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Paul Heyse

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Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830–02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die "Breite seiner Produktion". Der einflussreiche Münchner "Dichterfürst" unterhielt zahlreiche – nicht nur literarische – Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen "geben würde und ein Heysesches Zeitalter" dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 63

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Paul Heyse

Barbarossa

Paul Heyse

Barbarossa

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962811-13-6

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Barbarossa

(1869)

Nur einen Tag hat­te ich dro­ben in den Ber­gen blei­ben wol­len, und aus dem einen Tag wur­den zwei Wo­chen, die mir in dem hoch­ge­le­ge­nen, ver­fal­le­nen Nest auf der Gren­ze des Al­ba­ner- und Sa­bi­ner­ge­birgs – den Na­men darf ich nicht nen­nen – ra­scher ver­gin­gen, als oft im bun­ten Ge­tüm­mel großer Städ­te. Was ich ei­gent­lich den lie­ben lan­gen Tag an­fing, wüss­te ich kaum zu sa­gen. In Rom hat­te mich ein Heiß­hun­ger nach Ein­sam­keit über­fal­len; den konn­te ich hier stil­len, nach Her­zens­lust. Es war im ers­ten Früh­ling, das Laub der Kas­ta­ni­en glänz­te in der üp­pigs­ten Fri­sche, die Schluch­ten wa­ren voll Vo­gel­ge­sang und Quel­len­rau­schen, und da erst kürz­lich eine große Räu­ber­ban­de, die die­se Wild­nis un­si­cher ge­macht, zum Teil auf­ge­ho­ben, zum Teil in die Abruz­zen ge­jagt wor­den war, konn­te ein ein­sa­mer Wan­de­rer die ver­lo­rens­ten Klip­pen­we­ge sor­gen­frei er­klet­tern und sich un­ge­stört den tief­sin­nigs­ten Be­trach­tun­gen hin­ge­ben.

Mit den deut­schen Ma­lern, die in an­sehn­li­cher Zahl die bei­den elen­den Her­ber­gen des Städt­chens be­völ­ker­ten, hat­te ich je­den Ver­kehr von vorn­her­ein ver­mie­den, und das Be­dürf­nis, dann und wann sei­ne ei­ge­ne Stim­me zu hö­ren, das auch den Ein­sied­ler treibt, mit sei­nen Haus­tie­ren zu plau­dern, be­frie­dig­te ich zur Ge­nü­ge im ei­ge­nen Hau­se. Ich wohn­te näm­lich bei dem Apo­the­ker des Or­tes, der mit mei­nem sehr man­gel­haf­ten Ita­lie­nisch die größ­te Nach­sicht hat­te. Er ent­schä­dig­te sich frei­lich für sei­nen Auf­wand an Ge­duld, in­dem er die mei­ni­ge häu­fig miss­brauch­te; denn bald nach­dem die ers­te Fremd­heit über­wun­den war, schüt­te­te er ein rei­ches Füll­horn ei­ge­ner Ver­se über mich aus und ge­stand mir, dass er trotz sei­ner Fün­fund­fünf­zig noch im­mer die­se Kin­der­krank­heit nicht ganz los­wer­den kön­ne. Was wollt Ihr? sag­te er. Wenn ich Abends so ans Fens­ter tre­te, und der Mond kommt über die Fel­sen her­auf, und die Leucht­kä­fer flie­gen über mein Gärt­chen – eine Bes­tie müss­te ich sein, wenn ich nicht zu dich­ten an­fin­ge! – Er war auch sonst durch­aus kei­ne Bes­tie, der gute Si­gnor An­ge­lo, den sei­ne Freun­de we­gen ei­ner na­tür­li­chen Ton­sur, ei­nes Kran­zes schwar­zer Här­chen, der auf dem spie­gelblan­ken Kahl­kopf ste­hen ge­blie­ben war, scherz­wei­se Fra An­ge­li­co nann­ten. Aus sei­nem Ge­burts­ort war er frei­lich nur zwei­mal in sei­nem Le­ben hin­aus­ge­kom­men, bei­de Mal nur bis Rom. Aber Rom ist die Welt, pfleg­te er zu sa­gen. Wer Rom ge­se­hen hat, hat Al­les ge­se­hen. Und so sprach er denn auch über Al­les, teils nach der sehr bunt zu­sam­men­ge­wür­fel­ten Kennt­nis, die er ei­ni­gen zu­fäl­lig er­wi­sch­ten Bü­chern ver­dank­te, teils mit der Kühn­heit ei­ner un­ge­zü­gel­ten Dich­ter­fan­ta­sie. Von den Ho­no­ra­tio­ren, die sich nach echt ita­lie­ni­schem Brauch ge­gen Abend in sei­ner Apo­the­ke zu ver­sam­meln pfleg­ten – der Pfar­rer, der Schul­meis­ter, der Chir­urg, der Steuer­ein­neh­mer und ei­ni­ge amt­lo­se Be­ne­stan­ti, de­nen man die rei­che Oli­ven- und Wei­nern­te des letz­ten Jah­res am Ge­sicht an­sah – von all die­sen Bie­der­män­nern wi­der­sprach Nie­mand dem Fra An­ge­li­co, zu­mal wenn er, ehe er eine län­ge­re Rede hielt, sei­ne große sil­ber­ne Bril­le am Rock­är­mel putz­te und dann an­fing: Ecco, si­gno­ri miei, die Sa­che ver­hält sich so! – Bei al­le­dem war er die bes­te, harm­lo­ses­te See­le von der Welt und der lie­bens­wür­digs­te Haus­wirt, den man nur wün­schen konn­te, wenn man kei­ne Wün­sche hat­te, die über ein har­tes Bett und zwei wa­ckel­bei­ni­ge Rohr­stüh­le hin­aus­gin­gen. Mich lieb­te er, ob­wohl – oder viel­leicht weil er kei­ne Ah­nung hat­te, dass er einen Bru­der in Apoll be­her­berg­te. Ich war so klug, für ihn nichts wei­ter als ein dank­ba­res Pub­li­kum zu sein und erst beim vier­und­zwan­zigs­ten So­nett ihm sanft die Hand auf den Arm zu le­gen und zu sa­gen: Bra­vo, Sor An­ge­lo! Aber ich fürch­te, es wird des Gu­ten zu viel. Eure Poe­sie, wisst Ihr, ist stark und steigt zu Kopf. Mor­gen füllt Ihr mir ein neu­es Fias­ko aus Eu­rer Hip­po­kre­ne. – Worauf er je­des Mal mit der gut­mü­tigs­ten Mie­ne sein Heft zu­mach­te und sag­te: Was hül­fe es auch, wenn ich Euch ein Jahr lang Nacht für Nacht in Schlaf läse? Ich wür­de doch nicht fer­tig. Hier steckt noch ein Perù! – Und da­bei schlug er sich ge­gen die blan­ke Stirn, seufz­te, bot mir eine Pri­se an und wünsch­te mir gute Nacht.

Die meis­ten die­ser Ge­dich­te wa­ren na­tür­lich ver­lieb­ter Art, und wenn der klei­ne Mann sie mit fun­keln­den Au­gen und dem gan­zen Pa­thos sei­ner Lands­leu­te re­zi­tier­te, ver­gaß man leicht sei­ne fünf­und­fünf­zig Jah­re. Den­noch leb­te er als Jung­ge­sel­le mit ei­ner al­ten Magd und ei­nem Bur­schen, der ihm bei sei­nen Sal­ben und Tränk­chen an die Hand ging, und es muss­te auf­fal­len, dass er, bei sei­ner Nei­gung zu al­lem Schö­nen und sei­ner Wohl­ha­ben­heit, we­der, wie ich hör­te, je­mals ver­hei­ra­tet ge­we­sen war, noch jetzt, in der Nach­blü­te sei­ner Herbst­ta­ge, ge­neigt schi­en, das Ver­säum­te nach­zu­ho­len. Als ich ihn ei­nes Abends, da wir bei ei­nem gu­ten Land­wein rau­chend bei­sam­mensa­ßen, scherz­haft um die Ur­sa­che be­frag­te, wes­halb er es mit sei­nem mön­chi­schen Spitz­na­men so ernst neh­me, und ob kei­nes der schö­nen Mäd­chen, die täg­lich an sei­nem La­den vor­bei­gin­gen, sein Herz zu rüh­ren ver­mö­ge, sah er plötz­lich mit ei­nem ei­gen­tüm­li­chen Aus­druck vor sich hin und sag­te: Schö­ne Mäd­chen? Nun ja; sie mö­gen nicht so übel sein. Und auch der Ehe­stand mag bes­ser sein, als sein Ruf. Aber ich bin zu alt für eine Jun­ge, und für eine Alte noch zu jung, will sa­gen, zu sehr Poet. Je äl­ter der Vo­gel ist, de­sto un­ger­ner lässt er sich rup­fen. Und dann seht, Freund­chen, ich hab’ ein­mal Eine mäch­tig gern ge­habt, die mich nicht ge­mocht hat, Eine, sag’ ich Euch, wie kei­ne wie­der kommt. Nun bin ich denn auch zu stolz, oder wie soll ich’s nen­nen, so bloß vor­lieb zu neh­men, wenn mich eine Ge­rin­ge­re möch­te, von de­nen eben zwölf ein Dut­zend ma­chen. Lie­ber träu­me ich mir so in Ver­sen ein Glück zu­sam­men und fan­ta­sie­re mir eine voll­kom­me­ne Schön­heit vor aus hun­dert man­gel­haf­ten, wie der grie­chi­sche Ma­ler – Apol­li­nes hieß er ja wohl? – der zu sei­ner Ve­nus von die­ser Nach­ba­rin die Au­gen, von je­ner die Nase und so fort sich über­all das Bes­te stück­wei­se zu­sam­men­such­te. Die aber, die das Al­les ver­ei­nig­te und so schön war, dass Ihr’s gar nicht glaubt, wenn ich’s Euch sage, die hat ihre Schön­heit schwer be­zah­len müs­sen, und We­ni­ge wis­sen die Ge­schich­te so ge­nau, wie ich, ob­wohl je­der von den äl­te­ren Leu­ten hier im Ort, den Ihr nach der Er­mi­nia fra­gen mögt, mir be­zeu­gen wird, dass sie ein Wun­der der Welt war, und dass in den zwan­zig Jah­ren, die seit­dem ver­flos­sen sind, nichts vor­ge­fal­len ist, was sol­ches Auf­se­hen ge­macht hät­te, wie ihr Schick­sal und was da­mit zu­sam­men­hängt. Kommt, ich will’s Euch er­zäh­len, da Ihr ja oh­ne­hin schon die So­net­te an sie kennt; Ihr ent­sinnt Euch, die fünf­und­sieb­zig, die ich in dem blau­en Um­schlag ver­wah­re, von de­nen Ihr noch sag­tet, sie sei­en wahr­haft pe­trar­chesk, die stam­men alle aus der Zeit, wo die Wun­de noch frisch war, und wenn ich Euch die Ge­schich­te er­zählt habe, könnt Ihr sie noch ein­mal le­sen; Ihr wer­det sie dann erst ganz ver­ste­hen.