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Exzellent recherchiert und erschreckend real – Dieser Thriller entführt Sie in die unsichtbare Welt deutscher Spezialeinheiten! Das Autorenduo C. A. Roberts schuf dank seines Insiderwissens über die Bundeswehr, Polizei und Nachrichtendienste die hyperrealistische Vision einer Bundesrepublik Deutschland am Abgrund. Nur die Veteranen und Scharfschützen Kris Jäger und Griffin MacDonald können noch verhindern, dass eine Terrororganisation die Kontrolle über Teile Berlins an sich reißt …
KLAPPENTEXT: Nach Jahren als „Contractor“ in Syrien und anderen Krisengebieten, freut sich der langjährige Veteran Kris Jäger auf seine Rückkehr nach Deutschland. Da erhält er einen Anruf von seinem Kumpel Griffin, den er noch aus Bundeswehr-Zeiten kennt. Schnell wird klar: Aus Kris‘ Plänen, in der Heimat eine ruhige Kugel zu schieben, wird nichts.
In Berlin versucht nämlich eine Terrororganisation, die sich selbst als „Kettenbrecher“ bezeichnet und sich aus Kriminellen, Geflüchteten und sozial Abgehängten rekrutiert, die Kontrolle über den Ortsteil Tempelhof zu erlangen. Schwer bewaffnet machen die Kettenbrecher mit Drohnen, professionellen Scharfschützen und militärischen Mitteln Jagd auf Polizisten. Der Innenminister gründet daraufhin die AHG7 – eine Spezialeinheit unter der Leitung von Kris und Griff. Ihr Auftrag ist simpel: Sie sollen die Terroristen mit allen Mitteln aufhalten, ehe sie das Gefüge der Bundesrepublik Deutschland aus den Angeln heben.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
C. A. Roberts
Berlin Insurgency – Der Krieg kommt heim
EK-2 Militär
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Heiko, Jill & Moni
von
EK-2 Publishing
Die Fragen sind immer die gleichen heut Nacht
»Hast Du jemand’ getötet, was hast Du gemacht?
Gekämpft? Gelitten? Weit im fernen Land?
Hat die Gewalt Dir geraubt den Verstand?
Hat es bei Patrouillen gerumst und gekracht?«
So denke ich zurück an die Zeiten verbracht.
Wir haben getrunken, gesungen, gekämpft und gelacht.
Doch erzähle ich von der Angst, dem Spaß, dem Gefecht?
Von wirren Befehlen, wo vor Angst war mir schlecht?
Von der Kameradschaft, den Tränen, von den Opfern erbracht?
Nein. Euer Narr will ich heut nicht sein,
bringen traurige Geschichten auch viel Mitleid ein.
Ein Soldat bin ich nicht, die Zeit ist vorbei,
doch fühle ich mich in der Gesellschaft nicht frei.
In der Kaserne jedoch bin ich auch nicht zu Haus,
bin ich von dort viel zu lange schon raus.
Aber treffe ich jemand’, der versteht was ich sag’,
der erlebte, was ich einst auch, Tag für Tag.
Mit diesem Menschen heb’ ich gerne mein Glas,
singe, verschütt’ Tränen, und teile den Spaß.
Denn wir sind Veteranen, ein anderer Schlag.
RCM, 2017 (München)
Für ein realistisches Leseerlebnis werden in diesem Buch detaillierte Ausrüstungsgegenstände von Polizei und Militär beschrieben. Aus Sicherheitsgründen werden Einsatzverfahren nicht vollständig oder verändert dargestellt, um vor Missbrauch zu schützen. Die Autoren bitten um Verständnis.
Einige Charaktere im Buch basieren auf realen Personen, mit deren Erlaubnis. Alle anderen sind frei erfunden und jegliche Ähnlichkeit ist Zufall.
Zeiten werden im Buch in militärischer Schreibweise ausgedrückt, also durch vier Ziffern und die Zeitzone als Buchstabe.
Sehr gern stellen wir Ihnen weitere Informationen zu Waffen und Ausrüstung, welche in unserem Buch eine Rolle spielen, zur Verfügung und verweisen dafür auf unsere Website.
15. Juni, 1400C
Die junge Journalistin Yasmin Müller hatte sich in ihrem Hotelzimmer eingerichtet und begann damit, ihr Instagram-Profil zu pflegen. Auf dem Weg nach Qamishli hatte sie schon ein paar Fotos aus dem Auto geschossen, mit denen sie hoffte, die Spuren des Bürgerkrieges in der örtlichen Architektur einzufangen.
#helpsyria#myadventure #freedom.
Der Sepiafilter unterstrich die Einschusslöcher in der Häuserfassade. Yasmin war aufgeregt. Alles war so neu und anders. Direkt nach ihrer Ankunft hörte sie gleich den Muezzin rufen, das klang sehr exotisch. Sie hatte nach ihrem Bachelorstudium nur ab und zu Artikel für ein paar Zeitungen geschrieben. Der große Durchbruch war aber bisher ausgeblieben. Sie war froh, dass ihre Eltern sie bis heute finanziell unterstützten. Dann hatte sie über eine Freundin die Chance erhalten, in Syrien als Journalistin die Geschichten der »Menschen ohne Stimme« zu gestalten.
»Nichts mit dieser Embedded Journalism-Kackscheiße umringt von sabbernden, notgeilen Soldaten«, hatte ihre Auftraggeberin gesagt, als sie für ein Gespräch in Mitte zusammengekommen waren. »Wir haben lokale Verbindungsleute, die für deine Sicherheit garantieren. Du würdest Dich komplett in der Gesellschaft bewegen und in der Lage sein, die Geschichten zu erzählen, die sonst keiner hört.«
Das könnte der lang erwartete Durchbruch sein. Nun war sie im Land. Wow! Bei ihrer Ankunft war sie etwas enttäuscht gewesen. Statt eines jungen Widerstandskämpfers als Bodyguard oder – sie war ja progressiv – einer starken Rebellin kam ein kleiner, dicker und gelangweilter Mann, der kein Wort Englisch sprach. Sie wollte nicht eurozentrisch sein, aber sein Auto stank und er telefonierte die gesamte Fahrt zum Hotel über lautstark mit einem anderen Mann, während er widerlich hustete. Sie wollte noch nett sein und schüttelte ihm sogar die Hand, als er ihr seine nach der Fahrt entgegenstreckte.
»Shukkran«, sagte sie noch zu ihm, aber er rollte nur mit den Augen. Macho! Doch jetzt war sie geduscht und ausgeruht und würde bald ihre eigene Begleitperson und Dolmetscher kennenlernen. In Gedanken gab sie schon Interviews im öffentlichen Fernsehen und war als Teilnehmerin in Talkshows geladen. Noch schnell eine Nachricht an ihre Freundin Lena schicken, die die ganze Sache eingetütet hatte. Sie würde ihr etwas ganz Besonderes mitbringen von ihrer Reise.
Weil es noch ein wenig dauern würde bis zum nächsten Termin am Abend, wollte sie die Stadt erkunden. Die lokale Kultur kennenlernen und noch ein paar Fotos oder Clips für ihre Reels schießen. Auf der Hinfahrt hatte sie einen Bazar gesehen, wo verhältnismäßig viel Trubel herrschte. Der lag nur ein paar Straßen entfernt und wäre einfach zu Fuß zu erreichen. Sie würde sich noch ein Kopftuch anlegen. Sie war ja nicht naiv. Nach einem Check im Spiegel des Hotelzimmers begab sie sich auf den Weg in Richtung Stadtzentrum entlang der Hauptstraße. Das stellte sich schon als Herausforderung heraus, da es teilweise weder Bürgersteige noch Ampeln gab. An einer Straße wartete sie fast fünf Minuten, bevor sie sie dann rennend und zusammen mit einer Bande Kinder überquerte. Sie wurde von allen Seiten angehupt, aber sie schaffte es und erhaschte sogar noch ein paar Schnappschüsse der Kinder. Das würde bestimmt Likes bringen! Sie war jetzt nur noch ein paar hundert Meter von dem Bazar entfernt und malte sich schon aus, wie sie in Kürze exotische Gewürze und Textilien bestaunen würde. In Gedanken verloren, fiel ihr nicht auf, dass an der Straßenecke mehrere Männer in Uniform standen. Als sie nur noch wenige Schritte entfernt war, blaffte sie ein bärtiger Mann von vorne mit ausgestreckter Hand an. Zwei weitere bewegten sich zu ihren Flanken.
»Jawaz safar«, wiederholte der Mann ungeduldig.
»I don’t understand«, erwiderte Yasmin nervös. Wer waren diese Männer? Was hatte sie denn getan? Sie wollte doch nur zum Bazar.
»Passport!«, schrie der Mann jetzt förmlich und griff nach ihrer Tasche. Er wollte ihren Ausweis sehen. Yasmin zog ihn schnell aus ihrer Tasche und überreichte ihn. Wenn er sieht, dass ich Deutsche bin, wird sich bestimmt gleich alles aufklären, dachte sie erleichtert. Der Mann blätterte hastig durch ihren Reisepass und schrie dann: »Visa! Where?«
Yasmin war perplex. Sie war doch über die Region Kurdistan im Irak mit Hilfe des lokalen Fixers eingereist. Am Grenzübergang bei Faysh Khabur hatte sie nur so einen Zettel von den Kurden bekommen. Verzweifelt kramte sie den Zettel hervor und sagte: »Visa Rojava. Here, Kurdish visa!«
Bei den Worten begannen die Augen des Soldaten vor ihr zu lodern.
»No visa! You are spy! You come!«, herrschte er sie an. Bevor sie protestieren konnte, packten die beiden Männer fest ihre Arme von der Seite und drehten sie ihr schmerzhaft auf den Rücken. Eine Hand fasste sie schroff am Schopf und man schliff sie erbarmungslos in Richtung eines an der Ecke geparkten Autos. Dort stieß man sie hart auf die Rückbank und schrie sie auf Arabisch an. Sie verstand kein Wort, aber unbewusst war ihr klar, dass sie die Kontrolle über die Situation verloren hatte. Sie begann zu schluchzen. Wie hatte das passieren können? Sie wollte doch nur auf den Bazar. Sie schöpfte aber Mut. Die deutsche Bundesregierung würde sie schon retten!
»Ein im Voraus ausgearbeiteter Plan, mit dem die rasche und vor allem richtige Reaktion auf eine Änderung der Situation sichergestellt werden soll.«
17 Juni, 1137B
»… sonst ist die Dienerin des dekadenten Westens des Todes«, übersetzte Islam, der Sprachmittler, das Ende des Videos, das im Internet aufgetaucht und an das Bundeskriminalamt weitergeleitet worden war. Er war etwas genervt und wünschte sich inständig, dass es einmal ein Forderungsvideo ohne zu viel Pathos geben würde. Ganz simpel: »Wir haben eure Trulla; jetzt gebt uns Geld.« Aber er behielt seine Meinung für sich und übersetzte professionell jedes Wort.
Na toll, das hat mir echt noch gefehlt, dachte sich der Abteilungsleiter für Operative Einsatz- und Ermittlungsunterstützung, Bernd Wondracek. Bei Auslandsentführungen wurde zwar zuerst das Auswärtige Amt informiert, aber diese hatten den schwarzen Peter schnell auf seinen Schreibtisch geschoben.
»Ausgerechnet Syrien«, sagte er zu seinem Assistenten, als der Sprachmittler wieder an seinen Schreibtisch zurückgegangen war.
»Wir haben bereits mehrere Anfragen von der Presse«, sagte dieser, »sie wollen wissen, was nun passiert.«
Bernd lehnte sich zurück und lockerte den Gürtel, um seinem dicken Bauch etwas Freiraum zu geben. Es wurde wieder heiß und der Anzug schnitt heute besonders in ihn hinein. Dass die Sonne direkt gegen Mittag in sein Büro schien, machte die Sache nicht besser.
»Na was sollen wir denn machen?«, fragte er zynisch. »Der nächste Beamte, den wir in der Region haben, sitzt in Istanbul. Selbst wenn wir denen das Lösegeld geben wollen, haben wir noch nicht mal Leute, die das übergeben können.« Er wischte sich den Schweiß von seiner Stirn und strich durch das letzte bisschen Haar an der Seite seines Kopfs. »Ich werde gleich den Präsi informieren und vorschlagen, dass wir erstmal wie immer so ’ne Wischiwaschi-Meldung raushauen und warten, bis sich alles gelegt hat. In zwei Wochen kräht doch kein Hahn mehr danach.«
Der Präsident des Bundeskriminalamtes war jedoch nicht zufrieden.
»Sie haben Recht, dass wir in dem Fall nichts machen können, aber könnten wir nicht die Amis fragen, ob die da unterstützen würden?«
Lena Hufschmidt verspürte Kopfschmerzen, als sie das Briefing über die Entführung erhielt. Als junge, hoffnungsvolle Politikerin war sie über ihr Umweltprogramm in den Bundestag gewählt worden. Dort war sie von der Partei schnell als Mitglied des Verteidigungsausschusses eingesetzt worden, eine Position, die sie nie angestrebt hatte. Ihr alternatives Aussehen, Alter und Geschlecht ließen sie in der von ihr benannten »Weißwurstparade« immer ein Sonderling bleiben. Auch wenn sie die Position aufgrund von parteipolitischem Kalkül erhalten hatte, so nahm sie ihre Aufgabe sehr ernst und arbeitete hart daran, sich das nötige Knowhow anzueignen. Sie hielt viel Kontakt zur Truppe und lernte dadurch militärische Einheiten, Großgerät, Begriffe und taktische Symbole kennen.
Mit dem Wissen und Erfahrung als Politikerin wusste sie sofort, dass ihr hier sorgfältig vorbereitete Talking Points aufgetischt wurden, die die eigentliche Aussage kaschieren sollten: »Wir haben keinen Plan und können nichts machen.« Sie rieb ihre Schläfen, als jetzt der stellvertretende Direktor des Bundeskriminalamts erklärte, warum die alliierten Nationen nicht helfen würden.
Warum sind wir immer auf andere Nationen angewiesen und können unsere Staatsbürger nicht selbst mal schützen?, dachte sie grimmig, verkniff sich aber die Frage. Trotzdem, sie wollte und konnte sich nicht länger dieses Rumgedruckse anhören.
»Schön und gut, aber was planen wir zu tun? Einer von Ihnen wird uns doch bald eine Lösung vorschlagen, oder sehe ich das falsch?«
Nun schauten sich die Sprecher, die seit einer halben Stunde schlau gesprochen hatten, gegenseitig neugierig an. Der stellvertretende BND-Direktor fing sich als Erster: »Keine der Behörden hier hat Personal in Syrien. Alle Informationen, die wir bekommen, erhalten wir von anderen Nationen. Daher auch die Reisewarnung vom Auswärtigen …«
Er wurde jäh von Lena unterbrochen: »Ja ja, Reisewarnung, aber gibt es keine Notfallpläne, Kontakte oder Verfahren, die hier greifen? Ist das Einzige, was wir zustande bringen, eine Pressemitteilung, dass Kriegsberichterstattung gefährlich ist?«
Es folgten weitere Plattitüden und Begründungen, warum es genau so war, wie Lena befürchtet hatte. Sie wollte raus.
Was keiner im Raum wusste, war, dass Lena und Yasmin seit ihrer Zeit an der Uni sehr gut befreundet waren. Beide hatten sich im AStA – dem Allgemeinen Studierenden Ausschuss – engagiert und pflegten den gleichen Freundeskreis trotz verschiedener Studiengänge. Daher akzeptiere sie es nicht, ihre Freundin zurückzulassen. Sie öffnete die Tür zu ihrem Büro, wo ihr Assistent und Berater Florian Kovač saß. Er war etwas jünger als sie und ein fleißiger Mitarbeiter. Er wusste über ihre Beziehung zu Yasmin und sah sofort, dass die Nachrichten nicht gut gewesen sein konnten. Lena ließ sich am Schreibtisch nieder.
»Also, es scheint, dass keine einzige Behörde sich zuständig fühlt oder helfen kann«, sagte sie mit geballter Faust. »Wenn es um Haushaltsmittel geht, ziehen alle den Schwanz raus, aber kaum wird es mal ernst, packen sie ihn wieder schnell ein.«
Florian wühlte eine Kopfschmerztablette aus einer Schublade hervor. Er war inzwischen vorbereitet, denn er wusste um den Stress in diesem Beruf. »Keine Hilfe von den Amis?«, fragte er Lena.
»Nein, die wollen nicht gegen die FSA (Free Syrian Army) vorgehen, um ihre diplomatischen Beziehungen mit der Türkei nicht weiter zu strapazieren. Da kommt diese Entführung denkbar ungelegen. Daher hilft auch kein anderer. Nein, wir brauchen irgendwas out of the box, um hier weiterzukommen.«
Während ihr Assistent ihr die aufgelöste Tablette reichte, kam ihm eine Idee. Sie war schon sehr abgedreht, aber vielleicht wäre seine Vorgesetzte einverstanden. Er wollte vorsichtig vorfühlen: »Was ist denn mit Outsourcing an private Firmen? Eventuell würden die helfen.«
Lena setzte das Glas ab und hoffte, dass die Tablette bald wirken würde.
»Söldner?« Sie lachte kurz auf. »Wen hast du im Kopf? Rambo?«
Florian hielt stand. »Nein, aber es gibt Einsatzveteranen, die für Hilfsorganisationen und die Industrie in Krisenregionen arbeiten. Das sind keine Söldner, die den nächsten Putsch vorbereiten, sondern professionelle Experten.«
Nun hatte er ihr Interesse geweckt. »Wie bekommt man denn Kontakt zu diesen Supermännern?«, fragte sie und lehnte sich über den Schreibtisch.
»Ich hatte im Studium so einen kennengelernt. Ehemaliger Fallschirmjäger, war in Afghanistan und hat mit mir Politikwissenschaften studiert. Wir dachten zuerst, was denn das für einer ist, mit seinen dicken Armen und Tattoos. Wir haben uns aber gut angefreundet und oft zusammen gelernt. In den Semesterferien oder auch manchmal mitten im Semester ist er dann immer in irgendwelche Gebiete gefahren, um Security zu machen. Ich glaube, dass er ein guter Ansprechpartner wäre.« Florian sah an dem Blick seiner Chefin, dass sie noch nicht ganz überzeugt war. Da fiel ihm noch etwas ein, um seinen alten Kommilitonen sympathischer erscheinen zu lassen: »Hey, er hat sogar ein Gender-Seminar mitgemacht.«
Das rang der Politikerin ein Lächeln ab. »Na gut, meld‘ Dich mal bei Deinem He-Man, aber nichts Konkretes preisgeben. Das ist nur ein Plan B, verstanden?«
Florian salutierte. »Jawohl Frau Abgeordnete!«
Insgeheim hoffte er, dass es einen Plan A geben würde.
Er saß jetzt schon zwei Stunden an der Excel-Tabelle und noch immer passte irgendwas mit den Formeln nicht. Griffin MacDonald rieb sich müde die Augen, obwohl es erst morgens war. Ihm lag diese Art von Arbeit nicht und jede Faser seines Wesens sträubte sich dagegen. Obwohl er auf Zuruf komplette Musicals, bei denen er als Jugendlicher mitgewirkt hatte, oder alte Gedichte und Lieder zum Besten geben konnte, schaltete sein Verstand bei diesen Dingen automatisch ab. Sein Blick schwenkte über seinen Schreibtisch, um das Strahlen des Monitors zu vermeiden, und blieb auf einem alten Bild hängen, das aus den Fotos der Familie kaum hervorstach. Es stammte aus dem Jahre 2010, als er zum zweiten Mal in Afghanistan im Einsatz gewesen war. Es schien wie eine Ewigkeit her.
Ebenso viel Kilo wie Jahre, bemerkte er kritisch und verfluchte den Schreibtischjob, der ihn so inaktiv hatte werden lassen. Dann blickte er auf die Bilder seiner Familie und erinnerte sich, warum er dieses Leben aufgegeben hatte. Er zwang sich wieder in die Gegenwart zurück. Morgen müsste er die Kalkulationen für den Return of Investment für die neuen Überwachungskameraanlagen vorstellen und er kam kaum weiter. Daher war es ein Segen, als das Handy klingelte und eine Ausrede schaffte, um nochmal vom Bildschirm hochzugucken. Griffin wischte auf Annehmen.
»MacDonald hier.«
»Hallo Griffin! Florian hier, Florian Kovač … vom OSI (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften).«
»Hi Flo, wie geht’s? Lange nicht gehört.«
»Ja, viel zu tun, viel zu tun. Du kennst das bestimmt.«
Griffin lachte. »Na und ob! Was rufst Du an? Lust auf einen Whisky und ein ordentliches Steak?«
Florian erinnerte sich. Im Studium, wenn das Lernen vorbei war, hatte Griffin gelegentlich Kommilitonen zu sich nach Hause zu Whisky und Steaks eingeladen. Nicht viele waren den Einladungen gefolgt wegen irgendwas mit toxischer Männlichkeit oder weil sie Veganer waren. Florian jedoch war ein paar Mal aufgetaucht, und war von den MacDonalds gut bewirtet worden, »damit er mal was auf die Rippen bekommt.« Das waren noch leichtere Zeiten gewesen, als er im Studium gewesen war und nicht helfen musste, solche Krisen zu managen.
»Tatsächlich habe ich hier auf Arbeit eine heikle Situation«, tastete Florian sich vorsichtig vor. »Du machst doch noch High Risk Security, oder?«
Griffin lachte. »Nein mein Guter, hab‘ umgesattelt auf Corporate Security und Crisis Management. Zahlt nicht ganz so gut, aber mit Familie die bessere Option. Hab‘ aber natürlich noch Kontakte.«
Nun musste Florian vorsichtig sein. »Hättest du Kontakt nach Syrien?«
Griffin war nun ganz Ohr, das klang interessant. »Ja, habe ich tatsächlich. Aber da geht es gerade ziemlich ab. Was brauchst du da?«
Florian verspürte einen Hauch von Hoffnung. »Nicht am Telefon. Ich … hättest du Zeit, mich heute im Bundestagsgebäude Unter den Linden zu besuchen?«
Griffin MacDonald dachte über dieses Angebot nach. Hier war doch was im Busch. »Halb drei, ginge das?«
»Perfekt, ich melde dich an. Lass aber die Waffen zu Hause«, erwiderte Florian. Bitte lass das klappen, dachte er, als er das Handy ablegte.
17 Juni, 1415B
Eine Viertelstunde früher stand Griffin vor dem Matthias-Erzberger-Haus, in dem sich die Büros der Bundestagsabgeordneten befanden. Er band sich jetzt die Krawatte um, die er im Büro meistens wegließ, wenn es nicht erforderlich war. Er wollte einen guten Eindruck machen. Die Sicherheitsschleuse war schnell durchschritten und nun wartete er auf Florian, während er den Besucherausweis am Jackett befestigte. Dieser kam auch gleich runter und begrüßte den alten Kommilitonen.
»Hey! Toll, dass du so kurzfristig kommen konntest.«
»Na klar, hast mich ja neugierig gemacht mit deiner Anfrage. Wohin gehen wir?«
»Ich will dich jemandem vorstellen, dem du eventuell helfen kannst. Komm«. Sie gingen durch das Gebäude, ohne ein Wort zu sagen. Es war klar, dass es gerade um etwas ging, das nicht für jedermann bestimmt war. Am Büro von der Abgeordneten Lena Hufschmidt hielt Florian an.
»Wir gehen jetzt zu meiner Vorgesetzten, der Frau Abgeordneten. Ist sie dir bekannt?«
Griffin schmunzelte. Er wusste, wie kontrovers viele Soldaten und Veteranen über sie dachten. Einige respektierten ihre erworbene Fachkenntnis, andere stieß sie mit ihrer pazifistischen Politik ab. Griffin wunderte sich aber nicht, dass Florian für sie arbeitete. Sie hatten die gleiche Art.
»Schon mal von ihr gehört«, sagte er diplomatisch. Sie traten ein. Lena musterte sogleich den Veteranen. Oh ja, eindeutig ein Seedorfer, dachte sie, als sie die stämmige Statur bemerkte, die der Anzug nur unzureichend verbarg. Der Bart und die längeren, gegelten Haare passten genau in ihr Bild von einem Fallschirmjäger, wie sie sie von ihren Truppenbesuchen her kannte.
»Guten Tag Frau Abgeordnete, danke für die Einladung,« sagte er mit ruhiger Stimme, die nicht so zackig und donnernd war, wie sie erwartet hatte.
»Danke für Ihre Zeit, Herr MacDonald. Ich möchte gleich zur Sache kommen. Das Treffen heute soll feststellen, ob wir Ihre Unterstützung in einer sehr delikaten Angelegenheit gebrauchen können. Bevor wir jedoch weiterreden, müssen Sie diese Verschwiegenheitserklärung unterschreiben.«
Sie schob ihm einen vorbereiteten Zettel hin. Griffin nahm ihn, lass ihn sich genau durch und zückte einen teuren Montblanc-Kugelschreiber, um zu unterschreiben.
»Es geht um Syrien?«, fragte Griffin und schob den unterschriebenen Zettel wieder zurück.
»Ja, wir brauchen jemanden vor Ort.« Sie begann, den Konzernmanager über die Geschehnisse und Herausforderungen zu briefen. Als sie fertig war, blickte Griffin nachdenklich aus dem Fenster, um seine Gedanken zu sammeln.
»Ich könnte in dem Fall tatsächlich helfen«, sagte er und löste damit die Spannung im Raum. »Ich muss aber vorher prüfen, ob ich Zugang zu dem Experten habe, der dafür in Frage kommt. Wenn er sofort beginnt, kann er eine Übergabe vorbereiten. Ich fliege dann zu ihm, sobald das Lösegeld vorbereitet ist und ich es denn transportieren darf. Es ist ja etwas mehr als die erlaubte 10.000 €-Grenze.«
Lena ließ sich nicht anmerken, wie aufgeregt sie war. Endlich kam jemand, der Lösungen in petto hatte und nicht nur Ausreden hervorbrachte. Jetzt hing alles an diesem ominösen Experten.
»Na dann, zwei Räume weiter sind Sie ganz für sich. Bitte prüfen Sie, ob der Experte einsatzbereit ist.«
Griffin blieb ruhig sitzen und lächelte.
»Natürlich. Aber bevor ich ihn anrufe, brauche ich noch eine wichtige Information. Lassen Sie uns vorher über seine Entlohnung sprechen … und natürlich auch über meine.«
Söldner!, dachte Lena und blickte Florian mit düsterem Blick an. Aber sie setzte sich und fragte: »An was haben Sie denn gedacht?«
Schon zum dritten Mal klingelte in kurzer Folge das Handy, aber diesmal ging Kris ran. Er hatte zur Stunde Massen von Verwundeten zu versorgen, die das Resultat einer Autobombe in der Innenstadt von Qamishli waren. Eigentlich unterstütze er eine Nichtregierungsorganisation als Sicherheitsmanager vor Ort, legte aber auch Hand im Feldlazarett an, seitdem die Kämpfe wieder aufgrund der neuen türkischen Offensive im Nordosten Syriens an Intensität zunahmen und die Anzahl an kritisch Verletzten stetig anstieg. Es half ihm auch, sich von seiner Scheidung abzulenken, die ihn schon viel zu viel Zeit, Geld und Nerven gekostet hatte. Nun blickte er auf das klingelnde Handy. Es war Griffin MacDonald. Als beste Freunde standen die beiden über Threema fast täglich im Kontakt, aber es war ungewöhnlich, dass er anrief. Es musste also etwas Wichtiges sein.
»Hey! Was gibt es? Ist gerade schlecht«, sprach er in das zwischen Kinn und Schulter geklemmte Handy, während er seine Hände desinfizierte.
»Mach Zeit. Hier ist eine wilde Gelegenheit gekommen. Ich telefoniere gerade aus den Büros des Bundestages!«
Nun nahm Kris das Handy in die Hand und begab sich in eine ruhige Ecke.
»Hab‘ ich das richtig verstanden? Bundestag?«
Griffin erklärte ihm die Situation und was seine Rolle sein würde.
»Klingt alles etwas abenteuerlich, um ehrlich zu sein. Ohne Rückendeckung oder Unterstützung irgendwelche Übergaben zu machen … Ich weiß nicht«, meinte Kris, als er alles gehört hatte. Nun nannte Griffin die Summe, die er aushandeln konnte, und Kris fiel die Kinnlade runter.
»Du verarschst mich!«, entfuhr es ihm. Innerlich dachte er, dass diese Summe seine Sorgen um die Scheidung komplett lösen würde.
Griffin fuhr fort: »Du weißt doch, wie der Laden läuft. Das dauert hier noch mindestens sechs Tage, um das Geld und alles zu genehmigen. So lange hast du Zeit, alles vorzubereiten, damit wir nicht wie die Friseure irgendwo reintappen. Ich bringe dann das Lösegeld im Diplomatengepäck. Es geht ja nicht anders. Also kann ich noch andere schöne Sachen mitbringen, wenn ich sie in der kurzen Zeit auftreiben kann. Hab‘ schon kommuniziert, dass wir da ganz bestimmtes Werkzeug benötigen werden. Schick mir, so früh es geht, eine Liste.«
Kris erstellte im Kopf längst besagte Liste. Es war eine heikle Sache, aber: High Risk – High Reward.
»Top«, sagte er, »ich fange mit meinem Netzwerk an und schick dir eine Liste … und du kriegst keinen Schock, wenn du aus deinem klimatisierten Büro hier in den Hexenkessel kommst.«
17 Juni, 1627C
Kris ließ sich das Telefonat mit Griffin nochmal durch den Kopf gehen. Eigentlich hatte er ja vor, in ein paar Wochen nach Berlin zurückzukehren und sich dort ein neues Leben aufzubauen. Jetzt, wo seine Scheidung endlich durch war, und obwohl – oder vielleicht gerade weil – es ihn praktisch alles gekostet hatte, war es für ihn an der Zeit, dem Nahen Osten nach fast zehn Jahren den Rücken zu kehren. Der neue Auftrag bedeutete nun, dass seine Pläne noch etwas warten mussten, dafür aber winkte eine Stange Geld, die seinen Wiedereinstieg erleichtern würde. Er wusste aber auch, dass es nicht leicht werden würde, die Operation im Norden Syriens auf die Beine zu stellen. Nicht umsonst gab es nur sehr wenig internationale Präsenz dort. Im Zuge des Krieges in Syrien hatten die Kurden im Jahr 2012 im Norden eine de facto Autonomie ausgerufen und ihr Gebiet Westliches Kurdistan oder eben Rojava genannt. Da die Syrian Democratic Forces (SDF) die primären Verbündeten der Vereinigten Staaten von Amerika im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat in Syrien waren, konnten sie ihre Autonomie lange unangefochten halten. Im Oktober 2019 startete die Türkei jedoch eine militärische Operation namens Frühlingsfrieden, die den Auftakt zu einer Reihe von militärischen Angriffen im Norden Syriens darstellte, bei denen es zu Gefechten mit den SDF und später auch der Syrian Arab Army kam. Im Zuge dieser Operationen unterstützte die Türkei die sogenannte Free Syrian Army (FSA) aktiv. Diese wiederum bestand aus verschiedenen Rebellengruppen, die zwei Dinge gemeinsam hatten. Das war ihre Animosität gegen das Bashar al-Assad-Regime sowie ihr Hang zu Menschenrechtsverletzungen und kriminellen Nebengeschäften. Eben solch eine Gruppe hatte die Journalistin entführt. Ziel war es jetzt erst einmal herauszufinden, wer die Schlüsselakteure waren und wie die Machtdynamiken verliefen. Die zweite Herausforderung bestand darin, zusammen mit Griffin, dem Geld und der Ausrüstung in den Norden Syriens zu gelangen. Es gab keine diplomatischen Beziehungen zu Syrien und die Bundesregierung hatte genau wie der Rest der Staatengemeinschaft Rojavas Autonomie nicht anerkannt. Diplomatisches Gepäck war also keine Option. Darüber hinaus war der einzige für sie passierbare Grenzübergang ein inoffizieller Border Crossing Point zwischen Rojava und der Region Kurdistan im Irak. Selbst dort brauchten sie Passierscheine und es gab strikte Kontrollen. Allerdings verfügte er dort über Kontakte und etwas wasta, wie man Einfluss auf Arabisch nannte. Das wäre vermutlich die beste Option.
Sein nächster Weg führte ihn ins Büro der Landesdirektorin der Nichtregierungsorganisation, für die er vor Ort tätig war. Die Arbeitsverträge in der Entwicklungshilfe waren immer von den verfügbaren Gebergeldern abhängig, so dass keine echte Arbeitssicherheit gewährleistet werden konnte. Umgekehrt gab es aber auch keine Kündigungsfristen, so dass Kris seine Tätigkeit augenblicklich niederlegte, um sich seiner neuen Aufgabe zu widmen. Seine nun ehemalige Chefin zeigte sich zwar wenig begeistert, aber sah Kris auch an, dass es ernst war. Kris war nicht dafür bekannt, leichtfertige Entscheidungen zu treffen. Er retournierte seine Ausrüstung, unterschrieb eine Verzichtserklärung, um die Organisation von der Verantwortung für seine Sicherheit zu entbinden, und vermittelte Kontakte zu zwei ehemaligen Kollegen, die möglicherweise kurzfristig als Sicherheitsmanager einspringen könnten. Danach war er auch schon zur Tür raus, um sich vom lokalen Fahrer seines Vertrauens zu einem Restaurant neben dem Hotel fahren zu lassen. Dort angekommen, nahm er in einer ruhigen Ecke Platz und bestellte einen Teller Shish Tawook sowie Tee. Es war jetzt an der Zeit, sein Netzwerk vor Ort abzuklappern und diskret Informationen zu sammeln. Seine erste Anlaufstelle war Ashraf. Er kannte ihn noch aus den Anfangszeiten des Krieges in Syrien, als dieser ein hochrangiges Mitglied der kurdischen People’s Defence Units oder auch YPG war. Irgendwann hatte er den Ausstieg gesucht und Kris hatte ihm einen guten Job als Security-Manager bei einer niederländischen Nichtregierungsorganisation vermittelt, welche im Nordosten Syriens aktiv war.
Ashraf pflegte immer noch exzellente Kontakte zu den SDF und so dauerte es auch nicht lange, bis er Kris über den weitestgehend sicheren Messenger Signal kontaktierte, um ein Treffen zu organisieren. Qamishli war nicht der richtige Ort für ein sensibles Treffen, da die Kontrolle über die Stadt zwischen der syrischen Armee und russischen Kräften aufgeteilt war, seit die Türkei ihre Security Buffer Zone errichtet hatte. Dementsprechend war auch der türkische Nachrichtendienst vor Ort gut vertreten. Um etwas mehr Privatsphäre zu genießen, verabredete man sich für den Folgetag in einem Restaurant in Hasakah zum Frühstück. Die Stadt lag mit dem Auto circa 90 Minuten südlich von Qamishli, war dafür aber fest in den Händen der SDF. Für die Fahrt dorthin würde Ashraf Kris einen seiner Fahrer zur Verfügung stellen, der selbst ein ehemaliger YPG-Kämpfer war. Das würde das Passieren der Checkpoints auf dem Weg deutlich vereinfachen.
19 Juni, 0700C
Kris machte sich mit Hassan, dem Fahrer, auf den Weg in Richtung Süden. Bei dem Wagen handelte es sich um einen weißen Toyota HiAce-Minibus, was nicht gerade dazu beitrug, dass Kris sich komfortabel fühlte. Jene Minibusse galten zwar als Statussymbol, wurden aber gerade deswegen gerne auch bei der SDF verwendet. Kris hoffte daher, dass die Target List der türkischen Luftwaffe akkurat geführt wurde und man sie nicht mit einem VIP Movement der SDF verwechseln würde. Er machte sich daraufhin gleich eine Notiz in seinem Rite in the Rain-Buch, um dies bei der Planung für die Operation zu berücksichtigen.
Die Fahrt an sich verlief glatt. Wo man gerade als Ausländer gerne an Checkpoints angehalten wurde, fuhr Hassan gekonnt mit Zwei-Finger-Gruß durch, ohne jemals wirklich anzuhalten. Das Restaurant selbst lag direkt neben dem zentralen Kreisverkehr in der Stadt und bot so zahlreiche An- und Abfahrtswege. Kris verweilte kurz am Eingang, während er seine Oakley Detcord-Sonnenbrille abnahm. Als sich seine Augen von der brennenden Sonne draußen an die bescheidene Innenbeleuchtung gewöhnt hatten, trat er ein. Das Restaurant war wie fast alles in der vom Krieg zerrütteten Region einfach gehalten. Es beherbergte ein halbes Dutzend Plastiktische mit entsprechenden Stühlen und einen Tresen entlang der rechten Seite, der den Servicebereich abtrennte. Hinten im großen Raum führten unterschiedliche Türen zu Toiletten und Küche. Ashraf sah ihn sofort beim Eintreten und kam zur Begrüßung auf ihn zu.
»Schön Sie zu sehen, Mr. Kris!«, sagte Ashraf in leicht akzentuiertem Deutsch. Er hatte Ende der 90er Jahre nahe Frankfurt gelebt und als Ingenieur gearbeitet. Mit Beginn des Krieges in Syrien hatte es ihn aber zurück in die Heimat gezogen, wo er sich der YPG angeschlossen hatte.
»Shlonek, habibi?«, erwiderte Kris auf Arabisch mit schwerem irakischem Dialekt, um seinen Freund ein wenig zu necken.
»Wenn du so ein Kauderwelsch von dir gibst, sollten wir lieber bei Deutsch bleiben«, sage Ashraf lachend. Er hatte für die beiden bereits einen Tisch an der Wand nahe den hinteren Türen reserviert. Kris stellte wohlwollend fest, dass Ashraf wohl trotz langjähriger Schreibtischarbeit sein Training nicht verlernt hatte. Die beiden Männer setzten sich und begannen erstmal wie üblich mit Smalltalk über die Familie beziehungsweise in Kris’ Fall seine kürzliche Scheidung. Der Tisch wurde derweil mit einer Menge an Frühstückstellern und -schüsseln gedeckt. Zwei ausgewachsene Männer konnten das nie im Leben allein essen. Selbst nach fast einem Jahrzehnt im Nahen Osten, wunderte sich Kris jedes Mal, wie hier in Kriegszeiten dennoch Lebensmittel verschwendet wurden. Es stand ihm aber nicht zu, dies zu bewerten, und so konzentrierte er sich lieber wieder auf das Gespräch, während er arabisches Brot mit Spiegelei zu sich nahm.
»Was hast du für mich, mein Freund?«, kam Kris langsam zur Sache. Ashraf legte die Stirn in Falten und begann mit seinem kurzen Briefing.
»Sagt dir die Hazzm-Bewegung etwas?«
Kris grübelte kurz und sagte dann vorsichtig: »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber war das nicht eine der ursprünglich von den USA unterstützten Milizen im Syrienkrieg?«
»Ja, genau«, erwiderte Ashraf. »Bis 2015 wurden sie durch die USA mit TOW-Panzerabwehrwaffen ausgestattet. Danach sind sie in der Levant Front und später in der Northern Storm Front aufgegangen, unter der sie immer noch Teil der FSA sind. Im Endeffekt alter Wein in neuen Schläuchen, aber die Mistkerle haben jedenfalls eure Journalistin.«
Kris fertigte ein paar Notizen an und bewertete für sich, dass das noch eindringlicher erklären würde, warum die USA in diesem Fall so mauerten. Das änderte jetzt aber auch nichts.
»Glaubst du, sie werden die Übergabe so durchziehen, wie sie es angeboten haben?«, hakte er nach.
»50/50 würde ich sagen«, erwiderte Ashraf nach kurzem Überlegen. »Einerseits sind sie natürlich scharf auf das Geld und so wenig Stress wie möglich. Andererseits aber werden sie auch nicht zögern, euch reinzulegen, wenn sie sich dadurch einen Vorteil versprechen. Du weißt doch, dass man den Arabern nicht vertrauen kann.«
Kris wollte ob der dreisten Arabophobie die Augen rollen, sah aber auch den gerechtfertigten Punkt, den sein Freund unter den Vorurteilen machte.
»Wir werden vorsichtig sein«, antwortete er diplomatisch. »Wo ist die Gruppe denn aktiv?«
Ashraf fuhr fort und erklärte ihm, dass die Kidnapper von Tell Abyad nahe der türkischen Grenze aus operieren und sich frei bis nach Ain Issa entlang der M4-Autobahn bewegen würden. Kris machte sich detaillierte Notizen und langsam ergaben sich die ersten Grundzüge eines Plans für ihn.
»Hast du noch Kontakt zu Husham oder Omar? Ich werde ein paar zuverlässige Männer brauchen«, fragte er Ashraf, als er wieder aufschaute. Beide Kämpfer hatte er damals zusammen mit Ashraf als Militärberater im Rahmen der Operation Inherent Resolve ausgebildet.
»Husham ist letztes Jahr durch einen türkischen Luftschlag schwer verletzt worden. Ich hab‘ aber noch mit Omar und Ali Kontakt«, erwiderte Ashraf mit bedrückter Stimme.
»Das wusste ich nicht. Es tut mir leid um Husham. Gibt es irgendetwas, das ich für ihn oder seine Familie tun kann?«, sagte Kris mit ernster Miene.«
»Hier in Rojava kümmern wir uns um unsere eigenen Leute, Mr. Kris. Das weißt du doch. Aber wenn du eine Quelle für eine gute Beinprothese hast, wäre er sicherlich froh.«
»Ich kümmere mich drum«, versicherte Kris in einem Ton, der keinen Zweifel ließ. »Eins noch«, fragte er dann mit einem gefährlichen Grinsen. »Hast du noch gute Kontakte zur Patriotic Union of Kurdistan (PUK) im Irak?«
Ashraf starrte ihn mit großen Augen an, bevor er vorsichtig seine Antwort formulierte. Kris hörte genau hin und wollte unterdessen eine ordentliche Portion Bohnen mit einem Stück Brot zu sich nehmen, als er aus dem Augenwinkel eine stattliche Ratte am Boden vorbeihuschen sah. Ein flinker Kellner stampfte mit seinem Fuß drauf, so dass die Ratte mit einem dumpfen Knall augenblicklich in einer roten Pfütze auf dem kahlen Boden regungslos liegen blieb. Das Frühstück ließ Kris dann doch lieber erstmal sein.
Am selben Nachmittag schickte er Griffin ein verschlüsseltes Update per Threema und verabredete sich zu einem Anruf kurze Zeit später. Griffin rief als Erstes an und Kris nahm nach dem zweiten Klingeln ab.
»Das ging ja fix«, begann Griffin das Gespräch. »Ich glaube, damit haben wir schon mal eine gute Menge Intel, um einen ersten Plan zu formulieren.«
»Ja, da war auch ein wenig Glück mit dabei, aber meine alten Kontakte haben mich bis jetzt noch nicht enttäuscht«, bemerkte Kris. »Ich teile aber die Ansicht, dass die Übergabe auch genauso gut eine Finte sein könnte. Wir sollten uns in jedem Fall ein paar Contingency Plans zurechtlegen, falls es schief geht.«
»Na ja, wenn ich mir deine Wunschliste zur Ausrüstung so durchlese, scheint es mir ja, als ob wir fest mit Schwierigkeiten rechnen. Einiges davon könnte aber schwierig so kurzfristig zu bekommen sein«, sagte Griffin mehr zu sich selbst als zu Kris.
»Frag' mal Stulle«, bot Kris an und bezog sich damit auf Lars Novak. Der ehemalige Fallschirmjäger war seit Jahren eine Konstante in der deutschen Rüstungsindustrie und dafür bekannt, auf kürzeste Zeit schwer erhältliche Ausrüstung zu beschaffen. Er hatte Kris schon das eine oder andere Mal damit aus der Klemme geholfen.
»Gute Idee«, sagte Griffin, während er sich eine Notiz machte. »Eine Sache musst du mir aber noch erklären. Wir wollen doch nach Syrien. Warum soll ich denn dann mit dir nach Sulaymaniyah? Das liegt doch in der falschen Richtung im Irak.«
Kris musste leicht schmunzeln. »Da hast du Recht. Wir müssen ja aber irgendwie mit dem Geld und der Ausrüstung nach Syrien kommen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Kurden in Rojava gut mit der PUK können, aber weniger gut mit der KDP in Erbil, da die ja der Türkei nahestehen. Entsprechend gibt es sporadische Flüge zwischen Sulaymaniyah und Hasaka, die so nirgendwo auftauchen. Das ist unsere beste Chance«, erklärte Kris seinem Freund die lokalen Machtgefüge.
»Und da lässt man uns so einfach mitfliegen?«, fragte Griffin ungläubig.
»Na ja, nicht so einfach. Sie wollen eine Gegenleistung von uns.«
Als Kris die geforderte Gefälligkeit erklärte, verschluckte sich Griffin in Berlin fast am teuren Whiskey, den er beim Gespräch genoss. Das würde er Florian nicht so leicht erklären können.
Es stellte sich heraus, dass die Tochter einer der hohen Parteifunktionäre in Rojava gerne an der Freien Universität Berlin auf Stipendium studieren wollte. Die Zusage war der Preis für die Sitzplätze auf der nächsten Maschine in Sulaymaniyah. Florian schaute genau wie Griffin am Vortag, als er in die Lage eingewiesen worden war. Einerseits war er froh, dass es konkret und schnell voranging. Andererseits kollidierte diese Forderung frontal mit seinem Wertesystem. Da die beiden Alumni der Freien Universität waren, entschieden sie sich, diesen Teil des Plans aus dem Briefing für Lena Hufschmidt herauszuhalten und zunächst selbst die Lage zu sondieren. Dank ihrer noch bestehenden Kontakte zum Otto-Suhr-Institut konnten sie schnell herausfinden, dass die besagte Tochter recht qualifiziert und eh schon in die engere Auswahl gekommen war. Es gab aber Bedenken wegen der voraussichtlichen Komplikationen mit dem Studentenvisum und der Kontroverse um die politische Rolle ihrer Familie. Mit dem neuen Hintergrundwissen sah Florian die Problematik schon differenzierter und durch ein paar gezielte Andeutungen bei den Entscheidungsträgern sowie durch das Versprechen, dem Sonderforschungsbereich 700 eine großzügige Förderung zukommen zu lassen, schien das geforderte Stipendium gesichert zu sein.
24 Juni, 2011B
Griffin hatte inzwischen auch alle Positionen auf Kris’ Wunschliste aufgetrieben oder zumindest einen gleichwertigen Ersatz beschafft, wo es Engpässe auf dem Markt gab. Ein großer Storm Travel Case hielt die Ausrüstung und er hatte seine Sachen in einer schwarzen Reisetasche von 5.11International untergebracht. Morgen würde er noch das Lösegeld sowie die Aufkleber und Papiere für das Diplomatengepäck vom Auswärtigen Amt in Empfang nehmen. Einen Tag später würde es dann losgehen. Sein Flug war schon von Berlin über Doha nach Sulaymaniyah gebucht. Kurzzeitig schwelgte er in Erinnerungen an seine Zeit als Sicherheitsberater in Kuwait, als er damals mit Kris in der Golfregion gearbeitet hatte. Es war das erste Mal gewesen, dass Kris und er einen Vorfall hatten untersuchen und er hatte investigieren müssen. Dies würde jedoch ein ganz anderer Einsatz werden. Er fühlte sich jedenfalls bereit.
Am nächsten Morgen empfing Griffin ohne Probleme das Lösegeld und die Aufkleber und Papiere für das diplomatische Gepäck beim Auswärtigen Amt in der Innenstadt. Der Vorgang war typisch Deutsch und damit bürokratisch. Irgendwie unzeremoniell, wenn man bedenkt, dass er gerade knapp 20 Kilogramm Bargeld in Empfang genommen hatte. Wenigstens kam es in einer wasserdichten und unscheinbaren Tasche. Die werde er jedenfalls nicht als Gepäck aufgeben, dachte er sich mit einem leichten Schmunzeln, während er nochmal im Kopf seine Checkliste für den morgigen Flug durchging. Den bevorstehenden Abend würde er gemütlich mit der Familie verbringen. Ab morgen galt dann volle Einsatzbereitschaft.
Am nächsten Nachmittag befand sich Griffin überpünktlich drei Stunden vor Abflug am Flughafen Berlin Brandenburg. Der Check-in war dank Flug in der Business-Class schnell geregelt. Das Einchecken des Gepäcks dauerte jedoch eine Weile, denn obwohl es aufgrund des diplomatischen Status nicht kontrolliert werden durfte, prüfte die Bundespolizei die Papiere umso genauer und Griffin kassierte mehr als einen schiefen Blick von den Beamten. Auch das schwere Bargeld als Handgepäck an Bord zu nehmen, führte zu einigen Diskussionen, aber Griffin ließ sich nicht beirren und so war er irgendwann gegen zwei Stunden vor Abflug voll abgefertigt und bereit, die verbleibende Zeit in der Tempelhof Lounge zu verbringen. Nachdem er sich einen Kaffee aus dem Vollautomaten gezogen hatte, schickte er ein kurzes Update in die Threema-Gruppe, die er mit Kris und Florian eröffnet hatte. Kurze Zeit später bestätigte Kris das Update mit einem Daumen hoch. Florian schrieb eine Nachricht und so erschien auf dem Display, begleitet von einem Signalton: »Danke für das Update, Griffin. Dir wünsche ich einen guten Flug.«
Das entlockte Griffin ein leises Lachen. Sein ehemaliger Kommilitone war wirklich nicht in seinem Element. Circa zehn Stunden später landete Griffin am Flughafen in Sulaymaniyah im Norden des Iraks. Es handelte sich um die zweitgrößte Stadt mit etwas über 700.000 Einwohnern. Sie lag fest in der Hand von der Talabani-dominierten PUK. Griffin hatte sein Visum bereits vor Abflug online beantragt, so dass er die lange Schlange am Visa-Counter glücklicherweise überspringen konnte. Am Immigration-Counter stellte man ihm zwar keine unangenehmen Fragen, aber Griffin bemerkte, dass man für die Freigabe seiner Einreise doch merkbar länger brauchte als bei anderen Reisenden um ihn rum. Auch wenn die Region Kurdistan im Irak mit ihrem semi-autonomem Status dem Westen und besonders der Bundesrepublik Deutschland sehr nahestand, so waren die Sicherheitskräfte vor Ort allgegenwärtig und wollten genau wissen, wer sich bei ihnen aufhielt. Griffin passierte aber schlussendlich die Passkontrolle ohne Schwierigkeiten. Der Flughafen war 2003 von einem türkischen Bauunternehmen errichtet worden und gut in Schuss. Die Geschwindigkeit bei der Gepäckausgabe ließ allerdings zu wünschen übrig und Griffin war umso erleichterter, als seine beiden Gepäckstücke mit intakten Siegeln über das Gepäckband rollten. Kurze Zeit später passierte er den Zoll und befand sich in der Ankunftshalle. Kris erkannte er sofort auch auf Distanz. Er ragte fast einen halben Kopf aus der Menschenmenge heraus und war dazu noch einer von nur zwei adschnabi im Terminal, wie man Ausländer lokal nannte. Die beiden Freunde umarmten sich zur Begrüßung und Kris fragte Griffin scherzend, ob er in dem Sakko überhaupt die Arme heben könne, während Griffin frotzelte, ob es in Syrien keine Friseure gebe.
»Irgendwelche Probleme bei der Einreise?«, fragte Kris jetzt mit ernster Miene. Griffin verneinte und die beiden Veteranen wuchteten danach das Gepäck und die Ausrüstung auf einen Trolley und begaben sich auf den Weg zum Toyota Hilux, der vor dem Terminal bereitstand.
26 Juni, 0349C
Die Fahrt zum militärischen Teil des Flughafens dauerte nur wenige Minuten und nach dem Passieren von zwei Checkpoints fuhren sie direkt auf das Rollfeld, wo sie neben einem imposanten Mi-17 Hip-Transporthubschrauber stoppten. Der russische Hubschrauber war in der Region weit verbreitet und verfügte mit seinen Zwillingsturbinen über eine taktische Reichweite von 800 Kilometer, was mehr als genug für den Flug über die Grenze nach Hasakah war. Kris gab ein Handzeichen, damit die Piloten mit ihren Pre-Flight-Checks begannen.
»Der Flug wird etwas weniger als zwei Stunden dauern. Wir erwarten keine Komplikationen, aber vorbereiten wollen wir uns trotzdem«, gab Kris ein kurzes Briefing. Griffin hatte inzwischen sein Sakko abgelegt und trug darunter wie Kris ein schwarzes Polohemd. In der Nachtluft bei knapp 25 Grad Celsius war es darin recht angenehm. Wenn die Sonne jedoch in ungefähr zwei Stunden aufgehen würde, würde sich die Luft sehr schnell auf 40 Grad erhitzen. Das hatte Griffin definitiv nicht vermisst. Kris hatte währenddessen die Storm-Transportkiste geöffnet und begutachtete die Ausrüstung. Griffin hatte ganze Arbeit geleistet und Kris nickte ihm anerkennend zu. Innerlich hoffte er aber, dass sie den Inhalt nicht brauchen würden. Trotzdem nahmen sich beide erst einmal je eine -Pistole im Kaliber 9 x 19 mm mit dazugehörigem Black Trident Appendix-Holster und Ersatzmagazin. Kris hatte für den Auftrag bewusst auf den Einsatz von deutschen oder amerikanischen Waffen verzichtet, da sie sehr wahrscheinlich die Waffen zurücklassen mussten, sollte etwas schiefgehen. In diesem Fall wollte man nicht direkt die Aufmerksamkeit auf die Bundesrepublik oder die amerikanischen Truppen in Syrien lenken. Beide Operator schnappten sich dann ihren Gehörschutz. Sie hatten genug Hubschrauberschuttleflüge mit dem sogenannten Pony Express in Afghanistan hinter sich, um zu wissen, dass es in den Maschinen sehr laut wurde. Circa zehn Minuten später begannen sie ihren Flug durch die Nacht. Auf dem Flug herrschte absolute Lichtdisziplin und nach einer weiteren halben Stunde drifteten beide in einen leichten Schlaf ab. Später am Abend würde die Übergabe stattfinden und sie würden nicht viel Zeit zum Ruhen haben.
Ganz nach Flugplan landeten sie kurz vor Sonnenaufgang auf einem Landeplatz südwestlich von Hasakah. Ashraf stand bereit, um sie aufzunehmen, und Omar und Ali befanden sich etwas abseits bei den geparkten Fahrzeugen, einem Toyota HiAce-Minibus und einem Hilux Pick-up-Truck. Kris stellte Griffin kurz vor und begrüßte innig Omar und Ali. Die beiden ehemaligen YPG-Kämpfer hatte er vor vielen Jahren ausgebildet, aber seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Sie verbrachten ansonsten keine weitere Zeit am Flugfeld, um nicht mehr Aufmerksamkeit als notwendig auf sich zu ziehen. Auch wenn sie unter Freunden waren, konnte man nicht vorsichtig genug sein. Sie konnten jeden möglichen Vorteil auf ihrer Seite brauchen. So fuhren die zwei Autos zu einem nahegelegenen Safehouse am Stadtrand von Hasakah und Ashraf begann, seinen SITREP an Griffin und Kris zu geben. Wie von Kris vorgegeben, hatte Ashraf beharrlich mit den Entführern verhandelt und ausgemacht, dass man sich gegen 1830C zur Übergabe treffen würde. Die Entführer hatten als Übergabeort ein Feld nördlich von Tall Tamir designiert. Das lag auch nördlich des M4-Highways und damit voll in ihrem Einflussgebiet. Das war zwar nicht optimal, aber auch nicht wirklich überraschend. Für die Übergabe würde man sich aufteilen. Griffin würde mit Ashraf als Sprachmittler und Ali als Schutz mit dem Lösegeld im Toyota Hilux zur Übergabe fahren. Kris würde sich mit Omar, den er damals selbst als Spotter ausgebildet hatte, im HiAce separat nach Tall Tamir begeben und flankierend die Übergabe überwachen. Mit diesem Plan begannen sie ihre Vorbereitungen. Sie überprüften Waffen, Kommunikationsmittel und Ausrüstung. Gemeinsam studierten sie auch Satellitenbilder auf Google Maps, um im Vorhinein An- und Abfahrtswege sowie mögliche Verstecke auszumachen. Griffin besprach währenddessen mit Ashraf und Ali die Vorgehensweise für den Fall, das doch etwas schiefgehen sollte. Im Wechsel nutzten sie auch die Zeit, um zu ruhen und etwas zu essen. Es gab Kebab mit Reis, was für Griffin als bekennender Fleischfresser perfekt war. Allgemein vergingen die neun Stunden, die ihnen zur Vorbereitung blieben, sehr schnell und als die Schatten gegen viertel nach vier bereits sehr lang wurden, war alles verladen und die Männer waren abmarschbereit. Kris und Omar fuhren als Erstes los, da sie ja schon in Stellung sein mussten, wenn Griffin mit dem Rest des Teams bei der Übergabe aufschlagen würde. Nach einer halben Stunde startete auch das zweite Team und über Threema erhielt Griffin regelmäßige Updates über Checkpoints auf dem Weg. Ashraf hatte ihnen lokale SIM-Karten besorgt. Das war aus Gründen der operativen Sicherheit Standard, ging aber auch eh nicht anders, da ausländische SIM-Karten im syrischen Netz nicht roamen konnten.
Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt erreichten sie das Feld, das nördlich der Straße 716 lag. Sie hatten zwar vier Checkpoints auf dem Weg passiert, aber die Polizisten hatten wenig Interesse an dem Fahrzeug und den Insassen gezeigt. Das könnte sich auf dem Rückweg aber auch schlagartig ändern. Griffin merkte jetzt, dass in ihm langsam die Anspannung stieg. Er war schon seit Jahren nicht mehr in solch einem Einsatz gewesen, aber es fühlte sich immer noch alles ganz natürlich an.
Wie Fahrradfahren, dachte er sich. Trotzdem sprach er ein stummes Gebet, als sie auf einen Stichweg bogen, der sie zum Übergabeort führen würde. Griffin war schon immer gläubig gewesen, hatte aber im Krieg und besonders danach seinen Glauben für sich neu definiert, was nicht zuletzt sehr markant die Tattoos auf seinem rechten Arm spiegelten.
»Contact Blue«, kam Kris’ Stimme über den Funk, was ihn aus seinen Gedanken riss. Sein Freund teilte ihm damit mit, nun Sicht auf sie zu haben. Er hatte einige Zeit vorher gemeldet, dass er wie besprochen circa 150 Meter nordöstlich vom Übergabeort Stellung bezogen hatte. Es gab Griffin ein gutes Gefühl, dass sein Freund hinter der Zieloptik über ihn wachte. Wie der Rest des Teams hatte Griffin vollelektronischen Gehörschutz vom Typ Silencer 2.0 der Firma Walker’s im Ohr. Der Aktivgehörschutz verstärkte die Umgebungsgeräusche und filterte laute Geräusche heraus. Er war aber auch per Bluetooth mit seinem Funkgerät verbunden, so dass er jederzeit kommunizieren konnte.
»Game On«, sagte er sich, als er mit seinem Team auf einer Schotterpiste zum Stehen kam, welche gleichzeitig auch den Übergabeort darstellte. Sie stiegen aus und Griffin stellte sich mit Blick auf den Schotterweg mit Ashraf und dem Lösegeld hinter das Auto. Ali nahm leicht abgesetzt an der anderen Seite des Wagens Position ein. Es dauerte tatsächlich noch eine volle halbe Stunde, bevor Kris über Funk meldete, dass er Sicht auf zwei Technicals hatte, die sich mit hoher Geschwindigkeit aus Richtung Süden näherten. Der Begriff Technical bezog sich auf Geländewagen mit auflaffetierten Waffen. Kurze Zeit später sah auch Griffin die zwei Paar Scheinwerfer sich ihren Weg zu ihnen bahnen. Griffin bezweifelte, dass die Milizkämpfer verspätet waren, weil sie erst noch die Lage sondiert hatten. Wahrscheinlich konnten sie einfach nicht einmal zur Lösegeldübergabe pünktlich aufschlagen. Umso besser, dachte sich der erfahrene Veteran. Die beiden Pick-up-Trucks blieben circa 30 Meter vor ihnen stehen und vier Männer stiegen aus und kamen auf sie zu. Griffin schätzte drei von ihnen auf Anfang zwanzig und einen, den mit silbernem Bart, auf Mitte vierzig. Er musste der Führer vor Ort sein. Alle vier trugen Sammelsurien an Ausrüstungsgegenständen als auch diverse Sturmgewehre der Kalashnikov-Familie. Griffin schätzte sie als bulgarische AKM ein, konnte sich ob der herrschenden Lichtverhältnisse aber nicht sicher sein. Es war aber auch nicht relevant, denn sie waren in jedem Fall bewaffnet. Griffin und Ashraf schritten ihnen mit der Tasche voller Geld entgegen und man traf sich mittig zwischen den Fahrzeugen. Ashraf und der Milizführer begannen in schnellem Arabisch einen Dialog und kurze Zeit später übersetzte Ashraf, dass man das Lösegeld sehen wolle. Griffin blieb ruhig und ließ übermitteln, dass sie das Geld sehen beziehungsweise zählen könnten, wenn man ihnen im Gegenzug Yasmin zeige. Der Milizführer setzte mit einer Tirade an Drohungen und Ausflüchten nach, wusste aber nicht, dass Kris mittlerweile Yasmin mit einem weiteren Tango bei den Autos gemeldet hatte. Gleiches galt für einen Schützen an einem der auflaffetierten Maschinengewehre. Ashraf blieb also hartnäckig und schlussendlich einigte man sich darauf, dass man die Journalistin hinten an den Fahrzeugen vorzeigte, während Griffin die Tasche mit dem Geld öffnete. Bei der Umsetzung hatte Griffin Schwierigkeiten, die Journalistin gegen die Scheinwerfer positiv zu identifizieren. Das hatte Kris ja aber aus seiner Stellung heraus schon getan, so dass die Übergabe fortgesetzt werden konnte. Der Milizführer verfolgte jedoch andere Pläne.
26 Juni, 1914C
Der Milizführer sagte Ashraf, dass es ihm zu lange dauern werde, das Geld hier zu zählen, und deshalb werde er die Journalistin behalten und Griffin und das Geld als Anzahlung mitnehmen. Gleich danach hoben die drei Milizionäre ihre Waffen in den Anschlag und einer bewegte sich auf Griffin zu. Während Ashraf noch nicht voll übersetzen konnte, war die Körpersprache der Milizkämpfer eindeutig, so dass Griffin über Funk rief: »Bravo! Bravo! Bravo!« Es war Zeit für Plan B.
Kris und Omar lagen genau 140 Meter nördlich der Technicals in einer Stellung zwischen zwei Häuserruinen. Die beiden hatten Ghosthood Compact-Ponchos übergeworfen und auch Waffe und Optik mit dem Hightech-Material getarnt. Danke des beigen Tarnmusters verbarg es die beiden Schützen hervorragend im Schutt, bot aber zusätzlich auch Schutz vor Nachtsichtgeräten, welche die Milizkämpfer glücklicherweise aber nicht zu besitzen schienen. Unter der Tarnung lag Kris hinter einer CZ BREN 2 DMR im Kaliber .300 Blackout. Das Mittelstreckengewehr war in dem unterschalligen Kaliber für den schallgedämpften Einsatz ausgelegt und verfügte über eine taktische Reichweite von 200 Meter. Oben auf der Waffe saß ein Wärmebildgerät des Typen L3 LWTS-LR. Das LR stand in dem Fall für Long Range und mit einer Reichweite von über 3.000 Meter für die Aufklärung von Mannzielen wurde es den Ansprüchen gerecht. Kris hatte also leichtes Spiel, die feindlichen Schützen und auch Yasmin trotz der Dunkelheit aufzuklären. Er hatte sich schon schussfertig gemacht, als er die aggressive Haltung der Milizkämpfer beobachtete. In dem Moment, in dem Griffin Plan B ausrief, war er bereit, das erste Ziel zu bekämpfen. Sein Instinkt riet ihm, den Schützen, der Griffin am nächsten stand, als Erstes auszuschalten. Sein Training übersteuerte diesen Instinkt allerdings und er wusste, dass er zunächst den Schützen am Maschinengewehr neutralisieren musste. Er wählte die korrekte Haltemarke im Absehen und ließ den Abzug sauber brechen. Durch den Ase Utra-Schalldämpfer an der Mündung und die schweren 190 Grains .300 Blackout-Geschosse verursachte die Waffe praktisch kaum Geräusche außer dem Repetieren des Verschlusses. Er setzte schnell noch einen zweiten Schuss auf sein Ziel und wechselte dann zu dem Milizkämpfer, der Yasmin bewachte.
Anders als in Filmen sieht man in der Realität keine großen Blutfontänen, wenn man sein Ziel trifft. Sehr oft weiß man nicht einmal, ob man sein Ziel getroffen hat oder es nur in Deckung gegangen ist. Der sich im Wärmebildgerät weiß abzeichnende Umriss des Schützen auf der Ladefläche kippte allerdings seitlich über die Bordwand und blieb zunächst regungslos liegen. Da es keine Schussgeräusche gegeben hatte, war der zweite Milizionär, dem eine Zigarette zwischen den Lippen hing, nicht sicher, was passiert war, und rief seinem Kameraden zu. Als er nervös an seiner Zigarette saugte, formte sich ein glühender Ball vor dem Gesicht des Mannes im Display des Wärmebildgerätes. Kris hielt entsprechend an und drückte erneut ab. Auch der zweite Milizkämpfer sacke sofort zu Boden und blieb liegen. Kris schwenkte jetzt die Waffe nach rechts zu den anderen vier Kämpfern bei Griffin und Ashraf, während Omar die Ziele mit dem Laserentfernungsmesser vermaß.
Griffin hatte währenddessen für sich bewertet, dass der ihm zugewandte Milizionär schon zu nah an ihm dran war. Er stürmte also proaktiv zwei Schritte vorwärts, um die Distanz zu schließen, und klemmte mit seinem linken Arm fest das AKM-Gewehr des Gegners gegen dessen Brust, so dass dieser nicht auf Griffin zielen konnte. Mit seiner rechten Hand zog er seine Pistole aus dem Appendix-Holster und feuerte zwei schnelle Schüsse aus der Retention Position in den Bauch des Mannes. Als dieser vor Schmerz zurückwich, setzte Griffin zwei schnelle Schüsse aus einem vollen Anschlag direkt ins Brustbein nach.
»Der ist fertig. Jetzt runter vom X«, sagte sich Griffin und bewegte sich seitwärts, während er das nächste Ziel suchte. Ali und Ashraf hatten inzwischen ihre Waffen gezogen und befanden sich im Feuerkampf mit zwei der verbleibenden Milizkämpfer. Diese waren unerfahren und offensichtlich nicht sehr treffsicher, so dass Ali einen am Bein erwischte und Ashraf noch zwei Schüsse in den Oberkörper nachsetzte, als der Gegner zu Boden ging. Griffin hatte inzwischen einen weiteren Schützen im Visier und setzte vier schnelle Schüsse in die Brust. Auch dieser ging sofort zu Boden. Dreck! Der Anführer fehlt noch. Wo ist der Scheißkerl?, dachte er sich. Gegen die Scheinwerfer der Pick-up-Trucks konnte er einfach nicht genug erkennen. So signalisierte er Ashraf, dass sie zurück zu ihrem Fahrzeug ausweichen sollen.
»Kris, SITREP. Wir sehen hier unten nichts!«, funkte er den Scharfschützen an. Kris beobachtete derweilen den Milizführer dabei, wie er versuchte, sich im Schutze der Dunkelheit rechts flankierend an Griffin und das Team anzunähern. Omar maß 180 Meter zum Ziel. Mit einem normalen Waffensystem hätte Kris einfach mit dem gleichen Haltepunkt von eben schießen können. Die Unterschallmunition beschrieb aber eine ballistische Kurve, die einem Steinwurf glich, und so musste er selbst bei nur 40 Meter mehr Distanz den Haltepunkt präzise anpassen.
»Wer als Erstes flankiert, gewinnt das Gefecht«, dachte sich Kris, als er zwei Schüsse in den letzten Gegner abgab. »All clear«, gab er über Funk bekannt. »Wir müssen uns aber beeilen. Ich denke, dass wir nur maximal fünf Minuten haben, bevor das Personal von den umliegenden Checkpoints hier aufschlägt, um zu sehen, was los ist.«
»Copy«, bestätigte Griffin und begab sich zusammen mit Ashraf auf den Weg zu dem hinteren Fahrzeug, in dem die Journalistin saß.
Auf dem Weg entwaffnete Ashraf die am Boden liegenden Milizkämpfer hastig. Sie alle hatten bei früheren Einsätzen schmerzhaft gelernt, dass nicht jeder still daliegende Feind auch tatsächlich kampfunfähig war. Ashraf prüfte auch kurz auf Lebenszeichen, aber es gab in dem Fall keine erste Hilfe zu leisten. Griffin näherte sich mit gezogener Waffe vorsichtig der Rückbank des hintersten Fahrzeugs. Kris hatte zwar feindfrei gemeldet, aber man konnte nie vorsichtig genug sein. Er fand jedoch nur die Journalistin gefesselt und mit verbundenen Augen auf dem Rücksitz. Sie schluchzte und kauerte in sich zusammengerollt.
»Yasmin Müller, mein Name ist Griffin MacDonald. Ich bin im Auftrag der Bundesregierung hier, um Sie zurückzuführen«, sagte Griffin mit bestimmter, aber bewusst harmloser Stimme.
»Um Gottes Willen! Holen sich mich hier raus!«, schrie Yasmin beinahe hysterisch.
»Sofort. Ich werde Sie kurz auf Verletzungen abtasten und dann werden wir umgehend den Ort verlassen. Sind Sie damit einverstanden?«, erwiderte Griffin im professionellen Ton.
»Ja! Um Himmels willen. Jetzt machen sie schon!«, bekam er als Antwort.
»Gut. Sind Sie verletzt?«, fragte er, während er sich die Nitril-Einweghandschuhe anzog.
»Nein. Ich glaube nicht«, gab sie jetzt leicht verdattert zurück. Griffin vollzog schnell einen sogenannten Blood Sweep, bei dem er durch das rasche Abstreichen von Yasmins Körper prüfte, ob er Blut auf den blauen Handschuhen fand. Zu oft merkten Opfer von Schussverletzungen aufgrund des Adrenalins erst viel später, dass sie verwundet worden waren. Er tastete auch noch mit einem Zeigefinger die Innenseite ihrer Schuhe ab. Es sah so aus, als ob sie Glück hatten und keine äußeren Verwundungen vorlagen. Im selben Zug hatte Griffin sie auch auf Waffen abgetastet, was Standard Operating Procedure (SOP) war. Das musste Yasmin aber nicht wissen. Griffin durchtrennte ihre Handfesseln gekonnt mit seinem Half Faced Blades HUMINT-Messer und nahm ihre Augenbinde ab. Sie blinzelte ihn angestrengt an, während sich ihre Augen an die Umgebung gewöhnten. Griffin half ihr auf die Beine, nahm ihre linke Hand und führte sie hinten an seinen Gürtel.
»Halten Sie sich hier fest und folgen Sie mir. Machen Sie alles, was ich Ihnen sage, ohne zu zögern. Wir holen sie jetzt hier raus«, wies Griffin sie an und begab sich sofort mit gezogener Waffe auf den Rückweg zum Auto. »Paket gesichert. Machen uns bereit zur Exfil(tration)«, gab er ein kurzes Update auf dem Weg.
»Solid Copy«, bestätigte Kris. »Es biegen gerade die ersten beiden Polizeifahrzeuge auf den Stichweg. Exfil Charlie und dann gleich RTB zu Hotel Bravo.« Damit gab Kris Griffin zu verstehen, dass sie den dritten Plan zur Exfiltration nutzen sollten und am alternativen Safehouse in Hasakah sammeln würden. Am Hilux angekommen, wies Griffin Yasmin an, sich im Bereich der Rückbank auf den Boden zu legen. Ashraf nahm als Beifahrer Platz. Griffin schnappte sich seine Nachtsichtbrille des Typs L3 ENVG-B, was für Enhanced Night Vision Goggle-Binocular stand. Es handelte sich dabei um ein modernes Gerät, welches durch sogenannte Fusionstechnik die Vorteile von Restlichtverstärkung und Wärmebildtechnik vereinte. Es war handlich auf einem Team Wendy Bump Helmet mit Gegengewicht montiert. Während Griffin den Helm aufsetzte und justierte, platzierte Ashraf ein vorher zurechtgeschnittenes Stück Karton in den Armaturen, um diese abzudunkeln. Zeitgleich schlug Ali hinten am Fahrzeug mit dem Gewehrkolben die Rücklichter aus, bevor er auf die Ladefläche kletterte. Teil des Exfil Plan Charlie war es, komplett verdunkelt zu fahren. Griffin würde mithilfe der Nachtsichtbrille das Fahrzeug steuern und Ashraf würde mit einer Infrarotlampe das Vorfeld beleuchten. So konnten sie sich sicher im Gelände bewegen, während sie aus der Distanz unsichtbar waren.
Während sich Team Griffin in Windeseile auf den Abmarsch vorbereitete, verschoben sich Kris und Omar vorsichtig dergestalt in ihrer Stellung, dass sie auf die sich nähernden Fahrzeug wirken konnten. Die Polizisten machten nur ihre Arbeit und Kris wollte unter allen Umständen weiteres Leid vermeiden. Würden die Fahrzeuge aber zu dem anderen Team aufschließen, wäre ein weiteres Gefecht unumgänglich. Er hatte jedoch schon eine Idee, wie er ein wenig Zeit erkaufen konnte.
»Omar, sag‘ mir kontinuierlich die Distanz zum vordersten Fahrzeug an«, befahl Kris, während er sich auf den Schuss vorbereitete. »180, 170, 160, 150, …«, zählte Omar herab. Als er bei 130 Meter ankam, drückte er ab und setzte einen gezielten Schuss in den vorderen Reifen auf der Fahrerseite. Durch das Wärmebildgerät zeichneten sich die Reifen ob der Reibung sauber im Display ab. Der Fahrer verlor die Kontrolle, das Fahrzeug stellte sich quer. Das zweite Fahrzeug kippte rechts in den Straßengraben, um eine Kollision zu vermeiden.
Das wird sie erst einmal ein wenig beschäftigen