Babette in Not - Michaela Dornberg - E-Book

Babette in Not E-Book

Michaela Dornberg

5,0

Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Maja Greifenfeld war so erschrocken, dass sie einen Satz nach hinten machte. Sie hätte mit allem gerechnet, nicht damit, dass die Tür wie mit Zauberhand einfach so aufgehen würde. Eigentlich hatte sie an der Türklinke nur rütteln wollen, nachdem sie zuvor vergebens Sturm geklingelt und gegen die Türfüllung gedonnert hatte. Was hatte das jetzt zu bedeuten? Maja hatte bereits einige Male versucht, in das Haus zu gelangen, hatte immer geklingelt, geklopft, gerufen, ohne dass ihr geöffnet worden war. Dabei hatte sie sehr genau gewusst, dass dieser Mann, den sie unbedingt sehen und sprechen wollte, daheim war. Und nun das? Maja war verwirrt. Stopp! Sie sah eindeutig zu viele Kriminalfilme und las zu viele Kriminalromane. Ging ihre Fantasie jetzt mit ihr durch? Was sie hier tat, die ganze Zeit über versucht hatte, war grenzwertig. Im Grunde genommen hatte sie mit diesem Fremden, über den sie überhaupt nichts wusste, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, nichts zu tun. Es ging sie nichts an, und das alles bloß, weil sie einen Galeristen, den sie hier nie vermutet hätte, gesehen hatte und der ihr ein wenig merkwürdig erschienen war. Und das wiederum ebenfalls nur, weil sie ihn hier nicht vermutet hätte, nicht im Sonnenwinkel, er tummelte sich an den Plätzen der Reichen und Schönen. Doch wenn sie ehrlich war, dann würde sie von den Menschen, die sie kannte, auch sonst niemand hier vermuten. Sie hatte keine Ahnung, warum sie so darauf fixiert war, warum sich ihr Gedankenkarussell immer schneller zu drehen begonnen hatte. Es war beinahe zur Manie geworden, sie war gefühlte hundert Male am Haus vorbeigefahren, hatte angehalten, versucht, Einlass zu bekommen. Warum? Sie wusste es nicht, es war eher ein Gefühl, oder es war tatsächlich Langeweile, weil sie nichts zu tun hatte und davon ablenken wollte, über ihr Leben nachdenken zu müssen, wie es mit ihr eigentlich nun weitergehen sollte.

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Der neue Sonnenwinkel – 67 –

Babette in Not

… und Roberta hat keine Zeit für das eigene Glück

Michaela Dornberg

Maja Greifenfeld war so erschrocken, dass sie einen Satz nach hinten machte. Sie hätte mit allem gerechnet, nicht damit, dass die Tür wie mit Zauberhand einfach so aufgehen würde. Eigentlich hatte sie an der Türklinke nur rütteln wollen, nachdem sie zuvor vergebens Sturm geklingelt und gegen die Türfüllung gedonnert hatte.

Was hatte das jetzt zu bedeuten?

Maja hatte bereits einige Male versucht, in das Haus zu gelangen, hatte immer geklingelt, geklopft, gerufen, ohne dass ihr geöffnet worden war. Dabei hatte sie sehr genau gewusst, dass dieser Mann, den sie unbedingt sehen und sprechen wollte, daheim war.

Und nun das?

Maja war verwirrt. War das jetzt eine Falle, um sie ins Haus zu locken, um …

Stopp!

Sie sah eindeutig zu viele Kriminalfilme und las zu viele Kriminalromane. Ging ihre Fantasie jetzt mit ihr durch? Was sie hier tat, die ganze Zeit über versucht hatte, war grenzwertig. Im Grunde genommen hatte sie mit diesem Fremden, über den sie überhaupt nichts wusste, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, nichts zu tun. Es ging sie nichts an, und das alles bloß, weil sie einen Galeristen, den sie hier nie vermutet hätte, gesehen hatte und der ihr ein wenig merkwürdig erschienen war. Und das wiederum ebenfalls nur, weil sie ihn hier nicht vermutet hätte, nicht im Sonnenwinkel, er tummelte sich an den Plätzen der Reichen und Schönen. Doch wenn sie ehrlich war, dann würde sie von den Menschen, die sie kannte, auch sonst niemand hier vermuten.

Sie hatte keine Ahnung, warum sie so darauf fixiert war, warum sich ihr Gedankenkarussell immer schneller zu drehen begonnen hatte. Es war beinahe zur Manie geworden, sie war gefühlte hundert Male am Haus vorbeigefahren, hatte angehalten, versucht, Einlass zu bekommen. Warum? Sie wusste es nicht, es war eher ein Gefühl, oder es war tatsächlich Langeweile, weil sie nichts zu tun hatte und davon ablenken wollte, über ihr Leben nachdenken zu müssen, wie es mit ihr eigentlich nun weitergehen sollte.

Wie auch immer, jetzt musste sie sich darüber keine Gedanken machen, sondern sich vielmehr fragen, was sie nun tun sollte.

Vorsichtshalber klingelte sie noch einige Male, es geschah nichts, dann stieß sie vorsichtig die Haustür ein wenig weiter auf. Der Schlüssel steckte von innen. Das konnte doch nur bedeuten, dass dieser Mann, der angeblich hierher gezogen war, um wieder zu sich zu finden, sich im Haus befand. Aber warum war er nicht zur Tür gekommen, um zu öffnen? Und, was noch viel verwirrender war, wieso war die Haustür offen?

Maja wollte hineingehen, zögerte.

»Hallo? Ist da jemand?«

Sie bekam keine Antwort auf ihre Fragen, deswegen ging sie langsam vorwärts. Das Haus wirkte renovierungsbedürftig, innen war es sehr spartanisch eingerichtet.

Konnte sie so einfach in ein fremdes Haus eintreten? War das nicht ein Hausfriedensbruch und sogar strafbar?

Sie fühlte sich unbehaglich, doch sie ging weiter. Die Luft im Haus war abgestanden, es roch ekelhaft nach kaltem Rauch. Auf einem Tisch entdeckte Maja einen überquellenden Aschenbecher voller Zigarettenkippen, neben einem nicht ausgetrunkenen Glas stand eine halb volle Flasche Whisky. Überall standen Kaffeetassen, benutztes Geschirr herum.

Maja schluckte, sie musste jetzt keine Gedanken daran verschwenden, dass hier kein ordentlicher Mensch lebte. Sie musste vielmehr darüber nachdenken, ob sie nicht schleunigst das Haus wieder verlassen sollte, ehe sie auffiel und gehörig Ärger bekam.

Wie ferngesteuert lief sie weiter, betrat den nächsten Raum, den sie allerdings direkt wieder verließ, denn darin sah man nur einen Kleiderschrank, einen Stuhl, auf dessen Lehne liederlich eine Jacke hing, und dann gab es noch ein zerwühltes Bett.

Sie musste gehen, denn von ihrer Verschwörungstheorie, die sie sich zusammengebastelt hatte, war nichts mehr übrig. Was immer der Bewohner dieses Hauses auch mit Arne Boll zu tun hatte, es gab nichts her, um daraus eine Story zu machen. Und selbst wenn es anders wäre, hätte sie damit nichts zu tun, ging es sie nichts an, konnte sie nichts daraus machen, weil sie keine Journalistin war, die immer hinter einer Geschichte her sein musste, um mit ihrem Artikel auf die erste Seite der Zeitung zu kommen.

Jetzt war es ihr nur noch peinlich, einfach so in dieses Haus hineingegangen zu sein. Die nicht abgeschlossene Tür war keine Entschuldigung. Hätte sie in ihrem Zorn nicht die Türklinke heruntergedrückt, wäre sie nicht dahintergekommen, dass nicht abgeschlossen war, zumal es tatsächlich Menschen gab, die so sorglos waren, ihre Türen niemals zu verriegeln.

Sie drehte sich um, ging zurück, und sie hatte die Haustür fast erreicht, als ihr Blick rein zufällig auf eine weitere Tür fiel, sie drehte sich um und lief, wie magnetisch von ihr angezogen, auf die Tür zu.

Wenn sie schon mal hier war …

Maja erwartete nichts, doch sie konnte es dann abhaken und brauchte sich um das Haus, dessen geheimnisvollen Bewohner und Arne Boll, der nicht hierher gehörte, keine Gedanken mehr zu machen. Und dann war es an der Zeit für sie, wie angedacht, abzureisen, ehe sie irgendwann noch hier in diesem verträumten Sonnenwinkel in eine Art Dornröschenschlaf verfiel, weil so gut wie nichts passierte und man keine besondere Ablenkung hatte, es sei denn, man lief sich beim Marathon die Seele aus dem Leib oder tobte sich auf dem See aus. Das war alles nichts für sie.

Als sie in den Raum, den schönsten und hellsten im Haus, trat, blieb sie verblüfft stehen.

Auf einem Tisch standen Pinsel, es gab viele Farben, eine Staffelei mit einem begonnenen Bild, überall lehnten weiße Leinwände und welche, auf denen Gemälde fertiggestellt oder begonnen worden waren.

Ein Atelier …

Maja war in ihrem Leben schon mehr als nur einmal in einem gewesen, das war es also nicht, was ihr die Sprache verschlug.

Ungläubig starrte sie auf das begonnene Gemälde, näherte sich denen, die fertig oder ebenfalls noch im Entwurfstadium waren.

Es war nicht zu fassen. Sie hatte sich einiges gedanklich zurechtgelegt, darauf allerdings wäre sie niemals gekommen, und plötzlich konnte sie sich einiges zusammenreimen. Und jetzt gab es auch eine Erklärung dafür, ­warum der Galerist hier gewesen war!

Aber …

Ihre Gedanken überschlugen sich, es war so ungeheuerlich, dass sie diese Geschichte nicht zu Ende bringen konnte.

Instinktiv holte sie ihr Handy hervor, begann wild zu fotografieren, überlegte …

Maja war so aufgeregt, dass sie kaum atmen konnte. In ihr war auch überhaupt kein Triumphgefühl, weil sie instinktiv geahnt hatte, dass da etwas nicht stimmte.

Was sollte sie jetzt tun?

Sie konnte nichts tun, doch etwas musste sie sogar ganz schnell tun, und das war, das Haus schleunigst wieder zu verlassen. Außerdem hatte sie genug gesehen. Dieser Mann konnte jeden Augenblick zurückkommen, und dann hätte sie ein Problem. Was immer sie auch gesehen hatte, es war immer noch unbefugtes Eindringen in ein fremdes Haus. Eine nicht abgeschlossene Haustür bedeutete nicht automatisch eine Einladung für fremde Besucher.

Außerdem hatte sie keine Handhabe gegen den Bewohner, in seinen eigenen vier Wänden konnte jeder machen, was er wollte, es ging Außenstehende nichts an, vor allem keine, die sich widerrechtlich Einlass verschafft hatten.

Maja machte die Haustür hinter sich zu, hetzte zu ihrem Auto, doch es dauerte eine ganze Weile, ehe sie in der Lage war, es zu starten.

Was für eine Ungeheuerlichkeit!

Oder war alles ganz harmlos? Als Kind hatte sie für alle und jeden die Sonnenblumen von van Gogh nachgemalt und verschenkt, ob zum Geburtstag, ob zu Weihnachten, Pfingsten, Ostern oder einfach nur so.

Aber der Galerist!

Schon wieder wollten die Alarmglocken bei ihr läuten, doch sie unterdrückte beinahe geradezu panisch alle Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten. Sie fuhr zu dem von ihr gemieteten Haus, und was für ein Glück, dass es kaum Verkehr auf der Straße gab. Maja hätte für nichts garantieren können, denn sie fand sich urplötzlich, ohne zu wissen, wie das geschehen konnte, auf der Fahrbahn des Gegenverkehrs wieder.

Was für eine ungeheuerliche Geschichte!

Stopp! Das sagte sie sich zum wiederholten Male. Sie wusste nicht, ob und wie alles zusammenhing, sie hatte nur Vermutungen, und sie hatte ganz offensichtlich eine blühende Fantasie. Und, vor allem, das durfte man nicht vergessen, sie war unbefugt in ein fremdes Haus eingedrungen. Sie musste also ganz schön still sein und den Mund halten. Sie hatte auf reichlich unkonventionelle Weise Tatsachen geschaffen, und das war, wie man es auch immer drehen und wenden wollte, eine strafbare Handlung!

Als sie das bedachte, merkte Maja, wie sich feine Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Sie fuhr langsamer, versuchte, auf der Straße zu bleiben, vor allem, auf ihrer Fahrspur, die hatte sie nämlich schon wieder verlassen, und nur dem schnellen Reaktionsvermögen des Fahrers eines Wagens auf der anderen Straßenseite war es zu verdanken gewesen, dass es zu keinem Schaden gekommen war.

*

Maja wusste nicht, wie sie ins Haus gekommen war, nachdem sie sogar anfängliche Schwierigkeiten gehabt hatte, die Tür aufzuschließen.

Sie schmiss ihre Tasche auf einen Stuhl, ging zum Kühlschrank, holte sich eine Flasche Mineralwasser heraus, schenkte sich ein Glas voll, und das trank sie beinahe in einem einzigen Zug fast leer, weil sie einen ganz trockenen Hals hatte. Danach begann sie unruhig durch das Zimmer zu laufen. Sie hatte schon eine Idee davon, was sie jetzt tun könnte, doch sie zögerte. Zwischen ihr und ihrem Bruder Georg gab es nicht unbedingt so etwas wie große Geschwisterliebe. Und als sie sich zuletzt gesehen hatten, waren sie im Streit auseinander gegangen.

Sollte sie?

Sollte sie nicht?

Maja zögerte, ging zu ihrem Telefon, nahm es in die Hand, legte es wieder weg.

Wenn sie etwas erfahren, wenn sie es aus ihrem Kopf bekommen wollte, dann hatte sie überhaupt keine andere Wahl, als Georg anzurufen.

Sie trank noch etwas Wasser, setzte sich, dann griff sie entschlossen zum Telefon, wählte die Nummer ihres Bruders, um dann die monotone Stimme einer Ansagerin zu hören, dass es keinen Anschluss unter dieser Telefonnummer gab.

Das konnte nicht sein, sie versuchte es erneut, es wiederholte sie. Maja blieb nichts anderes übrig, als ihr Telefonverzeichnis zu holen, weil sie Georgs Telefonnummer nicht in ihrem Handy gespeichert hatte, sah nach. Sie war sich so sicher gewesen, die Telefonnummer ihres Bruders im Kopf zu haben, hatte sie nicht, es gab da einen Zahlendreher.

Diesmal wählte sie bedächtig Zahl für Zahl, es war seine Privatnummer, nicht die seines Büros, denn dort hätte sich erst einmal eine seiner Sekretärinnen gemeldet, und dann wäre es sehr fraglich gewesen, ob man sie verbunden hätte.

Es konnte ihr allerdings auch jetzt durchaus passieren, dass nicht Georg sich meldete, sondern sein Anrufbeantworter ansprang.

Maja hatte Glück. Ihr Bruder meldete sich sofort, und sie hatte das Gefühl, dass seine Stimme eine Spur unfreundlicher wurde, als er merkte, wer da am anderen Ende der Leitung war.

»Du?«, erkundigte er sich gedehnt, »was willst du denn von mir?« Das war nicht unbedingt die Art, in der Geschwister sich begrüßten, und sie ärgerte sich auch direkt, ihn überhaupt angerufen zu haben. Weil sie nicht sofort etwas sagte, wurde er ungeduldig. »Sag schon, was du willst. Solltet du dich entschieden haben, jetzt doch noch auf mein Angebot einzugehen, das kannst du knicken, dieser Zug ist abgefahren.«

Diese Überheblichkeit, und für wie dämlich hielt er sie eigentlich? Er war sauer gewesen, weil sie ihn durchschaut hatte und nicht auf diese dubiose Nummer eingegangen war, mit der er sie hatte linken wollen und wegen der er sich sogar bis in den Sonnenwinkel begeben hatte. Und das war nicht einfach gewesen, es musste ihn sehr viel Mühe gekostet haben, sie zu finden. Das nur nebenbei.

»Georg, ich bin nicht traurig deswegen, wir wissen doch beide, dass es für mich ein sehr schlechtes Geschäft gewesen wäre. Aber ehe du auflegst, darum geht es nicht, ich möchte mich auch nicht mit dir zanken …, es geht um …, diesen Galeristen Boll.«

»Was ist mit dem?«, erkundigte Georg sich ziemlich gelangweilt. »Willst du bei ihm ein Bild kaufen, das kann ich dir nur empfehlen, tue es. Arne hat das richtige Gespür für Bilder, bei denen mit einer hohen Wertsteigerung zu rechnen ist, und er ist permanent unterwegs, um Bilder auszugraben, von deren Existenz man noch nichts weiß oder die irgendwo verschollen waren. Wenn es das ist, dann greif zu.«

Sie hatte das Gefühl, dass für ihn das Gespräch damit beendet war, dass er auflegen wollte, und deswegen erzählte sie ihm rasch mit sich vor Aufregung beinahe überschlagender Stimme von ihren Beobachtungen.

Ihr Bruder sah das allerdings gelassener.

»Was willst du mir damit sagen, Maja? Witterst du da mal wieder was, weil du immer von dir auf andere schließen musst?«

Konnte er es nicht lassen, sie immer wieder anzugreifen? Dabei war er doch das Schlitzohr. Er hatte versucht, sie mehr als nur einmal übers Ohr zu hauen. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass sie zurückschlagen würde, weil sie nicht dumm war. Und das würde Georg ihr wohl niemals verzeihen, Frauen zählten für ihn nicht, die waren so etwas wie kuchenfressende Pelztierchen, die man leicht mit einem glitzernden Ring zufriedenstellen konnte und deren Aufgabe im Leben keine andere war, als nett zu sein.

Am liebsten hätte Maja jetzt zornig den Hörer zur Seite geschmissen, das Gespräch beendet. Doch damit würde sie sich nur selbst schaden, also riss sie sich zusammen.

»Georg, natürlich kann ein Galerist auch bei Künstlern in der Provinz auftauchen, um dort vielleicht eine bahnbrechende Entdeckung zu machen, ein großes Talent auszugraben. Doch gilt das auch, wenn auf der Staffelei ein angefangener Monet steht? In einer Ecke ein Edouard Manet oder ein Rosenstilleben von Paul Biva? Georg, diese Künstler sind tot, und dieser Mann, der in diesem Haus wohnt, vielleicht ist er ja auch bereits abgehauen, was weiß ich, erweckt sie, und das wirklich ganz ausgezeichnet, zu neuem Leben. Und mir hat dieser zwielichtige Herr Boll gesagt, er besuche einen Freund. Hallo, klickt da jetzt vielleicht etwas bei dir, Georg?«

Eine Weile war es still, dann sagte ihr Bruder mit völlig veränderter Stimme: »Ich …, äh …, wer weiß, was du da gesehen hast, Maja. Du kannst Arne nicht leiden und willst ihm jetzt etwas anhängen.«

Das war gemein, das stimmte nicht. Sie hätte jetzt ganz heftig etwas erwidert, das musste sie nicht, denn man musste keine große Menschenkenntnis haben, um zu wissen, dass es jetzt in den Gehirnwindungen ihres Bruders ganz gehörig arbeitete.

Hatte er, vielleicht sogar zu einem Schnäppchenpreis, eine Kopie erworben, sich heimlich die Hände gerieben und sich ausgerechnet, was das Gemälde irgendwann bei einer Versteigerung bringen würde? So war Georg gestrickt. Er war gierig, heiß auf Geschäfte, ganz egal, ob legal oder illegal, und wenn man ihm die Hand gab, musste man hinterher seine Finger zählen, um zu sehen, ob die alle noch an der Hand waren. Es war traurig, so über seinen eigenen Bruder zu reden, aber so war es nun mal.

Sie vergaß, wie überheblich er sich gerade wieder benommen hatte.

»Georg, bitte vergiss, was zwischen uns ist. Ich will dich nicht linken, und aus dem Alter, in dem man einem, den man nicht leiden kann oder mit dem man noch eine Rechnung offen hat, einen Streich spielt, sind wir doch heraus. Ich weiß, was ich gesehen habe in diesem Haus, ich weiß jetzt auch, warum es dem Galeristen so unangenehm war, mich zu sehen. Und warum wohl hat dieser Kopierer die Haustür nicht geöffnet, wann immer ich auch davorstand? Weil er Instruktionen von dem dreimal chemisch gereinigten Galeristen hatte, weil sie nicht auffliegen wollten. Ich weiß nicht, was jetzt geschehen ist, warum die Haustür nicht abgeschlossen war. Allerdings wäre es nicht aufgefallen, hätte ich nicht in meiner Wut die Türklinke heruntergedrückt.« Sie redete und redete, weil sie das Gefühl hatte, dass ihrem Bruder da etwas durch den Kopf ging. Doch das würde er ihr niemals sagen, denn dann würde er sich ja etwas vergeben.

Mit einer solchen Reaktion hätte sie allerdings nicht einmal im Traum gerechnet.

»Tja, das ist wieder einmal so typisch für dich, Maja. Du kennst keine Skrupel, dringst einfach in fremde Häuser ein. Darauf muss man erst einmal kommen.«

Was war das denn? Maja glaubte, sich verhört zu haben, doch das hatte sie nicht. Was hatte sie denn erwartet? So war Georg, sarkastisch, verletzend. Man konnte dem noch mehr hinzufügen. Sie hätte ihn einfach nicht anrufen dürfen. Sie wusste doch, dass von ihrem Bruder nichts zu erwarten war. Und das war bereits so gewesen, als sie noch Kinder gewesen waren. Er hatte immer versucht, sie zu linken. Und nun würde er ihr bis an sein Lebensende nicht verzeihen, dass sie clever genug gewesen war, sein Spiel zu durchschauen und diesmal den Spieß herumzudrehen.

Was sollte sie jetzt noch sagen?

Am liebsten hätte Maja einfach aufgelegt, doch damit stellte sie sich mit ihm auf eine Stufe, denn es war seine Art, Gespräche, Telefonate, Beisammensein so zu beenden. Sie hätte es lassen sollen, jeder Gedanke an diese merkwürdige Geschichte war ein Gedanke zu viel.

»Gut mir leid, Georg, dass ich dich damit behelligt habe«, quälte sie sich ab. »Wenn du irgendwie betroffen bist, dann kümmere dich. Ich kann dir nur wünschen, dass dieser Galerist dir nicht für viel Geld eine Kopie angedreht hat, und wenn du dann …«

Er ließ sie nicht aussprechen, sondern er tat das, was sie eigentlich hatte tun wollen, er legte einfach auf. Maja machte sich jetzt keine Gedanken darüber, ob er ein Betroffener war oder nicht, ob er etwas daraus machen würde. Es ging sie nichts an, sie hätte sich von Anfang an da heraushalten sollen. Sie hatte bloß von sich ablenken wollen, und dass sie Georg angerufen hatte, das war so unnötig wie ein Kropf.

Es ging um sie!

Es war an der Zeit, ihr eigenes Leben in Ordnung zu bringen, sich zu fragen, wie ihr weiteres Leben aussehen sollte, und dazu gehörte auch, sich zu fragen, was mit ihrem Elternhaus geschehen sollte, das sie um jeden Preis haben wollte. Wollte sie es, weil sie es nicht ertragen hätte, wenn Georg es sofort verkauf hätte, und das wäre geschehen, er hatte da auch schon Käufer an der Hand. Wollte sie es haben, um Georg einen Streich zu spielen, oder war es ihr wirklich wichtig, das zu erhalten, was seit Generationen im Familienbesitz war? Das war nur eine der Fragen, doch da es offensichtlich nicht möglich war, hier einen klaren Gedanken zu fassen, da musste sie weg. Sie besaß mehrere Domizile, sie musste sich nur ein Flugticket kaufen, und sie konnte mit leichtem Gepäck reisen, da überall alles vorhanden war. Auch das war etwas, was sie überdenken musste.

Und da war noch etwas.

Es war ein Unterschied, ob man beispielsweise eine Wohnung in einem anonymen Hochhaus in Manhattan besaß oder hier im Sonnenwinkel.

Sie besaß hier keine Freunde, aber immerhin wechselte sie hier und da mit jemandem ein Wort, und mit Julia, der Wirtin vom ›Seeblick‹ hatte sie sich sogar ein wenig angefreundet. Da verschwand man nicht einfach, da verabschiedete man sich, besonders dann, wenn man sich beinahe täglich sah.