Bei Föhn brummt selbst dem Tod der Schädel - Jörg Maurer - E-Book
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Bei Föhn brummt selbst dem Tod der Schädel E-Book

Jörg Maurer

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Beschreibung

Als Täter bist du besser flüchtig: Kommissar Jennerweins verblüffendster Fall - der vierzehnte Alpenkrimi von Nr.1-Bestseller-Autor Jörg Maurer. Zwischen Tannen, Totholz und Touristenströmen liegt der tote Industrielle Jakob Drittenbass. Herzinfarkt beim Wandern oder Mord? Reifenabdrücke im moosigen Erdboden und verdächtige Finanzflüsse im Netz führen Kommissar Jennerwein und sein Team rasch auf die Spur des Täters. Doch dann gerät Jennerwein in Schwierigkeiten, die er sich in seinen wildesten Albträumen nicht hatte vorstellen können - unversehens steht er unter Mordverdacht. Ohne die Hilfe seines Teams, sogar gegen Hölleisen, Schmalfuß und Co., muss er in eigener Sache ermitteln. Und der mysteriöse Briefträger Leonhard Pelikan ist ihm immer bedrohlich dicht auf den Fersen. Einen solchen Fall hat Jennerwein noch nie erlebt.

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Seitenzahl: 465

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Jörg Maurer

Bei Föhn brummt selbst dem Tod der Schädel

Alpenkrimi

FISCHER E-Books

Leitlinie

Es ist ein alter literarischer Brauch (eigentlich eher ein gewöhnlicher erzählerischer Bauerntrick), eine verzwickte und verfahrene Handlung in einem Roman dadurch aufzulösen, dass der Autor den Leser damit zum Narren hält, dass bisher alles nur ein Traum gewesen sei. »Und er erwachte schweißgebadet«, heißt es dann oft am Schluss solcher Romane. Also vierhundertzehn Seiten durchgeschmökert, und alles war nur geträumt?! Der Autor der vorliegenden vierhundertzehn Seiten schwört, dass so etwas bei ihm nie vorkommen wird. Großes Erzählerehrenwort.

1

Die 12 klassischen Aufgaben des altgriechischen Halbgottes Herakles (auf gut altrömisch: Herkules) sind hinlänglich bekannt: die Rinderställe des Augias ausmisten, den kretischen Stier einfangen, menschenfressende Rosse zähmen usw. Wir haben nun Personen der Zeitgeschichte befragt, welche weiteren Aufgaben sie sich für den altgriechischen Halbgott und Muskelprotz vorstellen könnten. Ihre Antworten sollen die Kapitel dieses Buches einleiten.

»Wenn nur alle unsere Fälle so schnell und leicht zu lösen wären!«, seufzte Polizeiobermeister Franz Hölleisen.

Demonstrativ klappte er eine Mappe zu, auf der in Großbuchstaben FALL DRITTENBASS zu lesen war. Alle, die um den Besprechungstisch saßen, murmelten zustimmend. Solch ein unkomplizierter Kriminalfall, der innerhalb weniger Tage so gut wie aufgeklärt werden konnte, war in der Tat noch keinem von ihnen vorgekommen. Zum endgültigen Abschluss fehlten nur noch ein paar Protokolle, Unterschriften, B-Proben und Zweitgutachten. Die Spurenlage war üppig gewesen, das Motiv hatte von Anfang an in eine bestimmte Richtung gewiesen, fast zu einfach, zu gradlinig, zu simpel für das vielgerühmte Team. Allein mit der gusseisernen Indizienkette im Fall Drittenbass hätte man Prometheus am Kaukasus festschmieden können. Überdies war der Verdächtige ein blutiger Anfänger gewesen, er hatte ihnen den Gefallen getan, so viele brauchbare Spuren am Tatort zu hinterlassen, dass er einem schon fast wieder leidtun konnte.

 

Es war Nachmittag, das Team saß um den ovalen Besprechungstisch und jeder war darin vertieft, Papiere in die richtige Reihenfolge zu bringen oder seine Finger flink über die Notebooktasten huschen zu lassen, worin sich besonders Nicole Schwattke und Hansjochen Becker hervortaten. Der einzige Schönheitsfehler am Fall Drittenbass war das verschwundene Geld, das der Täter höchstwahrscheinlich in dunkle Kanäle geleitet hatte. Er saß schon in Untersuchungshaft und schwieg dazu beharrlich, aber es war wohl lediglich eine Frage der Zeit, bis sie herausgefunden hatten, wo die stattliche Summe abgeblieben war.

»Ich geh mal ein paar Schritte«, sagte Kriminalhauptkommissar Hubertus Jennerwein, stand auf und warf sich sein altbekanntes hellbraunes Tweed-Sakko über. »Lassen Sie mich ein wenig alleine darüber nachdenken.«

Man hörte ihn noch den Korridor entlangschreiten, dann fiel die schwere Eingangstür des Polizeireviers ins Schloss, und weg war er. Maria Schmalfuß, die Polizeipsychologin, starrte gedankenverloren auf Jennerweins Sitzstuhl, den er beim Aufstehen nur flüchtig zurückgestoßen und anschließend nicht wieder an den Tisch gerückt hatte. Das war ein kleines bisschen untypisch für Hubertus, dachte Maria und schüttete drei Päckchen Zucker in ihren Kaffee. Alle aus dem Team wandten sich wieder ihren Unterlagen zu. Hölleisen, der wackere Polizeiobermeister, Kommissarin Nicole Schwattke, Maria Schmalfuß, schließlich noch die Gerichtsmedizinerin Verena Vitzthum und der Spurensicherer Hansjochen Becker.

 

Nicole warf einen Blick auf die Wanduhr.

»Wollte nicht der Jogger zum Unterschreiben seiner Zeugenaussage vorbeikommen?«

Urs Leber, der die Leiche des Opfers gefunden hatte, hatte den Termin schon zweimal kurzfristig und ohne triftigen Grund abgesagt. Jennerwein hatte die Erstbefragung mit ihm durchgeführt, Hölleisen die Audioaufzeichnung abgetippt. Es fehlte nur noch eine Joggerunterschrift.

»Er wollte schon vor einer halben Stunde da sein«, sagte Nicole leicht verärgert. »Wenn er uns wieder versetzt, dann kann er was erleben. Dann werd ich ungemütlich.« Über ihr Gesicht huschte ein stahlharter Zug, der gar nicht so recht zu ihren sympathischen Lachfältchen passen wollte. Doch sofort hellte sich ihre Miene wieder auf. »Na, egal, der wird bestimmt noch auftauchen.«

»Sonst fahre ich halt auf dem Nachhauseweg bei ihm vorbei«, schlug Hölleisen vor. »Er wohnt nicht weit von mir entfernt.«

»So weit kommts noch«, brauste Nicole erneut auf. »Dass wir unseren Zeugen nachlaufen.«

Sie tippte etwas in ihr Notebook. Wenn Nicole schrieb, dann sah es immer so aus, als ob sie das Gerät massierte, wie um ihm die letzten Geheimnisse zu entlocken, die es sonst niemandem verriet. Ohne aufzublicken, fuhr sie fort:

»Ich habe mich mal über Bitcoin, Ripple und andere Kryptowährungen kundig gemacht und einiges dabei herausgefunden. Wenn das Geld auf ein solches Konto überwiesen wurde –«

»Sollten wir damit nicht warten, bis Hubertus wieder zurück ist?«, unterbrach Maria.

 

Die Tür sprang auf. Polizeioberrat Dr. Rosenberger steckte seinen massigen Kopf zur Tür herein, wie immer ohne anzuklopfen. Doch niemand nahm ihm das übel.

»Ist Jennerwein da?«

»Nein, momentan nicht. Er ist nur kurz was erledigen.«

»Wenn er wiederkommt, richten Sie ihm bitte aus, dass er sich bei mir melden soll. Dringend. Heute noch.«

Dr. Rosenberger wandte sich um, was bei ihm immer so aussah, als würde ein Baukran über ein mittelgroßes Grundstück schwenken. Dabei stieß er fast mit dem Jogger zusammen, der mit einigem Schwung den Gang heruntergelaufen sein musste und nun an dem Oberrat klebte wie eine Fliege am Glas.

»Pardon, ich habe Sie gar nicht gesehen«, sagte er zu Dr. Rosenberger. »Ich bin spät dran, die Kölblstraße war gesperrt, ich musste einen Umweg laufen.«

Der Jogger wollte sich leicht tänzelnd an Dr. Rosenberger vorbeidrängen, doch der hielt ihn mit einem Finger an der Brust auf und musterte ihn verwundert.

»Aber sagen Sie mal: Wir kennen uns doch!«

Der Jogger lief weiter auf der Stelle, Nicole verdrehte die Augen.

»Ja, ich bin Zeuge in dem Mordfall Drittenbass«, sagte er zum Oberrat.

»Und was für ein Zeuge!«, warf Hölleisen halblaut ein, was ihm einen vorwurfsvollen Blick von Maria eintrug.

»Ich habe Herrn Drittenbass gefunden«, fuhr Urs Leber fort. »Leider zu spät.«

»Nein, ich meine: Wir kennen uns von früher«, fuhr Dr. Rosenberger fort. »Vor ein paar Jahren waren Sie doch schon mal Zeuge, in einem Fall von mir.«

»Oh ja – stimmt. Sie waren damals der leitende Ermittler.«

»Und Sie sind doch damals auch schon beim Joggen über eine Leiche gestolpert, wenn ich mich recht erinnere.«

»Das ist wahr. Sehen Sie, so lang jogge ich schon. Wenn Sie mich nicht hätten, was würden Sie da machen!«

Dr. Rosenberger trat einen Schritt zurück und wies auf Urs Lebers Beine.

»Sagen Sie, könnten Sie mal mit dem Getrampel aufhören?«

 

Der Jogger war die ganze Zeit auf der Stelle gelaufen, er glich einem tänzelnden Boxer, der auf eine Gelegenheit wartete, an dem massigen Körper von Dr. Rosenberger vorbeizukommen. Hatte der Oberrat nicht Angst, plötzlich eine linke Gerade abzubekommen? Nein, denn eine rechte Gegengerade von ihm hätte den Jogger atomisiert.

»Ich würde lieber weiterlaufen, wenns recht ist«, sagte der Jogger. »Sonst verliere ich meinen physiologisch wichtigen Steady State. Das ist der Gleichgewichtszustand im Körper, bei dem die Sauerstoffaufnahme gleich dem Sauerstoffbedarf ist.«

»Sie sind also einer dieser Ampeltrampler, die man an jeder Straßenecke sieht«, warf Hansjochen Becker, der Spurensicherer, ein.

Der Jogger wandte sich zu ihm.

»An den Ampeln mache ich Kniebeugen. Langsam in die Hocke – die Knie dürfen dabei nicht über die Fußspitzen ragen.« Er führte es vor, redete dabei unablässig weiter. »Oder den Knee Tuck Jump: Hände vor dem Körper verschränken. Ellenbogen zeigen nach außen. Mit Schwung so hoch wie möglich springen. Die Knie dabei anziehen, so dass sie die Arme berühren. Zehn Mal, dann wirds meistens grün.«

»Hören Sie auf!«, sagte Nicole. »Wir glauben es Ihnen ja!«

Doch der Jogger hüpfte unbeirrt weiter. Und hoch. Und hoch. Und nochmals hoch. Ohne die geringste Spur von Atemlosigkeit erläuterte er:

»Ich kann nicht damit aufhören. Wenn ich damit angefangen habe, muss ich ein Dutzend Mal springen. Sonst übersäuere ich. Steady State, verstehen Sie!«

»Reden Sie keinen Unsinn«, sagte die Gerichtsmedizinerin in scharfem Ton. »Von wegen übersäuern. Sie wollen uns wohl für dumm verkaufen?«

Murrend stellte der Jogger seine Trainingseinheit ein.

»Wollen Sie einen Schluck Wasser?«, fragte Maria.

»Habe ich selbst dabei«, antwortete er beleidigt.

Lässig griff er hinter sich und holte zielsicher eine Flasche aus dem Rucksack. Es sah aus, als ob Robin Hood einen Pfeil aus dem Köcher zog.

»Und jetzt bitten wir Sie, das Protokoll des Gesprächs mit Kommissar Jennerwein durchzulesen und es anschließend zu unterschreiben«, sagte Nicole Schwattke. »Das ist eine Sache von zwei Minuten. Wir haben keine Zeit für so ein Theater.«

»Klar. Verstehe ich.«

Alle betrachteten Urs Leber, der das ausgedruckte Protokoll in die Hand nahm, an seinem Energy-Drink nuckelte und es halblaut murmelnd und kopfschüttelnd las: Ich bin durch den Wald gelaufen, und plötzlich lag etwas auf dem Weg, was ich zunächst für ein totes Tier hielt. Seine Züge waren kantig, sportlich, durchtrainiert, er war Lehrer, wie sie wussten, und bei seinen Schülern wahrscheinlich sehr beliebt, noch beliebter bei den Eltern, die zu ihm in die Sprechstunde kamen, nur weil die Kids gesagt hatten: Den Typen musst du dir mal ansehen. Aber denk dir nichts: Der läuft die ganze Sprechstunde über auf der Stelle! Leber las weiter im Protokoll, die Beamten sahen ihm ungeduldig zu.

»Eines würde ich gern ändern«, sagte der Jogger und blickte auf.

»Ja, was?«

»Hier heißt es, dass der Hund winselte und knurrte. Der Hund hat eigentlich nicht gewinselt und geknurrt, sondern nur gewinselt, so ein kläffendes, trauriges Jaulen.«

»Jaulen? Ich dachte, er hat gewinselt. Jetzt hat er auf einmal gejault!«

»Winseln und jaulen ist doch dasselbe. Aber geknurrt hat er jedenfalls nicht.«

»Ja, kein Problem, dann ändern wir das«, sagte Hölleisen.

»Es ist ja wahrscheinlich nicht so wichtig. Oder doch? Ich stelle mir gerade den Richter bei der Verhandlung vor, wenn er fragt: Hat der Hund nun geknurrt oder gewinselt? Nicht, dass meine Zeugenaussage insgesamt dann nichts wert ist wegen der kleinen Ungenauigkeit.«

Alle im Team sahen ihn entgeistert an. Sie waren kurz vorm Platzen. Oder vorm Winseln.

»Ja, ich muss dann weiter«, sagte Dr. Rosenberger und verließ mit einem Augenrollen den Raum.

»Also, ich unterschreibe dann hier, oder wie?«, fragte Leber.

Er unterzeichnete endlich, wobei er sich auf dem Besprechungstisch aufstützte und mit den Beinen schon wieder strampelnde Laufbewegungen machte. Er konnte sie einfach nicht stillhalten. Ein hyperaktiver ADHS-Jogger. Dann verabschiedete er sich und verschwand.

 

»Steady State«, sagte die Gerichtsmedizinerin, Verena Vitzthum. »Man lernt nie aus.«

Becker blickte auf die Uhr.

»Wo der Chef nur bleibt! Hat er nicht gesagt, dass er nur kurz über etwas nachdenken will?«

Der leere Platz mit dem leicht zurückgeschobenen Stuhl drückte die Nicht-Präsenz Jennerweins überdeutlich aus. Alle blickten unwillkürlich hin. Jennerwein hatte an dem ovalen Tisch, der im Besprechungszimmer stand, keinen besonderen Stammplatz, niemand hatte einen. Jeder setzte sich, wo gerade frei war.

»Komisch ist das schon«, sagte Nicole. »Ich rufe ihn mal auf seinem Handy an.« Sie drückte die Kurzwahltaste und ließ es tuten. Niemand hob ab.

»Ja, dann wird ihm schon etwas Wichtiges dazwischengekommen sein.«

»Das glaube ich auch.«

»Ich würde sagen, wir machen für heute Schluss«, sagte Nicole bestimmt. »Für die Protokolle brauchen wir den Chef, und mein Vortrag über Kryptowährungen kann warten. Ich schlage vor, wir treffen uns morgen früh wieder hier.«

 

Hölleisen hatte sich entschlossen, nicht gleich nach Hause zu gehen, sondern der Wäscherei Kratzmayr noch einen Besuch abzustatten. Er war sich nicht ganz hundertprozentig sicher, aber er glaubte gesehen zu haben, dass der Chef, kurz bevor er den Besprechungsraum verlassen hatte, einen Abholzettel für die Reinigung aus der Hosentasche gezogen und einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, so als wollte er sich bloß vergewissern, dass der Zettel noch da war. Es gab nur zwei Wäschereien im Kurort, Kratzmayr und Böhse. Hölleisen hatte ihn einmal bei der Wäscherei Kratzmayr abgesetzt, aus deren Fenstern es den ganzen Tag dampfte wie bei einer Hongkonger Garküche. Deshalb fuhr er jetzt dorthin. Er betrat den Laden.

»Ja, bitte?«, fragte die junge Frau an der Theke.

»Mein Name ist Polizeiobermeister Hölleisen. Ist dieser Mann heute bei Ihnen gewesen?«

Hölleisen hatte draußen schon ein Foto von Jennerwein hochgeladen, das hielt er ihr vor die Nase.

»Moment, ich muss mal eben meine Brille holen.«

Die junge Frau musterte das Foto mit einer extravaganten italienischen Brille.

»Der sieht ja aus wie Hugh Grant! Was hat er denn angestellt? Ist er es wirklich?«

Hölleisen musste lächeln.

»Nichts hat er angestellt. Und es ist auch nicht Hugh Grant. Wir suchen nur nach ihm.«

Ein verschwörerischer Schatten huschte über ihr Gesicht.

»Ich verstehe, ich verstehe. Das dürfen Sie mir wahrscheinlich gar nicht sagen, was er angestellt hat. Schauderhaft, dass so ein Verbrecher bei uns im Laden gewesen sein soll.«

Sie vergrößerte den Bildausschnitt mit zwei Fingern und studierte Jennerweins Gesicht genauer. Hölleisen glaubte ein wohliges Schaudern bei ihr auszumachen.

»Zuerst hat er mir gar nicht wie ein richtiger Verbrecher ausgesehen«, fuhr sie fort. »Aber jetzt, wo ich ihn mir genauer anschaue –«

»Er ist ja auch kein Verbrecher.«

»Klar, Sie bleiben bei Ihrer Version, Sie ziehen das durch. Wie dem auch sei, und wer der auch ist, er war heute nicht da.«

»Das wollte ich bloß wissen. Kennen Sie den Mann?«

»Was soll das denn wieder heißen? Natürlich kenne ich ihn nicht. Ich verkehre ganz bestimmt nicht in kriminellen Kreisen!«

»Das wollte ich ja nicht damit sagen.«

»Ich arbeite erst seit ein paar Tagen hier bei Kratzmayr, wissen Sie. Und dann gleich Schwierigkeiten mit zwielichtigen Typen.«

»Na, dann frage ich mal anders herum, Frau –« Kurzer Blick auf das Namensschild – »Müller. Haben Sie Kleidungsstücke in Ihrem Lager auf den Namen Hubertus Jennerwein? Können Sie einmal nachschauen? Hat ein Herr Jennerwein etwas gebracht oder abgeholt? Oder eben nicht abgeholt?«

»Ich glaube, das darf ich Ihnen nicht sagen. Datenschutz, Sie wissen schon.«

»Ich bin Polizist, mir dürfen Sie das schon sagen.«

»Brauchen Sie dafür nicht einen – Durchsuchungsbefehl?«

Hölleisen verlor langsam die Geduld, aber er wollte kein großes Trara aus der Sache machen. So zog er einfach streng-väterlich eine Augenbraue hoch. Bei Kindern wirkte das komischerweise. Vielleicht auch bei dieser Brillenschlange? Tatsächlich. Seufzend tippelte Frau Müller nach hinten.

»Jennerwein … Jennerwein …«, hörte er sie aus dem anderen Raum. »Moment, ich habs gleich. Ja, eine Hose und zwei Jacken sind fertig. Wollen Sie die mitnehmen?«

»Nein, danke, es genügt mir schon, das zu wissen.« Hölleisen griff in die Tasche. »Hier ist übrigens mein Dienstausweis. Sie sollten jemanden, der behauptet, ein Polizist zu sein, immer nach seinem Ausweis fragen.«

»Ja, das hätte ich tun sollen. Sie sehen nämlich gar nicht aus wie ein Polizist.«

»Wie dann?«

Frau Müller überlegte. Dann lächelte sie. Hölleisen war sich sicher, dass ihr etwas eingefallen war, das sie ihm aber nicht sagen wollte.

»Keine Ahnung. Anders eben.«

Hölleisen lächelte zurück, bedankte sich und verließ die Wäscherei Kratzmayr. Wie sah er denn dann aus?

 

Nachdem Maria Schmalfuß das Polizeirevier verlassen hatte, streifte auch sie noch ein wenig durch den Ort, eher unentschlossen, vielleicht insgeheim hoffend, dass ihr Hubertus zufällig über den Weg lief. Sie schaute beim ›Café Schlussstrich‹ vorbei, in dem sie öfter zusammengesessen hatten, auch bei der Bäckerei Krusti und einigen anderen Läden. Als sie vor dem Schaufenster eines der vielen Sportbekleidungsgeschäfte stand, bemerkte sie im Spiegelbild, dass sich eine kleine graue Wolke am blitzblauen Himmel gebildet hatte, ein winziger Schmutzfleck als Vorahnung einer herannahenden Katastrophe. Aber diese Ahnung hatte Maria Schmalfuß, die studierte Psychologin, eigentlich immer und überall. Maria riss sich vom Anblick der unheilverkündenden Wolke los und führte sich nochmals den Stuhl vor Augen, den Hubertus nicht ordentlich zurechtgerückt hatte. Alles deutete darauf hin, dass er vorgehabt hatte, innerhalb von Minuten wiederzukommen. Hätte er für heute Schluss gemacht, hätte er sich erstens anständig verabschiedet, zweitens die Sitzung offiziell geschlossen und Aufgaben verteilt, drittens hätte er auf jeden Fall den Stuhl ordentlich an den Tisch gerückt. Das machte er immer so. Maria seufzte. Er hatte nun schon seit drei Stunden nichts von sich hören lassen, obwohl er doch nur kurz über etwas nachdenken wollte. Das war gar nicht die Art von Hubertus.

 

»Nein, der war nicht da«, sagte die Kallingerin von der Metzgerei Kallinger zu Franz Hölleisen.

Hölleisen wusste, dass sich Jennerwein hier öfter mal eine Leberkäsesemmel kaufte, bevor er nach Hause fuhr.

»Ganz bestimmt nicht?«

»Jetzt hör einmal zu, Hölli: Ich bin die ganze Zeit hier im Laden gestanden. Dein Jennerwein ist nicht da gewesen, den hätt ich doch bemerkt.«

»Ja, ich glaubs dir schon. Aber manchmal gehts halt so zu in deinem Laden, vielleicht hast du ihn einfach übersehen.«

Hölleisen spielte auf die Unauffälligkeit seines Chefs an. Jennerwein war der unauffälligste Mensch, den er kannte. Manchmal hatte Jennerwein das schon genutzt. Es war nicht so, dass er ein verhuschtes Äußeres gehabt hätte, aber er hatte eine Art, ins Zimmer zu treten, dass man es manchmal gar nicht mitbekam. Man hätte nicht sagen können, wann er hereingekommen war. Diese Jacke, die er immer trug, passte auch dazu. Ein hellbraunes Tweed-Sakko. Es war schon fast so eine Art Tarnkappe, mit der er den Eindruck der Unsichtbarkeit noch verstärkte.

»Vielleicht war ja dein Laden gestopft voll, er ist hereingekommen, hat gesehen, dass der Leberkäse aus ist, und ist wieder gegangen.«

»Leberkäse ist doch bei uns nie aus«, schnaubte die Kallingerin. »Jetzt hör einmal, Hölli! Da kann passieren, was will, Leberkäse haben wir immer. Und wenn ein Komet auf die Erde zurasen würde, wir hätten bis zum Einschlag immer noch genug Leberkäsesemmeln für alle!«

»Und wahrscheinlich auch darüber hinaus.«

Auf dem Gesicht der Metzgerin erschien so etwas wie eine kleine Wut. Gerade ausreichend, um einen Plastikteller auf den Boden zu werfen, mehr nicht. Hölleisen verabschiedete sich. Komisch war das schon mit dem Chef. Sich gar nicht zu rühren. Er schaute auch noch bei den anderen vier Traditionsmetzgereien vorbei, die amtlich gute Leberkäsesemmeln anboten: Kernsdorf, Boberdinger, Moll und Bröckl. Ohne Ergebnis. Hölleisen beschloss, es für heute gut sein zu lassen. Mehr konnte er nicht tun. Aber komisch wars trotzdem.

 

Exakt zu dem Zeitpunkt, als Hölleisen zu Hause den Fernseher zur Tagesschau einschaltete und die Tüte mit den Leberkäsesemmeln aufriss, die ihm die Kallingerin ›aufgedrängt‹ hatte, blickte der Großinvestor Lukas Lohkamp in die Mündung einer Glock 22 mit Schalldämpfer.

»Was soll das? … Bist du verrückt geworden?! … Warum bedrohst du mich?«, fragte er noch entgeistert, da drückte der vierschrötige Mann, den sie Goody nannten, auch schon ab und traf ihn mit tödlicher Präzision mitten ins Herz. Lohkamp sank hinter dem Schreibtisch zusammen. Spielerisch und der Situation vollkommen unangemessen warf der Attentäter die Pistole von einer Hand in die andere, dann legte er sie sorgsam auf den Schreibtisch, hinter dem Lohkamp verschwunden war. Goody öffnete die Minibar, nahm eine Flasche Bier heraus, schlug sie an dem Metallrahmen des Fernsehers auf, so dass ein tiefer Riss im Bildschirm klaffte, und trank einen Schluck. Er warf die Flasche auf das unbenutzte Bett, dort entleerte sie sich langsam und ungut gluckernd, währenddessen trat er auf den Balkon und atmete tief durch. Wieder im Zimmer, hängte er noch ein Bild gerade, dann steckte er die Glock ein und verließ das Hotelzimmer. Auf dem Gang kamen ihm ein Mann und eine Frau entgegen, die durch ihre altertümlichen Uniformen als Hotelangestellte erkennbar waren. Er grüßte beide freundlich, blieb stehen, machte ihnen Platz. Dann ging er hinunter in die Lobby des Hotels Barbarossa. An der Rezeption stand eine junge Dame in knappem Dirndl und unbequemen Schuhen. Man sah, dass die bayrische Aufmachung nicht so ganz ihrs war. Selbst die sorgsam geflochtene Zopfkronenfrisur schien ihr höllisch unbequem zu sein.

»Schon fertig?«, sagte sie und zupfte am weißblauen Kropfband. Das Kropfband schrie nach Weggelassenwerden. »Kann ich noch etwas für Sie tun?«

Der Mann, den sie Goody nannten, überlegte kurz, ob er die junge Frau nicht ebenfalls erschießen sollte. Weit und breit war niemand zu sehen. Stattdessen sagte er:

»Herr Lohkamp von Zimmer 36 lässt ausrichten, dass er nicht gestört werden will. Auch morgen früh nicht. Nicht vor zehn. Können Sie das aufschreiben?«

Die Dirndlträgerin nickte.

»Nicht vor zehn, habe ich notiert«, sagte sie rezeptionell eifrig. »Kommt er denn zum Mittagessen?«

»Warten Sie nicht auf ihn.«

»Morgen gibt es Rehgulasch mit Gin, Walnussspätzle und Spitzkohl-Birnen-Gemüse. Das sollte sich Herr Lohkamp nicht entgehen lassen.«

Die Quasselstrippe doch erschießen?, fragte sich Goody. In der Innentasche seines Jacketts steckte die Glock. Der Lauf war noch warm vom Schuss. Es juckte ihn in den Fingern. Aber er durfte es nicht übertreiben, er musste sich streng an seinen Auftrag halten. Der Holländer hatte es so bestimmt. Ausschließlich Lohkamp sollte das Ziel sein.

»Geht das in Ordnung? Auf keinen Fall vor zehn?«

Die Dirndlfrau nickte diensteifrig.

Wenn du wüsstest, dachte Goody, als er das Hotel verließ und in das bereitstehende Taxi stieg.

»Wo solls denn hingehen?«, fragte der Taxifahrer.

»Zum Parkplatz am Bahnhof. Und schalten Sie die Musik aus. Die ist ja grässlich.«

»Das ist Volksmusik«, sagte der Taxifahrer achselzuckend. »Aber es ist natürlich nicht jedermanns Geschmack.«

 

Als Hölleisen ins Bett ging, ließ er nochmals die Szene Revue passieren: Jennerwein steht auf, zieht einen Wäschezettel aus der Tasche, schaut ihn kurz an und steckt ihn wieder ein. Aber vielleicht war es gar kein Wäschezettel. Wie blöd war er eigentlich! Warum hatte er sich bei der Wäscherei Kratzmayr von der Brillenschlange nicht so einen Wäschezettel zeigen lassen! Morgen, morgen würde er das nachholen. Darüber schlief Hölleisen ein. Was er träumte, wissen wir nicht. Er erwachte auch nicht schweißgebadet, sondern er schlug die Augen auf, als der Wecker klingelte. Sein erster Gedanke galt der Wäscherei Kratzmayr. Dort wollte er vor Dienstbeginn nochmals vorbeischauen.

2

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post AG:

Herakles sollte bei uns in der Abteilung ›Unzustellbare Briefe‹ arbeiten. Ställe des Augias ausmisten, schön und gut, aber die Sauklauen mancher Kunden entziffern – das wäre mal eine wirklich nützliche Arbeit.

Kommissar Jennerwein reckte sich. Er spürte, dass er unbequem lag, deshalb drehte er sich leicht zur Seite und versuchte eine komfortablere Position einzunehmen. Vergeblich. Das Bett war verdammt hart. Hart wie ein Holzbrett. Es musste gegen fünf Uhr morgens sein, das schloss Jennerwein aus dem Zwitscherkonzert der ersten Buchfinken, sie saßen wahrscheinlich schon unverschämt fröhlich auf der tautropfenden Goldligusterhecke, die vor seinem Schlafzimmerfenster wucherte. Jennerwein versuchte wieder in den wattigen Zustand eines verlorengegangenen Traums einzutauchen, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Ein leichter Kälteschauer kroch durch seinen Körper, seufzend versuchte er die Decke über die Beine zu ziehen. Doch er bekam sie nicht zu fassen, sie musste vom Bett gefallen sein. Egal, er war viel zu schläfrig, um sich weiter damit abzumühen. Die Sommernacht war ohnehin lau und warm, durch das Fenster, das er nachts immer geöffnet hielt, spürte er den milden Wind, der seine Wangen streifte. Wenn er sich jetzt dazu durchrang, die Augen zu öffnen, konnte er den üppig besternten Himmel durch das Fenster sehen. Vor ein paar Tagen war dort oben ein Wölkchen in Form eines verschmitzten Popeye-Gesichts vorbeigezogen, selbst die Seemannspfeife hatte nicht gefehlt. Doch momentan wollte er einfach nur weiterschlafen. Mit Behagen hörte er auf seinen Atem, der langsam und gleichmäßig dahinströmte. Alles gut. Alles in bester Ordnung. Vermutlich hatte ihn bloß ein Albtraum geplagt, aus dem er aufgeschreckt war, gleich würde er sich wieder angenehmen und flockig leichten Phantasien zuwenden. Doch daraus wurde nichts. Jennerwein sollte heute keine Ruhe finden. Denn jetzt spürte er einen leisen Anflug von Kopfschmerz und Unwohlsein, es fühlte sich an wie ein Kater nach einem zu kräftig ausgefallenen Umtrunk. Jennerwein konnte sich jedoch nicht daran erinnern, gestern Abend gefeiert zu haben, außerdem trank er so gut wie nie Alkohol. Er reckte sich mehrmals ungeduldig, fand jedoch keine bequemere Position und verfiel wieder in einen erwartungsvollen Halbdämmerzustand. Wenigstens waren die Kopfschmerzen ein wenig abgeklungen. Also jetzt, Jennerwein: einschlafen. Loslassen. Alles wird gut.

 

Doch heute war wohl nicht der Morgen für einfache Lösungen. Ein blechernes Knarren ganz in seiner Nähe ließ ihn aufschrecken. Nach ein paar Sekunden wiederholte sich das Geräusch. Jennerwein fluchte lautlos. Und noch ein drittes Mal: Roiiiiig-rojjiiiing. Erst beim vierten Mal begriff er, dass es sich um den albernen Klingelton eines Smartphones handelte, das sich ganz in seiner Nähe befinden musste. Reflexartig streckte er die Hand zum Nachtkästchen aus, auf dem er sein Mobiltelefon normalerweise ablegte. Doch aus dieser Richtung kam das Geräusch nicht. Genervt zog er die Hand wieder zurück. Es war auch nicht der gewohnte Weckton, es war ein fremder Klingelton von einem fremden Handy aus einer ungewohnten Richtung. Und nochmals: Roiiiiig-rojjiiiing. Lag er in einem fremden Bett? Oder lag gar jemand Fremdes in seinem Bett? Trotzig presste er die Augen zusammen, als wollte er sich nicht vorschreiben lassen, wie und mit wem er den Tag zu beginnen hatte. Das lästige Ding schwieg endlich. Wieder überkam ihn eine Welle von Müdigkeit, die bleischwer an ihm zerrte und ihn davon abhielt, genauer nachzuprüfen, warum ganz in seiner Nähe ein fremdes Handy klingelte. Herrgott, es musste doch möglich sein, noch ein paar Minuten weiterzuschlafen! Abermals versuchte er, sich auf die eigene Atmung zu konzentrieren. Nach wenigen Zügen beruhigte er sich wieder. Weiterschlafen, sich treiben lassen, nicht auf solche Albernheiten achten. Sollte das Gerät nur noch ein einziges Mal klingeln, würde er abheben und der Nervensäge gehörig die Meinung sagen. Als ob der frühmorgendliche Anrufer die grimmigen Gedanken von Jennerwein gelesen hätte, blieb das Handy stumm. Na prima, aufgelegt. Falsch verbunden. Stille. Schlafen, vielleicht auch träumen, da liegt der Hund begraben … Nur das Geräusch der Nachtluft und das ferne Gezeter der Buchfinken. Und seine eigene Atmung. Und ein winziges Fizzelchen aus Hamlets Monolog. Welcher Wahnsinnsbraten rief überhaupt um diese Nachtzeit an? Jennerwein hob die Hand, um das Kopfkissen heranzuziehen, das ebenfalls verrutscht sein musste. Kein Kopfkissen. Keine Bettdecke. Er betastete den Untergrund, auf dem er lag, und der war steinhart. Seine Hand tastete weiter. Das war nicht sein Bett. Es war überhaupt kein Bett. Erschrocken schlug er die Augen auf und fuhr blitzartig hoch.

 

Er saß auf keiner Bettkante. Er saß auf einer grob gezimmerten Holzbank – und die Bank stand auf einer Wiese mitten in freier Natur! Über ihm spannte sich der Nachthimmel, in der Ferne waren die bleichen Gerippe einiger Berge zu sehen. Was um Gottes willen hatte das zu bedeuten!? Er war die ganze Zeit auf einer Parkbank gelegen? Das durfte doch nicht wahr sein! Jennerwein blickte sich um, versuchte sich zu orientieren, hielt nach Anhaltspunkten Ausschau. In der Nähe stocherten einige Bäume im frühmorgendlichen Dunkel herum, am Horizont konnte er die ersten Anzeichen der aufgehenden Sonne erkennen, die noch lautlos hinter dem Gebirge tobte wie ein eingesperrtes Raubtier. Freie Natur, vereinzelt zwitschernde Vögel, beileibe nicht die Buchfinken vor seinem Fenster, sondern Dutzende von miteinander konkurrierenden Vogelstimmen. In den schwarzen Kaffee der Nacht war schon ein kleiner Klacks Dämmerung eingerührt. Jennerwein stieß einen erschrockenen Laut aus. Er war auf einer Aussichtsbank inmitten freier Natur eingeschlafen. Wie um alles in der Welt war er denn hierher geraten?

 

Einen Augenblick saß er starr da, dann sprang er aus einem plötzlichen panischen Impuls heraus auf, die Hände unwillkürlich zu abwehrbereiten Fäusten geballt – und ließ sich sofort wieder nieder. Ein tückisches Streichquartett von Kopf-, Kreuz-, Glieder- und Nackenschmerzen war durch seinen Körper gefahren, kein Wunder nach einer Nacht auf einer unebenen, groben Holzbank. Ein migräneähnliches, tobendes Pochen durchzog seinen Schädel. Er versuchte seinen Oberkörper zu recken und zu dehnen, aber auch dabei spürte er jeden Knochen einzeln im Leib. Zu allem Überfluss überkam ihn jetzt auch noch ein hartnäckiger Hustenanfall. Als sich seine Bronchien einigermaßen beruhigt hatten, machte er einen zweiten, vorsichtigeren Versuch aufzustehen, diesmal gelang es besser. Soweit er in der Dunkelheit erkennen konnte, befand sich niemand sonst in seiner Nähe. Was war da gestern los gewesen? Er trank weder viel Alkohol noch nahm er irgendeine Art von Drogen. Ein Pfeifchen mit achtzehn, das wars eigentlich auch schon gewesen. Vielleicht hatte er aber gestern Abend doch einmal einen über den Durst getrunken, war in ungewohnt angeheitertem Zustand Richtung Pension Edelweiß gegangen, in der er immer übernachtete, und auf dem Weg dorthin einfach auf der Aussichtsbank eingeschlafen. Er konnte sich allerdings nicht erinnern, jemals auf dem Heimweg an einer solchen Stelle vorbeigekommen zu sein. Was war gestern nur geschehen? Tagsüber hatte er an der Besprechung im Polizeirevier teilgenommen. Der Tote im Wald – wie hieß der nochmals? Jennerwein fiel der Name des Opfers auch nach angestrengtem Nachdenken nicht ein. Was war denn das für ein Scherz, Herrgott nochmal? Der Fall hatte ihn die ganze letzte Woche täglich beschäftigt, und ihm war der Name des Opfers entfallen! Egal. Ein Toter im Wald, ein Jogger hatte ihn gefunden. Auch an dessen Namen konnte er sich nicht erinnern, es wurde immer merkwürdiger. Der Jogger hatte den Vorfall gemeldet, die Gerichtsmedizinerin hatte am Tatort sofort auf einen Herzanfall getippt, der Tote war Raucher, alt, Kaffeetrinker, und seine Lieblingsspeise waren fetttropfende Hamburger gewesen – alles sah nach einer quasi natürlichen Todesursache aus. Jennerwein aber war der Meinung gewesen, dass hier etwas nicht zusammenpasste. Verena Vitzthum hatte den Kopf gehoben.

»Sie denken an Fremdeinwirkung, Chef?«

»Achten Sie auf die Spuren, Verena: Schleifspuren, die zum Körper hinführen, auf der anderen Seite Reifenspuren, die von ihm wegführen.«

Jennerwein sah die Stelle in dem kleinen Waldstück vor sich, an der sie die Leiche gefunden hatten. Die Kleidung des Opfers war an mehreren Stellen eingerissen, als ob ein Kampf stattgefunden hätte. Der mutmaßliche Täter war inzwischen schon gefasst, er saß in der JVA, der Fall war eigentlich so gut wie abgeschlossen. Hatten sie deswegen gefeiert? Und hatte er selbst ausnahmsweise einmal etwas getrunken? Ja, das wäre eine logische Erklärung für die Kopfschmerzen. Aber die Parkbank? Er konnte sich gerade noch daran erinnern, das Revier am Nachmittag verlassen zu haben, doch zwischen dem Zeitpunkt, als er aus der schweren Eingangstür des Reviers getreten war, und seiner jetzigen Lage klaffte ein großes, schwarzes Loch. Aber so musste es gewesen sein: Nach einer ausgelassenen Feier am Abend war er nach Hause gegangen, aus irgendeinem Grund hatte er einen Umweg durch die Felder genommen und war auf der Bank eingeschlafen. Und jetzt hatte er einen Filmriss. Vielleicht hatte er zusätzlich noch einen seiner Akinetopsie-Anfälle gehabt. Aber diese lästige Krankheit hatte er doch inzwischen leidlich im Griff! Jennerwein bemühte sich, ein paar zittrige Schritte zu gehen. Auch weil es immer noch dunkel war, setzte er vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Seine Hände kneteten die Nachtluft. Er verließ den Schotter, der die Bank umgab, und kam auf eine leicht ansteigende, abgemähte Wiese. Sein Gang fühlte sich eckig und ungelenk an, jede kleine Bewegung tat ihm weh, als ob er durchgeprügelt worden wäre. Was um Gottes willen war mit ihm los? Was war geschehen? War er in eine Schlägerei geraten? Wieder reckte er sich und versuchte, Lockerungsübungen zu machen. Aber das brachte keine Linderung, seine Gliedmaßen fühlten sich fremd und kalt an. Er probierte es mit Kniebeugen, doch Jennerwein, der davon sonst locker fünfzig und mehr schaffte, kam über sieben nicht hinaus. Völlig außer Atem schleppte er sich wieder zurück zur Bank. Bevor er sich setzte, zog er seine Jacke aus. Seine Jacke? Von wegen. Schon beim Anfassen fiel ihm auf, dass es nicht sein heißgeliebtes hellbraunes Tweed-Sakko war, das er schier Tag und Nacht trug. Als er über den Stoff strich, bemerkte er, dass es eine völlig fremde Jacke war. Jennerwein griff prüfend an sein Hemd und seine Hose. Ein angewiderter Schauer durchfuhr ihn. Er steckte in der Kleidung eines fremden Menschen! Sogar die Schuhe waren nicht die seinen. In solch modische Halbschuhe mit leicht erhöhten Absätzen hätte er niemals einen Fuß gesetzt. Was war denn hier los! Das wurde ja immer verrückter! Jennerwein drehte sich erneut einmal um die eigene Achse. Es war noch zu dunkel, um festzustellen, wo genau er sich befand. War jemand in der Nähe? Beobachtete ihn eine versteckte Kamera? Oder brachen dort hinter den Silhouettenbäumen gleich Horden von Polizeikollegen heraus, die ihm johlend zu irgendetwas gratulierten? Jennerwein verharrte einige Zeit in seiner Pose und lauschte angestrengt. Langsam führte er eine Hand an die Stirn und begann die Schläfen mit Daumen und Mittelfinger zu massieren. Das tat er immer, wenn er nachdachte, dabei kamen ihm normalerweise die besten Ideen. Aber jetzt herrschte völlige Leere in seinem Kopf. Was in drei Teufels Namen war gestern geschehen? Seine Stirn fühlte sich rau und fremd an. War die Haut dort angeschwollen? Er fuhr sich durchs Haar. Mit Schrecken stellte er fest, dass es millimeterkurz geschoren war. War er denn gestern auch noch beim Friseur gewesen? Oder hatte ihm jemand über Nacht die Haare abrasiert? Ein Gefühl des absoluten Ausgeliefertseins ergriff ihn und nahm ihm fast den Atem. Er musste unbedingt mit jemandem sprechen, er brauchte dringend Hilfe. Beim Betasten seiner Kleidung hatte er vorhin bemerkt, dass ein Smartphone in der Innentasche des Jacketts steckte. Daher war auch das alberne Roiiiiig-rojjiiiing gekommen. Jemand hatte ihn angerufen. Nein, nicht ihn, sondern den Besitzer dieser Jacke. Rasch zog Jennerwein das Smartphone heraus. Doch es war gesichert. Er tippte die beiden häufigsten PIN-Codes dieses Universums ein, nämlich 1111 und 0000 – ohne Erfolg. Einen dritten Fehlschlag wollte er nicht riskieren, damit würde er das Handy sperren. Er ließ es sinken, es war momentan vollkommen nutzlos. Und wen hätte er eigentlich angerufen? Maria? Ein Familienmitglied? Oder gleich die psychiatrische Abteilung der Klinik? Seine Hand fühlte sich so unbeweglich und eigenartig an. Er streckte sie aus, hielt sie schließlich dicht vor die Augen. Ein seltsamer, ungewohnter Geruch entströmte ihr. Es war der moosige, erdige Geruch einer stark parfümierten Handcreme, die er nie benutzt hätte. Jennerwein schnüffelte erneut. Das durfte doch nicht wahr sein: Jemand hatte ihn nicht nur in neue Kleidung gesteckt, sondern ihn auch noch mit übelriechendem Parfüm begossen! Er hob das Smartphone wieder hoch. Die Displaybeleuchtung verbreitete ein schwaches, funzeliges Licht in der absoluten Dunkelheit. Er richtete das Gerät auf seine Hand. Die Fingerkuppen, die Knöchel, die Form der Fingernägel – alles an seiner Hand erschien ihm fremd. Auch die andere Hand war angeschwollen, er konnte sich nicht an derartige Fettpölsterchen um die Handgelenke herum erinnern. Aber vielleicht täuschte ihn das Zwielicht. Er bewegte die Hand. Wie um ihr Eigenleben zu beweisen, schlängelte sie sich jetzt wie ein fremdes Tier, sie streckte die Finger aus, und es waren nicht seine Finger – und es war auch nicht seine Hand. Jennerwein fuhr ein heißer Schauer durch den ganzen Körper. Das Smartphone fiel zu Boden. Wie um alles in der Welt war es möglich, dass sich seine Hände so verändert hatten! Eine böse Ahnung stieg in ihm auf. Eine Ahnung von etwas, das unvorstellbar und eigentlich völlig unmöglich war.

 

Jennerwein atmete schwer. Dann fuhr er sich über Stirn, Nase und Wangen. Schließlich spürte er den dünnen Oberlippenbart. Jennerwein rieb vorsichtig daran. Kein Zweifel, der Bart war echt. Du hast noch nie in deinem Leben einen Bart getragen, dachte er, nicht einmal in deiner Jugendzeit. Dass dir jemand während deines Blackouts die Haare geschoren hat, das wäre ja noch einigermaßen erklärbar, aber dass dir in wenigen Stunden ein Bart gewachsen ist, das liegt überhaupt nicht im Bereich des Möglichen. War doch mehr Zeit vergangen, als er vermutet hatte? Jennerwein betastete sein Gesicht weiter. Die These vom Kollegenscherz war endgültig vom Tisch. Diese ungewohnt massigen Wangenknochen, die völlig andere Form der Ohren, die dicke, fleischige Nase, das vorspringende Kinn – alles war ihm erschreckend fremd und unheimlich.

 

Seine Gedanken rasten. Das war nicht sein Gesicht. Das waren nicht seine Hände.

 

Das war auch nicht sein Körper.

3

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche:

Herakles soll die Werke von James Joyce, Charles Bukowski und Michel Houellebecq in einfache, gerechte und achtsame Sprache übersetzen.

Die Fichten am Waldrand sahen aus wie eine mittelalterliche Geheimgesellschaft von Gottesleugnern und Ketzern, so verschworen und scharf zischend tuschelten sie miteinander. Die kleine Siedlung war ein gutes Stück entfernt vom Kurort, sie hieß aus unerfindlichen Gründen ›Der Knick‹. Das Gelände gehörte dem Freistaat, hier wohnten hauptsächlich Staatsanwälte, Richter und andere Staatsdiener, und eben auch einige Polizisten. Pensionierte Polizisten, aktive Polizisten, Polizisten aus allen Fachbereichen. Nicht viele wussten, dass Jennerwein und auch Becker ebenfalls dort residierten. Der Kurort lag eine Dreiviertelstunde Bahnfahrt vom Knick entfernt, bei Ermittlungen mietete sich Jennerwein deshalb oft in der dortigen Pension Edelweiß ein.

 

Nicole Schwattke war mit dem Auto unterwegs zum Knick. Sie war früh aufgestanden, sehr früh, was gar nicht ihre Art war, sie war vom Wesen her eine Volleule. Die Geschichte mit Jennerwein hatte ihr jedoch keine Ruhe gelassen. Das war überhaupt nicht sein Stil, einfach so abzuhauen. Mitten im Dienst. Sie rief ihn nochmals unter beiden Nummern an: Anrufbeantworter. In der Pension Edelweiß war er ebenfalls nicht zu erreichen. Gemailt hatte sie ihm auch schon mehrmals. Es musste etwas passiert sein. Nicole hatte einen Schlüssel zu seinem Haus, den hatte ihr der Chef vor langer Zeit gegeben.

»Wenn mal was ist«, hatte er gesagt.

Und jetzt war was, so viel stand fest. Sie parkte hundert Meter von seinem Haus entfernt. Die Dunkelheit hatte etwas von ihrer Kraft verloren, aber das Haus selbst lag zappenduster da. Sie umkreiste es zunächst langsam und umsichtig, das gebot ihr der Instinkt. Sie wollte in keine Falle tappen. Dann aber schloss sie die Hintertür auf und betrat Jennerweins Reich. Dumpfe Beklommenheit stieg in ihr auf, sie musste sich zusammenreißen, um nicht auf der Stelle umzukehren. Sie war das erste Mal hier und kannte auch sonst niemanden, der je in Jennerweins Wohnung gewesen war. Sie rief mit lauter Stimme, überprüfte jedes Zimmer, immer peinlich auf Selbstschutz bedacht. Doch das Haus war leer. Keine Kampfspuren, keine Fluchtspuren, überhaupt keine Spuren von außergewöhnlichen Vorgängen. Sie stieg in den Speicher, der komplett mit Pappkisten vollgestellt war, sie durchsuchte den Keller, in dem ebensolche Unordnung herrschte.

»Entschuldigung, Chef«, sagte sie halblaut, als sie zögerlich Jennerweins Schlafzimmer betrat. Ein Griff aufs Bett. Ein Griff aufs Sofa. Hier hatte er jedenfalls nicht übernachtet. Je weiter sie bei ihrer Hausdurchsuchung vorankam, je weniger sie Grund hatte, beunruhigt zu sein, desto mehr hatte Nicole das Gefühl, sich zu sehr eingemischt zu haben. Sie war sich sicher, dass der Chef heute Nacht nicht hier gewesen war. Sie verließ das Haus, schloss wieder ab, überprüfte noch einmal Garten, Garage und Geräteschuppen, machte sich dann auf den Weg ins Revier. Nicole glaubte ein paar intime Dinge gesehen zu haben, die sie nichts angingen. Zum Beispiel im Wohnzimmer auf dem Sofa einen völlig zerknuddelten Teddybären. Der eine kleine Polizeimütze auf dem Kopf trug. Das sah nach einem sehr persönlichen Geschenk aus. Einem Geschenk von einer Verehrerin. Nicole konnte Maria Schmalfuß nicht ganz ausschließen.

 

Franz Hölleisen stand wie jeden Tag um sechs Uhr auf. Bei seinen Freiübungen und Rumpfbeugen auf der Terrasse (seine Frau sprach von den ›Turnvater-Jahn-Gedächtnis-Minuten‹) war ihm der Jogger wieder eingefallen. Kommissar Jennerwein hatte Urs Leber befragt und die Vernehmung per Audio aufgenommen, er selbst hatte die Aussage dann abgetippt. Hölleisen setzte sich an seinen Computer und nahm sich die Zeugenaussage noch einmal vor, die der Ampeltrampler gestern unterschrieben hatte. Vielleicht fand er da ja irgendetwas, was mit dem Verschwinden des Chefs zu tun hatte.

 

»Guten Tag, Herr Leber.«

»Hallo, Herr Kommissar.«

»Warum laufen Sie auf der Stelle? Hören Sie bitte auf damit.«

»Entschuldigung«, sagte Leber kleinlaut.

Die Schrittgeräusche verstummten schlagartig. Der Chef hatte Leber wohl auf eine Weise angesehen, dass der auf jede Widerrede verzichtete. Es lag nicht am Dienstgrad, Jennerwein hatte eben diesen gewissen Blick. Den lernte man nicht auf der Polizeischule. Der war angeboren.

»Herr Leber, bitte erzählen Sie mir, wie Sie die Leiche aufgefunden haben.«

»Ich bin durch den Wald gelaufen, und plötzlich lag etwas auf dem Weg, was ich zunächst für ein totes Tier hielt. Zunächst.«

»Sie sind aus nordöstlicher Richtung gekommen? Von der Lichtung?«

»Ja, genau von da. Ich wollte zu dem kleinen Forstweg, auf dem ich dann später das Auto habe wegfahren hören.«

»Sie sind also über das vermeintlich tote Tier drübergesprungen und weitergelaufen?«

»Ja, aber nur ein paar Schritte. Ein totes Tier mit Pullover?, dachte ich. Da stimmt doch was nicht. Also bin ich noch mal zurück. Ich habe gleich auf den ersten Blick gesehen, dass es Drittenbass war.«

»Sie haben sein Gesicht erkennen können?«

»Ja. Und da wusste ich gleich, dass er das Land nach oben verlassen hat.«

»Woher kennen Sie Herrn Drittenbass?«

Leber machte hier eine kleine Pause. Er kratzte mit dem Stuhl, murmelte etwas, räusperte sich.

»Keine Ahnung. Den kennt man halt. Ein Aktienguru. Sein Bild war ja öfter in der Zeitung. Ich habe sofort Erste Hilfe geleistet, aber ich habe schon befürchtet, dass es zu spät ist. Dann war da plötzlich ein Winseln und Knurren. Und ich habe aufgeblickt. Ein kleiner Hund ist aus dem Gebüsch gesprungen. Hat an der Leiche geschnüffelt. Dann habe ich Sie angerufen. Den Rest kennen Sie ja selbst.«

»Haben Sie die Leiche bewegt?«

»Nein.«

»Haben Sie die Leiche berührt?«

»Die mutmaßliche Leiche. Ich habe zu dem Zeitpunkt ja noch nicht gewusst, dass Drittenbass tot ist.«

»Aber jetzt wissen Sie es doch.«

»Also die damals mutmaßliche Leiche.«

»Haben Sie die Leiche also berührt?«

»Bei den Erste-Hilfe-Griffen habe ich sie natürlich schon berührt.«

»Darüber hinaus nicht?«

»Nein, warum sollte ich!«

»Was waren das genau für Erste-Hilfe-Griffe?«

»Puls fühlen, nach Verletzungen suchen. Dann Herzdruckmassage.«

»Auf die Seite gedreht haben Sie die Leiche nicht? Vielleicht in eine stabile Seitenlage?«

»Nein. Wozu? Er war tot.«

Jetzt machte Jennerwein eine Pause. Hölleisen hörte Blätterrascheln, Stühlerücken und Verkehrslärm von draußen. Die Tür wurde geöffnet, jemand kam herein und legte etwas auf den Tisch. Das war er selbst gewesen.

»Sie wirken mir gar nicht besonders schockiert«, fuhr Jennerwein schließlich fort.

»Ich bin nicht leicht zu schockieren. Und außerdem ist das ja nicht die erste Leiche im Laufe meiner langen Joggerkarriere. Ich kenne mich mit Leichen aus.«

»Ich auch, das können Sie mir glauben«, sagte Jennerwein halblaut. Blättergeraschel, Stühlescharren, schließlich fuhr er fort: »Und dann haben Sie ein Auto wegfahren hören?«

»Ja, von Ferne. Ob es allerdings weggefahren ist oder hergefahren, habe ich nicht ausmachen können.«

»War es eher ein Pkw oder ein Lastwagen?«

»Es war ein Audi allroad quattro, Baujahr 2012, Diesel, mit Allradantrieb und Luftfederung. Seriennummer 5646 …«

Hölleisen musste lächeln. Maria hatte gesagt, Ansagen dieser Art wären nichts Ungewöhnliches. Vor allem, wenn die Zeugen sehr nervös waren. Es war die Flucht ins Lächerliche.

»Witzbolde sind immer unsichere Kandidaten«, hatte Maria gesagt. »Einen Joke kann man stets als gesichertes kompensatorisches Zeichen eines Minderwertigkeitskomplexes sehen.«

»Wollen Sie mich ärgern?«, sagte Jennerwein ruhig.

»Nein, ich kann mich natürlich nicht an die Motorengeräusche erinnern, geschweige denn sie deuten! Ich bin begeisterter Jogger und kein Autofreak.«

»Warum sind Sie überhaupt an dieser Stelle vorbeigekommen? Das ist keine übliche –«

»Der Kaffee ist fertig!«, schrien Hölleisens Frau und alle vier Kinder unisono von der Küche aus nach oben.

»Ja, ich komme ja schon«, rief Hölleisen gutmütig aus dem Arbeitszimmer zurück. Ein komischer Kauz, dieser Jogger. Ob der etwas mit dem Verschwinden von Jennerwein zu tun hatte?

 

Maria Schmalfuß ging die Szene nicht mehr aus dem Kopf. Hubertus hatte den Stuhl nicht wie sonst sorgfältig an den Tisch gerückt, sondern einfach stehen lassen. Grübelnd tauchte sie den Löffel in den heißen Kaffee. Wie bezeichnete man nur diesen Effekt, wenn jemand eine kleine, aber eingefleischte Gewohnheit plötzlich aufgibt, ohne dass ein zwingender Grund dafür vorliegt? Maria stand auf und eilte im Nachthemd (wallendes Haar, barfuß, Schlaffäustlinge) in ihre kleine Bibliothek, die berstend vollgepfropft mit psychologischer Fachliteratur war. Man hätte wohl auch nichts anderes erwartet. Ehrfurchtsvoll senkte sie im Vorbeigehen ihren Kopf vor einer Lithographie Sigmund Freuds, die an der Wand hing. Dann zog sie das Universallexikon psychologischer Fachausdrücke aus dem Jahr 1929 heraus. Schnell fand sie die Stelle, nach der sie gesucht hatte:

»Der plötzliche Ausbruch aus der Regelrationalität deutet auf den Wunsch hin, den bisher eingeschlagenen Lebensweg zu verlassen, sein Leben radikal zu ändern, auszuwandern, mit allen Freunden zu brechen …«

Nachdenklich klappte sie das Buch zu. Dann setzte sie sich wieder an den Frühstückstisch und rührte unendlich lange in ihrer Kaffeetasse.

 

Auch Urs Leber war früh aufgestanden, um wie jeden Tag vor dem Unterricht seine Runden zu drehen. Er lief den listig glitzernden Fluss entlang, dann bog er in dichten Wald ein. Er war im Lauf seiner Joggerkarriere tatsächlich schon vier Mal auf Leichen gestoßen. Er hatte selbstverständlich alle gemeldet und auch jedes Mal einiges zum Erfolg der Ermittlungen beigetragen. Gedankt hatte es ihm niemand. Und dann war ihm diese Sache mit der lebendigen Leiche passiert. Wenn es wenigstens Schüler gewesen wären, die sich den Scherz erlaubt hatten, ihm eine Fake-Leiche in den Weg zu legen! Nein, der Kollege Nierlmayer (Sport, Latein, Altgriechisch) war damals mitten in seiner Herzdruckmassage aufgesprungen, hatte sich das künstliche Blut aus dem Gesicht gewischt und das halbe Kollegium aus dem Wald herausgerufen! Pädagogen wollten das sein, Vorbilder für die Jugend! Leber lief grimmig weiter. Dann dachte er wieder an Drittenbass. Bleich war der Herr Drittenbass gewesen, sehr bleich. Die Augen nach oben gedreht, er hatte sie ihm geschlossen. Das hätte er vielleicht sagen sollen, das war ja schließlich auch eine Berührung. Urs Leber lief wieder zurück in den Kurort. An der Ampel blieb er brav stehen.

»Na, heute gar kein Knee Tuck Jump?«, fragte einer der Wartenden. »Von wegen Steady State?«

Wie mans macht, ists falsch, dachte Urs Leber.

4

Ein Lebensmittelarchäologe:

Edler Herakles, Sohn des Zeus und der unübertrefflichen Alkmene! Großprankiger Schlangenwürger, Zwillingsbruder des Iphikles, erster Gatte der Megara, zweiter Gatte der Omphale … Du hast, so hört man, in deinem 11. Abenteuer die Äpfel der Hesperiden aus dem Garten dieser Nymphen geraubt. Ich als Pomologe interessiere mich brennend dafür, was das denn für Äpfel waren. Alte Sorten? Rückzüchtungen? Vielleicht sogar solche von Evas Apfel? Kannst du mir eine Kiste zwecks genauerer Spezifikation schicken?

Es musste ein Traum sein. Es gab gar keine andere Erklärung dafür. Aber war ein derart präziser Traum überhaupt möglich? Jennerwein schüttelte sich. Die Vögel verstärkten ihren Lärm. Einer flog knapp an ihm vorbei. Die Dämmerung startete jetzt einen Reiterangriff aus allen Richtungen, die wilde Schar kam über die Berge, sie prasselte ins Tal, sie schoss mit Lichtkanonen und schuf eine unwirkliche, kalte Atmosphäre. Eine Atmosphäre der Zwischen- und Schattenwelt. Es konnte nicht anders sein. Er träumte und war sich gleichzeitig bewusst, dass es ein Traum war. Wie hatte Maria diese Art von Träumen noch gleich bezeichnet? Ja, daran erinnerte er sich genau. Sie hatte von einem luziden Traum oder einem Klartraum gesprochen. Man träumt und weiß, dass man träumt. Aber wie konnte man umgekehrt feststellen, dass das, was man gerade erlebte, eben kein Traum war? Du musst dich konzentrieren, Jennerwein. Du bist Ermittler, du hältst dir zugute, allen möglichen Nebel aufzuklären, also bring jetzt Licht in dein eigenes Dunkel. Denk nach. Erinnere dich, was Maria damals erklärt hatte.

 

»Mit einem sogenannten Reality-Check kann man durchaus Herrschaft über einen Traum erlangen.«

Jennerwein sah sie vor sich, die schlaksige und mädchenhafte Erscheinung, in der rauchlosen Rauchpause draußen auf der Terrasse des Reviers stehend und Hölleisen antwortend, der davon erzählt hatte, dass er vom Klettern im Hochgebirge geträumt hatte. Hölleisen träumte immer vom Klettern. Jeden zweiten Tag hatte er einen Klettertraum, in dem er irgendwo hinaufkraxelte und abstürzte.

»Man macht tagsüber einen sogenannten Reality-Check, den man nachts im Traum wiederholen kann.«

»Wie soll das gehen?«, hatte Becker gefragt.

»Man hält sich tagsüber die Nase zu, schließt den Mund und versucht zu atmen. Tagsüber funktioniert das natürlich nicht, aber im Traum wird man weiteratmen können und auf diese Weise erkennen, dass man träumt. Oder man zählt am Tag mehrmals die Finger an der Hand, im Traum sind es meist mehr als fünf.«

Aber nützte ihm das jetzt etwas? Er, der traumlose Kopfmensch, hatte solche Reality-Checks nie durchgeführt, jedenfalls nicht ernsthaft. Trotzdem entschloss er sich dazu, den Versuch zu wagen. Er hielt sich die Nase zu und schloss den Mund. Nach wenigen Sekunden bekam er den altbekannten Lufthunger. Er zählte seine Finger. Es waren fünf an jeder Hand. Aber wirklich zufriedenstellend war das nicht, das alleine konnte doch unmöglich der Beweis sein, dass er nicht träumte. Er hatte einmal gelesen, dass elektrische Geräte im Traum nicht funktionierten. Er hob das Smartphone an und kippte es. Die Displaybeleuchtung sprang an.

 

Jennerwein sah sich um. Kein Mensch weit und breit. Es war eine eindrucksvolle Bühne, aber es gab keinerlei Zuschauer. Auf den Kurort bezogen war es ein Riesenzirkus und die Ränge waren ausnahmsweise einmal leer. Also los. Einen Versuch war es wert. Er lief ein paar Schritte und breitete dabei die Arme zu Flügeln aus. Er machte kindliche Flatterbewegungen, lief Halbkreise, sprang ab und zu in die Höhe, bekam immer mehr eine vage Vorahnung davon, wie es wäre, jetzt abzuheben, über die Wiesen zu fliegen, hin zu den Fichten am Waldrand. Auf dem höchsten Wipfel könnte er sich niederlassen und von Ferne gerade noch die Aussichtsbank erkennen, auf der er geschlafen hatte. Vielleicht würde er sich selbst dort liegen sehen, zusammengekrümmt, embryonal, und er würde sich kaputtlachen über seinen Versuch, die nicht vorhandene Bettdecke wieder hochzuziehen oder vergeblich nach dem Wecker zu tasten. Dann würde er sich wieder von seinem Ast abstoßen, abheben und zusammen mit einigen Wildgänsen weiterziehen … »Da gewann der Knabe Ikarus plötzlich Spaß am kühnen Flug und stieg zu hoch in seinem Drang nach dem Himmel …« Hatten sie das in der Schule nicht einmal aus dem Lateinischen übersetzen müssen? Cum puer audaci coepit gaudere volatu … In diesem erinnerungsvollen Augenblick stolperte Jennerwein beim Flattern, er war wieder Sklave der Schwerkraft und knallte völlig außer Atem auf die taugetränkte Wiese, er rutschte noch ein gutes Stück weiter, bis er endlich liegen blieb, um zu verschnaufen. War das der Beweis, dass es kein Traum war? Deutliche Sinneseindrücke? Das Gras war klatschnass, es roch würzig und frisch, der Humus dampfte in Erwartung des Tages. Jennerwein stand auf und versuchte sich den Tau und das Gras von der Hose zu wischen. Er fluchte leise. Sein Schädel brummte. Er betastete seine Arme und seine Beine. Eines war sicher: Er steckte in einem anderen Körper. Schreckensstarr stand Jennerwein auf der Wiese, als er ein Geräusch wahrnahm.

 

Kam jetzt Hilfe? Oder wenigstens eine Erklärung? Noch ziemlich weit entfernt stapften zwei Gestalten langsam den Weg herunter, der in zehn Metern Abstand an der Aussichtsbank vorbeiführte. Sie schienen es nicht eilig zu haben, blieben in kürzeren Abständen stehen, unterhielten sich wohl auch angeregt. Den Umrissen nach waren es Jäger: beide mit breitkrempigen, nach oben spitz zulaufenden Hüten und weiten Umhängen. Zudem hechelten zwei große, aufgeregte Hunde um sie herum. Einer der Jäger trug eine große Flinte in der Hand. Vielleicht war das der Herr Oberforstrat, der seinen unbewaffneten Azubi in die Geheimnisse des Blattschusses einführte. Aber für Jägersleute bummelte das Paar allzu entspannt. Beim Näherkommen konnte Jennerwein erkennen, dass es zwei ältere Herrschaften waren, das, was er für eine Flinte gehalten hatte, entpuppte sich als harmloser Spazierstock. Die Frühaufsteher waren vermutlich ein Rentnerpärchen beim Morgenspaziergang, der von der Apotheken Umschau empfohlen wurde. Jennerwein verließ sein Areal, betrat den ansteigenden Kiesweg und ging ihnen kurz entschlossen entgegen. Aber wie sollte er sich ihnen gegenüber erklären?

»Hallo, guten Morgen, mein Name ist Kommissar Jennerwein und ich stecke im falschen Körper.«

»Ach so, ja klar, das ist ja wirklich eine blöde Situation. Wie können wir Ihnen denn helfen?«

Nein, das war keine gute Idee. Völlig daneben. Überhaupt war es ein dummer Gedanke gewesen, einfach zu den erstbesten Leuten Kontakt aufzunehmen. Er verlangsamte die Schritte, verwandelte sich in den nachdenklichen Wanderer, blickte bald hinauf in die Hochwälder, bald zu Boden, verschränkte dabei die Arme hinter dem Rücken. Als die beiden Alten auf seiner Höhe waren, bemerkte er, dass sie Hörgeräte trugen. Statt etwas zu sagen, nickte er ihnen den Gruß freundlich zu, sie nickten ebenso freundlich zurück. Die beiden Hunde musterten ihn misstrauisch. Er trat einen Schritt zur Seite und ließ das merkwürdige Quartett an sich vorbei. Er musste seine Aktionen besser planen, Spontaneität war momentan weniger gefragt. Die beiden Alten trotteten den Weg hinunter, ohne sich umzublicken. Jennerwein wartete noch eine Weile, bis sie so klein waren, dass er sie nicht mehr erkennen konnte, dann trat er den Rückweg an.

 

Inzwischen war es eine Spur heller geworden, Jennerwein konnte Einzelheiten erkennen. Aber wollte er überhaupt Einzelheiten erkennen? Abermals warf er einen Blick auf seine Hände. Sie waren massiger, aderndurchzogener, wurstfingriger, als er es gewohnt war. Die Fingernägel waren breiter. Der Teint schien ihm dunkler, aber das konnte auch an den Lichtverhältnissen liegen. Er betrachtete den Ringfinger seiner rechten Hand genauer. Der wies bei ihm normalerweise einen kleinen Winkel auf, vor langer Zeit hatte sich Jennerwein einmal das Fingerendgelenk gebrochen, die Schiene war pfuschig angelegt worden, der Bruch war nicht gut zusammengewachsen. Die Verletzung stammte ausnahmsweise einmal nicht aus dem Dienst, sondern vom Sport. Er hatte beim Volleyball geblockt, ein gegnerischer Angreifer hatte ihm dabei auf die Hand geschlagen. Eiiiins, zweiiiiii und – Bruch des rechten Ringfingers. Dass der Finger nicht mehr ganz funktionsfähig war, spielte eigentlich keine Rolle, Jennerweins Beruf fundierte ja auf der Beweglichkeit der Hirnzellen, nicht auf der der Finger. Konzertpianist konnte er nicht mehr werden, aber das hatte er sowieso nie vorgehabt. Allerdings hatte er Schwierigkeiten, die Dienstpistole zu bedienen, sicherheitshalber hatte er bei den Schießübungen mit der linken Hand trainiert. Jennerwein, der Rechtshänder, schoss immer mit links, mit inzwischen der gleichen Treffsicherheit – keinem war das je aufgefallen. Er betrachtete den Finger genau. Dieses spezielle Überbleibsel einer Sportverletzung fehlte, er konnte den rechten Ringfinger kerzengerade ausstrecken. Es war so, als hätte er nie eine Verletzung gehabt. Wieder kroch ein unheilvolles Frösteln durch den Körper. Lebte er in einer Parallelwelt? In einer Welt, in der ihm am 21. Februar des Jahres 1994 der baumlange und sprunggewaltige Emanuel Schleißheimer beim Volleyballblock nicht auf die Pfoten geschlagen hatte? Unmöglich. Völlig ausgeschlossen.

 

Inzwischen war er wieder am Ausgangspunkt angekommen, der kleinen hölzernen Bank. Routinemäßig bückte er sich und warf einen Blick darunter. Nichts. Dann suchte er mit der schwachen Displayfunzel des Smartphones zusätzlich den Boden im Umkreis von ein paar Metern ab: ebenfalls ohne Befund. Keinerlei Hinweise auf die Geschehnisse. Er drehte das Smartphone um und tippte den dritthäufigsten PIN-Code des Universums ein: 0815. Auch dieser Versuch führte zu nichts, außer dass das Handy jetzt gesperrt war. Schade, denn er hätte gerne sein Gesicht mit der auf sich selbst gerichteten Kamera betrachtet. Er brauchte dringend einen Spiegel. Aber warum war er insgeheim so froh darüber, dass er gerade keinen Spiegel zur Hand hatte? Hatte er Angst vor dem, was er dort sehen würde? Reiß dich am Riemen, zieh das durch, sieh zu, dass du etwas anderes auftreibst, was du als Spiegel benutzen kannst. Jennerwein lehnte sich an die unbequeme Rückenlehne der Bank und atmete durch. Ein Mountainbiker fuhr in rasender Fahrt den Schotterweg hinunter.

 

Es war jetzt so hell geworden, dass Jennerwein sich daranmachen konnte, die Umgegend genauer zu erforschen, um festzustellen, wo er sich befand. Die Aussichtsbank stand auf dem Rundplateau, das den Talkessel umgab und das mit vielen sich verästelnden Wanderwegen durchzogen war. Den Kurort konnte er von dieser Position aus nicht sehen, aber auf der anderen Seite des Kessels türmten sich wuchtig und plusterfrech die höchsten Gipfel des altbekannten Wettersteinmassivs auf, die sich jetzt scharf und schnittig vom dünnblauen Morgenhimmel abhoben. Ganz rechts machte sich ein morgenschläfriger Mond aus dem Staub. Klar, wenns Probleme gibt, ist der immer als Erster weg. Von der ungemütlichen Bank aus hatte man einen klischeehaft guten Blick auf die wunderbare Landschaft, der Platz für die Bank musste dem Kurdirektor persönlich eingefallen sein. Jennerwein drehte sich um. Der kleine Schotterweg teilte weit oben einen dichten, abweisend wirkenden Fichtenwald, er schlängelte sich in einigen Metern Entfernung an der Aussichtsbank vorbei und führte etwas weiter unten an einem bewaldeten und gepflegten Grundstück entlang, auf dem man die Türme eines Gebäudes erkennen konnte, das nach Villa, Denkmalpflege und Gärtner in Seidenschürzen aussah. Jennerwein kam dieses Panorama bekannt vor, sehr bekannt sogar, doch er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein. Aber klar, es war wahrscheinlich einer der millionenfach abgelichteten Aussichtspunkte, der Milliarden von Postkarten und Billionen von RTL-Sendungen zum Thema Schönes Landleben zierte. Oder war das ein Ort von besonderer Instagramability, wie Nicole solche überlaufenen Plätze immer bezeichnete?