Was Google wirklich will - Thomas Schulz - E-Book

Was Google wirklich will E-Book

Thomas Schulz

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  • Herausgeber: DVA
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Exklusive Einblicke in den mächtigsten Konzern der Welt

Ob Smartphone, Internetsuche oder Navigation – Google ist unser Tor zur Welt. Zugleich gilt Google als übermächtig und unersättlich. Vor allem in Deutschland kämpft der Konzern mit Imageproblemen, nun will auch die EU gegen ihn aktiv werden. Doch Google hat begonnen, sich zu wandeln. Die Konzernführung glaubt fest daran, die Welt durch Technologie zum Besseren verändern zu können, und baut das Unternehmen Schritt für Schritt zu einer Zukunftsmaschine um. In den Laboren und Forschungsabteilungen wird an selbstfahrenden Autos, Quanten-Computern, Krebstherapien und einem Drohnen-Lieferservice aus der Luft gearbeitet. Google-Software wird bald nicht mehr nur Smartphones, sondern auch Autos, Haushaltsgeräte und sogar selbst entwickelte Roboter steuern. Satelliten und Ballons an der Weltraumgrenze sollen den ganzen Planeten mit Internet versorgen.

Thomas Schulz, der Silicon-Valley-Korrespondent des SPIEGEL, liefert in seinem Buch eine einmalige Nahaufnahme des mächtigsten Konzerns der Welt. Er verfügt über exklusive Zugänge in das sonst so verschwiegene Unternehmen und bietet Einblicke in dessen Geheimlabors und die Denkweise der Unternehmensführung. Sein Buch ist ein dringend nötiger Beitrag zu einer hochbrisanten, oft emotional geführten Debatte um unsere Daten und die digitale Zukunft.

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Seitenzahl: 517

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Das Buch

Google ist einer der erfolgreichsten Konzerne der Welt: Ob Internetsuche, Navigation oder Smartphone – fast jeder nutzt täglich ein Google- Produkt. Doch immer wieder steht das Unternehmen in der Kritik, auch weil unklar scheint, was mit all den Daten passiert, die Google über seine Nutzer sammelt. Thomas Schulz, der Silicon-Valley-Korrespondent des SPIEGEL, verfügt über exklusive Zugänge in das sonst so verschwiegene Unternehmen und zeigt, wie Google denkt, handelt und plant, woran Google forscht und warum. Sein Buch ist die Nahaufnahme eines Konzerns, der dabei ist, unsere Zukunft radikal zu verändern.

Autor

Thomas Schulz, geboren 1973, hat Politikwissenschaften in Frankfurt und als Fulbright-Stipendiat Kommunikationswissenschaften in Miami studiert. An der Harvard University forschte er als Gastwissenschaftler. Seit 2001 schreibt Schulz für den SPIEGEL, seit 2008 als Wirtschaftskorrespondent in den USA. Hier berichtete er zunächst aus New York über die Finanzkrise, bevor er 2012 nach San Francisco wechselte, um die SPIEGEL-Redaktionsvertretung im Silicon Valley aufzubauen. Schulz schreibt regelmäßig zu Wirtschafts- und Internetthemen, er ist ausgezeichnet mit dem Henri-Nannen-Preis, dem Holtzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik sowie als Reporter des Jahres.

Thomas Schulz

WAS

Google

WIRKLICH

WILL

Wie der

einflussreichste Konzern der Welt unsere Zukunft verändert

Deutsche Verlags-Anstalt

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1. Auflage

Copyright © 2015 Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH und SPIEGEL-Verlag, Hamburg

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: BÜRO JORGE SCHMIDT, München

Typografie und Satz: DVA/Andrea Mogwitz

Gesetzt aus der Garamond

E-Book-Herstellung: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-17430-9

www.dva.de

Für meine Eltern und Diana

Inhalt

Einleitung: Das digitale Jahrhundert

1 Die Grundlagen: Aus dem Studentenwohnheim zur Supermacht

2 Die Gründer: Vom Drang, die Welt zu verändern

3 Moonshots: Wie man eine Innovationsmaschine baut

4 In den Geheimlaboren: Woran Google wirklich arbeitet und warum

5 Suche: Die Vermessung der Welt und »ambitionierte Intelligenz«

6 Kluge Köpfe, Kreativität und keine Angst vor Risiko: Wie Google arbeitet

7 Smartphones, Roboter und Autos: Ein Betriebssystem für die Welt

8 Datenschutz, Digitalisierung und die Deutschen: Kulturkampf um Google

9 Die Zukunft: Aufstieg der Maschinenintelligenz oder Abstieg eines Internet-Riesen?

Dank

Register

»Wir sind vielleicht bei einem Prozent dessen, was möglich ist. Wir bewegen uns noch immer langsam angesichts der Möglichkeiten, die wir haben. Einer der Gründe dafür ist die ewige Negativität. Immer geht es um Google gegen irgendjemanden. Das ist langweilig. Wir sollten uns darauf konzentrieren, Dinge zu bauen, die es noch nicht gibt.«

Larry Page, Google-Gründer

»Die Gefahren der digitalen Revolution liegen zum einen in autoritären oder gar totalitären Tendenzen, die den Möglichkeiten der Technologie selbst innewohnen, zum anderen darin, dass neue Monopolmächte Recht undGesetz aushöhlen.«

Sigmar Gabriel, SPD-Vorsitzender und deutscher Vizekanzler

Einleitung: Das digitale Jahrhundert

Das Büro von Lawrence »Larry« Page, Gründer und Vordenker von Google, liegt versteckt am Ende eines langen Flurs im vierten Stocks des Konzern-Hauptquartiers in Mountain View, Nordkalifornien, rund eine Autostunde südlich von San Francisco. Es ist leicht, daran vorbeizulaufen, denn es fehlen fast alle klassischen Insignien eines mächtigen Konzernführers: Die zahlreichen Vorzimmerdamen, die eleganten, schweren Möbel, die grandiosen Räume. Stattdessen ein simples Zimmer, kaum mehr als 25 Quadratmeter, dunkelgrauer Teppich, heller Holz-Schreibtisch, gekennzeichnet nur mit einem weißen Namensschild, kaum größer als eine CD-Hülle. Vor der Tür sieht es aus wie in einem unaufgeräumten Studentenzimmer: An der Wand lehnt ein schwarzes Rennrad, ein voll behangener mobiler Kleiderständer steht mitten im Gang, und aus unerfindlichen Gründen liegen drei Motorradhelme auf dem Boden. Die Besuchercouch ist leicht abgewetzt und wirkt, als sei sie seit den 1990er Jahren nicht mehr ausgetauscht worden. Ein paar Meter weiter arbeiten der Finanzvorstand, die YouTube-Chefin und andere Führungskräfte in noch kleineren, kastenförmigen Minibüros mit verglaster Front. Es ist totenstill.

Wenn man Page trifft, begegnet man einem höflichen, ruhigen Mann, ein wenig fahl im Gesicht und mit Anfang 40 schon stark ergraut. Er spricht leise und unaufgeregt. Wenig deutet darauf hin, dass Page einer der mächtigsten Männer der Welt ist, Konzernlenker, brillanter Protagonist der digitalen Revolution, wichtigster Technologie-Ideologe. Page ist introvertiert, fühlt sich oft unwohl in sozialen Situationen, war als Kind ein Nerd, ein Außenseiter.

Es ist nicht leicht, ihn zu treffen. Er meidet die Öffentlichkeit mit großem Aufwand. Interviews gibt er zwei, drei Mal im Jahr. Im Fernsehen taucht er so gut wie nie auf. Seitdem er aufgrund einer Immunkrankheit Probleme mit seiner Stimme hat, verzichtet er selbst auf die jährlichen Google-Veranstaltungen. Fragen zu seinen privaten Interessen, wen er schätzt, wofür er sich interessiert, woran er Freude hat, wie er lebt, was er in seiner Freizeit macht, weicht er aus. Man weiß, dass er mit einer Bioinformatikerin verheiratet ist und zwei Kinder hat, aber nicht einmal deren Namen sind bekannt: verbannt aus dem digitalen Gedächtnis der Welt. Für jemanden, dessen erklärtes Lebensziel es ist, alles Wissen der Welt zu sammeln und für alle zugänglich zu machen, ist Page sehr darauf bedacht, das Wissen über ihn selbst zu verknappen.

Dabei gibt es wenige Menschen auf der Welt, über die wir mehr wissen sollten, die wir besser verstehen sollten als Larry Page. Innerhalb weniger Jahre hat er Google zum wohl einflussreichsten Konzern der Welt, zur ersten Supermacht des digitalen Zeitalters gemacht. Doch das reicht ihm nicht. Seine Ambitionen sind größer.

Als USA-Korrespondent des SPIEGEL beobachte ich Google schon lange und seit einigen Jahren auch aus nächster Nähe. Die immer rasanter voranschreitende digitale Revolution haben den SPIEGEL und mich Ende 2012 veranlasst, meinen Dienstsitz zu verlegen, weg von New York und mitten hinein ins Zentrum dieser Bewegung: ins Silicon Valley. Es gibt Dutzende Unternehmen hier, über die man zwar inzwischen vieles hört, aber trotzdem noch viel zu wenig weiß, die genauer beobachtet, erklärt und hinterfragt werden müssen. Apple, Facebook, Uber gehören sicher in diese Riege. Am Ende aber ist es vor allem ein Unternehmen, das im Mittelpunkt dieser transformativen Zeit steht. Google, und das wird aus der Nähe noch viel deutlicher, ist ambitionierter und klüger, aber auch kontroverser als alle anderen. Durch nahezu wöchentliche Besuche auf dem Unternehmens-Campus in Mountain View und in der Konzernniederlassung in San Francisco, durch unzählige Interviews und Hintergrundgespräche mit Ingenieuren und Managern, mit ehemaligen Mitarbeitern und eingefleischten Gegnern habe ich mich in den vergangenen Jahren mit Google intensiver auseinandergesetzt als mit irgendeinem anderen Unternehmen in 15 Jahren als Wirtschaftsjournalist. Dabei gab es auch immer wieder Momente, selten, aber intensiv, in denen Begegnungen mit Konzerngründer Page möglich wurden. In diesen Momenten gibt er erstaunlich offen Einblick in seine Ideen, seine Agenda, seine Ambitionen, seine Pläne für Google und die Welt. Denn das ist tatsächlich der Rahmen, in dem sich sein Denken bewegt: die Zivilisation als solches, die gesamte Menschheit. Page macht daraus keinen Hehl, im Gegenteil, die Welt zu verändern ist sein erklärtes Ziel. »Mein ganzes Streben geht dahin herauszufinden, wie die Zukunft aussehen kann, und sie dann zu erschaffen«, so sagt er es etwa bei einer Begegnung im Frühsommer 2015.

Weniger als zwei Jahrzehnte nach seiner Gründung nimmt Google einen so zentralen Platz in unserem Leben ein wie kein anderes Unternehmen. Wann immer wir online gehen: Google wartet schon. Kein Tag vergeht, ohne dass wir die Suchmaschine mit unseren Fragen bombardieren. Im Schnitt sind es weit über 100 Milliarden Suchaufträge im Monat. Gmail ist der meistgenutzte Email-Dienst der Welt. Android das weitverbreitetste Smartphone-Betriebssystem. Kein Unternehmen löst so viele widersprüchliche Gefühle aus: Bewunderung und Respekt, Wut und Angst. Und mit jedem Jahr, in dem Google wächst, noch bedeutungsvoller wird, werden diese Gefühle heftiger. Vor allem die negativen. Warum?

Während die Amerikaner mit der Macht des Konzerns fast fatalistisch umgehen, wird in Europa immer wieder ernsthaft seine Zerschlagung gefordert. In den Regierungsvierteln von Paris und Berlin wurde mit dem Gedanken gespielt, den Konzern in seine Einzelteile zu zerlegen.

Dazu muss in Erinnerung gerufen werden: Zerschlagungen sind in der modernen Wirtschaftsgeschichte der westlichen Welt extrem selten, am berühmtesten sind drei Fälle: Standard Oil, erster und größter Ölkonzern aller Zeiten, geschaffen von John Rockefeller und aufgebaut zu einem Giganten, der die Ölversorgung der Welt fast nach Belieben steuerte; AT&T, das amerikanische Telekommunikationsunternehmen, das den US-Markt komplett beherrschte; und die IG Farben, ein Zusammenschluss deutscher Chemiekonzerne, Instrument des Nazi-Regimes im »Dritten Reich«. All diese Unternehmen haben ihre Monopolstellung systematisch ausgenutzt, teils mit verbrecherischer Energie, und im Fall der IG Farben sogar tausende Zwangsarbeiter zugrunde gerichtet. Wie konnte sich ein Informatikprojekt, das einst von zwei schrulligen Doktoranden gegründet wurde, zu einem solchen Drohbild entwickeln, dass manche den Konzern nun in eine Reihe stellen wollen mit nachweislich verbrecherischen Monopolisten?

Sicher ist: Google war nie ein normales Unternehmen. Es beruht nicht auf einem konventionellen Geschäftsmodell und wurde nicht entwickelt, um möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen. Die Unternehmensgründer Larry Page und Sergey Brin haben früher als alle anderen erkannt, dass Daten die relevante Währung der digitalen Welt sind. Google hat sich deswegen früh darauf konzentriert, das Sammeln und Verarbeiten von Daten zu perfektionieren. Das sorgt bei vielen Nutzern für Unbehagen. Schon früh begann sich das Bild des Konzerns zu wandeln, sah man nicht mehr den liebenswert-lässigen Internet-Pionier mit seinem bunten, fröhlichen Logo, ohne den die Online-Welt nicht vorstellbar wäre. Das scheinbar naive Unternehmensmotto »Don’t be evil« – Tue nichts Böses – erscheint heute vielen als schlechter Witz. Durchgesetzt hat sich stattdessen das Bild des unersättlichen Datenkraken, der alle Informationen abgreift, der nicht stoppt vor dem, was höchst privat oder intim ist, der alles durchdringt und einsammelt, um es dann zu Geld zu machen. Doch auch dieses Bild ist unscharf geworden, es verschwimmt zusehends, zeigt allenfalls eine Facette. Wer genau hinschaut, sieht, dass Google begonnen hat, sich zu bewegen, mit großem Tempo. Die Frage ist: Wohin? Und was bedeutet das für uns? Denn wenn Google sich bewegt, dann sind die Erschütterungen nicht selten rund um die Welt zu spüren.

Der Wandel von Google begann an dem Tag, als Larry Page wieder die Führung des Konzerns übernahm. Zehn Jahre lang hatte Eric Schmidt das Unternehmen als Vorstandsvorsitzender geführt, der erfahrene IT-Manager war 2001 an Bord geholt worden, um das rasante Wachstum von Google zu steuern und für einen gelungenen Börsengang zu sorgen. Die Unternehmensgründer Page und Brin waren in dieser Zeit präsent, ließen Schmidt aber freie Hand, bis es ihnen nicht mehr schnell genug, nicht mehr gewagt genug voranging. Anfang Mai 2011 übernahm Page den Chefposten, Brin leitet nun vor allem als eine Art Chef-Forscher die Entwicklungslabore.

Page ist seither dabei, den Konzern grundlegend neu zu formieren. Schon lange ist Google für ambitionierte Wetten auf die Zukunft bekannt: den Versuch, alle Straßen der Welt zu fotografieren, einen Übersetzungscomputer zu bauen, die Erde zu digitalisieren. »Wir waren immer, immer, immer schon ein ambitioniertes Unternehmen«, sagt Amit Singhal, führender Ingenieur bei Google und Mitarbeiter der ersten Stunde. »Aber unter Larry haben sich unsere Ambitionen deutlich verändert: Sie sind heute noch größer. Noch gewagter.«

Solche Sätze sagen in diesen Tagen viele Google-Manager und sie klingen dabei nicht skeptisch, sondern euphorisiert. Wenn der Konzern über seine Pläne spricht, fallen oft Begriffe wie »Menschheit«, »jeder Winkel der Erde«, »Milliarden von Nutzern«. Wer kleiner denkt, wird schnell korrigiert, von den Kollegen oder von ganz oben: Das ist zu mickrig! Denke größer! Sei ambitionierter! So fordert es Page bei fast jeder Gelegenheit. So erzählen es seine Mitarbeiter aus allen Bereichen des Konzerns. Page hat die Philosophie des »10x« zum obersten Mantra des Konzerns erklärt: Alles, was der Konzern in Angriff nimmt, muss zehn Mal größer, besser, schneller sein als alles vorher Dagewesene. Es gehe schließlich darum, »die Welt zu verändern«, so wiederholt es Page wieder und wieder, um zu zeigen: Das ist keine Plattitüde, ich meine das ernst.

Ist das eine große Vision? Oder eher schon Größenwahn? Google ist längst kein reines Internet-Unternehmen mehr, sondern ein globaler Hightech-Konzern. Das Handy-Betriebssystem Android dominiert die Smartphone-Welt. Der Konzern verlegt Glasfaserkabel, produziert Laptops, Tablets und Software aller Art. 2014 machte Google 66 Milliarden Dollar Umsatz und 14 Milliarden Dollar Gewinn. Eine einzige Aktie des Konzerns kostete im Sommer 2015 über 660 Dollar. Sein Marktwert lag Anfang 2015 bei knapp 470 Milliarden Dollar. Zweifelsohne ist Google das erfolgreichste neue Unternehmen des frühen 21. Jahrhunderts.

Apple, der einzige Konzern der Welt mit höherem Marktwert, aber 30 Jahre älter, hält Google heute für seinen Hauptkonkurrenten. Aber das tun auch Facebook, Microsoft, Amazon und zahllose kleinere Technikfirmen. Und zunehmend tun dies auch Konzerne wie Siemens, Bosch oder Daimler, denn Google wagt sich auch in deren Geschäftsfelder vor. Die Metamorphose von Google zu einem weltumspannenden Industriekonzern wird jedoch nur ein Zwischenstopp sein. Page ist dabei, Google gezielt in eine Zukunftsmaschine zu verwandeln, mit der die Welt von morgen fabriziert werden soll. Doch will er die Welt auch beherrschen, wie Kritiker fürchten, auf die eine oder andere Art?

Ursprünglich lachte die Autoindustrie, als Google ankündigte, ein selbstfahrendes Auto entwickeln zu wollen. Inzwischen ist die Fantasie zur Realität geworden. Das Google-Auto gleitet sicher durch den dichtesten Stadtverkehr, ohne menschlichen Fahrer, gesteuert von einem Computer, einer lernenden Maschine. Die Massenproduktion von selbstfahrenden Autos ist nur noch eine Frage der Zeit. Vor sich hergetrieben von den Ingenieuren aus Mountain View, arbeiten inzwischen alle führenden Autokonzerne an eigenen Varianten fahrerloser Autos. Bei näherem Hinsehen ist auch das herkömmliche Auto längst ein rollender Computer: Navigation, Entertainment, Bordelektronik, alles wird durch Software betrieben. Und geht es nach Google, soll das vor allem die eigene Android-Software sein. Erste Kooperationen gibt es bereits, denn die Autokonzerne tun sich immer schwerer, auf diesem Gebiet mitzuhalten. Und auf das Google-vernetzte Auto sollen folgen: die Waschmaschine, der Kühlschrank, der Fernseher, die Heizung und das ganze Haus. Das Internet der Dinge, vernetzte, smarte Geräte stehen ganz oben auf der Agenda des Konzerns. Google wünscht sich eine Art Betriebssystem für die Welt. Macht diese Entwicklung unser Leben leichter, wie der Konzern hofft? Oder macht sie es nur leichter für Google, unser Leben zu kontrollieren?

Neben diesen naheliegenden Plänen, die schon so weit vorangeschritten sind, dass sie in der einen oder anderen Form fast sicher realisiert werden, wird in den mitunter höchst geheimen Google-Laboren systematisch an weit waghalsigeren Projekten gearbeitet, von denen viele nach wildem Science-Fiction klingen. Google Glass, der wie eine Brille tragbare Computer, oder eine Kontaktlinse, die den Blutzucker misst, waren nur der Anfang. In einer neuen Abteilung basteln die besten Google-Ingenieure daran, intelligente Roboter zu bauen, auch an Drohnen wird immer intensiver geforscht, sie sollen als fliegende, autonome Postboten eingesetzt werden. Auch als Datensammler?

Das Projekt Google Brain entwickelt Computer, die das menschliche Gehirn simulieren. Gemeinsam mit der Nasa erprobt der Konzern einen Quantencomputer, der tausende Male schneller rechnet als herkömmliche Supercomputer. Fliegende Windturbinen sollen Strom billiger und in größeren Mengen produzieren als Solaranlagen.

Die Suchmaschinen-Ingenieure bauen an einer riesigen Datenbank, die das ganze Wissen der Welt miteinander verknüpft und per Spracheingabe abfragbar macht. Eine neue Tochterfirma forscht an Möglichkeiten, das Leben zu verlängern, eine andere konzentriert sich auf die Krebsforschung. X, das Geheimlabor des Konzerns, gegründet von einem deutschen Ingenieur, arbeitet parallel an zahlreichen weiteren Projekten, die mitunter klingen, als wolle man die Welt der Fernsehserie »Star Trek« Wirklichkeit werden lassen. Das Forschungsbudget von Google hat sich unter Page mehr als verdoppelt. 2014 lag es bereits bei knapp zehn Milliarden Dollar.

Was der Konzern nicht selbst entwickelt, kauft er dazu, Firmen genauso wie Patente. 65 Milliarden Dollar Bargeld hat Google inzwischen angehäuft. Mehr als genug, um jedes aufstrebende Start-up, das irgendwie in die Strategie passt, mal eben im Vorbeigehen einzukaufen. Aber auch genug, um sich selbst große, namhafte Unternehmen einzuverleiben. Wenn Page wollte, könnte er problemlos zwei Dutzend führende deutsche Mittelständler, Maschinenbauer, Elektrotechnikfirmen, übernehmen, ohne dass es in der Bilanz groß auffiele. Anfang 2014 etwa kaufte der Konzern für 3,2 Milliarden Dollar Nest, das Unternehmen des iPod-Designers Tony Fadell, das intelligente Geräte wie Thermostate entwickelt. Ein eigentlich viel zu hoher Preis – aber Google rechnet nicht in Buchwerten, sondern in Strategie. Gleichzeitig umwirbt der Konzern führende Wissenschaftler aus allen Forschungsbereichen: Genetiker, Hirnforscher, Elektrotechniker, Maschinenbau-Ingenieure, Chemiker.

All diese Projekte, Ideen, Einkäufe und Experimente verbindet vor allem ein Gedanke: unser Leben mit intelligenten Maschinen zu füllen. Auf dem Weg dorthin versucht Google, eine Art Erweiterung unseres Ichs zu werden, ein allgegenwärtiger digitaler Assistent, der uns in allen Lebenslagen unterstützt: beim Autofahren, beim Buchen einer Reise, beim Energiesparen oder Fernsehen. Und der uns dabei zwangsweise auch ständig über die Schulter schaut.

Im preisgekrönten Kinofilm »Her« spielt, oder besser spricht, Hollywoodstar Scarlett Johansson ein solches omnipräsentes Computersystem, das zum besten Freund des Menschen geworden ist. Der Film ist Science-Fiction, aber die Frage ist, wie lange noch. Denn genau darum geht es den Google-Ingenieuren: Computer zu schaffen, die »menschlicher« sind, die selbständiger funktionieren, die lernen und auf »natürliche« Art mit Menschen interagieren. Es ist der Versuch, den ersten großen Schritt hin zur Erschaffung künstlicher Intelligenz zu machen. Wie weit sind wir entfernt von diesem Punkt, der den Kurs der Geschichte für immer verändern wird?

Auch nach außen hin wurde der rasant voranschreitende Wandel des Konzerns für jeden deutlich sichtbar, als Page unvermittelt im August 2015 ein ganz neues Google vorstellte: Die neuen Zukunftsprojekte, das selbstfahrende Auto etwa oder die Medizinforschung, und das alte Google, die Suchmaschine, Maps, YouTube, Android, sind seither voneinander getrennt und separate Unternehmen. Zusammengehalten werden sie unter einem neuen Dachkonzern namens Alphabet mit Page als CEO. Formalerweise müsste man ihn nun stets als Alphabet-Chef betiteln und in diesem Buch auch vor allem von den Plänen und Strategien von Alphabet sprechen. Doch das ist verwirrend, zumal die neue Form des Konzerns vor allem auf dem Papier existiert und es höchst fraglich ist, ob sich die Namenstrennung im allgemeinen Sprachgebrauch einbürgern wird. Aus Gründen der Verständlichkeit verwende ich deshalb hier durchgängig den Namen Google – auch für alle Bereiche, die nun technisch gesehen der neuen Holding Alphabet unterstehen.

Was zunächst nach einem radikalen Schnitt aussieht, ist nur der logische nächste Schritt des grundlegenden Konzenumbaus, den die Google-Gründer schon seit Jahren betreiben. Durch die neue Struktur wollen sie sich vom Tagesgeschäft befreien, sich noch mehr auf die große Strategie konzentrieren.

Es wäre leicht, all diese Pläne und Ambitionen der Gründer als verrückt abzutun, als viel zu hoch gegriffen oder als Nebelkerzen, die von dem eigentlichen, simplen Plan ablenken sollen, mit Daten Geld zu verdienen. Aber das wäre ein enormer Fehler. Denn Page und Brin sehen die enormen Profite ihres Konzerns nur als Mittel zum Zweck, als Weg zu größeren Zielen, die sie schon seit ihrer Jugend umtreiben. »Es gibt ein riesiges Potenzial, unser Leben durch Technologie zu verbessern«, sagt Page. »Es sollte niemanden überraschen, wenn wir viel in Projekte investieren, die spekulativ oder sogar seltsam erscheinen.«

Wie auch immer man sich mit Google auseinandersetzt, eines muss als Prämisse verstanden werden: All die wild klingenden Ideen und großen Pläne entstehen nicht willkürlich, sind nicht einfach aufs Geratewohl der Fantasie von Page entsprungene Beschäftigungsmaßnahmen für tausende Ingenieure und Programmierer. Im Gegenteil. Sie sind Teil eines Konzeptes, einer Weltsicht, mehr noch: einer Geisteshaltung.

Diese Geisteshaltung ist keine alleinige Schöpfung von Google, sondern umgekehrt ist Google am Ende eine Schöpfung dieser Haltung. Es ist eine Ideologie der radikalen Fortschrittsgläubigkeit und des Techno-Optimismus. Es ist die Ideologie des Silicon Valley, die sich über Jahrzehnte entwickelt hat in diesem eigenartigen Mikrokosmos eines rund 80 Kilometer langen Tals in Nordkalifornien, in dem es Geld und brillante Denker schon immer im Überfluss gab.

Dieses Epizentrum der digitalen Revolution ist längst mehr als eine prosperierende Wirtschaftsregion, und die zahllosen Ingenieure, Programmierer, Gründer und Konzernführer wollen mehr sein als Unternehmer. Sie verstehen sich als Vordenker des immer schneller voranschreitenden, weltweiten gesellschaftlichen Wandels und sind dabei, eine Leitkultur für das digitale Zeitalter zu schaffen. So wie es die Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert getan hat, verändert heute die Digitalisierung grundsätzlich, wie wir denken und wie wir leben.

Dass bei dieser Entwicklung mächtige Eliten entstehen, ist an sich nichts Neues. Während das 19. Jahrhundert von Fabrikanten und Ölbaronen dominiert wurde, waren es in den letzten Jahrzehnten vor allem Banker und Hedgefonds-Manager, die sich selbst ohne Ironie als »Masters of the Universe« bezeichneten und sich berufen fühlten, die Geschicke der Welt zu bestimmen. Doch auch ihre Ära neigt sich, so scheint es, dem Ende zu. Inzwischen sind es die Unternehmer und Tüftler aus dem Silicon Valley, die den Takt der wirtschaftlichen Entwicklung vorgeben, und diese Vordenker unterscheiden sich grundlegend von ihren Vorgängern: Es geht ihnen nicht in erster Linie ums Geld. Sie wollen nicht nur Macht durch Reichtum, sondern sie wollen mit dieser Macht und diesem Reichtum auch etwas bewegen. Sie sind zutiefst davon überzeugt, dass ihre Arbeit zum Wohl der Menschheit sein wird, dass sie die Zivilisation in großen Schritten weiterbringen. Ist das bewundernswert? Oder bedenklich?

Fakt ist: Der technologische Fortschritt im vergangenen Jahrzehnt war enorm. Und Fakt ist auch: Diese Entwicklung war erst der Anfang, denn sie verläuft nicht geradlinig, sondern exponentiell. Der Fortschritt wird noch schneller und größer werden, wie eine Lawine, die ganz oben als kleiner Schneeball anfängt und dann immer gewaltiger den Berg herunterdonnert. Selbstfahrende Autos galten eben noch als verrückt, aber heute wundert sich niemand mehr über sie. Dass Algorithmen in den USA rund 70 Prozent des Aktienhandels ausmachen? Normal. Die Valley-Vordenker sind überzeugt, dass die Umwälzungen der vergangenen Jahre kaum mehr als eine Ouvertüre waren.

Immer wieder wurde ich in den vergangenen Jahren gefragt, wie das Silicon Valley sich solch einen Vorsprung in der digitalen Welt verschaffen konnte. Warum es kein »deutsches Google« (oder Apple oder Facebook) gibt. Die Antwort hat viel mit zwei besonderen Eigenschaften der Valley-Unternehmen zu tun: Um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen, setzen sie kompromisslos auf Risikobereitschaft und Geschwindigkeit. »Beim Erforschen technologischer Grenzen haben wir nicht viel Konkurrenz«, sagt Page. Mit dieser Einschätzung hat er recht, auch weil kaum jemand verrückt genug ist, es zu versuchen. Google hingegen predigt seinen Mitarbeitern jeden Tag Mut zum Risiko. Der Konzern hat ein Programm geschaffen, das seinen Angestellten systematisch Innovationsbereitschaft und Kreativität beibringen soll. Jedes Jahr durchlaufen tausende Mitarbeiter solche Workshops. Geleitet wird das Programm, wie auch erstaunlich viele andere wichtige Projekte, von einem Deutschen.

Zur Risikobereitschaft kommt das ebenso unnachgiebig verfolgte Prinzip der Schnelligkeit hinzu. Denn wer zu langsam ist, wird aufgefressen. Wer nur sechs Monate nicht aufpasst, ist in der sich so rasant entwickelnden technologischen Welt schon abgeschlagen. Längst hat dieser Zwang zur Schnelligkeit die ganze IT-Industrie erfasst, vor allem diejenigen, die es jahrzehntelang gewohnt waren, nur in ihrem eigenen Tempo zu arbeiten. Microsoft etwa oder auch SAP, der einzige deutsche Software-Riese von globaler Bedeutung, der sich nun bemüht, neue Produkte alle drei Monate statt alle drei Jahre zu entwickeln. Während der deutsche Hang zur Gründlichkeit sich nur schlecht mit schnellem Wandel in Einklang bringen lässt, geht der Google-Ansatz dagegen so: Über Ideen wird nicht lange diskutiert, sie werden ausprobiert, getestet, verbessert. Was nicht funktioniert, wird ohne schlechtes Gewissen sofort verworfen.

Diese Prinzipien der digitalen Welt – die utopischen Ziele, das Primat der Schnelligkeit, die systematische Risikobereitschaft – haben weitreichende Folgen: Auf Hindernisse wird im Zweifelsfall keine Rücksicht genommen. Wenn man die Mentalität von Google und des Silicon Valley in einem Satz zusammenfassen müsste, hieße der: Geht nicht gibt�s nicht. Denn wer die Welt verändern will, kann sich nicht in jedem Winkel der Erde den existierenden Regeln anpassen. Wer Neues schaffen will, kann sich nicht von alten Ideen stoppen lassen. Wer das 21. Jahrhundert baut, kann das nicht mit dem Handwerkszeug des 20. Jahrhunderts tun. Wer vorankommen will, muss einfach losrennen, zumindest so lange, bis man aufgehalten wird. Das kann man rücksichtslos nennen oder skrupellos. Sicher ist: Es hat bislang gut funktioniert.

Diese Haltung ist zum Teil schon in der ur-amerikanischen Can-do-Mentalität angelegt. Aber die kalifornische Ideologie beinhaltet mehr als ein beherztes Anpacken und das aggressive Überschreiten von Grenzen, sie ist ein neues Gewächs, fest verwurzelt in der Digital-Industrie und den Eliten des Silicon Valley und steht im starken Kontrast zum europäischen Weltbild. Daraus ergibt sich ein großes Konfliktpotenzial. Die Opposition gegen Google wächst seit Jahren weltweit, in Europa und ganz besonders in Deutschland. In keinem Land wird sich intensiver, kritischer und emotionaler mit der Macht des Konzerns auseinandergesetzt.

Zum einen lässt sich dieses große Unbehagen aus der deutschen Geschichte erklären. Ein Land, dessen Bewohner im vergangenen Jahrhundert unter zwei grausamen Polizeistaaten leiden mussten, ausgeforscht und bespitzelt bis in den letzten Winkel, ist naturgemäß höchst sensibel, wenn es um das Sammeln von Daten geht. Ein Konzern, dessen Geschäftsmodell darin besteht, so viel wie möglich über uns zu wissen, wer wir sind, was wir tun, mit wem wir über was kommunizieren, ist da ein natürliches Feindbild.

Zum anderen, das ist das Paradoxe, scheint Google nirgendwo beliebter zu sein als in Deutschland, so lassen zumindest die Nutzerzahlen vermuten. Über 90 Prozent beträgt der Marktanteil von Google in der Internetsuche in Deutschland. In den USA sind es gerade einmal 79 Prozent. Ähnlich sieht die Verteilung auch bei anderen Google-Produkten aus. Die Deutschen nutzen Google mehr als (fast) alle anderen Nationen.

Aus dieser ambivalenten Haltung zu diesem Konzern, seinen Geschäftspraktiken und seinen Plänen sind Google in Deutschland mächtige Gegner erwachsen. Sei es der Springer-Verlag und sein Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner, die sich zu Anführern einer globalen Anti-Google-Bewegung aufgeschwungen haben, sei es Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel, SPD, der öffentlich über eine Zerschlagung des Konzerns nachdachte. Doch ist das die Debatte, die wir über Google führen sollten? Wird die Diskussion tatsächlich von der Sorge um Freiheit und Datenschutz aller angetrieben oder doch nicht vielmehr von eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen?

Sicher ist: Es stellen sich große Fragen über diese neue digitale Welt, in der wir leben und für die Google zum Symbol geworden ist. Wird nun alles gut, wie die professionellen Optimisten im Silicon Valley meinen, oder wird alles schlecht, wie die Kritiker das sehen, die ewigen Pessimisten und Warner? Man muss kein Prophet sein, um zu merken, dass viel auf dem Spiel steht. Die Freiheit des Einzelnen, sein Recht auf Privatsphäre, das Recht der Gemeinschaft, sich manchen Dingen, die machbar sind, zu verweigern, das Menschliche schlechthin, auch wenn es manchmal unlogisch und ineffizient ist. Zugleich locken mit der Digitalisierung enorme Chancen. Zugleich könnte da eine Zukunft sein, die in vielem tatsächlich besser ist als die Gegenwart. Weniger Verkehrstote sind nun einmal besser als viele. Jeder einzelne Krebstod weniger ist ein Gewinn. Und nicht zuletzt war das Wissen vieler in der Menschheitsgeschichte schon immer das beste Gegenmittel gegen die Übermacht Einzelner.

Google weiß sehr genau um den wachsenden Widerstand, den zunehmenden Gegenwind, der aus unterschiedlichsten Richtungen zu wehen scheint. Zwar hat kein anderes Unternehmen der Welt in diesem Moment eine solche Konzentration aus Intellekt, Geld, Macht und Daten, um die Zukunft zu erobern – und für sich zu sichern. Aber niemand kann wissen, wie lange dieser Moment dauert. Der Konzern ist alles andere als unverwundbar.

Wer etwas Zeit in der Unternehmenszentrale verbringt, merkt schnell, dass hinter der so selbstsicheren Fassade eine hohe Grundspannung schmort. Dass sich auch all die superklugen, erfindungsreichen Ingenieure und Programmierer ständig umschauen, nach rechts und links und vor allem nach dem, was sie von hinten überholen könnte: Jedes Jahr entstehen hunderte Start-ups mit neuen Ideen, ausgestattet mit Millionen Dollar von Startkapital und dem Ehrgeiz, das nächste große Ding zu werden. Auch der Konkurrenzkampf unter den großen Technologiekonzernen ist sehr viel härter geworden. Sie alle wollen vermeiden, wie Sony, wie IBM zu enden: Konzerne, die ein, zwei Jahrzehnte lang das Geschäft dominierten und dann rasend schnell den Anschluss verloren. Für die Chance, der Konkurrenz immer einen Schritt voraus zu bleiben, werden im Silicon Valley inzwischen enorme Summen geboten. Facebook etwa war bereit, 19 Milliarden Dollar für den Messaging-Dienst WhatsApp zu zahlen. So groß ist die Angst, in zehn Jahren wie Microsoft heute zu sein: Immer noch groß und profitabel, aber kein Marktführer mehr und mit jedem Jahr weniger relevant.

Während Zukäufe ein Weg sind, sich die Konkurrenz vom Hals zu halten, verwendet Google zudem sehr viel Zeit und Kapazitäten darauf, jene Fallstricke zu vermeiden, über die kurz oder lang noch die mächtigsten Unternehmen gestolpert sind: ausufernde Bürokratie, Selbstzufriedenheit, Unbeweglichkeit, Ideenlosigkeit. Kreativ und flexibel zu bleiben ist auch deshalb wichtig, weil der Druck der Investoren wächst. Sie wollen sehen, dass mit all den technologischen Visionen, die Google verfolgt, auch Geld verdient werden kann, zumindest irgendwann.

Wie reagiert der Konzern auf diesen Druck? Wie versucht Page, Google auf Jahrzehnte hinaus als Impulsgeber des technologischen Fortschritts zu etablieren?

Denn der Konzerngründer will keinen Deut von seinen großen Plänen, von seinen technologischen Visionen abweichen. Und vor allem nicht von seinem Lebensziel: die Welt zu verbessern. »Das gesellschaftliche Ziel ist unser Hauptziel«, sagt Page. »Das wollten wir schon immer mit Google. Uns ist es nur nicht gelungen, das so deutlich zu vermitteln, wie wir wollten.« Darf man ihm Sätze wie diese glauben? Sicher ist, dass der Konzern im Wandel begriffen und zunehmend gewillt ist zu diskutieren, zuzuhören, offen zu sein für Kritik. Page ist sich bewusst, dass er nur dann eine Chance hat, seine großen Visionen umzusetzen, wenn Google sich nicht in zahllosen Grabenkämpfen aufreibt. Denn Google ist am Ende auch nur ein Unternehmen, das auf das Wohlwollen seiner Kunden angewiesen ist. Die Konzernführung ist deswegen weitaus stärker für die Debatte in Deutschland sensibilisiert, als man vielleicht vermuten würde.

Google hat für dieses Buchprojekt zahlreiche Interviews mit Ingenieuren und Programmierern, Managern und Konzernlenkern ermöglicht. Es ist das erste Mal, seitdem Larry Page wieder die Führung des Konzerns übernommen hat, dass der Konzern bei einem Buchprojekt kooperiert. Und es ist das erste Mal überhaupt, dass Google einem deutschen Autor Zugang gewährt. Dies ist eine der ersten Regeln, die bei der Betrachtung von Google stets im Hinterkopf zu behalten ist: Der Konzern hat eine intellektuelle Führung, denkt und handelt sehr bewusst in politischen Bahnen. Schon deswegen bemüht sich der Konzern nicht, eine Blackbox zu sein wie Apple, hermetisch abgeriegelt und noch immer das Nordkorea der Tech-Industrie. Google sucht durchaus den Dialog.

Keineswegs aber basiert meine Recherche ausschließlich auf Einblicken, die mir Google vermittelt hat. In den vergangenen Jahren habe ich ein umfangreiches Netzwerk eigener Quellen aufgebaut, innerhalb und außerhalb des Konzerns, darunter auch eine ganze Reihe deutscher Mitarbeiter. Die gut ausgebildeten deutschen Ingenieure und Informatiker sind beliebt im Silicon Valley, und auch bei Google nehmen viele von ihnen Führungspositionen ein. Sie bieten eine besondere Perspektive: einerseits der Agenda des Konzerns nahestehend, andererseits wohl wissend um die Debatte in der alten Heimat. Viele von ihnen sind irritiert darüber, wie in Deutschland über ihren Arbeitgeber gesprochen wird. Sie sind es leid, oft das Gefühl vermittelt zu bekommen, »für einen Waffenhändler zu arbeiten«, wie ein deutscher Google-Ingenieur sagt.

Die Debatte um Google ist emotional aufgeladen, denn es steht in der Tat viel auf dem Spiel in diesen Tagen, und es scheint, als steuerten wir auf einen kritischen Punkt zu, an dem sich entscheiden wird, wie die digitale Welt in den kommenden Jahrzehnten aussehen wird. Dabei geht es nicht nur um volkswirtschaftliche, sondern um politische, um gesellschaftliche Fragen: Ist technologischer Fortschritt am Ende immer gut? Wie viel Macht dürfen private Unternehmen über unser Leben haben? Erstaunlich bei der jetzigen Debatte um Google ist jedoch, dass sie fast ausschließlich aus tausenden Kilometern Entfernung geführt wird, dass noch immer viel zu wenig bekannt ist über diesen Konzern, der so viel Einfluss auf unser Leben hat.

Das erste Ziel dieses Buches ist deswegen, Google aus nächster Nähe zu erklären. Die Denke, Strategie und Protagonisten des Konzerns zu analysieren. Hinter die Kulissen zu schauen und zu beleuchten, wie Google arbeitet und an was, wie das Management denkt, welche ethischen und politischen Ideen in dessen Entscheidungen einfließen.

Der erste Schritt dabei ist, den rasanten Aufstieg des Konzerns zu untersuchen. Wie wurde der Konzern zu dem, was er heute ist? »Google wurde gegründet, um Informationen für jeden zugänglich zu machen«, sagt Eric Schmidt. »Ein Nebenprodukt dieser Strategie war, dass wir ein Werbe-Geschäftsmodell erfunden haben, das es uns erlaubt, die notwendige Infrastruktur zu bauen und die Mitarbeiter einzustellen.« So geht die Gründungslegende. Doch wie viel Wahrheit steckt in dieser Darstellung?

Zwingend ist, sich Larry Page und Sergey Brin zu nähern, den Gründern und alleinigen Herrschern des Konzerns. Wie speisen sie ihre Philosophie der »Moonshots«, des Griffs nach den Sternen, in den Unternehmensalltag ein? Wie entwickelt Google solche Moonshots, deren Ziel es ist, dass jeder nächste Schritt zehn Mal größer sein muss als der vorherige, jede neue Idee zehn Mal großartiger als alle anderen zuvor? Es gilt zu verstehen, was in den Laboren und Entwicklungsabteilungen passiert, wo an Robotern, Drohnen, neuartigen Computern und Medizinprojekten gearbeitet wird. Diese Bereiche sind geheim, aber es gibt Zugänge – teils inoffizielle –, die Einblicke gewähren. Es gilt zu verstehen, was Google mit Android plant, seinem Smartphone-Betriebssystem, das künftig auch Autos und Maschinen jeder Art steuern soll. Es gilt zu verstehen, wie der Konzern strukturiert ist, wie er Personal auswählt, wie und auf Grundlage welcher Prinzipien er Entscheidungen trifft.

Es gibt manche, die sagen, dass Google sich gerade tatsächlich zu einem neuen Standard Oil entwickelt, zu einem ähnlich rücksichtslosen Monopolisten wie Rockefellers Ölimperium des 19. Jahrhunderts. Nur dass Google Macht über Daten besitzt statt Macht über die Energieversorgung. Andere sehen in Google eher ein neues General Electric, das Unternehmen des legendären Erfinders Thomas Edison, ohne das das Zeitalter der Elektrizität nicht denkbar gewesen wäre: ein breit aufgestellter Industriekonzern, der wie kein anderes Unternehmen seinen Erfindungsreichtum in kommerzielle Produkte für die ganze Welt umsetzt und damit die Zivilisation voranbringt.

Doch unabhängig davon, mit welcher Haltung man sich Google nähert, die grundlegenden Fragen bleiben doch die gleichen: Was ist das für ein Unternehmen, dessen Ziel es ist, die Welt zu verändern? Das ausufernde Datensammeln und das oft trampelige, arrogante Auftreten des Konzerns in der Vergangenheit machen sicherlich misstrauisch. Aber muss es uns auch Angst machen? Sollten wir nicht am Ende applaudieren, dass ein Unternehmen mit all seiner Energie wagt, was andere sich nicht trauen: die Zukunft zu erfinden? Denn die Angst vor Google rührt auch daher, dass die Konzerne aus dem Silicon Valley ihre Zukunftsvisionen weitgehend unangefochten verwirklichen können. Es stellt sich deswegen auch die Frage: Kann Google im Hinblick auf Organisationsform und Ambitionen sogar Modell sein für deutsche Unternehmen, als Inspiration dienen, wieder wagemutiger zu sein und technologische Visionen zu verwirklichen?

Sicher ist jedenfalls: Wer die Zukunft verstehen will, muss Google verstehen.

1Die Grundlagen: Aus dem Studentenwohnheim zur Supermacht

Das Hauptquartier von Google liegt im Zentrum des Silicon Valley, nur wenige hundert Meter von der Bucht von San Francisco entfernt, am Rande der Kleinstadt Mountain View. Die Firmenzentrale ist umgeben von – nichts. Das Silicon Valley hat keinen Mittelpunkt, keine zentrale, pulsierende Energie. Es ist das Gegenteil der gleißenden Fassaden von Shanghai, der beeindruckenden Skyline des Finanzviertels von Manhattan und all den anderen Machtzentren der Welt, wo es selbstverständlich ist, dass Geld und Einfluss so eindrucksvoll wie möglich präsentiert werden: mit hochaufragenden Bürotürmen, mit Trutzburgen aus Marmor, mit riesigen, bewachten Anlagen aus Glas und Stahl. Das Silicon Valley dagegen wirkt oft wie ein Gewerbegebiet in Süd-Hannover. Nicht wenige Besucher, die zum ersten Mal zum Google-Hauptquartier kommen, fragen sich, ob sie am falschen Ort gelandet sind, bei einem Außenposten vielleicht, in einer unwichtigen Zweigstelle. Denn erwartet wird zwangsläufig Gigantisches, eine Zentrale, so überbordend wie der Einfluss und die Ambitionen des Konzerns, zumindest aber repräsentativ für die sich anhäufenden Milliardengewinne. Stattdessen aber besteht das Google-Hauptquartier aus einigen Dutzend gesichtsloser Glas- und Betonwürfel, keiner höher als drei, vier Stockwerke. Es ist eine Ansammlung von nichtssagenden, kastenförmigen Gebäuden, architektonisch höchst trivial. Es gibt keine imposante Auffahrt, keinen Haupteingang oder eine zentrale Lobby, noch nicht einmal ein großes Schild, an dem sich erkennen ließe: Hier geht es rein. Auch eine Sicherheitszone fehlt: Tore und Schranken, Wächter und hohe Zäune, wie man sie von nahezu jedem Weltkonzern kennt, sind nirgends zu finden.

In der Mitte der Anlage liegt dafür zwischen einigen Gebäuden ein kleiner Platz mit Sonnenschirmen, bunten Stühlen und einem Beach-Volleyballfeld, auf dem schon morgens um acht Uhr reger Betrieb herrscht. Es ist der einzige Indikator, dass hier irgendwie das Zentrum sein muss. Die Anlage, genannt Googleplex, verteilt sich über mehrere Straßenzüge, sie ist so weitläufig, dass die Fußwege zwischen einzelnen Gebäuden mitunter eine halbe Stunde betragen. Deswegen parken vor allen Eingängen bunte Hollandräder in den Google-Farben: Den ganzen Tag über strampeln Mitarbeiter über das Gelände von Meeting zu Meeting. Zur Mittagszeit drängen Tausende hinaus in die kalifornische Sonne, ein dichtes Gewusel fast ausschließlich junger Menschen, kaum jemand scheint älter als 40. Sie sammeln sich unter Wacholderbäumen und Palmen, sitzen in frisch gemähtem Gras. Im Silicon Valley fühlt sich auch der Januar nach Frühling an. Salzige Meeresluft weht aus der Bucht herüber. Manchmal vermischt mit dem Geruch von Marihuana. Das vermeintliche finstere Zentrum des digitalen Kapitalismus fühlt sich manchmal an wie linksalternativer Unicampus.

In den Büros hängen Plakate von Tierschutzverbänden an den Wänden. Zum Mittagessen gibt es Tofu, und dabei wird diskutiert, wie sich die Welt verbessern lässt. Eine Zeitlang fingen Meetings immer um sieben nach der vollen Stunde an, so wie an den Universitäten Vorlesungen immer erst einige Minuten nach der vollen Stunden beginnen. Auf der Herrentoilette hängen über den Pissoirs in Augenhöhe kurze Programmier-Tipps oder Denksport-Aufgaben. Wer im Anzug oder, noch schlimmer, mit Krawatte auftaucht, wird sofort als ahnungsloser Besucher aus Europa oder Banker identifiziert. Die Bürouniform besteht aus T-Shirt, Fleecepulli und Turnschuhen, gerne auch aus Barfuß-Laufschuhen oder Flip-Flops.

Oft wird vergessen, dass der Aufstieg der heute wichtigsten Silicon-Valley-Unternehmen zu globalen Riesen zumeist erst nach der Jahrtausendwende begann. Lange fehlten den Unternehmen nicht die Ambitionen, sondern Geld und Zeit, um sich repräsentative Hauptquartiere zu bauen. Das ändert sich gerade. Apple-Gründer Steve Jobs etwa gab wenige Wochen vor seinem Tod noch ein letztes Wunderwerk in Auftrag. Er wusste, es würde sein Vermächtnis sein, ein Symbol seines Wirkens und Ausdruck kreativer Weltherrschaft: ein neues Hauptquartier für Apple, entworfen von Stararchitekt Norman Foster. »Das beste Bürogebäude der Welt«, verkündete Jobs bei der ersten Präsentation der Pläne vollmundig, »ein bisschen wie ein Raumschiff.« Es wird zumindest wohl der teuerste jemals gebaute Firmensitz der Welt sein, ein gigantischer kreisrunder Monolith für fünf Milliarden Dollar, kostspieliger als der zehn Jahre währende Wiederaufbau des World Trade Centers in New York. Ende 2016 soll das Gebäude fertig sein.

Mark Zuckerberg, Facebook-Chef mit der Vision, die ganze Menschheit online zu vernetzen, beauftragte den nicht minder berühmten Architekten Frank Gehry, ein neues Hauptquartier zu schaffen. Natürlich ist auch dies nicht irgendein Gebäude, sondern »die größte offene Bürofläche der Welt«, wie Zuckerberg sagt, ein immenser Raum für 3400 Facebook-Mitarbeiter. Das Gebäude selbst verschwindet in der Landschaft, bedeckt von Bäumen und Wiesen. »Von außen soll es aussehen wie ein Hügel in der freien Natur«, sagt Zuckerberg über die im Frühjahr 2015 eröffnete Erweiterung. Nvidia, einer der wichtigsten Chip-Hersteller der Welt, konstruiert einen enormen Firmensitz, halb Fußballstadion, halb Flughafenterminal: zwei Dreiecke aus Glas und Stahl, der Computerchip dient als Vorlage. Amazon-Chef Jeff Bezos, ebenfalls wirtschaftlichen Weltherrschaftsplänen nicht abgeneigt, lässt unterdessen das erste Biosphären-Hauptquartier der Welt errichten: drei Kuppeln aus Glas und Stahl, jeder ein künstliches Ökosystem mit eigenem Mikroklima und entsprechender botanischer Zone. Die Biosphären-Büros, erstellt vom preisgekrönten Architekturbüro NBBJ, werden im Schatten eines dazugehörigen Wolkenkratzers in Seattle stehen, der künftig die Skyline der Stadt dominieren soll.

Auch Google will seinen Campus nun erheblich erweitern und gleich neben dem aktuellen Googleplex auf knapp 25 Hektar eine Firmenzentrale mit mehr Symbolwert errichten. Im Frühjahr 2015 präsentierte Google den Entwurf für ein radikales Design der Architektenfirmen Bjarke Ingels Group und Heatherwick Studio, das »Bloomberg Business Week« als »gigantisches menschliches Terrarium« bezeichnete. Dabei sollen quasi alle grundlegenden architektonischen Konzepte, von Wänden über Treppen bis hin zu Dächern neu gedacht werden. Vier Zirkuszelt-ähnliche, modulare Gebäude mit riesigen Glasfassaden, gestützt auf hohe Stahlsäulen sollen zehntausend Mitarbeitern auf enormen, offenen Flächen Platz bieten. Höhenunterschiede sollen über Rampen überwunden werden, damit man mit dem Fahrrad bis zum Schreibtisch fahren kann. Nebenan sollen mehrere tausend Wohnungen entstehen.

Erst zu Beginn des nächsten Jahrzehnts werden all die neuen Hauptquartiere fertig sein. Aber die Details und Designs sind dank städtischer Planverfahren öffentlich einzusehen, illustriert mit genauen Computersimulationen, Kostenaufstellungen und Blaupausen. Dabei wird schnell klar: Für die Zukunft werden es die einfachen Betonwürfel nicht mehr tun. Erwünscht sind architektonische Techno-Visionen als Reflexion der digitalen Dominanz, Ausdruck der ökonomischen und kulturellen Vormachtstellung, die das Silicon Valley und seine Anführer immer offener für sich beanspruchen.

Für Google liegt die Symbolik allerdings nicht in Marmor und Eleganz, sondern in maximaler Effizienz. Der Konzern trifft keine Entscheidung ohne aufwendige Datenanalyse, auch nicht in der Frage, wie Büros und Arbeitsumfeld strukturiert sein müssen. Die Daten zeigen etwa, dass Wolkenkratzer schlecht für die Produktivität sind. Stattdessen sollten Bürogebäude sich stets in die Breite und nicht in die Höhe erstrecken. Nur so kann die perfekte Ideenschmiede entstehen, die optimale räumliche Umgebung für den möglichst produktiven digitalen Arbeiter, der weltverändernde Erfindungen am laufenden Band produziert. Denn die Daten zeigen, dass nur wer kollaboriert, wirklich kreativ ist. Also müssen möglichst alle Abgrenzungen verschwinden, seien es Stockwerke oder Wände. Einzelbüros gibt es kaum noch, nicht einmal für Führungskräfte. Die offene Spiel- und Denkfläche ist die dominierende Grundform der Digitalwirtschaft. »Das alles beruht auf Verhaltenswissenschaft«, sei belegt durch zahlreiche Studien, sagt Hao Ko, Design-Direktor im Architekturbüro Gensler und zuständig für die neue Nvidia-Zentrale. Es geht darum, »eine Umgebung herzustellen, in der man sich ständig begegnet, spontane Unterhaltungen entstehen«, in der sich Manager nicht hinter verschlossenen Türen verstecken können. Mitarbeiter auf derselben Etage sähen sich praktisch jeden Tag, sagt Ko. Bei unterschiedlichen Stockwerken so gut wie nie.

ENDE DER LESEPROBE