Benamba und Benombo - Bernhard Pree - E-Book

Benamba und Benombo E-Book

Bernhard Pree

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Beschreibung

Friedlands zweite Generation wächst trotz Angriffen von außen und inneren Quärelen im Geist von gegenseitigem Verständnis und Versöhnung heran. Benamba und Benombo gehen - nicht immer zur Freude ihrer Väter - ihre eigenen Wege und tragen so die Botschaft des Friedens zu den benachbarten Völkern. Von Glück und Verlust begleitet, folgen sie ihren Herzen und Träumen. Benamba und Benombo ist eine Geschichte gelebten Dialogs, der von gegenseitigem Respekt und Toleranz getragen wird. Abenteuerlich und naiv scheint der Glaube an den Wandel zum Guten - aber er ist möglich.

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EPUB
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Seitenzahl: 568

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Benamba

Und

Benombo

Bernhard Pree

RBM Publishing

Benamba und Benombo

© 2023 Dr. Bernhard Pree

1. Auflage

Autor: Dr. Bernhard Pree

Umschlaggestaltung: Mag. Christian Stierschneider

Buchsatz: Richard Wagner

ISBN:

978-3-903505-00-1 (Print)

 

978-3-903505-01-8 (Hardcover)

 

978-3-903505-02-5 (eBook)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Nachdruck, auch in Auszügen, ist nicht gestattet.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Danke

1. Die Einladung

2. Frog und Pu

3. Die Macht des Pu

4. In der Stadt

5. Im Haus des Handelsherren

6. Die Befreiung

7. Vor den Toren

8. Utis

9. Eine Schule für Mädchen

10. Der Gesandte und seine Töchter

11. Luna

12. Wegelagerer

13. Begegnungen

14. Wie ein Stachel

15. Abschiede

16. Das Thing am Norgenstein

17. Licht und Schatten

18. Traum und Albtraum

19. Vier Tage und Nächte

20. Dämonen

21. Ans Ende der Welt

22. Der Flug der Möwe

23. Sklavenjäger

24. Das Opfer des Gärtners

25. Neue Hoffnung – neue Sorgen

26. Gift

27. Vereitelt

28. Reines Glück

29. Der Erwartete

30. Abenteurer

31. Kapschark

32. Gesprengte Ketten

33. Unter heißer Sonne

34. Einheit in Vielfalt

35. Der Länderbund

36. Im Schatten der Nacht

37. Die Belagerung

38. Alles besiegt…

39. Sein letzter Ritt

Epilog

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Benamba und Benombo

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Danke

An dieser Stelle ist es Zeit „Danke“ zu sagen, zu allererst meiner Frau Veronika und vor allem Jonathan und Johanna, die mit mir die Entdeckungsreise in die Welt von Amba und Ombo wie auch von Benamba und Benombo unternahmen.

Die Realisierung der Bücher verdanke ich dem Umstand, dass mein persönliches Arbeitsumfeld am Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht nur ein kollegiales, sondern ein freundschaftlich, familiäres ist. Belinda Derflinger sorgte mit ihrem Verlag für die Publikation, mein langjähriger Richterkollege und Freund Christian Stierschneider malte die Bilder für die Buchcover, während Elisabeth Reitter und Caroline Kavalir mich nicht nur zur Veröffentlichung motivierten, sondern darüber hinaus Korrektur lasen.

Nicht zuletzt bedanke ich mich bei all jenen, durch die ich im realen Leben erfahren durfte, welch Geschenk es ist, die Welt in dem Licht zu betrachten, wie es die Heldinnen und Helden in meiner Geschichte widerspiegeln.

Zum Schluss, aber umso herzlicher, danke ich dir, liebe Leserin, lieber Leser, für die treue Begleitung auf unserer gemeinsamen Reise.

1

Die Einladung

„Los Benamba, zieh die Leine fester an! Wir müssen sie abhängen!“, rief Benombo begeistert.

Die beiden großgewachsenen Knaben kauerten in ihrem Segelboot und versuchten die übrigen Jungen bei der Wettfahrt hinter sich zu lassen. Wie viele andere im Alter von zwölf Jahren hatten die Söhne der beiden Konsulen Amba und Ombo in der Werft von Navis den Schiffbau und das Segelhandwerk erlernt. Zum Abschluss des Jahres hatten je zwei Knaben ein Boot zu bauen und damit an einer Wettfahrt über den großen See teilzunehmen, die von Lindenhof am gegenüberliegenden Ufer startete und in Seeberg endete. Wie schon ihre Väter waren auch Benamba und Benombo nicht nur miteinander verwandt, sondern Freunde, die sich mehr als Brüder, denn als alles andere sahen.

„Der stromlinienförmige Rumpf und die beiden großen Segel machen sich bezahlt“, stellte Benamba strahlend fest. „Sieh, nur noch Nimeon und Pugno können halbwegs folgen. Toma und Ulan kommen gar nicht von der Stelle. Bei Toma ist es ja kein Wunder. Der ist ja in den Bergen aufgewachsen, aber Ulan, den Judex gemeinsam mit seiner kleinen Schwester Unka nach dem Tod ihres Vaters aufnahm, sollte doch wissen, wie man ein Boot zu segeln hat.“

„Dafür machen sich aber die Söhne von Gerstl und Malza gar nicht schlecht“, beobachtete Benombo ein weiter zurückliegendes Boot interessiert.

„Ja, Ho und Pfen waren recht aufmerksame Schüler von Navis“, lachte sein Cousin ausgelassen, „denn auf dem Wasser fühlen sie sich wohler als in einem Sattel.“

„Es kann nicht jeder so reiten wie du, Benamba. Sogar Fulmen sagt, dass du Jax einmal übertreffen wirst. Und der ist der beste Reiter in ganz Friedland, sagt man – außer Fulmen vielleicht. Also sei gnädig mit den beiden“, mahnte Benombo scherzhaft.

„Nur wenn du gnädiger mit denen bist, die nicht so gut mit einem Schwert umgehen können wie du, Benombo“, entgegnete Benamba fröhlich, „denn auch hier sagt Fulmen, dass er niemanden kennt, der schneller und geschickter wäre als du und, dass du einmal die allerbesten bei weitem übertreffen wirst, was bedeutet, dass du sogar besser wärest als er selbst. Die einzige, die dich noch schlagen können wird, ist Jaxina. Es ist ja wirklich jammerschade, dass sie ein Mädchen geworden ist“, bedauerte er, „denn ihre alleinigen Interessen liegen im Reiten, Schießen und Fechten.“

„Ja“, lachte Benombo, „Jaxina war höchst beleidigt, dass sie nicht auch wie wir regelrechten Fechtunterricht erhält. Und so müssen wir ihr halt weiterhin eher im Geheimen die Tricks und Kniffe des Schwerttanzes beibringen“, grinste er.

„Deine Schwester Stella ist da ganz anders“, stellte Benamba fest. „Sie ist schon ein richtiges Mädchen, wenn auch sehr keck und lustig – ganz anders als Albina, die mit ihren zehn Jahren schon fast eine Dame ist.“

„Mit Alba als Mutter ist das ja auch kein Wunder“, stimmte Benombo zu. „Aber schau zurück! Dort haben Toma und Ulan gerade Putz und Freedom gerammt. Das wird noch Ärger geben.“

„Glaubst du, dass es Absicht war?“, blickte nun auch Benamba nach der angegebenen Richtung.

„Es hat fast so ausgesehen, auch wenn Ulan und Toma es sicher bestreiten werden. Aber Ulan traue ich das schon zu, weil er Freedom überhaupt nicht leiden kann. Und Toma ist auch nicht wie sein Vater Fantomas“, stellte Benombo finster fest. „Er ist eher wie seine Schwester Mas, diese eifersüchtige Schreckschraube.“

„Aber gegen Unka ist sogar Mas noch erträglich“, behauptete Benamba. „Wenn du dann noch Appl dazu nimmst, dann hast du ein Schreckschraubentrio!“

Beide lachten und blickten wieder in Fahrtrichtung. Ihr Boot lag bedenklich schräg im Wasser, flog aber förmlich über die Wellen.

„Ich fürchte, wir werden gewinnen, solange wir nicht kentern! Halte das Steuerruder fest. Wir könnten ein wenig Wind aus den Segeln nehmen – was sagst du?“, schlug Benamba vor.

„Ach, sei kein Spielverderber! Ich pass schon auf, dass wir über Wasser bleiben!“, beharrte sein Cousin. „Sonst denkt Navis vielleicht noch, wir hätten nichts bei ihm gelernt. Und den Neid der anderen ziehen wir uns ohnehin zu, egal was wir tun – Nimeon und Pugno ausgenommen.“

„Das Boot ist das von Benamba und Benombo“, deutete Stella auf den See hinaus, wo sich nun deutlich die Segel ausnehmen ließen. Sie stand neben ihrer Freundin Jaxina, die wie ein Knabe gekleidet mit feuerrotem Haar und Sommersprossen ein leichtes Schwert um sich wirbelte. Ihre Mutter Borga wandte sich seufzend an Inda und Upsala, die wie auch ihre Ehemänner und andere Schaulustige am Ufer von Seeberg warteten: „Wir werden wohl nie eine Dame aus ihr machen.“

„Dafür wird sie eine große Kriegerin“, schmunzelte Fulmen. „Sie braucht nur ein wenig Übung. Also komm, Jaxina. Du musst die Klinge etwas tiefer halten, sonst verlierst du die Deckung!“

„Da hörst du es, Mama“, sprühte die Angeredete. „Ich werde eine Kriegerin!“

„Natürlich – bei dem Lehrer“, stöhnte Borga. Ich hätte mir schon denken können, dass du mir in den Rücken fällst, Fulmen.“

„Nimm es nicht tragisch“, erwiderte dieser scherzend. „Sie wird wirklich gut! Ihre Mutter war übrigens auch nicht immer damenhaft und versteht heute noch den Bogen zu führen, wie niemand sonst.“

„Du hast ja recht“, errötete Borga lachend.

„Ich bin nur froh, dass Appl nicht solchen Unfug treibt“, tönte da Pommo, der Chef von Apfeldorf laut. „Sie ist zuhause geblieben und interessiert sich nur für die Dinge, die Frauen interessieren sollten.“

„Ach, sei nicht so streng mit dem armen Mädchen hier“, entgegnete der gutmütige – noch immer mondgesichtige – Gerstl und klopfte Jaxina aufmunternd auf die Schulter. „Ich wäre froh, wenn meine Tochter Nuomi so lebhaft wäre. Aber sie ist halt sehr schüchtern.“

„Schicke sie einfach einmal ein paar Tage zu mir!“, schlug Jaxina treuherzig vor, „Dann wirst du sie nicht wiedererkennen.“

„Das fürchte ich auch“, lachte ihr Vater Jax, der eben hinzugetreten war.

„Schau, Schmiedejon! Das zweite Boot, das da jetzt auftaucht, ist das unserer Söhne“, wies Nim den kräftigen, aber nicht minder geschickten Schmied von Seeberg auf ein weiteres Fahrzeug hin.

„Könnt ihr Putz schon ausmachen?“, erkundigte sich Pommo besorgt. „Dieser Freedom kann wahrscheinlich nicht segeln, sonst wäre mein Sohn sicher bei den Schnellsten. Dass die beiden Bens gewinnen, war ja abzusehen. Sie sind ja die Söhne ihrer Väter. Wir anderen kommen danach.“

„Nimm es leicht, Pommo. Ich tue es auch. Mein Sohn Toma ist nicht für das Wasser geboren“, versuchte Fantomas, der Chef von Nebelfels, den griesgrämigen Pommo aufzumuntern. „Von ihm und Ulan fehlt ebenfalls noch jede Spur. Schau! Da sind Benamba und Benombo ja schon fast am Ufer. Lasst uns ihnen gratulieren!“

Tatsächlich legten die Konsulensöhne soeben am äußersten Landesteg des kleinen Hafens an, wo sie von Navis, dem Schiffbauer, herzlich beglückwünscht wurden.

„Ihr wart unglaublich!“, lobte er sie. „Und die Form des Rumpfes ist tatsächlich großartig. Ich glaube, ich werde bei euch beiden in die Lehre gehen müssen.“

Strahlend begaben sich Benamba und Benombo zu den begeisterten Verwandten und Freunden, wo ihnen ausgiebig die Hände geschüttelt wurden. Es verging eine geraume Zeit, bis Nimeon und Pugno, der Sohn des Schmiedejon, mit ihrem Boot folgten. Nach Gerstls Söhnen erreichten schimpfend Ulan und Toma mit großer Verspätung das Ziel.

„Was ist mit meinem Sohn und diesem Freedom?“, erkundigte sich Pommo ungeduldig.

„Wir hatten einen kleinen Zwischenfall. Da brach ihnen das Steuerruder“, berichtete Ulan mit unschuldiger Miene. „Es wird noch eine Zeit dauern, bis sie hier sind, fürchte ich.“

„Ich wusste es“, schimpfte Pommo. „Ohne dieses Unglück wären sie längst schon hier.“

„Da kommt ein Schiff! Seht nach Norden!“, deutete Fulmen seeabwärts.

„Das ist eine Galeere“, stellte Amba fest und beschattete mit der Hand die Augen. „Sollte Nelo heuer früher kommen?“

„Es ist nur ein einzelnes Schiff und zudem viel kleiner als die, die sonst kommen“, verneinte Ombo. „Aber der Bauart nach ist es eine Galeere der Stadt. Ich bin schon gespannt, welche Nachrichten sie bringen wird.“

Nicht lange danach legte tatsächlich ein kleines, von Sklaven gerudertes Schiff in Seeberg an, dem diesmal aber nicht der Handelsherr Nelo, sondern ein schmächtiger junger Mann entstieg, der sich den Konsulen zugewandt tief verbeugte, auf eine kleine Trommel schlug, die er in der Hand gehalten hatte, und dann laut und vernehmlich rief: „Meine lieben Freunde Konsulen, meine lieben Freunde ihr alle hier, sagt Nelo! Es tut mir leid, dass ich euch nicht die große Freude meiner Anwesenheit und der Gaben der Stadt machen kann, sagt Nelo. Aber ich liege vom Fieber geschüttelt auf mein Lager hingestreckt, sagt Nelo. Ich sende euch die besten Grüße, das Wohlwollen, die Versicherung der Freundschaft und diesen Mann hier, der für mich spricht, sagt Nelo.“

Dabei deutete der Vertreter der Stadt auf sich selbst.

„Ah – du bist ein Bote Nelos?“, erkundigte sich Amba ein wenig verwirrt durch die seltsame Ansprache. Der Mann nickte eifrig und fuhr fort: „Hört! Hört!“

„Sagt Nelo“, witzelte Benombo leise.

„Wein, Gewürze, Stoffe, Sklaven und noch mehr stehen zu eurer Verfügung, sagt Nelo. Weil ich sie aber selbst nicht bringen kann und euch doch so gerne sehen würde, sagt Nelo, biete ich euch die einmalige Freude und Ehre, mich zu besuchen, sagt Nelo. Nehmt die Einladung an! Kommt und staunt über die Wunder der Stadt, sagt Nelo. Besichtigt und seht und nehmt dann mit euch, was ihr erwerben wollt, sagt Nelo. Ihr braucht meinem unwürdigen Diener nur zu sagen, wann ihr in der Stadt geruht einzutreffen, und alles wird bereit sein, sagt Nelo. Meine lieben Freunde werden nicht vergessen, das Aurum mitzubringen, sagt Nelo. Ich bin glücklich, dass euer Erscheinen meine Gesundheit bringt, sagt Nelo.“

Der Bote holte tief Atem, verbeugte sich wieder und blieb dann stumm stehen.

„Wie heißt du selbst denn eigentlich?“, erkundigte sich Ombo freundlich.

„Stol ist der Name des unwürdigen Dieners, der vor dir steht, Herr“, antwortete der Bote zaghaft.

„Deinem Herren geht es nicht gut?“, forschte Amba.

„Nein, Herr“, kam die traurige Antwort.

„Und wir sollen kommen und dir Bescheid sagen wann?“

Der Brief nickte kurz.

„Wollt ihr, deine Ruderer und du, unsere Gäste sein?“, lud Ombo Stol ein.

„Die Ruderer und auch ich müssen auf dem Schiff bleiben, bis ihr mir die Antwort vorgesagt habt. Ich bin gar nicht als ich hier, sondern nur als Brief, der bald zurückkehren soll“, lehnte Stol bedauernd ab.

„So sollst du unsere Antwort rasch erhalten“, schüttelte Amba befremdet den Kopf. „Die Sitten in der Stadt sind schon seltsam.“

„Als Brief darf ich auch dazu nichts sagen, weil es mir nicht vorgesagt wurde“, erklärte Stol schüchtern.

„Und, was sagt ihr?“, wandte sich Ombo an Amba, Navis, Jax und Fulmen. „Sollen wir dieser seltsamen Einladung folgen?“

„Ich weiß nicht recht“, meinte Jax. „Warum schickt uns Nelo nicht einfach, was wir brauchen?“

„Ein wenig seltsam ist die Einladung schon. Aber im Grunde wäre es durchaus interessant, die Stadt einmal zu besuchen“, überlegte Amba.

„Ich muss an die Warnung des Hauptmanns nach der Schlacht gegen Bellum denken“, erwiderte Fulmen. „Die Stadt vergibt nicht, auch nach Jahren. Dennoch würde es mich reizen, hinzufahren und der Sache auf den Grund zu gehen, denn gehen wir nicht zu ihnen, kommen sie vielleicht zu uns.“

„Jetzt, wo wir schon so lange Frieden haben, wäre es wirklich schlimm, wenn Friedland wieder mit Krieg bedroht werden würde“, stimmte Ombo zu. „Wir brauchen ja nur dem Fluss zu folgen und können dabei auch gleich die Lande längs der Ufer in Augenschein nehmen. Was sagst du, Navis. Würdest du dein Schiff zur Stadt steuern können?“

„Ich denke schon“, antwortete dieser gleichmütig.

„Nun gut“, meinte Amba, „dann fahren wir – Ombo, Fulmen, Navis und ich. Kannst du inzwischen auf die Dinge hier schauen, Jax?“

„Ich würde zwar auch gerne mitkommen, aber ich sehe ein, dass ich vielleicht hier mehr von Nutzen bin“, räumte der Gefragte ein.

„Wir brauchen auch noch Seeleute an Bord, die uns zur Hand gehen können“, warf Navis ein.

„Da wüsste ich schon zwei, die darauf brennen, mitzufahren“, meinte Fulmen, „sie wären sehr brauchbare Seeleute.“

„Es wird nicht leicht, das ihren Müttern beizubringen“, seufzte Ombo.

2

Frog und Pu

Noch vor dem nächsten Vollmond stachen sie in See. Abenteuerlustig strahlend standen Benamba und Benombo gemeinsam mit ihren Vätern und Fulmen an der Reling des schnellen Zweimasters, der schlank gebaut mühelos Fahrt aufnahm. Am Ufer hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt, deren Abschiedsrufe bald schon verhallten. Navis hatte wegen des Rückweges, der stromauf zu erfolgen hatte, noch vier Ruderer an Bord genommen, weshalb das Schiff nun über zehn Mann Besatzung verfügte. Ganz vorne im Laderaum war eine Bretterwand eingezogen worden, hinter der sich die Kiste mit dem Gold verbarg, das zum Kauf der Güter und Sklaven bestimmt war. Neben zwei Großsegeln hatte der Falke, wie Navis sein Schiff stolz nannte, eine Fock vor dem Bug, um bestmöglich den Wind zu nutzen. Auch für das Steuer hatte sich der Schiffbauer etwas Neues einfallen lassen – ein Rad, das in der Lage war, das rückseits angebrachte Ruder zu bewegen.

„Mit diesem Kahn schaffen wir den Weg bis Weißburg in einem Tag, wenn uns der Wind weiterhin so günstig ist“, behauptete er.

„So können wir bei Fortis und Alba Halt machen“, stellte Amba fest. „Gegen ein gemütliches Abendessen in Weißburg habe ich nichts einzuwenden.“

„Wir bleiben an Bord, weil Fulmen versprochen hat, mit uns im Beiboot ein wenig die Marschlande nördlich vom weißen Felsen zu erkunden, die er selbst noch nicht kennt“, freute sich Benombo.

Sein Vater zuckte mit den Achseln: „Wenn ihr wollt, soll es uns recht sein. Aber morgen bei Sonnenaufgang brechen wir wieder auf.“

Navis hatte nicht zu viel versprochen, denn schon am späten Nachmittag legte der Falke vor Weißburg an. Begeistert stellten Amba und Ombo fest, dass der Wachturm auf dem westlichen Flussufer fertig gebaut worden war.

„Jetzt fehlt nur noch die Eisenkette, mit deren Hilfe Fortis den Zugang für Schiffe nach Friedland notfalls unterbinden will“, bemerkte Amba.

„Das war wirklich eine kluge Idee von ihm“, stimmte Ombo zu. Aber seht, da kommt er schon selbst den Weg herunter. Man muss den Falken schon lange vom Felsen aus beobachtet haben.“

Es war ein fröhliches Wiedersehen. Fortis lud die Freunde ein, mit ihm in die neu befestigte Ringburg zu kommen, während Benamba, Benombo und Fulmen schon das Beiboot losmachten und dem gegenüberliegenden Ufer zustrebten.

„Recht viel werden wir wohl nicht zu sehen bekommen“, meinte Benombo enttäuscht, als er mit den Augen dem mit hohem Schilfgras gesäumten Marschland folgte. „Nur Wasser, Gras und Frösche – mehr nicht.“

„Da kannst du recht haben, aber rudern wir noch ein Stück flussabwärts“, schlug Fulmen vor. „Vielleicht findet sich ja noch etwas Interessantes.“

Gesagt, getan, ging es rasch dem Ufer hin, ohne dass sich jedoch irgendetwas Besonderes ergab. Schon wollten sie umkehren, da meinte Benamba: „Die Frösche hier sind komisch. Normalerweise verstummen doch diese Tiere, wenn man ihnen nahe kommt. Die hier aber scheinen gerade dann, wenn wir an ihnen vorüber rudern, ein Signal für die anderen zu geben, das dann erwidert wird. Ist das nicht seltsam?“

„Das stimmt. Und, was sagt ihr zu dem da?“, deutete Fulmen auf eine Art Busch, der auf dem Wasser gegen die Strömung trieb. Von diesem Gewächs aus konnte man gerade wieder ein lautes Quaken hören.

„Das ist irgendein Tier“, schloss Benombo und griff nach Pfeil und Bogen.

„Halt!“, fiel ihm Fulmen in den Arm. „Es könnte auch ein Mensch sein.“ Mit diesen Worten fasste er nach einer Lederschlinge, die er sich um die Hüften gewickelt hatte. Ein Wurf, ein Ruck und ein erschrockenes Quaken folgten, dann zappelte jemand in der Schlinge.

„Ein Busch mit Oberkörper, Händen und Beinen“, staunte Benamba. „Ist dies ein Mensch?“

Der Busch schüttelte sich und glitt ins Wasser. Ein schlammbeschmierter schwarzgelockter Kopf kam zum Vorschein und eine hohe Stimme rief: „Warum ihr fängt Frog? Er euch nichts getan hat!“

Fulmen lockerte die Schlinge und meinte lachend: „Entschuldige Frog. Aber ich wusste nicht, wer sich unter dem Busch verbirgt. Das ist eine grandiose Tarnung.“

Ringsum erhoben sich nun menschliche Gestalten, die ebenfalls Büsche auf ihren Köpfen und kurze, aber scharfe Speere in ihren Händen trugen. Benamba und Benombo griffen zu ihren Schwertern, die dem Fulmens glichen, nur dass sie nicht so reich mit Edelsteinen verziert waren.

„Lasst die Klingen stecken!“, riet Fulmen leise. „Die werden wir hier nicht brauchen.“ Dann wandte er sich an Frog, der sich eben der Lederschlinge entwunden hatte. „Man nennt mich Fulmen. Diese hier heißen Benamba und Benombo. Wir wollten nur das Ufer erkunden und stammen aus einem Dorf dort am großen See, der hinter dem weißen Felsen liegt. Wir kommen nicht, um zu kämpfen, sondern möchten eure Freunde sein.“

Zunächst ertönte ein vielstimmiges Quak, dann antwortete Frog, indem er freudig auflachte: „Freunde gut! Ihr von dort seid – keine bösen Menschen. Frog sie schon oft gesehen hat. Hütten aus Stein sie gebaut haben.“ Damit deutete er zuerst auf den weißen Felsen, dann auf den kleinen Wachturm am diesseitigen Ufer, der sich in der Dämmerung trotz der relativ großen Entfernung vom Himmel abhob. „Froschmenschen aber nicht gehen dort hin – in Schilfhütten sie wohnen. Sehen ihr wollt?“

„Gerne“, nickte Fulmen. „Stehen diese Hütten weit von hier?“

„Nicht weit – kommt!“, sprach der vorherige Busch, tauchte ins Wasser und schwamm zu einer Stelle des Ufers, die von Schilf frei zu sein schien. Eine kleine Lagune führte dort in das Landesinnere. An ihrem Ende erkannten die drei Friedländer eine Ansammlung niedriger Schilfhütten, die in einem Halbkreis einen freien Platz umstanden, in dessen Mitte eine Bodenvertiefung lag. Dort brannte ein kleines Feuerchen, das von mehreren Frauen und Kindern mit trockenem Schilf unterhalten wurde.

„Da Froschmenschen wohnen“, strahlte Frog. „Ihr Gäste! Ihr Freunde! Fisch ihr mögt, ja?“

„Ja, wir mögen Fisch“, antwortete Benombo und das Beiboot des Falken hielt nun auf die Feuerstelle zu. Erst jetzt bemerkten die Freunde, dass die Froschmenschen auf ihren Speeren Fische trugen, die sie im Fluss gefangen hatten. Wieder ertönte ein vielstimmiges Quaken, das von der Feuerstelle her erwidert wurde, aber jäh verstummte, als die Frauen und Kinder das Boot erblickten.

„Keine Gefahr – Freunde sind!“, rief Frog mit seiner hohen Stimme. Und wieder quakte es zustimmend rund um.

„Das sind lustige Typen“, schüttelte Benombo den Kopf. „Die erwachsenen Männer sind nicht größer als Benamba und ich. Und bekleidet sind sie nur mit Baströcken und Schilf. Aber sie sind freundlich.“

„Ja, das war durchaus gut für uns, denn ich habe den Eindruck, dass sie mit ihren Speeren ausgezeichnet umgehen können“, bemerkte Fulmen. „Und es ist sicher ein Vorteil, wenn wir Freunde vor unseren Toren haben und nicht Feinde.“

Nun winkte Frog sie ans Feuer, über dem schon Fische gebraten wurden. Die drei Friedländer ließen sich bereitwillig neben ihm nieder.

„Als Zeichen der Freundschaft darf ich dir diese hier schenken“, wandte sich Fulmen an Frog, der offensichtlich der Anführer dieser Menschen hier war. „Mit diesem Werkzeug könnt ihr Holz spalten und mit diesem da Schilf schneiden“, erklärte er und überreichte eine Axt und ein Messer.

Frog fuhr mit dem Finger die scharfe Schneide der Axt entlang, schnitt sich, steckte den Finger in den Mund, um das Blut abzusaugen, und lachte dann begeistert: „Scharf Geschenk ist.“ Danach griff er schon zum Messer, wobei ihn Fulmen warnte: „Vorsicht – das Messer ist noch schärfer als die Axt.“

„Schärfer noch?“, wunderte sich Frog und lachte wieder. „Messer und Axt schöne Geschenke sind. Gute Freunde ihr seid. Jetzt wir essen!“

Die drei Gäste griffen wacker zu und tranken auch von einem grünlichen Getränk, das aus mit Pflanzen abgekochtem Wasser zu bestehen schien.

„Wir Tee sagen. Gut ist für gesunde Froschmenschen“, erklärte Frog und quakte.

„Gibt es noch andere Menschen außer euch Froschmenschen hier?“, erkundigte sich Fulmen.

„Manchmal großes Holz mit Tuch schwimmt vorbei, mit Menschen. Größere Hölzer es sind, als auf dem reitet ihr“, zeichnete Frog eine Art Schiff in die Luft.

„Ah, du meinst die Galeeren der Stadt. Ja, sie müssen hier vorüber, wenn sie zu uns kommen“, verstand Fulmen die Gesten.

„Nicht gut sind – die, die das große Holz mit Stangen über das Wasser schieben, gefangen sie sind. Frog gesehen hat“, berichtete der Anführer der Froschmenschen.

„Und wie viele seid ihr hier?“, forschte Fulmen weiter.

Frog überlegte, dann deutete er auf seine Zehen und abwechselnd auf seine Hände: „Dreimal Zehen viermal Finger. Noch mehr es gibt, wenn mit Wasser du schwimmst.“

„So zahlreich seid ihr“, staunte Fulmen.

„Du auch diese besuchen willst?“, fragte Frog begeistert.

„Heute haben wir leider wenig Zeit. Wir müssen zu unserem Schiff zurück. Morgen werden wir an euch vorübersegeln – mit einem großen Holz“, erklärte er, als er bemerkte, dass Frog das Wort Schiff nicht geläufig war. „Aber wir kommen gerne auf dem Rückweg wieder bei euch vorbei.“

„Froschmenschen warten und sich freuen. Große Mann und junge Männer schöne Geschenke haben gebracht. Auch Frog will schenken.“

„Du hast uns schon beschenkt. Ihr habt uns zum Essen eingeladen. Und deine Freundschaft macht uns große Freude“, antwortete Benamba.

„Ja, Freundschaft Freude macht!“, stimmte Frog zu. „Quak!“ Und dieser Ausruf wurde von allen Seiten beifällig bestätigt.

Am anderen Morgen staunten Amba und Ombo nicht schlecht, als ihnen ihre Söhne und Fulmen von der Begegnung mit den Bewohnern der Marschlande erzählten.

„Es ist schon einzigartig, wie unterschiedlich die Menschen sind, und doch können wir uns gut verstehen“, bemerkte Ombo. „Wer weiß, wen wir noch aller kennenlernen?“

Der Falke flog den Fluss hinunter, vorbei an der Stelle des Zusammentreffens mit Frog, wo Benombo ein lautes Quaken zu hören meinte. Als das Schiff den Felsenkessel passierte, in dem einstmals die Sippe der alten grauen Mutter gelebt hatte, beschrieb der Strom eine scharfe Krümmung von Nord nach Südost. Während am linken Flussufer weiterhin Marschland zu erblicken war, begleiteten zerklüftete und zugänglich wirkende Felsen das Schiff auf der rechten Seite. Manch Bach und kleinerer Fluss speiste das stetig breiter werdende Gewässer, dessen Strömung allerdings abnahm.

Am Abend des fünften Tages ging der Falke in einem kleinen Seitenfluss zur Linken vor Anker. Außer den Froschmenschen hatten die Reisenden kein menschliches Wesen entdeckt. Nun beschlossen sie hier an Land zu gehen, da die sanften Hügel, die nun das Marschland ablösten, recht freundlich und einladend aussahen.

„Wir könnten die Schiffsküche mit Frischfleisch aufbessern und jagen gehen“, schlug Benombo vor und griff nach seinem Bogen.

„Du hast recht, mein Sohn“, lobte Ombo. „Gehen wir an Land und schauen wir, ob wir hier Wild oder essbares Vogelvieh finden.“

Nachdem Navis und die vier Ruderer an Bord bleiben wollten, machten sich die Konsulen, ihre Söhne und Fulmen auf den Weg. Sie erklommen einen Hügel am Ufer, von dem aus man bis zum großen Strom blicken konnte. Das Land vor ihnen war grün und setzte sich in grasigen Wellen fort.

„Seht, da sind Schafe und Ziegen in dem Tal dort drüben“, wies Benombo die anderen auf eine Stelle östlich von ihrem Standort hin.

„Und da sind auch Menschen“, erkannte Benamba.

„Tatsächlich – lasst uns hingehen und sie begrüßen!“, schlug Amba vor. „Es ist gar nicht weit.“

Gemeinsam durchquerten sie das Tal, erstiegen den nächsten Hügel und hatten dann eine eigentümlich aussehende Siedlung vor sich. Diese bestand aus einem Erdwall, in dessen Rund Schafe und Ziegen weideten, von einigen Hirten nachlässig beaufsichtigt. Am Rand des weitläufigen Inneren erhoben sich offenbar künstlich errichtete Grashügel, die je nur eine Öffnung zur Mitte des freien Platzes hin aufwiesen.

„Das sieht ja aus, als wären es lauter Maulwurfshaufen“, lachte Benamba. „Bis jetzt hat uns noch niemand bemerkt. Aber da vorne ist ein Durchgang ins Innere.“

Die Fünf schritten auf den Eingang zu, passierten den engen Zugang, an dessen beiden Seiten rohe Steinmauern errichtet waren, und standen so plötzlich mitten im Inneren des Ringwalls. Nun erst wurden sie bemerkt, staunten aber über die Reaktion der Hirten. Diese liefen schnurstracks in die Mitte, bildeten einen Knäuel und riefen laut: „Pu!“

Etwas unschlüssig blieben die Friedländer stehen und warteten ab.

„Gefährlich sehen die nicht aus“, erwog Fulmen. „Ich bin gespannt, was jetzt passiert.“

Aus der kleinen Schar löste sich ein unglaublich dicker Mann und watschelte auf sie zu. Kurz vor ihnen hob er die Hände, klatschte laut und rief erneut: „Pu!“ Dann verharrte er, als würde er darauf warten, dass sich die Fremden in Luft auflösten.

„Wir grüßen euch in Frieden und Freundschaft!“, ergriff Ombo das Wort. „Wir sind fremd hier und haben euer Lager entdeckt. Wer seid ihr?“

„Ich bin Pu, der Chef dieser Sippe“, erklärte der Dicke würdevoll. „Ihr seid nicht aus der Stadt?“

„Nein“, antwortete Ombo, „aber wir sind auf dem Weg dort hin. Ist es noch weit?“

„Seid ihr Menschenjäger?“, erkundigte sich Pu misstrauisch. Dann aber meinte er zuversichtlicher: „Nein, das könnt ihr nicht sein, sonst hätte euch das Pu vertrieben.“

„Wir sind keine Menschenjäger oder Sklavenfänger oder so etwas ähnliches“, erklärte Ombo, „aber das mit dem Pu verstehe ich nicht ganz. Glaubst du, dass du Menschenjäger mit dem Ruf Pu vertreiben kannst?“

„Du etwa nicht? Gewiss kann ich das“, behauptete der Dicke stolz. „Es ist ein Geheimnis, das nur ich kenne.“

Während Benamba und Benombo zu lachen begannen, schauten sich die anderen Drei verwundert an. Dann fragte Fulmen: „Was passiert denn also, wenn du Pu sagst und es ein Böser hört?“

„Er wird sicherlich vertrieben werden“, behauptete der Mann strahlend, fügte dann aber leiser hinzu: „Was genau passiert, kann ich dir nicht sagen, denn bisher hat sich noch kein Böser, kein Sklavenfänger, kein Menschenjäger zu uns gewagt, weil sie sich vor dem Pu fürchten.“

„Und woher weißt du dann von Menschenfängern und anderen Bösen?“, forschte Amba interessiert.

„Von Lyrus, dem Knaben, der zu uns kam, um für uns und die Schafe zu singen“, erklärte Pu und wies schwungvoll auf einen Jungen, der mitten unter den Hirten stand. In seiner Hand hielt jener etwas, was die Friedländer noch nie gesehen hatten. Als der Jüngling bemerkte, dass ihre Augen auf ihn gerichtet waren, strich er mit der rechten Hand über Saiten, die über ein bauchiges Holz mit Schallloch gespannt zu sein schienen. Dazu ließ er seine Stimme ertönen, die hell und klar die Klänge des unbekannten Instruments begleitete.

„Ja, da staunt ihr“, freute sich Pu. „Lyrus war ein Sklave in der Stadt, lief davon, kam zu uns und singt seither für uns. Er glaubt auch, dass sich die Sklavenfänger vor meinem Pu fürchten könnten. Vor seinem Gesang haben sie sich allerdings nicht gefürchtet. Aber er sieht ja auch nicht so wild und unbezwingbar aus wie ich.“

„Du siehst zwar wirklich furchteinflößend aus“, schaffte es Ombo ernst zu bleiben, „aber ich wäre mir nicht so sicher, ob sich Menschenjäger von einem Pu abschrecken lassen. Gegen diese bräuchtest du eher das hier.“ Damit zog er sein Schwert und hielt es Pu entgegen. Der Dicke schaute mäßig interessiert; Lyrus aber hörte schlagartig auf zu singen und rannte zum Eingang eines der Grashügel, in dem er schleunigst verschwand.

„Habt ihr keine Waffen?“, fragte Amba.

„Ach, natürlich haben wir Waffen, Stöcke, Spieße und Keulen“, antwortete der Dicke, „normalerweise brauchen wir sie jedoch nicht.“

„Dann hoffen wir für euch, dass das noch lange so bleiben wird“, meinte Fulmen lächelnd. „Aber wo ist denn dieser Lyrus hingerannt? Seine Musik ist wirklich schön und ich hätte gerne noch einmal sein Instrument gehört. Bei uns kennen wir nur Trommeln, Pfeifen und Flöten.“

„Lyrus hat eine Lyra. So nennt er sie“, berichtete Pu. „Er wird euch sicher gerne vorspielen. Ich denke, dass er sich vor euch gefürchtet hat, weil er sich ängstigt, dass er wieder gefangen wird. Und weil ihr schon einmal hier seid und weil ihr keine Bösen seid, weil euch ja sonst das Pu vertrieben haben würde, laden wir euch ein, unsere Gäste zu sein.“

So lauschten die fünf Friedländer bald fasziniert den Klängen der Lyra, die der Knabe Lyrus wirklich meisterhaft spielte. Die Abenddämmerung senkte sich bereits über das Hügelland, als Ombo meinte: „Wir sollten zu unserem Schiff zurückkehren, denn Navis wird sich schon Sorgen machen.“

„Ihr dürft jetzt noch nicht gehen!“, rief da Pu. „Am Abendfeuer nach dem Essen ist die Musik noch viel schöner. Das dürft ihr nicht versäumen! Holt doch die, zu denen ihr zurückkehren wolltet, hier her!“

„Wir laufen schon“, erboten sich Benamba und Benombo. Sie erhoben sich, verließen den Ringwall und stiegen die nächstgelegene Welle empor. Oben angelangt, hielt Benamba seinen Cousin jäh zurück und zog ihn dann mit sich zu Boden. Benombo folgte mit den Augen der Richtung, in die Benamba spähte. Dann raunte er: „Das sind Soldaten aus der Stadt. Sieh dir ihre Helme und Brustpanzer an. Was machen die hier?“

Tatsächlich eilten gerade zwei Männer in Rüstung durch das Tal vor den Knaben, wobei diese Soldaten nicht in der Richtung des Falken, sondern weiter südlich ihr Ziel zu haben schienen.

„Die drehen sich nicht um. Los, folgen wir ihnen, bevor es ganz dunkel wird“, schlug Benombo vor.

Lautlos – wie sie es von Fulmen gelernt hatten – nahmen die beiden Knaben die Verfolgung auf. Durch ihre grünen Umhänge wären sie vom Grasland nicht zu unterscheiden gewesen, selbst wenn sich die Männer einmal umgedreht hätten. Nach zwei Kuppen hatten sie den großen Strom vor sich – und an dessen Ufer ein fremdes Schiff, das von einem hochlodernden Feuer gespenstisch beleuchtet wurde, welches eine Horde Soldaten dort angebrannt hatte. Im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit schlichen Benamba und Benombo gebückt an das Lager heran.

3

Die Macht des Pu

„Was sagst du – ein Lager von Schafhirten, nicht gut bewaffnet und leicht zu fangen?“, hörten Benamba und Benombo eine tiefe Stimme laut auflachen. „Wie viele sind es?“

„Ein paar Hände voll und auch fünf, die – wie ich glaube – nicht dort hingehören, denn sie waren anders gekleidet“, antwortete eine zweite Stimme, die zu einem Soldaten gehörte, der eben in den Feuerschein trat.

„Tut nichts – die nehmen wir auch mit! Wer fragt schon, woher die Sklaven kommen, die wir bringen“, meinte der vorige Sprecher wegwerfend. „Beschreib mir das Lager genau!“

„Es ist ein Ringwall, in dessen Innerem Grashügel errichtet sind“, berichtete der Soldat.

„Die üblichen Maulwurfshaufen“, kam die Antwort der tiefen Stimme kalt. „Der Angriffsplan ist wie sonst auch: Vor Morgengrauen schleichen wir in den Ring und wenn ich das Zeichen gebe, holen wir die Maulwürfe aus ihren Löchern!“

„Es wird ein leichter Fang“, meinte ein anderer. „Es war doch klug von dir Hauptmann, dass du uns diesmal in den Norden geführt hast. Die Handelsherren werden gut bezahlen.“

„Das werden sie“, lachte der Angeredete. „Der Vorteil ist auch, dass wir nicht mehr selbst in die Stadt zurückrudern müssen. Das können die neuen Sklaven für uns erledigen. Übermorgen feiern wir in der Hafentaverne!“

„Komm – wir haben genug gehört“, raunte Benamba und zog Benombo den Hang wieder hinauf. Nun rannten die beiden trotz der Dunkelheit den Weg zum Hirtenlager zurück, wo sie ohne Umschweife von der drohenden Gefahr berichteten. Pu meinte tatkräftig: „Ich werde sie mit meinem lautesten Pu begrüßen. Dann reißen sie aus!“

„Es wird schon etwas mehr brauchen, fürchte ich“, meinte Ombo. „Wie viele Soldaten sind es?“

„Wir haben zwanzig gezählt“, berichtete Benamba.

„Hier im Lager sind rund zehn Männer, wie kampfbereit, lässt sich nicht sagen“, überlegte Fulmen. „Wir sind fünf. Es wäre gut, wenn wir vom Falken noch Verstärkung bekämen. Der Vorteil der Überraschung liegt sicher auf unserer Seite, ganz anders als dieser Hauptmann denkt. Die Frauen und Kinder sollen die Nacht außerhalb des Rings verbringen. Wir legen uns auf die Grashügel und überrumpeln die Angreifer, wenn sie durch die niedrigen Eingänge schlüpfen wollen.“

„Und wann rufe ich Pu?“, erkundigte sich der Dicke gespannt.

„Wenn ihr sie mit euren Keulen niedergeschlagen habt“, schlug Fulmen vor. „Davor aber müssen wir lautlos wie Schatten sein.“

„Gut – wie du willst – aber dann, ja dann ertönt die Macht des Pu!“, beharrte der wackere Hirtenchef.

Seine Männer waren offensichtlich froh um die tatkräftige Verstärkung, die ihnen die Fremden brachten und vertrauten weniger auf die geheimnisvollen Fähigkeiten ihres eigenen Anführers. Lyrus trat an Benombo heran und fragte: „Könnt ihr mich nicht mit euch nehmen? Ich fürchte hier nicht mehr sicher zu sein. Das, was ich über euer Land gehört habe, gefällt mir sehr. Ich möchte nie wieder Sklave sein und würde immer für euch singen.“

„Du musst mit meinem Vater und Amba reden. Aber ich sage dir gleich, dass wir in die Stadt fahren.“

„Nein!“, rief Lyrus entsetzt aus. „Dort hin will ich nie wieder. Könntet ihr mich nicht auf dem Rückweg mitnehmen?“

„Wie gesagt, du musst mit meinem Vater und Amba reden. Und vielleicht hilft es auch, wenn Fulmen ein gutes Wort für dich einlegt“, riet Benombo, der den ängstlichen Jungen ganz gern mochte.

Die Nacht war schon weit fortgeschritten, als Fulmen lautlos neben Ombo auftauchte und flüsterte: „Sie sind vor dem Ring.“

Er eilte weiter zu dem Grashügel, über dem der dicke Pu mit einer großen Steinkeule lauerte und warnte: „Jetzt ganz leise. Sie sind da.“

Dann schwang er sich neben den Anführer der Hirten auf das Dach dessen eigentümlicher Behausung und regte sich nicht.

„Bald sollen sie das Pu hören“, murmelte Pu vor sich hin.

Die Soldaten drangen nicht gerade geräuschlos in das Innere des Lagers ein. Fulmen fragte sich, ob die Hirten diesen Lärm nicht auch gehört hätten, wenn sie nichts von dem Überfall geahnt hätten. Es blieb einige Augenblicke still, dann erfolgte ein halblauter Befehl: „Immer zwei – macht jetzt rasch!“

Es waren acht Grashügel, die von den blassen Sternen leidlich erhellt wurden. Je zwei Soldaten rannten auf eine Behausung zu, bückten sich, um in das Innere zu gelangen und – erhielten gezielte Schläge von oben auf ihre Köpfe.

„Das ist die Macht des Pu!“, rief der Hirtenchef begeistert, als er vom Dach seiner Wohnstatt rutschte und sich auf den Mann warf, den er niedergeschlagen hatte.

„Riemen haben sie genug mit – bindet sie“, ertönte die Stimme Fulmens, der schon zur Mitte des freien Platzes stürmte, wo noch einige Männer auf das Ergebnis des Überfalls warteten. Im Lauf zückte er seine silberne Klinge und rief: „Ergebt euch! Ihr seid unsere Gefangenen!“

Dicht neben ihm tauchten Benamba und Benombo auf, die ebenfalls ihre Schwerter stoßbereit hielten.

„Was ist hier los? Wer bist du?“, tönte die kalte tiefe Stimme des Hauptmannes.

„Deine Männer sind überwältigt und wenn ihr Fünf euch nicht ergebt, seid ihr verloren“, erwiderte Fulmen, der die Soldaten erreicht hatte.

„Du weißt wohl nicht, wen du vor dir hast“, erklang es eisig. „Ich bin Malo, das Schwert der Stadt und ergebe mich nie!“

„Es hat keinen Sinn zu kämpfen. Wir sind in der Überzahl – also ergebt euch, bevor wir euch verwunden oder gar töten müssen“, riet Fulmen. „Du wirst merken, dass auch ein Schwert der Stadt unterliegen kann.“

„Gegen euch Hirten?“, lachte Malo kalt und zog seine Klinge.

„Jetzt werden sie ausreißen!“, schnaufte Pu und rief mit mächtiger Stimme sein geheimnisvolles Wort. Es trat Stille ein. Wiederum erklang das laute Pu. Malo stutzte und fragte geringschätzig: „Was will der Irre da?“

„Er will, dass du dein Schwert wegwirfst, und das wirst du auch brav tun!“, meldete sich eine sehr junge Stimme. Mit zwei Sätzen war Benombo an Malo vorübergeflogen und hatte ihm mit solcher Kraft auf das Heft seiner Waffe geschlagen, dass sie in hohem Bogen davonflog. Eine gedankenschnelle Bewegung des Knaben und die Klinge Benombos saß an der Kehle des völlig überrumpelten Hauptmannes.

„Gefangen!“, rief Benamba. „Danke Benombo – ich habe das Schwert des Schwertes der Stadt. Aber es ist minderwertig. Der Schmiedejon und Nim würden so etwas nicht herstellen. Es ist nur aus Bronze.“

Fulmen lachte aufs Höchste amüsiert und wandte sich dann an die restlichen vier Soldaten, die unschlüssig ihre Waffen erhoben hatten: „Seht ihr. Diese Knaben haben euren Hauptmann entwaffnet. Wollt ihr wirklich mit ihnen fechten?“

„Diese Knaben?“, rief Pu beinahe beleidigt. „Nein, das war die Macht des Pu!“

Die Männer ringsum lachten herzhaft. Nur Malo schäumte vor Wut. Doch es half nichts. Wie all seine Untergebenen wurde er gebunden und erhielt, weil er nicht zu brüllen aufhörte, ein Wollknäuel in den Mund gestopft.

„Benombo – das war blanker Übermut!“, rügte sein Vater, „aber schnell bist du wahrhaft!“

„Leider ist er mir zuvorgekommen“, bedauerte Benamba. „Ich war ein wenig zu langsam und musste über das Pu lachen.“

„Was tun wir nun mit diesen Halunken?“, fragte Navis, der eben zu der kleinen Gruppe trat. Er hatte die Fesseln der Gefangenen kontrolliert, da die Friedländer den unerfahrenen Hirten nicht die entsprechende Fertigkeit zutrauten. „Bei den Seemannsknoten, die ich ihnen verpasst habe, kommt keiner los“, schmunzelte er vergnügt.

„Was wir mit ihnen anfangen, ist eine gute Frage“, erwiderte Ombo. „Hierlassen scheint mir nicht geraten, denn ich glaube nicht, dass die Macht des Pu ausreicht, um diese Kerle zu halten. Mitnehmen können wir sie auch nicht, denn das kann für uns dort, wo wir hinfahren, gefährlich werden.“

„Es wäre überhaupt besser, ihnen gegenüber unsere Namen nicht zu erwähnen“, riet Amba nachdenklich.

„Sagen wir ihnen, es war die Macht des Pu, der sie hier begegneten und, dass diese Macht sie auch zukünftig fernhalten wird“, lächelte Fulmen.

„Ja, und was wir mit ihnen anfangen, liegt doch auf der Hand“, behauptete Benamba und erhielt ein zustimmendes Nicken von Benombo: „Wir bringen sie gebunden auf ihr Schiff, rudern sie zum jenseitigen Ufer des Stroms und lassen sie dort ohne Waffen frei. Zu Fuß wird es ein ungemütlicher Marsch in die Stadt für sie werden. Dann kehren wir hierher zurück, überlassen das Schiff den Hirten und segeln weiter. Nur, dass diese Gauner hier unseren Falken nicht zu sehen bekommen sollten, damit sie ihn nachher nicht wiedererkennen.“

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, staunte Amba, „aber der Plan ist perfekt, mein Sohn!“

Benamba strahlte und meinte dann gelassen: „Es ist ja doch gut, dass ihr uns mitgenommen habt.“

„Daran hat niemand gezweifelt“, bemerkte Fulmen mit einem fröhlichen Augenzwinkern.

Mühelos brachten die Freunde das Schiff der Sklavenfänger unter ihre Kontrolle. Der einzige Wachtposten, der zurückgeblieben war, dachte gar nicht an Gegenwehr, sondern ließ sich bereitwillig fesseln. Waffen und Werkzeuge der Soldaten erhielten Pu und seine Männer. Auch die Helme und Brustpanzer wurden den Gefangenen abgenommen. Pu betrachtete sie misstrauisch und meinte dann: „Sie mögen ja ganz brauchbar für andere sein. Uns aber beschützt das Pu.“

Malo wand sich zornig in seinen Fesseln, als wollte er den Dicken erwürgen. Pu aber trat zu ihm und sprach selbstbewusst: „Kehre nicht wieder hierher zurück. Das allmächtige Pu hat uns deine Ankunft gemeldet und uns Helfer gesandt, die unüberwindlich sind. Ich sage dir nochmals: Kehre nicht wieder hierher zurück, denn diese Helfer schickt das Pu allen, die ihrer bedürfen und die ihrer würdig sind!“

Navis, seine vier Ruderer und einige Hirten sorgten für die Überfahrt. Am anderen Ufer wurden die Gefangenen freigelassen. Dort standen sie ratlos zwischen den zerklüfteten Felsen und hörten zum Abschied ein vielstimmiges Pu.

Nach einem großartigen Freudenfest, bei dem Lyrus ein Lied nach dem anderen sang, lichtete der Falke im Schutz der einbrechenden Nacht den Anker und nahm wieder Kurs auf die Stadt.

„Wir kommen bald wieder, um dich an Bord zu nehmen“, tröstete Benamba Lyrus, der sein Instrument begeistert durch die Luft schwang.

4

In der Stadt

Gegen Abend des folgenden Tages lenkte Navis das Schiff in eine vom Wasser aus kaum erkennbare Bucht am rechten Ufer, die ganz von üppigem Grünwuchs verdeckt war. Allmählich hatte sich das Landschaftsbild verändert. Die kargen Felsen zur Rechten und die grünen Hügel zur Linken waren dichten Pinienwäldern gewichen, die den graugrünen Strom beiderseits einfassten. Auch die Luft war Stunde um Stunde milder und würziger geworden.

„Es kann nicht mehr weit sein in die Stadt, denn vorhin sind uns Fischerboote entgegengekommen, die eine ähnliche Bauart haben wie die üblichen Galeeren der Stadt, die wir ja schon kennen – nur viel kleiner“, bemerkte der Schiffsbauer.

„Es ist sicher besser, die Nacht noch hier zu verbringen“, stimmte Fulmen zu. „Der eine Kahn, der vorhin abgedreht hat, schaute eher wie ein Kontrollschiff aus, das die Gewässer rund um die Stadt überwacht. Ich denke, er hat uns nicht bemerkt, da wir so hart am schattigen Ufer hinfuhren und schon die Segel einzogen.“

„Ihr habt recht“, stimmte Ombo zu. „Es genügt völlig, wenn wir erst am Morgen in der Stadt eintreffen. Was dann geschieht, werden wir sehen.“

Kurz vor Tagesanbruch hisste der Falke also die Segel erneut und steuerte den Strom flussabwärts. Es war kaum Zeit vergangen, da erblickte die Besatzung am linken Ufer einen einsamen Hügel vor sich, auf ihm und rings um ihn die Stadt. Hier traf der breite, träge Strom auf das offene Meer, das bislang nur Fulmen gesehen hatte. Für die anderen war es ein beeindruckendes Schauspiel. Vom Meer her tobte Welle um Welle schaumgekrönt heran, mischte sich mit dem Flusswasser und kehrte strudelnd wieder in die offene See zurück. Fast noch beeindruckender aber fanden die Männer den Anblick der Stadt selbst. Unzählbar groß war die Menge der niedrigen Häuser und Hütten, die sich bis zum Fuß des Hügels drängten. Ring um Ring stiegen anschließend kalkweiße Gebäude die Hänge hinan. Auf der Kuppe ragten prunkvolle Bauten, deren Dächer teils mit Bronze, einige wenige aber auch mit Gold, verziert waren, in das blasse Blau. Im Licht der Morgensonne rief dieses Glitzern eine fast märchenhafte Wirkung hervor. Über all dem wachte eine goldene Statue, die auf einer himmelhohen weißen Säule thronte. Mit vier Gesichtern schien sie die Betrachter aus allen Richtungen streng anzublicken und ihnen einen gleißenden, aber kalten Gruß zu entbieten. Während in der Stadt selbst kaum ein grüner Fleck auszumachen war, ließ die noch vom Frühdunst verhangene Ebene nördlich davon ausgedehnte Felder und Obstgärten vermuten. Da, wo der Fluss in das Meer mündete, führte eine enge Wasserstraße mitten zwischen die Häuser hinein.

„Dort werden wir wohl den Hafen finden“, überlegte Navis. „Sollen wir gleich da hinsegeln?“

„Man hat uns schon bemerkt“, stellte Ombo fest. „Seht das Schiff, das Kurs auf uns genommen hat!“

Tatsächlich näherte sich eine Galeere mit kräftigen, gleichmäßigen Ruderschlägen. In ihrem Heck stand ein großer, ganz in purpur gekleideter Mann, der, von zwei Soldaten flankiert, einen silbernen Stab in Händen hielt. Der Falke holte die Segel ein und drehte bei, als die Galeere in Rufweite herangekommen war.

„Nennt Schiff und Namen, Fremde! Ihr befahrt Gewässer der Stadt aller Städte!“, rief einer der beiden Soldaten herüber.

„Das Schiff heißt Falke! Wir kommen aus Friedland und wurden vom Kaufmann Nelo eingeladen!“, gab Navis Bescheid.

„Der in purpur Gekleidete horchte merklich auf und fragte dann: „Sind die Konsulen Amba und Ombo auf diesem Schiff?“

„Ja, hier stehen sie“, antwortete Navis.

„Gut – wir kommen an Bord, um eure Ladung zu inspizieren!“, entschied der vorherige Sprecher knapp.

Eine breite Holzplanke wurde nun von der Galeere aus auf das Deck des Falken geschoben und der Mann mit dem Silberstab betrat, gefolgt von seinen Soldaten, das Schiff. Interessiert musterte er dessen Bauweise und die Takelage und meinte dann abschätzig: „Ihr habt zu wenig Ruder. Wie wollt ihr vorwärts kommen?“

„Der Rumpf dieses Schiffes ist schmal, so genügt nur ein wenig Wind oder zumindest weniger Ruderkraft, um den Falken fliegen zu lassen“, lächelte Navis.

„Was habt ihr an Bord?“, lautete die nächste Frage, bei der in den Ohren von Fulmen ein lauernder Unterton mitschwang.

„Komm und sieh!“, lud Ombo ein. „Vielleicht aber möchtest du dich uns vorstellen, damit wir wissen, wen wir vor uns haben?“

„Mein Name ist Port. Ich bin der Hafenmeister der Stadt. Mir haben alle, die auf dem Wasser fahren, unbedingten Gehorsam zu leisten“, kam die strenge Antwort. „Ich will eure Ladung sehen!“

„Gut Port – so komm!“, meinte Ombo freundlich und führte den Hafenmeister in den Laderaum, der allerdings leer war.

„Ihr bringt nichts mit euch?“, forschte Port ungläubig.

„Wir hatten nur eine Kiste an Bord, die wir aber zwei Tagesreisen von hier in einer Höhle zurückließen“, behauptete Ombo gleichmütig, „da wir nicht sicher waren, ob der Inhalt dieser Kiste in der Stadt willkommen ist.“

„Was enthielt sie?“, fiel ihm Port rasch in die Rede.

„Den Kaufpreis für die Waren, die wir hier zu erwerben gedenken“, lächelte Amba vergnügt. „Wenn der Handel abgeschlossen ist, werden wir die Kiste holen. Das ist bei uns in Friedland so der Brauch.“

„Hier ist das nicht der Brauch“, murrte Port. Man sah ihm die Enttäuschung an. Dann aber meinte er: „Ich habe den Auftrag, die Konsulen Amba und Ombo zu dem Handelsherren bringen zu lassen.“

„Nur uns beide?“, erkundigte sich Ombo. „Was aber tun unsere Begleiter in der Zwischenzeit?“

„Sie dürfen sich in der Stadt frei bewegen und deren Wunder bestaunen. Ihr legt an der Stelle an, die ich euch zuweise. Zu Mittag werdet ihr abgeholt!“

„Gut – so weise uns den Ankerplatz zu“, forderte Amba den Hafenmeister freundlich auf.

„Folgt uns jetzt!“, gab dieser in amtlichem Ton zurück und verließ gemeinsam mit seinen Soldaten den Falken.

Als die Galeere Fahrt aufgenommen hatte, meinte Fulmen: „Die kleine Lüge, dass wir die Kiste zurückgelassen hätten, war eine grandiose Idee. Ich hatte auch den Eindruck, dass der Mann nicht nur wusste, dass wir kommen, sondern auch, was wir an Bord haben würden. Und darauf dürfte er scharf sein.“

„Der Gedanke, dass ihr alleine zu diesem Nelo gehen sollt, gefällt mir nicht“, meldete sich Navis. „Ich denke, es wird gut sein, wenn wir den Falken abfahrbereit halten und nicht zu weit in den Hafen hineinfahren.“

„Du hast recht“, stimmte Fulmen zu. „Schauen wir, ob es nicht gleich zu Beginn einen Liegeplatz für das Schiff gibt.“

„Aber dieser Hafenmeister hat doch gesagt, dass wir nur dort ankern dürfen, wo er es uns gestattet“, wandte Ombo ein. „Wird uns das nicht Probleme machen?“

„Ich werde ihn einfach falsch verstehen“, schmunzelte Navis. „Und wenn wir schon einmal den Anker geworfen haben, dann finden wir sicher eine Ausrede.“

Er steuerte sein Schiff langsam hinter der Galeere drein, die bereits in den Hafen einfuhr. Nun erblickte die Besatzung an beiden Seiten des Beckens Galeere um Galeere. Zumeist waren es große, breite und relativ schwerfällig gebaute Fahrzeuge, die für viele Ruderer und Soldaten Platz boten. Das Schiff des Hafenmeisters steuerte einen Landeplatz an, der sich ganz am Ende der Anlage befand. Der Falke hätte zwischen den Reihen der Galeeren segeln müssen. Navis aber steuerte gleich die nächstgelegene Hafenmauer an und warf den Anker aus. Als Port bemerkte, dass ihm der Falke nicht mehr folgte, ließ er Kehrt machen und rief mit unterdrücktem Zorn: „Warum folgt ihr mir nicht? Ich sagte euch doch, dass ich euch einen Ankerplatz zuweisen würde.“

„Verzeih“, bat Navis treuherzig, „aber ich getraue mich nicht durch die enge Wasserstraße zu fahren, da ich die Sorge habe, andere Schiffe zu rammen. Und dabei schauen diese Galeeren der Stadt so kostbar und so viel besser aus als unsere Nussschale hier.“

Port lächelte überlegen und meinte dann herablassend: „Oh, wenn es so ist, dann dürft ihr hier bleiben. Ich verstehe, dass euch der Anblick unserer Flotte den Atem und den Mut raubt.“

„Ja, das tut er. Du bist sehr großmütig, dass du uns nicht dem Spott aussetzt, mit dem uns die anderen Schiffer beobachten würden“, dankte Navis scheinbar unterwürfig.

„Was sollen wir bis zur Mittagsstunde anfangen?“, erkundigte sich Amba beim Hafenmeister.

„Was ihr wollt! Ihr könnt gerne den Hafen oder auch den Markt besichtigen. Aber dann werdet ihr abgeholt“, entschied der Gefragte, bevor er seine Ruderer durch ein Zeichen mit dem silbernen Stab anwies, wieder Fahrt aufzunehmen.

„Und, was nun?“, blickte Ombo in die Runde.

„Jetzt schauen wir uns die Stadt an“, meinte sein Sohn unternehmend. „Bis Mittag können wir zusammen bleiben, dann sind Benamba, Fulmen und ich auf uns selbst gestellt.“

„Die Ruderer und ich bleiben besser hier. Ich möchte den Falken nicht unbeaufsichtigt lassen“, befand Navis.

Also gingen die Konsulen, ihre Söhne und Fulmen an Land. Ein breiter gepflasterter Weg führte das Hafenbecken entlang. Daneben reihten sich Lagerschuppen, Spelunken und Hütten, aus denen vielfältige, zumeist unangenehme Gerüche in die Nasen drangen. Was sofort auffiel, war der Unterschied in der Bekleidung der unzähligen Menschen, die sich auf den Wegen und zwischen den Hütten tummelten. Benamba und Benombo sahen uniform gekleidete Soldaten, offensichtlich Reiche in weiten fließenden Umhängen, ärmlich gewandete Bewohner und eine Vielzahl von Sklaven, die als Lastenträger oder Hafenarbeiter die mühseligsten Aufgaben zu erfüllen hatten und dabei von Aufsehern mit Peitschen nicht aus den Augen gelassen wurden. Dort, wo das Hafenbecken endete, begann eine breite Straße, die in gerader Linie auf den Hügel zuführte. Die Fünf folgten ihr und erreichten bald einen weiten, von Säulen umrahmten, rechteckigen Platz, auf dem es hoch her ging. An Ständen, auf Tribünen und auf Wägen wurden allerlei Waren und Menschen zum Kauf angeboten. Gewürze, Wein, Obst und Gemüse, Gebäck und Süßigkeiten, Gerüche aller Art, die laut geführten Verhandlungen von Käufern und Verkäufern, die das eigene Wort fast unhörbar machten, Stoffe in den schillerndsten Farben, Metall- und Holzerzeugnisse bedrängten die Neuankömmlinge. Und überall wechselten kupferne Münzen die Besitzer. Silber oder Gold war nicht zu sehen. Ein Stand, vor dem nur die Wohlhabendsten mit größtem Interesse standen, bot anscheinend Edelsteine in – wie Fulmen rasch erkannte – minderer Qualität an. Er holte einen mittelgroßen blauen Stein aus seinem Beutel am Gürtel hervor, hielt diesen dem Verkäufer hin und fragte: „Was bekommt man hier für einen derartigen Stein?“

Der Mann, ein gedrungenes Kerlchen mit kleinen flinken Augen, starrte den um zwei Kopf größeren Fulmen taxierend an und stieß dann rasch hervor: „Kommt einmal hinter die Leinwand! Wollt ihr mich ruinieren? Gebt zu, dass euch die Herren geschickt haben, um mein Geschäft zu übernehmen. Ich weiß ja, dass sie seit Neuesten noch mehr auf Steine aus sind, als sogar auf Aurum!“

„Wie viel ist dieser Stein wert?“, erkundigte sich Fulmen beharrlich.

„Ihr wisst selbst, dass ihr für diesen Stein wohl zehn große Münzen aus Aurum bekommen würdet“, antwortete der Verkäufer gereizt.

„Und wie viele Sklaven bekomme ich für zehn Münzen?“, fragte Fulmen weiter.

„Zwanzig würde ich sagen, aber ich handle nicht mit Menschen“, kam die abweisende Antwort.

„Kann ich bei dir Gewürze, Stoffe und Wein erwerben?“, erkundigte sich Fulmen unverdrossen.

„Bei mir nicht, aber bei meinem Bruder Achfra“, musterte der Verkäufer sein Gegenüber noch immer misstrauisch.

Dieses meinte: „Ich möchte zehn Fässer Wein, zehn Kisten Gewürze und 100 Balllen farbigen Stoff aus Baumwolle. Dafür soll dein Bruder Achfra zehn solcher Steine erhalten. Kannst du mich zu ihm führen?“

„Wer bist du, Herr? Du bist doch kein Spitzel der Handelsleute hier, denn sonst würdest du mir nicht so ein Angebot machen. Mich nennt man übrigens Gebo. Ich will dich zu meinem Bruder führen. Aber du bist unvorsichtig, wenn du die Steine mit dir herumträgst. Hast du keine Angst, dass sie dir genommen werden könnten. Du musst wissen, dass es in der Stadt viele Beutelschneider, aber auch gierige Behördenvertreter gibt. Wir haben Beamte des Hafens, des Marktes, der Straßen, der Spiele, der Ordnung und noch mehr. Am Gefährlichsten sind aber die Handelsherren, die stets ihren Anteil von allem erhalten müssen“, senkte Gebo warnend die Stimme.

„Die fürchte ich nicht und außer dir weiß ja niemand, dass ich Steine habe“, lächelte Fulmen. Er griff abermals unter den Gürtel und brachte eine Anzahl glitzernder Steine zum Vorschein, sodass Gebo die kleinen Äuglein herausfallen wollten.

„Das ist ja ein Vermögen, das du da in Händen hältst“, stotterte er. „Ich selbst könnte dir nur einen oder zwei abkaufen.“

„So tu es und wechsle mir diese beiden hier teils in deine Steine, teils in eure Münzen, denn die haben wir nicht“, schlug der Friedländer vor. „Dann aber möchte ich mit deinem Bruder reden.“

Das Kerlchen wechselte eilfertig, ließ seinen Stand in der Obhut eines Gehilfen und wuselte neben Fulmen her, während die Konsulen und deren Söhne ihre Runde durch den Markt fortsetzten.

„Du musst wissen, dass mein Bruder und ich noch nicht sehr lange hier leben. Wir stammen aus einem Land, das von der Stadt aus gesehen zwischen Sonnenaufgang und Mittag liegt. Dort gibt es Steine, wie du sie auf meinem Stand gesehen hast. Solche wie du besitzt, hat hier niemand“, plapperte Gebo vertraulich. „Aber sieh, da ist schon das Geschäft meines Bruders Achfra.“

Eine knappe Stunde später bewegte sich eine Schar Lastenträger, geführt von Fulmen, mit Weinfässern, Kisten voll Gewürzen und Stoffballen in Richtung des Falken, während die Konsulen und ihre Söhne, die nun mit Kupfermünzen ausgestattet waren, allerlei Leckereien versuchten, die an den Ständen angeboten wurden. Ein braunes Pulver, das hier Zucker genannt wurde, hatte es vor allem den beiden Knaben angetan, wie auch Früchte, die gleichzeitig säuerlich und süß schmeckten.

„Leider ist es für diese Limonen und Orangen bei uns wahrscheinlich zu kalt, sodass sie nicht gedeihen können“, bedauerte Benombo. „Sie schmecken wirklich ausgezeichnet. Vielleicht könnte man sie trocknen wie unsere Dörrfrüchte?“