Basketballspiele werden im Kopf entschieden - Daniel Memmert - E-Book

Basketballspiele werden im Kopf entschieden E-Book

Daniel Memmert

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Beschreibung

(Ehemaligen) Weltklassespielern wie Dirk Nowitzki oder Dennis Schröder gelingt es scheinbar mühelos, in äußerst komplexen Situationen ungewöhnliche, aber auch technisch-taktische Meisterleistungen auf das Spielfeld zu "zaubern". Erfolgreiche Trainer sprechen bei solchen Ausnahmespielern von einer ausgeprägten Gedankenschnelligkeit. Basketballspiele werden im Kopf entschieden schafft die theoretischen Grundlagen und bietet praktische Ansätze um die kognitiven Fähigkeiten der Spieler zu trainieren.

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Seitenzahl: 159

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Hinweise

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Sprachform verwendet. Gemeint ist sowohl die männliche als auch die weibliche und die diverse Form. Selbstverständlich sind immer sowohl Übungsleiter und Übungsleiterinnen oder Teilnehmer und Teilnehmerinnen gemeint.

Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Daniel Memmert | Stefan König

Basketballspiele werdenIM KOPFentschieden

Kognitives Training, Kreativität und Spielintelligenz im Amateur- und Leistungsbereich

Basketballspiele werden im Kopf entschieden

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2022 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

Gesamtherstellung: Print Consult GmbH, München

eISBN 978-3-8403-3811-3

E-Mail: [email protected]

www.dersportverlag.de

INHALT

Vorwort von Dirk Bauermann

Vorwort der Autoren

1Basketballspiele werden im Kopf entschieden …

2Definition und Relevanz von Kognitionen

3Kognitionen im Basketball

3.1Antizipation

3.2Wahrnehmung

3.2.1Bewusste Wahrnehmungsprozesse auf Basis korrekter Informationen

3.2.2Bewusste Wahrnehmungsprozesse auf Basis nicht korrekter Informationen (Täuschungen)

3.2.3Unbewusste Wahrnehmungsprozesse auf Basis korrekter Informationen

3.2.4Unbewusste Wahrnehmungsprozesse auf Basis nicht korrekter Informationen (Täuschungen)

3.3Aufmerksamkeit

3.3.1Selektive Aufmerksamkeit (Selective Attention)

3.3.2Geteilte Aufmerksamkeit (Divided Attention)

3.4Spielintelligenz

3.5Spielkreativität

3.5.1Deliberate Play

3.5.2One-Dimension-Games

3.5.3Diversifikation

3.5.4Deliberate Coaching

3.5.5Deliberate Motivation

3.5.6Deliberate Practice

3.6Arbeitsgedächtnis

4Diagnostik von Kognitionen

4.1Labortests

4.1.1Attention-Window-Test

4.1.2Working-Memory-Span-Test

4.1.3Perceptual-Load-Test

4.1.4Multiple-Object-Tracking-Test

4.2Feldtests

4.2.1Spieltestsituation „Den Ball dem Ziel annähern“

4.2.2Spieltestsituation „Zusammenspiel“

4.2.3Spieltestsituation „Die Lücken ausnutzen“

4.2.4Spieltestsituation „Eine Überzahl herausspielen“

5Spielformen zum kognitiven Training

5.1Spielformen zur Antizipation

5.1.1Spiel 1 gegen 1 im Halbfeld

5.1.2Spiel 1 gegen 1 auf dem ganzen Feld

5.1.3Get the Ball

5.1.4Pass with the Wall

5.1.5Rebounderball

5.1.6Push-up-Basketball

5.1.7 Fast Break 1 gegen 0 und 2 gegen 0

5.1.8Fast Break 2 gegen 1

5.1.9Situation 2 gegen 2

5.1.10Achterlauf mit Fast Break 2 gegen 1

5.1.11Fast Break Game

5.1.12Umschaltspiel

5.1.13Den Ballhalter neutralisieren

5.1.14Variables Fast-Break-Spiel

5.2Spielformen zur Wahrnehmung

5.2.1Follow Me!

5.2.2Give and Go (1)

5.2.3Give and Go (2)

5.2.4Zahlenpassen (vgl. Braun, 1992)

5.2.5Achterlauf

5.2.6Vier Teams, vier Farben

5.2.7Befreiungsdribbling

5.2.8Parteiball 5 gegen 2 mit zwei Bällen

5.2.9Chinese Wall

5.2.10Freiwürfe

5.2.11Spiel zweimal 1 gegen 1 auf einen Korb

5.2.12Spiel 2 gegen 2 auf einen Korb mit neutralen Angreifern

5.3Spielformen zur Aufmerksamkeit

5.3.1Dribbling Coach-Spieler

5.3.2Dribbling Spieler-Spieler

5.3.3Reifenball (Knobloch et al., 2020)

5.3.4Jeder gegen jeden

5.3.5Basketball mit Spielfeldwechsel (in Anlehnung an Knobloch et al., 2020)

5.3.6Dribbelkönig

5.3.7Bleibe in der Spur

5.3.8 So schnell wie der Ball

5.3.9Rapid Defense

5.3.10Dreier-Shoot-out

5.3.11Drei gewinnt

5.4Spielformen zur Spielintelligenz

5.4.1Überzahlspiel 1 gegen 1 plus 1 (vgl. Getrost & Wichmann, 1996)

5.4.2Überzahlspiel 2 gegen 2 plus 1 (vgl. Getrost & Wichmann, 1996)

5.4.3Überzahlspiel 3 gegen 3 plus 1 (vgl. Getrost & Wichmann, 1996)

5.4.4Basketball 3 gegen 3 auf einen Korb

5.4.5Basketball 4 gegen 4 auf einen Korb

5.4.6Transition Game 2 gegen 1

5.4.7Transition Game 3 gegen 2

5.4.83 gegen 2 plus 1

5.4.9Transition Game 3 gegen 3 gegen 3

5.4.10High-Speed-Angriff 3 gegen 2

5.5Methodische Hinweise zur Spielkreativität

5.6Spielformen zum Arbeitsgedächtnis

5.6.1Rechen-Basketball

5.6.2Wandball, komplex

5.6.3Fast Break Game

5.6.4Zehnerpass

5.6.51 gegen 1 plus Linienspieler

5.6.6Fangspiel „Zwei gegen den Rest“

5.6.7Passen mit mehreren Bällen

5.6.8Farbenkarate

5.6.9Nimm zwei Seiten

Ausblick

Anhang

Literatur

Zu den Autoren

Bildnachweis

VORWORT

VON DIRK BAUERMANN

Bei der EuroBasket 2022 werden uns die Spiele von 24 Teams an vier Standorten in vier verschiedenen Ländern viel Freude bereiten. Natürlich hoffe ich, dass auch die deutsche Nationalmannschaft dazugehört und durch häufige kreative Einzelaktionen, aber auch durch mühelose Kombinationen und schnelle, effektive Ballstafetten erfolgreich spielt. Wichtig wird sein, dass alle topfit sind – insbesondere mental.

Auch bei mir und meinen Spielern war dies immer so: In den vielen Jahren in der Bundesliga, aber auch in der Nationalmannschaft, haben wir sehr konsequent Dinge wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und intelligente Entscheidungen trainiert. Nur deshalb sieht es manchmal scheinbar mühelos aus, aus der Drehung oder aus großer Distanz traumhaft sicher einen Korb zu erzielen oder einen entscheidenden Pass zu einem freien Mitspieler zu spielen. Schließlich sind das genau die Dinge, die unsere Fans sehen wollen.

Mit dem Buch Basketballspiele werden im Kopf entschieden erhalten Trainer die Möglichkeit, sich intensiv den oft vernachlässigten kognitiven Fähigkeiten zu widmen. Die Bedeutung des „Kopfs“ für ambitionierte A-Jugend-Mannschaften bis hin zur Regionalliga oder sogar für den Profibereich ist unstrittig. Ich selbst habe dem kognitiven Training deshalb immer einen besonderen Stellenwert zugeschrieben.

Bisher haben Trainer in Deutschland immer wieder auf ihr eigenes Wissen zurückgreifen müssen oder sich mühsam in den einschlägigen Fachzeitschriften Hinweise und Spielformen zu Kognitionen im Basketball suchen müssen. Der vorliegende Band schließt diese Lücke. Mit den zahlreichen Spielformen zu den sechs Kognitionen Antizipation, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Spielintelligenz, Kreativität und Arbeitsgedächtnis gelingt es jetzt, sich schnell und unkompliziert Anregungen für die tägliche Trainingspraxis zu holen.

Ich wünsche dem Band 4 der Reihe Sportspiele werden im Kopf entschieden eine große Verbreitung. Zudem hoffe ich, dass die Lektüre helfen wird, kognitive Kompetenzen, die bis jetzt im Trainingsprozess die geringste Aufmerksamkeit erhielten, vermehrt in den Mittelpunkt des Trainings zu rücken. Im kognitiven Bereich schlummern die größten Potenziale; wir sollten lernen, sie in allen Leistungsklassen so effektiv wie möglich zu nutzen.

Dirk Bauermann

Basketball Bundestrainer von 2003-2011

VORWORT

DER AUTOREN

Wir möchten zahlreichen Kolleginnen und Kollegen großen Dank sagen, mit denen wir zur Thematik Kognitionen und zu den Sportspielen in den letzten Jahren, gar Jahrzehnten, forschen sowie publizieren durften und deren Ideen wir (natürlich gekennzeichnet) integriert haben (alphabetisch): Dr. Philip Furley, Prof. Dr. Norbert Hagemann, Jun.-Prof. Dr. Stefanie Klatt, Dr. Timo Klein-Soetebier, Prof. Dr. Benjamin Noël, Dr. Sebastian Schwab sowie Prof. Dr. Matthias Weigelt. Selbstverständlich auch allen Studierenden, die wertvolle Beiträge zu den einzelnen Teilstudien geleistet haben.

Ein Forschungsprogramm resultiert selten aus den Ideen eines Einzelnen, sondern viel eher aus den gemeinsamen Gedanken vieler in einer angenehmen Atmosphäre.

Zusätzlich möchten wir uns bei allen bedanken, die Teile des Buchs im Vorfeld kritisch gegengelesen haben. Dies sind insbesondere (alphabetisch) Dr. Iris Güldenpenning, Prof. Dr. Norbert Hagemann, Prof. Dr. Oliver Höner, Dr. Carina Kreitz, PD Dr. Florian Loffing, Prof. Dr. Matthias Weigelt sowie Elke Weyermann, M. Sc.

Für die Mithilfe bei der Spieleauswahl, bei der Erstellung der Abbildungen und für die vielfältigen Rückmeldungen möchten wir uns bei Adrian Weitzer und Linnea Schneider sehr herzlich bedanken.

Dr. Philip Furley hat uns zentral im gesamten Prozess begleitet, was wir sehr zu schätzen wissen. Die vielen kritischen Hinweise haben nicht nur dem Buch sehr gutgetan, sondern auch den Forschungsarbeiten in diesem Bereich an unserem Institut.

Daniel Memmert und Stefan König

1BASKETBALLSPIELE WERDEN IM KOPF ENTSCHIEDEN …

Dirk Nowitzki oder aktuell Dennis Schröder gelingt es scheinbar mühelos, in äußerst komplexen Situationen ungewöhnliche, aber auch technisch-taktische Bestlösungen auf das Spielfeld zu „zaubern“. Erfolgreiche Trainer, aber häufig auch Spieler, sprechen bei solchen Ausnahmespielern von Gedankenschnelligkeit, „der Kopf ist wichtig“, „sehr schnell im Kopf“, oder „intelligenten Spielern“.

Ein gutes Beispiel sind Aussagen in Basketballmagazinen, in denen dann von Handlungsschnelligkeit gesprochen wird (Box) und auch im wissenschaftlichen Kontext (Laurent, Ward, Williams, & Ripoll, 2006) sowie in Büchern über Basketball (Jackson & Delehanty, 1995) wird immer wieder betont, dass Basketballspiele im Kopf entschieden werden. Zudem wird in sportwissenschaftlichen Zeitschriften eine Reihe von Studien beschrieben, welche die besondere Bedeutung der Kopplung von Wahrnehmungsfähigkeiten und Reaktions- bzw. Handlungsschnelligkeit (= „Reactive Agility“) unterstreichen.

„Basketball ist Kopfsache. Aber es ist hilfreich, große Hände zu haben.“ – Scottie Pippen

„Wenn der Kopf nicht mitspielt, wird der Sportler nicht in der Lage sein, sein volles Potenzial abzurufen und wird demzufolge unter seinen Möglichkeiten bleiben.“ – Alexander Elwert

„Es geht nicht um die Anzahl der Stunden, die du praktizierst, sondern um die Anzahl der Stunden, die dein Geist während des Trainings anwesend ist.“ – Kobe Bryant

Definition der Handlungsschnelligkeit (nach Friedrich, 2005, S. 143)

„Besonders in den Sportspielen kommt es darauf an, sporttechnische und taktische Handlungen situationsangemessen und erfolgreich auszuführen. Ausdruck des Niveaus der Handlungsschnelligkeit ist die für die kognitiven Prozesse (geistige Schnelligkeit) und die motorische Lösung der Handlungsaufgabe benötigte Gesamtzeit.“

Allen Termini und Ansätzen gemeinsam ist, dass der Kopf und damit Kognitionen eine fundamentale Rolle im Basketball und in anderen Sportspielen zu spielen scheinen (vgl. auch Bourbousson, Poizat, Saury, & Sève, 2012).

Im Sport werden die „Problemlöseprozesse“, die notwendig sind, um in bestimmten Situationen gezielt adäquate Lösungen zu generieren, als Kognitionen bezeichnet. Dazu wird in diesem Buch ein Prozessmodell des Ablaufs menschlicher Entscheidungshandlungen vorgestellt. Kognitionen, wie Antizipation, Wahrnehmung, Gedächtnis oder Aufmerksamkeit, werden beschrieben, die zur Kreativität beitragen. Dazu gehört ganz zentral auch die Spielintelligenz – womit generell die Auswahl der besten Entscheidung gemeint ist.

Etwas weiter gefasst kann man zu den Kognitionen auch Wille, Stimmungen und Emotionen zählen. Im Training soll es nun darum gehen, all diese Kompetenzen einzeln oder in Kombination zu trainieren und somit im Gedächtnis abrufbar zu machen.

Basketball hat in der Sportwissenschaft generell einen hohen Stellenwert. Es gibt zu diesem Thema viele Forschungsergebnisse mit verschiedenen Forschungsschwerpunkten (unter anderem soziales Verhalten: Al-Yaaribi, Kavussanu, & Ring, 2018; soziale Interaktionen: Bourbousson, Poizat, Saury, & Sève, 2010; Selbstgespräche: Latinjak, Torregrossa, Comoutos, Hernando-Gimeno, & Ramis, 2019; Scouting: Rösch, Deutsch, & Höner, 2021; Verletzungen: Conti, Di Fronso, Pivetti, Robazza, Podlog, & Bertollo, 2019).

Für das Buch relevant sind vor allem aber die Bereiche Wahrnehmung, Antizipation, Aufmerksamkeit, Kreativität, Spielintelligenz sowie das Arbeitsgedächtnis, wobei nur für die ersten drei Kognitionen eine ausreichende Anzahl von Publikationen vorliegt.

Dennoch sind auch aus diesen Arbeiten noch nicht alle wissenschaftlichen Ergebnissen in die Praxis transferiert worden. Das erkennt man daran, dass erstaunt darüber berichtet wird, wenn Rolf Brack Spielformen zur Wahrnehmung und zum situationsangemessenen Entscheiden anleitet, bei denen vier verschiedene Farben (Leibchen der verschiedenen Teams in Bezug auf vier Tore) eine Rolle spielen oder er im Training Denksportaufgaben mit motorischen Antworten verbindet. Das gilt dann schon als revolutionär, dabei ist diesbezüglich noch viel mehr möglich.

In diesem Buch werden zum ersten Mal wissenschaftlich fundierte Aussagen zum Kognitionstraining im Basketball gemacht. Dabei werden sowohl inhaltliche als auch methodische, diagnostische und praktische Aspekte aufgearbeitet.

Im ersten Teil des Buchs werden Grundlagen für ein kognitives Training gelegt:

•Was sind die entscheidenden Faktoren, die man schulen kann?

•Welche Modelle stehen bereit?

•Welche Evidenzen gibt es dazu?

Darüber hinaus werden diese Erkenntnisse auch mit der Coachingpraxis verknüpft. Durch ein einziges Wort können Trainer die Aufmerksamkeitsfoki der Spieler variieren. In Situationen, in denen Variabilität und Kreativität gefragt sind, brauchen wir einen möglichst breiten Aufmerksamkeitsfokus.

Wenn dagegen Bewegungen und Aktionen zu antizipieren sind bzw. wir auf bestimmte Ereignisse achten müssen, dann hilft uns ein enger Aufmerksamkeitsfokus. Dazu wurden in den letzten 15 Jahren viele Studien durchgeführt und wir wissen auch, welche Rolle das Arbeitsgedächtnis in diesem Zusammenhang spielt.

Die mögliche kognitive Diagnostik wird anhand des zugrunde liegenden Modells im Anschluss in Tests zu elementaren Kognitionen im Labor und Feld unterteilt. Um beispielsweise festzustellen, wie groß der Aufmerksamkeitsfokus eines Spielers ist, kann man im Labor sehr genau dessen Aufmerksamkeitsfenster bestimmen.

In umfangreichen sportwissenschaftlichen Studien mit Spitzensportlern wurden Aufmerksamkeitstests entwickelt, mit denen das Aufmerksamkeitsfenster eines Athleten auf das Grad genau bestimmt werden kann. Darüber hinaus gibt es Diagnostiktools, die man in der Praxis einsetzen kann.

Man kann beispielsweise erfassen, wie sich Spieler gegen Störvariablen abschirmen, also auf eine Sache konzentrieren können, wie ausgeprägt verteilte oder selektive Aufmerksamkeit ist und wie gut sich Athleten fokussieren können. Dafür gibt es zahlreiche Testverfahren. Gleichzeitig gibt es etablierte, spielnahe Sportspieltests im Feld (Halle oder Sportplatz), mit denen man die Kompetenz von Sportlern bei der Suche nach Lücken und das Freilaufen im Raum bewerten kann. Diese bilden ein basistaktisches Fundament und sind nicht nur im Basketball, sondern auch in anderen Sportspielen von Bedeutung.

In Kap. 5 werden Schulungsbeispiele in Form von Spiel-, Wettkampf- und Übungsformen für ein kognitives Training gegeben. Trainer und Vereine müssen noch mehr dafür sensibilisiert werden, dass Aufmerksamkeit und Kreativität trainiert werden können.

Gerade Antizipation, aber auch Wahrnehmung und Aufmerksamkeit können hervorragend geschult werden. Dazu werden zahlreiche Beispiele vorgestellt, die nach dem inhaltlichen Modell des kognitiven Trainings strukturiert sind, welches im nächsten Kapitel beschrieben wird.

2DEFINITION UND RELEVANZ VON KOGNITIONEN

Was sind nun Kognitionen oder kognitive Prozesse aus wissenschaftlicher Perspektive genau? Die Verwendung des Begriffs Kognition hat eine lange Tradition, die von Tolman über Hebb und Neisser bis zu Gazzaniga, alle berühmte Wissenschaftler, reicht.

An dieser Stelle wird darauf verzichtet, einen genauen Überblick über die vorhandene Definitionsvielfalt zu geben (z. B. für einen Überblick in der Psychologie, Neisser, 2014; für einen Überblick im Sport, Memmert, 2004a).

In Abgrenzung zu rein physiologischen, neuronalen und präkognitiven Vorgängen charakterisieren Roth und Menzel (2001, S. 559) geistige Leistungen durch sechs kognitive Prozesse:

•integrative, häufig multisensorische und auf Erfahrung beruhende Wahrnehmungsprozesse;

•Prozesse, die das Erkennen individueller Ereignisse und das Kategorisieren bzw. Klassifizieren von Objekten, Personen und Geschehnissen beinhalten;

•Prozesse, die bewusst oder unbewusst auf der Grundlage interner Repräsentationen (Modelle, Vorstellungen, Karten, Hypothesen) ablaufen;

•Prozesse, die eine erfahrungsgesteuerte Veränderung von Wahrnehmung beinhalten und deshalb zu veränderlichen Verarbeitungsstrategien führen;

•Prozesse, die Aufmerksamkeit, Erwartungshaltungen und aktives Explorieren der Reizsituation voraussetzen oder beinhalten;

•„mentale Aktivitäten“.

Im Allgemeinen und etwas vereinfacht zusammengefasst, werden Kognitionen als höhere geistige Funktionen und Prozesse definiert, die notwendig sind, um in bestimmten Situationen gezielt adäquate Lösungen in unserer Umwelt zu generieren.

Die Bedeutung von Kognitionen ist im Sport alles andere als abschließend geklärt (vgl. Heilmann et al., 2022; Scharfen & Memmert, 2021), vielmehr befindet sie sich derzeit in einer intensiven Diskussion. Diese erstreckt sich auch (und vor allem) in die Psychologie (siehe für einen Überblick Simons et al., 2016; Hambrick, Burgoyne, & Oswald, 2019).

Die Befunde aus der allgemeinen Psychologie mehren sich aber, dass etwa fluide Intelligenz und Kreativität von verschiedenen elementaren und kognitiven Prozessen (z. B. Inhibition) beeinflusst werden (Benedek, Jauk, Sommer, Arendasy, & Neubauer, 2014).

Somit befinden wir uns in einer spannenden Phase, sowohl für die Sportwissenschaft als auch für die Sportpraxis. Während beispielsweise die eine Arbeitsgruppe seit Jahren Daten vorlegt, die zeigen, dass ein Training der Arbeitsgedächtniskapazität in einem positiven Zusammenhang zu verschiedenen kognitiven Leistungen steht (vgl. Klingberg, 2010), konnten diese Zusammenhänge von einer anderen Arbeitsgruppe in einer gewissen Regelmäßigkeit nicht bestätigt werden (vgl. Owen et al., 2010). Im Prinzip geht es immer darum, ob das Training einer elementaren Kognition zu Transfereffekten auf andere domänenspezifische Leistungen führt.

Exekutive Funktionen

Ein aktuelles Mainstreammodell für Kognitionen aus der Psychologie (Alvarez & Emory, 2006), welches auch in der Sportpsychologie hin und wieder als Grundlage von Forschungsprogrammen eingesetzt wird, beschreibt die Steuerung und Regulierung spezifischer kognitiver Prozesse von Menschen. Diese exekutiven Funktionen (EF) regeln zielgerichtetes, zukunftsorientiertes Verhalten (Friedman et al., 2006), also Prozesse wie die Entscheidungsfindung (das heißt, die Auswahl zwischen mehreren Alternativen).

EFs werden weiter unterschieden in „Core EF“ (CEF) und „Higher-Level EF“ (HEF), wobei Erstere durch das Arbeitsgedächtnis, kognitive Flexibilität und inhibitorische Prozesse charakterisiert sind, während HEFs Problemlöse- und Argumentationsstrategien sowie Planungsprozesse involvieren (Diamond, 2013).

Diese Kompetenzen entwickeln sich mit dem Alter, da sie auf verschiedene präfrontale Gehirnstrukturen angewiesen sind. Die neuronale Struktur, die den HEFs zugrunde liegt, ist der präfrontale Kortex. Dieser reift nur langsam und als Letzter in der Entwicklung; die volle Kapazität wird hier erst zwischen 20 und 29 Jahren erreicht (Luciana et al., 2005).

Die CEFs hingegen entwickeln sich schon früher im Leben vollumfänglich, meist schon vor der frühen Adoleszenz (Crone et al., 2006). In diesem Buch bilden beide die Grundlage der vorgestellten Modelle und Befunde.

Mit den CEFs werden das Arbeitsgedächtnis, das Tracking von Objekten, die Inhibitionsprozesse unter Auslastung der Wahrnehmungskapazitäten und die Flexibilität des Aufmerksamkeitsfensters in Verbindung gebracht, da sich diese früher als die HEFs entwickeln und dadurch ein Schlüsselindikator im frühen Entwicklungsprozess von Spielern sein könnten.

Mit dem HEFs werden Antizipation, Spielintelligenz und Spielkreativität thematisiert, die sich (nicht nur, aber) auch in späteren Schulungsphasen gewinnbringend trainieren lassen.

In zwei sportwissenschaftlichen Metaanalysen (Voss et al., 2010; Scharfen & Memmert, 2019a) konnten kleine bis mittlere Effekte von grundlegenden kognitiven Leistungen bei Experten nachgewiesen werden, was auf überlegene (basale) Kognitionen von Eliteathleten hinzudeuten scheint. Einzelne Arbeitsgruppen haben darüber hinaus herausgefunden, dass Sportspielexperten (insbesondere Basketballprofis) herausragende basale Kognitionen zu besitzen scheinen (Vestberg et al., 2012; Verburgh et al., 2016).

Es muss aber kritisch darauf hingewiesen werden, dass die Anzahl der Studien noch zu gering ist, die methodische Qualität überschaubar und es auch publizierte und nicht publizierte Studien gibt, die keine Zusammenhänge nachgewiesen haben (vgl. Furley, Schul, & Memmert, 2017).

Zuletzt demonstrierte eine Querschnittsstudie von Scharfen und Memmert (2019b) bei hochtalentierten Nachwuchsleistungsfußballern, dass beispielsweise ein großes Aufmerksamkeitsfenster für komplexere motorische Fähigkeiten, wie zum Beispiel Dribbeln, von Vorteil sein kann. Außerdem deutet eine geringere Reduzierung der individuellen Ablenkbarkeit (Perceptual Load) auf eine höhere Geschwindigkeit beim Sprint hin.

Hinzu kommt, dass ein besseres Arbeitsgedächtnis Auswirkungen auf eine präzisere Ballkontrolle und Dribblingfähigkeiten hat. Diese Befunde müssen in naher Zukunft repliziert werden, insbesondere auch in größeren Stichproben.

Wie auch ein systematischer Überblick über kommerzielle kognitive Trainingsprogramme und deren Auswirkungen auf den Einsatz im Sport zeigt (Harris, Wilson, & Vine, 2018), sind noch viele Fragen offen und müssen in Folgestudien geklärt werden.

Dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass wir in der Praxis beginnen müssen, Kognitionen zu schulen, auch bevor die Wissenschaft alle Fragen von A bis Z beantwortet hat. An vielen Stellen bedarf es ein wenig Mut, an anderen Stellen wird Demut und Zurückhaltung gefragt sein. Das Dilemma von allgemeiner, domänenunspezifischer Kognition kann vielleicht am besten an der Metapher eines Transportmittels wie des PKWs oder des Flugzeugs verdeutlicht werden.

Einerseits, unabhängig davon, ob das Fahrzeug ein Sportwagen, Traktor oder LKW ist, gilt: Je größer der Motor ist (unspezifisch, da Motoren auch in vielen Geräten Anwendung finden), desto schneller wird man fahren können. Je besser die Technik (auch erst einmal unspezifisch) ist, desto sicherer wird man unterwegs sein usw.

Andererseits haben unterschiedliche Transportmittel auch unterschiedliche Anforderungsprofile. Ein Flugzeug benötigt beispielsweise einen ganz anderen Motor oder auch andere Reifen. Während man in der Raumfahrt- bzw. Automobilindustrie schon genauer weiß, welches Gemisch an Gummimaterialien für Reifen von Flugzeugen oder Autos gut ist (oder für beide), kann dies im komplexen Sport für kognitive Prozesse noch nicht gesagt werden.

Kognitionen in Analogie zu Laktat

Eine gute Ausdauer (abgebildet über das Stoffwechselabbauprodukt Laktat) wirkt einer frühen Ermüdung entgegen, unabhängig