Beratung in Bewegung (Leben Lernen, Bd. 337) - Johann-Friedrich Weber - E-Book

Beratung in Bewegung (Leben Lernen, Bd. 337) E-Book

Johann-Friedrich Weber

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Beschreibung

Das Potenzial von Bewegung und Natur nutzen Über die positiven Einflüsse von Bewegung und Naturerleben auf die Psyche haben schon Philosophen und Ärzte der Antike berichtet. Für Coaching, Beratung und Psychotherapie sind die heilsamen Effekte des Reflektierens außerhalb des Praxisraumes noch neu zu entdecken. Neben theoretischen Grundlagen bietet das Buch konkrete Handreichungen, um außerhalb des gewohnten Settings erfolgreich zu arbeiten. Im praktischen Teil erwartet die LeserInnen eine reiche Auswahl an gut erprobten Coaching-Exkursionen mit konkreten Vorschlägen für Gedanken am Wasser, sei es Bach, Quelle oder See. Im Wald und auf Wiesen lenken Blätter, Blüten, Erde und Steine die Aufmerksamkeit. Zum Gelingen von Beratungs-Spaziergängen trägt auch das abschließende Kapitel bei, welches rechtliche und planerische Gesichtspunkte für die Exkursion mit Einzelnen, Paaren und Gruppen erläutert.

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Seitenzahl: 390

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Cover for EPUB

Johann-Friedrich Weber

Eva Istas

Beratung in Bewegung

Praxisbuch für Coaching und Therapie in der Natur

Klett-Cotta

Zu diesem Buch

Über die positiven Einflüsse von Bewegung und Naturerleben auf die Psyche haben schon Philosophen und Ärzte der Antike berichtet – was heute aber kaum zum Nutzen der Klient*Innen und Patien-t*Innen beachtet wird. Neben theoretischen Grundlagen zu Coaching und Beratung in Bewegung und in freier Natur bietet das Buch einen ausführlichen Methodenteil mit konkreten Vorschlägen an, wie außerhalb des gewohnten Praxissettings erfolgreich gearbeitet werden kann. Erprobte Outdoor-Varianten von Interventionen aus dem therapeutischen Standardrepertoire werden ebenso beschrieben wie Übungen, die die Autoren speziell für den Einsatz im Freien entwickelt und im Beratungsalltag verfeinert haben. Zum Gelingen von Beratungs-Exkursionen trägt auch das abschließende Kapitel bei, das rechtliche und planerische Gesichtspunkte für die Arbeit im Freien mit Einzelnen, Paaren und Gruppen erläutert.

Die Reihe »Leben Lernen« stellt auf wissenschaftlicher Grundlage Ansätze und Erfahrungen moderner Psychotherapien und Beratungsformen vor; sie wendet sich an die Fachleute aus den helfenden Berufen, an psychologisch Interessierte und an alle nach Lösung ihrer Probleme Suchenden.

Alle Bücher aus der Reihe »Leben Lernen« finden Sie unter: www.klett-cotta.de/lebenlernen

Impressum

Leben Lernen 337

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von © Dariusz Leszczynski/Adobe

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Altusried-Krugzell

Gedruckt und gebunden von CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-608-89282-6

E-Book ISBN 978-3-608-11948-0

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20585-5

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Einleitung

Kapitel 1

Coaching, Therapie und »bewegende« Gespräche

1.1 Wir sprechen von »Beratung«

1.2 Fragen Sie sich selbst

1.3 So arbeiten wir

1.3.1 Hier bin ich Mensch …

1.3.2 In der Harmonie der Natur die eigene Harmonie wiederentdecken

1.4 Ihr persönlicher Ausblick

Kapitel 2

Bewegung und freie Natur, ein guter Rahmen für Therapie und Coaching

2.1 Beratung in Bewegung

2.1.1 Wie verbessert Bewegung die physischen Grundlagen für einen erfolgreichen Beratungsprozess?

2.1.2 Wie wirken sich körperliche Bewegung und Gehen auf unser Denken aus?

2.1.3 Welchen Einfluss kann die Bewegung auf unsere Psyche haben?

2.2 Beratung in freier Natur

2.2.1 Mensch-Natur-Verbindung

2.2.2 Wie vermag es die Natur, auf physikalischem und biochemischem Weg die Grundlagen für den Beratungsprozess zu verbessern?

2.2.3 Wie wirkt sich der Aufenthalt in der Natur auf unser Denken aus?

2.2.4 Welchen Einfluss hat die Natur auf unsere Psyche?

2.2.5 Ist die Natur

immer

der beste Praxisraum?

2.3 Zusammenschau: Beratung in Bewegung und in freier Natur

Kapitel 3

Methodenbuffet

3.1 Blütenatmung

3.2 Eine Sinnespyramide bauen

3.3 Wolkenbilder

3.4 Jahreszeiten

3.5 Dankbarkeits-Mandala

3.6 Geh-Meditation

3.7 Baum-Atmung

3.8 Verbindung mit dem Zukunfts-Ich

3.9 Die Gefühle unter dem Gefühl

3.10 Skalierung in der Natur

3.11 Wieder in Fluss kommen

3.12 Der Wut Raum geben

3.13 Innere Kraftquellen

3.14 Die Brücke der Veränderung

Kapitel 4

Häufig gestellte Fragen

Was mache ich bei schlechtem Wetter?

Was ist, wenn es schon früh dunkel wird?

Was gehört in meinen Rucksack?

Wo sollte ich meine Beratungen durchführen?

Was gilt es, bei der Nutzung von Wegen und Flächen im öffentlichen Raum zu beachten?

Darf ich als Therapeut*in überhaupt nach draußen gehen?

Brauche ich eine Zusatzversicherung?

Literaturverzeichnis

Einleitung

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir freuen uns, dass Sie unser Buch in den Händen halten.

Sie interessieren sich für kreative und moderne Formen in Therapie, Coaching, Beratung und Selbst-Coaching? Dann werden Sie mit diesem Buch viel Freude haben. Wir, Eva Istas und Friedrich Weber, teilen die Begeisterung für bewegte und bewegende Beratung in der freien Natur. Dabei ergänzen wir uns in der Art und Weise, wie wir diese Begeisterung in unsere Beratungspraxis einfließen lassen. Die Natur kann als »erweiterter Praxisraum« genutzt werden, in dem wir Therapie-, Coaching- oder Beratungsgespräche führen (Friedrich Weber), oder sie kann zusätzlich als Werkstatt und Werkzeugkasten gleichermaßen dienen und somit aktiv zur Unterstützung, Entwicklung und Förderung von Patient*innen, Klient*innen und Coachees verwendet werden (Eva Istas).

Wir haben unsere Erfahrungsschätze und die dazugehörenden theoretischen Grundlagen zusammengetragen, weil wir davon überzeugt sind, dass noch viel mehr Menschen von den großartigen Möglichkeiten profitieren können, die Beratungen und Selbstreflexion auf Spaziergängen in Wald und Wiesen oder auch im Stadtpark gleich nebenan bereithalten.

Fühlen Sie sich herzlich eingeladen, in den Kapiteln dieses Buches zu stöbern und sich das herauszunehmen, was Sie gerade gut für sich und Ihre Klient*innen, Patient*innen oder Coachees annehmen, übernehmen, weitergeben oder weiterentwickeln möchten.

Das Erfolgsgeheimnis von Beratungsspaziergängen

So wird aus drei Erfolgssträngen ein wunderbarer Zopf:

Begleitung und Anleitung durch einen qualifizierten Therapeuten oder Coach

Körperliche Bewegung und reichlich frische Luft

Natürliche Stimulation aller Sinne, Perspektivwechsel und Abstand zum Alltäglichen

Mit den theoretischen und praktischen Handreichungen dieses Buches wollen wir Ihnen neue Denk-, Erlebnis- und Arbeitsräume aufschließen. Wir führen Sie hinaus in die Natur, in Ihre Natur. Sie sollen Spaß beim Lesen haben, mit neuen Augen um sich blicken und inspiriert durch vielfältige Denkanstöße und Praxisbeispiele auch in Ihrem Inneren auf Entdeckungsreise gehen.

Therapie und Coaching werden von Menschen für Menschen angeboten. Es sind damit Leistungen, die nicht isoliert vom Menschenbild des jeweiligen Therapeuten oder Coachs betrachtet werden sollten. Wir wollen also mit gutem Beispiel vorangehen und an dieser Stelle zunächst einmal unser Menschenbild und unser grundsätzliches Verständnis von beraterischer Arbeit skizzieren. Damit sprechen wir vom ersten Erfolgsstrang des oben erwähnten Beratungszopfes. Die folgende Skizze ist sozusagen der gemeinsame Nenner unseres Menschenbildes bzw. Beratungsverständnisses. Spezifischer werden wir im ersten Kapitel. Im weiteren Verlauf des Buches stehen dann die beiden anderen Stränge, die Bewegung und die Natur im Vordergrund.

Unser Menschenbild:

Der Mensch ist immer mehr als seine Diagnose, mehr als seine Probleme, seine Hindernisse, seine Verzweiflung. Er ist immer auch seine Sehnsucht, seine Hoffnung, sein Witz und seine individuelle Persönlichkeit.

Er verfügt immer über ein gewisses Maß an Freiheit.

Er ist für sich selbst verantwortlich.

Er ist Experte in eigener Sache.

Er ist sein ganzes Leben lang auf dem Weg.

Unser Verständnis von guter beraterischer Arbeit:

Gute Therapie und gutes Coaching ergeben sich nicht allein aus lehrbuchgerechten Anwendungen von Methoden und Tools und auch nicht aus scharfsinnigen Analysen und Lösungsvorschlägen. All das kann von großem Wert sein. Es entfaltet aber nur dann die gewünschte Wirkung, wenn es in ein warmherziges und lebendiges Menschenbild eingebettet ist.

Therapeut, in seiner ursprünglichen altgriechischen Wortbedeutung, heißt Diener, Helfer und Gefährte. Diese Bedeutung steht nicht in Opposition zum Wort Coach. Der Gefährte (Therapeut, Coach, Seelsorger, Lehrer, Berater) kennt sich gut aus im menschlichen Fühlen, Denken und Streben, im menschlichen Miteinander und in der Umwelt des Menschen. Er beherrscht, wie ein Geologe oder Geograph, spezielle Messinstrumente und Werkzeuge. Seine Erfahrung und Kompetenzen ermöglichen ihm einen gleichermaßen respektvollen wie konstruktiven Umgang mit den Menschen (Patient*innen, Klient*innen, Schüler*innen und Schutzbefohlenen), die sich seiner Fürsorge anvertrauen bzw. ihm anvertraut werden.

Wir laden Sie, liebe Leserin und lieber Leser, dazu ein, einen Augenblick innezuhalten und für sich selbst die folgenden Fragen als Denkanstöße anzunehmen und zu beantworten:

Wie stehe ich zum hier skizzierten Menschenbild? Wie würde ich mein Menschenbild beschreiben?

Was zeichnet in meinen Augen einen guten Therapeuten oder Coach aus?

Was fällt mir ein, wenn ich meine Antworten auf die ersten beiden Fragen mit den Themen Aufenthalt in der Natur, körperliche Bewegung, Spaziergang oder Wanderung in Verbindung bringe?

Seien Sie nachsichtig mit sich, falls Ihnen nicht spontan umfassende Antworten und knackige Formulierungen einfallen. Wir selbst haben nach den Antworten auf diese Fragen lange aktiv gesucht und gemeinsam daran gearbeitet, unsere Erkenntnisse sinnvoll zu sortieren und verständlich zu formulieren. Das Ergebnis ist dieses Buch, dessen Lektüre Ihnen sicherlich Inspirationen bieten wird, um Ihre ganz persönlichen Antworten auf diese Fragen zu ergründen.

Es soll dies ein Buch sein, in dem es ums Anstoßen, Aufbrechen, Ausbrechen, In-die-Gänge-Kommen, Loslassen, Erkennen und Zupacken geht; in dem es aber auch ums Gehen und Suchen, Untersuchen und Finden geht, ums Entdecken, Angehen und Lösen von Problemen, ums Aufgehen in Aufgaben, ums Hinausgehen aus vermeintlichen oder tatsächlichen Gefängnissen, ums Zurückblicken, Umherblicken und Vorausblicken, ums Innehalten, Weitergehen und Vorankommen.

Diese – zugegebenermaßen vollmundige – Ankündigung soll Ihre Neugier auf das Buch weiter steigern. Es ist unsere Antwort auf die eben gestellte dritte Frage nach dem Zusammenhang zwischen Menschenbild, Therapie und Coaching auf der einen Seite und Aufenthalt in der Natur, körperliche Bewegung, Spaziergang oder Wanderung auf der anderen Seite.

Therapie, Coaching und Beratungen haben die Intention, Patient*innen, Klient*innen und Coachees auf ihrem jeweiligen Weg weiterzubringen. Indem wir Beratungen im Gehen und in der freien Natur durchführen, lassen wir Begrifflichkeiten Realität werden, die beim herkömmlichen Therapieren und Coachen in geschlossenen Räumen zwar als Metaphern oder schöne Bilder vorhanden sind, aber dann doch oft nicht mit Leben gefüllt werden.

Sich gemeinsam auf den Weg machen, Perspektivwechsel vornehmen und Neuland betreten, das können Beratungsspaziergänge sowohl im buchstäblichen als auch im übertragenen Sinne leisten. Genau das erleben wir, wenn wir uns mit unseren Klient*innen auf den Weg machen, hinaus in den Wald, über die Wiesen und durch die Weinberge, hinein ins Dickicht der verworrensten Probleme. Im Gehen, umgeben von Licht und Luft und den Lauten der Natur, wird vermeintlich Unlösbares lösbar, Unerträgliches erträglich (oder zumindest bearbeitbar), Unsichtbares sichtbar. Und wem das noch nicht genügt, der findet im Freien zahllose Gelegenheiten für spontane oder geplante Therapie- und Coachingmethoden.

Der vor uns liegende Weg

Im ersten Kapitel stellen wir am Beispiel unserer eigenen, voneinander deutlich unterschiedenen Beratungspraxen vor, wie weit das Möglichkeitsspektrum ist, das Bewegung und Natur für Therapie, Coaching und lösungsorientierte Gespräche bietet. Ein aktivierender Fragebogen lädt Sie dazu ein, in die möglichen positiven Verflechtungen von Beratung, Bewegung und Natur einzutauchen und so Ihre persönlichen Vorkenntnisse und Erwartungen aufzudecken.

Damit ist dann der Boden bereitet, um im zweiten Kapitel die positiven Einflüsse auf den Beratungsprozess zu untersuchen, wie sie zum einen von körperlicher Bewegung und zum anderen von Naturwahrnehmungen ausgehen. Dabei stützen wir uns auf eine große Zahl wissenschaftlicher Belege und auf Erkenntnisse, die wir aus der eigenen Beratungspraxis gewonnen haben. Dieses Kapitel ist für all jene von besonderem Interesse, die mehr darüber erfahren wollen, warum Spaziergänge durch die freie Natur ein großartiges Setting für transformierende Gespräche sind.

Sind Sie daran interessiert, den Werkzeugkasten der Natur zu nutzen? Dann werden Sie im dritten Kapitel, dem Methodenteil des Buches, viele Schätze finden. Freuen Sie sich auf Anleitungen, Hintergründe und Fallbeispiele zu Übungen, die von uns entweder speziell entwickelt wurden, um das wunderbare Angebot der Natur für Therapie und Coaching einzusetzen, oder die Abwandlungen einschlägig bekannter Techniken sind, die im Freien eine ganz neue Kraft entfalten. Sie suchen eine Methode, die in einen bestimmten beraterischen oder örtlichen Zusammenhang passt? Einen kurzen Überblick über die Vielfalt der Methoden bekommen Sie bereits beim Studieren des Inhaltsverzeichnisses. Darüber hinaus gibt es zu Beginn jeder Methode wertvolle Informationen zum benötigten Material, zu Vorsichtshinweisen, idealen Bedingungen in der Natur und zu empfohlenen Konstellationen (Einzel-, Paar-, Gruppen- oder Selbst-Coaching).

Das vierte und letzte Kapitel widmet sich schließlich eher technischen Themen. In Form einer FAQ-Liste werden Fragen nach Versicherungen, Planung der Outdoor-Einheiten, Anforderungen an gute Coaching-Routen oder Wind und Wetter behandelt.

Wir wünschen Ihnen nun viel Vergnügen und reichlichen Erkenntnisgewinn auf Ihrer Reise durch dieses Buch und auf allen Wegen, zu denen es Sie animiert. Denn genau das ist ja das Ziel: Lassen Sie sich anregen und inspirieren, nicht nur im übertragenen Sinne neue Wege zu gehen, sondern ganz konkret mit Ihren Patient*innen, Klient*innen und Coachees Ihre Praxisräume zu verlassen. Denn am Ende haben alle etwas davon: Ihren Patient*innen, Klient*innen und Coachees wird Schweres leichter gemacht. Sie selbst gewinnen Zugang zu ganz neuen, wirkungsvollen Methoden und genießen dabei die Vorzüge eines attraktiven, modernen, luftigen und abwechslungsreichen – einfach wunderbaren – Arbeitsplatzes.

Eva Istas und Friedrich Weber im Juli 2022

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Kapitel 1

Coaching, Therapie und »bewegende« Gespräche

Was Sie in diesem Kapitel erwartet:

Zunächst werden wir erklären, wie wir in diesem Buch mit den Bezeichnungen Therapie und Coaching sowie mit den Genderformen wie Therapeut*innen, Klient*innen usw. umgehen. Danach sind Sie, liebe Leserin, und Sie, lieber Leser, gefragt, Ihre Beziehung zu Bewegung und Natur zu reflektieren.

Im Anschluss melden wir uns wieder zu Wort und berichten darüber, warum und wie wir selbst mit unseren Klient*innen in freier Natur und in Bewegung arbeiten. Nach diesen persönlichen Darstellungen laden wir Sie ein, nach vorne zu blicken, visionär zu denken und sich vor Augen zu führen, wie und wie viel Natur und Bewegung in Ihre Arbeit zukünftig einfließen soll.

1.1 Wir sprechen von »Beratung«

Dieses Buch richtet sich an Therapeut*innen und Coaches (w/m/d) und all jene, die daran interessiert sind, etwas darüber zu erfahren, warum Bewegung und Natur ein großartiges Setting für vielfältige Formen von Therapie und Coaching sind und wie sie dieses Setting  professionell für ihre Arbeit nutzen können. Wir richten uns in erste Linie an Leser*innen, die beruflich Patient*innen, Coachees (w/m/d), Klient*innen, Kund*innen, Mandant*innen, Mitarbeiter*innen oder Schutzbefohlene (w/m/d) therapierend, coachend, beratend, motivierend, tröstend oder stützend begleiten. Bitte fühlen Sie sich aber auch als Privatperson angesprochen. Natur und Bewegung sowie viele der Methoden, die wir im dritten Kapitel dieses Buches vorstellen, bieten großartige Chancen sowohl für Selbst-Coaching als auch für herausfordernde Gespräche zwischen Verwandten, Freund*innen oder Arbeitskolleg*innen1.

Sinn und Zweck des vorangegangenen Absatzes ist es, zum einen einer möglichst breiten Leserschaft zu vermitteln, dass unsere Beschreibungen und Anleitungen für vielfältige Bedürfnisse und Einsatzgebiete relevant sein können. Zum anderen möchten wir um Verständnis bitten, dass wir ab jetzt nur noch in Ausnahmen explizit einzelne Berufsbezeichnungen bzw. Klientengruppen erwähnen. Zusammengefasst sprechen wir von Berater*innen bzw. von Klient*innen. Außerdem werden wir zufällig mal die weibliche und mal die männliche Form verwenden, wenn strenggenommen und korrekterweise weiblich, männlich und divers aufgeführt werden müssten. Natürlich sind immer alle gemeint.

1.2 Fragen Sie sich selbst

In diesem Buch werden Sie sehr viele Argumente finden, die dafürsprechen, Beratungen nicht wie gewohnt sitzend in Praxis-, Büro-, oder Meetingräumen, sondern auf Spaziergängen im Freien zu führen. Wir werden mit ganz konkreten Anleitungen auch dafür sorgen, dass Sie Therapie- und Coachingmethoden an die Hand bekommen, die es Ihnen leicht machen, die Arbeit mit Ihren Klienten nach draußen zu verlegen.

Zunächst einmal möchten wir Sie aber bitten, sich frei und unvoreingenommen selbst ein paar Fragen zu stellen. Wir empfehlen Ihnen, die Antworten auf einem Zettel zu notieren, den Sie dann zwischen die Buchseiten legen. So können Sie später noch Punkte ergänzen und Ihre eigene Entwicklung nachvollziehen. Nehmen Sie sich für Ihre Antworten ausreichend Zeit. Die kursiv gedruckten Fragen dienen als Impulse.

Wie nutze ich das Potenzial von Bewegung und Natur für meine persönliche Gesundheit?

Treiben Sie Sport? (Vielleicht sogar im Freien?)

Wie häufig und wie lange halten Sie sich pro Woche in der Natur auf und was machen Sie dort?

Welche Orte in der Natur sind Ihnen die liebsten? Sind Sie oft genug dort?

Wie setze ich Bewegung und Natur bereits jetzt zum Wohle meiner Klienten ein?

Führen Sie schon Beratungen in der Natur durch?

Sehen Sie durch die Fenster Ihrer Beratungsräume in die Natur?

Befinden sich in Ihrer Praxis Naturbilder oder Naturgegenstände?

Arbeiten Sie mit Naturmaterialien und/oder mit Naturmetaphern?

Sind Sie und/oder Ihre Klienten körperlich aktiv während Ihrer Beratungseinheiten?

Was würden meine Klienten sagen, wenn ich mehr Natur und Bewegung in die Beratungen einfließen ließe?

Rechnen Sie mit Widerständen? Wenn ja, von wem?

Mit wem/welcher konkreten Person und bei welcher Gelegenheit könnten Sie einen ersten Beratungstermin im Freien vereinbaren?

Welche spontanen Visionen habe ich dazu, wie ich in Zukunft mehr Bewegung und Natur in meine Arbeit mit einfließen lassen kann?

Haben Sie schon Ideen, an welchen Orten Sie Termine anbieten könnten?

Denken Sie mehr daran, Beratungsspaziergänge anzubieten oder haben Sie vor, methodisch und mit Naturmaterialien zu arbeiten?

Könnten Sie vielleicht in Ihrer Praxis mehr Naturmaterialien einsetzen und mehr Bewegungsphasen in die Arbeit integrieren?

1.3 So arbeiten wir

Ganz gleich, ob Sie am Anfang Ihrer beraterischen Tätigkeit stehen oder ob Sie bereits über große Berufserfahrung verfügen, die Natur hat viel zu bieten. Sie wirkt beruhigend und anregend. Sie lädt zum Verweilen und zum Wandern ein. Dem Berater dient sie sowohl als Praxisraum als auch als Werkzeugkasten, je nachdem, wie er sie einsetzen möchte.

Seit über zehn Jahren arbeiten wir mit unseren Klientinnen in der freien Natur. So haben wir uns auch über das gemeinsame Interesse für Beratung im Wald und auf Spaziergängen kennengelernt. Schon bei unseren ersten Gesprächen wurde deutlich, dass wir zwar die grundsätzliche Begeisterung für Natur und Bewegung teilen, dass wir uns aber in der Art und Weise, wie wir unsere Beratungen durchführen, sehr stark unterscheiden. Die Natur ist keine Nische, in der nur eine spezifische Form von Beratung sinnvoll praktiziert werden kann. Ganz im Gegenteil: Sie bietet ein weites Spektrum an Möglichkeiten. Um dies zu veranschaulichen stellen wir im Folgenden unsere jeweilige Beratungspraxis und unsere individuelle Motivation für die Arbeit in Bewegung und in der Natur vor:

In 1.3.1 Hier bin ich Mensch … beschreibt Friedrich Weber, warum Spaziergänge ein ideales Setting für sein philosophisch (logotherapeutisch) fundiertes Coachingangebot sind. Er steht damit stellvertretend für gesprächsbasierte Therapie- und Coachingschulen.

In 1.3.2 In der Harmonie der Natur die eigene Harmonie wiederentdecken erfahren Sie, wie Eva Istas die Natur in ihre trauma- und heilpädagogischen Gespräche explizit einbezieht. Sie gibt damit Inspirationen für all jene, die Freude daran haben, Beratungsprozesse durch den Einsatz vielfältiger kreativer Methoden voranzubringen.

Lassen Sie sich überraschen. Wir würden uns freuen, wenn Sie aus beiden Texten Inspirationen ziehen und letztendlich Ihren ganz persönlichen Weg für sich und Ihre Klientinnen finden.

1.3.1 Hier bin ich Mensch …

Die Natur: Ein wunderschöner Arbeitsplatz

Bereits während meiner Ausbildung in Logotherapie und Existenzanalyse hatte ich (Friedrich Weber) die Vision, dass ich mit meinen zukünftigen Klienten nicht in Praxis- oder Büroräumen, sondern an der frischen Luft, in der Natur, auf Waldwegen, auf jeden Fall in einer ansprechenden Landschaft ausschreitend arbeiten sollte. Meine Liebe zum Draußensein, zu Bewegung und Natur sagte mir: »Wenn du drinnen sitzt, kommst du nur schwer voran. Geh an die frische Luft. Wandre durch die Natur (am besten leicht bergan) und nimm deine Klienten mit. So könnt ihr alles besprechen und wirklich gute Lösungen finden!«

Also habe ich mich im Jahr 2012 daran gemacht, ein eigenes Konzept mit dem Namen Walk & Talk – Coaching im Gehen für die Begleitung meiner Klienten zu entwickeln. Zu dieser Zeit gab es in Europa kaum Vorbilder, an denen ich mich hätte orientieren können. Ansätze für Therapie- und Coaching in der Natur und speziell im Wald gab es allerdings z. B. in Japan oder in den USA. Ich empfand es als Ansporn und nicht als Schwierigkeit, in Deutschland mit »Walk & Talk« etwas Neues anzubieten.

Meine Beobachtungen und die Rückmeldungen meiner Klienten zeigen mir, dass ich damals einen guten Weg eingeschlagen habe. Wenn ich, auf dem Weg zum verabredeten Treffpunkt oder während eines Coachings, durch die großzügigen Stuttgarter Parkanlagen oder Wälder und Weinberge »im Ländle« spaziere – die Vögel zwitschern, es geht ein leichter Wind und die Sonne scheint mir ins Gesicht –, dann beglückwünsche ich mich regelmäßig und sage mir dankbar: »Was hast du für einen wunderschönen Arbeitsplatz!«

Und wie gesagt, das ist kein Egoismus, denn meine Klienten profitieren gleichermaßen vom Reichtum der uns umgebenden Natur und haben außerdem einen aufmerksamen und ausgeglichenen Coach an ihrer Seite.

Ich habe also die Natur als bevorzugten Praxisraum für meine Coachingtätigkeit gewählt. Für sich genommen hat dieser Raum großes salutogenetisches (also gesundheitsförderliches) Potenzial. Dieses nutze ich – für gewöhnlich implizit – als Unterstützung für die eigentliche Coachingarbeit. Wie das zu verstehen ist, werde ich in diesem Kapitel erläutern.

Zunächst stelle ich einen meiner wichtigsten Lehrer, Viktor Frankl, den Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse2, vor. Frankls Arbeiten bilden mit ihrem Menschenbild und ihrem philosophisch fundierten Therapiekonzept eine der tragenden Säulen meines Coachingansatzes dar, bei dem es um respektvolle Beratung auf Augenhöhe, um Sinn, Werte und damit um das geht, was den Einzelnen wirklich trägt bzw. tragen kann. Anschließend werde ich darlegen, warum Spaziergänge in der Natur einen großartigen Rahmen speziell für logotherapeutisches Arbeiten bieten. Damit gebe ich stellvertretend für all jene Beratungs-, Coaching- und Therapieformen, in denen konzentrierte Gespräche zwischen Berater und Klient Hauptbestandteil der Arbeit sind, ein Beispiel.

Einige Grundbegriffe der Logotherapie

Zur Klarstellung sei vorausgeschickt, dass Logotherapie nichts mit Logopädie und Sprachheilkunde zu tun hat. Logotherapie ist die vom Wiener Neurologen und Psychiater Viktor Frankl (1905 bis 1997) begründete und entwickelte Psychotherapieschule, bei der Sinn und Werte die zentrale Rolle spielen. Frankls Leben als Arzt und Mensch war der philosophischen und anthropologischen Suche nach dem Sinn gewidmet. Eine Anekdote aus seiner Schulzeit berichtet, dass einmal sein Biologielehrer der Klasse erklärte, dass das ganze Leben letzten Endes nichts als ein Oxidationsprozess sei. In Frankls Reaktion auf diese Aussage können wir Verzweiflung, Empörung und Widerspruch hören. Er soll ausgerufen haben: »Was hat das Ganze dann für einen Sinn?«

Frankl korrespondierte mit Sigmund Freud und nahm an Treffen des Kreises von Alfred Adler teil. Sein tiefes Interesse an der Sinnfrage und seine Überzeugung, dass Sinnsuche das Hauptmotiv des menschlichen Lebens ist, ließen ihn aber sowohl von der Psychoanalyse Freuds als auch von der Individualpsychologie Adlers Abstand nehmen. Er studierte Medizin in Wien. Dabei spezialisierte er sich auf die Themenfelder Depressionen und Suizidalität. Damit begab er sich in Bereiche, in denen seine Überzeugung, dass das Leben unter allen Umständen einen Sinn hat, am stärksten herausgefordert wurde. Bereits mit 21 Jahren hielt Frankl Vorträge auf Kongressen in Deutschland. Hier sprach er über die Idee einer sinnzentrierten Psychotherapie, der er den Namen »Logotherapie« gab. (»logos« ist das altgriechische Wort u. a. für »Sinn«.).3

Die schwerste Probe, auf die Frankl persönlich und sein bedingungsloses Bekenntnis zum Sinn gestellt wurden, war seine Internierung in vier Konzentrationslagern von 1942 bis zur Befreiung am Ende des Zweiten Weltkriegs. Bereits 1941 hatte er das Manuskript zu Ärztliche Seelsorge verfasst, ein Buch, in dem er seinen psychotherapeutischen Ansatz erläutert. Das Manuskript überstand die Lagerzeit nicht. Frankl schrieb das Buch darum 1946 erneut (Frankl 2015). Seine Erfahrungen in den Konzentrationslagern beschrieb Frankl ebenfalls 1946 in dem Buch … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (Frankl 2005), dessen englische Ausgabe unter dem Titel Man’s Search for Meaning ein Bestseller und 1991 von der Library of Congress zu den zehn einflussreichsten Büchern in den USA gezählt wurde. Im weiteren Verlauf seines Lebens verfeinerte und verteidigte Frankl die Logotherapie. Er wurde Professor an der Universität Wien, hielt Vorträge in der ganzen Welt, lehrte als Gastprofessor vor allen Dingen an Universitäten in den USA und veröffentlichte zahlreiche vielbeachtete Bücher.

Ich habe die Beschreibung der Logotherapie mit einem stark verknappten Durchlauf durch Frankls Leben begonnen, da sie mit ihrem geistigen Vater bis auf den heutigen Tag eng verwoben ist und da dieses Leben selbst dem Werk seines Protagonisten Glaubhaftigkeit und Nachdruck verleiht.4 In der Logotherapie gehen wir also davon aus, dass der Mensch nicht nur für sich und seine eigenen Bedürfnisse lebt, sondern ganz im Gegenteil, dass er es vermag und sogar braucht, sich für andere, für Ideale und für ein größeres Ganzes einzusetzen. Mit anderen Worten: Der Mensch ist durch ein tief in ihm angelegtes Bedürfnis nach Sinn motiviert. Wird dieses Bedürfnis über längere Zeit enttäuscht, geht es dem Menschen nicht gut. Das mag ihm nicht unmittelbar bewusst sein, solange im Leben nur alles einigermaßen rundläuft. Wird er aber mit Krankheit, Schuld, Verlusten und der Endlichkeit des Daseins konfrontiert, dann wirft ihn das leicht völlig aus der Bahn.

Neben dem Bedürfnis nach Sinn geht die Logotherapie davon aus, dass sich der Mensch durch eine weitere besondere Fähigkeit auszeichnet: die Fähigkeit, sich selbst aus einer Außenperspektive zu betrachten und aus den gewonnenen Beobachtungen seine Schlüsse zu ziehen und selbstbestimmt Entscheidungen zu fällen. Therapie und Coaching, die logotherapeutisch fundiert sind, sind also zentral auf Sinnentdeckung und Sinnverwirklichung ausgerichtet. Es geht darum, dem Patienten oder Klienten dabei zu helfen, sich seiner eigenen Werte bewusst zu werden, seine individuelle Freiheit zu erkennen und Verantwortung (auch für sich selbst) zu übernehmen. Damit beinhaltet Logotherapie ein gutes Stück Detektivarbeit. Coach und Klient bilden ein Ermittlungsteam. Sie erforschen gemeinsam die Lebensumstände, Fähigkeiten, Werte und Bedürfnisse des Klienten. So gewinnen sie richtungsweisende Informationen dazu, welche ganz individuellen Möglichkeiten ihm zur Verfügung stehen, seine Energie und weiteren Schritte so zu lenken, dass er letztendlich sagen kann: »Das ist sinnvoll. Ich weiß, was ich will, und stehe mit gutem Gewissen dazu.« Aber Achtung: Es ist eine Grundüberzeugung in der Logotherapie, dass Sinn nicht gegeben oder verordnet werden kann. Den individuellen Sinn muss jeder selbst entdecken. Der logotherapeutisch qualifizierte Coach oder Therapeut ist kein Sinngeber, sondern ein Begleiter, der drei Grundsätzen folgt:

Freiheit des Willens: Dieses Menschenbild ist für mich eine Grundvoraussetzung für meine Arbeit als Coach. Ein jeder sollte sich seiner Willensfreiheit bewusst sein/werden. Das Gegenteil, also die Unfreiheit des Willens, würde den Menschen auf »Oxidationsprozesse« reduzieren. Aus Coaching und Therapie würde dann Tuning und Reparatur. Der Mensch ist aber keine Maschine. Frankl sagte hierzu: »Die Freiheit des Menschen ist selbstverständlich nicht eine Freiheit von Bedingungen […]; sie ist überhaupt nicht eine Freiheit von etwas, sondern eine Freiheit zu etwas, nämlich die Freiheit zu einer Stellungname gegenüber all den Bedingungen« (Frankl 2015, S. 18).

Wille zum Sinn: Hier liegt ein Auftrag, der in logotherapeutischem Coaching und Therapie stets mitgedacht wird. Der Wille zum Sinn ist dabei aber keine Motivation, die den Menschen vorantreibt, sondern das Grundbedürfnis, das ihn zum Menschen macht. Wenn Freud noch sagte, dass die Auseinandersetzung mit dem Sinn ein Anzeichen für Krankheit sei, sieht Frankl, dass genau das Gegenteil der Fall ist und dass übermäßiges Streben nach Lustgewinn und Schmerzvermeidung bzw. nach Macht Anzeichen einer Sinnleere sind.

Sinn des Lebens: Dieses positive Weltbild ruht natürlich nicht auf wissenschaftlich belastbaren Füßen. Es spricht eine tief empfundene Hoffnung aus. Frankl bewahrte sich diese Hoffnung, obwohl er Auschwitz und andere Konzentrationslager erlebt hatte. Für Coaching und Beratung bedeutet diese Haltung, dass wir akzeptieren, dass sich der Sinn eines Lebens uns nicht unmittelbar erschließen muss, dass er aber gleichwohl vorhanden ist und es sich lohnt, ihn zu entdecken.5

Diese logotherapeutischen Grundsätze werde ich weiter unten noch einmal aufgreifen, um sie in Beziehung zu Beratung in Bewegung und in freier Natur zu setzen.

In der Logotherapie steht aber nicht nur der Sinn im Zentrum der  Aufmerksamkeit, sondern auch die Frage, auf welchen Wegen er im Leben des Individuums gefunden werden kann. Frankl nennt als »Hauptstraßen zum Sinn« (Frankl 2016, s. 190) drei Kategorien von Werten, die wir in Einklang mit unserem Gewissen realisieren:

Schöpferische Werte: Es sind dies Werte, die wir durch unser Tun realisieren, indem wir arbeiten, etwas gestalten, etwas hervorbringen.

Erlebniswerte: Dies sind Werte, die wir realisieren, indem wir etwas wahrnehmen und genießen, aber auch indem wir lieben.

Einstellungswerte: Diese ist die schwierigste und gleichzeitig für das Menschsein entscheidende Wertekategorie. Sie beschreibt die Art und Weise, in der der Mensch dem Schicksal, das ja seiner Natur nach unabänderlich ist, begegnet. Wie gelingt es ihm selbst, im Angesicht von Leid, unabänderlicher Schuld und Endlichkeit des Lebens noch Werte zu realisieren? Wie begegnet er all dem Guten und dem Glück, das ihm (unverdienterweise) im Leben zuteilwird?

Auch diese zentralen Begriffe der Logotherapie werde ich am Ende des Kapitels in Beziehung zu Beratung in Bewegung und in der freien Natur setzen.

Der äußere und der innere Weg

Die Logotherapie geht von der (schönen und wertvollen) Annahme aus, dass in jedem Menschen gesunde, autonome und unverwüstliche Anteile vorhanden sind. An diese Annahme knüpfen wir unmittelbar an, wenn wir die Beratungen draußen in der freien Natur durchführen. Der Klient wendet sich zwar an den Coach, weil er Hilfe und Rat sucht, durch den gemeinsamen Spaziergang und den Aufenthalt in der Natur erlebt er sich aber als jemand, der auf eigenen Beinen steht, voranschreitet, mit allen Sinnen seine individuellen Wahrnehmungen macht und mit einem Gesprächspartner parallel zum äußeren auch einen inneren Weg geht.

Genau dieser innere Weg ist es, um den es mir beim Coaching geht. Der Weg ist eine Metapher für die Gedankengänge, für das Erkennen von Verbindungen und Zusammenhängen sowie für die Entwicklung hin zu Entscheidungen und zu Etappenzielen, für Persönlichkeitsentwicklung und für Neuausrichtung. Wir können auch sagen, dass der innere Weg, je nach Phase des Coachings, durch Passagen der Vergangenheit, durch Orte der Gegenwart und durch potenzielle Landschaften der Zukunft führt. Dabei geht es darum, Sinnzusammenhänge zu verstehen und dann auf dieser Basis für die zukünftigen Wegstrecken den Kurs zu bestimmen und zielführende Schritte zu planen.

Genauso wie Berater und Klient in der wirklichen, der äußeren Landschaft gemeinsam einen Weg gehen, beschreiten sie auch im Inneren gemeinsame Wege. In der äußeren Landschaft sind beide auf Augenhöhe. Coach und Klient sind den gleichen Natureinflüssen und Wegbeschaffenheiten ausgesetzt. Sie sind zwei Spaziergänger, die gemeinsam unterwegs sind und sich dabei unterhalten. Das ist unverfänglich, zugleich aber auch verbindend. Wenn es regnet, werden beide nass, oder man teilt sich einen Regenschirm.

Das Verhältnis der beiden Spaziergänger auf den inneren Wegen ist weniger offensichtlich. Sie bewegen sich auf dem inneren Weg durch Topographien der Erinnerungen und Vorstellungen des Klienten. Dabei handelt es sich nicht um einen unverbindlichen Sonntagsspaziergang, wir haben es eher mit einem Arbeitstreffen zu tun, wobei der Coach die Aufgabe eines wohlwollenden und gleichzeitig kritischen Sachverständigen hat. Er begleitet den Klienten auf dessen inneren Wegen. Der Klient hat also Hausrecht. Er gewährt dem Berater Zutritt zu seinem privaten Grund und Boden. Er ist der Gastgeber, der Berater ist der Gast. Was der Gast zu sehen bekommt, hängt vom Gastgeber ab. Welches Bild sich der Gast von dem macht, was ihn der Gastgeber sehen lässt, ist wiederum seine eigene Sache. Bisweilen bittet der Gast den Gastgeber darum, gemeinsam mit ihm Bereiche in Augenschein zu nehmen, die der Klient von sich aus nicht gezeigt hätte oder deren Vorhandensein ihm kaum bewusst sind. Indem der Klient sich dem Berater anvertraut und seinen Blick lenken lässt, lernt er sich selbst besser kennen. So kann es geschehen, dass er Zusammenhänge und Möglichkeiten entdeckt, die ihm, der sonst nur die immer gleichen ausgetretenen Pfade seines inneren Gartens abschreitet, bisher nicht bewusst waren.

Dieses Aufsuchen und Untersuchen innerer Orte und Zusammenhänge kann natürlich auch im Sitzen und in einem geschlossenen Raum stattfinden. Es gelingt aber (meiner Erfahrung nach) besonders leicht und besonders erfolgreich, wenn sich Klient und Coach auch körperlich auf wirklichen Wegen durch wirkliche Landschaften bewegen. Der Logotherapeut sagt dann nicht, wo es (seiner Meinung nach) langgeht, sondern er unterstützt den Klienten dabei, seinen eigenen Weg zu erkennen. Dieser strukturierte Prozess, der sich an die Technik des sokratischen Dialogs anlehnt, ist sehr gut dazu geeignet, auf Spaziergängen durchgeführt zu werden. Im Freien werden gedankliches Voranschreiten und Innehalten, Vorwärts- und Zurückblicken, Sich-einander-Zuwenden und Nebeneinanderhergehen durch die äußere körperliche Bewegung und Beweglichkeit unterstützt.

Die geistige Dimension

Im vorangegangenen Abschnitt habe ich über die Parallele zwischen innerem und äußerem Weg bzw. zwischen Psyche und Körper gesprochen. Dem positiv und philosophisch gut begründeten Menschenbild der Logotherapie zufolge besteht der Mensch nicht allein aus Körper und Psyche. Was den Menschen zum Menschen macht, also vom Tier unterscheidet und ihm seine unbedingte Würde verleiht, ist seine geistige Dimension. Hier sind auch die bereits erwähnten »gesunden und unverwüstlichen Anteile« zu finden. Hier verorten wir sein Gewissen, sein Streben nach Sinn und Erkenntnis, seine Fähigkeit, über den Tellerrand zu blicken, sich aufzulehnen und sich für Dinge zu engagieren, die jenseits der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse liegen. Absolute Gewissheit in Bezug auf die geistige Dimension des Menschen haben wir zwar nicht, philosophisch gewonnene Erkenntnisse bestätigen uns aber ebenso wie persönliche Alltagserfahrungen, dass der Mensch über wunderbare Fähigkeiten verfügt, die sich nicht auf ein zweidimensionales Körper-Psyche-Modell reduzieren lassen. (Wie gesagt ist die Arbeit als Coach für mich auch nur dann befriedigend, wenn ich sie mit der Überzeugung ausübe, dass meine Klienten über einen freien Willen verfügen und darum im Stande sind, eigenständig zu entscheiden und wirklich etwas zu verändern.)

Nehmen wir also die geistige Dimension als gegeben an. Was haben wir davon im Umgang mit uns selbst und im Umgang mit anderen? Neben dem psycho-physischen Parallelismus sprechen wir in der Logotherapie von einem Antagonismus, bei dem Körper und Psyche auf der einen und der Geist auf der anderen Seite stehen. Damit wird der menschliche Geist als potenzieller Gegenspieler zu Körper und Psyche verstanden. Es ist die geistige Instanz des Menschen, von der aus bzw. durch die er Stellung zu sich selbst beziehen kann. Frankl formuliert dies sehr prägnant in der Erkenntnis: »[Der Mensch] vergißt, daß man sich ja von sich selbst nicht alles gefallen lassen muß« (Frankl 2005, S. 144). Ein anderer anschaulicher Begriff Frankls ist der der »Trotzmacht des Geistes« (Frankl 2015, S. 134). Hiermit bringt er zum Ausdruck, dass der Mensch die Freiheit (und damit auch Verantwortung) hat, sich gegen Widrigkeiten, vor allem solche, die ihm aus seiner eigenen psychischen Stimmung erwachsen, aufzulehnen. Das ist im Einzelfall sicherlich nicht leicht, gelingt aber, wie die Praxis zeigt, immer wieder.

Geist und Natur

Der Geist ist, wie vorher dargelegt, potenzieller Gegenspieler zu Körper und Psyche. Der Geist ist Träger des Gewissens. Er ist damit auf Sinn ausgerichtet, denn das Gewissen sagt uns, was sinnvoll und was sinnlos bzw. widersinnig ist. Wenn ich Sinn mit Metaphern aus der Welt der Physik oder Biologie beschreiben sollte, dann würde ich sagen: Sinn ist Konsonanz, Sinn ist Zusammenspiel und harmonisches Ineinandergreifen, Sinn ist Wachstum. All das findet sich im Überfluss, im ganz Großen und im ganz Kleinen, in der Natur. Die Natur strotzt nur so vor Sinn.

Wenn es im Coaching darum geht, die geistigen Ressourcen zu mobilisieren, dann gelingt dies besonders gut an Orten, an denen der Geist in natürliche Sinnzusammenhänge eingebettet ist. Stellen wir uns vor, die Natur wäre ein immenses Sinfonieorchester und der Geist wäre ein fein gestimmtes Saiteninstrument, zum Beispiel eine Geige: Wenn das Orchester spielt, geraten die Saiten der Geige und auch ihr Korpus in Schwingung. Der Besitzer des Instrumentes wird sich angeregt und aufgefordert fühlen. Er ist durch die vielfältigen Stimmen um ihn herum inspiriert. Er lässt die anderen auf sich wirken und hört, wie in seinem Inneren seine eigenen Melodien Gestalt annehmen. Er macht sich zunächst in Gedanken und dann in Wirklichkeit daran, seine Ideen umzusetzen. Nehmen wir aber einmal an, der Geiger wäre verzagt oder frustriert, er hätte seine Musikalität vergessen und den Glauben an sich selbst verloren, dann wird es ihm in einer Umgebung ohne Musik und ohne harmonische, akustische Schwingungen ungleich schwerer fallen, sich auf seine Fähigkeiten und Bedürfnisse zu besinnen, als in einer Umgebung, in der Musik und Zusammenspiel ganz natürlich und ringsherum zu hören und zu erleben sind.

Vergleichbar verhält es sich mit dem im Leben frustrierten und dem am Gefühl der Sinnlosigkeit leidenden Menschen. Als Logotherapeut unterstützen wir ihn dabei, seinen Weg zu finden und seinen persönlichen Sinn zu entdecken. Indem wir seine Fragen und seine Sinnsuche mit ihm in der freien Natur und damit an Orten besprechen, die voll von Sinnzusammenhängen sind, empfängt er nicht nur Impulse und Fingerzeige seitens des Beraters. Die Atmosphäre insgesamt wirkt inspirierend. (In Kapitel 2.2.1 beschreiben wir wissenschaftlich fundierte Hypothesen und Theorien, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten, warum die Natur ein Ort ist, an dem sich der Mensch wohlfühlt, an dem er sich gut erholen kann und an dem sein Stresspegel sinkt.)

Sinn, Werte und Natur

Weiter oben habe ich versprochen, die Grundannahmen der Logotherapie »Freiheit des Willens«, »Wille zum Sinn« und »Sinn des Lebens« noch einmal im Zusammenhang mit dem Setting der Beratung in Bewegung und in der Natur zu betrachten:

Freiheit des Willens: Coaching und Therapie erlebe ich oft als Prozesse, in denen die Freiheit des Willens entdeckt und gestärkt wird. Diese Freiheit geht mit Freiheit des Denkens und Freiheit des Fühlens einher. Wenn ich mich mit einem Klienten in der freien Natur zur Beratung treffe, dann beobachte ich zu Beginn oft ein großes Aufatmen. Der Klient streckt sich, er blickt sich um und  macht sich dann beschwingten Schrittes auf den Weg. Dabei spricht er darüber, wie gut es tut, herauszukommen, und wie sehr ihm die Landschaft gefällt. So gewinnt er sehr schnell räumliche und gedanklich Distanz zu seinem Alltagsumfeld. Da ich ortskundig bin, muss er sich jetzt nicht einmal darum kümmern, den richtigen Weg einzuschlagen. Er hat ein Zeitfenster für das Coaching eingeplant und kann darauf vertrauen, dass wir pünktlich am vereinbarten Ziel bzw. am Ausgangspunkt des Spazierweges ankommen werden. So ist er für den Augenblick frei von so vielem, was ihm sonst den Eindruck vermittelt, unfrei zu sein. Das ist eine gute Voraussetzung, damit die Freiheit des Willens ihre Kraft entfalten kann. Sie hätte dies schon längst tun können, indem sie gegen scheinbare Unfreiheit rebellierte und sich daran machte, zu erforschen, welche Spielräume tatsächlich vorhanden sind. Wäre das geschehen, hätten wir uns aber vermutlich nicht zum Coaching getroffen.

Wille zum Sinn: Etwas zu wollen bedeutet, einem Ziel entgegenzustreben. Der Wille zum Sinn kann darum mit Sinnstrebigkeit übersetzt werden. In diesem Ausdruck steckt ganz deutlich ein Bewegungsdrang. Sinn wiederum bedeutet nicht nur das Ziel des Wollens, sondern auch, dass das Wollen eine Richtung hat. Die Bedeutung »Richtung« sehen wir z. B. im Wort »Uhrzeigersinn«. In welche Richtung bzw. nach welchen Zielen wir streben, können wir allerdings oft nicht sagen. Die Folge ist ein Gefühl von Sinnlosigkeit. Dieses wiederum hat zahlreiche negative Auswirkungen auf das Individuum. In Therapie und Coaching machen wir uns dann – neben der Bearbeitung der jeweiligen konkreten Probleme und Leiden, die aus der Frustration des Willens zum Sinn entstanden sind – auf die Sinnsuche. Diese Sinnsuche gelingt besonders gut, wenn wir auf eigenen Beinen unterwegs sind, wenn uns lebendige, sinnerfüllte Natur umgibt und wenn sich uns mit jedem Schritt neue Perspektiven eröffnen.

Sinn des Lebens: Dass das Leben unter allen Umständen einen Sinn hat, ist, wie gesagt, eine Behauptung. Religiöse Menschen haben über ihren Glauben eine Verbindung zu einer sinnstiftenden Instanz, die über dem liegt, was in irdischen Kategorien fassbar ist. Vielen Menschen hilft aber auch die positive Haltung, die sie der Natur entgegenbringen dabei, ehrfürchtiges Staunen zu empfinden. Sowohl Ehrfurcht vor dem Leben als auch Glaube helfen uns, den grundsätzlichen, wenn auch unfassbaren, Sinn des Lebens anzunehmen. Bei Beratungen in der Natur sind wir von Leben umgeben. Wir nehmen das Leben ringsum und gleichzeitig auch uns selbst mit allen Sinnen wahr. Wir beobachten, manchmal bewusst, meistens aber unbewusst, dass wir von Entwicklung und Sinnzusammenhängen umgeben sind. Das gibt uns Rückenwind dabei, auch das eigene Leben als sinnvoll zu akzeptieren. Diese positive Einstellung dem Leben gegenüber wiederum stärkt das Vertrauen, bei der individuellen Sinnsuche im und für das eigene Leben fündig zu werden.

Auch die Hauptstraßen zum Sinn, die schöpferischen Werte, die Erlebniswerte und die Einstellungswerte sollen noch wie versprochen in Beziehung zu Natur und Bewegung als Beratungssetting gesetzt werden.

Schöpferische Werte: Viele Menschen, die ich als Coach (logotherapeutisch) begleite, stehen, wie man sagt, mitten im Leben. Sie verfügen über große Leistungskraft. Es entspricht ihrem Selbstbild, aktiv zu sein und Lösungen zu finden. Der »sportliche« Ansatz von Coaching im Gehen hilft ihnen, sich auf die Beratungssituation einzulassen. Ihnen leuchtet die Idee, sich selbst zu bewegen, um dadurch etwas zu bewegen, intuitiv ein. In Bewegung und aus der Problemdistanz, die die Natur dem Klienten bietet, lässt sich seine Situation besonders gut analysieren. Es erschließen sich ihm neue Wege und Möglichkeiten, seine (schöpferischen) Kräfte einzusetzen.

Erlebniswerte: Während der Beratungen in der Natur nehmen wir mal mehr, mal weniger bewusst mit allen Sinnen vielfältige und immer wieder neue Reize aus der Umwelt auf. Damit sind Erlebniswerte keine trockene Theorie, über die wir in einem Praxisraum nachdenken. Im Freien verfügen wir als Berater außerdem über großartige Möglichkeiten, z. B. mithilfe von Achtsamkeitsübungen die Sinne der Klienten zu schärfen und damit das (Natur-)Erleben zu intensivieren. So öffnen sich dem Klienten auch im Bereich des jeweiligen Coaching-Anliegens neue Wege.

Einstellungswerte: Aus der Distanz und von einem Wohlfühlort aus betrachtet haben wir einen besseren Blick auf unsere Probleme. Stress, Ängste und Depressionen werden darüber hinaus in Bewegung und in der Natur erwiesenermaßen als weniger belastend empfunden als im Sitzen und in geschlossenen Räumen (s. Kapitel 2). Diese Erleichterungen sollten wir annehmen bzw. herbeiführen, wenn wir versuchen, den Mut nach einem Schicksalsschlag oder in einer schmerzlichen Situation, die wir nicht verändern können, zu bewahren oder zurückzugewinnen. Die vor uns liegende Arbeit ist auch so noch schwer genug. Die Natur sendet dem, der es schafft sie in schweren Zeiten wahrzunehmen, die Botschaft: »Es gibt noch Sinn, auch für dich.« Im Zusammenhang mit positivem Schicksal, sprich mit Privilegien und Geschenken, die uns das Leben zukommen lässt, ist die Natur ebenfalls ein guter Ort für Besinnung und die Realisierung von Einstellungswerten. Sie lehrt uns, dass wir vieles für selbstverständlich nehmen, das nicht selbstverständlich ist, und dass wir darum für alles Gute, das uns widerfährt, dankbar sein sollten. Dankbarkeit ist ein Einstellungswert, der uns im Alltag dabei hilft, Rückschlägen und Krisen mit größerer Resilienz zu begegnen.

Zu Beginn dieses Kapitels habe ich angekündigt, Grundgedanken der Logotherapie vorzustellen und zu begründen, warum Bewegung und Natur ein großartiges Setting speziell für logotherapeutische Beratungsgespräche bieten. Das positive Menschen- und Weltbild der Logotherapie lädt förmlich dazu ein, dass man sie in der freien Natur in lebendige Beratungsprozesse einfließen lässt.

Das Feedback meiner Klienten bestätigt mich immer wieder in meiner Arbeit »Walk & Talk-Coaching im Gehen«. Die folgenden Auszüge veranschaulichen, wie positiv das Setting erlebt wird:

»Durch die Bewegung kam relativ wenig Stress auf. Persönliches auszusprechen und dann noch darüber nachzudenken, ging sehr gut. Es hat mir geholfen, beim Reden nach vorne schauen und schnell gehen zu dürfen. Später wurden wir immer langsamer und sind sogar öfter stehengeblieben. Dann kamen wirklich gute neue Ideen und auch endlich wieder Zuversicht!«

(Hennig S, Wirtschaftsingenieur)

»Im Gehen sind ständig neue Eindrücke der Umgebung entstanden. Man konnte aber nichts fixieren, wie z. B. ein Bild an der Wand, und dann beginnen, darüber nachzudenken. Die Landschaft war daher nie eine Ablenkung oder Störung, sondern eher etwas Gewohntes, dem man dann auch nicht mehr so viel bewusste Aufmerksamkeit schenken brauchte. Den Fokus konnte man auf das Coaching legen und nicht auf den Waldweg und die Umgebung. Das war sehr entspannend.«

(Johanna G, Geschäftsführerin)

»Die Luft und die Bewegung haben dafür gesorgt, dass ich mich beim Coaching immer wach und aufnahmefähig gefühlt habe. Man kann sich durch die verschiedenen Abschnitte der Wege außerdem im Nachhinein besser an das Gespräch erinnern.«

(Matthias S, Maschinenbauingenieur)

»Durch die Spaziergänge und die entspannende Natur wurden meine schweren Themen auf einmal ganz leicht. Mir hat »Walk & Talk-Coaching im Gehen« wirklich geholfen.«

(Sabine G, Chefredakteurin)

»Natur und Bewegung wirken sehr entspannend und für mich als gern Sport treibenden Menschen zusätzlich inspirierend.«

(Jochen B, Architekt)

»Keine Wände: So öffnen sich auch besser die Gedanken. – Klatschnass zu werden verbindet ;-)« [Wir wurden beim Coaching von einem Wolkenbruch überrascht.]

(Katja P, IT-Ingenieurin)

»Ihr Ansatz von Walk & Talk hat mich gleich angesprochen. Den Körper zu bewegen und dabei auch noch in Gedankenaustausch mit einem anderen Menschen zu treten, führt unweigerlich dazu, dass der Geist auch ›weitergedreht‹ wird und aus der Schleife, in der er davor hängt, befreit wird. Das hat mir auf jeden Fall sehr geholfen.«

(Ferdinand S, Finanzmanager)

»Es war befreiend, draußen solch ein Gespräch zu führen. Die Natur gibt einem die Möglichkeit, seinen Horizont zu erweitern und sich auf das wirkliche Problem zu fokussieren.«

(Caroline F, Geschäftsführerin)

»Was mir sehr gut gefallen hat, ist, dass Sie sehr stark auf mich als Person eingegangen sind. Besonders schön fand ich auch die Gespräche zu den Wurzeln und meinem Ursprung. Dafür war es gut, mitten in der Natur zu sein.«

(Fabian W. Projektmanager)

Die Natur ist reich an Angeboten und Anknüpfungspunkten. In ihrer Atmosphäre gedeihen sehr viele Coaching- und Therapieansätze. Es lohnt sich fast immer, das Haus zu verlassen und neue Wege auszuprobieren.

1.3.2 In der Harmonie der Natur die eigene Harmonie wiederentdecken

Wie mir die Natur zur geliebten Co-Therapeutin wurde

Im Folgenden nehme ich (Eva Istas) Sie mit auf eine kleine Reise durch mein Leben. – Sie erfahren, wie ich als junges Mädchen aus der Not heraus eine schon fast magische Beziehung zur Natur erfahren habe, aus welchen Gründen diese Verbindung in der Jugendzeit langsam verschwand und welche Strategien ich in dieser Zeit entwickelt habe, um mit den Herausforderungen des Lebens zurechtzukommen. Anschließend lade ich Sie ein, mir über die Schulter zu gucken, um zu erfahren, wie ich sowohl die Verbindung zur Natur »da draußen« und »in mir« als auch mein großes Interesse für die Naturwissenschaften miteinander verwoben habe und wie ich aktuell meine Klienten und Klientinnen als Trauma- und Heilpädagogin in freier Natur auf ihrem Weg zu einem freudigeren und leichteren Leben unterstütze.

Reise durchs Leben

Kommen Sie mit mir auf eine Zeitreise. – Wir landen im Sommer des Jahres 1989, dem Jahr meiner Einschulung: In dieser Zeit entstand in mir der Eindruck, dass sehr viele Menschen um mich herum sehr unglücklich waren. Die vielen Stunden im Schulunterricht kamen mir oft sinnlos vor. Immer wieder fragte ich mich: »Was soll das alles hier?«

Um mir die Zeit angenehmer zu gestalten, suchte ich mir Sitzplätze aus, die es mir ermöglichten, durch die Fenster mit der Natur, »dem echten Leben da draußen« in Kontakt zu sein. Ich liebte es, die Blätter der Bäume, die auf dem angrenzenden Friedhof standen, zu bestaunen, und malte harmonische Muster auf Schmierzettel. Wenn die Sonne meine Nase kitzelte, war es für mich so, als würde sie mir ermutigend zurufen: »Alles gut, Liebes – das alles hier wird vorbeigehen – es ist zwar viel Zeit, die du in diesen Räumen verbringst, aber es ist nicht dein ganzes Leben!«

Nachmittags verbrachte ich gemeinsam mit Freund*innen oder auch alleine viele Stunden unter freiem Himmel. In diesen Momenten der Verschmelzung mit der Natur fühlten ich so intensiv, wie angenehm befreiend sich mein System entfalten konnte – so natürlich und harmonisch –, und ich konnte mir meiner inneren Kräfte wieder bewusst werden. Heute würde ich sagen: Ich ging in die Natur, um meinem Wesenskern wieder nah sein zu können. – Genau das fiel mir im Schulkontext manchmal ganz schön schwer.

Gleichzeitig entwickelte ich auch Strategien und Spiele, die es mir ermöglichten, ein bisschen Natur mit ins Klassenzimmer zu bringen. Entweder durch den Kontakt nach draußen durch die großen Fensterscheiben oder auch ganz praktisch, indem ich z. B. Eicheln, Kastanien oder kleine Stöcke in der Hand hielt, die ich in der Tasche dabeihatte. Das waren für mich lebendige Tagträumereien. Und als sich vor Weihnachten jedes Kind ein kleines Gesteck aus Tannenzweigen und einer Kerze mitbringen durfte, liebte ich es, die kleinen Nadeln ins Feuer zu halten und mich vom Räucherduft verzaubern zu lassen.

Jahre vergingen, ich wechselte von der Grundschule zum Gymnasium. Das Schulsystem hatte nun auch mich ein bisschen mehr in seine Fänge genommen und ich spürte immer häufiger, wie unangenehm sich dieser Druck auf mein Wohlbefinden auswirkte.

Die natürliche Verbindung zu mir selbst finden