Begin Again - Mona Kasten - E-Book

Begin Again E-Book

Mona Kasten

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Beschreibung

Er stellt die Regeln auf - sie bricht jede einzelne davon.


Noch einmal ganz von vorne beginnen - das ist Allie Harpers sehnlichster Wunsch, als sie für ihr Studium nach Woodshill zieht. Dass sie ausgerechnet in einer WG mit einem überheblichen Bad Boy landet, passt ihr daher gar nicht in den Plan. Kaden White ist zwar unfassbar attraktiv - mit seinen Tattoos und seiner unverschämten Art aber so ziemlich der Letzte, mit dem Allie sich eine Wohnung teilen möchte. Zumal er als allererstes eine Liste von Regeln aufstellt. Die wichtigste: Wir fangen niemals etwas miteinander an! Doch Allie merkt schnell, dass sich hinter Kadens Fassade viel mehr verbirgt als zunächst angenommen. Und je besser sie ihn kennenlernt, desto unmöglicher wird es ihr, das heftige Prickeln zwischen ihnen zu ignorieren ...


"Lache, weine und verliebe dich. Mona Kasten hat ein Buch geschrieben, das man nicht aus der Hand legen kann!" ANNA TODD über "Begin Again"


Der Auftaktband der "Again"-Reihe von Platz-1-SPIEGEL-Bestseller-Autorin Mona Kasten

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Seitenzahl: 614

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungbegin again playlistKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37EpilogDanksagungLeseprobeDie AutorinImpressum

MONA KASTEN

Begin Again

Roman

Zu diesem Buch

Neuer Name, neue Frisur, neue Stadt: Hunderte Meilen von ihrer dunklen Vergangenheit entfernt will Allie Harper noch einmal ganz von vorne beginnen. Sie will studieren, Freundschaften schließen – eine ganz normale Neunzehnjährige sein. Alles, was ihr für den Neuanfang noch fehlt, ist ein WG-Zimmer. Als sie auf den unverschämt attraktiven Kaden White trifft, ist ihr klar: Dieser Kerl mit seinen Tattoos und der mürrischen, arroganten Art ist so ziemlich der Letzte, mit dem sie sich eine Wohnung teilen will. Doch als alle Stricke reißen, bleibt Allie keine andere Wahl. Kaden, der auf keinen Fall eine weibliche Mitbewohnerin wollte, stellt sofort eine ganze Liste an Regeln fürs Zusammenleben auf. Die wichtigste davon: Wir fangen niemals etwas miteinander an! Zunächst kein Problem, doch mit der Zeit fällt es Allie immer schwerer, das heftige Prickeln, das zwischen ihr und Kaden herrscht, zu ignorieren. Dabei spürt sie instinktiv, dass sie besser die Finger von ihm lassen sollte. Denn sie ist nicht die Einzige, die nach Woodshill gekommen ist, um vor der Vergangenheit davonzulaufen. Auch Kaden trägt eine schwere Bürde mit sich herum. Und die könnte alles zerstören, was Allie jemals am Herzen lag …

Für Christian, meinen größten Unterstützer

Begin Again Playlist

Brain – Banks

Waiting Game – Banks

Feel Real – Deptford Goth

Meet You There – Busted

Can’t Break Thru – Busted

Strong – One Direction

Right Now – One Direction

Ocean Avenue – Yellowcard

Breathing – Yellowcard

Irresistible – Fall Out Boy

The Kids Aren’t Alright – Fall Out Boy

Fourth Of July – Fall Out Boy

I Wish You Would – Taylor Swift

New Romantics – Taylor Swift

Red – Taylor Swift

Fearless – Taylor Swift

A Beautiful Lie – Thirty Seconds To Mars

Attack – Thirty Seconds To Mars

Jealous – Nick Jonas

Where Are Ü Now – Jack Ü, Skrillex, Diplo, Justin Bieber

Kapitel 1

White.

Ich starrte auf das Klingelschild. Den Kopf zur Seite geneigt hob ich meinen Finger, hielt dann aber inne und zog ihn in letzter Sekunde wieder zurück. Ich presste meine Lippen fest aufeinander und ballte die Hand zur Faust, während ich die Ereignisse der vergangenen Tage in Gedanken noch einmal an mir vorbeirasen ließ.

Wochenlange Streits mit meinen Eltern, 1079 Meilen und eine zwanzigstündige Autofahrt lagen hinter mir. Ich war bereits vorgestern in Woodshill angekommen, hatte seitdem zwei Nächte in einem heruntergekommenen Hostel verbracht, und während ich die ersten paar Stunden drauf und dran gewesen war, einfach wieder umzukehren, war mein Kopf jetzt schon viel klarer. Denn ich hatte es geschafft. Ich war tatsächlich hier.

Wobei mein Start eindeutig anders verlief, als ich es mir vorgestellt hatte. Natürlich hatte ich mir meine neue Heimat aus der Ferne angeschaut. Oregons Gebirge, die Wälder und auch den Unicampus kannte ich bereits aus dem Netz. Gestern waren die Einführungsveranstaltungen für Erstsemester gewesen, und danach hatte ich angefangen, die Wohnungen zu besichtigen, die ich mir zuvor im Internet rausgesucht hatte. Scheinbar umsonst, denn bisher waren leider alle absolute Reinfälle gewesen. Aber immerhin war ich endlich in Oregon.

Freiheit.

Nur dieser eine Gedanke hatte mich durch die letzten Monate gebracht. Endlich mein eigenes Leben aufbauen zu können, endlich das tun und lassen zu können, was ich wollte. Die vergangenen neunzehn Jahre waren so verdammt beengend gewesen. Manchmal hatte ich mich wie ein Vogel gefühlt, der nur für wenige Minuten am Tag aus seinem Käfig herausgelassen wurde, um ein paar Kunststücke vorzuführen. Wenn man es als Kunststück bezeichnen konnte, auf Partys eine gute Figur zu machen, nett zu lächeln und mit fremden Menschen Small Talk zu halten, war ich eine ziemlich gute Künstlerin. Oder aber ein ziemlich eingeschränkter Vogel.

Der Schein stand bei meinen Eltern immer an oberster Stelle. Ich hatte elegant gesträhntes Haar und trug feinst geschnittene Designermode – das perfekte Lächeln dazu beherrschte ich auf Knopfdruck. Ich hatte immer perfekt sein müssen – zumindest nach außen hin. Deshalb war meine erste Amtshandlung als Collegestudentin gewesen (neben dem Packen von ein paar Kartons), in den nächstgelegenen Friseursalon zu gehen und meine lange blonde Mähne abschneiden und färben zu lassen. Jetzt umrahmten meine Wangen braune Spitzen. Zum ersten Mal seit Jahren trug ich meine Naturwelle – eine Sache, die Mom zutiefst missbilligt hätte. Sie hasste, dass ich sie von Dad geerbt hatte.

Jahrelang hatte sie mich alle vier Wochen in einen dieser Elite-Salons geschleift, in denen man bereits schräg beäugt wurde, sobald der Ansatz mehr als einen halben Zentimeter betrug. Sie bestand darauf, dass ich meine Haare honigblond färbte, damit meine ungewöhnliche Augenfarbe – eine Mischung aus grau und grün – bestmöglich zur Geltung kam. Schon als junges Mädchen hatte ich morgens extra früh aufstehen und mich mit dem Glätteisen abmühen müssen, damit meine Naturwellen gebändigt wurden und seidig mein Gesicht umrahmten. Damit war jetzt endgültig Schluss. Niemals wieder würde ich jemanden – und am allerwenigsten meine Mutter – meine verdammte Haarfarbe und -struktur kontrollieren lassen!

Jedes Mal, wenn die Spitzen meiner Haare, die nur noch knapp bis zum Kehlkopf reichten, an meinen Wangen kitzelten, erinnerte mich das an meine neugewonnene Freiheit. Die Frisur war quasi ein erster Schritt dahin gewesen, und auch wenn es albern erscheinen mochte: Ich fühlte mich wie ein neuer Mensch.

Allerdings hatte mir das noch nicht viel bei der Wohnungssuche gebracht. Für einen Platz im Wohnheim hatte ich mich gar nicht erst beworben. Ich verspürte keine große Lust, eines Tages aufzuwachen und Mom in meinem Zimmer stehen und alles naserümpfend mustern zu sehen. Allein deswegen hatte ich mich lieber auf die Suche nach einer WG im Umkreis vom Campus gemacht – dort, zumindest hoffte ich das, würde sie mich nicht so schnell finden. Allerdings verkomplizierte das für mich alles, wie ich während der letzten anderthalb Tage hatte feststellen müssen.

Mal abgesehen davon, dass ich sowieso nur eine Handvoll Zimmer gefunden hatte, die an dem Tag frei wurden, an dem ich mein Bett im Hostel würde räumen müssen, konnte ich auch noch jede einzelne der Wohnungen als kompletten Reinfall verbuchen.

Bei der ersten Besichtigung war mein potenzieller Mitbewohner mehr an meiner Körbchengröße interessiert gewesen als an meinen schlechten Angewohnheiten. Bei dem Gedanken an diesen Perversling schüttelte es mich noch immer. Wenig besser war die junge Mutter, die penetrant nach Rauch gestunken und mich nicht nur als Mitbewohnerin, sondern vor allem als Babysitterin hatte haben wollen. In Wohnung Nummer sechs war ich einem Pärchen begegnet, das sich bereits bei der Besichtigung volle Kanne an die Wäsche ging. Und alle anderen Wohnungen waren entweder zugemüllt oder von Schimmel befallen gewesen. Keine Ahnung wieso, aber ich hatte mir die Suche nach einer Unterkunft leichter vorgestellt.

Gerade deshalb fiel es mir wahrscheinlich so schwer, die Klingel zur letzten Besichtigung zu drücken. Die Buchstaben des Klingelschilds waren inzwischen von hinten beleuchtet und brannten sich förmlich in meine Netzhaut.

White.

Das hier war meine letzte Chance. Weitere Wohnungsangebote hatte ich nicht gefunden. Wenn ich hier nicht Anfang nächster Woche einziehen konnte, würde ich auf der Straße sitzen. Zum Semesterbeginn war einfach alles ausgebucht. Ausnahmslos. Und außerdem wurden die Preise immer weiter in die Höhe getrieben. Die sieben Nächte im Zwölfbettzimmer kosteten mich jetzt schon ein halbes Vermögen. Auf meinem Konto lag zwar eine beachtliche Summe, aber eigentlich war das Geld nicht für ein schäbiges Zimmer mit elf Mitbewohnern und gemischtgeschlechtlichen Gruppenduschen gedacht gewesen.

Ich brauchte dringend diese Wohnung, und sollte ich sie nicht bekommen, dann würde ich mir für den Unistart wohl oder übel eine nette Parkbank suchen oder in meinem winzigen Auto schlafen müssen. Auf keinen Fall wollte ich zurück nach Denver. Die Option Aufgeben existierte einfach nicht. Ich würde hier mein neues Zuhause finden, koste es, was es wolle, und wenn ich ein paar Nächte unter freiem Himmel verbringen musste, dann sollte mir das auch recht sein. Solange ich nur nicht zurück nach Denver musste.

Ich atmete tief ein und drückte mit meinem Finger auf die Klingel. Während ich wartete, ließ ich die warme Abendluft in meine Lunge strömen. Ich spürte kaum den Druck, der sich in meiner Brust aufbaute.

Eins, zwei, drei, vier, fünf …

Im Stillen zählte ich und kniff die Augen zusammen.

Endlich erklang das Summen des Türöffners, und ich atmete ein letztes Mal tief ein, bevor ich mich gegen die Tür stemmte.

Mr K. White – seinen Vornamen kannte ich noch nicht – hatte in seiner E-Mail erwähnt, die Wohnung läge im zweiten Stock auf der linken Seite. Noch bevor ich einen Fuß auf die Treppe gesetzt hatte, hörte ich, wie sich über mir eine Tür öffnete, und kurz darauf ertönte gedämpftes Gemurmel, das deutlicher wurde, je weiter ich nach oben kam.

»Meine Nummer hast du«, säuselte eine weibliche Stimme.

Ein Räuspern. »Du weißt, dass ich …«

»Nichts Verbindliches, ich weiß, ich weiß. Das hast du mir unmissverständlich klargemacht.«

Im nächsten Moment ertönte ein verdächtiges Schmatzgeräusch. Ich hörte genauer hin. Ich war mir ziemlich sicher, dass da gerade jemand knutschte. Ehe ich michs versah, kamen mir Schritte auf der Treppe entgegen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich stehen geblieben war, und während ich nun weiter Stufe für Stufe nahm, richtete ich meinen Blick auf meine blau lackierten Zehennägel und meine silbernen Riemchen-Sandaletten. Eines der wenigen teuren Kleidungsstücke, die ich mitgenommen hatte. An ein paar Dingen hing ich mehr, als ich zugeben wollte.

Ein leises Seufzen erklang dicht über mir, und ich hob den Kopf. Im Vorbeigehen musterte ich das Mädchen, das mit Sicherheit aus der Wohnung gekommen war, die ich gleich besichtigen würde. Sie sah mich nicht an, sondern lief mit einem seligen, verträumten Lächeln an mir vorbei. Ihren geröteten Wangen und den zerzausten Haaren nach zu urteilen, war sie bis eben noch mit etwas ganz anderem beschäftigt gewesen.

Oh Mann.

Stirnrunzelnd stieg ich die letzten paar Stufen nach oben. Mr White konnte ich nirgends entdecken. Zögerlich lief ich den Hausflur entlang und sah mich nach beiden Seiten um. Am linken Ende stand eine Tür einen Spaltbreit offen. Das musste wohl die besagte Wohnung sein.

Ich drückte die Tür ein Stück weit auf und verharrte unschlüssig auf der Schwelle.

Der Flur war aufgeräumt, und ich konnte eine Garderobe sehen, an der spärlich ein paar Jacken hingen. Darunter standen verschiedene Sneakers sowie ein paar Engineer-Boots und Wanderstiefel. Anerkennend hob ich die Brauen. Die Schuhsammlung zeugte schon mal von vielfältigen Interessen. Ich traute mich über die Schwelle und betrat den schmalen Flur. Beim Anblick des hellen Laminats atmete ich erleichtert auf. Endlich mal kein Teppich. Hastig zog ich die Schuhe aus und stellte sie zu den anderen. Wenn ich in den vergangenen Tagen etwas gelernt hatte, dann, dass das einen guten Eindruck machte – man es bei dreckigem Teppich allerdings unbedingt bleiben lassen sollte.

»Sorry, Alter!«, erklang eine gedämpfte Stimme aus dem Zimmer, das direkt an den Flur angrenzte. »Ich habe eine geschlagene Stunde versucht, sie aus der Wohnung zu bekommen, ohne wie ein Arsch dazustehen. Aber manche verstehen einfach den Wink mit dem Zaunpfahl nicht …«

Wow. Das schien ja mal ein netter Typ zu sein.

Die Stimme wurde deutlicher. »Das war ziemlich kurzfristig mit der Besichtigung, aber schön, dass es noch geklappt hat.«

Ich hörte, wie er näher kam. Seine Schritte hallten über das Laminat.

»Wenn du mal ’ne Braut da hast, bin ich der Letzte, der dich verurteilt. Zumindest so lange, bis …«

Mr White erschien im Türrahmen. Nicht nur ihm blieb der Mund offen stehen.

Ich sog hörbar die Luft ein.

Das Erste, was ich wahrnahm, war sein Oberkörper. Ein nackter, straffer Bauch, der von Muskeln nur so strotzte. Das Zweite waren seine Tätowierungen. Unwillkürlich legte ich den Kopf schräg und betrachtete die Tinte auf seiner gebräunten Haut. Blöd, dass ich meine Brille nicht dabeihatte. Die Schriftzüge auf seinen Unterarmen konnte ich nur verschwommen erkennen, und was die Ringe darstellen sollten, die sich um seinen Bizeps zogen, wusste ich nicht.

Heilige Mutter Gottes.

Er räusperte sich, und das riss mich aus meiner Trance.

»Was zur Hölle willst du hier?«

Völlig perplex starrte ich ihn an. Er war nicht viel älter als ich, höchstens ein oder zwei Jahre, und er hatte warme, karamellfarbene Augen, Bartstoppeln auf den Wangen und Haare, die oben länger und an den Seiten kürzer waren.

Endlich fand ich meine Stimme wieder. »Ich bin wegen der Besichtigung hier. Wir hatten gemailt«, blubberten die Worte viel zu schnell und aufgeregt aus mir hervor.

Mr White – in meinem Kopf nannte ich ihn immer noch so, was, wie mir sehr wohl bewusst war, an totaler Dämlichkeit grenzte – neigte den Kopf und musterte mich voll Argwohn. »A. Harper …«, murmelte er leise. Anschließend schien etwas in seinem Kopf einzurasten. Er ließ seinen Blick ein zweites Mal über meinen gesamten Körper wandern, dann verdunkelten sich seine Züge, und er schüttelte langsam den Kopf. »Nein.«

Nein? Wie, nein? Verwirrt erwiderte ich seinen kritischen Blick und setzte zu einer Antwort an, doch da wiederholte er: »Nein.«

»Was soll das heißen, nein?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Natürlich haben wir gemailt!«

»Da muss ein Missverständnis vorliegen. Du wirst hier ganz sicher nicht einziehen«, sagte er und wandte sich ab. Dann verschwand er in Richtung … Ich hatte keine Ahnung in welche Richtung, schließlich hatte ich mir die blöde Wohnung noch überhaupt nicht ansehen können! »Du findest alleine raus«, rief er mir über die Schulter zu.

Mein Mund klappte erneut auf. Ich war sprachlos.

Der Typ war einfach verschwunden. Er hatte mich in seinem Flur stehen lassen, ohne mir auch nur eine Chance zu geben. Nicht mal ein einziges Wort des Textes, den ich mir für die Besichtigungen zurechtgelegt hatte, hatte ich loswerden können. In den letzten achtundvierzig Stunden hatte ich mich mit unglaublich viel Scheiße abgefunden, aber das hier … das hier war die Höhe.

In meinem Kopf brannte eine Sicherung durch, und ein frustriertes Quieken drang aus meiner Kehle. Mit stampfenden Schritten lief ich Mr White hinterher.

»Hey!«, rief ich aufgebracht und stürmte in einen Raum, den ich als helles, behagliches Wohnzimmer ausmachte. Der Blödmann hielt mitten im Gehen inne und drehte sich zu mir um. Seine Brauen hatte er verärgert zusammengezogen. »Du kannst mich nicht einfach rausschmeißen, ohne mir die Wohnung überhaupt gezeigt zu haben!«

Verwunderung blitzte in dem warmen Braun auf, das so gar nicht zu seiner unterkühlten Ausstrahlung passen wollte. »Und ob ich das kann.« Jetzt verschränkte er die Arme vor der Brust, und ich konnte noch mehr Schriftzüge auf seinen Unterarmen erkennen. Wieder hörte ich dieses empörte Keuchen meiner Mutter in den Ohren, das sie manchmal ausstieß, wenn sie etwas absolut schrecklich fand.

»Nein, kannst du nicht. Wir haben gemailt, verdammt noch mal! Du hast mich zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen, und ich will jetzt wenigstens das Zimmer sehen und den Versuch bekommen, dich davon zu überzeugen, dass ich eine gute Mitbewohnerin wäre.« Ich bemühte mich angestrengt darum, nicht zu fauchen. Gelingen wollte mir das nicht so recht.

Der Blödmann hob eine Braue und blickte mich herablassend an. »Wie gesagt, da liegt ein Missverständnis vor. Ich dachte, du wärst ein Kerl. Bist du aber definitiv nicht.« Wieder sah er mich abschätzig von oben bis unten an. »Ich suche einen Mitbewohner, keine Mitbewohnerin.« Er spuckte das Wort förmlich aus.

Meine Alarmleuchten flackerten inzwischen im Sekundentakt. Die anderen Besichtigungen waren allesamt schlimm gewesen, aber diese hier übertraf alles.

»Ist dir eigentlich klar, was ich in den letzten beiden Tagen erlebt habe?«, fing ich an, und mein Puls schoss immer weiter in die Höhe. »Ich wurde von einem Typen nach meiner Körbchengröße gefragt, der im Unterhemd in der Küche saß. In einem sehr dreckigen Unterhemd. Dreimal wurden mir sexuelle Gefälligkeiten als Mietpreis genannt, einmal sollte ich die hauseigene Nanny werden und zweimal konnte ich es nur gerade so verhindern, dass meine potenziellen Mitbewohner sich vor meinen Augen dem Koitus hingegeben haben!« Inzwischen war ich richtig laut geworden, doch ich dachte nicht daran, meine Stimme zu senken. Der Wortschwall ließ sich nicht mehr stoppen, so aufgelöst war ich. Wenn ich nur gewusst hätte, wo sich in dieser gottverdammten Wohnung die Küche befand, wäre ich dort hingestapft, hätte nach einer Pfanne gegriffen und diesem arroganten Mistkerl eine übergebraten – so wie ich es vor Kurzem von Rapunzel in der Disney-Verfilmung gelernt hatte. »Ich war in Zimmern, deren Wände komplett schwarz waren vor Schimmel. Ich war in Wohnungen, die derart zugemüllt waren, dass man den Boden nicht ausmachen konnte. Im Ernst – ich wusste manchmal nicht, ob ich da auf Teppich oder etwas anderem stehe. Ich war in Appartements, wo es so sehr nach Gras gerochen hat, dass ich allein schon vom Geruch high geworden bin.« Ich trat einen weiteren Schritt auf ihn zu und drückte die Schultern nach hinten. »Ich hatte einen absoluten Scheißstart in Woodshill, Alter. Also sag du mir nicht, dass ich einfach wieder verschwinden soll. Ich will dieses beschissene Zimmer sehen!«

Jetzt blickte er nicht mehr argwöhnisch drein, sondern einfach nur gleichgültig. So, als würde ich gerade kostbare Sekunden seiner Zeit verschwenden.

»Genau deswegen will ich keine Mitbewohnerin«, sagte er völlig ruhig. »Auf endloses Gebrabbel und emotionalen Weiberkram kann ich echt gut verzichten.«

Meine Schultern bebten, so heftig schoss das Adrenalin durch meinen Körper. Vermutlich war es keine schlaue Idee gewesen, den Kerl mit meinen Problemen zu überhäufen. Aber manchmal konnte ich einfach erst dann mit dem Reden aufhören, wenn alles raus war.

»Bist du fertig oder muss ich noch mehr davon über mich ergehen lassen? Falls ja, dann würde ich mir vorher gerne etwas anziehen«, fuhr er ungerührt fort und machte mich mit seiner Gleichgültigkeit noch rasender.

»Schön«, fauchte ich und drehte mich auf dem Absatz um – nur um gleich darauf über eine Stehlampe zu stolpern. Ich fluchte. Laut. Vor allem, als ich sein Lachen hinter mir hörte. Es klang dunkel, was mir bei jedem anderen Mann wahrscheinlich gefallen hätte. Aber sicher nicht bei diesem arroganten, überheblichen Mistkerl. Im Rausgehen hörte ich noch, wie ein Telefon klingelte. Es war ein Song von Fall Out Boy. Der Blödmann hatte also auch noch Musikgeschmack. Ich verspürte erneut den Impuls, wie eine Katze zu fauchen. Vielleicht sollte ich mir demnächst eine zulegen. So verbunden wie in diesem Moment hatte ich mich noch keinem Tier gefühlt.

Tränen der Wut brannten mir in den Augen, als ich wieder in meine Sandaletten schlüpfte. Ich wollte nicht zurück nach Denver, in ein Leben, das unecht war – so ähnlich wie Plastik.

Meine gesamte Persönlichkeit war eine Fassade gewesen, die meine Mutter nach ihren Wünschen errichtet hatte. Klar geworden war mir das erst vor knapp drei Jahren – an jenem Tag, als ich am eigenen Leib erfahren musste, wie weit sie tatsächlich bereit war zu gehen. Und als mein Vertrauen in sie zunächst erschüttert und letztendlich in tausend Teile zerschmettert wurde. Ich hatte geglaubt, dass meine Mom mich immer beschützen würde. Doch stattdessen hatte sie bloß den Schein aufrechterhalten und mir immer mehr Lügen aufgebürdet, die ich kaum hatte schleppen können. Seither war nichts mehr wie zuvor.

Ich schluckte schwer und versuchte, die negativen Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen.

Da inzwischen auch meine Hände vor Adrenalin bebten, brauchte ich diesmal länger, den Verschluss der Sandalette durch die kleine Öse zu bekommen. Gedämpft nahm ich die Stimme des Blödmanns wahr. Anscheinend telefonierte er. Wenige Sekunden später fluchte er laut.

Wieder hörte ich seine nackten Füße auf dem Boden, als er in den Flur kam. Verflucht, wieso hatte ich ausgerechnet diese Schuhe anziehen müssen? Vans hätten sich eindeutig besser zum schnellen An- und Ausziehen geeignet.

»Hey«, erklang seine Stimme hinter mir. Ich ließ meinen rechten Schuh offen und erhob mich langsam.

»Was?«, blaffte ich und starrte ihn wütend an.

Inzwischen hatte er ein enges marineblaues Shirt angezogen, das über seinem Torso spannte. Er verschränkte erneut die Arme vor der Brust und blickte mich mit zusammengezogenen Brauen an. »Mein anderer Anwärter ist gerade abgesprungen«, sagte er und hob seine Hand, in der er ein Smartphone hielt.

»Aha«, machte ich unbeteiligt und kramte in meiner Tasche nach dem Autoschlüssel.

Er atmete unüberhörbar aus und tippte so lange mit dem Fuß auf dem Boden herum, bis ich keine andere Wahl hatte, als ihn wieder anzusehen.

»Es wird Regeln geben«, fing er nach einer Weile an und kniff die Augen zusammen, als würde er mich scannen.

»Regeln? Wofür, wenn ich fragen darf?« Meine Geduld war wirklich am Ende. Ich wollte einfach nur noch ins Hostel und mich in Selbstmitleid suhlen, bis ich mich genug aufgerappelt hatte, um nach neuen Inseraten zu schauen. Auf das Gelaber von unfreundlichen Mistkerlen konnte ich jetzt echt gut verzichten.

»Für dich. Wenn du das Zimmer willst, wird es Regeln geben, an die du dich halten musst.« Er machte eine Armbewegung, die vermutlich einladend wirken sollte, und schlenderte zurück ins Wohnzimmer. Als würde ich ihm jetzt noch folgen!

»Ich will dein beschissenes Zimmer nicht!«, rief ich ihm hinterher, bückte mich und schloss nun endlich meine zweite Sandalette.

Sein Kopf erschien wieder im Türrahmen. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Hör zu, ich brauche die Kohle und habe keinen Bock mehr, weiterzusuchen. Ständig springen mir die Leute ab.«

»Woran das wohl liegt …«, schnaubte ich.

Er ignorierte mich. »Und du hast eine Unterkunft dringend nötig. Also hör auf, dich anzustellen, und schau dir das Zimmer an.«

Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber der Blödmann war bereits im Wohnzimmer verschwunden, ohne meine Reaktion abzuwarten.

Eigentlich wollte ich durch die Wohnungstür stürmen und sie geräuschvoll hinter mir zuknallen. Stattdessen hielt ich inne.

Wenn ich ehrlich war, waren allein schon dieser Flur und das Wohnzimmer schöner als alle Wohnungen, die ich gestern und heute gesehen hatte – und mit ziemlicher Sicherheit würde es netter sein, den Semesterstart hier und nicht auf einer Parkbank zu verbringen. Einen Blick in das Zimmer zu werfen konnte nicht schaden. Egal, wie bescheuert der Kerl war – ich hatte heute schon so oft meinen Stolz zurückgestellt, auf ein weiteres Mal würde es jetzt auch nicht mehr ankommen.

»Also gut.« Ich machte mir nicht noch mal die Mühe, meine Sandaletten auszuziehen, sondern ging direkt zurück ins Wohnzimmer. Jetzt, wo ich mich allmählich beruhigt hatte, konnte ich erst richtig wertschätzen, wie nett die Einrichtung war. Ein riesiges Sofa in U-Form, auf dem etliche Kissen drapiert waren, stand in der Mitte des Raumes, schräg dahinter war eine breite Fensterfront, hinter der ich einen Balkon erahnte. Rechts davon gab es eine offene Küche mit Stehtresen und einer großen Arbeitsfläche. »Wohnzimmer kennst du ja schon, da hinten ist die Küche. Hier ist das Bad«, sagte der Blödmann, während wir durchs Wohnzimmer liefen. Er machte eine vage Handbewegung in Richtung einer halb offenen Tür, und ich erhaschte einen Blick auf hellblaue Fliesen und eine große Badewanne, bevor wir vor einer letzten Tür zum Stehen kamen.

»Hier ist es. Nicht besonders groß, aber trotzdem besser als das Wohnheim.«

Er drückte die Klinke runter.

Mit angehaltenem Atem betrat ich den Raum.

Das Zimmer war tatsächlich klein. Dreizehn Quadratmeter vielleicht, aber die beige Wandfarbe und das Fenster, durch das das letzte Licht des Tages von draußen hereinschien, machten das wieder wett. Man sah dem Raum an, dass niemand mehr darin wohnte – bis auf einen Schreibtisch, einem weißen Drehstuhl, einem kleinen Regal und einem Bett war er vollkommen leergeräumt. Beim Anblick der fleckigen Matratze zog ich die Nase kraus. Was auf dem Teil schon alles passiert war, wollte ich lieber nicht wissen.

»Keine Sorge, Ethan holt sein Bett noch ab«, sagte der Blödmann mit einem Nicken in Richtung des besagten Möbelstücks. »Schreibtisch und Regal kannst du übernehmen, falls du magst.«

Ich nickte langsam und riss meinen Blick vom Bett los. Auch in diesem Zimmer war helles Laminat verlegt worden. Ich hob meinen Kopf und untersuchte jede einzelne Zimmerecke, ob auch nur das geringste Anzeichen von Feuchtigkeit zu erkennen war. Alles schien in Ordnung zu sein.

Dort drüben würde ich lernen können. Und wenn das Bett abgeholt worden war, würde ich ein Schlafsofa aufstellen, um Platz zu sparen. Vor meinem inneren Auge sah ich bereits den schönen Überwurf, den ich darauf ausbreiten würde. Und Lichterketten! In diesen Raum gehörten Lichterketten!

Mom hatte die Dinger immer gehasst, weil sie ihrer Meinung nach billig wirkten und nicht zum Rest der von ihr sorgfältig ausgewählten Einrichtungsgegenstände passten. Außerdem hatte sie mich immer ermahnt, dass ich zu alt für derartigen Kinderkram wäre, und sogar einmal, als ich mir heimlich welche von meinem Taschengeld gekauft hatte, unserem Dienstmädchen aufgetragen, sie sofort wieder zu entsorgen.

Oh ja, ich würde Lichterketten aufhängen. Und ich würde das ganze Zimmer mit Dingen vollstellen, die ich früher nie hatte haben dürfen, weil sie Moms Ansprüchen nicht genügt hatten.

Genauso wenig, wie dieser Kerl ihren Ansprüchen genügen würde, schoss es mir durch den Kopf. Wahrscheinlich würde sie bei seinem Anblick einen Herzinfarkt bekommen. Oder sich übergeben. Bei der Vorstellung musste ich beinahe lachen.

»Ich nehme es«, sagte ich, ohne weiter zu zögern. Ich drehte mich zu ihm um und blieb einen Moment lang an seinem grüblerischen Ausdruck hängen. Dann fuhr ich mit den Augen die Schreibschrift auf seinen Unterarmen entlang, und … ja, Mom würde definitiv auf der Stelle umfallen. Abgesehen von der Tatsache, dass ich mit diesem Zimmer ein Dach über dem Kopf haben würde, machte das die Wohnung umso reizvoller.

»Du kennst die Regeln noch nicht«, warnte er mich, aber in seinen Augen war nun auch ein amüsiertes Funkeln zu erkennen.

»Dann schieß mal los«, sagte ich und drehte mich noch einmal im Kreis. Bei keinem der anderen Zimmer hatte ich dieses Gefühl gehabt, das sich jetzt gerade in mir ausbreitete. Ich spürte instinktiv, dass ich mich hier wohlfühlen würde. Ganz gleich, an welche Regeln ich mich würde halten müssen.

Mr Auf-keinen-Fall-kommt-mir-eine-Frau-in-die-Wohnung ging langsam zum Schreibtisch. Rücklings lehnte er sich dagegen, die Arme noch immer verschränkt. Mittlerweile erschien mir die Haltung nicht mehr provozierend, sondern fast abwehrend.

»Erstens«, fing er an und hob einen Finger, »lässt du mich mit deinem Weiberkram in Ruhe. Mich interessiert es einen Dreck, was in deinem Leben abläuft, also dräng mir bloß nicht deine Gesellschaft auf! Es werden keine Mädelsabende auf meiner Couch veranstaltet, das Fernsehprogramm entscheide ich, und du kommst auch nicht tränenüberströmt an und heulst dich bei mir aus.«

»Damit kann ich leben«, erwiderte ich kühl.

»Zweitens«, fuhr er ungerührt fort, »hältst du die Klappe, wenn ich jemanden aufreiße. Ich kann gut drauf verzichten, mich in meiner eigenen Wohnung rechtfertigen zu müssen.«

»Mir doch egal, mit wem du was treibst«, schoss ich zurück, warf allerdings einen skeptischen Blick in Richtung der Tür. Sein Zimmer lag zwar auf der gegenüberliegenden Seite der Wohnung, aber wer weiß, wie laut er war. Ich runzelte die Stirn. Hoffentlich würde ich es nicht mitbekommen, wenn er mit jemandem rummachte.

»Und drittens …« Er stieß sich vom Schreibtisch ab und baute sich dicht vor mir auf. Er überragte mich um einige Zentimeter, und ich musste den Kopf in den Nacken legen, um den finsteren Blick seiner Karamell-Augen zu erwidern. »… ist es mir scheißegal, wie heiß deine Beine in diesen Shorts aussehen.«

Hitze schoss in meine Wangen, doch ich zuckte nicht mal mit der Wimper.

»Wir beide werden unter keinen Umständen miteinander in der Kiste landen. Also mach dir keine Hoffnungen, hast du mich verstanden?«

Seine dunkle Stimme strich über mich hinweg, und sein Atem kitzelte an meiner Schläfe. Sofort fühlte ich ein Kribbeln in meinem Magen, das nichts mit dem Hunger zu tun hatte, der sich dort allmählich bemerkbar machte. Er roch angenehm – nach einer Mischung aus würzigem Duschgel und Minze. Angesichts dieser plötzlichen Nähe dauerte es einige Sekunden, bis ich verstand, was er da gerade von sich gegeben hatte.

»Tut mir leid, wenn das deinem Ego einen Knacks verpasst«, sagte ich trocken, »aber meinen Bedarf an Bad Boys habe ich schon vor Jahren gestillt.« Was der Wahrheit entsprach. Ich hatte nicht vor, in absehbarer Zeit irgendwas mit einem Kerl anzufangen.

Damit hatte er nicht gerechnet. In seinen Augen flackerte Überraschung auf, bevor er sich übers Gesicht rieb und einen Schritt von mir wegtrat.

»Na dann, herzlich willkommen in der Casa de White.« Er streckte den Arm aus und hielt mir seine Hand hin. »Ich bin Kaden.«

Für einen Moment war ich völlig perplex. Dann riss ich die Augen auf und machte einen aufgeregten Hüpfer. »Bedeutet das, ich habe das Zimmer?«, quiekte ich.

Kaden verzog das Gesicht. »Du verstößt jetzt schon gegen Regel eins.«

Ich hörte augenblicklich mit dem Hüpfen auf und senkte meine Stimmlage wieder in menschliche Höhen. »Sorry. Ich bin Allie.« Inzwischen ging mir der neue Name von den Lippen wie Butter. Wahrscheinlich weil ich mich damit schon bei den vorausgegangenen Besichtigungen vorgestellt hatte.

Ich schlug ein. Kadens Hand war warm und rau. Der Blitz, den der Händedruck in meine Magengrube sandte, traf mich völlig unvorbereitet.

Ebenso wie das Kribbeln, das sich in mir ausbreitete, als Kaden begann, mit seinem Daumen Kreise auf meinen Handrücken zu zeichnen. Sofort riss ich meine Finger zurück und blickte ihn empört an.

»Ich wollte nur sehen, ob du Regel drei verstanden hast.« Mit einem selbstgefälligen Grinsen vergrub er beide Hände in den Hosentaschen.

Ich schnaubte verächtlich. Der Kerl war zwar heiß, aber so unwiderstehlich nun auch wieder nicht. Seine sogenannten Regeln waren lächerlich und überflüssig. Mehrmals rieb ich über meinen Handrücken, um das Kribbeln zu vertreiben. Verdammt, warum musste er auch so warme Hände haben.

»Also, wann kann ich einziehen?«

Kaden zuckte mit einer Schulter und drehte sich in Richtung Tür. »Überweis mir die Miete und die Hälfte der Kaution, und das Zimmer gehört dir.«

Meinen Freudentanz vollführte ich erst, als er den Raum verlassen hatte.

Kapitel 2

»Die. Sehen. So. Süß. Aus!« Dawns runde Augen wurden noch ein Stück größer, als sie die sternchenförmigen Lichterketten in unserem übergroßen Einkaufswagen entdeckte. Inzwischen waren wir bei der Abteilung mit den Überwürfen angelangt, doch die grellen Blumenmuster, die mir von allen Seiten ins Auge sprangen, ließen mich die Nase rümpfen. Ich strich ein letztes Mal über einen der bunten Stoffe, dann drehte ich mich zu meiner neuen Freundin um.

Dawn hatte ich bei den Einführungsvorlesungen kennengelernt. Wir waren beide viel zu früh dran gewesen und, während wir warteten, sofort ins Gespräch gekommen – eine Fügung des Schicksals, da war ich mir ziemlich sicher. Etwas anderes konnte es nicht gewesen sein. Dawn war nämlich ebenfalls neu hier. Zwar war sie nicht umgezogen, um vor ihrer Familie zu flüchten, dafür aber vor ihrem Exfreund, der sie nach sechs Jahren Beziehung betrogen hatte. Sie hatte einfach fortgemusst – und jetzt befanden wir uns zusammen bei Target, um Dekokram für unsere Zimmer zu kaufen. Der zweistündige Roadtrip nach Portland tat uns beiden gut, außerdem konnten wir uns so mit Woodshills Umgebung vertraut machen.

»Nimm den mit den Blumen«, meinte sie und verschwand im nächsten Gang. »Oder den Pinken!«

Ihr kastanienroter Haarschopf lugte einen Moment später über dem Regal mit den Lampen hervor. Wahrscheinlich stand sie auf Zehenspitzen, es sah so aus, als müsste sie ganz schön ihren Hals recken.

Wieder beäugte ich die Auswahl vor mir. Ich wollte unbedingt eine Einrichtung haben, die ich selbst zusammengewürfelt hatte, aber Blümchenmuster waren nicht so mein Ding. Auch wenn mir ein femininer Stil gefiel, bevorzugte ich eher schlichtere Designs.

Ich lief weiter durch den Gang. Dawn hielt ein paar Lampen hoch, zu denen ich meine Meinung kundtat. Am Ende der Reihe entdeckte ich einen cremefarbenen Überwurf, der grob gehäkelt war und Fransen an den Enden hatte. Der würde super zu den beigen Vorhängen passen, die ich schon in den Wagen gepackt hatte.

»Wie findest du den hier?«, rief ich und hielt den Überwurf hoch. Dawn kam um die Ecke, eine Nachttischlampe mit rosa Schirmchen in der Hand.

»Schlicht und schön. Passt zu den anderen Sachen«, sagte sie und hielt die Lampe hoch. »Was ist mit der hier?«

Selbst aus dieser Entfernung konnte ich den Glitzer auf dem Schirm erkennen. »Sieht aus, als hättest du die aus der Kinderabteilung entführt.«

Dawn grinste und legte die Lampe in unseren Einkaufswagen. »Bingo!«

Bestimmt würde Kaden durchdrehen, wenn ich mit so etwas ankäme. Andererseits hatte es ihn nicht zu interessieren, wie ich mein Zimmer einrichtete.

Ich hatte noch die gesamte letzte Woche im Hostel verbringen müssen, bevor Kaden mir endlich die Schlüssel für die Wohnung geben konnte. Der Vormieter hatte länger gebraucht als angekündigt, um sein Bett abzuholen. Aber heute war es endlich so weit – ich würde mein neues Zimmer beziehen. Wobei Kaden bei der Schlüsselübergabe am Morgen immer noch ziemlich argwöhnisch wirkte. Als würde er seine Entscheidung bereits bereuen. Doch das war sein Problem, nicht meins.

Gleich danach war ich mit Dawn aufgebrochen, um mir meine erste eigene Einrichtung zu kaufen. Ich hatte schon während der Highschool einiges angespart, weil ich das Geld, das ich bei der Nachhilfe verdient oder von Verwandten zu Geburtstagen oder anderen Anlässen geschenkt bekommen hatte, immer gleich auf die Seite gelegt hatte. Davon konnte ich alles, was hier in meinem Einkaufswagen lag, locker bezahlen. Ich verfügte auch über ein Sparbuch, das Mom angelegt hatte, aber das rührte ich nur in Notfällen an. Oder für Dinge, die zwangsläufig notwendig waren – wie beispielsweise die Studiengebühren. Schließlich sollte sie die letzten Jahre nicht umsonst darauf eingezahlt haben. Mir wurde übel, als ich daran dachte, weshalb sie mir das Geld überhaupt zur Verfügung stellte. Sie glaubte wirklich, ich würde mich bestechen lassen und beim Anblick von ein paar Scheinen vergessen, was geschehen war – da konnte sie lange drauf warten. Aber auch wenn ich nicht käuflich war – einen Teil von Moms Geld auszugeben war wenigstens eine kleine Rache, die ich nehmen konnte.

Ich atmete tief ein und schob die unguten Gedanken in meinen Hinterkopf. Ich musste mich voll und ganz auf diesen Einkauf konzentrieren.

»Brauchst du noch einen Tisch?«, fragte Dawn, während wir unseren Einkaufswagen durch die nächsten Gänge rollten. Sie blieb bei einem ausklappbaren Modell stehen und begutachtete es mit nachdenklicher Miene. Sie griff unter die Platte und rüttelte so lange daran, bis ein Mechanismus einsetzte und der Tisch sich ausklappte. Dawn ächzte, und einen Moment lang sah es so aus, als würde sie das Gleichgewicht verlieren, doch dann fing sie sich wieder und besah ihr Werk mit zusammengekniffenen Augen.

»Nein, der Vormieter hat seinen Schreibtisch und ein Regal dagelassen. Kaden meint, wenn mir der Kram nicht gefällt, soll ich ihn selbst entsorgen.« Ich rollte mit den Augen. »Zum Glück hat er sein Bett noch abgeholt. Das sah nämlich echt eklig aus.«

Dawn hob eine Braue. »Der Typ klingt ja wirklich reizend.«

»Das ist nicht unbedingt das erste Wort, das mir für ihn einfallen würde«, gab ich zurück.

Oh Mann. Hoffentlich würde das gut gehen. Ich hatte keine große Lust, mein Zimmer allzu bald wieder aufzugeben. Die Wohnungssuche war furchtbar gewesen. Ich fühlte mit allen, die sich durch einen ähnlich frustrierenden Besichtigungsmarathon quälen mussten wie ich.

Ich würde die perfekte Mitbewohnerin sein. Zumindest hatte ich mir das vorgenommen.

Kaden würde keinen Grund finden, mich wieder rauszuschmeißen.

»Ich wünschte, ich hätte keinen Platz im Wohnheim bekommen«, seufzte Dawn und stützte ihre beiden Hände auf dem niedrigen Tisch hinter sich ab, was nur aufgrund ihrer Größe funktionierte. Dawn war klein und insgesamt eher zierlich, hatte aber im Gegensatz zu mir weibliche Kurven. »Dann hätten wir uns zusammen eine Wohnung nehmen können.«

»Ja, echt schade«, stimmte ich zu und schob den Wagen weiter. Inzwischen war er richtig voll – diverse Kissen, der Überwurf, ein flauschiger Teppich, Lichterketten und etliche Dekorationsartikel flogen wild durcheinander. Dennoch konnte man auf den ersten Blick erkennen, wem von uns was gehörte. Dawn war ein bunter Vogel, und genau so würde auch ihr Zimmer aussehen, während ich mich für Pastelltöne und eine Grundfarbe entschieden hatte, die Vanilleeis nicht unähnlich sah.

»Meine Mitbewohnerin ist nämlich echt eine blöde Zicke«, fuhr Dawn fort. »Ich bin erst seit zwei Wochen dort, und sie hat in der Zeit schon drei Kerle abgeschleppt. Jedes Mal will sie mich einfach rauswerfen! Manchmal überlege ich, aus Protest einfach sitzen zu bleiben. Aber mal ehrlich – würdest du deinem Mitbewohner gerne beim Sex zuschauen?«

Augenblicklich verzog ich das Gesicht. Der Satz ließ Bilder vor meinem inneren Auge aufpoppen, die ich dort lieber nicht haben wollte. Gut, Kaden war nicht schlecht in Form, das musste ich zugeben. Allein seine wohlgeformten Arme wiesen darauf hin, dass er Sport trieb. Dann waren da diese schwarzen Linien, die sich quer über seinen Bizeps zogen, und die Schriftzüge …

Entschieden schüttelte ich das Bild von seiner nackten, schweißüberzogenen Haut aus dem Kopf. »Nein, das würde ich nicht wollen. Wobei das bei uns noch etwas anderes ist«, antwortete ich schließlich.

Wahrscheinlich war die Pause zu groß gewesen – der Blick, mit dem meine Freundin mich bedachte, war erst prüfend, dann breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus, das die Grübchen in ihren Wangen vertiefte.

»Ach ja? Etwas anderes?«, hakte sie nach und wackelte mit den Augenbrauen.

Ich tat es ihr gleich und hob ebenfalls eine Braue. »Ja. Schließlich wohne ich nicht im selben Zimmer und muss nicht alles hautnah miterleben.«

Blitzschnell schnappte sich Dawn eines der Kissen aus dem Einkaufswagen und begann, damit nach mir zu schlagen. Ich wich lachend aus.

»Das ist nicht witzig!« Sie ließ das Kissen wieder in den Wagen fallen und vergrub stöhnend das Gesicht in den Händen. »Wirklich nicht. Zumal sie anscheinend problemlos immer wieder einen neuen Typen findet. Ich meine, wir sind hier in Woodshill! Wer hätte gedacht, dass in einer Kleinstadt so viele sexyschmexy Kerle rumlaufen?«

Da musste ich ihr zustimmen. Gerade jetzt, zum Semesterstart, liefen einem an jeder Ecke Kerle unseren Alters über den Weg – einer der Vorteile einer Universitätsstadt. Sexyschmexigkeit so weit das Auge reicht.

»Wir können ja eine Abmachung treffen«, schlug ich vor und legte Dawn den Arm um die Schultern.

Sie lugte zwischen ihren Fingern hindurch, und ihre haselnussbraunen Augen blitzten interessiert auf. »Ich höre.«

»Du kommst einfach immer, wenn du Probleme mit deiner Mitbewohnerin hast, zu mir. Ist wahrscheinlich nicht die optimale Lösung, die Regeln von meinem tollen Mitbewohner kennst du ja«, sagte ich mit einer Grimasse, und Dawn schnaubte verächtlich. Ich hatte ihr von meiner Besichtigung berichtet und natürlich kein Detail ausgelassen. Sie fand Kadens Regeln genauso dämlich wie ich. »Aber wir könnten uns dann in meinem Zimmer verschanzen. Zumindest so lange, bis du wieder sturmfrei hast.«

Inzwischen waren wir in der Abteilung für Kerzen und Bilderrahmen angekommen. Automatisch griff ich nach ein paar riesigen Kerzen, die nach Vanille und Kokos dufteten. Auch die hätte es bei uns zu Hause nie gegeben. Meine Mom fand, sie rochen billig. Ich hingegen fand den Duft himmlisch und freute mich schon auf die gemütliche Atmosphäre, die ich damit in meinem Zimmer schaffen würde.

»Du bist eine von den Guten, Allie Harper«, sagte Dawn. Sie klopfte mir auf die Schulter und sah mich ernst an. »Danke.«

Mir wurde warm, und sofort wandte ich den Blick ab. Noch nie hatte jemand so etwas zu mir gesagt. Ich war immer nur Allie, die Super-Zicke, gewesen. Allie, das reiche Miststück von nebenan. Allie, die Schlampe. Wie ich mit Worten, die so lieb gemeint waren, umgehen sollte, wusste ich nicht.

Dawn runzelte die Stirn. Sie schien mein Unbehagen zu spüren und wechselte rasch zu einem Thema, das unverfänglicher war. »Die Dinger dort oben sind hübsch, kommst du da ran?« Sie deutete mit dem Finger auf weiße Bilderrahmen mit schnörkeligen Verzierungen. Ich musste mich zwar auf die Zehenspitzen stellen, kam aber gerade so an das obere Regal heran.

»Echt süß«, sagte ich gedankenverloren. »Leider habe ich kein Bild, das ich reintun könnte.«

Das war mir rausgerutscht. Selbst ich hörte, wie armselig das klang. Oh Mann, hoffentlich hielt Dawn mich jetzt nicht für einen absoluten Loser. Es war schließlich meine eigene Entscheidung gewesen, keine Andenken aus Denver mit hierher zu schleppen. Der Ballast, der sich tief in mir verankert hatte, war bereits schwer genug – da brauchte ich nicht auch noch Fotos, die mich tagtäglich an meine Vergangenheit erinnerten.

»So ein Quatsch. Dann machen wir eben eins«, schlug Dawn vor und zückte augenblicklich ihr Handy. Sie stellte sich vor mich, sodass ich über ihre Schulter blicken musste, und stellte die Frontkamera ein.

»Jetzt? Hier?«, entfuhr es mir eine Oktave höher als normal. Leute liefen an uns vorbei, und ich spürte, wie einige gaffende Blicke in unsere Richtung geworfen wurden.

»Klar, wieso nicht?«, entgegnete Dawn unbekümmert und lächelte breit in die Kamera. »Und jetzt: Spaghetti Bolognese!«

Ich grinste verhalten. Meine grüngrauen Augen wirkten trüb auf dem Handybildschirm.

»Scheiß auf die Leute!« Dawn stieß mir mit dem Ellenbogen in die Seite. »Jetzt sag es so laut, dass der ganze Laden es hört: Spaghetti Bolognese! Komm schon, Allie.«

Ich konnte nicht anders. Ich schüttelte den Kopf, grinste breit und rief: »Spaghetti Bolognese!«

Und diesmal war das Lächeln, das mir vom Display entgegenstrahlte, echt.

Der Rahmen war die erste Dekoration, die ich im Zimmer aufstellte. Wir hatten auf dem Rückweg extra noch an der Mall angehalten, um das Foto auszudrucken, und jetzt lächelten Dawn und ich von der Fensterbank in den Raum. Wenn man ehrlich war, sahen wir auf dem Bild nicht mal besonders toll aus – wir trugen beide das Shirt der Woodshill University und hatten unsere Haare zu unordentlichen Dutts zusammengebunden, wobei aus meinem ein Großteil der Strähnen bereits herausgerutscht war. An die kurzen Haare musste ich mich echt noch gewöhnen. Aber trotzdem gefiel mir das Foto.

Auch Dawn hatte sich den Rahmen gekauft und würde ihn in ihr Zimmer stellen. Keine Ahnung, wie wir das hinbekommen hatten, aber es fühlte sich bereits jetzt so an, als ob dieser Tag den Grundstein für eine wunderbare Freundschaft gelegt hatte.

Dawn gab mir das Gefühl, dass es so etwas tatsächlich gab. Freundschaft, nur um der Freundschaft willen. Und nicht, um einen größtmöglichen Nutzen aus der anderen Person zu ziehen. Ohne den Druck, den anderen ständig übertrumpfen zu müssen.

Ich musste zugeben, ich war ziemlich stolz auf uns. Wir hatten ein Regal und eine große Kommode besorgt, die millimetergenau hinter die Tür passten. Da ich so überaus intelligent gewesen war und vergessen hatte, das Zimmer auszumessen, war das ein echtes Glück. Mit dem Zusammenbauen der Kommode und dem zweiten weißen Regal waren wir bereits durch. Jetzt fehlte nur noch das Schlafsofa, dessen Montage sich allerdings um einiges komplizierter herausstellte, als wir gedacht hatten. An der Unterseite schienen einige Löcher zu fehlen, außerdem passten die Bauteile nicht übereinander, die entlang des ausziehbaren Kastens verliefen. Eines war länger als das andere, was mit Sicherheit ein Verarbeitungsfehler war. Eigentlich hätte ich das Teil sofort reklamieren müssen, doch ich hatte keine große Lust, es die beiden Stockwerke wieder runterzuschleppen und den ganzen Weg zurückzufahren. Allerdings besaßen weder Dawn noch ich irgendwelches Werkzeug, und ohne eine Bohrmaschine würden wir hier nicht weiterkommen.

Frustriert ließ ich mich auf den Boden sinken. Inzwischen war meine Stirn feucht vor Schweiß, und ich konnte jeden einzelnen meiner Muskeln spüren. Das würde ein mörderischer Muskelkater werden. Durch Pilates war ich zwar ganz gut in Form, aber eine Möbelpackerin war ich keineswegs. »Das ist unmöglich!«

»Keine Ahnung, was hier falsch gelaufen ist«, fügte Dawn mit einem Bleistift im Mund hinzu. Ich hatte Mühe, sie zu verstehen. Gleich darauf klemmte sie ihn sich hinters Ohr.

»Wahrscheinlich werde ich hier drauf schlafen müssen«, sagte ich missmutig und hievte den zusammengerollten Teppich in meinen Schoß. Ich kraulte das flauschige helle Kunstfell, als wäre es ein Haustier. Vorzugsweise eine Katze.

»Quatsch, wir bekommen das hin«, knurrte sie und erinnerte mich dabei ein kleines bisschen an einen Chihuahua. Unwillkürlich musste ich kichern.

In diesem Moment hörte ich die Haustür zuschlagen und gedämpfte Stimmen drangen aus dem Flur zu uns. Wunderbar, mein Mitbewohner war zu Hause.

Dawn riss die Augen auf. »Wollen wir ihn fragen, ob er eine Bohrmaschine hat?« Sie hatte sich so schnell aufgerichtet, dass sie jetzt vielmehr einem Erdmännchen glich. Wieder kicherte ich.

»Du willst ihn doch nur abchecken.«

»Und ob ich das will«, gab sie zu und erhob sich mit Leichtigkeit. Sie strich ihr Shirt glatt, das über und über mit Holzspänen besprenkelt war, und tastete gleich darauf an ihrem Dutt herum. »Wie sehe ich aus?«, fragte sie und drehte sich einmal um die eigene Achse.

»Ich glaube, wir sehen beide so aus, als könnten wir eine Dusche gebrauchen«, erwiderte ich und stand nun ebenfalls auf.

Wir traten zur Tür und lauschten einen Moment lang. Die andere Stimme war eindeutig eine Männerstimme. Kaden war also gerade nicht dabei, eine Frau aufzureißen.

»Meinst du, es verstößt gegen die Regeln, wenn wir ihn nach einer Bohrmaschine fragen?«, flüsterte ich, so als könnten sie uns hören.

»Quatsch. Lass dich doch nicht so einschüchtern von diesem Mistkerl«, gab Dawn zurück und trat einen Schritt von der Tür weg.

Ich zupfte am Saum meines Shirts und grübelte einen Moment. Natürlich wollte ich mich nicht einschüchtern lassen, aber das Zimmer war mir wichtig. Ich wollte dem Blödmann keineswegs auf die Nerven gehen, schon gar nicht am ersten Tag unseres Zusammenlebens.

Doch bevor ich eine weitere Sekunde nachdenken konnte, riss Dawn die Tür auf und stapfte ins Wohnzimmer.

»Dawn!«, zischte ich und eilte ihr hinterher.

Kaden befand sich in der Küche und holte gerade Bier aus dem Kühlschrank. Auch von hinten – oder vielleicht gerade von hinten – war er eine Wucht. Er trug eine rostrote Jeans, die seinen Hintern ziemlich nett betonte, und ein eng anliegendes dunkelgrünes Shirt, das über seinen Schultern spannte, und meinen Blick automatisch auf seinen muskulösen Rücken lenkte. Neben Kaden, an den Küchentresen gelehnt, stand ein Kerl mit schwarzem Haar. Er war ziemlich hochgewachsen und machte eher einen schlaksigen Eindruck. Sein kariertes Hemd saß locker und die Ärmel waren bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt.

»Hey, du musst der merkwürdige Mitbewohner sein!« Dawn trat vor den dunkelhaarigen Kerl, der sich überrascht zu ihr umwandte. Sein neugieriger Blick war erstaunlich freundlich, ganz im Gegensatz zu Kadens. »Erst mal wollte ich dir sagen, dass ich deine Regeln absolut bescheuert finde. Ich meine, guck dich an, und dann guck sie an.« Dawn deutete wüst mit dem Arm auf mich, und am liebsten wäre ich einfach nur im Boden versunken. Oder hätte mich aufgelöst. Eins von beidem definitiv. »Ich glaube nicht, dass sie es nötig hat, mit dir rumzumachen. Außerdem finde ich es unmöglich, dass du so ein klischeebeladenes Bild von Frauen hast und uns alle in eine Schublade steckst! Woher willst du überhaupt wissen, was wir in unserer Freizeit tun und lassen? Ich meine, es kann doch genauso gut sein, dass wir auf Wrestling stehen und professionell Football spielen.«

Kaden schloss die Kühlschranktür und drehte sich langsam um. Er beäugte Dawn mit hochgezogener Braue und verfolgte interessiert, wie sie seinen Freund niedermachte. Es sah fast so aus, als würde er schmunzeln.

Aber eben nur fast.

Hastig trat ich hinter Dawn und legte ihr die Hände auf die Schultern. Ich beugte mich vor und wisperte: »Das ist er nicht.«

Sie versteifte sich unter meinem Griff. »Wie, das ist er nicht?«

Ich nickte mit dem Kinn in Kadens Richtung. »Das ist Kaden, mein Mitbewohner. Kaden, das ist meine Freundin Dawn.«

Der andere Kerl hatte mittlerweile ein fettes Grinsen im Gesicht. Tiefe Grübchen erschienen auf seinen Wangen. Er drehte sich zu Kaden um. »Alter, kann es sein, dass du nicht besonders nett zu den Mädels warst?«

Kaden zuckte augenrollend mit den Schultern und öffnete geräuschvoll ein Bier. Er schob es seinem Kumpel über den Küchentresen zu und öffnete ein zweites, das er gleich darauf an die Lippen setzte. Dann wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und betrachtete mich von oben bis unten. Irgendetwas schien ihm nicht zu gefallen, denn er furchte seine Stirn und wandte sich dann ab, um zur Couch zu gehen. Dawn ignorierte er komplett.

»Ich bin Spencer«, sagte sein Freund stattdessen und reichte erst Dawn und dann mir die Hand. »Freut mich, euch kennenzulernen.«

»Hi«, erwiderte ich. »Ich bin Allie.«

»Hab schon von dir gehört«, murmelte er und warf einen flüchtigen Blick zu Kaden. Er schüttelte den Kopf, und sein Grinsen wurde noch breiter. »Und du bist also Dawn, die wrestlinginteressierte, professionelle Footballspielerin.«

»Sorry, ich wollte keinen schlechten Eindruck hinterlassen.« Auf einmal war sie erstaunlich kleinlaut, und ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.

»Oh, das hast du nicht. Glaub mir.« Spencer zwinkerte, und ich realisierte erst jetzt, wie strahlend blau seine Augen waren.

Während sich die beiden unterhielten, fiel mir der eigentliche Grund ein, weshalb wir aus dem Zimmer gekommen waren. Wenn ich heute Nacht ruhig schlafen wollte, brauchte ich dringend mein Sofa.

»Hey«, sagte ich und trat hinter meinem Mitbewohner an die Couch. Kaden legte seinen Kopf in den Nacken und sah mit gerunzelter Stirn zu mir auf. »Du hast nicht zufällig eine Bohrmaschine, oder?«

»Was willst du denn mit einer Bohrmaschine?«, fragte er neugierig, behielt seinen kritischen Blick aber bei.

Am liebsten hätte ich »Kann dir doch egal sein« geantwortet, entschied mich aber in letzter Sekunde um. Schließlich wollte ich etwas von ihm. »In der Vorrichtung meines Schlafsofas sind irgendwie zu wenig Löcher«, sagte ich und zwang mich, einen möglichst freundlichen Tonfall anzuschlagen. »Ich muss welche nachbohren.«

Kaden nickte kurz und richtete seinen Blick wieder nach vorn. »Ich habe keine Bohrmaschine.«

Ich brauchte einen Moment, bis ich realisiert hatte, was er meinte. »Wieso interessiert es dich dann, was ich damit vorhabe?«

»Ich wollte nur wissen, ob du tatsächlich eine brauchst, oder einfach zu blöd bist, eine Gebrauchsanweisung zu lesen«, gab er achselzuckend zurück. Dann klaubte er die Fernbedienung vom Wohnzimmertisch und schaltete den Fernseher ein.

Ich spürte, wie ein ganzer Schwall fieser Beleidigungen in mir aufstieg, doch ich würgte ihn runter. »Das heißt, du hast eine Bohrmaschine, willst sie mir aber nicht geben?«, fragte ich bemüht ruhig. Es machte mich wahnsinnig, wie er dasaß, mit seinem verdammten Bier in der Hand, locker und vollkommen unbekümmert, als hätte er keine einzige Sorge auf dieser Welt.

Er machte sich nicht einmal die Mühe, seinen Blick von der Mattscheibe zu wenden. »Genau das heißt es.«

Ich stieß ein frustriertes Knurren aus und drehte mich auf dem Absatz um. Mit zu Fäusten geballten Händen stapfte ich in mein Zimmer, schnappte mir die Anleitung vom Boden und kehrte zurück ins Wohnzimmer. Diesmal lief ich um das Sofa herum und baute mich so vor Kaden auf, dass ich ihm die Sicht auf den Fernseher versperrte. Mit Genugtuung beobachtete ich, wie sich seine Gleichgültigkeit allmählich in Wut verwandelte. Er kniff die Augen zusammen und öffnete den Mund, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen.

»Hier.« Ich hielt ihm die Anleitung direkt vor die Nase. Wahrscheinlich etwas zu dicht, denn er wich ein Stück zurück. »Schritt 13b. Wir haben die Keile vorgeschoben, das erste Teil zusammengebaut, und in die rechte Seite haben wir alle Schrauben gemacht. Hier«, ich tippte verärgert auf das Bild, »sollen eigentlich vorgebohrte Löcher sein. Aber da sind keine. Also wäre es superfreundlich, wenn du mir deine verdammte Bohrmaschine geben würdest!«

Jetzt war es plötzlich still in der Wohnung. Dawn und Spencer hatten mitten in der Unterhaltung innegehalten und starrten mich an.

»Sei kein Arsch, Alter«, sagte Spencers schließlich.

»Ja, genau. Sei kein Arsch, Alter«, stimmte Dawn zu, was mich unter normalen Umständen zum Lachen gebracht hätte. Doch ich kochte vor Wut, und ein Blick auf Kadens zusammengepresste Lippen verriet mir, dass auch er die Situation alles andere als lustig fand.

Er musterte mich schon wieder auf diese unerträglich argwöhnische Weise. »Du bewegst dich auf dünnem Eis«, sagte er kaum hörbar und erhob sich so plötzlich, dass ich erschrocken zurückwich und mit den Waden gegen den Wohnzimmertisch prallte. Ich riss die Augen auf, als ich zu straucheln begann, und ruderte wild mit den Armen, um mein Gleichgewicht nicht zu verlieren. Doch Kaden hatte mich bereits an den Unterarmen gepackt. Perplex starrte ich auf seine Hände, die sich angenehm kühl auf meiner verschwitzten Haut anfühlten. Wahrscheinlich wegen des Bieres, das er bis eben noch gehalten hatte. Ich ließ meinen Blick von seinen Fingern über seine starken Arme zurück zu seinem Gesicht wandern. Zum ersten Mal fiel mir der Schwung seiner volleren Unterlippe auf sowie ein kleines Grübchen in seinem Kinn, das von den Bartstoppeln größtenteils verdeckt wurde.

Kaden schien mich genauso intensiv zu studieren wie ich ihn. Vermutlich konnte er sogar die wenigen Sommersprossen auf meiner Nase erkennen, so dicht, wie er vor mir stand. Ich fühlte seinen Brustkorb an meinem und erahnte seinen Herzschlag.

Dann blinzelte er und der Moment war vorbei.

Augenblicklich ließ er mich los und stürmte an mir vorbei aus dem Wohnzimmer.

Ich rang nach Atem und hoffte inständig, dass das alles unbemerkt an Dawn und Spencer vorbeigegangen war. Als ich mich umdrehte, hatten beide den Kopf in Richtung Flur gedreht, von wo lautes Scheppern zu hören war.

Kaden erschien im Türrahmen. »Hier«, sagte er schroff und hielt einen dunkelgrünen Koffer in die Höhe. »Wehe, du machst irgendeinen Scheiß damit.«

»Du könntest auch einfach kurz helfen, statt dich wie ein Arschloch aufzuführen«, schlug Dawn mit einem süßen Lächeln vor. Sie konnte offenbar ein richtiger kleiner Teufel sein, wenn sie wollte.

Ich mochte diese Seite an ihr, aber großer Gott, wenn sie nicht bald freundlicher zu Kaden wäre, würde ich sie eigenhändig erwürgen müssen. Mir missfiel seine unfreundliche Art genauso wie ihr, und am liebsten hätte ich ihm eine fiese Bemerkung nach der anderen an den Kopf geworfen. Irgendjemand musste ihm schließlich mal einen Realitätscheck verpassen. Aber egal wie unerträglich ich Kaden fand – ich würde die folgenden Monate mit ihm auf engem Raum verbringen müssen. Da wollte ich ihn erst einmal nicht unnötig reizen, schon gar nicht nach so kurzer Zeit des Zusammenlebens. Dafür konnte ich ihn und unsere Situation noch nicht gut genug einschätzen.

»Ich glaube, ich schaffe das schon alleine«, sagte ich deshalb schnell und lief zu Kaden, um ihm den Koffer abzunehmen. Er war viel schwerer, als ich erwartet hatte, und wäre fast auf den Boden geknallt, hätte ich nicht schnell den zweiten Arm dazugenommen. War ja klar, dass der Kerl keinen stinknormalen Werkzeugkoffer, sondern irgendeine Sonderausführung besaß, mit etlichem Zubehör, den wahrscheinlich nie jemand brauchen würde.

»Ich helfe euch«, verkündete Spencer und lief quer durchs Wohnzimmer. »Wo ist das gute Stück?«

Ich ignorierte Kadens wütenden Blick und folgte Spencer zu meinem Zimmer. Die Tür stand offen, doch bevor er eintrat, warf er einen fragenden Blick über seine Schulter. Ich nickte.

»Oh wow! Hier hat sich aber einiges verändert, seit Ethan ausgezogen ist.«

Spencer nahm die Duftkerzen und Lichterketten in Augenschein, warf einen Blick hinter die Zimmertür und betrachtete die Kommode und die Regale, in die ich bereits ein paar Habseligkeiten gestellt hatte. Meine Parfumflakons waren fein säuberlich nebeneinander aufgereiht, ebenso ein paar Schuber, in denen ich Papierkram lagern würde. Meine Schuhe standen in Reih und Glied auf der Kommode, die Lichterketten waren quer über den Schreibtisch gespannt und provisorisch um Nägel gewickelt, die noch in der Wand gesteckt hatten.

»Hier riecht es, als hätte jemand Unmengen Vanilleeis gegessen und sich dann mitten auf den Boden erbrochen«, ertönte Kadens Stimme dicht hinter mir.

Ich drehte mich um.

Kaden nahm naserümpfend das Chaos auf dem Boden in Augenschein, dann drängte er sich an mir vorbei und ging vor den Keilen des Schlafsofas in die Hocke.

»Da fehlen Löcher«, erläuterte ich. »Wir haben schon versucht, die Teile umzudrehen, aber das hat auch nicht geklappt. Also dachte ich«, ich stellte den Werkzeugkoffer ab, ging zu Kaden und deutete über seine Schulter auf das Holzstück, das fehlerhaft verarbeitet war, »dort müssen welche gebohrt werden. Ich glaube, dass es dann passen dürfte. Allerdings ist da auch noch ein Stück, das zu lang ist.«

»Vielleicht könnte man es absägen«, schlug Dawn vor.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Dann franst das Holz aus und bricht. Das Ding muss mich beim Schlafen aushalten. Am Ende traue ich mich nicht, irgendetwas auf dem Bett zu machen.«

Kaden sah von unten zu mir hinauf. Zwischen dem dichten Wimpernkranz konnte ich seine Augen funkeln sehen. »Das wäre natürlich ziemlich schade.«

Ich verdrehte die Augen. Spencer lachte leise, und auch ihm warf ich einen vernichtenden Blick zu. War ja klar. Wahrscheinlich würde ich mich an diese Art Humor gewöhnen müssen, wenn ich ab sofort ständig von Männern umgeben war.

»Ich glaube nicht, dass ich dafür verantwortlich sein möchte, wenn Allie sich nicht mehr traut, gewisse Dinge auf ihrem Bett zu veranstalten«, sagte Spencer wehmütig und legte eine Hand auf seinen Brustkorb. »Dagegen müssen wir etwas unternehmen, Mann.«

Zum allerersten Mal sah ich Kaden White grinsen. Es war schön – richtig ehrlich. Er grinste nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Augen. Kleine Fältchen bildeten sich darum, und ein schelmisches Funkeln war in dem Karamellton seiner Iris zu erkennen. »Du hast recht. Das können wir nicht verantworten.«

Mit diesen Worten zog er den Werkzeugkoffer zu sich heran, klappte die Schnallen auf und griff nach der Bohrmaschine.

»Mein Gott, ich bin fix und fertig«, stöhnte ich und ließ mich auf die Couch im Wohnzimmer fallen. Dawn folgte mir wenig später und lehnte ihren Kopf an meine Schulter.

»Ich auch. Ich glaube, ich werde mich nie wieder bewegen können.« Sie hob probehalber den Kopf ein Stück. Sofort sackte er zurück. »Siehst du?«

»Das ist echt ungünstig«, sagte Spencer, der auf der anderen Seite des U-Sofas saß. »Wenn ich mich nicht irre, hat Kaden für später ein paar Leute eingeladen.«

»Oh.« Sofort begann ich, fieberhaft zu überlegen, was das wohl für mich bedeutete. Würde ich mich in meinem Zimmer verschanzen müssen? Oder war »ein paar Leute einladen« etwa ein Code und mein Mitbewohner würde heute Abend eine Party schmeißen? So war es bei uns in Denver immer gewesen.

»Keine Sorge. Ich glaube, er hat nicht vor, eine Orgie zu veranstalten.« Spencer zwinkerte. Mir fiel auf, dass er das erstaunlich oft tat. Warum er sich so sehr darum bemühte, die Stimmung in unserer Wohnung zu kitten, war mir ein Rätsel. In manchen Momenten wirkte seine Freundlichkeit auf mich fast etwas erzwungen. Nichtsdestotrotz konnte ich ihn gut leiden.

»Ich könnte eigentlich auch gleich schlafen gehen«, sagte ich nachdenklich. »Wärst du dabei?«

»Also ich wäre sofort dabei«, antwortete Spencer grinsend.

Dawn und ich sahen ihn mit hochgezogenen Brauen an.

Er hob entschuldigend die Hände. »Sorry, aber wenn du so eine Steilvorlage lieferst …«

Kopfschüttelnd erwiderte ich sein Grinsen.

Dawn gähnte laut an meiner Schulter. »Ich fürchte, ich muss gleich rüber. Heute hab ich sturmfrei, außerdem wollte ich meinen Dad noch anrufen.«

»Klar, kein Problem. Soll ich dich fahren?«

»Nein, ach was. Ich brauche nur zehn Minuten. Mach du dich mal frisch und leb dich ein. Wir haben ja nicht umsonst den ganzen Tag geackert.« Sie richtete sich auf und streckte ihre Arme über den Kopf. »Oh, ich werde richtigen Muskelkater bekommen.«

»Ich auch!« Stöhnend rieb ich mir die Schultermuskeln, die es besonders schlimm erwischt hatte. »Zum Glück haben wir morgen frei. Ansonsten würde ich in meinen Kursen wie ein Roboter herumlaufen.«

Dawn lachte, und gemeinsam gingen wir in Richtung Flur. An der Wohnungstür umarmte ich sie fest. »Danke. Du hast mich gerettet. Alleine hätte ich das niemals hinbekommen.«

»Doch, hättest du. Du bist eine starke, unabhängige Frau«, erwiderte Dawn übertrieben ernst, und wieder musste ich grinsen. »Schreib mir wegen Montag. Dann können wir uns vor den Vorlesungen noch einen Kaffee holen.«

Dawn studierte auch Englisch als Hauptfach, allerdings hatte sie andere Nebenfächer als ich gewählt. Ich freute mich schon auf unsere gemeinsamen Vorlesungen. So würde ich wenigstens nicht die gesamte Zeit alleine über den riesigen Campus irren müssen.

»Klar, mach ich. Und mein Angebot steht: Wenn deine Mitbewohnerin nervt, dann komm einfach rüber.«

»Mach ich.« Bevor Dawn ins Treppenhaus verschwand, rief sie noch einmal über den Flur in Richtung Wohnzimmer: »Tschüss, Jungs!«

Ich hörte ein Murmeln, das mit Sicherheit von Spencer kam und nicht von Kaden. Dawn warf mir noch einen letzten Lass-dich-bloß-nicht-unterkriegen-Blick zu, dann zog sie die Tür hinter sich ins Schloss, und ich war allein.