Sinister Love - Marina Ocean - E-Book

Sinister Love E-Book

Marina Ocean

0,0

Beschreibung

Wenn Realität und Fantasie verschwimmen … Wenn das Verborgene an die Oberfläche tritt und Wesen aus anderen Welten erscheinen, dann sind sie unter uns: die Nachtkreaturen. Sie werden dich finden. Entführen. In deinen Verstand eindringen. Leidenschaftlich, verzaubernd, blutrünstig. Inhalt: Hunter Clan Halloween Night Ghost Love Black Raven Fallen Angel Dark Vampire *Enthält explizite Liebes-Szenen*

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 297

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

© / Copyright: 2021 Marina Ocean

Marina Oceanc/o Autorenservice Gorischek

Am Rinnergrund 14/5

8101 Gratkorn

Österreich

[email protected]

1. Auflage

Cover / Umschlaggestaltung: Marina Ocean; Bilder: https://stock.adobe.com; Lektorat, Korrektorat: Marina Ocean, Nova Cassini, Britta Schmeinck, Marléne ScorpèneVeröffentlicht bei epubli.de

Neopubli GmbHKöpenicker Straße 154a10997 Berlin

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Sinister Love

Blut & Legende

Marina Ocean

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Hunter Clan

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Halloween Night

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Ghost Love

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Black Raven

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Fallen Angel

Kapitel 1

Kapitel 2

Dark Vampire

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Danksagung

die Autorin

Leseempfehlung

Inhalt

Wenn Realität und Fantasie verschwimmen …

Wenn das Verborgene an die Oberfläche tritt und Wesen aus anderen Welten erscheinen, dann sind sie unter uns: die Nachtkreaturen.

Sie werden dich finden.Entführen.In deinen Verstand eindringen.

Leidenschaftlich, verzaubernd, blutrünstig.

Dieses Buch enthält sowohl Geschichten aus dem Buch Night Creatures, als auch neue Erzählungen aus dem Bereich Fantasy.

Inhalt:

- Hunter Clan
- Halloween Night
- Ghost Love
- Black Raven
- Fallen Angel
- Dark Vampire

***

Wäre Fantasie realistisch,

wäre Realität fantastisch.

Verfasser unbekannt

***

Hunter Clan

Calamenco Erbe

Kapitel 1

Samuel

Dürfen Menschen Fehler machen? Mit Sicherheit dürfen sie das. Hunter dagegen dürfen es nicht. Unter gar keinen Umständen! Doch genau das ist mir passiert. Ein riesiger Fehler, der Tausende das Leben gekostet hat. An meinen Händen klebt das Blut reiner, unschuldiger Menschen und ich verachte mich dafür. Nie wieder kann ich gutmachen, was durch meine Hände geschehen ist. So viele Menschenleben, die ich genommen habe. Darunter Frauen und sogar Kinder. Ich bin es gar nicht wert, noch auf dieser Erde zu wandeln, doch wahrscheinlich ist es genau das, womit man mich jetzt bestraft. Es ist der tägliche Kampf, mich mit meinen Taten auseinanderzusetzen. Jeden Tag muss ich damit leben, was ich getan habe und das vermutlich noch bis in alle Ewigkeit.

Mein Name ist Noah-Samuel. Doch ich bevorzuge ausschließlich Samuel, denn ich bin schon lange nicht mehr würdig, diesen alten biblischen Namen Noah tragen zu dürfen. War er doch der wackere Erbauer des Alten Testaments, der die gleichnamige Arche erschuf und somit Mensch und Tier vor der großen Flut rettete. Ich hingegen habe Menschenleben genommen, weil ich einmal, nur ein einziges Mal meiner selbstsüchtigen Ader freien Lauf gelassen habe. Welche Ironie, dass jemand, der diesen Namen trägt, für den Tod Tausender Menschen verantwortlich ist. Nie wieder werde ich dies ungeschehen machen können.

Ich bin ein Hunter, ein sogenannter Jäger. Seit ich denken kann, bin ich das. Hunter werden erwählt, von was oder wem, ist nicht bekannt. Man vermutet, dass es die Natur selbst ist, oder die Wächter der Natur, so wie wir sie nennen, die sich darum kümmern. Doch gesehen hat sie von uns Huntern noch niemand. Unsere Existenz ist abhängig vom natürlichen Gleichgewicht. Je mehr übersinnliche Wesen auf der Erde auftauchen, desto mehr Hunter werden erwählt, um das Gleichgewicht der Natur wiederherzustellen. Und je mehr übersinnliche Wesen getötet werden, desto mehr Hunter verschwinden auf unerklärliche Weise auch wieder.

Diejenigen Menschen, die zu Huntern erwählt werden, wissen es sofort. Ihr Leben davor gerät in Vergessenheit. Keiner von uns weiß, wo er herkommt oder wo seine Wurzeln liegen. Es ist, als hätte es unser Leben davor nie gegeben. Auch bei unseren Familien werden wir ausgelöscht. Keiner kann sich an uns erinnern. Allerdings ist überliefert, dass wir zu unseren Familien zurückkehren, wenn man uns nicht mehr braucht. Dann ist es so, als wären wir nie weg gewesen. Wie das funktionieren soll, ist mir bis heute nicht klar, obwohl ich inzwischen seit über 400 Jahren lebe. Ob ich es irgendwann erfahren werde, weiß ich nicht, ich bin mir wirklich nicht sicher. Ich sehne den Tag herbei, der mir meinen Seelenfrieden zurückgibt, an dem ich endlich vergessen kann, doch ich befürchte, dass ich mir diese Erleichterung nicht verdient habe, durch das, was ich getan habe.

Ja, wenn man zum Hunter erwählt wird, genießt man fortan ewiges Leben, zumindest erst einmal. Wobei genießen relativ ist. Für einige von uns mag es der Traum schlechthin sein, für mich ist es die reinste Qual. Seit damals, seit diesem einen Tag.

Wir sind dazu bestimmt, übernatürliche Wesen zu vernichten. Hunter zu töten, ist dagegen nahezu unmöglich. Lediglich das Wasser der beiden heiligen Shibutu-Quellen ist dazu in der Lage. Man sagt, dass sie sich an den beiden entgegengesetzten Enden der Welt befinden und über endlose, unterirdische Wasserwege miteinander verbunden sind. Da jedoch viele heilige Stätten über die Zeit vernachlässigt und vergessen wurden, ist heute nicht mehr bekannt, wo sich diese Quellen überhaupt befinden. Vermutlich sind sie bereits vollständig überwuchert, ihre überirdischen Stätten, in denen sie an die Oberfläche treten, vielleicht sogar längst zerstört worden. Den Legenden nach können nur diejenigen sie finden, die reinen Herzens und es wert sind. Nur diese Personen werden sie noch aufsuchen können, heißt es. Denn es handelt sich dabei um eine mächtige Waffe, die nicht nur für uns Hunter gefährlich ist, weil wir dann keine Wiederkehr zu unseren Familien mehr finden können. Sie muss mit Bedacht eingesetzt werden, da sie auch die ganze Welt aus dem Gleichgewicht bringen kann. Das Wasser der Shibutu-Quellen ist das pure Gift für alles Lebende der magischen Welt. Schon viele haben versucht, die Stätten ausfindig zu machen. Bisher ist mir jedoch kein Fall bekannt, in dem es gelungen wäre. Und das ist vermutlich auch besser so. Ich schätze sowieso, dass sie bewacht werden und dass man sie daher gar nicht finden kann.

Ich sehe hinab in die Schlucht vor mir, balanciere am Rande der hohen Felsklippen und laufe hinüber zu dem Felsvorsprung, auf dem eine Engelsstatue steht. Aus hartem Stein gemeißelt, blickt sie jedem entgegen, der sich ihr nähert, während sie zugleich auf ihre Hände schielt. Die natürliche Brücke zu ihr ist bereits vor Jahrzehnten halb eingestürzt, sodass nur noch ein schmaler und gefährlicher Weg zu ihr führt. Auch der Felsvorsprung, auf dem sie thront, musste schon gestützt werden. Der Gang zu ihr erinnert mich jedes Mal daran, auf welch schmalem Pfad ich wandele. Jeden Moment könnte ich erneut versagen und in die Tiefe gerissen werden. Daher komme ich so oft wie möglich hier her. Um mich daran zu erinnern, dass ich auf dem rechten Weg bleibe und um in tiefer Demut um ihre Kraft für mich zu bitten. Ihr Anblick raubt mir jedes Mal den Atem, weil ihr Antlitz so unglaublich friedvoll und himmlisch aussieht. Ich bin erfüllt von tiefer Ruhe, wenn ich hier bin. Es sind immer nur wenige Minuten in meinem Leben, jedoch so unendlich kostbare, in denen die Stimmen in meinem Kopf und die Schuldgefühle in meiner Brust schweigen.Ich senke meinen Kopf und stecke dem Engel eine neue, brennende Kerze in seine Hände. Trotz des wilden Sturmes, der hier oben um mich herum peitscht, erlischt sie nicht. Anschließend knie ich nieder und bete. Ich bin kein besonders gläubiger Mensch, doch ein wenig Beistand kann auch ich gut gebrauchen.

Ich stärke mich für meine kommende Reise, denn ich will sie erneut verfolgen, so wie ich es die letzten Jahrzehnte getan habe. Irgendwann werde ich sie fangen und mich dafür rächen, durch welche Hölle sie mich schickt. Stunde um Stunde, Tag für Tag, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Sie hat von mir keine Gnade zu erwarten.Ich jage sie seit diesem einen Moment. Irgendwann wird mein Tag kommen und ich werde sie vernichten. Dann kann ich dadurch einen kleinen Teil wieder gut machen, von dem, was geschehen ist.»Noah!«Ich öffne meine Augen und lausche, überlege, ob es Einbildung war, oder ob mich tatsächlich jemand gerufen hat. Bei meinem alten Namen, den ich so vehement zu verdrängen versuche. Es klang nicht wie eine Stimme, eher wie das Rauschen des Windes und dennoch bilde ich mir ein, dass ich es vernommen habe.Langsam richte ich mich auf und sehe hinter mich, doch niemand ist mir gefolgt.»Der Tod wird dich weder retten, noch dir Befriedigung verschaffen oder deinen Schmerz lindern.«»Wer spricht hier mit mir?«Verwirrt drehe ich mich um meine eigene Achse, kann jedoch niemanden erkennen.»Ich bin die, die du seit Jahren aufsuchst. Und ich sage dir, dass es viele Gründe gibt, aus denen Entscheidungen getroffen werden. Urteile nicht vorschnell, bevor die Wahrheit sich deinen Augen erschließt!«»Was genau meinst du damit?!«, schreie ich jetzt. Meine Nackenhaare stellen sich auf und ich kann nicht fassen, dass das hier wirklich passiert. Dabei sollte gerade ich am besten wissen, wie viele übersinnliche Dinge es tatsächlich gibt!»Denke an meine Worte und entscheide mit Verstand, wen du tötest!«Kalte Schauer jagen über meinen Rücken. Der Wind heult nach wie vor um mich herum und ich muss aufpassen, nicht von ihm in die Tiefe gerissen zu werden, so stark ist er. Ich kann nicht ausmachen, woher diese Worte kamen. Noch einmal drehe ich mich im Kreis, versuche, irgendwelche Hinweise zu erkennen, doch alles ist wie immer.»Warum sprichst du in Rätseln?«, frage ich jetzt. Die Stimme allerdings bleibt nun stumm.»Rede mit mir!«, verlange ich, aber nichts weiter als der Wind dringt an mein Ohr. Ich bin alleine. So wie ich es vorher auch schon war. Eine weitere Antwort werde ich nicht mehr bekommen, wird mir nun klar. Daher sehe ich ein letztes Mal hinauf zu dem Engel, bevor ich mich auf den Weg mache und erstarre dabei in meiner Bewegung. Ich trete rückwärts und stolpere, wäre fast in den Abgrund gestürzt, wenn ich nicht augenblicklich neuen Halt mit meinem Schuh gefunden hätte.Ich hatte dem Engel die Kerze soeben in beide Hände gesteckt, die er vor der Brust zusammengeführt hatte. Jetzt umschließt er diese nur noch mit einer Hand, die zweite ist ausgestreckt und er hält sie schützend über den Punkt, an dem ich gerade noch gekniet habe. Verdammt! Wie ist das möglich? Es ist eine Statue, ganz aus Stein gehauen. Wie kann es sein, dass sie sich bewegt hat? Meine Beine beginnen zu zittern und mein Herz schlägt direkt schneller. Ich schlucke, dann senke ich erneut demütig meinen Kopf. Es ist nicht wichtig, wie sie sich bewegt hat. Von Bedeutung ist allein die Botschaft, die ich von diesem Engel erhalten habe.»Ich werde Eure Worte nicht vergessen!«, gelobe ich feierlich. Dann stehe ich auf und wende mich ab, laufe über die fast zerstörte Brücke wieder zurück zum Waldrand. Doch ich kann mich nicht davon abhalten, noch einmal zu dem Engel zurückzuschauen und zucke zusammen, als ich sehe, dass jetzt beide seiner Hände die Kerze wieder umschließen. Diese Nachricht sollte ich bekommen, schießt es mir durch den Kopf. Entscheidungen werden aus vielerlei Gründen getroffen und ich soll nicht vorschnell urteilen, hat der Engel gesagt. Dass der Tod meinen Schmerz nicht lindern wird. Vielmehr sollte ich mit Verstand entscheiden, wen ich töte. Was zur Hölle hat er damit gemeint? Das tue ich doch immer, oder etwa nicht?

Einen letzten Blick werfe ich ihm noch zu, anschließend drehe ich mich um und laufe zurück durch den Wald. Seine Worte gehen mir nicht aus dem Kopf, doch verstehen kann ich sie nicht. Noch nicht zumindest. Allerdings bin ich mir sicher, bald wird sich alles weisen. Und so breche ich auf zu meiner Reise.

Kapitel 2

Samuel

Rückblick 1883

Bereits seit Mai dieses Jahres gibt es besorgniserregende Aktivitäten, die wir akribisch beobachten. Zweieinhalb Monate sind seitdem vergangen und wir wissen, dass es unter der Erde brodelt. Der Höllenschlund ist dabei, sich zu öffnen und Wesen in unsere Welt auszuspeien, die den Tod und pure Vernichtung mit sich bringen. Das muss unter allen Umständen verhindert werden!Daher sind wir hierhergekommen, der Calamenco Clan, dem alle Hunter angehören. Es ist unsere Aufgabe, das Böse zu bekämpfen, es ist unser Erbe, dem wir uns bedingungslos aufopfern.

Ich stehe am Strand von Labuhan, einem kleinen Küstenort, nicht weit entfernt von diesem gefährlichen Höllentor. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie durch die Oberfläche brechen. Wir müssen uns also beeilen. Milan und Cyril stehen neben mir und beobachten mit mir den Horizont.»Wenn die anderen nicht bald wieder hier sind, bekommen wir ein ernsthaftes Problem!«, gibt Cyril von sich.»Ich weiß«, knurre ich. »Aber sie werden es schaffen, rechtzeitig hier zu sein. Sie müssen es schaffen!«»Dein Wort in Gottes Ohr!«, meint nun Milan. Doch mit Gott hat das hier wenig zu tun. Das weiß er natürlich genauso gut wie ich.

Die anderen Hunter sind aufgebrochen, um eine weiße Hexe zu suchen, die mit Hilfe eines übernatürlichen Zaubers in der Lage ist, dieses Höllentor auf ewig zu versiegeln. Doch die Suche gestaltet sich sehr schwierig. Hexen gibt es zwar wie Sand am Meer, aber eine weiße Hexe zu finden, ist kompliziert.

Es sind uralte Wesen, die seit Jahrtausenden im Verborgenen leben. Eine eigene Spezies, die mit den normalen Hexen wenig gemeinsam hat. Hexen sind Hexen. Es sind Frauen und Männer, die als solche geboren werden. Weiße Hexen dagegen sind Urhexen, die erschaffen wurden. Man sagt, dass sie aus alten Mammutbäumen geschnitzt worden sind, solchen Bäumen mit weißer Rinde und einer Aura, die es einem, egal ob sterblich oder nicht, unmöglich macht, sich ihnen zu nähern. Nur einem Wesen ist es möglich, ein solches Wunder zu vollbringen. Einem Wesen, das über allem steht und niemals angesehen werden darf, wenn es einem erscheint, aus Respekt und um ihm Demut zu bekunden. Ein Wesen, gehüllt in strahlendes Weiß. Algomas!

Es hat zehn solcher Hexen erschaffen, wovon acht noch am Leben sind und diese befinden sich weit verstreut über dem ganzen Erdball. Da sie sich so gut wie nie zeigen, gleicht die Suche wahrhaftig der, eine Stecknadel im Heuhaufen ausfindig zu machen, wobei Letzteres wahrscheinlich noch einfacher sein dürfte, als eine weiße Hexe zu finden. Denn selbst wenn sie sich einmal zeigen, sind sie nicht unbedingt als solche zu erkennen. Sie können jedes beliebige Objekt und auch jede gewünschte Person imitieren. Sie sind Hexen und Gestaltwandler in einem und so mächtig, dass ihnen kein anderes Wesen das Wasser reichen kann. Es ist ihnen möglich, alles und jeden allein durch ihre Willenskraft zu kontrollieren, doch da sie auch sehr weise sind, halten sie sich von allen anderen fern. Sie wissen, dass ihre Macht auch viel Unheil anrichten kann. Man ist nur in der Lage sie zu finden, wenn sie sich einem freiwillig offenbaren. Unnötig zu sagen, dass ich zu meinen Lebzeiten niemals gehört oder gesehen habe, dass das vorgekommen ist. Insgesamt also verdammt schlechte Voraussetzungen, eine von ihnen rechtzeitig aufzuspüren.

Uns bleibt also nichts anderes übrig, als zu hoffen.Ich drehe mich um und laufe in unsere Hütte zurück, lege mich noch eine Weile hin. Denn ich vermute, dass wir sehr bald alle unsere Kräfte bitter benötigen werden. Es ist eine seltsame Ruhe, die hier gerade herrscht: die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm.

***

Ein paar Stunden später bebt die Erde. Schon wieder, denke ich mir, als ich unsanft aus dem Schlaf gerissen werde. Seit Wochen verkürzen sich die Abstände zwischen den Beben, die Schwingungen treten heftiger zutage. Bald ist es so weit, daran hege ich keinen Zweifel mehr.Ich springe aus dem Bett und ziehe meine Stiefel an, als Milan bereits zu mir ins Zimmer gestürzt kommt. »Samuel, sie sind zurück!«, teilt er mir kurzerhand mit und ich folge ihm eilig nach draußen. Doch anders als erhofft, sehe ich in betretene Gesichter der ankommenden Hunter, statt die fröhliche Bestätigung darin vorzufinden, einen Auftrag erfolgreich erfüllt zu haben. Die Männer haben versagt und sie wissen es. Einen Vorwurf kann ich ihnen allerdings nicht machen. Sie haben ihr Bestes gegeben und die Mission war alles andere als leicht. Dies bedeutet jedoch auch, dass wir verloren haben. Wir werden das Tor wohl nicht mehr versiegeln können, ehe die Höllenkreaturen hinauskommen.

Betretenes Schweigen hüllt uns alle ein und ich sehe zu meinen Brüdern in die Runde. Wir sind zwar nicht blutsverwandt, doch das spielt keine Rolle für uns. Wir sind Der Clan, eine einzige, große Familie. Wir stehen füreinander ein und kämpfen alle Seite an Seite.

Einer nach dem anderen realisiert, dass wir ein verdammtes Problem haben! Ich weiß, dass sie sich alle, ohne zu zögern, zum Tor begeben und dort Aufstellung beziehen. Dass alle bis zur Erschöpfung kämpfen wollen, doch die Frage ist, wie viele wir aufhalten können. Wie viele wir daran hindern können, unsere Welt zu betreten.

Ich schaue zu dem Höllenschlund hinüber und bemerke, dass er zu qualmen beginnt. Die ersten Geröllwolken werden ausgestoßen und ich befürchte, dass uns die Zeit davonläuft.»Lasst uns hinübergehen und uns formieren«, weise ich sie an. Sofort greifen alle nach ihren Waffen und stellen sich auf, laufen hinüber zum heißen Kessel, in dem es gewaltig brodelt.Ich hingegen gehe in die entgegengesetzte Richtung. Es ist ein spontaner Entschluss. Nicht, um mich vor meiner Aufgabe zu drücken, sondern, um den Berg zu besteigen, der in unserem Rücken liegt. Von seiner Erhebung aus werde ich einen guten Blick haben und einschätzen können, wie viel Zeit uns noch bleibt, bevor im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle losbrechen wird.

Mühevoll erklimme ich die steile Felswand und kämpfe mich Meter um Meter empor, ohne Rast und ohne mich einmal umzusehen. Die Zeit drängt, denn ich will rechtzeitig bei meinen Männern sein, wenn es losgeht. Doch da es bereits tiefe Nacht ist, macht dies die Sache nicht einfacher.Etwa eine halbe Stunde benötige ich, um zum Gipfel aufzusteigen. Außer Atem suche ich einen festen Halt und drehe mich dann um. Ich kann von hier aus zum Krater hinübersehen und schätze, dass uns höchstens noch ein paar Stunden bleiben. Dort sehe ich bereits einen tiefen Spalt und weiß, dass der Berg keinen Tag mehr standhalten wird.»Ihr habt nach mir suchen lassen, Noah-Samuel?«Erschrocken zucke ich zusammen, als ich neben mir eine Frau in weißem Gewand erblicke. Verwirrt mustere ich sie und kann mein Glück plötzlich gar nicht fassen!»Ihr seid gekommen!«, rufe ich aus. »Ihr seid wahrhaftig hier!«»Das bin ich, Jäger!«, bestätigt mir die weiße Hexe und lächelt mich an. »Doch die Zeit drängt. Wir sollten hinübergehen und sofort beginnen«, schlägt sie vor und ich nicke. Aus purer Verzweiflung und absoluter Hoffnungslosigkeit steigt plötzlich wieder ein Schimmer am Horizont auf, der mir Mut zuspricht. Sie ist da, also haben wir noch eine Chance. Noch ist nichts verloren!

Die Hexe reicht mir ihre Hand und ich ergreife sie. Ehe ich mich versehe, befinden wir uns beide am Fuße des Berges, auf dem wir soeben noch gestanden haben. Das dürfte uns eine Menge Zeit ersparen, denn den Abstieg haben wir schon einmal auslassen können. Somit machen wir uns direkt auf den Weg zum Höllentor, besteigen den Berg vor uns und fliegen über schwierige Passagen einfach hinweg. Die weiße Hexe nimmt mich dabei immer an der Hand. Gemeinsam stehen wir wenig später am Kraterrand und spähen hinein. Auf Anraten der Hexe schicke ich meine Männer nach unten. Wir versuchen nun, den Berg zu versiegeln, doch sollten wir scheitern, müssen meine Männer unten so viele Höllenwesen wie möglich vernichten. Ich hoffe sehr, dass es nicht so weit kommen wird, doch ich habe eine furchtbare Vorahnung.

Während die Hexe damit beginnt, ihre Augen zu schließen, die Hände zu heben und den Zauberspruch aufzusagen, fängt der Spalt im Krater an zu glühen. Und plötzlich schießt in Lichtgeschwindigkeit ein Pfeil an mir vorbei.Noch bevor ich reagieren kann, wird die Hexe neben mir ins Herz getroffen. Umgehend fällt sie auf die Knie und hält sich ihre Brust. Ich stütze sie sofort und sehe mich um, doch ich kann niemanden erkennen. Daher lege ich die Hexe auf den Boden, breche den Pfeil kurz über der Einstichstelle ab und bitte sie durchzuhalten, bevor ich mich auf die Suche nach dem Schützen mache. Doch so sehr ich mich auch bemühe, ich kann niemanden ausmachen. In dieser Mondlandschaft, auf der ich mich befinde, zwischen riesigen Gesteinsbrocken und einer Menge Geröll, ist es jedoch schwierig, jemanden zu finden. Und da immer wieder Bimssteine und Asche aus dem Schlund geschleudert werden, macht dies die Sache auch nicht einfacher. Ein ums andere Mal muss ich ausweichen und meine Sicht wird durch die umherfliegenden Brocken erheblich behindert.

Auf einmal sehe ich links von mir eine wunderschöne Frau sitzen, die neben einem riesigen Felsbrocken Schutz gesucht hat. Was macht sie denn hier oben, denke ich bei mir und drehe mich zu ihr um. Auch der weiße Mantel, den sie trägt, will so gar nicht in diese Umgebung von Tod und Verwüstung passen. Zusammengekauert und zitternd presst sie sich gegen das Gestein und zuckt zusammen, als ich sie an der Schulter berühre. Sie schaut auf und ich versinke in ihren Augen. Große, dunkelbraune Iriden blicken mir ängstlich entgegen und obwohl ich spüre, dass sie kein Mensch ist und ich sie daher normalerweise töten müsste, nimmt mich ihre Erscheinung vollkommen ein. Ich bin fasziniert von ihrem Anblick und finde sie bezaubernd, kann mich nicht von ihr abwenden. Daher strecke ich ihr meine helfende Hand entgegen, die sie nur zögerlich ergreift. Und als sie ihre Finger auf meine legt, durchzuckt mich ihre Berührung wie ein Stromschlag. Langsam richtet sie sich auf und ich habe das Gefühl, dass sie das reizendste Wesen ist, dass ich jemals gesehen habe. Trotzdem muss ich immer noch nach dem Schützen suchen, das weiß ich.»Was tut Ihr denn hier? Dies ist sicher kein Ort für Euch, Lady. Hier oben seid Ihr in großer Gefahr!«, teile ich ihr mit.»Ich weiß, doch ich bin gekommen, um die Ursache für die Beben herauszufinden. Gerne möchte ich helfen, etwas dagegen zu unternehmen.«»Das ist wahrhaft mutig von Euch, doch Ihr solltet nicht hier sein! Es ist zu gefährlich! Ihr müsst schnell verschwinden. Lauft den Berg hinunter und so weit Ihr könnt!«»Nein! Bitte lasst mich nicht alleine! Schickt mich nicht fort!«

Nachdenklich sehe ich sie an. Ich kann sie hier nicht gebrauchen und grübele darüber nach, was ich mit ihr machen werde. Sie kann nicht am Leben bleiben, denn mein Auftrag dahingehend ist eindeutig! Und hier ist sie mir auch nur im Weg. Sie zu töten, dazu habe ich eigentlich gar keine Zeit. Was soll ich tun, wenn sie den Berg nicht freiwillig hinabsteigen will?

Während ich überlege, tritt sie näher an mich heran. Ihre Augen bohren sich in meine und mir stockt der Atem. Ein Kribbeln durchzieht meinen gesamten Körper und ich frage mich, was hier gerade passiert? Vorsichtig schmiegt sie sich an mich und ich kann nicht anders, als sie in meine Arme zu schließen. Eine Hand legt sich an meine Wange und erneut spricht sie mich an.»Ihr seid ein wahrer Held. Ich bitte Euch, beschützt mich.«Sie wirkt so zerbrechlich, so schutzbedürftig auf mich und ich kann gar nicht anders, als ihr zuzustimmen. Ich bin fasziniert von dieser hübschen Frau und in mir keimt das Gefühl auf, dass ich sie ohnehin nicht alleine gehen lassen möchte. Ich will mich davon überzeugen, dass sie unversehrt nach unten gelangt. Da ist etwas zwischen uns, ich fühle es deutlich, doch kann ich es nicht zuordnen. Vielleicht will ich es auch nicht, weil ich weiß, dass es abgrundtief falsch wäre, diese Gefühle zuzulassen, die sich gerade in mein Herz schleichen. Ich versuche sie sanft abzuschütteln, doch sie lässt sich nicht beirren. Ganz im Gegenteil. Sie zieht mich zu sich herunter und plötzlich fühle ich ihre Lippen auf meinen. Der Moment ist überraschend und doch unglaublich berauschend. Er lässt mich alles um mich herum vergessen. Ich weiß, dass ich dem nicht nachgeben darf, doch ich kann rein gar nichts dagegen tun. Sie nimmt mich für sich ein, fesselt mich, denn ihr Kuss ist so lieblich, so unfassbar erregend, dass ich fast glaube, abzuheben. Daher gebe ich nach und küsse sie zurück, gebe mich diesem wunderschönen Geschöpf hin und versinke in Gefühlen, die ich noch nie zuvor erlebt habe.

Ohne Vorwarnung spüre ich einen unerwarteten Stich in meinem Herz, der sich reißend und brennend durch mein Fleisch frisst. Ich schreie, reiße meine Augen auf und sehe, dass mir die Lady einen Dolch durchs Herz getrieben hat! Eine Falle und ich bin darauf hereingefallen. Scheiße, verdammt!

Der Schmerz zerfetzt mich innerlich und ich spüre, dass es nicht nur der Dolch ist, der mir einen solch brutalen Schmerz zufügt. Er ist darüber hinaus vergiftet! Unfassbare Pein rollt durch meinen Körper und meine Knie geben nach. Ich sacke vor der hübschen Frau zu Boden, bis ich vor ihren Füßen liege, beiße meine Zähne zusammen, ziehe den Dolch aus der Wunde, doch der Schmerz lässt nicht nach.»Du weißt, dass dich das nicht umbringen wird, Jäger! Doch wird es dich eine Weile aufhalten.« Zufrieden mit ihrem Werk sieht sie lachend auf mich herunter, während ich mich vor brennendem Schmerz in meiner Brust über das scharfkantige Geröll rolle. Verdammt, diese unfassbaren Schmerzen! Mein Hirn ist erfüllt von dieser Qual, mein Verstand setzt aus und ich kann rein gar nichts mehr tun.Sie steigt über mich hinweg und dreht mir den Rücken zu, wodurch ich den Bogen an ihrer Kehrseite erkenne, dessen Pfeil soeben die Hexe niedergestreckt hatte.»Komm Zerberus, wir haben ein Tor zu öffnen«, spricht sie.

Ich leide Höllenqualen unter meiner Folter und muss hilflos mit ansehen, wie hinter einem weiteren riesigen Gesteinsbrocken ein schwarzer Hund mit drei Köpfen hervortritt und der Frau eilig folgt. Ich erkenne das Wesen sofort und weiß, dass dies unser Untergang ist. Mit seiner Hilfe wird sie das Tor öffnen und wir werden verloren sein.

Sofort postiert sie sich an der Caldera, macht sich an die Arbeit, lässt sich eine Pfote des Tiers geben und schneidet mit einem Messer wenige Zentimeter hinein. Ein kleiner Schnitt nur und das Blut, das nun hervorquillt, tropft in den Krater. Zischend läuft es in den Höllenschlund. Damit ist unser Schicksal besiegelt.

Augenblicklich reißt der Spalt weiter auf und wird zu einem tiefen Graben. Heißes Feuer züngelt aus dem Gestein und befördert flüssige Lava hinaus. Unaufhaltsam fließt sie aus dem Graben und über den Kraterrand, frisst sich ihren Weg den Berg hinunter ins Tal und führt allerhand Höllenkreaturen mit sich. Lärmend und polternd bahnen sie sich ihren Weg und verschlingen alles, was sich ihnen in den Weg stellt.

Hitze wallt auf, so unerträglich, dass es uns die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Ich sehe, dass meine Männer zu kämpfen beginnen. Sie geben alles, doch es ist nicht genug. Unaufhaltsam stürmen Hunderte von Höllenkreaturen den Berg hinunter. Immer mehr folgen ihnen und zermalmen alles und jeden. Die Lava fließt schnell, bahnt sich ihren Weg zum nächsten Ort und ich höre bereits die Schreie der Menschen, denen die Flucht nicht rechtzeitig gelungen ist. Es ist meine Schuld! Ich habe versagt und das auf ganzer Linie. Meinetwegen müssen nun Tausende von Menschen sterben. Ich allein bin für ihren Tod verantwortlich. Bittere Tränen der Hilflosigkeit brennen in meinen Augen, doch ich kann nichts tun. Der übermächtige Schmerz und das Gift lähmen mich, lassen mich leiden. Ich bin unfähig, aufzustehen und die Gewissheit, nichts mehr ausrichten zu können, bringt mich fast um!

Ich sehe hinüber zu der Hexe, muss mit ansehen, wie sie quälend langsam versucht, sich noch einmal aufzurichten. Nach einigen Versuchen gelingt es ihr sogar und sie beginnt von Neuem, ihren Zauber zu sprechen. Abgehackt zwar und benommen, denn auch sie leidet, doch im Gegensatz zu mir weiß ich, dass sie ihren Verletzungen in Kürze erliegen wird. Diese große Wunde kann und wird sie nicht überstehen. Doch sie beißt die Zähne zusammen und versucht mit letzter Kraft, ihre Aufgabe zu erfüllen.Zu meiner Überraschung bringt sie den Lavastrom zum Versiegen und stoppt damit auch das Herausstürmen der Höllenwesen, was zur Folge hat, dass die Frau neben mir nun wild aufschreit. Ich sehe pure Wut in ihrem Gesicht und ihre Augen, die soeben noch dunkelbraun waren, leuchten jetzt in einem satten Rot, als sie mich ansieht. Außerdem tauchen rote Hörner an ihrem Kopf auf, verschwommen zwar, doch ich nehme sie deutlich wahr. Sie ist ein Dämon!

Als sie sieht, dass ich nichts mit dem Versiegen des Stroms zu tun habe, wendet sie sich der Hexe zu und setzt sich in Bewegung. Doch ich strecke unter Aufbietung all meiner Kräfte die Hand aus und greife ihr Fußgelenk, ziehe daran und bringe sie zu Fall, da sie nicht mit meinem Angriff gerechnet hat. Wutentbrannt funkelt sie mich an und stürzt auf mich zu. Ich kann mich kaum wehren, da mich das Gift immer noch lähmt und so ist sie in der Lage, auf mich einzuschlagen. Allerdings spüre ich den Schmerz kaum, denn der, der in meiner Brust tobt, ist um ein Vielfaches schlimmer als der, den sie mir mit ihren Schlägen zufügt.

Eines allerdings erreiche ich damit, nämlich sie von der Hexe fortzulocken. Als die Dämonin das begreift und feststellt, dass sich das Höllentor gerade schließt, ist sie außer sich vor Wut. Noch einmal stürmt sie auf die Hexe zu und diesmal schaffe ich es nicht, sie davon abzuhalten. Doch noch bevor sie die weiße Hexe erreichen kann, bricht diese kraftlos in sich zusammen und stirbt. Die Dämonin schreit, wütet und stürmt dann, gemeinsam mit ihrem Höllenhund hinunter ins Tal.

Das Tor ist geschlossen. Die weiße Hexe hat es versiegelt und dafür mit ihrem Leben bezahlt. Und ich liege immer noch hier und krümme mich vor Schmerz. In diesem Moment kommen ein paar Hunter. Sie sind vollkommen außer Atem vom Kampf, doch sie beugen sich sofort zu mir herunter und heben mich hoch, tragen mich auf ihren Armen hinunter in unser Lager, wo sie versuchen, mich zu verarzten. Vergeblich. Das Gift ist in meinem Kreislauf und frisst sich fortwährend durch meinen Leib.

Es dauert ganze vier Monate, bis mein Körper es vollständig abgebaut hat. Vier Monate voller Schmerz und Qual, in denen ich kaum schlafen kann. Geschwächt und halb tot gehe ich aus diesem Kampf hervor. Meinem ganz persönlichen Kampf. Und mit jedem Tag des Leidens habe ich mir geschworen, dass ich sie suchen, finden und dafür büßen lassen werde. Für den Tod Tausender Menschen und für die hinterlistige Falle, die sie mir gestellt hat!

Kapitel 3

Noraja

»Ich habe getan, was Ihr verlangt habt! Bitte gebt mir jetzt meine Tochter zurück.«»Du hast deine Abmachung nicht erfüllt, Dämonin! Das Tor ist geschlossen und versiegelt worden. Noch nicht einmal die Hälfte der Schattenreiter konnte in die Welt der Menschen übertreten.«»Wir werden einen anderen Weg finden.«»Das wird jedoch nicht so einfach sein. Zuerst einmal müssen wir einen neuen, geeigneten Ort finden, an dem wir ein weiteres Höllentor erschaffen können.«»Ich werde Euch helfen. Ich tue alles, was Ihr verlangt. Aber ich bitte Euch, gebt meine Tochter frei.«Ich sehe, dass er tatsächlich darüber nachdenkt. Der Anführer der Schattenreiter baut sich drohend vor mir auf und kommt mir dabei gefährlich nahe. Sie hätten mich foltern können, sie hätten mich töten können, es wäre mir egal gewesen. Doch das Leben meiner Tochter zu bedrohen, ist mehr, als ich ertragen kann. Ich würde alles für Xantia tun und das wissen die Reiter natürlich sehr genau. Sie haben mich erpresst, mir das Liebste genommen, was ich habe. Ich verachte mich dafür, dass ich vor ihnen niederknie und sie anflehe, doch ich bitte um das Leben meiner Tochter. Für sie springe ich über meinen Schatten und vergesse meinen Stolz. Für sie gebe ich mich auf und tue, was immer sie von mir verlangen.

Und jetzt sehe ich, dass er zustimmt. Mit einem Kopfnicken befiehlt er den anderen, meine Tochter gehen zu lassen. Sie läuft auch sofort los und stürzt in meine Arme. Pure Erleichterung durchströmt mich, als ich sie wieder an mich pressen kann.»Xantia, mein Engel! Geht es dir gut?«Sie weint, nickt aber, als sie sich fest an mich klammert.»Halte dich zu unserer Verfügung!«, befiehlt mir der Schattenreiter noch, dann wenden sie sich ab, lassen uns allein. Und ich schwöre mir, dass ich Xantia fortan unterrichten werde, dass ich sie die Kampftechniken lehre, die mir eingebläut wurden, damit es nie wieder zu einer solchen Situation kommen wird. Ich werde mein Wort halten und ihnen zur Verfügung stehen, doch meine Tochter soll sich ab sofort selbst schützen können. Niemals soll sie ein weiteres Mal solchen Höllenkreaturen schutzlos ausgeliefert sein!

Gegenwart

Seit über einem Jahrhundert jagt er mich nun schon dafür, dass ich ihm damals meinen Dolch ins Herz gestoßen habe. Ich hatte diesen zuvor im Speichel meines Zerberus getränkt, der ihm eine gehörige Fleischwunde in seine Brust gefressen hat. Ein Dolchstoß alleine hätte ihn nicht lange genug aufgehalten, um meinen Plan zu vollenden, denn natürlich weiß ich, dass Hunter nur sehr schwer zu töten sind. Die Wunde hätte sich sofort wieder geschlossen, wenn ich den Dolch herausgezogen hätte. Doch auch das Gift des Speichels konnte nicht verhindern, dass er meinen Plan durchkreuzte. Er hat trotzdem vereiteln können, dass das Höllentor geöffnet bleibt, so wie es meine eigentliche Aufgabe gewesen wäre. Ein Wunder, dass meine Tochter heute noch am Leben ist, denn der Schattenreiter hatte Recht: Erfüllt hatte ich meine Aufgabe somit nicht vollständig!

Mehr als ein Jahrhundert schaffe ich es schon, ihm immer wieder zu entwischen. Ich mache mir einen Spaß daraus, ihn auf meine Spuren zu bringen und mich dann seinen Fallen geschickt wieder zu entziehen. Doch so langsam muss ich gestehen, dass mir meine Ideen ausgehen.

Abwartend lauere ich auf einem Hausdach und beobachte ihn, vor mir breitet sich ein kleiner Marktplatz aus. Ich weiß noch nicht einmal, wo wir hier sind, doch der Ort ist perfekt für mein nächstes Vorhaben.»Hallo Hunter!«, begrüße ich ihn. Schnell dreht er sich um seine eigene Achse, versucht, meine Stimme ausfindig zu machen, doch sie hallt von den Häuserwänden wider, sodass er nicht weiß, aus welcher Richtung ich ihn gerufen habe. Auf dem Marktplatz steht er in einem Kessel, rings herum durch Häuser umzingelt und ihm wird vermutlich gerade klar, dass er in meiner Falle sitzt. Dabei will ich ihm gar nichts tun, ich möchte lediglich mit ihm spielen. »Was meint Ihr, ob Ihr mich jemals fangen werdet?« Ich schmunzele, denn schon wieder dreht er sich wild im Kreis und versucht, mich zu orten. Vergeblich!

Mit einem Satz springe ich vom Dach hinunter und lande auf seinen Schultern. Ich werfe ihn zu Boden und rolle mit ihm über das harte Kopfsteinpflaster. Im Nu hat er mich auf den Rücken gedreht, thront über mir und hält mich mit seinem Gewicht auf den Boden gedrückt. Ich gebe ihm das Gefühl, mich überwältigt zu haben, lasse ihn in dem Glauben, dass er wieder einmal so kurz vor seinem Ziel steht.

»Heute werdet Ihr sterben!«, teilt er mir mit und zieht einen Dolch aus seinem Hosenbein hervor. Die Klinge ist aus Kameni-Titan. Sie wurde im Feuerberg des Palea Kameni auf Santorini geschmiedet und seine Klinge ist eine der wenigen, die mich, einen Dämon, umgehend töten könnte. Doch ich wäre nicht ich, wenn ich ihn nicht ein weiteres Mal vollkommen aus seiner so hart antrainierten Fassung bringen würde. Ich hebe meine Hand an seine Wange, streichele sie und sehe ihm in seine schönen, dunklen Augen, versinke regelrecht darin und muss mich mit aller Macht konzentrieren, um nicht selbst abzudriften und mich von diesem Anblick hinfort ziehen zu lassen.