgermeister bereits eine gute halbe Stunde verspätet hatte. »Wir können nicht länger warten, wir haben ein ORF-Team aus Eisenstadt da, die haben danach noch einen Dreh, die müssen gleich weiter zum Weihnachtshaus in Bad Tatzmannsdorf.« Der Tourismusdirektor schnaufte und blickte sich ungeduldig um. Sein Blutdruck stieg in ungesunde Höhen.

Der Amtmann, ein schlaksiger Typ mit dünnem flachsblondem Haar, zuckte entschuldigend die Schultern. »Wir haben ihn Dutzende Male angerufen, aber er hebt nicht ab. Seine Frau auch nicht.«

»Herrgott, dann mach ich die Eröffnung alleine.« Der Tourismusdirektor stapfte wütend nach vorne.

Er stellte sich auf die Bühne, die eigentlich ein Tanzboden war. Winzige Tannenbäume in Töpfen standen zu seinen Füßen.

Hinter dem Tanzboden versuchte ein 20 Meter hoher Christbaum, seine Äste wieder in eine natürliche Position zu bringen. Der Baum war am Vortag geliefert und aufgestellt worden. Weil er tagelang fest in ein Netz eingerollt gewesen war, kamen seine Zweige nur langsam wieder in die ursprüngliche Wuchsrichtung zurück.

Neben dem Christbaum stand ein Pferdeschlitten. Es war gedacht, dass die Besucher hier später für Fotos posieren konnten, die sie idealerweise auch gleich auf Social Media teilten.

Noch war der Foto-Point allerdings mit einer grünen Zeltplane abgedeckt. Die Abdeckung sah sehr provisorisch aus.

»Das schaut nix gleich mit dem schiachen Plastik da drüber«, stellte Mathilde auch prompt kritisch fest. Sie hatte neben Isabella auf einer Holzbank in der ersten Reihe Platz genommen. Die Holzbank war mit Fellen belegt und eigentlich der Lokalprominenz vorbehalten. Aber die Tatsache, dass Isabella schwanger war, hatte dafür gesorgt, dass man ihr den Platz angeboten hatte, und Mathilde hatte sich gleich daneben gequetscht. Vera hatte sich zu den Presseleuten gesellt. Sie hatte in der Menge den Fotografen des Burgenländischen Boten, Max Mustermann, entdeckt. Max’ Aufgabe war es, möglichst viele der lokal anwesenden Prominenten abzulichten. Veras Aufgabe würde es sein, lobende Bildunterschriften zu verfassen. Das war leicht, denn die Protagonisten waren von Event zu Event immer dieselben: Politiker und Wirtschaftstreibende aus der Region, Künstler und Wirte, Sportler und Vereinsobmänner und -frauen.

Die Turmbläser stimmten ein weihnachtliches Lied an. »Es wird scho glei dumpa.« Tatsächlich dämmerte es bereits, als der Tourismusdirektor vortrat, um das Publikum zu begrüßen. Seine Rede begann wenig überraschend mit der namentlichen Aufzählung aller anwesenden Lokalprominenten. Darauf folgte ein Lobgesang auf das touristische Potenzial der Region, welches durch den Südburgenländischen Adventzauber einmal mehr gestärkt werden sollte. »Kunst, Kulinarik, Handwerk, Tradition – das Südburgenland ist eine Schatzkammer voll an Schätzen, die es zu entdecken gibt«, tönte der Tourismusdirektor.

»Des Plastikgraffl, tuats des Plastikgraffl weg«, zischte Mathilde vorlaut.

Der Mann blickte sich überrascht um. Dann fiel es auch ihm auf. Die Plane. Die Plane musste herunter. Wie würde denn das im Fernsehen aussehen, wenn da statt dem schönen Schlitten ein Plastiktrumm stand. Er nutzte das nächste Lied der Turmbläser, um dem Amtmann Anweisung zu geben, den Schlitten von der Abdeckung zu befreien. Der verstand sofort, sprang auf und entfernte den Stein des Anstoßes.

»Und nun ist der erste Südburgenländische Adventzauber feierlich eröffnet, er wird an allen vier Adventwochen­enden stattfinden«, tönte der Tourismusdirektor ins Mikrofon. Er war stolz auf seine volle Stimme, die er in Dutzenden Rhetorikseminaren geschult hatte. Die Menschen klatschten. Der Applaus fiel aufgrund der vielen Handschuh- und Fäustlingträger etwas gedämpft aus. Und dann gingen Tausende Lämpchen, die an der Nordmanntanne befestigt waren, alle zugleich an.

Es war vollbracht. Der Markt war offiziell eröffnet. Der Tourismusdirektor war nun für das Blitzlichtgewitter bereit. Er blickte erwartungsvoll zu den Pressefotografen und Kameraleuten und setzte sein schönstes Lächeln auf. Aber die Meute ignorierte ihn.

Die Blicke, Kameras und Handys waren nicht auf ihn gerichtet, sondern auf den Pferdeschlitten, der durch die vielen Lichter des Baumes nun ebenfalls hell beleuchtet war. Und was man da sah, verhieß nichts Gutes. Zwischen den Kufen lag ein Mensch. Die Füße, die in dicken Maronibraterstiefeln steckten, zeigten Richtung Publikum.

»Ist das der Weihnachtsmann?«, fragte ein kleiner Junge begeistert.

»Hearst, es gibt keinen Weihnachtsmann, den hat Coca-Cola erfunden, bei uns gibt’s das Christkind«, herrschte ihn sein Opa streng an.

Der Tourismusdirektor trat näher an den Pferdeschlitten heran. »Das ist nicht der Weihnachtsmann«, sagte er mehr zu sich selbst als zu den anderen. Er hatte erkannt, wer dort lag. Und es wirkte nicht so, als ob dieser Jemand jemals wieder aufstehen würde.

Kapitel 2 – Marlies Murlasits beim Mutter-Kind-Turnen

Marlies Murlasits hasste nichts mehr als das Mutter-Kind-Turnen. Sie fand, dass sie mit über 50 langsam zu alt für den Blödsinn war. Mutter-Kind-Turnen, so nannten die Polizeibeamten ihrer Abteilung, des Ermittlungsbereiches für Leib und Leben, das Einsatztraining, das fünf bis sechs Mal im Jahr in Eisenstadt abgehalten wurde und dafür sorgen sollte, dass die Beamten und Beamtinnen im Training blieben.

Nur, dass Marlies keine Jungmutter war, sondern im Wechsel. Erst war sie nur rund um die Mitte geworden. Ihr Bauch war gewachsen, und sie musste Omaunterhosen kaufen, damit es das alles z’sammhielt. Dann kamen die Gelenkschmerzen und die Vergesslichkeit. Und jetzt litt sie auch noch unter diesen grässlichen Hitzewallungen. Es war wirklich ein Kreuz mit dem Älterwerden.

Die erste Hitzewallung hatte sie schon auf der Fahrt zum LKA Eisenstadt gehabt. Ihr Vorgesetzter, Chefinspektor Franz Grandits, hatte den Wagen gesteuert. Der aktuelle Dienstwagen war ein Skoda. Für einen VWTouareg oder einen Audi reichte ihre Gehaltsklasse nicht. Marlies war die Marke egal. Was ihr aber nicht egal war, war die Tatsache, dass das Heizgebläse des Skodas sie nonstop anzublasen schien wie ein Haarföhn. Das war Folter.

»Kannst du das bitte zurückdrehen«, stöhnte die Kon­trollinspektorin. »Mich trifft der Hitzschlag.«

»Ich weiß nicht, was du hast. Es sind eh nur 19 Grad eingestellt«, gab Franz verwundert zurück, öffnete aber die Seitenfenster. Kalte Winterluft strömte ins Wageninnere. Die Zugluft passte Marlies aber auch nicht. Sie zog den Kopf zwischen die Schultern. Sie war so durchgeschwitzt, sie würde davon sicher ein steifes Gnack kriegen.

Ihre Laune war auf dem Tiefpunkt, als sie in Eisenstadt ankamen. Gut, dass zuallererst eine Übungseinheit »Lautes Schreien« angesetzt war. Schreien konnte Marlies gut, so gefrustet, wie sie heute war. »STEHEN BLEIBEN! POLIZEI!«, schrie sie, so laut sie konnte. Täteransprache muss laut und deutlich sein. Sie brüllte viel lauter und deutlicher als die jungen Kollegen. Sie hatte auch mehr Übung im Schreien als die Kids, die hinter der Spielkonsole statt im Wald aufgewachsen waren. »Die Armen haben einfach nie Räuber und Gendarm gespielt«, sagte Franz wie zur Bestätigung. Und Ehepartner und Kinder ham s’ auch noch keine, dachte Marlies. Sie machte daheim schon ab und zu einen Brüller.

Nach einem Automatenkaffee – das Koffein brachte Marlies’ Blut leider erneut in Wallungen – ging es weiter mit dem Schießtraining.

Schießen übte Marlies auch ganz gern. Da musste man sich nicht allzu sehr bewegen. Doch heute waren die Bedingungen erschwert. Schießen bei schlechten Lichtverhältnissen mit Handschuhen stand auf dem Programm. Das fand Marlies dann wieder nicht so toll. Es war klar, dass man nicht nur bei strahlendem Sonnenschein Täter verfolgte, sondern auch im Finstern. Aber sobald sie die Handschuhe anzog, brach ihr sofort wieder der Schweiß aus. Die Haare klebten feucht an ihrem Kopf. Sie spürte, wie ihr Rücken feucht wurde und ihre Birne hochrot anlief.

»Alles in Ordnung?«, fragte Franz. Er wirkte heute besonders schneidig, was vielleicht an seinem neuen Style lag. Seit sein Haar immer dünner wurde, trug er es kürzer. Zum Ausgleich hatte er deswegen nun Haare im Gesicht. Einen gestutzten Bart, der nur um den Mund herum verlief. Bei vielen Männern sah so ein Bart affig aus. Aber dem Franz stand er wirklich gut.

»Alles in Ordnung«, sagte Marlies beschämt und versuchte, ihre Ziele zu treffen. Aber ihre Trefferquote war heute enttäuschend niedrig.

»Da werden wir wohl mehr trainieren müssen«, sagte der neue Ausbildner auch prompt, als er ihr das nur wenig durchlöcherte Blatt von der Zielscheibe reichte. Er redete in dieser dummen Wir-Form, die normalerweise nur Jungmütter und -väter gebrauchten. Von wegen: Wir gehen jetzt schon aufs Topferl.

Der Ausbildner ist selbst erst kürzlich dem Topferl entwachsen, dachte Marlies. Er war sicher noch keine 30 und Marlies las in seinen Augen, was er über sie dachte: »Die Oide bringts halt nicht mehr.« Vor Scham und Frust biss sie sich auf die Lippe.

Während der Mittagspause in der Kantine war sie einsilbig und pickte lustlos Putenstreifen von letscherten Salatblättern. Sie hätte auch lieber ein Surschnitzel oder Geröstete Knödel mit Ei gegessen wie die Kollegen. Geröstete Knödel waren Marlies’ absolute Lieblingsspeise. Aber nach der Mittagspause stand das verhasste Mutter-Kind-Training an. Und die Nahkampfübungen waren auch ohne volle Wampe schwierig genug zu bewältigen. Eine Mischung aus Turnen und Boxen, bei der man jede Menge Griffe anwenden musste. »Bis ich mir die Griffe alle merke, bin ich in Pension«, pflegte Franz immer zu sagen. Aber das war Tiefstapelei. Franz beherrschte genug Griffe, um den Ausbildner zu beeindrucken, und außerdem war er dank des Life-Coachings, dem er sich im Sommer unterzogen hatte, mental und körperlich topfit.

Marlies fühlte sich hingegen wie ein gestrandeter Wal. Ihre Knie und Hüftgelenke knacksten bei den Drehungen. Sie verwechselte ständig die Griffe und außerdem vermutete sie, dass ihr Schweißgeruch mittlerweile im Raum deutlich wahrnehmbar war.

Sie sah, wie der Ausbildner stirnrunzelnd zu ihr herübersah und Notizen machte. Er war von der WEGA, einer Wiener Sondereinheit, ins LKA Burgenland gewechselt. Ob er überhaupt schon 30 war? Der Ausbildner trug einen Vollbart, und Bärte ließen Männer immer älter wirken.

Früher waren die bei der WEGA alle glatzert, jetzt haben s’ alle einen Bart, dachte Marlies und fühlte sich gleich noch älter.

Der Mann beobachtete Marlies weiter. »Manche sind dem Täter halt immer einen Schritt hintennach«, sagte er in einem halblustigen Ton.

Marlies fand das kein bisschen witzig. Zu ihrem Erschrecken bemerkte sie, dass ihre Augen zu brennen begannen und sich mit Tränen füllten. Franz sah besorgt zu ihr herüber. Was war nur mit ihr los?

In der Pause zog sich Marlies auf die Toilette zurück und hielt Arme und Kopf unter die Wasserleitung. Dann versuchte sie, ihre Achseln mit feuchten Papiertüchern notdürftig zu reinigen. Sie blickte in den Spiegel und sah eine müde, fremde Frau mit strähnigen Haaren und hochroter Birne. Wer war diese Person, die ihr da entgegenblickte? Sie kannte diese Person nicht. Sie wollte diese Person nicht sein. Sie fing erneut zu weinen an. Immer heftiger, bis das Weinen in ein Schluchzen und dann in einen Schluckauf überging.

Marlies war nie ein sentimentaler Mensch gewesen. Der Gefühlsausbruch kam für sie komplett unerwartet. Was ist nur los mit mir? Ich verliere den Verstand, dachte sie. Reiß dich zusammen, Marlies. Sie musste wieder in ihre Stärke kommen. Du bist kein Opfer. »Ich bin kein Opfer!«, brüllte Marlies ihrem Spiegelbild entgegen, so laut sie konnte. Dann schnäuzte sie sich in ein Papiertuch und schaufelte einen weiteren Schwall kaltes Wasser ins Gesicht. Es half nichts. Sie musste zurück zum Einsatztraining.

Sie war die Letzte, die zurück in den Raum kam.

Der Kursleiter hatte bereits mit seinem Vortrag begonnen.

»Denken Sie immer an die 3-D-Philosophie. Dialog, Deeskalation und Durchsetzung.« Er blickte zu Marlies hinüber. »Und beachten Sie auch: Sie können nicht in Menschen hineinschauen. Man weiß ja nie, ob das Gegenüber Substanzen nimmt oder psychisch krank ist.«

Meint der mich?, dachte Marlies und merkte, wie es in ihrem Bauch zu brodeln begann.

»Ein Viertel aller Europäer entwickelt irgendwann einmal im Leben eine psychische Erkrankung, die behandelt werden muss«, fuhr der Mann fort.

Der meint mich. War er auf der Herrentoilette nebenan gewesen und hatte sie dort heulen und brüllen gehört?

»Wir werden jetzt einen Ernstfall simulieren«, sagte der Trainingsleiter. »Ich werde in den Keller hinuntergehen und einen Entführer mimen. Ich bin ein Gewaltverbrecher, der mehrere Zivilisten als Geiseln hält. Es hat einen Austausch gegeben. Zwei Geiseln gegen zwei Polizisten. Ihr kommt also paarweise mit eurem Partner runter und versucht, mich zu überzeugen, die restlichen Geiseln freizulassen.«

»Wie bei ›Haus des Geldes‹«, sagte ein junger Polizist begeistert.

»Ihr aus dem Süden fangt an«, sagte der Ausbildner und deutete auf Marlies und Franz. »Ich hoffe, ihr könnt mich überzeugen. Denkt immer daran: Ein guter Polizist muss immer auch ein guter Schauspieler sein. In zehn Minuten kommt ihr nach.«

Marlies und Franz kannten den Weg zum Keller. Sie waren beide seit Jahren beim Einsatzbereich der Abteilung für Leib und Leben, der intern »Bluatgruppen« genannt wurde, und hatten bei solchen Spielchen schon öfter mitgemacht.

»Wie findest du den neuen Ausbildner?«, fragte Franz. »Der ist ein bisschen übermotiviert, gell?«

Marlies nickte nur grimmig. »Ich hab heute wirklich keine Lust auf ein stundenlanges Theater«, sagte sie.

»Dann erschieß ihn halt gleich«, sagte Franz und lachte.

Der Vollbärtige öffnete die Kellertür für den vermeintlichen Austausch.

»Ah, die beiden Kollegen aus dem Süden. Dunkel is es hier. Aber das seid ihr eh gewöhnt. Habts ihr im Süden überhaupt schon a Elektrizität?«

Die alten Sticheleien zwischen Nord- und Südburgenländern. Marlies war nicht sicher, ob der Bärtige gerade als Ausbildner oder als Entführer zu ihr sprach.

»Aber nicht aus lauter Angst zu weinen beginnen«, sagte er und grinste Marlies an.

Jetzt reicht’s, dachte diese. Franz’ letzte Worte hallten noch in ihrem Kopf. Sie zog ihren Revolver, richtete ihn auf den Bärtigen und drückte ab. Wieder und wieder und wieder.

Die Kugeln trafen die Brust des Mannes, die sich sofort blutrot färbte. Er schrie vor Überraschung und Schmerz auf, wich zurück, duckte sich und hielt schützend die Arme vor sich. An einen Gegenangriff war nicht zu denken. Er sah nichts. Auch seine Maske war komplett rot verschmiert. Marlies feuerte noch einmal auf ihn und noch einmal, bis das Magazin leer war. Es sah aus wie bei einem Massaker. Aber es war unerhört erleichternd. Als ihr Magazin leer war, drehte sie sich um und verließ mit hoch erhobenem Kopf den Keller.

Bei der Stiege hatte sie Franz eingeholt. Er fasste sie am Arm. »Marlies, was war das?«

Marlies ging unbeirrt weiter.

»Du hast ja gesagt, erschieß ihn!«

»Marlies, das war ein Scherz.«

»Der hat Glück gehabt, dass das nur Paintballkugeln waren, der Trottel.«

»Stehen bleiben«, brüllte der Ausbildner, der ihnen nachgerannt war. Er hatte die Maske vom Kopf gerissen und wütend auf den Boden geworfen. »Was war das bitte, seid’s komplett deppert worden?«

Marlies drehte sich um. »Wir im Süden verhandeln nicht mit Verbrechern.«

Franz versuchte, ernst dreinzuschauen, aber es gelang ihm nicht.

Marlies’ Handy läutete. Sie blickte auf die Anrufkennung. »Das sind die Kollegen von daheim. Ich heb ab.«

»Was gibt’s?«

»Waaas? Was ist los?«

»Wer?«

»Wie bitte, das darf ja nicht wahr sein!«

»Wir sind unterwegs.«

Sie legte auf.

»Was darf nicht wahr sein?«, fragte Franz.

Dass der Übungsleiter hinter ihnen noch immer keppelte wie ein Rohrspatz, ignorierten beide.

Marlies blickte ihren Kollegen an. »Der Bürgermeister ist tot! Sie haben ihn bei der Eröffnungszeremonie vom Ad­vent­zauber tot neben dem Christbaum gefunden.«

»Ja und?«

»Er ist zusammengeschlagen worden.«

»Weiß man, von wem?«

»Es wird gemunkelt, er hatte am Vorabend einen Wickel mit dem Dunkel Tom.«

Kapitel 3 – Der Amtmann und die Muschelkrippe

Männliche Teichmuscheln geben ihren Samen in den Wintermonaten direkt in das Teichwasser ab. Durch das Filtersystem der Weibchen werden die Eier, die zwischen den Kiemen lagern, befruchtet. Im Frühjahr werden die Larven herausgespült und warten am Teichboden auf vorbeiziehende Fische, an deren Haut sie sich anheften. Die Wunde verheilt und die Larve wird eingekapselt. Nach einem Zeitraum von zwei bis zehn Wochen platzt die Kapsel und die inzwischen fertige Muschel wird von ihrem Wirtsfisch abgescheuert und beginnt ihr eigenständiges Leben. 

Die Bezirksspurensicherer waren schon da, als Marlies und Franz im Südburgenland ankamen. Der Tatort war großräumig abgesperrt. Zwei uniformierte Polizisten, die ebenfalls vor Ort waren, hatten alle Hände voll damit zu tun, die Schaulustigen zurückzudrängen. Denn jeder der Besucher des Christkindlmarkts wollte einen Blick auf den toten Bürgermeister werfen und im Idealfall auch ein Handyfoto von und mit ihm machen. »Es ist wirklich eine Pest mit den depperten Mobiltelefonen«, fluchte Franz und schlug einem aufdringlichen Mann, der versuchte, ein Selfie mit Franz im Hintergrund zu machen, fast das Handy aus der Hand.

»Habt ihr seine Frau informiert?«, fragte Marlies. Das fehlte noch, dass sie aus Facebook erfuhr, dass ihr Mann tot war.

»Wollten wir, aber sie hebt nicht ab«, entgegnete einer ihrer Kollegen.

»Dann schickt einen Wagen hin«, ordnete Marlies an.

Ein anwesender Arzt hatte den Tod des Bürgermeisters zweifelsfrei bestätigt. Die genaue Todesursache konnte er aber nicht benennen. Da müsste man die Obduktion abwarten. Dass der Bürgermeister Verletzungen im Gesicht hatte, sah man auch als Laie. Die Lippe war blutig, ein Vorderzahn wackelte. Aber das hätte auch bei einem Sturz passiert sein können. Da müsse man wohl einen Gerichtsmediziner zurate ziehen.

Die Personalien der Anwesenden aufzunehmen war ein schwieriges Unterfangen. Auf dem Markt waren rund 800 Personen anwesend. Wo sollte man da anfangen? Wie sollte man die alle festhalten, und brachte das überhaupt was? Die uniformierten Beamten, die bereits vor Marlies und Franz vor Ort gewesen waren, waren heillos überfordert.

»Wie schaut’s aus?«, fragte Franz und blickte sich am Tatort um. »Wir haben alles fotografiert und dokumentiert und jede Menge Tschickstummel und weggeworfene Plastikschnapsglaseln eing’sackelt, aber mit Fußspuren sieht es schlecht aus. Erstens war rund um die Bühne und den Pferdeschlitten sowieso alles niedergetrampelt und dann hat es auch noch draufgeschneit. Wir untersuchen jetzt noch den Schlitten auf Fingerabdrücke«, sagte ihr Kollege von der Tatortgruppe.

Marlies nickte. Sie hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und dachte nach.

Was hatte der Kollege am Telefon gesagt: »Eine Auseinandersetzung mit dem Dunkel Tom.«

Sie ging zu dem uniformierten Polizisten, der sie angerufen hatte, und fragte nach. »Von wem hast du den Hinweis, dass er gestern Streit mit dem Dunkel hatte?«

»Der Amtmann hat mir das gesteckt. Der Holper Gerli. Da drüben steht er.« Er zeigte zu einem schmalen blassen Mann mit lichtem Haar, der trotz der beißenden Kälte keine Mütze trug. Sein blondes Haar war sorgfältig gepflegt, und obwohl es bereits später Nachmittag war, hatte er das rosafarbene, glatt rasierte Aussehen von jemandem, der gerade aus der Dusche gekommen war.

Manche Menschen wirken immer wie frisch geduscht, dachte Marlies, die sich nach dem langen Tag in Eisenstadt verschwitzt und schmuddelig fühlte.

Marlies ging auf den Mann zu: »Herr Holper …«

»Ja«, der Amtmann zog den rechten Handschuh aus und reichte ihr die Hand. Die Hand war weich, die Fingernägel gepflegt und manikürt.

»Können wir uns kurz unterhalten? Vielleicht da drinnen?« Sie deutete auf das Gebäude mit der Krippenausstellung. »Franz, kommst du mit?«

Ein paar Minuten später saßen die drei im Warmen, umgeben von unzähligen Kunstwerken, die alle der Niederkunft der Heiligen Mutter Maria gewidmet waren. Marlies zog ihre Jacke und ihren Pullover aus, wischte sich den Schweiß von der Stirn und betrachtete das göttliche Minimundus, das sie umgab. Wie unterschiedlich die verschiedenen Künstler den Stall, in dem der Heiland geboren worden war, sahen. Vom einfachen Schuppen, der aus Rindenstücken zusammengeklebt war, über diverse Puppenhäuser bis zu einem Palast aus Muscheln, der sie eher an die Comicserie »SpongeBob« als an Bethlehem denken ließ, war hier alles vertreten.

»Also, Herr Holper, Sie haben meinem Kollegen von einem Streit zwischen dem Bürgermeister, Herbert Zapfel, und dem Ginproduzenten, Thomas Dunkel, erzählt. Wann hat sich dieser genau zugetragen?«

Der Amtmann strich sich durch sein sandfarbenes Haar. »Das war gestern, gestern am Abend, so gegen 18 Uhr. Wir haben die letzten Details besprochen und alle noch Uhudlerglühwein getrunken hinter dem Stand vom Tom. Und dabei ist es dann ein bisschen ›feuchtfröhlich‹ geworden, wenn Sie wissen, was ich meine.«

»Warum hinter dem Stand und nicht vor der Hütte?«, fragte Marlies.

»Wegen der Wärmelampen«, erklärte der Amtmann. »Der Tom hatte solche Infrarot-Schwammerl eingeschaltet, damit wir nicht frieren müssen. Aber er wollte die nicht vor dem Stand aufstellen, weil dann dort der Schnee weggeschmolzen wäre und die Besucher anderntags im Gatsch gestanden wären. Es ist doch so selten, dass es bei uns im Südburgenland um diese Jahreszeit schneit. Bis Weihnachten taut alles wieder weg. Und meistens kommt der Schnee dann erst zu Ostern …«

»Ich verstehe«, unterbrach ihn Franz. »Bleiben wir mal bei den Fakten. Wer ist ›wir‹? Also, wer war da alles dabei bei diesem feuchtfröhlichen Umtrunk?«

»Das kann ich Ihnen genau sagen«, gab der Amtmann dienstbeflissen zurück. »Also zunächst natürlich der Herr Bürgermeister und der Tom, dann die beiden Damen aus dem Rathaus, die Großschädel Elfi und unsere neue junge Kollegin, die Caro Karner-Beiglböck.« Er machte eine kurze Pause. »Am Anfang waren auch noch Burschen von der Feuerwehr dabei. Die, die den Baum aufgestellt haben. Der Toni, der Manfred und der Pedda. Der Tourismusdirektor und seine Frau waren auch da, aber die sind ebenfalls schon früher gegangen. Die Caro ist auch schon vorher mal weg.«

»Vorher, was meinen Sie mit vorher?«, unterbrach Marlies.

»Es war ganz seltsam«, sagte der Amtmann. »Wir kennen, pardon, kannten ja alle unseren Herrn Bürgermeister. Und wir wissen, dass er so ein freundlicher und sozialer Mensch ist. Und der Dunkel Tom. Der ist halt ein typischer Wirt. Also auch einer von der entspannten, lebenslustigen Sorte. Aber gestern Abend, da ist die Stimmung irgendwie gekippt. Nachdem die Caro gegangen ist, so nach der zweiten Runde muss das gewesen sein, ist der Bürgermeister kurz weg gewesen. Vermutlich musste er austreten. Und die Toilettenwägen sind ja doch ein Stück weit hinten. Kurz darauf ist der Dunkel Tom dann auch zu den Toiletten gegangen. Jemand hat gesagt, er könne ja auch in die Büsche pinkeln. Aber der Tom hat ihm nur den Vogel gezeigt. Das sieht man ja im Schnee. Gelber Schnee, wie sieht denn das aus? Er ist dann weg und wir haben uns Pinkelwitze erzählt. Kennen Sie den …

Woran erkennt eine Frau, dass ihr Mann heimlich Viagra nimmt?

Er trifft beim Pinkeln immer die Deckenlampe!«

Er lachte meckernd und blickte die beiden Beamten Beifall heischend an.

»Nein, den kenn ich nicht. Aber ich kenn einen anderen«, sagte Marlies trocken.

»Gott sagt zu Adam und Eva: ›Ich habe zwei Dinge für euch. Einmal die Fähigkeit, im Stehen zu pinkeln …‹

Adam unterbricht Gott: ›Das will ich. Das will ich!‹

Gott: ›Also gut, so sei es.‹

Eva: ›Und was bekomme ich?‹

Gott: ›Ein Gehirn.‹«

Franz konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Der Amtmann starrte Marlies an. »Äh ja, der ist auch gut!«

»Können wir jetzt bitte beim Thema bleiben?«, fragte Marlies. »Wie ist es dann weitergegangen?«

»Dann ist der Bürgermeister zurückgekommen«, erzählte der Amtmann. »Wir wollten noch eine Runde, aber der Tom war noch nicht zurück, also haben wir uns selber noch eine Runde Uhudlerglühwein eingeschenkt. Es war eh klar, dass der Bürgermeister alles bezahlen würde.«

»Eh klar«, echote Franz.

Mit Steuergeldern, dachte Marlies, aber zumindest blieben die Steuergelder in der Region.

»Der Tom kam dann zurück, und wie er uns da trinken gesehen hat, ist er super grantig geworden. Ich hab mich sofort dafür entschuldigt, dass wir uns selber bedient haben. Ich hab nicht gewusst, dass das so ein Drama ist, aber die Stimmung war dahin. Der Tom hat die Runde dann aufgelöst.«

»Wie spät war es, als der Dunkel Tom die Runde aufgelöst hat?«

»Da muss es circa 20 Uhr gewesen sein. Ich weiß das ziemlich sicher, weil ich auf meine Smartwatch geschaut habe und die ist da in den Feierabendmodus gegangen. Ich bemühe mich immer um regelmäßige Ruhephasen, in denen ich offline bin – wobei ich die natürlich nicht immer einhalten kann …«

»Wann war nun dieser Wickel?« Franz wurde langsam ungeduldig und begann zu schnaufen. Das war typisch Franz. Andere begannen in diesem Gemütszustand mit den Fingern zu trommeln. Franz schnaufte.

»Das wollte ich ja gerade erzählen.« Der Amtmann wirkte beleidigt. »Wir haben uns verabschiedet und sind alle in unterschiedliche Richtungen gegangen. Mein Auto ist nämlich nicht auf dem Parkplatz gestanden, sondern hier hinter dem Gebäude. Sie müssen wissen, ich mache bei der Krippenausstellung mit. Und da war es näher mit dem Ausladen. Diese Objekte sind ja sehr filigran. Hier. Das ist meine. Diese mit den Muscheln.« Er deutete auf den Meerespalast. »Gefällt sie Ihnen? Ich habe mich in Lignano inspirieren lassen. Da fahre ich seit Jahren jedes Jahr hin. Dort haben solche Muschelkrippen Tradition.«

»Lignano ist wie Salzburg oder Rom, das geht immer«, stellte Marlies freundlich fest.

»Können wir bitte beim Thema bleiben«, schnaufte Franz und schlug mit der Hand auf den Tisch mit den Ausstellungsstücken, sodass die Muschelkrippe bebte.

Der Amtmann erschrak und zuckte zusammen. Er warf einen furchtsamen Blick auf sein Kunstwerk und fuhr dann mit seiner Geschichte fort.

»Also wir sind alle aufgebrochen, ich war schon bei meinem Auto. Da ist mir aufgefallen, dass ich meinen Schal vergessen habe. Er war ein Weihnachtsgeschenk von einem lieben Bekannten. Kaschmir. Sie wissen, das ist teuer, aber es hält viel wärmer als normale Wolle und kratzt nicht. Ich hatte meinen Schal abgenommen, weil es unter den Heizschwammerln ohnehin so warm war …«

Er drohte schon wieder abzuschweifen, aber Franz sah ihn so drohend an, dass er wieder zur Ursprungsstory zurückkehrte.

»Auf jeden Fall hole ich meinen Schal, und wie ich über den Platz zurückgehe, sehe ich, dass da der Dunkel und der Bürgermeister stehen und über irgendwas hitzig diskutieren. Sehr hitzig. Es wirkte bedrohlich.«

»Und dann?«, fragte Marlies.

»Ich war etwa 20 Meter entfernt. Ich habe rübergerufen, ob alles okay ist? Und beide haben zurückgeschrien, dass eh alles passt. Der Bürgermeister hat noch gesagt, ich seh dich morgen, Gerli.«

Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht, als wollte er die Erinnerung wegfegen.

»Und dann bin ich heimgefahren. Ich mach mir solche Vorwürfe, dass ich nicht geblieben bin. Wer hätte sich gedacht, dass das so ausgeht? Dass das das letzte Mal war, dass ich mit ihm gesprochen habe … Als ich ihn das nächste Mal gesehen habe, war er tot.« Seine Stimme bebte.

»Entschuldigen Sie bitte, die Nerven. Wir arbeiten schon die ganze Legislaturperiode zusammen. Er steht, also er stand mir schon sehr nahe, der Herr Bürgermeister …«

Irgendetwas schien den Amtmann noch zu bedrücken. »Sie werden dem Tom doch nicht sagen, dass ich ihn quasi belaste? Nicht, dass er sich an mir rächt.«

In der nächsten Sekunde war ein markerschütternder Schrei zu hören. So laut, dass man es sogar durch die geschlossenen Fenster des Ausstellungsgebäudes hörte.

»Herbert«, kreischte eine Frau und dann noch einmal, »Herbert! Ist er tot? Ist er tot?«

Franz sprang auf und ging zum Fenster.

»Wer ist das?«, fragte er mehr zu sich selber.

»Das«, sagte der Amtmann hölzern, »das ist die Frau Bürgermeister.«

Kapitel 4 – Die Frau Bürgermeister

Die Lebenszyklen der Stechmücken können je nach Geschlecht unterschiedlich lang sein. Begattete Weibchen vieler Anopheles-Arten sowie die Gattungen Culex und Culiseta überwintern an kühlen, feuchten und geschützten Stellen, beispielsweise in Kellern, Höhlen oder Viehställen. Die Männchen sterben allerdings im Herbst.

Franz und Marlies stürmten ins Freie. »Was ist denn da los«, zischte Marlies den beiden uniformierten Kollegen zu. »Warum bringt ihr sie her?«

»Wir haben sie nicht hergebracht. Sie hat sich nicht aufhalten lassen. Sie ist zu ihrem Wagen gestürmt und ist selber hergefahren. Was heißt gefahren, gerast ist sie. Wie eine Irre! Und das bei dem Glatteis. In einem verdammten Sportcabrio. Wir sind ihr kaum nachgekommen. Eigentlich müssten wir sie jetzt wegen Raserei am Steuer anzeigen.«

»3-D-Taktik. Dialog, Deeskalation und Durchsetzung. Wir schauen besser, wie wir die Situation deeskalieren«, sagte Franz, der noch ganz im Modus der Eisenstädter Schulung war.