Ballettmaus Zazie - Ilona Waldera - E-Book

Ballettmaus Zazie E-Book

Ilona Waldera

4,9

Beschreibung

Wer Haselmaus Zazie auf ihrem täglichen Weg zur Waldundwiesenballettschule begleitet, lernt un-deux-trois die Grundlagen des Klassischen Tanzes und kann federleicht zu einer echten Ballettmaus werden. Oder - wenn er denn etwas größer und schwerer als Zazie ist - zu einer echten Ballettratte.

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

Einleitung: So fing alles an …

Guten Morgen Frau Waldundwiesenballettschule! (Begrüßung)

Mit und ohne Bänder (Schleife binden)

Hinten-Mitte-Vorn (Barre / Aufwärmen)

Stehen mit Schnecken (Frisur / Richtiges Stehen)

Zeigt her eure Füße (Die 5 Positionen)

Parlez-vous Ballett? (Dt. u. franz. Bezeichnungen)

Königin mit kleinen Fehlern (Demi-pliés, Grand pliés)

Ehrgeizlinge unter sich (Battements tendus)

Der Maulwurf am Klavier (Battements glissés)

Ein rosa Missverständnis (Port de bras)

Wenn Wäsche tropft (Bänder annähen)

Besuch von einem Buch (Berühmte Tänzer)

Kampf der Schlamperei (Stellung der Zehenspitzen)

Ballerinen haben kein Alter (Grand battements)

Perlen in den Ohren (Développés)

Spitzenschuhe für den Torwart? (Die 8 Positionen des Körpers)

Glühwürmchenidylle (Klass. Ballett Coppélia)

Coppélias Füße (Platzwahl im Theater)

Arme warme Würstchen (Armbewegung/Kopfbewegung

Fast ganz automatisch (Glissades)

Marsch, marsch ihr Töne! (Pas de bourrées)

Lauter Signorinas (Arabesques)

Schönsein und schlurfen (Pirouettes)

Nasenleuchten (Das Fixieren)

Watte satt! (Spitzentanz/Spitzentanzschuhe)

Der Ritterschlag im Bett (Ballett-Pantomime)

Pas de Kohleeimer (Pas de deux)

Schlecht gelandet (Assemblés)

Zuckerlächeln und Tschüs (Changement / Entrechat)

Hallo Spatz! (Bedeutende Ballette)

Schlusswort/Ende

SO FING ALLES AN ….

Zazie war eine Haselmaus und wie alle Haselmäuse damit beschäftigt, von morgens bis abends herumzusausen und Leckereien zusammenzutragen: Früchte, Beeren, Körner, Nüsse und dergleichen. So etwas essen Haselmäuse wahnsinnig gern, wobei sie auch einen ordentlichen Fliegenschinken oder eine delikate Regenwurmpastete nicht verachten, o nein!

Doch eines Tages änderte sich alles für Zazie. Das war Freitag der 5. Mai. Da fand die kleine Haselmaus eine Eintrittskarte, direkt unter einem welken Ahornblatt.

BALLETTABEND stand drauf. Und:

BALLETTABENDES TANZT DIE INTERNATIONALEBALLETTRATTEN-COMPANY UNTER DERLEITUNG VON NIKOLAI WAGANANOW. SAMSTAG, 6. MAI. EINLASS: 20 UHR

Natürlich ging Zazie hin, denn eine gültige Karte unter einem welken Ahornblatt zu finden ist schon ein unerhörtes Glück. Und Glück muss man beim Schopfe fassen. Also zog Zazie ihr bestes Kleid an, nämlich das aus blassgrünem Samt mit dem Kragen aus Plauener Spitze, trippelte in Lackschuhen zur Oper und machte es sich auf ihrem Platz in der 11. Reihe bequem. Sie hatte sich auf einen gemütlichen Abend eingerichtet, mit Keksen, Bonbons und netten Plaudereien mit ihren Sitznachbarn zur rechten und linken Seite. Dabei kam sie weder zum Kekseknabbern, noch zum Sprechen. Weil sie – sobald der Vorhang hochging – nur noch mit Gucken und Staunen beschäftigt war.

So wunderbar, so herrlich, so schön war das, was sie da zu sehen bekam!

Es brachte ihre Augen zum Leuchten, ihre Wangen zum Glühen und ihr Herz zum Klopfen. Und plötzlich zuckten ihre Füße als wären sie flatternde Schmetterlinge, eingesperrt in einem Schuhkäfig.

Da wusste Zazie, dass sie tanzen musste.

Und sie beschloss, Ballett zu studieren und eine richtige Balletteuse zu werden. Vielleicht sogar eine Primaballerina, wer weiß.

Damit begann für sie ein ganz neues, ganz anderes Leben. Aus Zazie der Haselmaus war die.…

…. geworden.

GUTEN TAG FRAU WALDUNDWIESENBALLETTSCHULE!

Andere hätten allen Mut zusammennehmen müssen, um an der schweren Eichetüre zu klopfen. Nicht so Zazie. Sie ballte die zierliche Haselmauspfote zu einer Faust und hämmerte damit gegen das Holz. Laut, energisch, ausdauernd. So lange, bis eine Stimme von drinnen rief:

„Entrée! Entree, s´ il vous plait!” Und dann, als das Hämmern überhaupt nicht mehr aufhören wollte: “Nun komm doch endlich rein, verflixt noch mal!”

Das hatte Zazie verstanden. Es klang zwar nicht so hübsch französisch wie die Worte zuvor, dafür aber eindeutig. Zazie durfte in den Ballettsaal eintreten. Endlich.

Andächtig drückte sie die Klinke herunter, so, als handle es sich bei der Tür um die Pforte zum Paradies. Und das war es ja auch, in gewisser Weise. Denn wenn ein Mädchen davon träumt eine Ballerina zu werden, ganz fest und ganz sehnsüchtig, dann ist der Ballettsaal das Allerwichtigste für sie. Er ist so etwas wie ein Wagen, der sie zum Ziel ihrer Wünsche bringt. Dieser Wagen ist kein schnelles Taxi. Und erst recht kein Sportflitzer, nein, nein. Gemütlich gepolstert ist er auch nicht, leider. Er ähnelt eher einem Tretauto. Das funktioniert prima, wenn man sich ordentlich abstrampelt. Dann fährt es einen, wohin man will. Langsam, aber sicher.

Zazie hatte vorgestern Nacht beschlossen, in diesen Wagen einzusteigen. Darum stand sie jetzt hier, mitten im Ballettsaal von >Frau Stöckelbeins

Waldundwiesenballetttschule<. Sie riss die kugelrunden Augen auf und guckte sich um…

Da war eine Wand mit einer Stange dran und Mädchen, die sich daran festhielten während sie die Beine hin- und herschwingen ließen. Die Mädchen waren grazile hübsche Ratten in weißen Trikots mit Rüschen dran, die die winzigsten Röckchen waren, die Zazie je gesehen hatte. Nur eins der Mädchen war auch eine Maus. Sie stand ganz vorn an der Stange und hielt die Nase noch höher in die Luft gereckt als die anderen. Dann ließ sie die Stange los, machte einen Sprung und bewies damit, dass sie eine echte Springmaus war.

Aber warum hatte sie wie die anderen auch jeweils einen Zwilling? So viele Zwillingsschwestern auf einmal, und alle taten genau die gleichen Sachen zur selben Zeit. Komisch, wirklich komisch…

Zazie grübelte darüber nach, mit offenem Mund und dem Zeigefinger im Grübchenloch ihrer Wange. Als sie die Springmaus auf der einen Seite kichern hörte und die Springmaus auf der anderen Seite nicht, obwohl beide gleichzeitig die rosa Schnute verzogen, da wusste Zazie Bescheid. Es war ein Spiegel! Er nahm die ganze linke Wand ein und zeigte alles, was sich an der rechten Wand abspielte, noch einmal.

Aha.

Schon hatte Zazie etwas sehr Wichtiges gelernt:

In einem Ballettsaal gibt es immer eine Stange.

In einem Ballettsaal gibt es immer einen Spiegel.

Die 3. und allerallerwichtigste Regel lernte sie bereits eine Sekunde später. Nämlich die, dass die Ballettmeisterin unbedingt begrüßt werden muss.

„Was stehst du hier herum, streckst mir deinen Popo ins Gesicht und gaffst, hm?! Willst du dich nicht vorstellen, wie es sich gehört, hm?!“

„O“, hauchte Zazie erschrocken. Weil die Ballettmeisterin, die dünn war wie ein Bleistift, die Stimme eines dicken Polizeiwachtmeisters hatte. Dann holte sie tief Luft und sagte: „Ich bin eine Haselmaus und heiße Zazie und möchte dringend schnell Ballett tanzen lernen, bittesehr.“

Alle Ballettratten drehten die Köpfe in ihre Richtung, um sie neugierig zu mustern, vom Kopf bis zum Zeh. Die Braune mit dem Kakaoflecken auf dem Trikot zwinkerte ihr aufmunternd zu. Wie nett. Mit ihr würde Zazie sich bestimmt schnell anfreunden. Weil sie auch Kakao liebte und auch gern zwinkerte. Doch jetzt sollte sie sich erst mal auf die Besitzerin der Polizeiwachtmeisterstimme konzentrieren.

„Als erstes, mein liebes Kind, musst du wohl lernen >Guten Tag< zu sagen, wenn du einen Raum betrittst. Findest du nicht auch, hm?!“

„O! O ja, wollte ich sagen.“ Zazie räusperte sich. „Hä-em, also dann:

Guten Tag Frau Waldundwiesenballettschule. Alle im Saal prusteten los vor Lachen. Nur die bleistiftdünne Frau Stöckelbein nicht. Sie schlug die Hände überm Kopf zusammen und gab einen Seufzer von sich. Weil ihr bereits schwante, dass diese kleine Haselmaus hier etwas Besonderes war.

MIT UND OHNE BÄNDER

„Ich heiße Frau Stöckelbein und bin die Leiterin dieser Ballettschule. Ich erteile den Unterricht für sämtliche Klassen.“ Frau Stöckelbeins Blick senkte sich prüfend auf die kleine Zazie. Die stand da mit geröteten Bäckchen und zog, ganz konzentriert, mit der rechten Zehe das Muster im Parkettfußboden nach.

„Du kannst >Madame< zu mir sagen, liebes Kind, so wie die anderen auch.“

Wie die anderen auch? Also gehörte Zazie jetzt dazu. Hurra!

„Super“, piepste die Haselmaus vergnügt. „Da kann ich mich gleich in meine Turnklamotten werfen und mitmachen, ja, Frau Madame?“

„Madame. Bitte nur Madame“, verbesserte die Ballettlehrerin wohlwollend. Denn sie war sehr angetan vom Eifer ihres neuen Schützlings.

„Doch was deine Garderobe anbelangt … Zeig doch mal, was du mitgebracht hast.“

Gehorsam leerte Zazie den karierten Beutel aus. Da kamen eine schwarze kurze Pumphose zum Vorschein, so eine mit Gummizug in den Beinen. Ein schwarzes Turnhemd mit einem zum Glück unsichtbaren Flecken drin. Blau-weiße Turnschuhe mit dicken Gummisohlen. Ein dunkelblaues Stirnband aus Frottee. Darauf war Zazie besonders stolz, weil sie damit aussah wie ein echter Tennisstar.

„Ist alles fast ganz neu und beinahe frisch gewaschen, Madame“, strahlte sie.

Doch Madame schüttelte nur mit dem Kopf. Dann schwebte sie auf ihren bleistiftdünnen Beinen so elegant und zart und fein quer durch den Saal, dass sie auf einmal gar nicht mehr bleistiftdünn wirkte, sondern nur noch schön. Wie eine Elfe. Madame öffnete eine Kammertür und holte einen großen Pappkarton voller Plastiktüten heraus. Als sie den Karton vor Zazie abstellte, sah man, dass in den Tüten lauter rosa und weiße Sachen steckten.

„Das sind Ballettschläppchen und Balletttrikots“, erklärte Madame. „Wir werden jetzt die passende Größe für dich heraussuchen. Wer richtig Ballett lernen will, braucht die richtige Ausstattung dazu.“

Zazie war Feuer und Flamme für die neuen Sachen. Sie gefielen ihr zehn- bis hundertmal besser als die schwarzen Turnhosen und die klobigen Turnschuhe. „Schon kapiert, Madame“, zwitscherte sie und wühlte bereits - RISCHELRASCHEL - mit beiden Pfoten im Karton herum. „In Rosa und in Weiß sieht eine Balletttänzerin eben viel hübscher aus!“

„Auch. Doch darauf kommt es nicht an. Das Entscheidende ist, dass die Schläppchen hier aus feinem Leder sind und am Fuß sitzen wie eine zweite Haut. Außerdem kann man mit ihnen über den Boden rutschen. Das geht mit Gummisohlen nicht, die stoppen und quietschen. Die sind nur was fürs Handballspielen und dergleichen Dinge mehr. Eben für Sport. – Wir aber trainieren für die Kunst, mein Kind!“

„O!“, hauchte Zazie. Dann schlüpfte sie fix in das Paar weißer Lederschlappen, das die Lehrerin ihr hinhielt. Sie fühlten sich wunderbar weich an. Aber sie hatten keine Bänder dran. Zazie hätte viel lieber ein Paar mit langen Satinbändern gehabt. Viel, viel lieber.

Madame, die in Wirklichkeit Wilhelmine Stöckelbein hieß, konnte Gedanken lesen. Jedenfalls in diesem Augenblick. „Ich vermute, du kannst noch nicht selber eine Schleife binden, mein Kind“, stellte sie fest. „Und weil ich nicht einen Teil meiner Unterrichtsstunde dafür opfern will, Dutzende von Schleifen zu binden, kriegen die Jüngsten von euch nur Schläppchen ohne Bänder.“

Wenn Zazie etwas hasste, dann war es das, wie ein Baby behandelt zu werden. Gut, gut, sie war etwas klein geraten, sowohl in der Höhe als auch in der Breite. Dennoch war sie schon ein fix-undfertiges Mädchen, mit allem was dazu gehört. Sie hatte lange Haare auf dem Kopf und keine Glatze, wie Babys sie haben. Und im Mund hatte sie meistens einen Kaugummi und keinen Schnuller.

Trotzdem murrte sie nicht. Weil sie ganz zufrieden war mit den weißen Lederschläppchen. Und weil sie sich nicht hundertprozentig sicher war mit der Schleifenbinderei. Mal klappte es, mal klappte es nicht. Also war sie bänderlos doch besser dran. Denn da gab es kein Risiko, sich vor Madame zu blamieren.

Wo kam die Schleife überhaupt hin? Vorne oder hinten???

Die Haselmaus schielte schnell zu den größeren Ballettratten rüber. Aha. Die trugen die Bänder so gebunden, dass am Schienbein nur Kreuze zu sehen waren. Die Schleife war hinten, ganz klein und gut verknotet. Klar, bei einer großen Schleife könnte man ja ins Stolpern kommen. Zazie nickte. Jetzt war die Bänderfrage geklärt.

„Hier, mein Kind, das müsste dir passen.“ Madame nestelte einen rosa Body aus der Plastikhülle und zupfte die Tüllrüsche, die drumherum lief wie ein fröhlicher Rettungsring, mit spitzen Fingern zurecht. Zazie war hingerissen! Nie wieder wollte sie etwas anderes tragen als dieses wunderhübsche Balletttrikot! RAPPZAPP riss sie es der Madame aus der Hand.

„Schlüpfe nur gleich hinein“, hörte sie Frau Stöckelbein noch sagen. Da war sie schon längst drin in der rosa Pracht.

„Passt“, stellte Zazie glücklich fest.

„Nana, um den Po herum kräuselt es sich leicht. Aber es ist >S<, die kleinste Größe die ich habe.“

Das musste Zazie genau wissen: „Wieso denn >S< wie >Suppe< und nicht >K< wie >klein<?“

„Weil >S< für >small< steht. Das ist Englisch und heißt >klein<“, erklärte Madame geduldig. Dann gibt es noch >M< für die mittlere Größe, das heißt auf englisch >medium<, und >L< für die großen Größen. Die heißen auf Englisch >large<.“

Madame machte eine Pause und musterte die winzige Haselmaus vor sich. Sie lächelte. Nein, mehr noch, sie blinzelte verschmitzt: „Wart´s nur ab, kleine Zazie, da wirst du bestimmt irgendwann mal hineinwachsen. Bestimmt.“

HINTEN - MITTE - VORN

Madame klatschte in die Hände: „Wir fangen an!“

Die Mädchen, die im ganzen Saal verstreut waren, strömten zur Ballettstange wie Eisenstückchen zum Magneten. Zazie strömte mit. Zum ersten Mal in ihrem Leben. „Vielleicht“, ging es ihr durch Kopf, „vielleicht hat so eine hölzerne Ballettstange tatsächlich einen besonderen Magneten drin. Einen, der jede Ballettmaus sofort an sich zieht …..“

Mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt stellte sich die Haselmaus ganz nach vorn. Vor die hellbraune Ballettratte, die dunkelbraune, die hellgraue, die dunkelgraue, die schwarze, die dicke, die dünne. Vor die kurze und vor die lange. Und, natürlich, auch vor die Springmaus.

„Spinnst du?!“, quiekte die. „Das ist mein Platz!“ „Meinetwegen, da geh ich halt nach hinten.“ Sie stellt sich als letzte an, direkt hinter die Hellbraune. Doch das schien der Frau Stöckelbein nicht zu gefallen. Sie schwebte auf Zazie zu, fasste sie mit beiden Händen an der Schulter und dirigierte sie zwei Plätze weiter nach vorn. Genau zwischen das dünne und das dicke Rattenmädchen. Sie erklärte auch gleich, warum:

„Ein Anfänger wie du sollte immer möglichst in der Mitte stehen, Zazie, damit er jemanden vor sich hat, wo er abschauen kann. Hier stehst du gut, denn

Elvira und Pauline kennen die Übungen an der Barre aus dem Effeff.“

„Barre??? Was denn für ´ne Barre, bitte?“

Die Mädchen kicherten, aber Madame störte sich nicht daran. „Das ist im Ballett ein anderes Wort für Stange, mein Kind. Wir benutzen es hin und wieder.“

„O!“, hauchte Zazie, und die Mädchen kicherten wieder.

„Ruuuuuu-he, bitte!“ Madame klatschte ein paar Mal in die Hände und es wurde tatsächlich still. „Ihr solltet nicht so albern sein und mehr Verständnis für unsere Neue haben! Nehmt euch lieber ein Beispiel daran, wie eifrig und lernbegierig Zazie ist!“

„Ich bin auch eifrig, Madame“, plapperte es vorn.

Das war die Springmaus. „Ich übe sogar zuhause, hin und wieder. Mjamm-mjammm.“

„Ja, ich weiß. Und ich bin sehr stolz auf dich“, säuselte die Ballettlehrerin. Dann verzog sie eine Augenbraue und sprach bedeutend weniger säuselig, dafür aber strenger weiter: „Allerdings nicht, wenn du mit einem Kaugummi im Mund deine Übungen machst. – Sofort raus damit, Louise!“

Was für ein Gekicher ringsum, und diesmal war auch das Gekicher der kleinen Zazie dabei.

„Ruuuu-he, bitte!“ KLATSCH-KLATSCH. Frau Stöckelbein deutete auf das Klavier, das alt und zerkratzt am Fenster stand. „Wir müssen heute ohne Musikbegleitung auskommen, Kinder.

Herr Gogol leidet wieder einmal an seiner unseligen Schnittlauch-Allergie und niest und hustet fürchterlich. Ich hoffe, er ist bald wieder genesen.“

Und zur Zazie gewandt: „Mache nur alles nach, was die anderen machen. Ich zähle die Takte mit und klopfe mit meinem Stock den Rhythmus, höre nur genau zu:

Un, deux, trois, quatre“, rief sie und stampfte dazu passend vier Mal auf den Holzboden.

„O!“, machte Zazie erstaunt, „das verstehe ich aber nicht.“

„Das, mein Kind, tut überhaupt nichts zur Sache. Es werden noch eine Menge Wörter fallen, die du nicht kennst. Wenn du nur die Ohren aufsperrst und die Augen, dann wirst du bald wissen, was sie bedeuten. Und nun, ma petite, wärmen wir uns als erstes auf …..“

Eigentlich fror sie ja gar nicht, doch widersprechen wollte sie der Madame nicht. Zazie fand, dass das eine gute Gelegenheit war zu zeigen, wie gehorsam sie sein konnte. Wenn sie wollte. Und sie wollte. Denn das hatte die Haselmaus schon mitbekommen: Wer ordentlich Ballett lernen will, der muss tun, was die Ballettlehrerin will. Ohne lange drumherum zu reden und zu meckern und zu maulen. Louise¸ die Springmaus, hatte das Kaugummi auch gleich aus dem Mund genommen, ohne einen Piep. Und was die Louise konnte, das konnte die Zazie allemale! Darum hüpfte sie zum Garderobenhaken, schnappte sich ihren Anorak und rief:

„Ist der dick genug, Madame? Reicht der zum Aufwärmen? Oder soll ich uns lieber einen Tee kochen? Hagebuttentee, vielleicht?“

Bis zu diesem Moment hatten ihr alle nur zugeguckt, still und reglos. Nun fingen sie an die Gesichter zu verziehen, und es sah ganz danach aus, als würden sie einen Lachkrampf kriegen. Alle, bis auf die Lehrerin Frau Stöckelbein. Die klapperte nur mit den Augendeckeln, wie man es macht, wenn man kurzsichtig ist und nicht genau erkennt, was man da sieht. Dann lächelte sie. Lieb und verständnisvoll. Und ein klein wenig amüsiert.

Mit einer einzigen Handbewegung brachte sie die Lachlawine, die gerade im Anrollen war, zum Stoppen. Dann ging sie auf die verschüchterte Gestalt im Anorak zu.