Bad Business Boys - Tina Keller - E-Book
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Tina Keller

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Beschreibung

Wenn eine schüchterne Sekretärin für ihre heißen Bosse eine erotische Party organisieren soll …. Durch ein traumatisches Erlebnis in der Vergangenheit will Jessica von Männern nichts mehr wissen. Liebe und Erotik hat sie in ihrem Leben völlig gestrichen. Sie fällt aus allen Wolken, als ihr ihre Chefs, drei wohlhabende, attraktive Brüder, eine ganz besondere Aufgabe übertragen: Jessica soll eine erotische Party organisieren, an der namhafte Personen der Upper Class teilnehmen. Jessica findet sich auf einer Party wieder, in der geheime Wünsche der High Society ausgelebt werden, die nie ans Licht der Öffentlichkeit dringen dürfen. Sie ist geschockt und fasziniert zugleich. Nach der Party ist nichts mehr wie vorher. Jessica nimmt ihre Chefs plötzlich als das wahr, was sie sind: drei äußerst anziehende, attraktive Männer. Sie ist hin und her gerissen zwischen ihren erotischen Phantasien und der Angst, die Erlebnisse aus der Vergangenheit könnten sich wiederholen. Ihre beste Freundin Debbie ist genau das Gegenteil. Männer sind ihr liebster Zeitvertreib, und Sex ist ihr Hobby. Doch plötzlich und unerwartet entwickelt die flatterhafte Debbie tiefe Gefühle für einen der Brüder. Der will jedoch seine Freiheit genauso wenig aufgeben wie sie selbst. Finden die beiden ungleichen Freundinnen ihr Glück mit den Bad Business Boys? Der Roman enthält explizite, teilweise auch längere erotische Szenen.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Impressum

Kapitel 1

Als Jessica an diesem strahlenden Frühlingsmorgen in ihren knallroten Twingo stieg, hatte sie nicht die geringste Ahnung, welcher Schock sie an diesem Tag erwarten würde. Sie legte ihre schwarze Tasche mit dem auffälligen Karabinerhaken neben sich auf den Sitz, zog ihr schwarzes Kostüm mit den weißen Nadelstreifen glatt und warf einen raschen Blick in den Rückspiegel.

Zwei große dunkle Augen, umrandet von außergewöhnlich langen, schwarzen Wimpern, blickten sie an. Ihre Haare hatte sie wie immer streng aus dem Gesicht gekämmt und zu einem Dutt hochgesteckt. Schneewittchen hatte Robin sie wegen ihrer langen, glänzenden, fast schwarzen Haare und ihrem zarten, hellen Teint genannt.

Jessica biss sich auf die Lippe. Robin. Es war schon so lange her, aber es tat immer noch weh. Jessica sah im Spiegel, wie ihre Augen dunkler wurden. Dann trat sie entschlossen auf das Gaspedal. Sie wollte jetzt nicht an Robin denken, dazu war der Tag einfach zu schön.

Sie blinzelte, als die Sonne sie blendete und lächelte. Sie genoss die Wärme und das Licht. Sie liebte die Jahreszeit, wenn das Leben in der Natur erwachte. Es machte ihr Mut und Hoffnung, und jeder Frühling war wie ein Neubeginn.

Jessicas Lächeln vertiefte sich. Genau heute vor einem Jahr hatte es für sie in puncto Job einen Neubeginn gegeben, für den sie immer noch dankbar war. Heute vor einem Jahr hatte sie die Stelle als persönliche Assistentin bei drei erfolgreichen Brüdern angetreten.

Luke, Patrick und Julian handelten mit wertvollen Antiquitäten und richteten Villen und Luxushotels für ihre zahlungskräftige Kundschaft ein. Sie reisten auf der Suche nach erlesenen Einrichtungsgegenständen quer um den Globus, um für die Menschen, die schon alles hatten, den Luxus zu beschaffen, den sie noch nicht besaßen.

Die drei residierten in einer imposanten Villa in Londons Nobelgegend Knightsbridge. Jeder der Brüder bewohnte seinen eigenen Flügel, und im Erdgeschoss befanden sich die Büroräume.

Innerhalb weniger Wochen war Jessica nicht nur die Assistentin der drei Männer geworden, sondern auch so etwas wie der gute Geist des Hauses. Sie musste zwar nicht höchstpersönlich den Putzlappen schwingen, sorgte aber dafür, dass jemand anderes es tat.

Wenn die Männer nach einem langen, anstrengenden Flug um die halbe Welt erschöpft nach Hause kamen, waren sie überaus dankbar, dass sie ein perfektes Heim vorfanden. Sie mussten sich nicht um fehlendes Shampoo, tropfende Wasserhähne oder einen Fussel auf der cremefarbenen Designercouch kümmern. Jessica sorgte dafür, dass immer alles da war, was die gestressten Geschäftsmänner brauchten, und sie tat es gerne.

Die Brüder waren anspruchsvoll. Sie setzten es als selbstverständlich voraus, dass Jessica ihnen jederzeit zur Verfügung stand. Wenn ihnen mitten in der Nacht einfiel, dass sie am nächsten Tag unbedingt nach Rom fliegen mussten, machte Jessica das irgendwie möglich. Im Gegenzug hatte sie oft ein paar Tage am Stück frei und wurde sehr gut bezahlt. Ihr gefiel das unregelmäßige Arbeiten, das ihr ein Gefühl von Freiheit gab. Sie war mit ihrem Job hochzufrieden und hätte sich keinen besseren vorstellen können.

Nach einer guten halben Stunde Fahrzeit kam sie in Knightsbridge an. Ihre Absätze klapperten auf dem Gehweg, als sie auf den schneeweißen, mit goldenen Ornamenten verzierten Zaun zustöckelte. Dahinter lag ein liebevoll angelegter Vorgarten, der aus einem perfekt gestutzten Rasen und einigen kleinen Blumeninseln bestand. Üppige Rosensträucher verströmten einen betörenden Duft. In der Mitte prangte ein plätschernder Brunnen mit einer römischen Figur, einem nackten Adonis. Es war ein richtiges kleines Paradies. Und der große Garten zur anderen Seite war ein großes Paradies.

Die schneeweiße Villa hatte große, bogenförmige Fenster, durch die viel Licht in das Haus gelangte. Die glänzenden lilafarbenen Dachziegel bildeten einen interessanten Kontrast zu dem Weiß.

Das verwinkelte Gebäude bestand aus mehreren Teilen. Der vordere Teil war sechseckig, die anderen Teile viereckig. Der Clou war ein runder Turm an der rechten Seite. Hier lagen die edel ausgestatteten Büroräume.

Jessica steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die schwere Eingangstür. Die runde Halle, die sie betrat, war komplett aus Marmor und wurde von weißen Säulen gestützt. An den Wänden hingen vereinzelt barocke Spiegel und Gemälde, und klassizistische Malereien zierten die kuppelartige Decke.

Sie steuerte auf ihr Büro zu, in dem sie ganz besonders die Wand liebte, die komplett verglast war und den Blick auf den prachtvollen Garten freigab. Die andere Wand war in ihrer ganzen Breite mit weißen Schränken bestückt, die die Brüder extra aus New York hatten einfliegen lassen.

Auf der anderen Seite prangte ein filigraner, weißer Schreibtisch. Das war Jessicas Arbeitsplatz. Auch nach einem Jahr beeindruckte sie dieser Luxus immer noch.

Jessica schaltete den flachen weißen Laptop ein und sah die Mappen durch, die man ihr hingelegt hatte. Dann checkte sie ihre Emails, doch der Posteingang war heute ausnahmsweise leer.

„Guten Morgen, Jessica.“

Sie erkannte die tiefe, samtige Stimme von Luke sofort und drehte sich um. Luke Turner schritt mit schnellen, festen Schritten auf sie zu. Er überragte sie trotz ihrer Stöckelschuhe um mindestens anderthalb Köpfe und hatte ein überaus markantes Gesicht. Die tiefblauen Augen harmonierten perfekt mit seinem blauen, edel schimmernden Anzug. Seine Nase war geradlinig und relativ groß, seine Unterlippe voll, während die Oberlippe eher schmal war, was ihm etwas Strenges verlieh.

Seine Haare waren dunkelbraun und kurz. Luke war stets perfekt gekleidet und frisiert. Es wäre ihm nie eingefallen, in etwas anderem im Büro zu erscheinen als in einem teuren Designer Anzug samt Krawatte. Luke liebte Perfektion in jeglicher Hinsicht.

Er war stets gleichmäßig gebräunt, als käme er direkt aus dem Urlaub. Meist kam er aber lediglich aus dem hauseigenen Solarium, denn einen Urlaub hatte er sich schon lange nicht mehr gegönnt. Für ihn gab es nichts als Arbeit. Er war ehrgeizig und wollte etwas erreichen. Und dafür musste man eben etwas tun.

Jessica sah zu ihm auf. Er sah wie immer wie der perfekte Geschäftsmann aus. Eigentlich war Luke der Grund dafür, dass sie immer ein Kostüm trug. Sie hatte Luke in dem Jahr, seit sie hier arbeitete, noch nie in einem anderen Outfit als in Anzug und Krawatte gesehen. Er schien darin zu schlafen!

„Alles Gute zum einjährigen Jubiläum", sagte Luke etwas förmlich und legte Jessica einen Strauß aus Sonnenblumen, orange-gelben Rosen und roten Gerbera in die Arme. Jessicas Wangen röteten sich vor Freude. Sie strahlte Luke an.

„Vielen Dank." Ihre Augen leuchteten. „Das ist wahnsinnig lieb von dir, Luke. Dass du daran gedacht hast! Und dann auch noch meine Lieblingsblumen.“

Das war aber wirklich sehr aufmerksam von ihm. Jessica war ganz gerührt. Luke verzog seinen Mund zu einem angedeuteten Lächeln. Überschwänglich war er noch nie gewesen.

„Ich hole am besten gleich mal eine Vase“, sagte Jessica.

Luke nickte knapp.

„Kommst du danach bitte in mein Büro?“, fragte er. „Julian und Patrick sind auch da. Wir haben etwas mit dir zu besprechen.“

Wenige Minuten später betrat Jessica Lukes riesiges, sonnendurchflutetes Büro, dessen Fenster von der Decke bis zum Boden reichten. Der Raum, eher schon ein Saal, war in klaren Farben und Linien gehalten, und auch hier dominierte die Farbe Weiß.

An der linken Seite stand eine übergroße weiße Ledercouch mit zwei Sesseln, davor ein Tisch mit einer schwarzen Glasplatte. Direkt gegenüber befand sich ein gigantischer Flachbildschirm, fast schon ein Heimkino. Vor diesem Heimkino standen Lukes Geschäftspartner, in persona seine Brüder Patrick und Julian.

Patrick sah Luke so gar nicht ähnlich – bis auf die strahlend blauen Augen, die bei ihm fast immer lachten und blitzten und alles andere als streng guckten. Er war muskulös und bestens durchtrainiert, wie das enge T-Shirt unschwer erkennen ließ.

Das lag unter anderem daran, dass Patrick nicht viel davon hielt, seine kostbare Zeit im Büro zu verbringen. Er war gern sportlich unterwegs, stählte sich im hauseigenen Fitnessstudio oder joggte durch den Park. Seine liebste sportliche Betätigung war allerdings Sex. Er ließ nichts anbrennen und veranstaltete einen regelrechten Frauen-Marathon.

Als Jessica ihn einmal scherzhaft gefragt hatte, ob er eigentlich noch durchblicke oder eine Liste benötige, hatte er ihr tatsächlich eine fünfseitige Liste präsentiert. In dieser Liste waren nicht nur Namen, Telefonnummern und Alter aufgeführt, sondern auch die jeweiligen sexuellen Vorlieben der Damen. Das konnte man sich ja nicht alles merken! Jessica war fast vom Stuhl gefallen, als sie einen Blick auf diese Spalte erhascht hatte. Seitdem wurde sie jedes Mal verlegen, wenn eine gewisse Mary anrief, denn aus irgendeinem Grund hatte sie sich gemerkt, was Patrick dazu notiert hatte: „Bläst wie eine Göttin und kann den Hals nicht vollkriegen – im wahrsten Sinne des Wortes. Macht es auch gern anal. Alles in allem ein hemmungsloses, geiles Biest, das allzeit bereit ist. Würde es auch gern mal zu dritt mit einer anderen Frau treiben.“

Patrick stand dazu, dass Sex ein wichtiger Teil seines Lebens war und sah nicht ein, das vor seiner Sekretärin zu verheimlichen, während Jessica oft peinlich berührt war, genauso wie Luke.

Im Gegensatz zu Luke kleidete Patrick sich eher flippig. Er machte keinen Unterschied zwischen privater und geschäftlicher Kleidung und rannte zu Lukes Unwillen generell in Jeans und T-Shirt herum, gern auch ausgefranst und mit Löchern. Patrick brauchte keine elegante Kleidung. Er war auch so ein Hingucker.

Patrick hatte ein ovales, sonnengebräuntes Gesicht (er fuhr in den Urlaub!), eine schmale Nase und volle sinnliche Lippen. Seine Haare waren blond und wuschelig, als sei er gerade aus dem Bett gekommen. Er wirkte stets fröhlich und unbeschwert, ganz das Gegenteil seines strengen Bruders Luke. Außerdem war er perfekt durchtrainiert, hatte muskulöse Oberarme und ein Sixpack, das er Jessica gleich an ihrem allerersten Arbeitstag stolz präsentiert hatte.

Julian war mit seinen 25 Jahren gute zehn Jahre jünger als seine Brüder. Er wirkte zart und filigran, hatte längere, gelockte, dunkle Haare und war immer etwas verträumt. Er himmelte seinen großen Bruder Luke förmlich an und tat alles, was er ihm sagte. Luke war sein großes Vorbild und er versuchte, ihm nachzueifern.

Julian war der Kreativste des Dreiergespanns. Wenn eine Luxusvilla komplett neu eingerichtet werden musste, war Julian derjenige, der sofort die zündende Idee hatte. Er hatte immer große Visionen und war kindlich begeistert von seinen eigenen Ideen. Luke brachte Realität in diese Phantasien und kreierte dann daraus etwas, das der Realität standhielt. So waren er und sein jüngster Bruder ein gutes Gespann.

Patrick reiste quer durch die Weltgeschichte, um die exquisiten Stücke zu besorgen. Das lag ihm sehr. Er liebte es, neue Länder und Kulturen kennenzulernen – und natürlich Frauen. Auf jeder Reise hinterließ er gebrochene Herzen und ein paar neue Namen auf seiner Liste. Er war jedes Mal froh, wenn er herumreisen konnte und nicht im Büro sitzen musste, denn das war für ihn ein Gräuel.

Luke war derjenige, der die Verhandlungen führte und die Fäden zog. Er war ein knallharter Geschäftsmann und holte immer das Beste für sich und seine Partner heraus. Er wusste, was er wollte, und er bekam es auch. Er liebte es, zu siegen und als Gewinner aus einem harten Verhandlungskampf hervorzugehen. Luke war sozusagen die Basis, von der alles andere ausging. So ergänzten sich die Brüder perfekt.

Patrick öffnete eine Flasche und reichte Jessica ein Sektglas.

„Wir möchten auf dich anstoßen“, sagte er fröhlich und prostete ihr zu. „Heute vor einem Jahr war unser Glückstag. Nach vielen Enttäuschungen haben wir unsere Perle endlich gefunden. Dich geben wir nie wieder her.“

Jessica strahlte. „Mich werdet ihr auch nie wieder los.“ Sie lächelte ihre attraktiven Bosse an, die zurück lächelten. Jessica wusste ihr Glück durchaus zu schätzen, denn ihr vorheriger Job war nicht sehr erfreulich gewesen. Ihr Chef war ein Choleriker gewesen und hatte sie oft grundlos angebrüllt und ihr das Leben zur Hölle gemacht. Jessica war nach zwei Jahren fix und fertig gewesen, hatte Magenprobleme bekommen und keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als zu kündigen.

Angebrüllt wurde sie von den Turner Brüdern nie. Alle drei waren stets höflich und behandelten sie gut. Sie lobten sie oft und sagten ihr immer wieder, wie froh sie waren, dass sie sie gefunden hatten. Das spornte Jessica natürlich an und sie arbeitete noch eifriger. Sie hätte alles für ihre Chefs getan. Ihrer Meinung nach hatte sie das große Los gezogen. Und die Bezahlung war auch mehr als gut, da ließen sich die Millionäre nicht lumpen. Wer gut arbeitete, wurde auch fürstlich bezahlt.

Die Vier nippten an ihren Gläsern. Der gut gekühlte Champagner perlte. Luke deutete mit einem knappen Kopfnicken auf die Couch.

„Setzen wir uns doch“, schlug er vor und wartete, bis Jessica Platz genommen hatte. Dann ließ er sich ebenfalls auf der Couch nieder. Patrick und Julian folgten seinem Beispiel.

Luke knöpfte sein Sakko auf und lehnte sich zurück. Er schlug die Beine übereinander und legte die Hände neben sich. Dann tauschte er mit seinen Brüdern einen kurzen Blick.

„Du hast ja schon so einiges für uns organisiert“, begann er.

Jessica nickte und dachte an die obskuren Bestellungen der verwöhnten und gelangweilten Reichen. Man durfte wirklich nicht darüber nachdenken, was es bedeutete, wenn man eine Flasche Wein bestellte, die so viel kostete, wie eine ganze Familie in einem Jahr zum Leben hatte – wenn es eine gut situierte Familie war.

Zwischen Lukes Augenbrauen bildete sich eine steile Falte. So sah er immer aus, wenn er angestrengt nachdachte oder sich konzentrierte.

Patrick drehte seinen Sektkelch in der Hand, und Julian kaute auf seiner Unterlippe herum. Es sah fast so aus, als sei den Männern ihr Anliegen unangenehm. Jessica wartete gespannt.

„Diesmal sollst du wieder etwas für uns organisieren, aber es unterscheidet sich erheblich von dem, was du ansonsten so tust. Wir übertragen dir diese Aufgabe auch nur, weil wir wissen, dass du absolut diskret, zuverlässig und loyal bist.“

Luke sah sie ernst, fast streng an. Jessica kannte diesen Blick. Er setzte ihn immer dann auf, wenn er bei Verhandlungen etwas unbedingt durchsetzen wollte und sein Geschäftspartner sich sträubte. Doch meistens setzte Luke sich durch. Er war ein Kämpfer und hasste es, zu verlieren.

Luke stellte sein Glas auf dem Tisch ab. Es klirrte leise. Er legte seine Hände in den Schoß. Die Männer tauschten wieder Blicke.

„Nun, es handelt sich um eine Party“, ergriff Patrick das Wort und kratzte sich am Kopf. „Du sollst eine Party für uns organisieren.“

Jessica nickte. Was um Himmels willen sollte diese Ansprache? Sie hatte schon oft Partys für die drei organisiert. Da diese Partys immer etwas ganz Besonderes sein sollten, war es jedes Mal eine Heidenarbeit. Mal musste ein berühmter Sänger eingeflogen werden, dann sollte es ein Feuerwerk geben oder die Gäste wollten auf einer elitären Yacht feiern. Die Turner Brüder machten eben alles möglich.

Vielleicht sollte das Fest diesmal alle Grenzen sprengen, und die Brüder wollten Hunderte von Leuten einladen, so dass Jessica Tag und Nacht würde arbeiten müssen? Aber war es nicht etwas übertrieben, deshalb so eine Rede zu halten? Die drei benahmen sich heute aber wirklich etwas merkwürdig.

„Es ist eine sehr spezielle Party.“

Patrick drehte das Glas in seinen Händen etwas schneller, während Luke stur aus dem Fenster blickte.

Jessica spürte, wie ihre Wangen von dem Sekt ganz heiß wurden. Sie vertrug einfach keinen Alkohol. Ein einziges Glas reichte, und sie war für den Rest des Tages außer Gefecht gesetzt. Sie musste aufpassen.

„Es geht weniger um kulinarische Genüsse als eher um körperliche Gelüste“, stotterte Julian und wirkte plötzlich sehr verlegen.

Jessica sah ihn verwundert an. Wollten die Brüder eine Pool Party veranstalten, bei der sie auch Massagen anboten und die Gäste in die Sauna gehen konnten? Das wäre zwar etwas ungewöhnlich, aber auch kein Grund, um so ein Bohai zu machen.

„Sagen wir es ohne Umschweife.“

Luke räusperte sich und blickte Jessica direkt ins Gesicht.

„Es handelt sich um eine erotische Party.“

Sein linkes Auge zuckte fast unmerklich, aber Jessica kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das seine Nervosität verriet. Sie hörte, was er sagte, begriff es aber nicht. Das Summen in ihren Ohren verstärkte sich. Was um Himmels willen meinte er mit erotische Party? Sie griff nach ihrem Glas und hätte es am liebsten in einem einzigen Zug ausgetrunken. Aber dann hätte man sie nach Hause tragen können.

„Eine erotische Party? Was darf ich mir denn darunter vorstellen?“, wollte sie wissen. Vielleicht sollte sie ein paar Bauchtänzerinnen bestellen, die einen erotischen Tanz vorführten. Oder die Gäste sollten sich sexy anziehen, eine Art Kostümparty also.

Luke stand auf und ging mit großen Schritten auf die riesige Fensterfront zu. Offenbar hatte er kein großes Interesse, Jessica in die Einzelheiten einzuweisen. Diese Aufgabe übernahm Patrick. Er fuhr sich durch seine wuscheligen Haare und sah Jessica ganz unbekümmert an.

„Im Grunde geht es darum, dass ein paar unserer Geschäftspartner mal wieder richtig viel Spaß haben wollen“, begann er. „Darum sollen ein paar Mädchen bestellt werden, die ihnen ihre Wünsche erfüllen. Einer will wohl auch einen Kerl haben. Keine große Sache eigentlich. Und dann muss eben das Übliche organisiert werden: Speisen, Getränke, Musik, ein ansprechendes Ambiente. Und diesmal natürlich auch ein paar Liegewiesen, sprich Matratzen, auf denen sich die Gäste vergnügen können. Das alles soll hier bei uns im Souterrain stattfinden.“

Jessica starrte Patrick an. Keine große Sache? Die Brüder wollten ihre Villa kurzfristig in einen Puff umwandeln, und das fand Patrick keine große Sache? Jessica konnte gar nicht glauben, was sie da hörte. Nein, es sollte kein Kostümfest werden, auf dem ein paar Bauchtänzerinnen mit den Hüften wackelten. Es sollte richtig zur Sache gehen! Die Brüder wollten tatsächlich Gäste einladen, die in der Villa Sex hatten! Jessica hätte fast einen Herzschlag bekommen.

„Ihr meint, ihr stellt euren Geschäftspartnern eure Räume für diese Party zur Verfügung“, fasste sie zusammen und griff nach ihrem Block. „Und ihr leiht mich quasi an sie aus, damit ich alles für sie organisieren kann. Habe ich das richtig verstanden?“

„Naja, nicht ganz.“ Patrick verzog seinen Mund zu einem Grinsen. „Du sollst das nicht nur für unsere Gäste organisieren, sondern auch für uns. Wir nehmen natürlich an der Party teil.“

Jessica wich jegliches Blut aus dem Gesicht. Fast hätte sie vor Schreck ihren Block fallen lassen. Sie starrte Patrick entsetzt an. Ihre Chefs, für die sie seit einem Jahr arbeitete, wollten an einer Sexorgie teilnehmen? Der elegante Luke, der immer perfekt gekleidet war, wollte … Nein, das konnte sie nicht mal denken, geschweige denn, es sich vorstellen. Und sie sollte so eine perverse Party auch noch organisieren? Das war doch wohl ein schlechter Scherz! Wollten die drei sie auf den Arm nehmen?

Patrick grinste immer noch. Ja, das war es: Die Brüder veralberten sie. Zu ihrem einjährigen Jubiläum hatten sie sich einen Scherz erlaubt. Leider fand sie den nicht besonders lustig.

„Das ist jetzt ein Witz, oder?“ Sie versuchte, in Patricks Miene zu lesen. Luke starrte immer noch aus dem Fenster, und Julian blickte beschämt zu Boden.

„Ihr meint das nicht wirklich ernst, oder?“

„Nein“, sagte Patrick und lehnte sich zurück.

Jessica atmete befreit auf. Nein, sie meinten es nicht ernst. Sie hatte es ja gewusst. Ihre Chefs waren schließlich keine sabbernden Lüstlinge, die mit ihren Geschäftspartnern Sex hatten. Was für eine bizarre Vorstellung! Wie hatte sie auch nur eine Sekunde lang glauben können, dass das ernst gemeint war.

„Nein, das ist kein Witz.“

Patrick schob seine Beine weit auseinander. Seine Miene war plötzlich ganz ernst geworden.

„Warum denkst du, das sei ein Witz?“

Jessica schluckte schwer. Weil ich euch bisher nicht für pervers gehalten habe.

Patrick kniff die Augen zusammen.

„Traust du uns das nicht zu? Glaubst du, wir sind auch in unserer Freizeit ausschließlich Business Boys?“ Seine Stimme wurde tiefer, rauer.

„Nein, Jessica, manchmal sind wir auch einfach nur Männer. Männer mit ganz normalen Bedürfnissen, die jeder Mann hat. Bad Business Boys sozusagen.“

Jessica spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Männer mit ganz normalen Bedürfnissen. Darüber hatte sie noch nie im Detail nachgedacht, nicht einmal bei Patrick. Für sie waren Luke, Patrick und Julian immer nur ihre Chefs gewesen. Sie hatte sich nie gefragt, was sie in ihrer Freizeit trieben und schon gar nicht, mit wem. Natürlich bekam sie Patricks Frauengeschichten am Rande mit, aber auch da interessierten sie die Einzelheiten nicht.

Die drei Brüder waren sozusagen Neutren für sie, keine Männer. Jedenfalls keine Männer mit sexuellen Bedürfnissen. Und das sollte auch so bleiben. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, dass auch ihre Chefs gewisse Triebe hatten. Die sollten sie gefälligst im stillen Kämmerlein ausleben, aber keinesfalls auf einer Sexparty, die sie organisieren sollte! Wie konnten sie nur so etwas von ihr verlangen? Hatte sie nicht eben noch gedacht, sie habe mit diesem Job das große Los gezogen? Da hatte sie sich aber gewaltig getäuscht. Sie hatte die große Niete gezogen. Das hätte ihr cholerischer Chef niemals von ihr verlangt! Was für Abgründe taten sich hier hinter der schicken Fassade auf?

„Hier sind die Unterlagen.“

Luke kam von der Fensterfront zurück, räusperte sich erneut und überreichte ihr eine dünne Mappe. Jessica nahm sein Aftershave wahr, dezent und doch betörend. Sein Auge zuckte nun heftiger. Er schien sich ganz und gar nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. Genauso wie sie selbst. Auch Julian wurde in seinem Sessel immer kleiner. Nur Patrick tat so, als solle Jessica ein ganz normales Geschäftsessen organisieren.

„Ich brauche nicht extra zu erwähnen, dass Diskretion oberstes Gebot hat. Unsere Gäste sind namhafte öffentliche Personen. Da darf nichts nach außen sickern, das gäbe einen Skandal.“

Luke sah Jessica streng an. Jessica schluckte. Das wurde ja immer schlimmer.

„Es ist sicher eine ungewöhnliche Aufgabe“, traf Luke ins Schwarze. „Du bist die Einzige, der wir diese delikate Sache anvertrauen können. Du hast schon ganz andere Dinge gemeistert.“

Nun lächelte er.

Jessica lächelte versteinert zurück. Ja, sie hatte schon ganz andere Dinge gemeistert. Aber das hier schoss wirklich den Vogel ab: Sie sollte eine Party organisieren, auf der ihre Chefs Sex hatten! Sicher sollte sie Mädchen bestellen, mit denen es ihre Vorgesetzten und andere bekannte Menschen aus der Wirtschaft treiben würden. Allein bei dem Gedanken drehte sich ihr der Magen um.

Bisher hatte sie immer geglaubt, sie arbeite für drei gesittete Geschäftsmänner. Und diese Geschäftsmänner wollten jetzt eine Orgie feiern! Am liebsten wäre sie aufgestanden und nach Hause gegangen. Und sie hatte heute mit den Brüdern darauf anstoßen wollen, dass sie hier den Job ihres Lebens gefunden hatte! Ihr kamen fast die Tränen.

„Fühlst du dich dieser Aufgabe gewachsen?“ Patrick fuhr sich durch seine zerzausten Haare. „Ist doch mal was anderes, oder?“

Das konnte man durchaus so sagen. Jessica holte tief Luft.

„Aber ja“, sagte sie ganz gegen ihre Überzeugung. „Kein Problem.“

Luke lächelte erleichtert.

„Wir wussten, dass wir uns auf dich verlassen können. Da fällt uns aber ein Stein vom Herzen.“

Euch schon, dachte Jessica. Aber was ist mit mir? Ich liege gerade unter einem Gebirge verschüttet.

Als sie wieder in ihrem Büro war, summte und brummte es in ihrem Kopf, als sei sie in einem Bienenstock. Sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Sie hätte doch nicht zwei Gläser Sekt in sich hineinschütten sollen. Normalerweise befand sie sich schon nach einem Glas im Koma.

Mit zitternden Händen schlug sie die Mappe auf. Als sie die Namen der Gäste las, weiteten sich ihre Augen ungläubig. Richter Samuel Nevy, der am obersten Gerichtshof saß und allseits gefürchtet war, nahm an einer Sexparty teil? Sie würde gleich einen Herzinfarkt bekommen. Ihr Blick glitt zu der Spalte Anforderungen, die neben den Namen aufgeführt war. Jessicas Kehle wurde trocken. Der hohe Richter hatte einen besonderen Wunsch: Er verlangte einen „jungen, muskulösen, rasierten Mann bis Mitte Zwanzig für Anal- und Oralverkehr.“

Jessica schloss entsetzt die Augen. War der Richter nicht seit zwanzig Jahren verheiratet und hatte drei Kinder? War das alles nur Fassade? War er in Wirklichkeit schwul? Oder gönnte er sich nur ab und zu einen jungen Kerl?

Jessica blätterte weiter. Und ihre Chefs? Hatten die ähnliche Wünsche? Jessicas Herz begann aufgeregt zu klopfen.

Die Spalte neben Luke war leer. Jessica wusste nicht, warum sie erleichtert aufatmete. Patrick hatte neben seinem Namen lediglich flapsig Das Übliche:jung, hübsch, große Brüste, dunkle Haare, blasen, ficken, lecken gekrakelt. Julian hatte ein großes Fragezeichen und ein Männerzeichen gemalt. Was sollte sie denn damit anfangen?

Jessica seufzte auf. Sie würde ganz sicher nicht zu Julian gehen und ihn fragen, was das geheimnisvolle Fragezeichen zu bedeuten hatte. Wenn er nicht wusste, was er wollte, dann musste er eben mit dem zufrieden sein, was Jessica ihm aussuchte.

Sie runzelte die Stirn. Offenbar musste sie erst studieren, um zu erfahren, was die hohen Gäste wollten. Sie konnte mit Begriffen wie spanisch und griechisch überhaupt nichts anfangen. Aber Freund Internet wusste sicher Bescheid.

Wenige Minuten später saß Jessica, nun wirklich den Tränen nahe, vor dem Monitor und verfluchte einmal mehr diese schreckliche Party. Offenbar hatten die Brüder nur Perverse eingeladen. Sie wollten SM Rollenspiele, Analverkehr, sich anpinkeln lassen, Babys mit Windeln und Schnuller spielen und ihre wertvollen Körperteile in Öffnungen stecken, wo sie gar nicht hingehörten.

Jessica biss sich auf die Lippe. Sie wollte das nicht. Sie konnte das nicht. Ihr Ekel und Widerwille waren einfach zu groß. Und wenn sie die Namen der Leute las, die diese krankhaften Wünsche hatten, wurde ihr gleich noch viel übler. Sie kannte sie fast alle. Es waren Richter, Anwälte, Schauspieler, Moderatoren, Politiker. Es schüttelte sie, sich diese bekannten Menschen bei der Ausübung dieser abartigen Sexspiele vorzustellen.

Jessica holte tief Luft und öffnete das Fenster. Sie musste unbedingt Distanz zwischen sich und diese Party bringen. Am besten, sie tat so, als organisiere sie ein Essen. Und der knackige junge Kerl für den Richter war dann eben so etwas wie ein Dessert. Sie durfte einfach nicht darüber nachdenken, was sie hier eigentlich tat, sonst wurde sie verrückt.

Nun musste sie zu allem Überfluss auch noch die Leute aussuchen, die bei der Befriedigung dieser skurrilen Gelüste helfen sollten. Jessica biss die Zähne zusammen und machte sich im Internet auf die Suche nach ein paar niveauvollen Damen und Herren, die ihre Dienste anboten.

Diese Aufgabe erwies sich jedoch als weitaus schwieriger, als sie dachte. Die Agenturen priesen ihre Escorts zwar als Damen und Herren mit Stil und Klasse an, doch Jessica konnte diese Meinung beim Anblick der Fotos keineswegs teilen. Die Männer und Frauen grinsten debil, die Beschreibungen waren voller Fehler, und die meisten Frauen hatten Narben unter ihren Brüsten. Und so etwas sollte sie der Upper Class anbieten?

Konnte sie als Frau überhaupt beurteilen, was die Männer wollten? Und wieso war eigentlich keine einzige Geschäftspartnerin dabei? Klar, weil Frauen nicht so niveaulos waren und sich eben keinen Callboy bestellten. Männer waren einfach so entsetzlich primitiv!

Jessica fühlte so etwas wie Wut in sich aufsteigen. Frustriert schlug sie die Mappe zu und schloss sie sorgfältig ein. Sie brauchte jetzt dringend einen starken Kaffee.

Als sie in der schicken, mit allen Schikanen ausgestatteten Küche stand, tauchte Patrick auf. Was der quirlige Patrick auf einer Sexparty wollte, wusste sie nun wirklich nicht. Auf seiner Liebesliste standen die Namen von mindestens hundert Frauen! Jeden Tag musste Jessica am Telefon Frauen abwimmeln, die hinter ihm her liefen. Manchmal tauchten sie sogar unangemeldet in der Villa auf und bettelten förmlich um ein Date. Einmal hatten sich zwei Frauen zufällig hier getroffen und waren aufeinander losgegangen. Wenn Luke das mitkriegte, war jedes Mal die Hölle los.

Patrick konnte sich also über mangelndes Interesse nicht beklagen. Im Gegenteil. Warum wollte er dann unbedingt Frauen haben, die er für Sex bezahlen musste? Was reizte ihn daran?

„Kaffee ist eine Super Idee“, fand Patrick und setzte die Espresso Maschine in Gang. Dann kniff er die Augen zusammen.

„Na, wie kommst du mit deiner neuen Aufgabe voran?“

Jessica seufzte.

„Nicht gut. Ich finde einfach keine Frauen, die in Frage kommen. Sie sehen alle billig und gewöhnlich aus, wie vom Straßenstrich. Sie sollten schon ein bisschen Stil und Eleganz haben, oder?“

Patrick kratzte sich am Kopf.

„Verstehe. Ich könnte Don mal fragen, der kennt ein paar gute Clubs. Er ist da sozusagen Stammgast.“

Jessica verbiss sich die Frage, ob er Don Sheppard meinte, einen einflussreichen Banker, der natürlich auch eine Vorzeigefamilie hatte. Führten die hohen Herren eigentlich alle ein Doppelleben? Es schien eine riesige Lücke zwischen Schein und Sein zu klaffen.

„Mach dir nicht zu viele Gedanken um Niveau und Stil“, winkte Patrick ab und nahm einen Schluck von seinem Kaffee.

„Darum geht es den Männern nicht. Im Gegenteil – je versauter, desto besser. Niveau und Stil haben die genug, die wollen es in diesem Bereich eher deftig und einfach. Sie wollen sich mit den Frauen ja nicht über das Weltgeschehen unterhalten, sondern einfach nur vögeln. Hauptsache, die Haarfarbe, die Körperbehaarung und die Größe der Brüste stimmen. Männer sind in dieser Hinsicht sehr einfach gestrickt.“

„Primitiv, wenn man es genau nimmt.“

Luke erschien mit einer dicken Mappe im Türrahmen. Er war so groß, dass er mit dem Kopf nur knapp den Rahmen verfehlte.

„Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du deinen diversen Damen ausrichten könntest, dass sie nicht minütlich hier im Büro anrufen sollen“, sagte er kühl und sah seinen Bruder strafend an.

„Ich hatte in den letzten zehn Minuten gleich drei an der Strippe und habe wirklich Wichtigeres zu tun, als deine Affären zu verwalten.“

„Ich gebe dir gern eine ab“, grinste Patrick gut gelaunt. „Wer war es denn?“

Luke studierte sichtlich genervt seinen Zettel.

„Denise, Jody und Tracy.“

„Wow, cool.“

Patrick sprang von der Marmorplatte herunter und riss Luke den Zettel aus der Hand.

„Tracy Tramper oder Tracy Gammon?“, wollte er wissen.

Luke zuckte resigniert mit den Schultern.

„Hoffentlich Tracy T.“ Patrick verdrehte genüsslich die Augen.

„Die Frau ist der Wahnsinn, das habe ich noch nie erlebt. Willst du wissen, was ihre Spezialität ist?“

„Nein, will ich nicht. Ich wäre froh, wenn du mir das ersparen würdest.“

Auf Lukes Stirn bildete sich wieder diese steile Falte, die seinen Ärger deutlich zeigte.

„Ich würde lieber wissen, was der Auftrag für Khem macht“, sagte er ungehalten.

Patrick hob lässig die Achseln.

„Ein durchgeknallter Ölscheich will sich einen neuen Palast einrichten“, berichtete er zu Jessica gewandt.

„Er hat natürlich tausend Sonderwünsche. Die Wasserhähne müssen aus purem Gold mit Diamanten in Herzform sein und all so ein Quatsch. Dazu will er Hunderte von seltenen Skulpturen und Gemälden haben und mich dafür durch die Weltgeschichte scheuchen, der Blödmann.“

„Wenn der Blödmann zahlt, haben wir für die nächsten zwei Jahre ausgesorgt. Vielleicht könntest du unseren Auftraggebern, von denen wir schließlich leben, etwas mehr Respekt entgegen bringen.“

Lukes Stimme war eisig, seine Lippen waren ein schmaler Strich.

„Ich fände es sehr hilfreich, wenn du dich weniger um deine hundert Frauen und dafür mehr um das Geschäft kümmern würdest. Skulpturen und Gemälde für mehrere Hunderttausend Pfund ersteigert man nicht mal eben bei eBay, da muss man quer durch die Welt reisen. Und das ist dein Job. Dafür wirst du fürstlich bezahlt, obwohl du wenig genug tust. Wenn das so weiter geht, kürzen wir dein Gehalt. Es ist nicht einzusehen, dass jemand, der maximal zwei Stunden am Tag arbeitet, genauso viel einheimst wie jemand, der einen Zwölf-Stunden-Tag hat.“

Luke sah sehr finster aus. Oje, die Stimmung wurde jetzt aber verdammt ungemütlich. Jessica nahm ihre Tasse und huschte aus der Küche. Keinesfalls wollte sie Patrick und Luke bei ihren Streitereien belauschen.

„Weißt du was? Du brauchst einfach mal wieder eine Frau“, hörte sie Patricks Stimme, als sie schon in der Halle war. Jessica blieb wie angewurzelt stehen.

„Du bist nur deshalb so unausstehlich, weil du dein gutes Stück schon viel zu lange nicht mehr versenkt hast. Du solltest wirklich mehr Sex haben und weniger arbeiten. Die Party wird dir gut tun. Da solltest du mal richtig die Sau raus lassen und dir allen Frust weg vögeln.“

Jessicas Wangen wurden heiß, und sie machte, dass sie in ihr Büro kam. War die Party am Ende ein Geschenk von Patrick an Luke, weil er fand, dass Luke zu wenig Sex hatte? Hatte er überhaupt welchen? Oh Gott, das hatte sie sich wirklich noch nie gefragt. Nur diese blöde Party war schuld daran, dass sie plötzlich solche unangebrachten Gedanken hatte. Jessica errötete, als sie versuchte, sich Luke beim Sex vorzustellen. Nein, das ging gar nicht. Sie konnte ihn sich ja nicht mal ohne Anzug vorstellen. Sie nahm sich erneut die Mappe vor und versuchte, jegliche Emotionen zu verdrängen. Sie organisierte eine Party, weiter nichts. Es gab kulinarische Köstlichkeiten, erlesene Getränke, entsprechende Musik – und eben Frauen. Und für den einen oder anderen auch einen Mann. Alles war so wie immer, wenn sie ein Fest organisierte.

Sie griff nach einem Zettel mit handschriftlichen Notizen.

Die Damen sollen rasiert und nicht gepierct sein. Sie sollen möglichst natürliche Brüste haben und nicht operiert sein. Einige sollten lesbischen Zärtlichkeiten nicht abgeneigt sein. Mindestens zwei Männer sollten Analverkehr mit einem Mann anbieten.

Jessica stöhnte frustriert auf. Klar, es war eine Aufgabe wie jede andere! Sie konnte sich kaum auf ihre sonstigen Aufgaben konzentrieren, weil die Party immer wieder durch ihr Hirn geisterte. Dauernd sah sie irgendwelche Anwälte in Windeln vor sich oder den Richter, der von einem jungen Mann bestiegen wurde. Es war die reinste Folter. Sie war froh, als ihr Feierabend anbrach. Ihre beste Freundin Debbie hatte versprochen, sie abzuholen und wartete verabredungsgemäß vor dem Tor auf sie.

„Draußen steht die absolute Hammerfrau“, hörte Jessica Patricks Stimme aus der Halle. „Direkt vor unserer Tür. Sie scheint auf jemanden zu warten. Ich weiß auch schon, auf wen: auf mich. Kenne ich sie? Ich kann mich gar nicht an sie erinnern. Aber so ein Superweib würde ich doch nicht vergessen. Niemals.“

„Dass du bei deinen tausend Frauen den Überblick verlierst, wundert mich nicht“, sagte Luke eisig, der neben seinem Bruder stand.

„Hattest du dir nicht extra eine Liste angefertigt? Vielleicht solltest du die mal aktualisieren und mit Bildern versehen. Die Namen kannst du dir doch schon längst nicht mehr merken.“

„Ich aktualisiere sie stündlich“, erklärte Patrick. „Und das mit den Bildern ist eine super Idee. Danke für den Tipp. Das werde ich sofort machen.“

Luke zog die Augenbrauen in die Höhe.

„Aha, damit verbringst du also deine Zeit. Na, bei der Pflege dieser umfangreichen Datenbank ist es natürlich klar, dass du keine Zeit mehr hast, deinem Nebenjob als Innenarchitekt nachzugehen. Aber genau dafür wirst du bezahlt. Ich möchte noch mal an das Angebot erinnern.“

Patrick verdrehte die Augen.

„Mann, Luke, du redest immer dasselbe. Ich habe es ja verstanden.“

„Dann tu endlich mal was!“, fuhr Luke ihn an. „Glaubst du, ich habe Lust, dauernd deinen Job zu erledigen? Was glaubst du eigentlich, wozu du hier bist?“

Jessica lief eilig an den beiden Streithähnen vorbei.

„Ciao, ihr Zwei, bis morgen.“

„Weißt du zufällig, wer diese Schönheit da draußen ist?“, wollte Patrick wissen und starrte sehnsüchtig aus dem Fenster.

„Zufällig ja“, erwiderte Jessica. „Das ist meine Freundin Debbie. Sie holt mich ab.“

„Wieso steht sie denn draußen?“, wollte Patrick wissen. „Lass sie doch rein.“ Schwungvoll riss er die Tür auf.

„Immer herein spaziert“, rief er in den Vorgarten und machte eine ausladende Handbewegung. „Nur nicht schüchtern.“

Herablassend sah Debbie in seine Richtung. Wenn es etwas gab, das sie nicht war, dann schüchtern.

Nun tauchte auch Julian aus seinem Büro auf und blickte erstaunt nach draußen. Das war Jessicas Freundin? Jessica, die stets in schlichten, eher langweiligen Kostümen herum lief, hatte eine Freundin mit knallroten Haaren, schweren Nietenketten und schwarzer Lederkluft? Jessica war mit einem Vamp befreundet? Die drei Brüder standen nebeneinander wie Orgelpfeifen und starrten Debbie an, als sei sie eine spirituelle Erscheinung. Jessica grinste in sich hinein.

Debbie schob sich lasziv eine Zigarette zwischen ihre tiefrot geschminkten Lippen und inhalierte tief. Patrick stockte fast der Atem. Diese Frau war eine Göttin! Er spürte, wie sich zwischen seinen Beinen eine angenehme Wärme ausbreitete.

Langsam schritt Debbie auf das Haus zu. Wie immer war sie sich ihrer Wirkung voll bewusst. Ihr Gang war wiegend und aufreizend und erinnerte Patrick an Marilyn Monroe in Niagara. Majestätisch erklomm sie die Stufen und stand dann in der Halle.

„Guten Tag“, sagte sie mit rauchiger Stimme und sah sich um. „Wow, die Jungs haben es aber dicke, was? Das ist ja voll der Palast.“

„Wir bemühen uns.“ Patrick machte ein paar Schritte auf sie zu und konnte ihr sinnliches Parfüm riechen. Es war wie ein Aphrodisiakum.

Debbie krauste ihre Stirn.

„Bist du einer von den reichen Jungs oder nur der Gärtner?“, fragte sie dreist.

Jessica zuckte zusammen. Wie redete Debbie denn mit ihrem Chef? Sie war ganz schön frech. Allerdings sah Patrick in seiner ausgewaschenen, zerfetzten Jeans tatsächlich nicht aus wie der Herrscher dieses Palastes.

Patricks Grinsen vertiefte sich und gab ein Grübchen preis.

„Beides“, erläuterte er. „Ab und zu schneide ich mit der Nagelschere den Rasen und bringe den Fischen im Teich das Schwimmen bei. An anderen Tagen arbeite ich hier als Laufbursche. Und wer bist du? Die rote Hexe auf dem Besenstiel?“

Debbie zog amüsiert eine Augenbraue hoch.

„Sehr richtig erkannt. Mein Besenstiel steht draußen. Auf dem reite ich gleich mit Jessica davon.“

„Und was machst du sonst so, außer reiten?“, fragte Patrick anzüglich und genierte sich nicht, unverhohlen auf Debbies Brüste zu starren, die sich unter ihrem knallengen Shirt deutlich abzeichneten.

Debbie entging Patricks lüsterner Blick natürlich nicht und sie grinste in sich hinein. Die Kerle waren doch alle gleich und mit den banalsten Reizen zu beeindrucken.

„Im Moment arbeite ich als telefonische Sexberaterin", gab sie Auskunft und grinste.

Patricks Augen weiteten sich ungläubig.

„Wenn du also Probleme diesbezüglich haben solltest, kannst du mich gern kontaktieren“, bot Debbie unbekümmert an. Patrick verschlug es für einen Moment die Sprache, was ihm äußerst selten passierte.

„Ich glaube nicht, dass Patrick deine Dienste in Anspruch nehmen muss“, stotterte Jessica.

Patrick hatte sich wieder gefangen und strahlte Debbie an.

„Im Moment habe ich in dieser Hinsicht zum Glück noch keine Probleme, aber was nicht ist, kann ja noch werden.“

Seine blauen Augen funkelten.

„Dann werde ich mich natürlich sofort vertrauensvoll an die Frau auf dem Besenstiel wenden. Vielleicht bringst du mir ja das Reiten bei. Auf dem Stiel. Dem Besenstiel, meine ich.“

Debbie lachte aus vollem Hals, und Patrick stimmte ein.

Sie warf ihre langen feuerroten Haare zurück.

„Ich kann dir sicher noch so einiges beibringen“, sagte sie mit einem frechen Grinsen im Gesicht. „Ich gebe auch sehr gerne Nachhilfestunden.“ Sie griff in die Tasche ihrer mit Nieten besetzten schwarzen Lederjacke.

„Hier ist meine Karte. Die Gespräche sind zwar nicht ganz billig, aber das dürfte in deinem Fall ja egal sein. Also, mach mich noch reicher, als ich ohnehin schon bin.“

„Es wird mir ein Vergnügen sein“, feixte Patrick.

Luke betrachtete ein paar Meter entfernt stirnrunzelnd das Szenario. Das war mal wieder typisch: Sein Bruder hatte wie immer nichts anderes zu tun, als die Freundin ihrer Assistentin anzubaggern. Mit langen Schritten eilte er auf das Dreiergespann zu.

„Guten Tag“, begrüßte er Debbie und reichte ihr förmlich die Hand. „Ich bin Luke Turner.“

„Deborah Wilson.“

Artig gab Debbie Luke die Hand und sah plötzlich ganz zahm aus. Mann, war der Typ groß. Und er guckte so ernst, fast furchteinflößend. Er sah aus, als ob er zum Lachen in den Keller ging. Da war sein Bruder aber ganz anders und viel sympathischer.

„Ich habe ein paar wichtige Dinge mit meinem Bruder zu besprechen. Dringend.“ Strafend sah Luke Patrick an.

„Ja, natürlich“, parierte Debbie sofort. „Wir wollten sowieso jetzt los.“ Sie hakte Jessica unter und zog sie zur Tür.

„Auf bald.“ Sie warf Patrick unter ihren langen Wimpern einen verführerischen Blick zu.

„Ich rufe an“, rief Patrick hinter ihnen her, bevor die Tür ins Schloss fiel.

„Wow, das ist aber ein Süßer“, fand Debbie, als sie mit Jessica zu deren Auto schritt und verdrehte die Augen.

„Du hast ja einen verdammt attraktiven Chef. Der nagelt wahrscheinlich alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, oder? Jedenfalls sieht er genau danach aus.“

Jessica nickte und dachte an Patricks Liste.

„Ja, das kann man so sagen. Patrick lässt nichts anbrennen.“

Darin war er Debbie sehr ähnlich.

„Kannst du überhaupt arbeiten, wenn er dir Anweisungen gibt?“ Debbie seufzte auf.

„Ich glaube, von dem würde ich nur ganz bestimmte Anweisungen entgegen nehmen. Zieh dich aus oder Blas mir einen.“

Jessica schüttelte mahnend den Kopf.

„Debbie, du bist unmöglich. An so etwas habe ich noch nie gedacht. Das sind doch meine Chefs! Ich bin zum Arbeiten hier und nicht zum … äh … amüsieren.“

Debbie zog ihre Augenbrauen hoch. Manchmal war Jessica wirklich seltsam, irgendwie total verklemmt. Chefs waren schließlich auch nur Männer und deshalb genauso sabbernde Kerle wie alle anderen auch. Das konnten sie mit ihrer Fassade aus eleganten Anzügen und schnittigen Sportwagen nur für eine begrenzte Weile kaschieren. Irgendwann ging auch mit ihnen die Geilheit durch.

„Wow, das ist aber eine Süße“, sagte Patrick auf der anderen Seite der Tür und sah Luke aufgewühlt an.

„Hättest du gedacht, dass unsere brave Jessica so eine interessante, flippige Freundin hat?“

„Ich habe mir über Jessicas Freundeskreis bisher eigentlich noch keine Gedanken gemacht.“

Luke rollte mit den Augen und atmete tief ein und aus.

„Kannst du mal ausnahmsweise an etwas anderes denken als an dein nächstes Abenteuer?“, fragte er grimmig. „Zum Beispiel daran, dass Khem immer noch auf ein Angebot von dir wartet?“

„Jaja“, winkte Patrick genervt ab und verdrehte nun seinerseits die Augen. „Ich weiß, ich weiß. Ich soll mich mehr ums Geschäft als um die Frauen kümmern. Aber ich sage dir, Luke, am Ende deines Lebens werden die Stunden im Büro nicht die sein, an die du dich am liebsten erinnerst. Du solltest dein Leben wirklich mehr genießen, anstatt immer nur zu ackern.“

„Einer von uns muss es ja tun“, erwiderte Luke schroff. „Sonst genießt du dein Leben bald im Ghetto.“

Patrick stimmte die ersten Takte von Elvis Presleys In the Ghetto an. Luke bedachte seinen Bruder mit einem finsteren Blick, musste dann aber gegen seinen Willen grinsen.

„Okay, ich mache mich an die Arbeit“, verkündete Patrick und schlug Luke auf die Schulter. „Ich verspreche dir, dass ich in der nächsten Stunde keine einzige Frau anbaggern werde.“

Es würde ihm zwar schwer fallen, aber er würde es schon noch bis zum nächsten Tag aushalten.

„Welch großartige Leistung“, lobte Luke ihn. „Ich werde dir einen Orden verleihen und dich zum Ritter schlagen lassen.“

„Och, ein Pokal reicht mir völlig“, lachte Patrick und verzog sich in sein Büro. An die Arbeit!

Kapitel2

„Ich habe uns von zu Hause aus was zu essen bestellt. In einer Viertelstunde ist es da“, verkündete Debbie, als Jessica ihre Wohnungstür aufschloss. „Und zwar habe ich dein Lieblingsgericht beim Thailänder geordert, extra scharf.“

„Danke, ich komme um vor Hunger. Du bist ein Schatz. Ich bin heute noch gar nicht zum Essen gekommen.“ Jessica nahm ihre Freundin in den Arm.

Debbie war nicht nur ein Schatz, sie war auch ein Schatz mit viel Zeit und Geld. Da sie von ihren Eltern, die bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen waren, eine Menge Geld geerbt hatte, musste sie eigentlich gar keinem Beruf nachgehen. Doch es reizte sie, so viele Jobs wie möglich kennenzulernen. So arbeitete sie gern mal als Bedienung, Kassiererin oder sogar Toilettenfrau, weil sie wissen wollte, wie das Leben mit so einem Job war. Sie nannte das Horizonterweiterung.

„Du ackerst zu viel“, meinte Debbie. „Den ganzen Tag reißt du dir für deine Jungs den Arsch auf. Okay, seit ich sie heute gesehen habe, kann ich es sogar verstehen. Das heißt, falls du was von einem willst.“ Fragend sah sie ihre Freundin an.

„Quatsch“, wehrte Jessica ab. „Aber heute habe ich wirklich viel gearbeitet. Und du errätst niemals, was genau ich gemacht habe.“

„Na, dasselbe, was du immer machst: tippen und telefonieren.“ Debbie gähnte. „So viel Abwechslung gibt es als Sekretärin ja nicht. Ich könnte diesen öden Job niemals machen.“

Jessica seufzte. „Heute war er alles andere als öde.“ Sie ließ sich völlig fertig auf die Couch niedersinken. „Im Gegenteil. Er war extrem aufregend. Du wirst es gar nicht glauben.“

„Wieso, sollst du jemanden um die Ecke bringen?“ Debbie versuchte, sich ihre Overknee Stiefel auszuziehen.

„Schlimmer. Ich soll eine Sexparty organisieren“, stöhnte Jessica. „Das ist doch völlig pervers. Ich kann das nicht.“ Verzweifelt sah sie Debbie an.

„Scheiß Stiefel“, fluchte Debbie. „Meine Waden sind einfach zu fett.“ Dann hielt sie inne und legte ihre Stirn in Falten.

„Was hast du gerade gesagt? Du sollst was?“ Sie begann wiehernd zu lachen und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.

„Wie jetzt? Für wen?“

Jessica umklammerte ihr Kissen.

„Für meine Chefs und ihre Geschäftspartner. Alles hohe Tiere aus Politik und Wirtschaft. Ich kann es gar nicht fassen. Und du glaubst nicht, was die für perverse Wünsche haben. Wie können die nur von mir verlangen, dass ich so was organisiere?“

Aufgewühlt sah sie Debbie an. Die bekam spontan einen Lachkrampf und konnte sich gar nicht mehr beruhigen

„Da haben sie sich ja genau die Richtige ausgesucht“, prustete sie. „Ausgerechnet dich, wo du mit Sex so gar nichts am Hut hast. Du hast von Perversitäten genauso wenig Ahnung wie eine Nonne. Du lebst ja auch so.“

„Vielen Dank für dein Verständnis.“ Jessica runzelte gekränkt die Stirn.

„Sorry“, entschuldigte sich Debbie, noch immer lachend. „Ich meine ja nur, dass dich Sex unverständlicherweise so gar nicht interessiert. Wie lange ist es her, dass du einen Mann hattest?“

Jessica kaute auf ihrer Unterlippe herum.

„Das weißt du doch. Seit mit Robin Schluss ist.“

„Also anderthalb Jahre“, rechnete Debbie. „Also echt, ich kapiere nicht, warum du dir nicht wenigstens ab und zu eine kleine Affäre gönnst. Sex macht solchen Spaß.“

„Dir vielleicht“, murmelte Jessica leise und kuschelte sich noch tiefer in ihr Sofa.

„Dir nicht?“, fragte Debbie ungläubig und zerrte weiter an ihren Stiefeln herum. Vergeblich.

„Ich finde, Sex wird total überbewertet“, erwiderte Jessica und sah Debbie bei ihren Bemühungen abwesend zu.

„Als ob es nichts anderes auf der Welt gäbe.“

„Gibt es, aber nichts Schöneres“, konstatierte Debbie. „Vorausgesetzt natürlich, man hat den geeigneten Partner.“

Endlich hörte der Stiefel auf, sich an ihr Bein zu klammern – und Debbie fiel rücklings auf den Boden.

„Diese Biester bringen mich um“, fluchte sie. „Aber Hauptsache, es sieht sexy aus.“

„Den geeigneten Partner hast du offenbar noch nicht gefunden. Sonst würdest du nicht so oft wechseln“, sagte Jessica von der Couch her.

„Ich liebe eben die Abwechslung.“

Debbie war nicht im Geringsten beleidigt, einer ihrer vielen Vorzüge.

„Warum soll ich mich mit einem begnügen, wenn ich alle haben kann?“

Jessica schüttelte den Kopf. Es gab Bereiche, in denen waren Debbie und sie völlig konträr. Sie kannten sich schon seit der Schulzeit und waren lange Zeit unzertrennlich gewesen. Dann hatten sie sich jedoch recht unterschiedlich entwickelt und eine Weile gar keinen Kontakt mehr gehabt. Sie schienen einfach in verschiedenen Welten zu leben. Vor sieben Jahren hatten sie sich wiedergefunden und akzeptierten inzwischen, dass sie in einigen Dingen sehr gegensätzlich dachten. Es tat ihrer Freundschaft jedoch keinen Abbruch.

„Mann, das ist ja total spannend“, rief Debbie. „Deine geschniegelten Chefs wollen mal so richtig die Sau rauslassen und sich das Hirn weg vögeln. Wie geil! Bei Patrick kann ich mir das echt gut vorstellen. Aber dieser verknötterte Luke? Der in wilder Ekstase? Das würde ich ja zu gern sehen! Darf ich auch teilnehmen?“

Jessica musste lachen. Das war das Tolle an Debbie: Sie hatte immer gute Laune und erdete Jessica damit jedes Mal. In ihrer Gegenwart verlor die Party etwas von ihrem Schrecken.

„Du findest das gar nicht schlimm?“, erkundigte sie sich ungläubig.

„Im Gegenteil. Zum ersten Mal möchte ich mit dir tauschen und deinen Job machen.“

Debbies Augen glitzerten.

„Ich will alles wissen. Wer steht auf was? Wer hat homoerotische Phantasien? Wer steht auf spanisch und griechisch?“

„Ich musste erst googeln, was das überhaupt bedeutet“, gestand Jessica beschämt. Sie kam sich vor wie eine Dreizehnjährige.

Debbie lachte. „Ich stelle mir das wesentlich aufregender vor, als seitenlange Exposés zu tippen. Warst du nie neugierig, was die sexuellen Vorlieben deiner Brüder-Bosse sind? Wow, ist das aufregend.“

„Ich finde es eher abartig“, stöhnte Jessica. „Ich will überhaupt nicht wissen, was ihre sexuellen Vorlieben sind.“

Debbie schüttelte verständnislos den Kopf.

„Hast du dir deine Chefs echt noch nie beim Sex vorgestellt?“

„Selbstverständlich nicht.“ Jessica war empört. „Debbie, es sind meine Vorgesetzten.“

„Na und? In erster Linie sind es Männer.“ Debbie war ganz pragmatisch. „Sie haben genauso einen Schwanz wie jeder andere Kerl auch, und der wird hin und wieder hart. Was, glaubst du, machen sie dann damit?“

Jessica fasste sich an ihren schmerzenden Kopf.

„Das ist mir sowas von egal.“

„Hast du nie darüber nachgedacht?“ Debbies Augen blitzten.

„Dieser ernste Luke zum Beispiel: Hast du dir nie vorgestellt, wie der seinen Schwanz aus seiner Anzughose holt und sich genüsslich einen wichst? Glaubst du, er macht das manchmal heimlich im Büro? Vielleicht schaut er dabei Pornos, machen doch viele bei der Arbeit.“

„Debbie, bitte.“ Jessica verdrehte ihre Augen.

„Also, ich kann mir das vorstellen.“ Debbies Augen funkelten. Sie sah ganz aufgeregt aus.

„Der sitzt an seinem mondänen Schreibtisch und schaut sich entsprechende Seiten im Internet an. Dadurch wird er natürlich heiß. Dann lockert er seine Krawatte, öffnet seinen Reißverschluss und holt seinen Steifen raus. Er hat zwar Angst, dass jeden Moment jemand in sein Büro kommt, aber er ist einfach zu geil, um aufzuhören. Also reibt er sich heimlich unter dem Schreibtisch. Vielleicht bist du sogar schon mal zu ihm rein gekommen, während er es gemacht hat. Törnt dich diese Vorstellung nicht an? Ich finde das total scharf: Ein Business Typ im Anzug, aus dessen Hose ein harter Schwanz heraus guckt. Ich liebe dieses Bild.“

Debbie verdrehte sehnsüchtig die Augen.

Jessica versuchte, das Bild zu verscheuchen, das sich vor ihrem geistigen Auge aufbaute. Sie wollte sich Luke nicht mit erigiertem Penis im Anzug vorstellen, wie er an seinem Schreibtisch saß und Hand an sich legte. Um Gottes willen!

„Und du? Musst du diese Orgie nur vorbereiten oder zwangsweise daran teilnehmen? Du musst ihnen als ihre Assistentin aber nicht hilfreich die Kondome überziehen, oder?“

Debbie prustete wieder los und nahm sich den zweiten Stiefel vor.

„Du bist unmöglich“, fand Jessica, musste aber grinsen. „Ich muss die Escorts organisieren, die den Herrschaften spezielle Wünsche erfüllen sollen. Das ist gar nicht so einfach. Die haben ganz genaue Vorstellungen, was sie wollen und wen sie wollen. Und nicht jeder, der vom Aussehen her in Frage kommt, bietet das an, was sie verlangen.“

„Was verlangen sie denn?“, fragte Debbie unbekümmert.

Jessica wurde rot.

„Ich kann das gar nicht aussprechen.“

„Anal, oral, vaginal?“, schlug Debbie vor.

Jessica schüttelte den Kopf.

„Schlimmer“, flüsterte sie. „Einer will einen Mann haben.“

„Na, und?“ Jessica zuckte gelangweilt mit den Schultern. „Das ist doch nichts Besonderes.“

„Aber nicht nur das.“ Jessica holte tief Luft. „Der will ihn … naja … äh … Der will ihn anpinkeln.“ Sie wurde knallrot.

„Ach, Gott, es gibt Schlimmeres“, fand Debbie. „Urin ist Natur und für alles Mögliche gut. In vielen Cremes ist Urea enthalten; die Leute schnallen nur gar nicht, was genau das ist. Ich finde das gar nicht schlimm.“

Jessica verbiss sich die Frage, ob Debbie bereits Erfahrungen mit dieser ekligen Praktik gemacht hatte. Zuzutrauen wäre es ihr.

„Manche wollen mit ihrem Computer oder einem Baum im Wald vögeln“, grinste Debbie. „Du glaubst gar nicht, was für Gestörte auf dieser Hotline anrufen. Da ist anpinkeln aber echt harmlos, Süße.“

Jessica runzelte die Stirn.

„Mit einem Computer vögeln? Wie soll das denn gehen?“

„Na, sie reiben sich daran, was sonst? Das ist wirklich schräg. Objekt-Fetischismus oder wie das heißt, dafür gibt es sogar ein spezielles Wort, das mir aber gerade nicht einfällt.

---ENDE DER LESEPROBE---