Bewertung der Barrierefreiheit von ausgewählten Websites - Thomas Schulz - E-Book

Bewertung der Barrierefreiheit von ausgewählten Websites E-Book

Thomas Schulz

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Beschreibung

Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Informatik - Wirtschaftsinformatik, Note: 1,0, AKAD-Fachhochschule Pinneberg (ehem. Rendsburg), Sprache: Deutsch, Abstract: Barrierefreiheit im Internet bedeutet, allen Menschen ungeachtet ihrer körperlichen und geistigen Voraussetzungen und ihrer technischen Ausrüstungen einen gleichberechtigten Zugang zu den Informationen des Internets zu gewähren. Dieser Aspekt wird zukünftig immer mehr an Bedeutung gewinnen: Einerseits werden die Endgeräte, mit denen auf das Internet zugegriffen werden kann, immer vielfältiger (ein Beispiel sind internetfähige Handys). Andererseits erfolgt eine zunehmende Überalterung der Bevölkerung in den westlichen Industrienationen, so dass in den nächsten Jahren verstärkt Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen das Internet nutzen werden. Viele Website-Entwickler haben diese Trends und die damit verbundenen Anforderungen an das Design von Websites jedoch noch nicht erkannt. Ein barrierefreies Internet bringen sie immer noch ausschließlich mit behinderten Menschen in Verbindung. Da zudem das Erstellen einer barrierefreien Website im Vergleich zu einem herkömmlichen Internetauftritt deutlich aufwändiger ist, wurde in der Vergangenheit Barrierefreiheit bedingt durch falsche Kosten-Nutzen-Überlegungen oft nicht berücksichtigt oder nur halbherzig realisiert. Konsequent umgesetzt birgt Barrierefreiheit für Unternehmen mit einer Internetpräsenz jedoch zahlreiche Chancen. Die Vergrößerung der Zielgruppe, die hohen Betriebskostenersparnisse sowie eine verbesserte Suchmaschinenplatzierung sind dabei nur drei von vielen Vorteilen. Ein Teilziel der vorliegenden Diplomarbeit ist, Unternehmen diese Vorteile nahe zu bringen. Damit soll sie dazu beitragen, dass der Anteil barrierefreier Websites im Internet in den nächsten Jahren gesteigert wird. Hauptergebnis der Arbeit ist jedoch ein neu entwickeltes Prüfverfahren, welches die wesentlichen Anforderungen der Barrierefreiheit im Internet aufzeigt und als Bewertungshilfe für Websites eingesetzt werden kann. Dazu wurden zunächst die Stärken und Schwächen von sechs renommierten Prüfverfahren analysiert. Die Ergebnisse dieser Analyse dienten dann als Grundlage für die Entwicklung des neuen Prüfverfahrens. Der besondere Vorteil dieses Verfahrens ist seine internetbasierte Umsetzung. Unter www.barrierescout.de kann es jederzeit kostenfrei abgerufen werden. Die vorliegende Diplomarbeit unterstützt somit Entscheidungsträger und Webdesigner bei der Erstellung barrierefreier Webangebote.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einführung.
1.1 Notwendigkeit eines barrierefreien Internets
1.2 Problemstellung und Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise
2. Grundlagen.
2.1 Definition von Barrierefreiheit im Internet.
2.2 Zusammenhang zwischen Web-Usability und Barrierefreiheit
2.3 Nutzung des Internets durch behinderte Menschen
2.3.1 Sehbehinderte und blinde Menschen
2.3.2 Hörgeschädigte und taube Menschen
2.3.3 Menschen mit kognitiven Einschränkungen
2.3.4 Menschen mit motorischen Behinderungen
2.3.5 Assistive Technologien
2.4 Internetbarrieren
Kapitel
2.4.2.2 Audio und Video
2.4.2.3 Farben und Kontraste
2.4.2.4 Skalierbare Schriften
2.4.2.5 Automatismen.
2.4.2.6 Programmierte Elemente.
2.4.3 Webangebot kann nicht bedient werden
2.4.3.1 Validität
2.4.3.2 Captchas.
2.4.3.3 Tastaturbedienbarkeit
2.4.3.4 Linearisierbarkeit
2.4.3.5 Navigationsmechanismen und Orientierung
2.4.3.6 Skalierbare Layouts
2.4.4 Informationen sind schwer zu erfassen
2.4.4.1 Sprache.
2.4.4.2 Textgestaltung
2.4.4.3 Animationen
2.4.5 Zusammenfassung
2.5 Webdesign mit Webstandards
2.6 Barrierefreiheit in Richtlinien und Gesetzen
2.6.1 Internationale Richtlinien und Gesetze
2.6.2 Deutsche Gesetzgebung
2.7 Profiteure barrierefreier Webauftritte
2.7.1 Internetnutzer
2.7.2 Unternehmen
3. Analyse bestehender Prüfverfahren
3.1 Eingrenzung des Begriffs Prüfverfahren
3.2 Zielsetzung
3.3.2 Abgrenzung zu automatischen Prüfwerkzeugen
3.4.2 Kriterienkatalog der WCAG 2.0
3.5 Prüfverfahren, die auf nationalen Gesetzen basieren
3.5.2 BITV-Test des BIK-Projekts
3.6 Prüfverfahren deutscher nicht-staatlicher Organisationen
3.6.1 Checkliste der FAU Erlangen-Nürnberg
3.6.2 Kriterienkatalog des BIENE-Awards 2006.
3.7 Zusammenfassende Bewertung
4. Entwicklung eines neuen Prüfverfahrens
4.1 Einsatzfelder und Zielsetzungen
4.2 Umsetzung der 4 Erfolgsfaktoren eines Prüfverfahrens
4.2.1 Korrektheit.
4.2.2 Logik.
4.2.2.1 Struktur des Kriterienkatalogs
4.2.2.2 Gewichtung der Einzelkriterien.
4.2.3 Reproduzierbarkeit.
4.2.4 Auswertbarkeit
4.2.4.1 Ergebnisermittlung.
4.2.4.2 Auswertungsberichte
4.3.1 Äußere Struktur der Website
4.3.2 Innere Struktur der Website
5. Bewertung der Barrierefreiheit ausgewählter Websites
5.1 Zielsetzung und Begründung der Auswahl
5.2 Stadthaushotel Hamburg
5.3 BKK Taunus
6. Kritische Betrachtung des entwickelten Prüfverfahrens.
7. Zusammenfassung
Anhang 16: Prüfschritte der Einzelkriterien des neuen Prüfverfahrens
4. Anhang zum fünften Kapitel

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1. Einführung

1. Einführung

1.1 Notwendigkeit eines barrierefreien Internets

Im Internet Überweisungen tätigen, Bücher einkaufen, Flugtickets buchen, Informationen über die aktuellen Schneehöhen im Skiurlaubsort abrufen oder in den Online-Katalogen der Bibliotheken nach Literatur für die Diplomarbeit suchen. Diese einfachen Beispiele zeigen, wie sehr sich das Internet zu einem Medium entwickelt hat, welches inzwischen zu einem festen Bestandteil des Berufs- und vor allem auch des Privatlebens geworden ist. In Deutschland wird das Internet mittlerweile von 62,7% der Bevölkerung ab 14 Jahren genutzt1, weltweit sind es 18,9%2. Für viele dieser Menschen ist es bereits zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Zunehmend wird sogar von der Vision einer globalen Informations-und Wissensgesellschaft gesprochen, in welcher alle Menschen jederzeit und überall auf der Welt über das Internet Zugang zu Informationen und Wissen haben.3Nur Wenige können sich dabei vorstellen, dass das Internet auch seine Grenzen und Barrieren hat.4Bei der Erstellung von Websites wird oft nicht berücksichtigt, dass viele Menschen körperliche Einschränkungen haben. Bestimmte Techniken der Programmierung bilden dann Barrieren für deren Zugang zum Internet. Solche Zugangsbeschränkungen können beispielsweise fehlende Texte zur Beschreibung von Grafiken, eine unglückliche Farbgestaltung, unklar strukturierte Websites oder auch nicht bedienbare Navigationsmechanismen sein.5Schätzungen zufolge sind aufgrund solcher oder ähnlicher Barrieren zwei Drittel des Internets für Menschen mit motorischen, sensorischen oder kognitiven Behinderungen nicht zugänglich. Stellt man diesen Zahlen gegenüber, dass weltweit ca. 750 Millionen Menschen mit derartigen Behinderungen leben, wird die Problematik der Barrieren im Web besonders deutlich.6

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht in Artikel 3, Abs. 3:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“7

Die Auswirkungen dieses Paragraphen sind in unserem Alltag unübersehbar. In den meisten Gebäuden der öffentlichen Hand sind Rampen und Aufzüge installiert, um auch den Rollstuhlfahrern den Zugang zu erleichtern. Sehbehinderte Menschen erhalten an den Ampeln zusätzlich zu den optischen auch akustische Signale, damit sie die Strasse sicher

1Vgl.van Eimeren, Birgit; Frees, Beate,ARD/ZDF-Online-Studie 2007, S. 363

2Vgl.Miniwatts Marketing Group,http://www.internetworldstats.com/stats.htm, September 2007, 23.11.07

3Vgl.Hellbusch, Jan Eric,Barrierefreies Webdesign (2005), S. vi

4Vgl.anatom5 perception marketing GbR (Hrsg.),Begriffe, http://www.barrierekompass.de/begriffe.php, 23.11.07

5Vgl.Hellbusch, Jan Eric,Das Web und die Zugänglichkeit, http://www.barrierefreies-webdesign.de/, 23.11.07

6Vgl.Hellbusch, Jan Eric,Barrierefreies Webdesign (2005), S. 291-292

7Artikel 3, Abs. 3 GG, http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html, 23.11.07

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1. Einführung

überqueren können. In Zügen des öffentlichen Personennahverkehrs wird man in der Regel über eine Ansagestimme darauf hingewiesen, auf welcher Seite des Zuges sich im nächsten Bahnhof der Bahnsteig befindet. Hörbehinderte Menschen erhalten Zugang zum Fernsehprogramm der öffentlich-rechtlichen Sender über Untertitel auf Videotexttafeln oder direkt über eingeblendete Gebärdensprache.8Mit diesen Mitteln wird gewährleistet, dass der Zugang zur Infrastruktur und zu Informationen für alle Menschen gleichermaßen und barrierefrei möglich ist. Solche Bemühungen und Maßnahmen dürfen vor dem Internet nicht Halt machen. Gerade körperlich und geistig behinderte Menschen könnten ganz besonders von den Vorzügen des Internets profitieren. Denn mit Hilfe dieses Mediums können sie wieder viele Dinge selbständig erledigen und dadurch ihre häufig eingeschränkte Mobilität zumindest teilweise kompensieren.9

Das Augenmerk des barrierefreien Internets liegt allerdings nicht nur auf Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Je mehr das Internet alle Lebensbereiche erobert, desto mehr treten auch die „situativen Behinderungen“, wie zum Beispiel langsame Verbindungen im Hotel, unkontrollierbare Lichtverhältnisse im fahrenden Zug oder auch der ange-ordnete Verzicht auf Ton am Arbeitsplatz in den Vordergrund. Theoretisch kann also jeder von Barrieren und Hindernissen im Internet betroffen sein. Verstärkt wird die Notwendigkeit des barrierefreien Internets durch die Tatsache, dass sich in den letzten Jahren die Zahl und Art der Endgeräte, mit denen Menschen aufs Internet zugreifen, enorm vergrößert hat.10Dadurch wurden die Anforderungen an das Design der Websites noch weiter erhöht. Websites dürfen heute nicht mehr nur auf die durchschnittlichen Bedürfnisse eines „normalen“ Nutzers und eben auch nicht nur auf ein spezielles Endgerät, beispielsweise den Computer, ausgelegt sein. Vielmehr sind flexible Lösungen mit Wahl- und Anpassungsoptionen an die unterschiedlichen Fähig- und Fertigkeiten sowie an die vielfältigen Endgeräte der Internetanwender gefordert. Eine viel versprechende Lösung liegt im universellen Design für Websites.11Dieses so genannte „Design for All“ bewirkt, dass Websites eben nicht nur für eine eng gefasste Zielgruppe und für eine bestimmte Anwendungsumgebung entworfen werden.12Webseiten, die mit universellem Design konzipiert werden, sind für mehr Menschen nutzbar und leisten damit ihren Beitrag zur Vision der globalen Informationsgesellschaft, in der alle Menschen barrierefreien Zugang zu Informationen und Wissen im Internet haben.

8Vgl.Lauritzen, Sven,Barrierefreies Web richtig verstanden, http://www.spot-media.de/index.php/article_product/detail/391, 23.11.07

9Vgl.Radtke, Angie; Charlier, Dr. Michael,Barrierefreies Webdesign (2006), S. 1

10Vgl. Ebenda, S. 2

11Vgl.Hellbusch, Jan Eric,Barrierefreies Webdesign (2005), S. v

12Vgl.Schulte, Beate,Zielgruppen für barrierefreies Internet, in: IWP (08/2005), S. 405

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1. Einführung

1.2 Problemstellung und Zielsetzung

Mit dem Aufkommen der ersten grafischen Webbrowser im Jahr 1993, die zudem auch noch zum kostenlosen Download angeboten wurden, erhielt das Internet einen rasanten Auftrieb. Wurde es bis dahin vornehmlich nur von Universitäten, Forschungsinstituten und in den USA auch von militärischen und behördlichen Einrichtungen genutzt, konnten nun endlich auch Laien auf das Internet zugreifen, was dazu führte, dass die Zahl der Nutzer deutlich anstieg.13Die Wirtschaft erkannte das Potenzial des Internets und begann mit der Erschließung für die kommerzielle Nutzung. Das Webdesign wandelte sich daraufhin gravierend. Es wurde auffälliger und variantenreicher. Um sich von anderen Websites im Internet abzuheben, wurden neu entwickelte Webtechnologien, wie zum Beispiel Flash oder Javascript, umfangreich von Webdesignern eingesetzt. Die neu erstellten Websites missachteten darüber hinaus auch die bereits existierenden Webstandards auf breiter Linie. Wurde bis zu diesem Zeitpunkt die Seitenbeschreibungssprache Hypertext Markup Language (HTML) nur für das benutzt, für das sie auch ausgelegt war, nämlich die Auszeichnung und Strukturierung von Texten auf Webseiten, wurden HTML-Elemente nun vermehrt für Layout-Einstellungen zweckentfremdet. Als Folge dieser Entwicklungen war das Webdesign Ende der 90-er Jahre u.a. durch zahlreiche Frames und verschachtelte Layouttabellen, Laufschriften, bunte und blinkende Effekte sowie durch aufwendige Flash-Animationen geprägt. Die meisten Barrieren, mit denen Internetnutzer heute konfrontiert sind, wurden so bereits Ende des letzten Jahrhunderts errichtet.14

Diese Barrieren abzubauen und die Vorzüge des Internets allen Menschen, unabhängig von ihrer Hardware, Software, Netzinfrastruktur, Muttersprache, Kultur, geographischer Position, physischen oder geistigen Fähigkeiten zugänglich zu machen, ist ein wesentliches Ziel des World Wide Web Consortiums (W3C).15Um dieses Ziel zu erreichen, widmet sich das 1994 gegründete und herstellerneutrale Gremium der Schaffung von Webstandards (W3C Recommendations).16Im Rahmen der Web Accessability Initiative (WAI) veröffentlichte das W3C bereits 1999 mit den „Web Content Accessability Guidelines 1.0“ (WCAG 1.0) Standards für barrierefreies Webdesign und rückte damit das Thema Barrierefreiheit im Internet in das Bewusstsein der Entwickler von Websites.17Da die Standards des W3C nur Empfehlungscharakter haben, sind sie auf die Akzeptanz der Webdesigner und bzw. oder auf die Umsetzung in staatliches Recht angewiesen. Mit der Barrierefreien Informa-tionstechnik-Verordnung (BITV) fanden die Inhalte der WCAG 1.0 im Jahr 2002 in der deut-

13Vgl.vonder Helm, Daniel,Die Entwicklung des WWW,

http://www.daniel-von-der-helm.com/internet/entwicklung-des-internet.html#2.7, 23.11.07

14Vgl.Engels, Eric J.,Aspekte bei der Realisierung eines barrierefreien Web-Angebots, in: IWP (08/2005), S. 448

15Vgl.W3C (Hrsg.),Ziele des W3C, http://www.w3c.de/about/mission.html, 23.11.07

16Vgl.W3C (Hrsg.),Über das World Wide Web Consortium (W3C), http://www.w3c.de/about/overview.html, 23.11.07

17Vgl.W3C (Hrsg.),Zugänglichkeitsrichtlinien für Web-Inhalte 1.0, Deutsche Übersetzung, http://www.w3c.de/Trans/WAI/webinhalt.html, 23.11.07

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1. Einführung

schen Legislative ihre Berücksichtigung. Darin sind die Behörden der Bundesverwaltung verpflichtet, ihre Webauftritte ab dem 31.12.2005 barrierefrei zu gestalten.18

Für die privaten Webanbieter gibt es keine gesetzlichen Verpflichtungen, so dass die WCAG 1.0 und auch die BITV hier ihren Empfehlungscharakter behalten. Dennoch bemühen sich zunehmend auch Anbieter kommerzieller Websites darum, Aspekte des barrierefreien Internets zu berücksichtigen.19Allerdings ist der große Durchbruch in diesem Sektor bislang noch ausgeblieben20, was vorwiegend auf Wissenslücken bei den Webdesignern und -programmierern zurückzuführen ist. Dabei werden nicht nur der Nutzen, sondern auch die Kosten eines barrierefreien Webauftritts häufig völlig falsch eingeschätzt. Barrierefreiheit dient demnach lediglich der Benutzergruppenerweiterung durch behinderte Nutzer und die dazu notwendigen Maßnahmen seien zudem viel zu teuer.21

Darüber hinaus muss mit der Frage nach den notwendigen Anforderungen für eine barrierefreie Website eine weitere Wissenslücke geschlossen werden. Zwar können zu diesem Zweck die Kriterienkataloge der WCAG 1.0 oder der BITV eingesetzt werden. Allerdings enthalten diese unter anderem eine Vielzahl von Einzelregeln, die teils veraltet, redundant oder technisch sehr speziell sind. Zudem wird die einfache Anwendung dieser Kriterienkataloge durch Mängel in der Anwenderfreundlich- und Übersichtlichkeit gestört.22Für eine freiwillige Umsetzung dieser Vorschriften sind solche Schwachpunkte aber ein Hindernis. Genau an diesem Punkt setzt die vorliegende Diplomarbeit an. Der Idee folgend, dass neben der WCAG 1.0 und der BITV auch andere Checklisten ähnliche Schwächen aufweisen, soll im Rahmen dieser Ausarbeitung ein neuer Kriterienkatalog entwickelt werden, mit dem jede Website bezüglich ihrer barrierefreien Gestaltung bewertet werden kann. Um die Akzeptanz bei Websiteentwicklern und -gestaltern zu steigern, soll dieser Katalog in ein übersichtliches und leicht zu bedienendes Internet-basierte Prüfverfahren integriert werden. Dabei ist dieses Verfahren von einer Anleitung zur Entwicklung barrierefreier Websites eindeutig abzugrenzen. Das Ziel besteht nicht darin, Erläuterungen zu liefern, wie einzelne Anforderungen barrierefreier Websites technisch umzusetzen sind. Stattdessen sollen durch spezielle Prüfschritte Aussagen dazu getroffen werden können, ob und in welchen Bereichen eines Webauftritts Barrierefreiheit gewährleistet werden kann. Insofern werden durch dieses Verfahren auch keine vollständigen Optimierungskonzepte für Websites ausgegeben. Vielmehr soll der Prüfer im Fall einer negativen Beurteilung durch eine entsprechende Ergebnisdarstellung lediglich in der Lage sein, die kritischen und im Hinblick auf Barrierefreiheit problembehafteten Bereiche eines Webauftritts identifizieren zu können.

18Vgl.interactive tools GmbH (Hrsg.),Gesetzliche Bestimmungen, http://www.barrierefrei-infos.de/site/DE/int/03/03_container.php, 23.11.07

19Vgl.Radtke, Angie; Charlier, Dr. Michael,Barrierefreies Webdesign (2006), S. XV

20Vgl.Bornemann-Jeske, Brigitte,Barrierefreies Webdesign zwischen Webstandards und Universellem Design, in: IWP (08/2005), S. 418

21Vgl.Edinger, Heike; Wirth, Timo,Usability, Webstandards und barrierefreies Internet, http://www.vorsprungdurchwebstandards.de/theory/usability-webstandards-und-barrierefreies-internet/, 23.11.07

22Vgl.Bornemann-Jeske, Brigitte,Barrierefreies Webdesign zwischen Webstandards und Universellem Design, in: IWP (08/2005), S. 418

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1. Einführung

Da durch diese Diplomarbeit zudem auch die anderen beiden angesprochenen Wissenslücken bezüglich des Nutzens sowie der Kosten geschlossen werden, stellt sie insgesamt betrachtet eine Hilfestellung für Entscheidungsträger, Webdesigner und für die Redakteure der Webinhalte zur Erstellung barrierefreier Webangebote dar. Dadurch soll erreicht werden, dass die Standards der Barrierefreiheit in den nächsten Jahren auch im kommerziellen Bereich zunehmend mehr Berücksichtigung finden.

1.3 Vorgehensweise

Diese Diplomarbeit soll, gemäß der unter dem Abschnitt 1.2 ausgegebenen Teilzielsetzung, das Verständnis der Internetverantwortlichen und Webagenturen zum einen dafür fördern, was unter Barrierefreiheit verstanden wird und zum anderen, welchen Nutzen eine Umsetzung für Internetnutzer und Anbieter bringt und welche Kosten dadurch verursacht werden. Damit sind bereits zwei wesentliche Themen des zweiten Kapitels „Grundlagen“ genannt, welches sich an diesen Gliederungspunkt anschließen wird. Von elementarer Bedeutung ist in diesem Abschnitt jedoch die Vorstellung bedeutender Internetbarrieren. Dabei kann es sich zwar nur um eine Auswahl handeln, gleichwohl werden anhand dieser Barrieren im Grundlagenteil wesentliche Anforderungen barrierefreier Websites abgeleitet.

Um das angestrebte neue Prüfverfahren entwickeln zu können, muss im Vorfeld eine Analyse bereits bestehender Verfahren zur Beurteilung der Barrierefreiheit von Websites erfolgen. Eine solche schließt sich mit Kapitel 3 an den Grundlagenteil an. Vordergründig werden durch diese Analyse Erfolgsfaktoren hergeleitet, welche gegeben sein müssen, damit ein Prüfverfahren den Grad der Barrierefreiheit von Websites optimal angeben kann. Zudem erfolgt mit Hilfe der Analyse eine Hervorhebung der Schwachpunkte der einzelnen Prüfverfahren, um daraus die Rechtfertigung für die Entwicklung des neuen Verfahrens ableiten zu können. Zu diesem Zweck werden 6 Prüfverfahren ausgewählt und in 3 Kate-gorien eingeteilt. Als Ausgangsbasis für diese Analyse gilt der Gliederungspunkt 3.3.3, da in diesem Abschnitt ein Fragenkatalog, welcher aus 5 Phasen und 24 Prüfschritten besteht, entwickelt wird und als Modell für die Vorgehensweise zur Analyse der einzelnen Prüfverfahren dient.

In Kapitel 4 findet anschließend die Entwicklung des neuen Prüfverfahrens statt, wobei eine Orientierung an den im Kapitel 3 herausgestellten Erfolgsfaktoren erfolgt. Wie diese konkret ausgestaltet werden, ist dabei von den Zielsetzungen dieses Prüfverfahrens abhängig, die im ersten Gliederungspunkt des 4. Kapitels dargelegt werden. In diesem Zusammenhang spielt die Internet-basierte Umsetzung eine bedeutende Rolle, welche im Fokus des Abschnitts 4.3 steht. Neben den Zielsetzungen sind aber auch die Erkenntnisse des Theorieteils sowie die in der Analyse herausgestellten Stärken der einzelnen Prüfverfahren bestimmend für die Ausgestaltung der Erfolgsfaktoren.

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1. Einführung

Anschließend werden im 5. Kapitel zwei Websites, auf denen Barrierefreiheit unterschiedlich stark ausgeprägt ist, ausgewählt und mit Hilfe des Internet-basierten Prüfverfahrens analysiert und bewertet. Damit sollen die Funktionsweise und die Praxistauglichkeit des neuen Verfahrens demonstriert werden, um dadurch Schwachpunkte identifizieren, aber auch Stärken hervorheben zu können.

Während im 5. Kapitel lediglich die Bewertungsergebnisse der analysierten Websites dargestellt werden, erfolgt die Bewertung der Praxistauglichkeit des entwickelten Verfahrens erst im 6. Kapitel. Denn im Fokus dieses Kapitels steht die Diskussion der Frage, ob sich das neue Prüfverfahren bei den Entscheidungsträgern, Webagenturen und Websitegestaltern etablieren kann. Dazu werden die Schwachpunkte den Stärken gegenübergestellt, um daraus eine Antwort auf diese Frage ableiten zu können. Abgerundet wird dieses Kapitel durch die Einschätzung, welchen Stellenwert ein barrierefreies Internet zukünftig einnehmen wird und welchen Einfluss die zukünftigen Entwicklungen auf das entwickelte Prüfverfahren haben werden.

Im letzten und 7. Kapitel werden die zentralen Ergebnisse dieser Diplomarbeit zusammenfassend dargestellt. Im Fokus stehen dabei auch Kurzbeschreibungen der verfolgten Ziele sowie der eingesetzten Methoden.

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2. Grundlagen

2. Grundlagen

2.1 Definition von Barrierefreiheit im Internet

Um sich dem Begriff der Barrierefreiheit zu nähern, wird zunächst die Bedeutung des Wortes „Barriere“ mit Hilfe des Dudens geklärt. Demnach bezeichnet Barriere„etwas, was sich trennend, hindernd zwischen Dingen od. Personen befindet; [zum Beispiel ein/e] Schranke, Schlagbaum, Sperre“.23Wörtlich betrachtet, bedeutet barrierefrei also die Abwesenheit von Hindernissen und Zugangsbeschränkungen. Um herauszufinden, wann „etwas“ zu einer Barriere wird und den Zugang für Menschen einschränkt, hilft ein Blick in den vierten Paragraphen des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG). Dieser definiert den Begriff Barrierefreiheit wie folgt:

„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“24

Daraus wird deutlich, dass Barrieren immer dann errichtet werden, wenn sich behinderte Menschen durch „etwas“ nicht mehr wie „normale“ Menschen frei und ungehindert in Ihrem Alltag bewegen können. Dabei erfolgt gemäß §3 BGG auch keine Einschränkung in Bezug auf die zu berücksichtigenden Behinderungen.25Demzufolge müssen also alle Barrieren, die für Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Einschränkungen auftreten können, betrachtet und möglichst, beseitigt werden. §4 BGG berücksichtigt ferner, dass der Alltag zunehmend auch durch die Systeme der Informationsverarbeitung beeinflusst wird. Da zu diesen Systemen auch das Internet zählt, wird somit auch der Forderung nach einem barrierefreien Internet Ausdruck verliehen.

Folgt man der Definition des BGG könnte man den Schluss ziehen, barrierefreies Internet bedeutet lediglich, dass behinderte Menschen im Internet gleichberechtigt werden, indem sie freien Zugang zu den dort abrufbaren Informationen erhalten. Dass sich Barrierefreiheit im Internet aber nicht nur an Menschen mit Behinderungen richtet, berücksichtigt diese Definition nicht. Etwas anders sieht es die WAI mit ihrer Begriffsklärung für „Accessibility“, was ins Deutsche übersetzt „Zugänglichkeit“ bedeutet und das englische Pendant für den deutschen Begriff „Barrierefreiheit“ darstellt:

„Web accessibility means access to the Web by everyone, regardless of disability.“26

23Duden: Stichwort „Barriere“, in: Das große Fremdwörterbuch (2003)

24§4, BGG, http://www.gesetze-im-internet.de/bgg/__4.html, 24.11.07

25§3, BGG, http://www.gesetze-im-internet.de/bgg/__3.html, 24.11.07

26Vgl.W3C (Hrsg.),What is Web Accessibility?, http://www.w3.org/Talks/WAI-Intro/slide3-0.html, 24.11.07

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2. Grundlagen

Während sich Barrierefreiheit im Sinne des BGG also lediglich auf die Zielgruppe der behinderten Menschen beschränkt, zählen für die WAI alle Menschen zu den Profiteuren von Accessibility im Internet.

Wenn man alle Menschen mit einbezieht, ergibt sich allerdings ein anderes Problem. Barrierefreie Webangebote mit den unterschiedlichen Bedürfnissen behinderter Menschen zu vereinbaren fällt schon nicht leicht, aber den verschiedenen Bedürfnissen aller Menschen gerecht zu werden, ist fast unmöglich. In der Praxis müssen deshalb immer wieder Kompromisse gefunden werden. Das zeigt, dass der deutsche Begriff der Barrierefreiheit eigentlich falsch ist. Denn eine hundertprozentige Freiheit von Barrieren gibt es nicht. Barrieren können minimiert werden, sie können aber niemals gänzlich für alle Menschen abgebaut werden. Ralph Segert stellt diese Problematik sehr anschaulich dar:

„Die Wortwahl Barrierefreiheit ist wohl einem deutschen Gründlichkeitswahn entsprungen, der - gestützt durch staatliche Verordnungen - nach statischen und eindeutigen Zuständen strebt, die es in einer extrem dynamischen Welt, wie die des Internets nicht geben kann. Konsequent zu Ende gedacht wäre eine echte barrierefreie Website selbst gegen einen ausfallenden Monitor gewappnet. Was andeutet, dass allein die zahlreichen technischen Unzulänglichkeiten nur dann kompensiert werden könnten, wenn man ganz stark und unnachgiebig an die Endlichkeit der Unendlichkeit glauben würde.“27

Anstatt von Barrierefreiheit wird deshalb vereinzelt auch von Barrierearmut gesprochen.28In der Literatur hat sich aber nur der Begriff „Barrierefreiheit“ durchgesetzt und ist inzwischen sehr bekannt geworden. Aus diesem Grund wird er auch in dieser Diplomarbeit verwendet. Bedenken sollte man dabei aber stets, dass mit dem Begriff „Barrierefreiheit“ nur ein Idealzustand angestrebt wird, welcher nie erreicht werden kann.

In den Fachbüchern zum Thema Barrierefreiheit im Internet wird zunehmend auch der Begriff „Barrierefreies Webdesign“ erwähnt. Damit wird unterstellt, dass sich die Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit auf Websites nur auf die Gestaltung der Webinhalte beziehen. Dieser alleinige Fokus auf das Webdesign ist durchaus gerechtfertigt. Zwar haben viele Zugangsbeschränkungen ihre Ursache in körperlichen, geistigen oder situativen Behinderungen. Wirklich zur Barriere werden diese Behinderungen aber erst durch das Webdesign. Beispielsweise können blinde Internetnutzer erst dann keine Bilder und Grafiken mit Hilfe von Screenreadern „sehen“, wenn durch den Websitegestalter keine Alternativtexte dafür hinterlegt worden sind. Folglich enthält die BITV in ihrer Anlage auch nur Kriterien für das Design von Websites.29

27Segert, Ralph,Zur Esoterik der Barrierefreiheit, http://segert.net/weblog/zur-esoterik-der-barrierefreiheit/, 24.11.07

28Vgl. Ebenda

29Vgl.Hellbusch, Jan Eric,Barrierefreies Webdesign (2005), S. 6

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2. Grundlagen

Zusammenfassend betrachtet, lässt sich feststellen, dass mit Barrierefreiheit im Internet ein Design-Prozess für Websites angestrebt werden soll, in welchen die Anforderungen aller Internetnutzer eingehen, um auf diese Weise Webangebote zu erstellen, die möglichst von allen nutzbar sind. Ein barrierefreies Internet verfolgt demnach einen integrativen Ansatz, um eine Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen durch spezielle Website-Versionen und Zugänge zu verhindern.30Dieser Ansatz macht deutlich, dass zwischen Barrierefreiheit im Internet und dem Design for All ein enger Zusammenhang besteht. Denn er spiegelt das zugrunde liegende Konzept für das Design for All wider, welches wie folgt definiert werden kann:

„Universelles Design [bzw. Design for All] ist der Entwurfsprozeß von Produkten (Geräte, Umgebungen, Systeme, und Prozesse), die von Menschen der breites [!] mögliche [!] Palette unterschiedlichster Fähigkeiten in der breitest möglichen Palette von Situationen (Umgebungen, Konditionen und Umstände) benutzt werden können.“31

Da diese Definition zahlreiche Überschneidungen mit den bisherigen Ausführungen dieses Kapitels aufweist, kann sie in modifizierter Fassung auch auf den Begriff Barrierefreiheit übertragen werden. Folgende Definition soll deshalb für diese Diplomarbeit gelten:

Barrierefreiheit im Internet beschreibt Methoden zur Gestaltung von Websites, um den eigenständigen Zugang und die Benutzung des Internets für eine größtmögliche Schnittmenge von Menschen mit unterschiedlichen technischen Voraussetzungen, Bedürfnissen, Behinderungen oder sonstigen Einschränkungen zu ermöglichen bzw. zu vereinfachen.

2.2 Zusammenhang zwischen Web-Usability und Barrierefreiheit

In der im vorherigen Absatz aufgestellten Definition zur Barrierefreiheit im Internet wird neben dem barrierefreien Zugang zum Internet auch die erleichterte Benutzung explizit erwähnt. Damit wird ein Aspekt angesprochen, der allgemein unter dem Begriff „Usability“ bekannt ist, welcher sich auch mit Begriffen wie „Benutzerfreundlichkeit“ und „Bedienungs-freundlichkeit“ umschreiben lässt. Die am häufigsten verwendete deutsche Übersetzung für Usability ist „Gebrauchstauglichkeit“.32Dieser Begriff wird in Teil 11 der DIN EN ISO 9241 folgendermaßen definiert:

„Gebrauchstauglichkeit ist das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufrieden stellend zu erreichen.“33

30Vgl.Hegner, Marcus,Gestaltung barrierefreier Webseiten, IZ-Arbeitsbericht Nr. 35, April 2005, S. 20

31Vgl.Forschungsinstitiut Technologie-Behindertenhilfe / FTB (Hrsg.),Barrierefreiheit, Design für alle, universelles Design, http://en.ftb-net.de/intro/unieinl.html, 24.11.07

32Vgl.Hellbusch, Jan Eric,Barrierefreies Webdesign (2005), S. 46

33Ebenda, S. 46

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2. Grundlagen

Projiziert auf das Internet, kann man anhand dieser Definition folgende Forderung ableiten: Der Internetnutzer soll möglichst schnell (=effizient) seine gewünschten Informationen finden (=effektiv) und dadurch zu einer positiven Einstellung gegenüber dem jeweiligen Webangebot gelangen (=zufrieden). Ob das gelingt, hängt u.a. von der Qualität und vom Umfang des Inhalts, der Gestaltung des Dialogdesigns, der Art der bereitgestellten Funktionen sowie von der Übersichtlichkeit der Programm- und Navigationsstruktur ab. Allerdings werden diese „Usability-bestimmenden“ Faktoren von den Internetnutzern sehr unterschiedlich bewertet. Die Ursache dafür liefert die oben aufgeführte Definition. Daraus wird deutlich, dass die individuelle Beurteilung der Usability von den Merkmalen der Benutzer, ihren An-forderungen und Erwartungen an Websites sowie von der konkreten Situation, in der das Webangebot eingesetzt wird, abhängig ist. Insofern wird Usability von Nutzer zu Nutzer unterschiedlich interpretiert. Um Websites benutzerfreundlich zu gestalten, müssen die Betreiber demzufolge ihre Zielgruppe genau kennen und sich auf diese mit bestimmten Instrumenten und Methoden konzentrieren.34

Accessibility bzw. Barrierefreiheit blickt im Gegensatz zur Usability nicht auf spezielle Zielgruppen, sondern fokussiert eine möglichst große Allgemeinheit, die eine Website hauptsächlich effektiv bedienen soll.35Dabei ist Accessibility für den Softwareentwickler Sven Lauritzen „aufdie Spitze getriebene Usability“36. Denn was dem einen Internetnutzer den Zugang erst ermöglicht, dient dem anderen als Zugangserleichterung.37Auch deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Barrierefreiheit zu einem Teil auf den Gestaltungskriterien zur Förderung von Usability basiert. Aufgrund dieser engen Verzahnung befinden sich viele dieser Kriterien auch in der BITV. Bei der Erarbeitung eines Kriterienkatalogs zur Bewertung von Barrierefreiheit dürfen demzufolge die Usability-Anforderungen für Webauftritte nicht außer Acht gelassen werden.

Allerdings darf nun nicht die Annahme getroffen werden, dass Webauftritte, die gemäß den Usability-Richtlinien entworfen worden sind, auch gleichzeitig barrierefrei sind. Verallgemeinernd lässt sich zwar sagen, dass alle Websites, die den Kriterien der Barrierefreiheit genügen, grundsätzlich auch Konzepte der Usability berücksichtigen. Wird der Fokus aber nur auf Usability gelegt, werden wichtige Aspekte der Barrierefreiheit nicht berücksichtigt bzw. durch einige Errungenschaften der Usability-Forschung torpediert.38Zum Beispiel berücksichtigt Usability wie bereits erwähnt, neben der Effektivität auch die Zielsetzung der effizienten Internetnutzung, was oftmals auch zu Lasten oder sogar auf Kosten der Accessibility geht.39

34Vgl.Lynch, Patrick; Horton, Sarah,Know your audience, http://www.webstyleguide.com/process/plan.html, 24.11.07

35Vgl.Radtke, Angie; Charlier, Dr. Michael,Barrierefreies Webdesign (2006), S. 128

36Lauritzen, Sven,Barrierefreies Web richtig verstanden, http://www.spot-media.de/index.php/article_product/detail/391, 24.11.07

37Vgl. Ebenda

38Vgl.Hellbusch, Jan Eric,Barrierefreies Webdesign (2005), S. 49

39Vgl.Radtke, Angie; Charlier, Dr. Michael,Barrierefreies Webdesign (2006), S. 128

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2. Grundlagen

2.3 Nutzung des Internets durch behinderte Menschen

Unter dem Gliederungspunkt 2.1 wurde erwähnt, dass mit einem barrierefreien Internet ein integrativer Ansatz verfolgt wird, welcher möglichst auch diejenigen Nutzer berücksichtigt, die vom Durchschnitt abweichenden Anforderungen besitzen. Dazu zählt insbesondere die Gruppe der behinderten Menschen. Aus diesem Grund ist für die barrierefreie Gestaltung von Websites die Kenntnis über die Probleme, mit denen diese Menschen bei der Internetnutzung konfrontiert werden, sowie ihre daraus resultierenden speziellen Anforderungen an dieses Medium ein elementarer Erfolgsfaktor. Im nachfolgenden Gliederungspunkt werden deshalb zunächst die größten Behinderungsgruppen sowie ihre grundlegenden Probleme bei der Internetnutzung vorgestellt. Welche konkreten Umstände dann für diese Menschen besonders problembehaftet sind, soll anschließend im Kapitel 2.4 verdeutlicht werden.

2.3.1 Sehbehinderte und blinde Menschen

Die Benutzung des Internets ist ohne den Bildschirm eines Computers nicht möglich. Menschen, die schlecht oder gar nicht sehen können, haben demzufolge ein Problem. Die Ausprägungen der Augenerkrankungen sind dabei sehr unterschiedlich. Neben den bekannten Formen der Kurz- und Weitsichtigkeit, über welche ein Viertel der Bevölkerung im berufstätigen Alter klagen, sehen einige Personen sehr unscharf und zum Teil kaum mehr als Hell-Dunkel-Kontraste im gesamten Gesichtsfeld. Andere hingegen sehen zwar scharf, dafür aber nur in einem sehr schmalen Ausschnitt, dem sog. „Tunnelblick“.40Insgesamt wird die Zahl der sehbehinderten Menschen mit einer Sehkraft zwischen 2% und 10% in Deutsch-land auf rund 500.000 geschätzt. Besonders betroffen ist die Gruppe der blinden Menschen, zu der in Deutschland rund 155.000 Menschen zählen.41Darüber hinaus reagieren einige Menschen stark auf unterschiedliche Beleuchtungsverhältnisse oder sind farbenblind. Circa 10% der männlichen Bevölkerung sind von leichten Formen der Farbenblindheit betroffen. In den meisten Fällen können diese Personen bestimmte Rot- und Grüntöne nicht voneinander unterscheiden.42

Während blinde und stark sehbehinderte Menschen relativ homogen in ihren Anforderungen an ein barrierefreies Internet sind, lassen die sonstigen außerordentlich heterogenen Augenerkrankungen keine allgemeingültigen Maßnahmen zur Beseitigung von Barrieren im Web zu. Aus diesem Grund müssen u.a. sämtliche Darstellungsparameter des Layouts von Webseiten, wie z.B. Schriftgröße oder Hintergrundfarbe, individuell anpassbar sein. Für blinde Personen spielt das keine Rolle. Sie werden in der Regel mittels assistiven Technologien, wie z.B. einem Screenreader oder einer Braille-Zeile, Informationen aus dem Inter-

40Vgl.Radtke,Angie; Charlier, Dr. Michael,Barrierefreies Webdesign (2006), S. 4

41Vgl. Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband / DBSV (Hrsg.), Statistisches, http://www.dbsv.org/infothek/Statistik.html, 24.11.2007

42Vgl.Radtke, Angie; Charlier, Dr. Michael,Barrierefreies Webdesign (2006), S. 4

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2. Grundlagen

net abrufen.43Auf solche und andere technischen Hilfsmittel für behinderte Menschen wird im Kapitel 2.3.5 näher eingegangen.

2.3.2 Hörgeschädigte und taube Menschen

Laut dem deutschen Schwerhörigenbund waren 2005 19% der deutschen Bevölkerung über 14 Jahren hörbeeinträchtigt.44Da im Internet Informationen visuell wahrgenommen werden können, stoßen diese Personen in diesem Medium scheinbar nur auf wenige Barrieren. Das eingeschränkte Hörvermögen stellt nur dann eine Barriere dar, wenn im Internet Audioinformationen und Videos ohne Untertitel angeboten werden. Momentan sind die daraus entstehenden Probleme eher gering, da Audioinformationen noch einen geringen Anteil im Internet ausmachen und oft nicht als alleiniger Informationsträger eingesetzt werden. Da aber davon auszugehen ist, dass sich das Internet in Zukunft verstärkt zu einem akustisch-interaktiven Medium entwickelt, könnte sich diese Barriere jedoch verstärken.45Hiervon nicht betroffen sind allerdings die auditiv orientierten Hörgeschädigten, die mit oder ohne technische Hörhilfen noch ausreichend über ihre Ohren aufnehmen können. Sind statt den Ohren aber die Augen für die Kommunikation wichtiger, spricht man von visuell orientierten Menschen. Für diese Personen sind optische Hilfen notwendig und zumeist steht bei ihnen die Gebärdensprache im Mittelpunkt ihrer Kommunikation. Insofern ist für diese Menschen im Rahmen eines barrierefreien Internets hauptsächlich darauf zu achten, dass Informationen nicht ausschließlich in akustischer Form vorliegen.46Darüber hinaus werden hörgeschädigte und taube Menschen, die seit ihrer Geburt visuell orientiert sind, mit einer weiteren Barriere konfrontiert. Da für diesen Personenkreis das Erlernen von Lautsprache nur erschwert und begrenzt möglich ist, wird neben der lautsprachlichen Kommunikationsfähigkeit auch das schriftsprachliche Potenzial stark beeinträchtigt. Laut Angaben von deutschen Schwerhörigenverbänden können deshalb 200.000 hörgeschädigte oder taube Menschen Inhalte im Internet meist nur dann vollständig verstehen, wenn diese Informationen auch in Form von Gebärdensprache verfasst werden.47

2.3.3 Menschen mit kognitiven Einschränkungen

Je mehr das Internet zum Bestandteil des alltäglichen Lebens wird, desto stärker rücken auch diejenigen Menschen in den Fokus der Barrierefreiheit, die sich durch kognitive, psychische oder andere geistige Behinderungen bei der Nutzung des Internets eingeschränkt sehen. Da diese Personen höchst unterschiedliche Bedürfnisse aufweisen, bilden sie keine einheitliche Gruppe. Bei der Internetnutzung zeigen sich aber im Umgang mit der Sprache

43Vgl.Radtke, Angie; Charlier, Dr. Michael,Barrierefreies Webdesign (2006), S. 4

44Vgl.Deutscher Schwerhörigenbund e.V. / DSB (Hrsg.),Statistische Angaben zur Hörschädigung in Deutschland (2005), http://www.schwerhoerigen-netz.de/MAIN/statistik.asp?inhalt=statistik03, 24.11.2007

45Vgl.Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik / BSI (Hrsg.),Barrierefreies E-Government (2005), S. 9

46Vgl.Radtke, Angie; Charlier, Dr. Michael,Barrierefreies Webdesign (2006), S. 17

47Vgl.BSI (Hrsg.),Barrierefreies E-Government (2005), S. 9