Bedlam Brotherhood - Er wird dich bestrafen - T. M. Frazier - E-Book

Bedlam Brotherhood - Er wird dich bestrafen E-Book

T. M. Frazier

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Weil in der Liebe und im Bandenkrieg alles erlaubt ist...

Als Grim Emma Jean kennen lernt ist da etwas ganz besonderes zwischen ihnen. Etwas, das er noch nie zuvor gespürt hat. Als ihre Briefe ausbleiben ist es wie ein tiefer dunkler Schmerz, der nicht gestillt werden kann. Und als sie sich nach all den Jahren wiedersehen, fühlt es sich an wie das große Glück. Doch das Leben hat Grim und Emma Jean auf die falschen Seiten eines erbitterten Krieges gestellt. Er ist Anführer des Bedlam Brotherhoods, sie gehört zu den Los Muertos, seinem größten Feind. Sie wissen, dass sie nicht zusammen sein können. Sie wissen, dass aus ihrer Liebe Schreckliches entstehen kann. Und doch versuchen sie, ihr Schicksal gegen sich zu wenden, ohne zu ahnen, dass sie damit nicht nur ihre Herzen in große Gefahr bringen ...

"Ein Hauch von Dunkelheit und eine wohldosierte Mischung aus Gefühlen und Leidenschaft macht diesen Roman zu einer epischen Liebesgeschichte. T. M. Frazier schreibt die besten Antiheroes und ich verliere mein Herz an jeden einzelnen von ihnen!" ELLE'S BOOK BLOG

Band 2 der Dark-Romane-Reihe BEDLAM BROTHERHOOD von USA-TODAY-Bestseller-Autorin T.M. Frazier


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 231

Veröffentlichungsjahr: 2020

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Motto

Widmung

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

Anmerkung der Autorin

Leseprobe

Über die Autorin

Die Romane von T. M. Frazier bei LYX

Impressum

T. M. FRAZIER

Bedlam Brotherhood

ER WIRD DICH BESTRAFEN

Ins Deutsche übertragen von Stephanie Pannen

Zu diesem Buch

Als Grim Emma Jean kennenlernt ist da etwas ganz Besonderes zwischen ihnen. Etwas, das er noch nie zuvor gespürt hat. Als ihre Briefe ausbleiben, ist es wie ein tiefer dunkler Schmerz, der nicht gestillt werden kann. Und als sie sich nach all den Jahren wiedersehen, fühlt es sich an wie das große Glück. Doch das Leben hat Grim und Emma Jean auf die falschen Seiten eines erbitterten Krieges gestellt. Er ist Anführer des Bedlam Brotherhoods, sie gehört zu den Los Muertos, seinem größten Feind. Sie wissen, dass sie nicht zusammen sein können. Sie wissen, dass aus ihrer Liebe Schreckliches entstehen kann. Und doch versuchen sie, ihr Schicksal gegen sich zu wenden, ohne zu ahnen, dass sie damit nicht nur ihre Herzen in große Gefahr bringen …

Lacking, Florida

Aktualisierte statistische Angaben

Einwohnerzahl: 14 890

Durchschnittsalter der Einwohner: 26,2

Durchschnittliches Haushaltseinkommen: $ 13 212

Armutsanteil: 75,8 %

Rating auf der Städte-Sicherheitsskala: 2 (Sicherheitshöchstwert 100)

Für Goldilocks und Squeaks

Possession: Besessenheit|

Substantiv, feminin

1 Von etwas oder jemandem völlig beherrscht oder heftig ergriffen sein

»Wer mich hört, mich versteht, wird mein, ein Besitz für alle Zeiten.« – Ralph Waldo Emerson

1

Grim

Die Nachtluft ist feucht und stickig. Es weht kein Lüftchen und der schwefelige Geruch der Mangroven brennt mir in der Nase.

Ich stehe im Schatten einer Ecke des Gartens und warte auf Tricks. Sie muss jeden Moment den Pfad von der alten Halle heraufkommen. Der Plan lautete, getrennt zu gehen, damit wir nicht zusammen gesehen werden, aber ich zweifle immer mehr an diesem Plan, je mehr Sekunden vergehen.

Ich zünde mir eine Zigarette an.

Ich war noch nie besonders geduldig. Meine bisherigen Erfahrungen mit Warten endeten immer in Enttäuschung oder Tragödien. Zu lange damit zu warten, den Abzug zu drücken, hat dazu geführt, dass ich das erste Mal angeschossen wurde. Diesen Fehler habe ich nie wieder gemacht. Auf eine Lieferung zu warten, nur um festzustellen, dass sie gekapert worden ist. Auf Digger in BB’s Bar zu warten und eine Woche später zu seiner Beerdigung gehen zu müssen. Als einziges Kind nach der Schule an der Straße warten zu müssen endete damit, dass ich zu Fuß gegangen bin und dabei das Auto meiner Mutter fand, ihr lebloser Körper über das Lenkrad gebeugt.

Es gibt eine einzige Ausnahme, und ich habe fünfeinhalb Jahre gewartet, um sie zu finden. Jetzt endlich gehört sie mir.

Tricks. Ein Stück vom Himmel inmitten der Hölle.

Etwas inmitten des Nichts.

Sie zum ersten Mal um mich zu spüren … die Erinnerung allein lässt meinen Schwanz anschwellen. Ich bin über sie hergefallen wie ein wildes Tier, ihren Rücken gegen die kalte, harte Mauer der Halle gezwungen. Es war einfach perfekt.

Sie war einfach perfekt.

Es fühlte sich an, als ob wir nicht nur mit unseren Körpern verschmolzen wären, sondern auch mit unseren Seelen, wenn man an so einen Scheiß glaubt. Das ist die Sache mit Tricks. Sie lässt einen an Dinge glauben. Sie bringt mich dazu, an Dinge glauben zu wollen. An das Leben. An die Menschheit.

An uns.

Was wir miteinander erlebt haben, war schlicht der Wahnsinn. Noch nie hat es sich so gut angefühlt, in einer Frau zu sein. Andererseits war auch keine der Frauen, mit denen ich gevögelt habe, meine Frau.

Im Haus ist Bellys Trauerfeier immer noch in vollem Gange. »Welcome to the Jungle« von Guns N’ Roses dröhnt aus den Lautsprechern, die Gäste lachen. Ich werfe einen Blick durchs Fenster und sehe ein Meer aus Köpfen zur Musik wippen. Zigaretten an den Lippen. Alkohol fließt in Strömen. Lächeln. Freude.

Belly hätte das hier geliebt. Ich wette, wenn es ein Leben nach dem Tod gibt, ist er jetzt richtig sauer, nicht dabei sein zu können.

Ich blicke in den wolkenlosen Nachthimmel und ziehe an meiner Zigarette. »Ich hoffe, du kannst sie da drinnen hören, Pops. Sie sind alle nur wegen dir da.«

Ich drücke meine Zigarette aus. Immer noch keine Spur von Tricks. Der Pfad ist dunkel und voller Löcher und Steine. Vielleicht hat sie sich verirrt oder ist umgeknickt. Ich schaue besser nach ihr.

Ich bin noch nicht mal am Rand des Gartens angekommen, als zwischen den Bäumen eine Silhouette erscheint. Tricks. Na endlich. Die Gestalt tritt ins Mondlicht. Glänzende braune Haare, große dunkle Augen. Das ist nicht Tricks.

Das Mädchen ist außer Atem. Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht und ich sehe ein Muttermal unter ihrem rechten Auge. Sie kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich kann sie nicht einordnen.

Sie entdeckt mich. »Grim?«

»Kenne ich dich?«

Sie schüttelt den Kopf. »Nein, aber ich kenne dich. Ich meine, ich habe von dir gehört. Von EJ. Ich bin Gabby.«

Gabby. Deshalb kommt sie mir so bekannt vor. Durch die Sicherheitskameraaufnahmen des Casinos und Tricks Beschreibungen kommt es mir vor, als hätte ich sie schon mal gesehen.

»Marcos Schwester«, sage ich, ohne die Abscheu aus meiner Stimme zu halten.

Sie nickt. »Aber viel wichtiger, EJs beste Freundin.«

»Warum bist du hier?« Ich werfe einen Blick über ihre Schulter. »Wo ist Tricks?«

»Marco hat mich geschickt. Die Männer, die EJ hergebracht haben, mussten sich um etwas anderes kümmern. Er hat mich geschickt, um sie zurückzubringen.«

»Wo ist sie?«, wiederhole ich.

Sie deutet mit ihrem Daumen in die Richtung des Pfads. »Sie wartet auf der anderen Seite des Amphitheaters auf mich.«

Unbehagen erfüllt mich. Ich treffe eine Entscheidung. Gleich hier. Gleich jetzt. Eine, die ich schon beim ersten Mal hätte treffen sollen.

Tricks bleibt bei mir.

»Ich werde sie holen«, knurre ich und laufe um Gabby herum.

Sie zieht an meinem Shirt. Ich wirbele herum und werfe ihr einen warnenden Blick zu, doch sie wirkt unbeeindruckt. Entweder lasse ich nach oder dieses Mädchen hat schon so viel Schlimmeres durchgestanden, dass ein drohender Blick das geringste ihrer Probleme darstellt.

»Das kannst du nicht«, flüstert sie. »Sie wartet mit Raydo auf mich. Marco hat darauf bestanden, dass einer seiner Männer mich begleitet.«

Natürlich hat er das.

»Fuck!«, fluche ich und ramme meine Faust gegen den nächstgelegenen Baum. Rindenstücke fallen zu Boden, kleinere Stückchen bleiben zwischen meinen Fingern stecken. Und wieder endet das Warten in einer Enttäuschung. Ich habe mein Zeitfenster verpasst.

Und es ist alles meine Schuld.

Gabby spricht weiter. »Ich habe nicht viel Zeit, aber EJ wollte dir sagen, dass sie geht. Sie will nicht riskieren, mit dir gesehen zu werden, also habe ich ihr gesagt, ich würde dir Bescheid sagen. Raydo habe ich erzählt, dass ich ganz dringend pinkeln muss, damit ich gehen kann.«

»Und das hat er dir abgekauft?«

Sie lächelt. »Erst als ich ihm gesagt habe, dass ich meine Tage habe und angedroht habe, ihm alles in lebhaftem Detail zu beschreiben.«

Gabby und Tricks sind beste Freundinnen, aber jetzt weiß ich, dass sie das gleiche Geschick für Täuschungen haben.

Wieder sieht sich Gabby um, und ich frage mich, ob es aus Gewohnheit ist, ob sie so wie Tricks ihr ganzes Leben über ihre Schulter schauen musste.

Mir fällt etwas ein. Ich verschränke die Arme über der Brust. »Moment mal, woher weißt du, wo sie ist?«

Gabby zieht ihr Handy aus der Tasche. »Hiermit kann ich nur zwei Leute anrufen: Marco und EJ. Aber als sie nicht drangegangen ist, habe ich das hier benutzt.« Sie dreht es herum, sodass ich das Display sehen kann. Es zeigt einen blinkenden Punkt auf der anderen Seite des Amphitheaters. Darüber steht »EJ«. »Die Tracking-App war EJs Idee. Eine sehr gute.«

So langsam lässt mein Misstrauen nach, denn ich weiß, dass Tricks und Gabby all die Jahre aufeinander aufpassen mussten. Gabbys Sicherheit war einer der Hauptgründe, warum Tricks überhaupt zu Los Muertos hatte zurückkehren wollen. Mir hat ihre Entscheidung nicht gefallen, nicht damals und nicht jetzt. Aber ich verstehe und respektiere sie. Außerdem macht es mich stolz, dass Tricks ihrer Freundin gegenüber so loyal ist. Loyalität ist alles. Ohne Loyalität ist man nichts.

»Oh, und sie wollte, dass ich dir das hier gebe.« Gabby reicht mir eine zerknitterte Serviette. Stumm lese ich ein hastig hingekritzeltes Zitat.

»Was ist der Schmerz der Trennung gegen die Freude des Wiedersehens?« – Charles Dickens

Ich stecke die Serviette ein. »Behalte sie im Auge.« Es ist sowohl eine Anweisung als auch eine Warnung. »Falls sie nicht in Sicherheit ist, du das Gefühl hast, dass sich irgendwas anbahnt oder sonst irgendwas ist, komm zu mir.« Ich nehme Gabbys Handy und gebe die Nummer meines Wegwerfhandys in ihre Tracking-App ein. »Du kannst mich zwar nicht anrufen oder mir eine Nachricht schicken, aber damit kannst du mich finden.« Ich speichere es unter Emma Jean.

Gabby nimmt ihr Handy zurück und sieht mich fragend an.

»Du hast schon eine EJ, und mir kam Grim, der Scharfrichter von Bedlam, ein bisschen zu unauffällig vor«, erkläre ich.

Sie steckt das Handy wieder in ihre Tasche. »Wir beide dürfen nirgendwo zusammen allein sein. Nicht mehr. Aber ich versuche, die Nachrichten weiterzugeben.« Sie sieht zu Boden. »Ich muss gehen. Er wird sich fragen, warum das so lange dauert.«

»Gabriella«, ruft eine männliche Stimme aus dem Wäldchen. »Wo zum Teufel bist du hin, chica?«, gefolgt von einer Reihe von Flüchen auf Spanisch.

»Scheiße.« Sie verschwendet keine Zeit mit Abschiedsworten, sondern läuft den Pfad zurück in die Nacht. In der Ferne höre ich ihre Stimme. »Ich bin doch direkt hier, du Idiot. Frauensachen brauchen ihre Zeit, weißt du? Ich könnte dir mehr darüber erzählen, wenn du willst …« Ihre Stimme verliert sich.

Die Musik und das Gelächter werden lauter, während ich zum Haus zurückgehe und sich das ungute Gefühl in meinem Bauch verstärkt. Heute mag zwar Bellys Trauerfeier sein, aber jetzt gerade tut es mehr weh, zu wissen, dass Tricks auf dem Weg zurück in die Hölle ist. Wenn ihr irgendetwas zustößt, wird niemand Marco vor meinem Zorn retten können.

Ich betrete das Haus und bleibe stehen, um einen Blick auf den Rahmen an der Wand zu werfen. Es war eines von Marcis Handarbeitsprojekten. Aber der Schreibstil lässt die Worte nicht weniger bedrohlich wirken.

Oder real.

Ich bade im Blut meiner Feinde.

Und wenn meine Zeit gekommen ist und ich in der Hölle ankomme, werden sich selbst die Dämonen vor mir verbeugen.

Denn der Teufel ist nach Hause gekommen.

2

Emma Jean

Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich geschlafen habe. Oder wie lange, seit ich an die Decke über dem Bett gefesselt wurde. Mit den Armen über dem Kopf. Gezwungen, in einer aufrechten Position auf der mit Blut befleckten Matratze zu sitzen.

Die Tür öffnet sich. Das, was von meinem Puls übrig ist, erwacht zum Leben und bereitet sich auf das vor, was immer Marco dieses Mal für mich auf Lager hat.

Ich rieche Orangen. Sofort muss ich an die Person denken, für die ich jedes Jahr zu Weihnachten Orangenkörperspray aus dem Billigladen geklaut habe. »Gabby, bist du das?«, keuche ich und starre in die Dunkelheit.

»EJ, oh mein Gott, ja, ich bin’s.« Gabby schlingt ihre Arme um mich. Der Schmerz, den der Kontakt mit sich bringt, sowohl meinem Körper als auch meinem Herzen, lässt mich zusammenzucken. »Was haben sie dir angetan?«, fragt sie, lässt mich los, behält aber ihre Wange an meine gepresst. Ihre Tränen laufen über mein Gesicht, als wären es meine eigenen.

»Nichts, was du nicht schon wüsstest«, sage ich verbittert.

Sie keucht verletzt, legt ihre Hände auf meine Wangen und lehnt ihre Stirn an meine. »Was? Nein! EJ. Ich schwöre, dass ich keine Ahnung hatte. Ich wusste, dass Marco dich irgendwo gefangen hält, aber er wollte mir nicht sagen, wo. Niemand hat das. Ich habe ewig nach dir gesucht, aber er hat mich jetzt die ganze Zeit im Auge. Ich bin hier genauso eine Gefangene wie du.«

Genau wie ich?

»Das bezweifle ich«, murmele ich.

Gabbys Haare fühlen sich weich und frisch gekämmt an. Ihre Nägel sind scharf und ich kann die Glätte des Nagellacks spüren, als sie mit dem Handrücken sanft über mein Gesicht streichelt. Sie riecht nach Orangen und Seife. Geduscht. Frisch.

Am Leben.

Ich rieche nach Urin, Erbrochenem und Tod.

»Was hat er dir angetan?«, schluchzt sie und sinkt mir zu Füßen. Dann suchen ihre Hände meinen Körper nach Wunden ab. »Es tut mir so leid, EJ. Ich habe nie gewollt, dass irgendwas davon passiert. Das hast du nicht verdient. Ich kann nicht fassen, dass dir Marco so etwas antun konnte.«

»Wirklich nicht?«, frage ich.

»Du hast recht. Ich kann es fassen. Marco ist ein verdammter Psychopath. Aber ich hätte verhindern müssen, dass es so weit kommt. Ich hätte sofort mit dir weglaufen sollen, als wir hier angekommen sind, egal was er uns angedroht hat. So weit wie möglich fort. Aber ich war nur ein Kind. Ich hatte Angst. Die habe ich immer noch. Ich hätte es entschlossener versuchen müssen. So viel entschlossener«, schluchzt sie. »Und sieh nur, was er dir angetan hat? Das ist alles meine Schuld.«

Ich horche auf subtile Spuren von Lügen in ihrer Stimme. Ich höre nichts als Aufrichtigkeit. Vielleicht lasse ich nach oder es liegt daran, dass Marco mich halbtot geprügelt hat.

Sie räuspert sich. Ihre Stimme ist voller Energie. »Damals habe ich es nicht getan, aber jetzt werde ich dich hier rausschaffen.«

Ich schüttele den Kopf. »Gabby, geh einfach. Hau einfach von hier ab und hör auf so zu tun, als ob ich dir etwas bedeute. Deine Art der Folter mag sich von Marcos unterscheiden … aber sie tut mehr weh.«

»Wovon redest du da nur?«, flüstert Gabby halblaut. »Ich versuche dir zu helfen.«

»Mir kann niemand mehr helfen.« Sobald ich die Worte ausspreche, weiß ich, dass es eine Lüge ist. Denn es gibt jemanden, der mir helfen kann.

Grim.

»Du kannst gerade nicht klar denken«, sagt Gabby. »Aber das wirst du wieder, sobald ich dich hier herausbekomme.« Sie tastet nach dem Knoten im Seil, mit dem ich an die Decke gefesselt bin, und zieht ein paarmal daran. Ohne Erfolg. »Komm schon«, zischt sie.

Auf der anderen Seite der Tür ist etwas zu hören. Sich nähernde Schritte.

»Scheiße«, flüstert Gabby, während sie an dem Knoten herumnestelt.

»Geh einfach«, sage ich noch einmal.

Panik erfüllt ihre Stimme. »Nein! Ich kann dich nicht so zurücklassen!«

»Doch, das kannst du. Und das wirst du.«

Als sie keine Anstalten macht, zu gehen, tue ich so, als wäre sie immer noch meine beste Freundin. Als ob sie mir nicht das Herz gebrochen und mich verraten hätte. Ich spiele ihr damit zwar in die Hände, aber ich muss mit meiner besten Freundin reden, selbst wenn es das letzte Mal sein sollte. »Gabby«, sage ich mit sanfterer Stimme. »Wenn du hier erwischt wirst, wie willst du mich dann retten?«

Gabby tastet weiter das Seil ab und sucht hektisch nach einer anderen Möglichkeit, um mich zu befreien. Selbst wenn sie es wirklich versuchen sollte und das hier nicht nur Show ist, wird es nicht leicht oder schnell gehen, außer sie hat eine Stichsäge zur Hand. Das Seil ist dick und so fest um meine Hände gewickelt, dass es sich in die empfindliche Haut an meinen Handgelenken gräbt. Ich kann meine Hände nicht mehr spüren.

Die Schritte werden lauter, aber Gabby versucht es weiter.

»Geh, Gabby. Bitte«, sage ich mit aller Stärke, die ich aufbringen kann, und wünschte, dass sie meinen flehenden Gesichtsausdruck sehen könnte. Es ist nur natürlich für mich, sie beschützen zu wollen, selbst jetzt.

Gabby zögert ein letztes Mal, bevor sie endlich ihre Hände vom Seil nimmt. »Ich komme wieder, EJ. Ich meine es ernst damit, dass ich dich hier herausholen werde«, verspricht sie.

Der Teil von mir, der so tut, als sei sie immer noch meine beste Freundin, glaubt ihr. Der Teil von mir, der die Wahrheit kennt, ist taub.

Mit einem schnellen Kuss auf meine Wange stürmt sie auf die andere Seite des Zimmers. Ich höre ein Fenster, das geöffnet wird. Das Fenster schließt sich wieder. Das Geräusch erinnert mich daran, wie ich mich in Grims Zimmer geschlichen habe. Die Vorstellung, wieder dort zu sein, tröstet mich kurz. In seinem Zimmer. In seinem Bett.

In seinem Herzen.

Die Tür öffnet sich und grelles Licht flutet den Raum. Die schattige Silhouette von Marco steht in der Tür.

»Wieder für mich bereit, Baby?«, fragt er mit einem teuflischen Grinsen. Er betritt den Raum. Dunkelheit in Dunkelheit.

Mein Magen rebelliert, als ob es Marco gleich mit hinausbefördert, wenn ich mich übergeben würde. Aber mein Magen ist leer.

Und in meinem Herzen nur Entsetzen.

»Ich nehme das mal als ein Ja.« Seine Stimme ist jetzt näher. Zu nah.

Marco packt mich und reißt mich mit einem manischen Lachen schmerzhaft zu sich.

Ich stelle mir Grim vor und versuche zu ihm zu fliehen, doch mein Verstand hat andere Pläne. Als ich weit genug von meiner grausamen Realität entfernt bin, ist es nicht Grim, den ich vor mir sehe.

Sondern Gabby.

3

Emma Jean

Neun Jahre alt

Ich hole meinen Schuhkarton mit Zaubertricks aus seinem Versteck unter dem verschlissenen Sofa. Dann gehe ich seinen Inhalt durch und singe dabei gedankenverloren vor mich hin.

Too-ra-loo-ra-loo-ral

Too-ra-loo-ra-li

Too-ra-loo-ra-loo-ral

Hush now, don’t you cry

Too-ra-loo-ra-li

Too-ra-loo-ra-loo-ral

»Warum singst du immer dieses Lied? Was ist das überhaupt?«, fragt Gabby.

Ich gebe ihr ein langes Stück weißes Seil. »Ich weiß nicht genau. Aber ich hab es immer im Kopf. Keine Ahnung, ob ich es mir ausgedacht oder mal irgendwo gehört habe.« Ich stelle mich vor sie. »Bereit?«

»Bist du dir sicher?« Gabby starrt das Seil in ihren Händen an.

Ich strecke meine Arme aus, die Handgelenke zusammengedrückt. »Absolut sicher. Das wird toll. Ich habe viel geübt. Es wird mein bis jetzt bester Trick. Du wirst schon sehen.«

»Okay, wenn du unbedingt willst.« Gabby bindet meine Arme zusammen und knüpft einen Knoten nach dem anderen. Dabei beißt sie sich vor Konzentration auf die Zunge. Es dauert ein paar Minuten, bis sie einen Schritt zurücktritt und zufrieden ihr Werk betrachtet. »Da kommst du auf keinen Fall raus.«

Ich grinse. Keine drei Minuten später bin ich das Seil los. Ich halte es hoch und lasse es siegreich über Gabbys Kopf baumeln.

»Wie zum Teufel hast du das gemacht?« Sie reißt mir das Seil aus den Händen und sucht es nach etwas ab, das sie übersehen haben könnte.

»Du wirst nichts finden«, versichere ich ihr. »Es ist ein ganz normales Seil.«

»Kann nicht sein. Ich meine, mal ernsthaft, EJ, sag mir, wie du das gemacht hast!« Ihr Mund steht weit auf, während sie weiter das Seil untersucht.

Ich zwinkere ihr zu. »Eine gute Magierin verrät niemals ihre Geheimnisse.«

Gabby lässt die Schultern sinken und setzt ihr berühmtes Schmollen auf. Wenn sie ihre Unterlippe noch ein Stück weiter vorschiebt, wird sie über den Boden schleifen. »Ihrer Assistentin schon«, jammert sie.

Verdammt, sie hat recht.

»Okay, ich erzähle es dir, aber es gibt einen strengen Pakt zwischen Magiern und Assistenten. Du bist zu höchster Geheimhaltung verpflichtet.«

Gabby klatscht in die Hände und hüpft aufgeregt. »Ich werde es keiner Menschenseele verraten!«

»Man muss einfach nur die Knoten beachten«, erkläre ich. »Wenn du siehst, wie jemand etwas zuknotet, ist es leicht, es wieder aufzuknoten. Und …«, sage ich und wackele mit dem Daumen. »Ein Daumen an der richtigen Stelle in einem Knoten kann dir genug Platz verschaffen, um das ganze Ding aufzubekommen.« Ich lege meinen Daumen gegen die Handinnenfläche und wickle dann das Seil immer wieder um die Hand. »Siehst du?« Ich drehe meine Hand um und ziehe den Daumen heraus. Nun ist das Seil nicht mehr straff um meine Hand gespannt. »Mehr braucht es nicht.«

Gabby kratzt sich am Kopf. »Warum habe ich das beim ersten Mal nicht gesehen?«

»Ablenkung ist wichtig. Ich muss dafür sorgen, dass du nicht auf das achtest, was ich wirklich mache. Erinnerst du dich, wie ich mit meinen Fingern gewackelt habe, während du den Knoten gemacht hast?«

Gabby applaudiert wild. »Das ist genial, EJ! Bravo!«

Ich mache eine tiefe und dramatische Verbeugung. »Vielen Dank. Du bist eine großartige Assistentin.«

Gabby hilft mir, das Seil wieder aufzuwickeln, dann stecke ich es in die Schachtel zurück. »Noch so ein nutzloses Talent«, wiederhole ich Tante Rubys Kommentar von gestern, als sie mich beim Üben erwischt hat.

Gabby winkt ab und verdreht die Augen. »Hör nicht auf das, was diese alte Tucke sagt. Das wird irgendwann mal total praktisch sein.«

Wir schauen erst auf das Seil, dann einander an und sagen gleichzeitig: »Neeeee!« Dann kugeln wir uns vor Lachen über den Teppich, halten uns den Bauch und wischen uns die Tränen aus den Augen.

»Was für eine Zeitverschwendung«, hören wir eine Stimme.

Als Gabby und ich aufblicken, sehen wir Mona vor uns stehen. »Zauberei ist keine Zeitverschwendung«, widerspreche ich und stehe vom Boden auf. Dann strecke ich Gabby meine Hand entgegen und helfe ihr beim Aufstehen.

Mona verdreht die Augen. »Glaubst du ernsthaft, dass du mal irgendwann eine berühmte Zauberin wirst?«

»Das ist gut möglich«, sagt Gabby.

Mona starrt uns beide an. In ihrem Blick liegt nicht nur Verachtung, sondern auch Traurigkeit. Wir haben immer versucht, sie in unsere Aktivitäten und Abenteuer mit einzuschließen, aber nach einer Weile haben wir aufgegeben. Ihre negative Einstellung passt einfach nicht zu der Art, wie Gabby und ich selbst an den kleinsten Dingen Freude haben können. Sie tut mir leid, aber nicht genug, um mir von ihr die Laune verderben zu lassen.

»Zauberei macht mir Spaß«, sage ich. »Was ist schon dabei?«

»Na ja, zumindest ist es ein praktischer Trick. Man weiß ja nie, wann man mal entkommen muss, wenn man mit Zauberseil gefesselt wurde«, meint sie sarkastisch und hebt das Seil vom Boden auf.

»Das ist kein Zauberseil«, knurrt Gabby. »Sondern ein ganz normales. Sie ist Zauberin und Entfesselungskünstlerin. Und eine ziemlich gute.« Sie streckt ihrer Schwester die Zunge raus.

Mona verschränkt die Arme und will weggehen.

»Ich kann es dir zeigen, wenn du willst«, rufe ich ihr hinterher.

Gabby stößt mir ihren Ellbogen zwischen die Rippen.

Mona dreht sich um und sieht zwischen mir und dem Seil hin und her, als ob sie darüber nachdenken würde. Dann schnaubt sie und richtet ihre Schultern.

»Welchen Sinn soll das haben?«, murmelt sie auf halbem Weg in den Flur.

»Was für eine Spaßverderberin«, sagt Gabby, sobald Mona nicht mehr in Hörweite ist. »Warum hast du ihr überhaupt angeboten, es ihr zu zeigen?«

Ich sehe weg. »Keine Ahnung. Sie tut mir irgendwie leid. Nur weil sie ihre eigene Fröhlichkeit aufgegeben hat, bedeutet das nicht, dass wir nicht mehr versuchen sollten sie aufzuheitern.«

Gabby macht ein Pffft-Geräusch. »Tja, ich hab aber keine Lust mehr dazu. Zumindest heute nicht mehr.«

Mir kommt ein Zitat in den Sinn. Ich trage es laut vor. »Das Glück ist nicht da draußen. Es ist in dir. – Anonym.«

»Stimmt.« Gabby schnappt sich das Seil aus der Schachtel und hält es hoch. »Zeig es mir noch mal!«

Also tue ich es.

In einer Welt, in der wir nur wenig Freude erfahren, suchen wir sie uns selbst. Heute finden wir sie in der Zauberei. Das Zitat hat recht. Das Glück ist nicht da draußen. Es ist in uns.

Wenn Mona es nur auch in sich finden könnte.

4

Emma Jean

Die Gegenwart

Too-ra-loo-ra-loo-ral

Too-ra-loo-ra-li

Too-ra-loo-ra-loo-ral

Hush now, don’t you cry

Too-ra-loo-ra-li

Too-ra-loo-ra-loo-ral

Die Melodie spielt wie ein weit entferntes Echo, während die Erinnerung an die Vergangenheit verblasst. Mit einem erstickten Keuchen, das in meiner trockenen Kehle brennt, werde ich in die düstere Realität der Gegenwart zurückgeholt.

Glücklicherweise spüre ich Marco nicht im Raum, aber der Beweis, dass er hier war, verbleibt in Form neuer Schmerzen innerhalb und außerhalb meines Körpers, zusammen mit der frisch getrockneten Erinnerung seines Besuchs, die die Innenseite meiner Oberschenkel bedeckt.

Mit meinem Bewusstsein kehrt auch etwas anderes zurück – eine neue Erkenntnis, die so groß und mächtig ist, als würde sie hier im Raum über mir schweben und eine neue und offensichtliche Realität tritt in meine frisch geöffneten Augen. Das Bild ist klar, führt aber auch zu tausend weiteren Fragen und beantwortet nur ein paar.

Ich weiß jetzt, warum Gabby so aufrichtig gewirkt hat, als sie mich befreien wollte.

Warum Gabby, als sie mit Marco so gedankenlos und hasserfüllt über mein Leben und meinen Tod gesprochen hat, wie sie, aber irgendwie doch nicht wie sie geklungen hat.

Das Licht wird eingeschaltet, und ich muss blinzeln. Schließlich kann ich wieder sehen, und was ich vor mir erblicke, bestätigt alles. Die große Erkenntnis steht vor mir in Form einer jungen Frau, nicht viel älter als ich. Sie trägt eine weit geschnittene schwarze Tunika über einer engen, zerrissenen Jeans. Das gleiche glänzende dunkle Haar wie Gabby, die gleichen großen schwarzen Augen. Aber es sind ihre vollen Lippen, die an den Mundwinkeln missbilligend nach unten gezogen sind, und das Muttermal unter ihrem rechten Auge, das ihre Identität verrät. Das und der angewiderte und hasserfüllte Ausdruck in ihrem ansonsten perfekten Gesicht.

Warum? Jetzt habe ich vielleicht ein paar Antworten, aber noch mehr Fragen.

»Hallo, EJ«, begrüßt sie mich mit einem wissenden und bösen Lächeln auf den vollen und glänzenden Lippen.

Unsere Blicke treffen sich, und ich erwidere ihr arrogantes Lächeln. Trotzig ignoriere ich, wie meine vertrockneten Lippen dabei aufreißen. Blut tropft auf mein Kinn.

»Hallo, Mona.«

5

Grim

Sechzehn Jahre alt

Es ist nach dem Abendessen. Der Abwasch ist erledigt und die abendlichen Rituale beginnen.

Marci raucht im Wohnzimmer einen Joint, während sich meine neuen Brüder in Sandys Zimmer über ein Videospiel streiten.

Belly sitzt am Kopfende des Esstischs, ich rechts neben ihm.

Ich weiß nicht, was er nach dem Essen gemacht hat, bevor ich gekommen bin, aber seitdem ich hier bin, sitzen Belly und ich immer zusammen, und er erzählt mir Geschichten aus seiner Zeit beim MC oder erklärt mir die Wichtigkeit einiger Dinge in meiner neuen Welt. Jeden Abend lerne ich etwas Neues.

»Bedlam verteilt Waffen für Clan Egan. Wir schmuggeln sie von Miami nach Mississippi. Es ist ein gutes Geschäft, wenn man nicht auf dem Radar der ATF oder der Homeland Security ist. Das ist der Grund, warum uns der Clan dafür benutzt. Sie sind es, wir aber nicht.« Er greift nach der Whiskeyflasche. »Jedenfalls noch nicht.«

Ich habe schon mal vom Clan gehört, aber abgesehen vom Namen weiß ich nicht viel. »Clan Egan?«

Belly lehnt sich zurück. »Die sind nicht von hier, sondern aus Miami. Ableger der irischen Mafia. Die meisten sind in Amerika geboren worden. Angeführt werden sie von einem Mann namens Callum Egan. Ganz netter Kerl, wenn er einem nicht gerade ein Messer an die Kehle hält.« Er starrt an die Decke und schmunzelt, als ob er sich an etwas erinnern würde. Dann schüttelt er den Kopf. »Wo waren wir? Ach ja, Callum Egan ist der Anführer des Clans, was mich darauf bringt, worüber ich heute Abend wirklich mit dir reden wollte. Führung.«

Er gießt sechs Schnapsgläser Whiskey ein und schiebt mir drei zu. Dann deutet er auf das erste und wir beide leeren es in einem Zug.

»Ahhh.« Er stellt das leere Schnapsglas hin. »Spürst du das Brennen? Es bedeutet, dass das guter Scheiß ist«, krächzt er. »Okay. Führung.«

»Führung?«, frage ich. »Warum muss ich etwas darüber wissen? Ich bin doch nicht der Anführer hier, sondern du.«

»Das werde ich nicht immer sein.« Belly stützt sich auf seine Ellbogen und sieht über seine Schulter zum Hinterzimmer. »Ich liebe diese Jungs, Grim. Von ganzem Herzen. Sie sind zwar nicht mein eigen Fleisch und Blut, aber sie sind meine Söhne. So wie du jetzt. Ich habe zwar nicht viele Talente in diesem Leben, aber eines davon besteht darin, einen Anführer zu erkennen, wenn ich einen sehe. Und ich sehe ihn in dir.«