Autoimmunerkrankungen - Dr. Andrea Flemmer - E-Book

Autoimmunerkrankungen E-Book

Dr. Andrea Flemmer

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  • Herausgeber: Humboldt
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Obwohl man Autoimmunerkrankungen noch immer nicht heilen kann, wissen wir heute viel über die Ursachen und auslösenden Trigger, und die Behandlung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Auch die Möglichkeiten der Selbsthilfe, die Betroffenen das Leben erleichtern und Schübe hinauszögern, sind heutzutage vielfältig. Andrea Flemmer hat alle wichtigen Informationen zusammengestellt, die die individuelle ärztliche Beratung sinnvoll ergänzen. Sie zeigt, wie man den Krankheitsverlauf durch natürliche und konventionelle Methoden positiv beeinflussen kann. Die Rolle des Darms, eine antientzündliche Ernährung, Heilkräuter, Stressabbau und Bewegung sowie die allgemeine Stärkung des Abwehrsystems spielen dabei eine wichtige Rolle.

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Seitenzahl: 127

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Den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen: Alle Behandlungs- und Selbsthilfemaßnahmen

Achtsamkeit im AlltagSeite 85Antientzündliche ErnährungSeite 56BewegungSeite 74Darmflora aufbauenSeite 36Darmschleimhaut sanierenSeite 38Entzündungen hemmenSeite 54ErgotherapieSeite 29ErnährungsberatungSeite 32HeilfastenSeite 67Heilkräuter und GewürzeSeite 91ImmunsuppressivaSeite 26Kälte und WärmeSeite 73Ketogene ErnährungSeite 64Kneippsche AnwendungenSeite 73MedikamenteSeite 25Mindfulness-Based Stress ReductionSeite 87NährstoffeSeite 71Naturheilkundliche BehandlungSeite 49PhysiotherapieSeite 30SaunagangSeite 74SpaziergängeSeite 73StammzellentherapieSeite 106Stress abbauenSeite 83YogaSeite 82

VORWORT

AUTOIMMUNKRANKHEIT UND WAS MAN HEUTE DARÜBER WEISS

Ursachen und Auslöser

Immunantwort: fehlerhaft

Ursache: unklar

Häufigkeit: ansteigend

Auslöser kennen

Behandlungsmöglichkeiten

Rasche Diagnosestellung

Medikamente, die auf das Immunsystem wirken

Psychotherapie

Ergo- und Physiotherapie

Ernährungsberatung

Achtung vor Wunderheilern

DAS KÖNNEN SIE SELBST TUN

Den Darm stärken

Darmflora und Autoimmunerkrankungen

Wenn die Darmwand geschädigt ist: Leaky Gut

Wenn Entzündungen schwächen: Silent Inflammations

Mit Ernährung Abwehrkräfte steigern

Spezielle Ernährungsformen unter der Lupe

Das Immunsystem unterstützen

Wichtige Nährstoffe

Die stärkende Kraft von Kälte und Wärme

In Bewegung kommen

Warum Bewegung so wichtig ist

Hauptsache, in Bewegung bleiben

Gut mit Stress umgehen

Warum Stressentschärfung so wichtig ist

Anti-Stress-Training

Heilkräuter und Gewürze

Gewürze, die bei Autoimmunkrankheiten helfen

Heilpflanzen, die bei Autoimmunkrankheiten helfen

AUS DER FORSCHUNG

Diabetes mellitus Typ 1

Multiple Sklerose

Psoriasis

Rheumatoide Arthritis

Morbus Bechterew

Lupus erythematodes

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Zöliakie

Methoden, die bei mehreren Autoimmunkrankheiten helfen

VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

Multiple Sklerose, Hashimoto, Schuppenflechte oder rheumatoide Arthritis: Autoimmunerkrankungen nehmen immer weiter zu, und inzwischen verstehen wir immer besser, wie und warum sie entstehen. Inzwischen sind 140 Autoimmunkrankheiten bekannt. Auch das Spektrum der erkrankten Organe ist groß, letztlich kann jedes Organ oder Gewebe Ziel einer Autoimmunerkrankung werden.

Heute können die Beschwerden gelindert, die Schädigung der betroffenen Organe hinausgezögert und der Verlauf in manchen Fällen sogar ganz aufgehalten werden. Ärztinnen und Ärzte stellen dazu wirksame entzündungshemmende und das Immunsystem unterdrückende Medikamente zur Verfügung.

Neben der Therapie mit Cortison und Immunsuppressiva gibt es zum Glück zahlreiche Selbsthilfemaßnahmen, die Ihnen das Leben erleichtern und die Ihnen ein Stück Lebensqualität zurückgeben!

Ich habe für Sie aktuelle und unabhängige Informationen zu ergänzenden Behandlungsmöglichkeiten aus konventioneller und Erfahrungsmedizin zusammengestellt und neue wissenschaftliche Studien ausgewertet – sie reichen von einer entzündungshemmenden Ernährung über die Heilkraft von Pflanzen bis hin zu Anti-Stress-Maßnahmen. Sachlich, verständlich und praxisnah lautet dabei meine Devise. Die in diesem Buch vorgestellten Selbsthilfemaßnahmen sollen Ihre individuelle ärztliche Beratung sinnvoll ergänzen – denn gut informiert fällt es leichter, bei Arzt oder Ärztin die richtigen Fragen zu stellen und alle Möglichkeiten der Selbsthilfe für sich zu nutzen.

Dass Sie mit und trotz Ihrer Erkrankung das Leben genießen, wünscht Ihnen

Ihre

AUTOIMMUNKRANKHEIT UND WAS MAN HEUTE DARÜBER WEISS

In diesem Kapitel erfahren Sie, was die Wissenschaft heute über Ursachen und Auslöser von Autoimmunerkrankungen weiß, und lernen die zahl reichen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten kennen – von der medikamentösen Therapie bis zur Ernährungs beratung.

Ursachen und Auslöser

Bei einer Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem gesundes Gewebe an und nicht, wie eigentlich vorgesehen, Fremdkörper.

Unter Autoimmunerkrankungen versteht man Fehlsteuerungen unseres Immunsystems, bei der körpereigene Strukturen angegriffen werden: Das Immunsystem, das uns, wenn es intakt ist, vor Viren, Bakterien, Parasiten oder sonstigen Fremdstoffen schützt, kann bei Vorliegen einer Autoimmunerkrankung nicht mehr zwischen fremden und körpereigenen Strukturen unterscheiden – und greift gesundes Gewebe an. Es startet eine Entzündungsreaktion gegen diese vermeintlich „gefährlichen” Stoffe, um sie unschädlich zu machen. Diese Entzündung zerstört das Gewebe und führt zu Beschwerden.

Praktisch jeder Teil des Körpers kann von einer Autoimmunerkrankung betroffen sein. Man kann Autoimmunerkrankungen dementsprechend in drei Gruppen aufteilen:

1. Organspezifische Krankheiten: In diesen Fällen werden bestimmte Organe bzw. Gewebestrukturen vom Immunsystem angegriffen. Dazu gehören:

• Colitis ulcerosa (Autoantikörper (AAk) gegen die Darmschleimhaut)

• Diabetes mellitus Typ 1 (AAk gegen Inselzellen der Bauchspeicheldrüse)

• Morbus Basedow (AAk gegen TSH-Rezeptoren der Schilddrüse)

• Multiple Sklerose (AAk gegen die Myelinscheide der Nervenfasern)

• Pemphigus vulgaris (AAk gegen die oberste Hautschicht)

2. Systemische Krankheiten oder nicht-organspezifische Krankheiten: Darunter fallen systemisch-entzündliche, also den ganzen Körper betreffende Erkrankungen. Dazu gehören:

• Lupus erythematodes (Reaktionen gegen zahlreiche Organe)

• Polymyositis (Entzündung der Muskulatur)

• rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis, Gelenkrheuma)

• Sklerodermie (Bindegewebsverhärtung von Haut, Gefäßen und inneren Organen)

• systemische Vaskulitiden (Entzündung der Gefäße)

3. Intermediäre Krankheiten: Die Übergänge zwischen organspezifischen und systemischen Autoimmunerkrankungen sind manchmal fließend. Die Hashimoto-Thyreoiditis ist beispielsweise eine Erkrankung der Schilddrüse, die sich jedoch in der Regel auf viele Bereiche des Körpers auswirkt.

Schätzungsweise zehn bis 15 Millionen Deutsche sind betroffen von einer Autoimmunerkrankung.

Wie schwer der Verlauf einer Erkrankung im Einzelfall ist, hängt unter anderem von der Erkrankung selbst, den betroffenen Organsystemen und auch dem allgemeinen Gesundheitszustand des betroffenen Menschen ab.

Einige Autoimmunerkrankungen und wo sie lokalisiert sind

Immunantwort: fehlerhaft

Ein Molekül ist ein Teilchen, das aus zwei oder mehreren verbundenen Atomen besteht.

Sie haben es schon gelesen: Unser Immunsystem hat die Aufgabe, unseren Körper gegen gefährliche Organismen oder Fremdstoffe zu verteidigen. Zu den Organismen zählen Bakterien, Viren, Parasiten (z. B. Würmer), bestimmte Krebszellen, aber auch transplantiertes Gewebe. Diese Organismen oder Körpersubstanzen sind mit Molekülen ausgestattet, die unser Immunsystem erkennen kann und die eine Reaktion des Immunsystems hervorrufen können. Diese Moleküle werden auch als Antigene bezeichnet. Antigene können sich in einer Zelle oder auf deren Oberfläche befinden oder Bestandteil eines Virus sein.

Auch körpereigene Gewebezellen können Antigene haben. Bei gesunden Menschen reagiert das Immunsystem nur auf Antigene von fremden oder gefährlichen Substanzen, nicht aber auf Antigene körpereigener Gewebe. Manchmal arbeitet das Immunsystem jedoch fehlerhaft und erkennt Antigene körpereigener Gewebe als fremd – und stellt dagegen Antikörper her, die bestimmte Zellen oder Gewebe des Körpers angreifen. Diese fehlerhafte Immunantwort wird als Autoimmunreaktion bezeichnet; diese kann wiederum eine Autoimmunerkrankung auslösen. Häufige Folgen von Autoimmunerkrankungen sind chronische Entzündungen, funktionelle Störungen von Knochen, Gelenken und Organen oder starke Schmerzen.

Das Vorhandensein von Autoantikörpern im Blut bedeutet nicht immer, dass wir krank werden.

Übrigens: Viele Menschen produzieren nur sehr kleine Mengen von diesen Autoantikörpern, die dann auch keine Autoimmunerkrankung auslöst. Das Vorhandensein von Autoantikörpern im Blut bedeutet also nicht, dass wir krank sind.

Links ein normales Immunsystem, rechts die Auswirkungen der Autoimmunerkrankung

Ursache: unklar

Weltweit wird intensiv nach den Gründen gesucht, warum sich das Immunsystem selbst einschaltet und gesundes Gewebe zerstört. Definitive Antworten gibt es bis heute nicht.

Die Entstehung von Autoimmunerkrankungen kann wohl am ehesten mit einem sogenannten Risikofaktor-Modell (engl. „bad luck and bad genes”) beschrieben werden. Als sicher gilt, dass folgende Faktoren Einfluss auf die Entstehung von Autoimmunerkrankung haben:

Die genaue Entstehung von Autoimmunerkrankungen ist nach wie vor ein Rätsel.

•Genetische Veranlagung: Sicher ist, dass Vererbung einer der Faktoren ist, die Autoimmunerkrankungen auslösen können.

•Viren und Infektionen: Manche Menschen haben Gene, die sie etwas anfälliger für die Entwicklung einer Autoimmunerkrankung machen. Bei ihnen kann die Krankheit durch einen Auslöser, etwa eine Virusinfektion, angeregt werden.

•Stress: Wenn Betroffene beruflich oder privat stark gefordert sind oder unter akutem großem Stress stehen, treten häufig die ersten Schübe auf.

•Umwelt- und Lebensstilfaktoren: Auch das Leben, das Sie führen – ob Sie z. B. rauchen, wie Sie sich ernähren oder ob Sie bei der Arbeit oder privat verschmutzter Luft und Chemikalien ausgesetzt sind – spielt mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine wichtige Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten von Autoimmunerkrankungen. Hierzu zählen auch bestimmte Medikamente oder Umwelthormone.

• Darüber hinaus gilt: Mit einem Anteil von schätzungsweise 78 Prozent sind Frauen im Vergleich zu Männern auffallend oft von Autoimmunerkrankungen betroffen. Und in Industrienationen treten diese häufiger auf als in Entwicklungsländern.

• Man geht davon aus, dass nicht nur ein einzelner Erreger, sondern viele Auslöser, die zusammentreffen, die Erkrankung verursachen. Mehr dazu und zu weiteren Triggern lesen Sie ab Seite 16.

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa: Keine klassischen Autoimmunerkrankungen

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind keine klassischen Autoimmunerkrankungen, haben allerdings mit dem Immunsystem zu tun, sind also immunassoziiert: Bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wird davon ausgegangen, dass eine Barrierestörung im Darm vorliegt (siehe Seite 38), die zu der Reaktion des Immunsystems und damit zur Entzündung beiträgt. Die Darmschleimhaut hält Bakterien und Keime normalerweise davon ab, aus dem Darm weiter in den Körper zu gelangen. Bei CED funktioniert diese Barriere nicht richtig: Bakterien und anderen Fremdstoffen gelingt es, diese Grenze zu überschreiten. In der Folge wird das Immunsystem aktiviert und die Darmentzündung entsteht.

CED haben allerdings, wie Autoimmunerkrankungen, immer mehrere Ursachen. Eine erbliche Veranlagung sowie Faktoren von außen haben ebenfalls Einfluss auf die Entstehung einer CED. Alle im Folgenden aufgeführten Maßnahmen der Selbsthilfe sind also auch für diese Erkrankungen wirkungsvoll.

Häufigkeit: ansteigend

In westlichen Ländern erkranken etwa fünf bis acht Prozent der Bevölkerung an einer Autoimmunkrankheit. Die häufigsten sind Schuppenflechte (Psoriasis), rheumatoide Arthritis und die autoimmune Schilddrüsenerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis. Schätzungsweise zehn bis 15 Millionen Menschen sind heute in Deutschland betroffen; Hashimoto ist die häufigste Autoimmunerkrankung.

Die Studie einer Krankenkasse ergab, dass allein zwischen den Jahren 2012 und 2018 der Anteil gesetzlich krankenversicherter Personen in Deutschland, die unter mindestens einer dieser Autoimmunerkrankungen leiden, von 3,5 auf 4 Prozent angestiegen ist. 2018 waren es etwa 500.000 Menschen mehr als 2012. Am stärksten nahm Morbus Crohn, eine immunassoziierte Krankheit, mit einem Plus von 25 Prozent zu. Auch weltweit steigt die Zahl der Autoimmunkrankheiten.

Fakt ist also: Immer mehr Menschen erhalten die Diagnose Autoimmunerkrankung. Forscherinnen und Forscher sind sich aber nicht sicher, ob es wirklich daran liegt, dass die Krankheiten häufiger werden oder daran, dass wir sie heute besser erkennen und es deswegen mehr Diagnosen gibt.

Die vielen Gesichter von Autoimmunerkrankungen

Augen: endokrine Orbitopathie, sympathische Ophthalmie

Bauchspeicheldrüse: Diabetes Typ 1, APECED

Haare: Alopecia areata

Haut: Psoriasis, Sklerodermie, Vitiligo, bullöses Pemphigoid, Dermatitis herpetiformis Duhring, Epidermolysis bullosa acquisita, Lichen sclerosus, Lineare IgA-Dermatose, Pemphigus foliaceus, Pemphigus seborrhoicus, Pemphigus vulgaris, Purpura Schönlein-Henoch, Lupus erythe-matodes (auch systemisch), mikroskopische Polyangiitis (auch systemisch)

Darm und Magen: Autoimmungastritis, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa (immunassoziiert), Zöliakie, Autoimmunenteropathie, Dermatitis, Purpura Schönlein-Henoch, primäre Achalasie Leber: Autoimmunhepatitis, primär biliäre Cholangitis, Primär sklerosie-rende Cholangitis (70 Prozent der Fälle autoimmunbedingt)

Lunge: Goodpasture-Syndrom, primäre binäre Sklerose, mikroskopische Polyangiitis

Muskeln: Polymyalgia rheumatica, Myasthenia gravis, Dermatomyositis, Polymyositis

Niere und Nebenniere: Glomerulonephritis, Goodpasture-Syndrom, mikroskopische Polyangiitis, Morbus Addison

Rheumatische Autoimmunerkrankungen und Kollagenosen: rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom, Antiphospholipid-Syndrom, Sklerodermie, Morbus Bechterew, SAPHO-Syndrom, IgA-Vaskulitis, Raynaud-Syndrom, Polymyositis, CREST-Syndrom, Sharp-Syndrom (Mischkollagenose), Psoriasis-Arthritis, Buschke-Ollen-dorf-Syndrom, Lichen Mucosae, Riesenzellarthritis, Morbus Behçet, Wegner’sche Granulomatose

Zentrales Nervensystem: Multiple Sklerose, CIPD, Guillain-Barré-Syndrom, Stiff-Man-Syndrom, Narkolepsie, Anti-NMDA-Rezeptor-Enzepha-lopathie, chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS), PANDAS

Professor Cezmi Akdis, Direktor des Schweizerischen Instituts für Allergie- und Asthmaforschung (SIAF), führt die Zunahme auf Industrialisierung, Urbanisierung und den westlichen Lebensstil zurück. Nach seiner „Epithelbarriere-Hypothese” schädigen zahlreiche Substanzen das Epithel, also die Schutzschicht von Haut, Lunge und Darm. Dadurch sind wir einer Vielzahl von gesundheitsschädlichen Stoffen ausgesetzt: Ozon, Nanopartikeln, Mikro plastik, Reinigungsmitteln, Pestiziden, Enzymen, Emulgatoren, Feinstaub, Abgasen, Zigarettenrauch und Chemikalien in Luft, Nahrung und Wasser. „Neben der globalen Erwärmung und Viruspandemien wie COVID-19 stellen diese schädlichen Substanzen eine der größten Bedrohungen für die Menschheit dar”, so der Wissenschaftler.

Ist die Epithelbarriere nachhaltig beschädigt, können verschiedene chronische Erkrankungen entstehen.

Im Darm tragen undichte Epithelbarrieren sowie ein gestörtes Gleichgewicht des Mikrobioms, also der Gesamtheit aller Bakterienarten, zum Ausbruch und zur Verschlechterung chronischer Autoimmun- und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose oder Morbus Bechterew bei.

Nicht nur Cezmi Akdis ist der Meinung, dass diese Entdeckung der Schlüssel für neue Ansätze zur Prävention, Frühintervention und Therapie vieler chronischer Erkrankungen ist. Dazu gehört auch die Beeinflussung des Mikrobioms – z. B. durch gezielte Ernährung (siehe Seite 61). Auch Schadstoffe möglichst zu vermeiden und weniger gesundheitsschädliche Produkte zu entwickeln, wäre seiner Meinung nach hilfreich.

Auslöser kennen

Warum etwas bei dem einen eine Autoimmunreaktion oder -erkrankung auslöst und bei einem anderen nicht, ist, wie Sie inzwischen wissen, noch nicht vollständig geklärt. Sicher ist jedoch, dass die folgenden Faktoren das Auftreten einer Autoimmunerkrankung maßgeblich mit verursachen.

Diese sogenannten Trigger können einerseits erste Schübe auslösen. Aus ihnen lassen sich aber andererseits wirksame Maßnahmen ableiten, mit denen Sie den Verlauf Ihrer Erkrankung günstig beeinflussen können.

Genetische Trigger

Jeder Mensch ist der Träger von Genen, die den Ausbruch von Erkrankungen begünstigen. Das heißt allerdings noch nicht, dass eine Krankheit tatsächlich ausbricht, lediglich die sogenannte genetische Disposition ist gegeben. Die Epigenetik befasst sich mit den Faktoren, die vorliegen müssen, damit diese Gene aktiviert werden und eine Erkrankung ausbricht. Hier kommen weitere Trigger wie Stress oder die Darmflora ins Spiel.

Trigger Infektionen

Wissenschaftler weisen darauf hin, dass Infektionen mit Viren und Bakterien verantwortlich dafür sein können, eine Autoimmunkrankheit zu entwickeln. Verdächtige Pathogene sind z. B. Malariaparasiten oder das Epstein-Barr-Virus. Auch eine unbehandelte Streptokokken-Infektion kann eine Autoimmunreaktion in Form des rheumatischen Fiebers auslösen, mit dem Risiko einer dauerhaften Schädigung des Herzens.

Offensichtlich scheint das Immunsystem durch eine von einer Infektion verursachten Entzündung dahingehend getäuscht zu werden, körpereigene Proteine als „fremd” einzustufen und Autoantikörper gegen diese wichtigen Moleküle zu bilden.

Trigger Stress

Vermutlich gehören Sie auch zu den vielen Betroffenen, die rückblickend feststellen, dass belastende Situationen ihre Autoimmunerkrankung ausgelöst haben könnten. Stress als Trigger wurde noch vor Kurzem von ärztlicher Seite heruntergespielt, interessiert heute aber die Forschung! Man kommt immer mehr zu dem Ergebnis, dass das Immun- und Stresssystem eng miteinander verwoben sind, Stress somit der endgültige Auslöser der Erkrankung sein kann bzw. den sogenannten „Toleranzbruch” begünstigt.

Das Immun- und Stresssystem sind eng miteinander verwoben.

Auswahl möglicher Trigger für Autoimmunerkrankungen

Für den Ausbruch einer Autoimmunerkrankung braucht es viele Auslöser. Stets wirkt auch eine gewisse genetische Veranlagung mit. Dennoch gibt es Forschungen, die den Zusammenhang zwischen Stress- und Immunsystem sicher belegen, etwa Studien an Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung. Litten Frauen an einer PTBS, war die Wahrscheinlichkeit, an einer rheumatoiden Arthritis zu erkranken, „dosisabhängig” mit der Schwere der PTBS um 68 Prozent erhöht. Bei der Autoimmunerkrankung systemischer Lupus erythematodes lag dieser Wert sogar bei 162 Prozent.

Dies kann man auch erklären: Die Verknüpfung von Stressund Immunsystem erkennt man unter anderem daran, dass das autonome Nervensystem und die sogenannte Hypophysen-Hypothalamus-Nebennieren-Achse bei akutem Stress aktiviert werden. Bei Stress bereitet sich der Körper auf Kampf oder Flucht vor, und dafür aktiviert er sowohl das sympathische Nervensystem (Teil des vegetativen Nervensystems) als auch die Produktion von Cortisol (Stresshormon) der Nebenniere.

Das sympathische Nervensystem wirkt über vermehrten Blutund Lymphfluss, gesteigerte Antigenproduktion und -präsentation sowie vermehrte Energiebereitstellung, Letzteres in Form der Steroidhormone (sie vermitteln Informationen zwischen Geweben, z. B. das Geschlechtshormon Testosteron), die die Immunzellen anregen.

Ist der Stress dauerhaft, steht die Erschöpfung der HHN-Achse im Vordergrund. Dies kann gemeinsam mit den chronisch erhöhten Zytokinspiegeln (Botenstoffe, die bei einer Reaktion des Immunsystems gebildet werden, z. B. Interleukin-6, IL-6) letztlich eine Autoimmunerkrankung auslösen.

Üblicherweise tritt eine Autoimmunerkrankung zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr auf. Gerade wenn wir unter großem Stress stehen, beruflich oder privat stark gefordert sind, bekommen wir in vielen Fällen die ersten Schübe.

Erwiesen ist beispielsweise, dass Stress bei Hashimoto von Bedeutung ist. Auch aus diesem Grund sollte man eine negative Belastung nach Möglichkeit vermeiden. Bekannt ist auch, dass Lupus oft junge Frauen trifft, speziell vor dem Abitur. Besonders wenn der Stress in der Oberstufe zunimmt, kann er einen Schub auslösen. Spezialisten sprechen hier von Neuro-Bio-Psycho-Immunologie, dem Zusammenwirken von seelischen und körperlichen Faktoren. Die Situation beeinflusst dann, ob und wie die Erkrankung tatsächlich sichtbar wird.

Erste Schübe treten häufg in der Rushhour des Lebens auf.

Trigger Lebensstil- und Umweltfaktoren