BEHIND BARS - Marina Ocean - E-Book

BEHIND BARS E-Book

Marina Ocean

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Beschreibung

Ihr denkt, Knast ist easy? Ja, klar! Dann habt ihr absolut keine Ahnung! Ich habe getötet! Aus gutem Grund? Urteilt selbst … Nun bin ich ein Mörder, den man hinter Gittern weggesperrt hat. Dort bin ich in einer Hölle gelandet, in der meine Würde mit Füßen getreten wird. In der ich wie ein Tier behandelt werde. Umgeben von anderen Verbrechern und undurchsichtiger Korruption, muss ich täglich um mein nacktes Überleben kämpfen. Und dann kommt sie. Ein neunmalkluges Psycho-Mäuschen. Sie ist viel zu neugierig. Sie kotzt mich an! Und dummerweise geht sie mir so richtig unter die Haut. Fuck! Es ist ihr Job, sich in mein verdammtes Hirn einzuklinken, doch dem Monster in mir ist sie sicher nicht gewachsen! Und der Gefahr, in die sie sich dadurch begibt, noch viel weniger … Doch niemand legt Hand an mein Mädchen! Sag mir, wie weit würdest DU gehen, um andere zu beschützen? Achtung Triggerwarnung! Das Buch enthält deutlich beschriebene Szenen sowie eine explizite Sprache. Für Personen mit traumatischen Erfahrungen ist dieses Buch eventuell nicht geeignet.

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Impressum

© / Copyright: 2021 Marina Ocean

Marina Oceanc/o Autorenservice Gorischek

Am Rinnergrund 14/5

8101 Gratkorn

Österreich

[email protected]

3. Auflage, Vorgängerausgabe 2020      

Umschlaggestaltung: Marina Ocean; Bilder: https://fotolia.com;       Lektorat, Korrektorat: Nova Cassini, M.J.River, Nika Sakraf, Joan Jett. Marina Ocean

Distribution im Auftrag des Autors:tolino media GmbH & Co. KGAlbrechtstr. 1480636 München

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Inhalt

 

Behind Bars – Gefährliches Verlangen hinter Gittern

Ihr denkt, Knast ist easy? Ja, klar! Dann habt ihr absolut keine Ahnung!

Ich habe getötet! Aus gutem Grund? Urteilt selbst …Nun bin ich ein Mörder, den man hinter Gittern weggesperrt hat. Dort bin ich in einer Hölle gelandet, in der meine Würde mit Füßen getreten wird. In der ich wie ein Tier behandelt werde. Umgeben von anderen Verbrechern und undurchsichtiger Korruption, muss ich täglich um mein nacktes Überleben kämpfen.

Und dann kommt sie. Ein neunmalkluges Psycho-Mäuschen.Sie ist viel zu neugierig.Sie kotzt mich an!Und dummerweise geht sie mir so richtig unter die Haut. Fuck!

Es ist ihr Job, sich in mein verdammtes Hirn einzuklinken, doch dem Monster in mir ist sie sicher nicht gewachsen! Und der Gefahr, in die sie sich dadurch begibt, noch viel weniger … Doch niemand legt Hand an mein Mädchen!

Sag mir, wie weit würdest DU gehen, um andere zu beschützen?

 

Vorwort

 

Hallo.

Es freut mich sehr, dass du mein Buch lesen möchtest. Davor ist es mir jedoch ein Anliegen, noch ein paar Informationen an dich zu richten, die mir wichtig sind.

In diesem Buch finden einzelne Protagonisten oft deutliche Worte. Sie fluchen, prügeln und ihre Wortwahl ist von Kraftausdrücken durchzogen. Stellenweise wird es brutal und es gibt Abschnitte, (das sage ich jetzt deutlich!) bei denen Handlungen gegen den Willen der Protagonisten erfolgen! Auch die erotischen Szenen sind wieder explizit beschrieben. Falls du mit genannten Dingen ein Problem haben solltest, ist dieses Buch definitiv nichts für dich! In diesem Fall lege es bitte zur Seite und nimm gerne eine andere Lektüre zur Hand. Vielen Dank! Für Personen mit traumatischen Erlebnissen, könnte das Buch ebenfalls nicht geeignet sein. Deshalb spreche ich an dieser Stelle eine Triggerwarnung aus.

Allen anderen, die meine Bücher trotzdem lesen möchten, sei gesagt, dass auch diese Story wieder auf Tatsachenberichten beruht. Sicherlich hat sich nicht alles so zugetragen, wie es von mir beschrieben wird, allerdings würdet ihr euch wundern, wie viele Punkte dieser Geschichte wahr sind. Wer meine Bücher kennt, der weiß, dass ich in meinen Romanen gerne einmal Themen anspreche, die oft unschön sind, aber der Realität entsprechen. Ich gehe auf Geschehnisse ein und baue eine Geschichte drum herum, um diese in die Gesellschaft zu tragen und zum Nachdenken anzuregen. So auch in diesem Fall:

Ein Straftäter wird niemals als solcher geboren. Oft sind es die äußeren Umstände, die ihn dazu treiben, ein Verbrechen zu begehen. Jede Tat wurde aus einem ganz bestimmten Grund begangen, auch wenn dieser ohne Zweifel für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar, geschweige denn gerechtfertigt ist.

In den Gefängnissen sitzen teilweise böse Männer und Frauen, die mit Sicherheit große Fehler in ihrem Leben begangen haben. Ich will absolut nichts beschönigen, Verbrechen gehören bestraft! Punkt. Doch selbst diese Menschen haben vor dem Gesetz ein Recht auf Würde. In den meisten Haftanstalten steht das außer Frage! Abseits dessen gibt es auch hier immer wieder Fälle, bei denen es mit der Menschenwürde nicht ganz so genau genommen wird. In diesem Buch habe ich ebendiese Themen aufgegriffen, auch wenn die meisten hier erheblich überspitzt beschrieben werden.

Damit möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Obwohl einige grundlegende Dinge in diesem Buch durchaus der Wahrheit entsprechen, ist diese Geschichte rein fiktiv und stellt keinen Tatsachenbericht dar!

Ich will damit nichtsdestotrotz aufzeigen, dass das Los der Justiz und Gerechtigkeit mit Sicherheit kein leichtes ist und oftmals verschwimmen die Grenzen von Recht und Ordnung. Wen bestraft man? Wo zieht man die Grenze? Und was macht man mit Straftaten, bei denen uns der innere Gerechtigkeitssinn vorgaukelt, dass Selbstjustiz angebracht wäre?

Ich habe in dieser Geschichte wieder ein Thema aufgegriffen, über das man gerne stundenlang diskutieren kann und lade euch dazu ein, euch euer eigenes Bild zu machen.

Und nun wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen.

Eure Marina

 

Begriffserklärung

 

- H (englisch ausgesprochen) → Heroin

- Gras → Marihuana

- Crystal (Meth) → Methamphetamin: synthetisch hergestellte Rauschdroge

- Benzodiazepin → Substanz mit u.a. sedierender, hypnotischer und muskelrelaxierender Wirkung

- Lorazepam→ Arzneistoff aus der Gruppe der Benzodiazepine

- Antidot → Gegenmittel zu Giften, Toxinen, Medikamenten oder anderen Substanzen, die auf einen Organismus Einfluss nehmen

- Beef haben → Stress mit jemandem haben

- Achter → unter Häftlingen umgangssprachliches Wort für Handschellen

- Schnee → Kokain oder Heroin (weiße, pulverförmige Droge)

- Tilidin → Verschreibungspflichtiges, starkes Schmerzmittel (Opiat), das Rauschzustände und Abhängigkeit verursachen kann

- Lidocain → örtlich wirksames Betäubungsmittel mit bitterem Geschmack

 

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Vorwort

Begriffserklärung

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Raph

Kapitel 1

Raph

Kapitel 2

Raph

Kapitel 3

Ari

Kapitel 4

Raph

Kapitel 5

Ari

Kapitel 6

Ari

Kapitel 7

Raph

Kapitel 8

Raph

Kapitel 9

Ari

Kapitel 10

Ari

Kapitel 11

Raph

Kapitel 12

Raph

Kapitel 13

Ari

Kapitel 14

Raph

Kapitel 15

Raph

Kapitel 16

Raph

Kapitel 17

Ari

Kapitel 18

Raph

Kapitel 19

Raph

Kapitel 20

Ari

Kapitel 21

Raph

Kapitel 22

Ari

Kapitel 23

Raph

Kapitel 24

Raph

Kapitel 25

Ari

Kapitel 26

Raph

Kapitel 27

Ari

Kapitel 28

Raph

Kapitel 29

Ari

Kapitel 30

Raph

Kapitel 31

Raph

Kapitel 32

Raph

Epilog

Ari

Raph

Danksagung

Lese-Empfehlung

 

 

***

 

Gewidmet all jenen, die durch die Dunkelheit gehen

und trotzdem niemals aufgeben.

Für alle, die an sich glauben,

die ihre Ziele niemals aus den Augen verlieren

und die konsequent ihren Weg beschreiten,

egal wie unwegsam dieser auch sein mag.

Vertraut auf euch, euren Willen und eure Fähigkeiten,

denn das Glück will von euch gefunden werden.

 

***

 

 

 

 

 Prolog

 

Raph

»Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte ist schuldig des Totschlags in Tateinheit mit Körperverletzung. Das Gericht verhängt dafür eine Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren und sechs Monaten. Zur Anwendung kommen die Paragrafen §212 Abs. 1, §213, §224 Abs.1 Nr. 5, §226 Abs 1 Satz 3 Abs. 2 ...«

»Gott, wie langweilig! Können wir uns den Scheiß nicht einfach sparen? Wie wäre es mit: Der Angeklagte wird verurteilt und gut ist. Versteht jeder«, murmele ich vor mich hin, wobei mir mein Anwalt zischend andeutet, dass ich jetzt den Mund halten soll!

»... des Strafgesetzbuchs. Der Haftbefehl vom 26.06.2015 bleibt aufrechterhalten. Bitte nehmen Sie Platz!«

Ein kurzes Raunen geht durch den Gerichtssaal und wir setzen uns. Ich schließe meine Lider und blende alles aus, obwohl das gar nicht so einfach ist, wenn alle Augen auf mich gerichtet sind. Das ist so unwirklich. Hätte mir vor einem Jahr jemand erzählt, dass ich einmal auf die schiefe Bahn geraten würde, hätte ich denjenigen ausgelacht! Ich und eine Verurteilung? Im Leben nicht!      Und jetzt? Jetzt sitze ich hier in Handschellen und nehme teilnahmslos mein Urteil entgegen. Es bleibt mir ja auch gar nichts anderes übrig! So schnell können sich die Dinge ändern.

Dabei hatte ich mein Leben im Griff gehabt, alles war gut gewesen, bis eben zu jenem Tag. Seither suchen mich Albträume heim. Nacht für Nacht quälen sie mich und rauben mir die Erholung, torpedieren meinen Schlaf. Bin ich nicht schon genug bestraft? Alles hat sich verändert, seit dem 26. Juni, dem Tag, an dem sich meine Welt aufgehört hat zu drehen. Seitdem ist alles anders und ich muss nun mit den Konsequenzen leben.

Meine Gunst habe ich verspielt, doch das ist mir gleich. Ich hatte das Recht dazu, es zu tun und habe die Chance genutzt, um die Ordnung wiederherzustellen. Was die Justiz dazu sagt, ist mir scheißegal, denn auf ihr Urteil gebe ich sowieso einen feuchten Dreck. Und lieber gehe ich in den Knast, als zu wissen, dass dieser Bastard noch einen einzigen Atemzug nehmen kann.

Ja, ich stehe zu meiner Tat, denn sie ist gerecht. Das wird sie immer bleiben. Daher recke ich nun meinen Kopf nach oben, sehe dem Richter fest in seine Augen und nehme äußerlich gelassen die Urteilsbegründung entgegen.

»Herr Neumann hat einem Menschen das Leben genommen. Daran besteht für das Gericht kein Zweifel. Unter Berücksichtigung und ausführlicher Würdigung der einzelnen Beweise, muss festgestellt werden, dass dabei die besonderen ›Mordmerkmale‹ nicht gegeben waren. Zumindest sind diese nicht nachweisbar, weshalb eine Verurteilung wegen Mordes ausgeschlossen werden kann. Nach Ansicht des Gerichts geschah der Totschlag im Affekt, da der Angeklagte durchaus in einem Erregungszustand des kraftvollen Zorns gehandelt hat, was als tatmildernder Aspekt Berücksichtigung finden muss. Herangezogen werden dafür als Beweise die Aussagen …«

Ich weiß, dass meine Eltern im Saal sitzen und mich anstarren. Vermutlich hat meine Mutter sogar Tränen in den Augen, doch ich sehe mich nicht um. Ihren Anblick könnte ich nicht ertragen. Seit ich in Haft genommen wurde, habe ich keinen Ton mehr mit ihnen gesprochen. Es reicht mir wirklich, dass sie vermutlich morgen mein Gesicht in der Zeitung sehen werden, wenn die Presse über meine Verurteilung berichten wird.

Sie haben mich in Untersuchungshaft besucht, mich angefleht, den Mund aufzumachen, doch ich blieb stumm. Die einzige Person, mit der ich seitdem gesprochen habe, ist mein Anwalt, Andreas von Sahlheim. Mein Vater hat ihn engagiert und sich dafür vermutlich hoch verschuldet. Er ist sein Geld wert, keine Frage. Aber ist das, was er versucht … das, was meine Eltern wollen, auch das, was ich will?

Auch wenn Andreas vor Gericht beteuert hat, dass ich dem Arschloch lediglich körperlichen Schaden zufügen wollte, stimmt das nicht ganz.Ich hatte vor ihm die Fresse zu polieren, ja. Doch es war ebenso mein Ziel, ihn umzubringen! Ich war fest entschlossen, ihn dafür bezahlen zu lassen, für das, was er getan hat. Er hat mich beraubt! Macht mich das zu einem schlechten Menschen? Dass ich Selbstjustiz habe walten lassen? Sicher nicht! Zu einem guten jedoch bestimmt genauso wenig.

»Notwehr kann angesichts des eindeutig belegten Tatherganges ausgeschlossen werden ...«

Seit etwa einer halben Stunde sitzen wir schon hier und der Richter ist immer noch nicht fertig mit seinem Monolog. Nachdem der Sachverhalt ausführlich vorgetragen worden ist und im Detail erläutert wurde, inwieweit die Beweise überzeugt haben, ging das Gericht auf die Plädoyers von Verteidiger, Nebenklagevertreter und Staatsanwalt ein.

Am liebsten würde ich meinen Kopf einfach auf die Tischplatte legen und einschlafen! Dieses hochgestochene Juristendeutsch kann sich auf Dauer keiner anhören, ohne dass die Ohren anfangen zu bluten. Es ist so unglaublich ermüdend, diesem Müll zu folgen, weil ich davon sowieso nur die Hälfte verstehe. Und nun maßen sie sich auch noch an, eine psychologische Begutachtung meiner Person zum Besten geben zu können. Wann ist diese Farce bloß endlich zu Ende?

»Die Strafe kann aufgrund ihrer Höhe nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Gegen dieses Urteil können Sie binnen vier Wochen Berufung …«

»Ja, ist gut jetzt«, murmele ich nur.

Mein Hirn schaltet ab und ich höre nicht mehr hin. Andreas raunt mir schon zu, dass er auf jeden Fall Berufung einlegen wird, obwohl der Richter momentan noch die Schlussinformationen vorträgt, doch ich schüttele den Kopf, sehe dabei aus dem Fenster. Es regnet in Strömen und das Wetter passt damit zu meiner Stimmung. Besser noch, es passt zu meinem Leben!»Nein. Ich trete diese Strafe an«, erwidere ich fest entschlossen. Nachdem ich die Worte ausgesprochen habe, schaue ich mit standhaftem Blick zu ihm hinüber. Erstaunt hebt er eine Augenbraue, doch ich nicke nur. Ich will, dass all das hier ein Ende hat. Die Ungewissheit, was weiter passiert, die vielen Wochen in Untersuchungs-haft … Mit dem Strafvollzug weiß ich wenigstens, woran ich bin. In U-Haft zu sitzen und nicht zu wissen, was morgen kommt, ist hingegen die Hölle! Das Urteil ist für mich endgültig und ich kann damit leben, denn jetzt weiß ich zumindest, wie es weitergeht und was mich erwartet. Ungefähr jedenfalls.

Zwar war ich noch nie im Knast, aber ganz im Ernst: Es wird keine dreckige Baracke im Ausland sein, wo ich vom Boden essen und nachts Angst haben muss, abgestochen zu werden. Wie schlimm kann das schon werden? Dort ist es warm, es gibt regelmäßige Mahlzeiten und ich muss mir keine Gedanken um meine Mietzahlungen machen. Die acht Jahre sitze ich auf einer Arschbacke ab!

Wenn man andere fragt, ist dies vermutlich so etwas wie meine gerechte Strafe, sodass ich da jetzt durchmuss, auch wenn ich die Sachlage selbst ein klein wenig differenzierter sehe. Aber gut, sie wollen es so und ich werde dahingehend Folge leisten. Was habe ich schon für eine Wahl, außer weiteren Monaten, in denen ich zwischen Bangen, Hoffen und dem Einstecken von neuen Tiefschlägen Tag für Tag in Haft oder im Gerichtssaal hocken muss? Bevor ich es nur noch schlimmer mache, ergebe ich mich meinem Schicksal. Ich halte das aus! Brechen werden sie mich dadurch sicher nicht!

Sie führen mich ab, sperren mich gleich wieder in eine Zelle wie ein Tier. Und wahrscheinlich bin ich das sogar. Unberechenbar, durchtrieben und angsteinflößend. Ein gemeiner und gefährlicher Verbrecher.Sollen sie doch denken, was sie wollen und mich tiefer in die Mühlen der Justiz hineinziehen! Es juckt mich nicht mehr.

 Kapitel 1

 

Fünf Jahre später.

 Raph

5:45 Uhr. Es hämmert gegen meine Zellentür und wie jeden Morgen folgt der unwirsche Befehl: »Aufstehen!«      Ich bin bereits seit zwei Stunden wach, so wie immer. Teilnahmslos liege ich auf meinem Bett und starre an die Decke, höre zu, wie die Sklaventreiber draußen von einer Zellentür zur nächsten gehen und die Prozedur unzählige Male wiederholen. Ich kann die Stimme des Wärters, der uns jeden Morgen weckt, nicht mehr hören. Die ganze Scheiße hier drin geht mir einfach nur noch gewaltig auf den Sack! Vor allem jedoch kann ich mich selbst nicht mehr ausstehen. Diesen Zustand ertrage ich nicht mehr. Die Luft ist endgültig raus.

Auch der Schlafmangel wird langsam übermächtig, denn die Nächte, in denen mein Körper so erschöpft ist, dass ich wie ein Stein schlafe, sind sehr selten geworden.Gerädert richte ich mich auf und bleibe einen Moment auf der Bettkante sitzen, sehe dabei nach draußen in den Himmel. An die Gitter vor meinem Fenster habe ich mich längst gewöhnt, an das Gefühl, eingesperrt zu sein, bis heute nicht. Von hier aus schaut man nur auf hohe Mauern und Stacheldraht. Alles ist braun und grau. Man fühlt sich wie in einem schlechten Film, aber die Kameras beweisen eindrucksvoll, dass das keine Bühne ist. Das hier ist bitterer Ernst. Sie zeigen uns damit, dass wir Scheiße gebaut haben. Richtige Scheiße. Unfassbar, wie schnell sowas gehen kann, denn es muss nur einer sterben, auch wenn das so nie geplant war. Acht Jahre Knast und plötzlich liegt deine Zukunft in Scherben! Und jetzt? Jeden Tag müssen wir uns diesen Mist hier ansehen, bis wir es kapiert haben. Bis es uns zu den Ohren rauskommt und wir kotzend in der Ecke sitzen. Aber ich kann nicht bereuen. Niemals!

Manchmal schaue ich den Vögeln sehnsuchtsvoll hinterher, doch momentan ist es noch zu dunkel, um draußen etwas erkennen zu können. Wenn ich sie jedoch sehe, dann beginne ich zu träumen. Niemand kann sie aufhalten, sie können fliegen, wohin sie wollen. Ich kann es nicht. Nicht mehr. Denn auch wenn ich in etwas mehr als drei Jahren diesen Trakt verlassen sollte, bin ich gezeichnet. Ich werde immer ein Ex-Knacki sein. Sie haben mir die Flügel gebrochen, als ich durch mein Verhalten meinen Lebenslauf gebrandmarkt habe. Doch nicht nur mein Lebenslauf ist jetzt im Arsch. Ich bin es dadurch auch.

Machen wir uns nichts vor. Keine Sau wird mich da draußen je wieder einstellen. Auch wenn mein Urteil auf Totschlag lautet, bin ich ein Mörder. Ein Schwer-verbrecher. Daran gibt es nichts zu rütteln und die Leute machen nun einmal einen großen Bogen um Menschen wie mich. Keiner will ernsthaft etwas mit einem wie mir zu tun haben. Verständlich. Gefängnisinsassen sind zweite Wahl, beschädigte Ware, die nicht ganz richtig im Kopf sind. Aber damit kann ich leben. Muss ich ja wohl auch.

Was die Leute draußen von mir denken, ist mir ehrlich gesagt herzlich egal! Ich weiß, dass ich das Richtige getan habe und nur das zählt. Sollen sie mich einsperren, sollen sie mich wie Dreck behandeln, es interessiert mich nicht. Weil ich mit mir im Reinen bin, zumindest, was diese Tat angeht.

Langsam erhebe ich mich, laufe zu meinem Schrank und suche mir saubere Kleidung raus. Anschließend gehe ich zum Waschbecken hinüber und mache mich kurz frisch, bevor ich mir die gewaschene Kleidung anziehe. Wie gerne würde ich jetzt duschen gehen, mir den kalten Schweiß von der Haut waschen, der sich heute Nacht wieder über mich gelegt hat. Das werde ich allerdings erst am Abend tun können, drüben, in den Gemeinschafts-duschen.

Noch nicht einmal einen verdammten Spiegel gibt es in meiner Zelle, denn mit diesem könnten Häftlinge ja wer weiß was anstellen! Zugegeben, unrecht haben sie damit nicht, trotzdem fehlt es mir unglaublich, morgens zumindest einen prüfenden Blick hineinwerfen zu können. Doch ich werde, wie jeden Morgen, damit klarkommen müssen, dass mir nun einmal keiner zur Verfügung steht. Aus diesem Grund habe ich mir meine Haare abrasieren lassen. Ich trage sie raspelkurz, weil es sowieso unnötig ist, sich hier aufzustylen. Außerdem bin ich so schneller fertig und morgens können sie auch nicht in alle Richtungen stehen. Es hat somit nur Vorteile.

Kurz nachdem ich fertig bin, geht die Zellentür auf und die üblichen Wärter entlassen uns in den Frühstücks-raum. Ein neuer Beamter steht daneben und beobachtet mich, als ich aus der Tür trete. Ich starre ihn an, kann sehen, wie er Schiss bekommt. Richtig, Freundchen! So läuft das hier! Die Anwesenheit der Häftlinge ist bedrohlich und durchaus beunruhigend. Gewöhn dich schon mal dran, würde ich ihm am liebsten ins Gesicht sagen. Aber natürlich ist das unnötig. Wird er schon noch früh genug erfahren.

Genau eine halbe Stunde haben wir Gefangenen jetzt Zeit, bevor unser Arbeitstag beginnt. Mein Job ist in der Wäscherei und ich hasse es! Ich könnte jeden Morgen kotzen, wenn ich die dreckigen, nach Schweiß riechenden Klamotten meiner Mithäftlinge waschen muss.

Aber ich kann mich glücklich schätzen, dass ich überhaupt arbeiten darf, denn das ist im geschlossenen Vollzug nicht selbstverständlich. Ich bekomme sogar ein Gehalt, wovon jedoch nur etwa die Hälfte auf ein elektronisches Konto ausgezahlt wird. Dieser Betrag steht mir zur Verfügung. Der Rest wird einbehalten und für die Zeit draußen angespart, wenn ich wieder rauskomme. Und mit Sicherheit verwenden sie auch einen Teil zur Kostendeckung meiner Verwahrung.

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass jeder Häftling den Steuerzahler ungefähr 100 Euro am Tag kostet, Gefangene in Sicherungsverwahrung sogar 450 Euro. Ob das stimmt? In diesem Betrag sollen unter anderem Medikamente, der Bau des Gefängnisses, Nebenkosten, psychologische Betreuung und Lebensmittel enthalten sein.      Zwar ist es per Gesetz vorgeschrieben, dass jeder Häftling arbeiten muss, in der Realität kann man aber längst nicht jedem eine solche Verantwortung übertragen. Zu groß ist die Gefahr, dass einige die Situation kaltblütig ausnutzen und ziemlichen Ärger anzetteln, um es mal nett auszudrücken.

Wer im Knast arbeiten darf, ist privilegiert. Eine Tätigkeit vertreibt nicht nur die Langeweile, man kann sich auch innerhalb der Gefängnismauern bewegen. Es versteht sich von selbst, dass sie einen jedoch nicht einfach so herumrennen lassen. Jeder wird vor Dienstantritt sowie bei Dienstende gefilzt und das ist gut so. Denn, falls Gegenstände aus den Arbeitsräumen verschwinden würden, ist der nächste Verletzte vorprogrammiert! Gerade wenn ich zum Beispiel an Dinge aus der Werkstatt denke, wird mir schlecht. Was man mit einer Schere, einer Zange oder einem Hammer alles anstellen kann … Viel Fantasie braucht man da nicht.

Zum Frühstücksraum müssen wir mehrere Schleusen passieren, die jetzt alle geöffnet sind, um den Strom an Häftlingen nicht ins Stocken zu bringen. Unser Zeitplan ist eng getaktet, Verzögerungen kann hier keiner gebrauchen. Denn spätestens dann, wenn Insassen nichts oder nicht genug zu essen hatten, will ich nicht in der Haut der Wärter stecken.

Zwei Minuten später ist der Raum bereits brechend voll. Sobald ich allerdings die anderen Gefangenen um mich herum habe, wächst meine Anspannung. Im Knast darf man keine Sekunde unaufmerksam sein, was ich vorher so nie erwartet hätte. Einmal nicht aufgepasst und man hat ein Messer im Rücken, denn davon gibt es in diesem Raum genug. Das ist bittere Realität! So schnell können die Wärter um uns herum gar nicht reagieren, also ist Aufmerksamkeit das oberste Gebot!

Ich traue hier niemandem und wenn man im Knast auf die Idee kommen sollte, einen besten Freund zu suchen, hat man definitiv nicht alle Tassen im Schrank oder ist so dämlich, dass man im Trakt sowieso keine Woche überlebt. Wahrscheinlich sogar beides.      Hier gönnt keiner dem anderen die Wurst auf dem Brot und jeder ist sich hinter den Mauern selbst der Nächste. Um jede Kleinigkeit wird gekämpft, Gefängnisse sind tickende Zeitbomben. Natürlich gibt es Arrangements unter den Häftlingen, das war es aber dann auch schon. Hinter Gittern herrscht der nackte Kampf ums Überleben, Tag ein, Tag aus. Friss und komm damit klar, oder stirb! Einzige Regel ist, dass es keine Regeln gibt! Alles, was dich schützen könnte, ist Respekt. Respektierst du die anderen, respektieren sie vielleicht auch dich. Wie gesagt: Vielleicht.

In meinen ersten Wochen und Monaten hier drin hatte ich es nicht leicht, musste mich permanent behaupten. Mal hatte ich Erfolg, mal ging es schief. Bei letzterem bin ich die Rangliste direkt einige Plätze nach unten gerutscht, was ich in den nächsten Tagen bitter zu spüren bekam. Schlägereien sind an der Tagesordnung und wenn es nicht gerade um die Rangordnung oder kleinere Rangeleien geht, die durch illegalen Drogenverkauf oder sonstige Dinge passieren, lautet das Motto: Immer auf die Schwachen.

Das Abschließen von Wetten auf den Sieger bewirkt, dass oft viele Naturalien den Besitzer wechseln. Es gibt so einiges, was im Knast sehr begehrt ist. Zigaretten, Drogen oder Gegenstände, die als Waffen fungieren können. Ich beteilige mich an solchen Kämpfen eigentlich nicht, egal ob mit Wetteinsatz oder als Teilnehmer, denn ich bin froh, wenn ich meine Ruhe habe. Aber ab und an muss man seine Stellung behaupten. Dann komme auch ich nicht drum herum, einem anderen zu zeigen, wer der Stärkere ist. Und jeder hier sollte seinen Rang kennen. Seinen, und den der Kerle, die unter und über einem stehen. Je höher der Rang, desto begehrter sind die Plätze, mit den oberen jedoch legt sich keiner freiwillig an. Es ist leicht, im Knast zu sterben, denn man ist im Vollzug mit tausend Persönlichkeiten auf engstem Raum zusammen.

Meinungsverschiedenheiten gibt’s täglich und nicht selten eskalieren diese. Jeder kann hier austicken und keiner weiß, wie ein Tag enden wird!

»Aus dem Weg, Jungs!«, brüllt plötzlich einer und ich verdrehe die Augen. Tommy läuft breitschultrig durch den Raum und rempelt dabei gezielt die neuen Gefangenen an. Ich kenne das Spiel bereits zur Genüge. Die Utensilien auf seinem Tablett, welches er durch die Gegend balanciert, werden nicht mehr lange darauf stehen und liegen bleiben. Und als könnte ich schon die Uhr danach stellen: Beim nächsten Zusammenstoß entleert es sich, genauso wie vermutet.

Polternd fallen Besteck und sein Plastikteller zu Boden. Natürlich probt er auch sogleich den Aufstand und macht den Kerl dumm an, gegen den er zuletzt gestoßen ist.      »Ey, Mann! Hast du keine Augen im Kopf?!«      »Was willst du Witzfigur denn von mir?«      »Witzfigur? Gegen mich hast du doch sowieso keine Chance!«

Ich bin genervt und die anderen ebenso. Vermutlich hat er gestern wieder aufs Maul bekommen, war mal wieder das Opfer und versucht nun, seinen Ruf wiederherzustellen. Der Typ ist nicht ganz dicht im Hirn! Er brüllt, pöbelt und wartet darauf, dass einer auf seine Provokation einsteigt. Immer, wenn sie ihn rauslassen, sucht er Stunk. Der Kerl ist Aggression pur.      Letztens hat er einem anderen Gefangenen ein Holzstück über den Kopf gezogen. Sofort war der ganze Boden voller Blut. Keine Ahnung, wo er das Ding herhatte. Vermutlich hat er vorher einen Stuhl zerlegt, oder so. Bei ihm muss man auf jeden Fall immer auf der Hut sein, denn auch Schmerzempfinden scheint er keines zu besitzen. Also stehe ich auf und laufe unauffällig in einem großen Bogen um ihn herum. Bock auf Konfrontation mit ihm habe ich definitiv keine. Wäre sowieso sinnlos.

Heute bin ich einer der Ersten, der sein Frühstück beendet und mache mich auf zum Türgitter, durch das ich wieder in den Flur hinauskomme. Wirklich lecker ist das Essen hier nicht, aber man gewöhnt sich daran. Solange es überhaupt etwas gibt, was ansatzweise nach Lebensmitteln aussieht, bin ich nicht wählerisch.

»Neumann?«Ich bleibe stehen, sehe den Wärter an, der mich gerade aufgerufen hat und warte darauf, was er von mir will.»Mitkommen. Termin bei der Anstaltsleitung. Ihre Schicht in der Wäscherei beginnt heute später.«Weshalb habe ich einen Termin? In den letzten Tagen habe ich mir nichts zu Schulden kommen lassen und mein Routinegespräch ist noch eine Woche hin. Warum also will man mich sehen?

Es ist unnötig, den Wärter danach zu fragen, denn er ist lediglich ausführendes Organ. Wissen tut er nichts, da bin ich mir sicher.      Dass ich jetzt zum Ausgang des Raumes eskortiert werde, bleibt aber auch den anderen nicht verborgen. Ruckartig gehen mehrere Köpfe hoch, als ich abgeführt werde.

Vor dem Frühstücksraum bekomme ich Handschellen angelegt, umgangssprachlich unter den Insassen auch Achter genannt, damit keine Gefahr mehr von mir ausgeht. Es wäre ja möglich, dass ich jemandem an die Gurgel gehe. Wenn die wüssten, dass das rein gar nichts hilft. Ich könnte sie mit zwei, drei Bewegungen kalt machen, alle zusammen. Doch nutzen würde mir das nichts, schließlich stünde ich dann immer noch vor verschlossenen Gittertüren und käme nicht sonderlich weit.

Argwöhnisch bewacht, laufe ich durch die Gänge. Eine Schleuse nach der anderen öffnet sich für mich, nur, um sich sofort darauf wieder zu schließen und gleich zwei Wärter folgen mir dabei auf Schritt und Tritt. Als ich endlich durch das Labyrinth an Fluren und Treppen beim besagten Büro des »Chefs« ankomme, wie wir den obersten Heini hier alle nennen, geht bereits die Tür auf. Man bedeutet mir, Platz zu nehmen und ich gehorche, allerdings nicht, ohne vorher noch einen argwöhnischen Blick auf die Beamten hinter mir zu werfen.

»Herr Neumann, wie geht es Ihnen?« Das Gesicht vor mir ist mir unbekannt. Anscheinend haben wir einen neuen Boss und ich frage mich, wo denn der andere Chef geblieben ist. Trotzdem bilde ich mir ein, den Kerl schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Ich kann ihn jedoch nicht zuordnen. Der Typ wirkt mir gegenüber so vertraut und ich würde gerne wissen, weshalb, denn ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, dass wir uns schon einmal begegnet wären. Vermutlich ist das nur seine Masche. Muss demnach wohl Einbildung sein.

»Als ob Sie das wirklich interessieren würde«, raune ich meinem Gegenüber zu. Dabei fällt mein Blick auf das Namensschild, welches vor seiner Tastatur steht. Wehrstein lese ich in Großbuchstaben. Sollte ich mir merken!      Tadelnd schnalzt er mit der Zunge, was mich aber nicht im Mindesten beeindruckt, schließlich bin ich kein kleines Kind mehr, bei dem diese Laute vielleicht Eindruck schinden würden.

»Wenn es mich nicht interessieren würde, hätte ich nicht gefragt!«, entgegnet er jetzt ebenso hart wie ich. Eine kleine Machtdemonstration seinerseits, die eigentlich vollkommen unnötig ist. Sowohl er, als auch ich wissen sehr genau, dass er von uns beiden am längeren Hebel sitzt. »Aber das tut auch nichts zur Sache. Sie sind hier, weil ich Ihnen ein Angebot unterbreiten möchte.« Das kann absolut nichts Gutes bedeuten. Ich kann ihn jetzt schon nicht leiden! Daher ziehe ich argwöhnisch eine Augenbraue nach oben und mustere den Kerl vor mir nun genauer.      »Ich verpfeife niemanden, vergessen Sie‘s!«      

Daraufhin seufzt er.      »Warum sind Sie so negativ eingestellt?«»Die Frage ist vielmehr: Warum nicht?«»Habe ich Ihnen denn schon einen Grund gegeben, misstrauisch zu werden? Oder mein Vorgänger?«      »Einen? Hunderte!«      

»Das führt offensichtlich zu nichts.«      »Sehr richtig!«      Meine letzte Antwort ignorierend, spricht er weiter, rollt dabei in seinem Chefsessel zur Seite und dreht einen Kuli in den Händen.»Sie kennen sicherlich Mathias Rungholt, nicht wahr?«      »Wer kennt diesen Psycho-Softie nicht?«, entgegne ich herausfordernd, doch immer noch ignoriert er mich.

»Herr Rungholt nimmt an einer deliktorientierten Psychotherapie teil. Dafür kommen wir ihm entgegen.«      »Was könnten Sie mir schon anbieten, dass ich ebenfalls auf so einen Quatsch einsteige?«Offensichtlich hat er sich diesmal doch dazu entschieden, auf meine Frage einzugehen, denn seine Antwort ist kurz und knapp.      »Vorzeitige Haftentlassung.«

 

 Kapitel 2

 

Raph

Angepisst feuere ich eine Waschladung nach der nächsten in die Waschmaschinen und stelle sie an. Wie kommen diese Flachwichser nur darauf, dass ich so eine Scheiße mitmachen könnte? Ich lasse mir sicher nicht im Hirn rumpfuschen! Alles, was durch meinen Kopf wabert, gehört mir! Mir allein! Da werde ich auch niemandem Einblicke geben oder sie daran teilhaben lassen.

Und ihre Medikamentencocktails können sie sich als Einlauf selbst in den Hintern schieben. Mit dieser Chemie lasse ich mich sicher nicht vollpumpen! Ich habe die anderen gesehen, die an solchen Therapien teilgenommen haben. Gestandene Männer waren sie, selbstbewusste Querulanten vor dem Herrn. Und jetzt schau sich einer diese armen Hunde an, die zu willenlosen Marionetten gemacht wurden. Nicht mit mir!

Solange ich klar denken kann, werde ich mich ihren Machenschaften sicher nicht unterwerfen. Niemals! Wild schnaufe ich vor mich hin, weil ich mich dermaßen darüber aufrege, wie diese Bastarde es wagen können, mir einen solchen Vorschlag zu unterbreiten. Für wen halten die mich denn? Ich bin kein Ja-Sager! Das war ich noch nie. Sie dürfen mich so oft ins Büro zitieren, wie sie wollen. Eine Therapie kommt überhaupt nicht in Frage. Selbst wenn sie mir zehn Jahre mehr geben, dafür, dass ich querschieße. Da mache ich nicht mit!

Die monotonen Drehbewegungen der Waschmaschinen um mich herum beruhigen mich auf eine merkwürdige Art und Weise. So lange ich der Wäsche dabei zusehe, wie sie sich immerzu im Kreis dreht, komme ich ein wenig runter. Immer weiter starre ich in eines der großen Bullaugen und frage mich, ob die da oben eigentlich noch ganz dicht sind. Ich möchte einen von diesen Trotteln mal hören, wenn sie sich einer solchen Behandlung unterziehen müssten. Keiner von denen würde das freiwillig machen, aber uns versuchen sie dazu zu zwingen. Da könnte ich geradezu aus der Haut fahren!

Diese Hilflosigkeit hier drin ist zum Kotzen. Gnadenlos sind wir der Willkür dieser Angeber ausgesetzt, die uns wie niedere Lebewesen behandeln. Wie gerne würde ich jetzt gegen eine dieser Maschinen treten, doch der Wachmann am Eingang zur Wäscherei beäugt mich schon die ganze Zeit mehr als kritisch, folglich verkneife ich es mir. Mit Sicherheit hat er längst bemerkt, wie aufgebracht ich bin. Und da ich es mir schlichtweg nicht leisten kann, einen Machtkampf anzuzetteln, versuche ich mich wieder in den Griff zu bekommen. Den Kürzeren würde sowieso ich ziehen, denn selbst wenn ich ausrasten und meine Wut an dem Wachmann auslassen würde, wäre ich danach am Arsch. Innerhalb von Sekunden hätte ich sicher gut zehn Beamte um mich herum, also beiße ich mir auf meine Zunge, bis ich Blut schmecke und schlucke meinen Zorn mitsamt des eisenhaltigen Geschmacks, der sich nun in meinem Mund ausbreitet, herunter.

Leon, ein Mithäftling, kommt auf mich zu gestapft, bringt einen weiteren Rollcontainer mit Wäsche und stellt ihn direkt neben mich.      »Na, schlechte Laune, Raph?«      »Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß!«, blaffe ich ihn an, doch Leon interessiert das nicht. Hier weiß jeder, dass sie mir alle vom Leib bleiben sollen und dementsprechend sind sie meine Wutausbrüche gewohnt. Grinsend hebt er die Hände und wendet sich wieder ab, um zu seiner Bügelwäsche zurückzukehren, für die er heute eingeteilt ist. Ist auch definitiv besser so für ihn.

Grimmig ziehe ich einzelne Kleidungsstücke aus dem neuen Container und beginne damit, die nächsten Wäscheberge nach Farben zu sortieren, um im Anschluss neue Waschladungen fertig zu machen. Dafür werde ich schließlich bezahlt!

 

***

 

Zwei Tage später laufe ich nach dem offiziellen Filzen von der Wäscherei kurz zu meiner Zelle, um mich umzuziehen. Ich habe gerade Feierabend gemacht und will heute noch im Trainingsraum vorbeischauen. Nach der Arbeit haben wir hier drin viel Freizeit und eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ist das Krafttraining. Erstens kann ich dabei meine Aggressionen abbauen, die sich tagsüber oft bei mir anstauen und zweitens ist es nie verkehrt, im Knast körperlich etwas darzustellen, damit Mithäftlinge nicht auf dumme Gedanken kommen. Wer sich mit mir anlegt, bereut es sofort und ich habe nicht vor, an dieser Tatsache etwas zu ändern.

Daher tausche ich meine Hose und mein weißes T-Shirt gegen eine graue Jogginghose und ein schwarzes Tank Top. Anschließend mache ich mich, natürlich von den wachsamen Augen der Wärter begleitet, auf den Weg ins Fitness-Studio.Vieles hier drin ist wie draußen. Es gibt einen Fußballplatz, Tischtennisplatten, Tischkicker und dazu ein Gym. Ja sogar ein Atelier haben die hier, für diejenigen, die sich nach ihrem Dienst künstlerisch betätigen wollen. Auch eine Bücherei ist im Knast eingerichtet. Die ist allerdings für jeden Pflicht. Einmal im Monat muss man sich zwei Bücher ausleihen und sie lesen. Das wird akribisch dokumentiert und abgefragt.

Natürlich kann man auch öfter hingehen, aber zwei Bücher im Monat sind das Minimum. Gehört zu den strengen Auflagen, da Weiterbildung hinter Gittern großgeschrieben wird. Dabei ist das eigentlich ein Witz, denn was bitte soll man bei einem Thriller oder Liebesroman schon lernen? Ich schätze mal, es gibt in diesen Büchern nichts, was wir Insassen nicht sowieso längst wüssten … Im positiven, genauso wie im negativen Sinne.

Lediglich diejenigen, die im Knast eine Ausbildung machen oder den Schulabschluss nachholen, sind von der Pflicht des Bücherlesens aus der Bibliothek befreit. Die haben vermutlich auch genug andere Bücher zum Lernen, deren Inhalt sie sich in den Kopf kloppen müssen.

Ich betrete den Raum und sichere mir direkt eine Hantelbank. Ohne mich groß umzusehen, beginne ich mit Aufwärmübungen und im Anschluss mit dem Training. Ich weiß, dass mich einige anstarren, aber davon lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen. Vermutlich ist es ohnehin nur der Neid, weil ich mehr drücke, als sie selbst.

Im Anschluss mache ich Butterfly und genieße den Schmerz in meinen Oberarmen, der Brustmuskulatur und meinen Schultern. Das Ziehen spornt mich noch weiter an, immer mehr zu geben und meinen Körper bis zum absoluten Limit zu treiben. Als ich auch damit fertig bin, schnappe ich mir eine Wasserflasche aus dem bereitstehenden Automaten, dann geht’s hinüber zur Beinpresse.

Drei Stunden später beginnen meine Muskeln vor Erschöpfung zu zittern. Ich setze mich einen Augenblick, muss erst einmal wieder zu Atem kommen. Dabei greife ich eines der Handtücher aus dem Regal und wische mir den Schweiß vom Körper. Anschließend werfe ich es direkt in einen der Container, die morgen früh wieder bei mir in der Wäscherei landen werden.

»Neumann?«      Ich sehe auf und dem Wachmann direkt ins Gesicht, der mich aufgerufen hat.      »Mitkommen!«, diktiert er und ich erhebe mich. Sie holen mich wieder, ich weiß es, doch meine Antwort bleibt dieselbe! Das Theater könnten sie sich praktisch auch sparen.

Erneut klicken die Handschellen und ich werde kurz darauf wieder durch das Labyrinth von Gängen geführt, die mich zum Büro des Chefs bringen. Mein Aufpasser klopft, öffnet dann die Tür und tritt ein. Ich folge ihm und man bedeutet mir, mich wieder auf den Stuhl vor dem großen Schreibtisch zu setzen.

»Hallo Herr Neumann! Wie ich sehe, waren Sie trainieren?«      Ich antworte nichts, denn was soll ich dazu auch sagen? Es ist offensichtlich, wo ich war, denn meine Kleidung ist vollkommen durchgeschwitzt.

»Ich wollte noch einmal nachfragen, ob Sie sich das mit der Psychotherapie überlegt haben?«»Weshalb sollte ich?«      »Nun, ich erachte die in Aussicht gestellte Haftverkürzung als Anreiz genug.«      »Sie vielleicht.« Bei meiner Antwort verziehe ich vor Ekel das Gesicht und wende mich ab.»Sie tun ja gerade so, als wäre das etwas Schlimmes.«      »Dann machen Sie doch eine Therapie, wenn Sie so scharf drauf sind. Ich jedenfalls bin vollkommen gesund und brauche so einen Schwachsinn nicht.«

Jetzt seufzt er wieder. Anscheinend spürt er, dass er da bei mir auf Granit beißt.      »Ist das Ihr letztes Wort?«, fragt er nun. »Noch haben Sie die Möglichkeit, es sich anders zu überlegen.« Eindringlich sieht er mir ins Gesicht, als er sich wieder zu mir zurückdreht und beugt sich dabei ein wenig nach vorne über die Schreibtischplatte. »Sonst müssen wir andere Maßnahmen in Betracht ziehen.«      »Sie wollen mich zwingen?«      »Wenn es nicht anders geht, ja.« Ohne es zu beschönigen, legt er die Fakten auf den Tisch und gibt es auch noch zu. Ich kann nicht fassen, dass er mir tatsächlich droht, ohne nur einmal mit der Wimper zu zucken. Der ist krank! Fragt sich, wer hier mal eine Therapie machen sollte.

Die Wut in mir wächst. Mein Hass auf diesen Mann steigert sich plötzlich ins Unermessliche. Diese verdammten Wichser glauben echt, dass sie mich unter Druck setzen könnten?Fest fixiere ich seine Augen mit meinem Blick, beuge mich ebenfalls ein kleines Stück zu ihm hinüber und antworte mit drohendem Unterton.      »Schieben. Sie. Sich. Ihre. Scheiß. Therapie. In. Ihren. Verfickten. Arsch!« Ich betone jedes einzelne Wort und muss mich beherrschen, nicht auf ihn loszugehen. Doch der Drecksack sitzt mir trotzdem noch seelenruhig gegenüber und beginnt nun zu lächeln, was mich noch mehr zur Weißglut treibt.

»Wieso nur wusste ich, dass Sie so etwas in der Art sagen würden?« Entspannt lehnt er sich daraufhin in seinem Schreibtischsessel zurück und bedeutet dem Wachmann, mich abzuführen. Der packt mich am Arm und will mich hochziehen, doch ich entreiße mich ihm und erdolche ihn mit meinem Blick, während ich selbst aufstehe.      »Pack mich noch einmal an, und ich mach dich fertig!«, spucke ich ihm entgegen. Er zuckt zurück, sieht hilfesuchend zu seinem Boss hinüber, doch der nickt ihm bloß zu. Ich habe ein absolutes Scheißgefühl, kann es aber nicht greifen. Irgendwas ist im Busch, und ich will hier einfach nur raus, lasse mich daher aus dem Büro begleiten und mache mich, zusammen mit dem Wachmann, wieder auf, in Richtung meiner Zelle. Vermutlich werden sie mich dort für den Rest des Abends einsperren, allerdings ist mir das scheißegal. Sollen sie nur machen!

Ein Türgitter zum Flur wird mir geöffnet und ich gehe hindurch, laufe zum nächsten hinüber und warte, dass der Wachmann folgt, um mir das nächste ebenfalls aufzuschließen. Doch das passiert nicht. Stattdessen geht neben uns im Flur eine Tür auf und mir wird klar, dass sie diese Schleuse genau für diese Zwecke benutzen, denn in keiner anderen habe ich zuvor eine solche Seitentür gesehen.

Immer mehr Wachmänner stürmen aus der Tür und zusätzlich drei Männer in Kitteln. Sie folgen den anderen und alle kommen jetzt auf mich zu, kreisen mich ein. Shit! Was wird das denn hier für eine kranke Nummer?

Als der Erste mich packt, wehre ich mich und schlage ihm meine noch immer mit Handschellen gefesselten Hände ins Gesicht. Der nächste kommt, dem ich gegen seine Kniescheibe trete und dem Dritten gebe ich dabei eine Kopfnuss. Ich funktioniere nur noch, wehre immer mehr von ihnen ab, die fast gleichzeitig auf mich losgehen und kurz drauf vor Schmerz aufheulen.

Doch wenig später sind es schon viel zu viele, die mir auf die Pelle rücken. Ich kann sie nicht alle gleichzeitig abwehren, was schließlich zum Unvermeidlichen führt. Sie überwältigen mich, werfen mich zu Boden und fixieren mich dort. Ich schreie, brülle und drohe ihnen, doch das interessiert sie alle nicht. Keuchend ringe ich nach Atem, wehre mich nach Leibeskräften, doch nach dem harten Training bin ich bereits vollkommen ausgepowert. Mit Sicherheit war es kein Zufall, dass sie mich heute nach dem Sport hierher zitiert haben! Ich habe keine Chance, beschimpfe sie daher ohne Unterlass und mache ihnen die Sache zumindest so schwer wie möglich. Zwischendurch treffe ich immer nochmal jemanden, als ich mal meine Arme oder ein Bein befreien kann, doch die Griffe werden immer übermächtiger. Sie fesseln mich, legen mir einen Knebel an und ich bekomme kaum noch Luft, wodurch meine Gegenwehr zugegebenermaßen deutlich nachlässt.

Inzwischen zähle ich elf Männer, die mich festhalten und versuchen zu bändigen, zusätzlich zu denen, die am Boden liegen und sich irgendein Körperteil halten vor Schmerz. Ihre Anzahl ist beileibe noch nicht das Schlimmste, denn nun sehe ich im Augenwinkel, wie einer der Typen in weißem Kittel eine Spritze aufzieht und auf mich zuschreitet. Wilde Panik erfasst mich, ein weiteres Mal bäume ich mich auf.

»Verdammt! Haltet ihn gefälligst fest, so geht das nicht«, ruft der Kittelträger aus und sofort legen sich drei Männer mit ihrem vollen Gewicht auf mich, um mich ruhig zu stellen. Ich keuche, weil mir jetzt auch das letzte bisschen Luft aus den Lungen gedrückt wird und brülle dann auf vor Wut, als die Nadel in meinen Arm sticht und mir eine Flüssigkeit injiziert wird.

Mein Herz rast, meine Gedanken fahren Achterbahn.      »Ihr verdammten Hurensöhne!«, keuche ich durch den Knebel, als mein Körper Sekunden später bereits schwächer wird und sich alles um mich herum zu drehen beginnt. Mir wird schwindelig und schlecht, nichts fühlt sich mehr real hat. Sie haben mich betäubt und ich bekomme nur am Rande mit, wie sie mich langsam loslassen. Selbst wenn ich aufstehen wollte, ich könnte es nicht. Mein Körper fühlt sich schlaff an und gehorcht mir nicht mehr.

Eine schmale Bahre wird herangefahren. Mehrere der Typen packen mich und wuchten mich hoch, legen mich auf der kalten Metallplatte ab. Dabei fixieren sie mich mit breiten Gurten, als könnte ich jetzt noch etwas ausrichten. Mein Blick gleitet wirr durch die Gegend und ich sehe den Chef dabei grinsend hinter dem Gitter der Schleuse stehen. Ich könnte ausrasten und bin doch absolut hilflos. Wie gerne würde ich diesem Schweinehund sein widerliches Grinsen aus dem Gesicht prügeln. Der Zorn in mir wird übermächtig, doch etwas anderes beginnt zusätzlich durch meinen Körper zu schleichen. Nackte Angst!

Ich bin weiß Gott nicht zimperlich und nehme es echt mit allem auf. Aber in dieser Situation hier ausgeliefert zu sein und keine Ahnung zu haben, was sie jetzt mit mir vorhaben, lässt meine Gedanken auf Hochtouren rotieren. Es treibt mich an meine Grenzen, nicht zu wissen, was mich gleich erwartet. Werden sie ihre Perversionen an mir ausleben oder mich vielleicht sogar umbringen? Vermutlich lassen sie es dann wie einen Unfall aussehen. Und alles nur, weil sie mich zwingen wollten, diese scheiß Therapie zu machen? Warum zum Henker ist es ihnen so wichtig, dass ich daran teilnehme? Können sie mich nicht einfach in Ruhe meine Haftstrafe absitzen lassen? Ein ganz und gar ungutes Gefühl beschleicht mich, doch ich kann nur dabei zusehen, wie sie mich durch die Flure fahren.Eine längliche Deckenlampe mit grellem Neonlicht nach der anderen zieht an mir vorbei. Auch mit dem Aufzug fahren wir, ob nach unten oder oben, kann ich jedoch nicht sagen.

Ich bekomme alles mit, bin dennoch wie in Trance. Ein wachkomaähnlicher Zustand, der mich beinahe wahnsinnig werden lässt. Wie lange wird das anhalten und was zur Hölle haben diese Bastarde mit mir vor?

Offensichtlich sind wir jedoch wenig später schon am Ziel angekommen, denn mittlerweile schieben sie mich durch eine Tür in einen spärlich beleuchteten Raum hinein. Es ist kalt. So richtig kalt.Wieder heben sie mich hoch, stellen mich auf die Füße und halten mich fest, damit ich nicht umkippe. Dann lösen sie die Handschellen und legen mich in Ketten.

Eine Fessel an meinem linken Handgelenk, eine am rechten. Dazu werden mir zwei Fußfesseln angelegt, bevor die Ketten auf Spannung gezogen werden. Ich keuche kurz auf, hänge in der Luft wie Jesus, den man damals ans Kreuz genagelt hat. Meine Arme und Schultern beginnen sofort zu schmerzen, doch noch ist es erträglich. Ich bin wirklich gespannt, was wird, wenn die Wirkung des Betäubungsmittels nachlässt, kann jedoch nur hoffen, dass ich nicht so lange hier sein muss. Doch wenn ich in das höhnische Gesicht dieser Kittelträger sehe, dann ahne ich bereits Böses …

Mein Kopf sinkt nach unten, da ich zu schwach bin, um ihn noch weiter oben zu halten. Siegessicheres Lachen dringt an meine Ohren, was ich wie durch Watte wahrnehme.»Na dann wollen wir mal sehen, wie lange es dauert, bis du zustimmst«, höre ich einen von ihnen sagen. Anschließend trifft mich zusätzlich ein harter Schlag ins Gesicht und ein weiterer in die Magengrube. Ich stöhne auf, japse unkontrolliert vor mich hin, denn sie haben direkt das Dreieck an meinem Brustkorb anvisiert. Ich bekomme keine Luft mehr, die Empfindungen gaukeln mir vor, zu ersticken! Mein Körper krampft und ist doch zu schwach, um sich zu wehren. Ich zucke unkontrolliert vor mich hin, während ich das Gefühl habe, gleich das Bewusstsein zu verlieren! Diese Erlösung ist mir allerdings nicht vergönnt. Panik ergreift von mir Besitz und ich kann nichts tun, noch nicht einmal um Hilfe rufen. Die zaghaften Laute, die meinen Mund verlassen, ähneln nur einem leisen Keuchen.

Die Kerle kratzt das nicht. Ganz im Gegenteil, sie lachen, klopfen sich auf die Schulter und wenden sich ab. Diese kranken Wichser lassen mich einfach hängen und gehen aus dem Raum, während der Schock in meinem Brustraum langsam nachlässt. Die massige Holztür fällt zu, ein altes Schloss wird herumgedreht und dann bin ich allein. Allein mit meiner Angst, meiner Hilflosigkeit und meinem Schmerz. Es ist bitterkalt, meine Muskeln hören nicht auf zu zittern und in den folgenden Stunden macht sich der Wahnsinn in meinem Kopf breit.

 

 

 Kapitel 3

 

Ari

Sichtlich nervös betrete ich die JVA. Es ist mein erster Tag in dieser Justizvollzugsanstalt, denn vor etwa zwei Monaten habe ich einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben. Ab sofort werde ich hier auf freiberuflicher Basis arbeiten und ich bin schon sehr gespannt auf mein Aufgabengebiet. Trotzdem ist es ein überaus befremdliches Gefühl, am Eingang durchsucht zu werden. Genauso muss ich mich erst noch daran gewöhnen, dass hinter mir sämtliche Gittertüren wieder verschlossen werden. So schnell kommt hier wirklich keiner raus!

Mein Name findet sich offensichtlich auf einer Liste für Personen wieder, die heute erwartet werden. Wenn ich so darüber nachdenke, dann habe ich mir nie Gedanken gemacht, wie es in einer Haftanstalt so zugeht. Doch diese Prozedur kenne ich schon vom Vorstellungsgespräch. Ich bekomme einen Wärter zugeteilt, der mich durch die Gänge, bis hin zur Anstaltsleitung, begleitet.

Vorsichtig klopfe ich an und trete ein, als ich von drinnen ein barsches »Herein« vernehme. Der Beamte nickt mir noch einmal zu und verschwindet dann wieder durch diverse Türgitter.»Frau von Ahrensburg. Willkommen!«»Hallo Herr Wehrstein! Vielen Dank!« Lächelnd reiche ich ihm meine Hand, die er sofort ergreift.»Bitte, setzen Sie sich doch.« Er zieht mir einen Stuhl zurecht und ich tue, worum er mich gebeten hat. »Wie geht es Ihnen?«»Sehr gut, danke! Ich hoffe Ihnen ebenso?«      »Natürlich.« Jetzt zwinkert er mir zu, was ich ein wenig unangebracht finde. »Ich hoffe, Sie sind voller Tatendrang?«      »Aber sicher doch!« Ganz professionell lege ich die Hände in meinen Schoß und versuche, gerade zu sitzen.

»Schön, dass Sie uns nun unterstützen möchten. Unsere Anstalt platzt aus allen Nähten und wir haben großen Bedarf an Therapiesitzungen, um zu entscheiden, welche Gefangenen vorzeitig entlassen werden können oder eventuell auch nachträglich in Sicherungsverwahrung genommen werden müssen, um Plätze frei zu machen. Das Verlegen von Häftlingen ist derzeit leider keine Option, da auch die Haftanstalten in der näheren Umgebung alle an der Kapazitätsgrenze kratzen. Wir benötigen somit Fachkräfte, auf die wir uns absolut verlassen können«, beginnt er. »Wenn hier Fehler passieren, kann das gravierende Auswirkungen für die Sicherheit der Bevölkerung haben! Ich habe Sie vor allem dafür vorgesehen, Therapiegespräche durchzuführen. Auch Gruppentherapien werden später zu Ihrem Aufgabenbereich zählen. Darüber hinaus benötigen wir noch eine Psychologin für Zweitmeinungen bei Gutachten. Ich hoffe, Sie fühlen sich diesen Anforderungen ebenfalls gewachsen?«

»Selbstverständlich!«      »Gut. Am Anfang werde ich bei den Zweitmeinungen zugegen sein oder diese zumindest gegenzeichnen. Ich hoffe, Sie verstehen, dass diese unbedingt im Sinne der Anstalt auszustellen sind.«      Ich stocke, denn das finde ich etwas merkwürdig. Gutachten sind eine objektive Betrachtung eines Patienten und kein Wunschkonzert. Da ich jedoch am ersten Arbeitstag keinen Ärger machen möchte, nicke ich erst einmal vorsichtig. Vielleicht habe ich das jetzt nur falsch verstanden und es wird sich im Anschluss alles aufklären.

»Ich würde vorschlagen, dass ich Ihnen gleich einmal Ihr Büro zeige.« Kurzerhand erhebt er sich und kommt um den Schreibtisch herum. Sofort stehe ich ebenfalls auf und folge ihm aus seinem Zimmer hinaus. Er führt mich zu einem Raum, der sich nur zwei Türen weiter befindet und wir treten ein.      »Ich habe mir erlaubt, Ihnen schon einmal ein paar Akten Ihrer zukünftigen Patienten auf den Tisch legen zu lassen. Werfen Sie einen Blick hinein und machen Sie sich mit den Personen vertraut. Später helfe ich Ihnen bei den ersten Terminvergaben und ich nehme Sie zu einer Besprechung mit. Dann können Sie sich schon einmal einen ersten Überblick verschaffen.«

Ich nicke erneut freundlich und setze mich sogleich an meinen Schreibtisch.»Sollten Sie Fragen haben und ich nicht zugegen sein, wenden Sie sich bitte an Frau Greiling. Sie ist die Assistentin der psychologischen Abteilung. Ihr Büro befindet sich gleich nebenan, zwischen Ihrem und meinem.« Herr Wehrstein steckt nun seine Hände in die Hosentaschen. »Dann überlasse ich Sie nun erst einmal Ihrem Aufgabengebiet. Arbeiten Sie sich in Ruhe ein.« Daraufhin verlässt er mein Büro und ich atme erst einmal tief durch. Der Raum ist hell und freundlich eingerichtet. Verwundert stelle ich fest, dass es hier keine Fenstergitter gibt und fühle mich gleich etwas wohler. Die Aussicht geht allerdings direkt in den Innenhof hinaus, wo die Gefangenen Freigang haben. Auf der einen Seite finde ich es faszinierend und interessant, auf der anderen Seite ist es mehr als gewöhnungsbedürftig für mich, mit eingesperrten Menschen zusammenzuarbeiten.

Neben einem Sessel und einer Couch steht des Weiteren ein Tisch mit zwei Stühlen im Raum. Man geht also auf die verschiedenen Wünsche der Gefangenen ein, was ich besonders begrüße, denn von Einheitsbrei für alle, halte ich absolut nichts.

»Na, dann wollen wir mal«, flüstere ich vor mich hin und greife mir die erste Akte, studiere ihren Inhalt. Eine nach der anderen blättere ich durch und bin ein wenig erschüttert, als ich sie überfliege, denn nun wird mir erst richtig bewusst, dass ich es hier mit echten Straftätern zu tun habe. Begriffe wie bewaffneter Raubüberfall, Mord und Erpressung schlagen mir entgegen. Mit diesen Männern ist nicht zu spaßen! Wenn das stimmt, was dort drinsteht, und davon ist auszugehen, dann sollte ich wirklich vorsichtig mit diesen Patienten umgehen!

Als ich allerdings die letzte Akte aufschlage, stockt mir der Atem. Ich betrachte das Foto genauer und sehe in ein paar eisblaue Augen, die so durchdringend sind, dass mich ein kalter Schauer durchläuft. Unfähig zu beurteilen, ob ich bei ihrem Anblick nun ein positives oder negatives Gefühl habe, starre ich auf diesen Mann hinunter. Raphael Neumann, lese ich seinen Namen. Aufregung keimt in mir auf und ich frage mich warum. Eigentlich ist absurd, was ich bei seinem Anblick empfinde, aber der Blick dieses Mannes zieht mich dermaßen in den Bann, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Ich spüre, wie sich Unsicherheit, ein wenig Furcht und auch Neugier in mir abwechseln und ich bin auf einmal richtig gespannt, wie das erste Zusammentreffen mit diesem Mann wohl verlaufen wird. Ich weiß, ich sollte nicht zu viel hineininterpretieren, aber gegen den inneren Aufruhr, den dieses Foto in mir auslöst, bin ich irgendwie machtlos.

Vorsichtig klopft es an meiner Zimmertür und ich bitte denjenigen einzutreten. Herr Wehrstein öffnet und holt mich ab, um ihn an meinem ersten Arbeitstag zu begleiten. Also schlage ich die letzte Akte zu, verstaue meine Tasche in meinem Rollcontainer und schließe mein Büro ab. Anschließend folge ich Herrn Wehrstein, um meiner Arbeit nachzugehen.

 

***

 

Den ersten Tag habe ich gestern überstanden und wie ich finde, bravourös gemeistert. Heute soll ich im Gebäude herumgeführt werden. Ich bin schon sehr gespannt, was mich alles erwartet und wie die restlichen Bereiche in der Haftanstalt aussehen, die ich bislang nicht kennengelernt habe. Herr Wehrstein ist heute nicht zugegen, daher wird mich ein Kollege durch die Räumlichkeiten führen. Zuerst aber begleitet mich ein Wachmann zur Personalabteilung, wo ich meine Zugangskarte abholen kann. Diese war gestern noch nicht fertig und sobald ich sie habe, werde ich mich, in den für mich genehmigten Bereichen, frei bewegen können.

Die Hälfte des Tages studiere ich neue Patientenakten und versuche, mir zumindest die wichtigsten Informationen einzuprägen, was gar nicht so einfach ist, denn die meisten Häftlinge, die ich betreuen soll, haben mehr Vorstrafen, als man an zwei Händen abzählen kann. Mir schwant bereits, dass eine riesige Aufgabe auf mich zukommt. Aber ich wollte es schließlich so.

Im Anschluss werde ich von meinem zukünftigen Kollegen Thomas Meurer abgeholt, der mich in die Systeme einweiht. Als es Richtung Feierabend geht, zeigt er mir noch die verschiedenen Bereiche der JVA und führt mich herum. Wissbegierig hänge ich an seinen Lippen, schaue mich ausgiebig um und stelle fest, dass alles hell und modern eingerichtet ist. Zumindest die Bereiche, die ich bisher zu Gesicht bekommen habe. Anscheinend hat man in den letzten Jahren einiges investiert.

Thomas zeigt mir ebenfalls kurz die angrenzenden Räumlichkeiten der Psychiatrie, mit der ich sicherlich nur am Rande Berührungspunkte haben werde. Ich folge dem großen, schlaksigen Mann mit braunem Haar und Nickelbrille durch die Gänge. Fast muss ich ein wenig lachen, als ich darüber nachdenke, dass er auch ein fahrig wirkender Professor sein könnte. In der Tat kann ich ihn mir wunderbar bei der Arbeit als Psychologe vorstellen, denn er bedient wohl alle Klischees, die man im Zusammenhang mit Psychologie haben kann. Ob er darüber hinaus an einer Uni doziert?      Ich merke, dass ich abschweife und konzentriere mich lieber wieder auf meine Umgebung.»Und wo geht`s dort hin?«, frage ich weiter und vernehme, dass er stockt.      »Äh, dort sind weitere Behandlungsräume.«      »Das sieht mir da drinnen aber schwer herunter-gekommen aus. Wird dieser Trakt auch noch renoviert?«      »Ich glaube, dass das nicht vorgesehen ist.« Fahrig streift er sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Er wirkt auf einmal sehr nervös auf mich, ich kann mir jedoch nicht erklären, weshalb.

»Also wird dieser Bereich derzeit wohl nicht genutzt«, überlege ich laut, was Thomas allerdings leise verneint.      »Ehrlich gesagt schon. Aber das ist nicht so wichtig.«      »Dort werden Patienten hingebracht?«, hake ich leicht irritiert nach und beobachte auf einmal, wie ihm der Schweiß auf die Stirn tritt. »Das will ich mir ansehen! Haben wir dort Zugang?«, frage ich, halte dennoch direkt meine Chipkarte an den Sensor und sehe ein grünes Lämpchen aufleuchten. Ohne auf ihn zu achten, ziehe ich an dem Gitter und trete ein.

»Äh, ich denke, wir sollten erst Wehrstein fragen …«      »Warum?«, erkundige ich mich gleich und laufe weiter. Als ich jedoch in die Räume hineinschaue, bekomme ich das kalte Grausen. Fixierstühle, die locker mehr als 70 Jahre auf dem Buckel haben, stehen in den Räumen. Das dunkle Lederpolster ist an einigen Stellen gerissen und auch die Möbel sehen aus, als würden sie kaum noch zusammenhalten. Der Putz platzt bereits von den Wänden und verteilt sich auf dem Boden, während die restliche Wandfarbe in einem ekligen Gelb erstrahlt. Versehen mit diversen Flecken, versteht sich.

»Und das wird tatsächlich noch genutzt? Ich kann das gar nicht glauben«, rufe ich aus.      »Wir sollten jetzt wirklich gehen, denn ich habe gleich noch einen Termin«, gibt Thomas von sich und stellt sich mir in den Weg. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwas stimmt hier nicht! Argwöhnisch beäuge ich ihn, als ich mir einbilde, ein leises Stöhnen zu vernehmen. Anschließend dringt eine Art Rasseln an mein Ohr, woraufhin ich mich umsehe.

»Was ist dort hinter dieser Tür?«, frage ich und laufe einfach an ihm vorbei.»Gar nichts …«, murmelt er jetzt und an der Art und Weise, wie er das sagt, weiß ich, dass er lügt. Der Riegel ist mit einem dicken Vorhängeschloss gesichert, also öffne ich die kleine Klappe, die sich in der massiven, grauen Holztür befindet, um in den Raum hinein zu spähen.

Zuerst sehe ich gar nichts, denn es ist stockdunkel im Zimmer dahinter. Eine eisige Kälte schlägt mir entgegen und ich frage mich, ob dort ein Fenster kaputt ist. Gerade als ich die Luke wieder schließen will, vernehme ich erneut dieses klirrende Geräusch. Lauter diesmal und als ich mich anstrenge, in dem Raum etwas zu erkennen, sehe ich doch tatsächlich die Umrisse einer Person, die dort in Ketten von der Decke hängt.      »Was zum …?« Ungläubig sehe ich meinen Kollegen an. »Wissen Sie hiervon?«

Betreten senkt er den Kopf und ich kann nicht glauben, was sich hier abspielt.      »Machen Sie diese Tür auf!«, weise ich ihn an. Thomas stockt und ich werde energischer. »Sofort!«      Zitternd zieht er einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche, sucht eine Weile nach dem passenden Schlüssel und schließt das Vorhängeschloss auf. Daraufhin öffne ich die Tür und trete in die eiskalte Kammer. Ein winziges Loch mit einem Gitter prangt vor meterdicken Außenwänden, eine Fensterscheibe suche ich jedoch vergebens.

»Seid ihr denn wahnsinnig?«, frage ich. »Wir haben beinahe Dezember! Es ist schweinekalt hier drin! Seit wann wird der Mann in dieser Kammer festgehalten?« Ich bin fassungslos und sehe mir den geschundenen Körper des Häftlings an, der schlaff in den Ketten hängt.

»Seit zwei Tagen«, flüstert Thomas nun. »Er war nicht kooperativ und …«            »Nicht kooperativ?«, falle ich ihm schrill ins Wort. Um Gottes willen! »Sie veranlassen sofort, dass er befreit wird!«      Wieder stockt er und ich habe das Gefühl, im falschen Film gelandet zu sein.»Hören Sie schlecht?«, schreie ich ihn an. Das darf doch alles nicht wahr sein!

Jetzt setzt sich Thomas in Bewegung und holt hoffentlich Hilfe, während ich dem Mann zuflüstere, dass er durchhalten soll. Argwöhnisch mustere ich die Ketten, allerdings muss ich feststellen, dass ich alleine rein gar nichts ausrichten kann. Somit versuche ich, dem Mann anders zu helfen. Stürmisch renne ich aus der Kammer in den Flur, weil ich dort eben einen Getränkeautomaten gesehen hatte. Dort ziehe ich eilig eine kleine Flasche Cola und laufe zurück.

»Können Sie mich hören?«, spreche ich ihn an und öffne dabei die Flasche. »Wollen Sie etwas trinken?«, frage ich ihn sanft und schaue ihm zu, wie er langsam den Kopf hebt. Und auf einmal erwischt mich sein Blick eiskalt. Ein kribbelnder Schauer, der sich wie tausend Nadelstiche auf meinem Rücken anfühlt, läuft über mich hinweg, denn ich sehe geradewegs in stahlblaue Augen.       

 

 

 Kapitel 4

 

Raph

Ich schaue auf und muss mich erst einmal orientieren, doch sehe ich alles nur verschwommen.

---ENDE DER LESEPROBE---