Bezaubernde Hexe - Barbara Cartland - E-Book

Bezaubernde Hexe E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

Prinzessin Laetitia möchte ihre Cousine, Prinzessin Stephanie, vor einer von ihrer Großtante arrangierten Heirat mit dem König von Zvotana zu retten. Denn Stephanie ist in ihren Bruder Kyril verliebt. Doch Laetitia und ihre Familie sind selbst von der Gnade der Großtante abhängig, da ihr Vater früh verstorben ist. Sie muss also vorsichtig sein. Da fällt ihr ein, dass die Zigeuner, deren Blut auch in ihren Adern fließt, vielleicht mit einem Zauber helfen könnten. Kann sie Stephanie vor einer lieblosen Ehe retten oder gerät Laetitia dabei selbst in Gefahr?

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Bezaubernde Hexe

Barbara Cartland

Barbara Cartland E-Books Ltd.

Vorliegende Ausgabe ©2015

Copyright Cartland Promotions 1985

Gestaltung M-Y Books

1825 1

„Es hat keinen Zweck“, sagte Prinzessin Laetitia zu ihrer Schwester. „Aus diesem Kleid läßt sich nichts machen.“

„Du siehst doch immer hübsch aus, egal, was du trägst“, antwortete Prinzessin Marie-Henriette.

Laetitia lächelte.

„Du weißt doch genauso gut wie ich, daß Augustina an allem, was wir tragen, etwas auszusetzen hat.“

Marie-Henriette lachte.

„Unsere Cousine fürchtet, wir könnten Komplimente erhalten, die doch ausschließlich Stephanie zustehen. Sie mag uns ebenso wenig wie Mama.“

Laetitia warf einen Blick zur Tür, als ob ihre Mutter die Kritik an Augustina hören könnte. Dann sagte sie mit gedämpfter Stimme: „Ich weiß es, Hettie, aber sprich es nicht aus. Du weißt, es bedrückt Mama.“

„Verwunderlich ist es nicht“, bemerkte Marie-Henriette. „Ohne Geld und bei den Feindseligkeiten im Palast. Ich wünschte, wir könnten irgendwo anders hingehen - aber wohin?“

„Es gibt keine andere Lösung“, antwortete Laetitia, „also müssen wir uns damit abfinden.“

Während sie sprach, legte sie das Kleid, das sie ändern wollte, auf einen kleinen Tisch, ging zum Fenster und blickte in den Hof.

Hier, unweit des Palastes, standen einige kleine, nette Häuser, die um einen Innenhof angeordnet waren.

Die ehemaligen Gästehäuser wurden den Verwandten des Großherzogs und Staatsmännern, die ihrem Land treu gedient hatten, zur Verfügung gestellt, wenn sie sich keinen eigenen Haushalt leisten konnten.

Nachdem Paul von Ovenstadt im Kampf gegen die eindringende Soldateska eines Nachbarlandes gefallen war, mußte die Familie ihr bisheriges Heim, ein hübsches, komfortables Haus, verlassen und in das kleine, ziemlich beengte Gästehaus ziehen, wofür sie jedoch sehr dankbar waren.

Doch was die beiden Prinzessinnen und ihren Bruder, wenn er nicht bei seinem Regiment war, ärgerte, waren die Freundlichkeiten aus dem Palast, wie Marie-Henriette es nannte.

Dies war nicht die Schuld des Großherzogs, der seinen Cousin Paul sehr gemocht hatte, sondern die der Großherzogin.

Da Louis einen älteren Bruder hatte, hatte er nie erwartet, den Thron zu erben. Er und Prinz Paul waren zusammen aufgewachsen und hatten sich geschworen, niemals zu heiraten.

Doch Paul verliebte sich als erster Hals über Kopf in die hübsche Tochter eines Adeligen, die königliches Blut in den Adern hatte.

Da der Prinz einen relativ unbedeutenden Platz in der Thronfolge einnahm, durfte er nach einigen schwachen Protesten das Mädchen seiner Wahl heiraten. Den einzigen ernsthaften Einwand erhob Louis, der sich zum ersten Mal in seinem Leben etwas einsam fühlte.

Sechs Monate danach starb dessen älterer Bruder an einer unbekannten Krankheit, und als Louis Kronprinz wurde, drängte man ihn zur Heirat.

Nett und pflichtbewußt wie er war, ließ er sich zur Heirat mit einer preußischen Prinzessin bewegen. Sie brachte zwar dem Land, das sie künftig an der Seite ihres Gatten regieren sollte, unzweifelhaft einigen Nutzen, entwickelte sich jedoch sofort zum dominierenden Teil der Partner.

Mit den Jahren bestätigte sich, was böse Zungen in Ovenstadt längst behaupteten: Die Großherzogin hatte die Hosen an in ihrer Beziehung.

Sie hatte zwei Kinder: einen Sohn namens Otto, der von Geburt an verzogen und fast genauso widerwärtig war wie seine Mutter, und eine Tochter namens Stephanie, die nach ihrem Vater geriet und deshalb bei allen, die sie kannten, beliebt war.

Da alles nach dem Willen der Großherzogin geschehen mußte und sie eigensinnig, machtgierig und außerordentlich eifersüchtig war, mochte sie weder Pauls reizende Frau Olga noch deren Kinder.

Dies war nicht verwunderlich, denn es blieb niemandem verborgen, daß Laetitia und Marie-Henriette von Tag zu Tag hübscher wurden.

Überdies sah Kyril, der Bruder der beiden, weitaus besser aus als Kronprinz Otto, auch war er intelligenter und unzweifelhaft der bessere Sportsmann.

Die Mädchen im Gästehaus wurden von der Großherzogin bei jeder erdenklichen Gelegenheit gerügt, und sie machte deutlich, daß die Prinzessinnen im Palast nicht willkommen waren.

Nur aus Gründen der Staatsräson wurden sie eingeladen, weil ihr Vater bei Staatsmännern und den Bewohnern von Ovenstadt so beliebt gewesen war, daß die Großherzogin es nicht wagte, sie zu übergehen - was sie aber liebend gern getan hätte.

Die beiden Mädchen machten sich oft, wenn sie allein waren, Gedanken über ihre Zukunft.

„Eines ist offensichtlich“, sagte Laetitia, „bevor Stephanie nicht verheiratet ist, haben wir keine Chance, einen Ehemann zu finden.“ Nachdenklich fuhr sie fort: „Und auch dann wird Augustina alles unternehmen, uns so lange vor allen in Frage kommenden Junggesellen zu schützen, bis sich einer findet, der uns für immer von Ovenstadt fernhält.“

Laetitia bemerkte dies ohne Bitterkeit, zumal es weitaus leichter war, darüber zu lachen, als darüber zu weinen.

Jetzt, gerade achtzehn Jahre alt geworden, wußte sie auch, daß es weder für sie noch für ihre sechzehn Monate jüngere Schwester Marie-Henriette genügend Geld gab, um hübsche Kleider zu kaufen.

Ihre Mutter mußte jeden Penny dreimal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben konnte.

„Papa wäre darüber sehr zornig“, sagte sie, wenn sie absichtlich von irgendeinem Fest im Palast ausgeschlossen wurden, zu dem man sie eigentlich hätte einladen müssen.

Das Gleiche sagte sie, wenn das wenige Geld, das sie hatten, nicht ausreichte, um sich für die Gastfreundschaft jener, die sie eingeladen hatten, zu revanchieren.

Als sie das Thema einmal ansprach, seufzte ihre Mutter: „Ich weiß, Liebling, aber ich fürchte, das ist unser Kreuz, das wir tragen müssen.“

„Aber warum denn?“ erwiderte Laetitia heftig. „Papa ist für sein Land gestorben, und wir werden offensichtlich auch noch dafür bestraft.“

Einen Augenblick dachte Olga nach. Dann sagte sie: „Ich weiß, wie ärgerlich es für euch ist, Liebes, aber ich wollte nicht im Palast leben, und wenn es noch so bequem wäre.“

Laetitia und Marie-Henriette gaben sich entrüstet, doch dann lachten sie alle.

„Könnt ihr euch vorstellen, wie es wäre?“ fragte Laetitia. „Augustina käme zum Frühstück und tadelte uns, weil wir zu früh oder zu spät erscheinen, weil wir unser Haar unordentlich tragen, unsere Kleider falsch geknöpft sind und wir zu allem Überfluß die Gesichter haben, die wir nun einmal haben.“

„Alles, was wir tun, ist in ihren Augen falsch“, stimmte Marie-Henriette zu.

„Es reicht, Mädchen! Welche Gefühle wir Augustina auch entgegenbringen, Louis liebt uns.“

„Das stimmt“, antwortete Laetitia. „Aber er ist zu schwach, um sich gegen seine Frau zu wehren. Was für ein Jammer, daß Papas Vater nicht Thronerbe wurde!“

„Ich fürchte, alle Zweitgeborenen klagen seit Anbeginn der Zeit darüber, daß sie nicht die ersten waren“, antwortete ihre Mutter. „Nur Papa machte sich darüber keine Gedanken. Er wollte nicht Großherzog werden. Er wollte lediglich das Leben genießen und mit uns glücklich sein.“

Wie stets, wenn sie von ihrem Mann sprach, war Prinzessin Olga sehr traurig. Der Ausdruck, der auf ihrem Gesicht lag, veranlaßte die Mädchen, hastig das Gesprächsthema zu wechseln.

Sie bewunderten ihre Mutter und empfanden es als besonders grausamen Schlag des Schicksals, daß ihr Vater getötet wurde, während Louis mit einer Frau gestraft war, die er überhaupt nicht liebte.

Aus diesen Gründen hatte sich der Großherzog immer mehr aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen und überließ es nun Augustina, Entscheidungen zu treffen, Staatsmänner in seinem Namen zu empfangen und immer mehr auch seine restlichen Repräsentationspflichten zu übernehmen.

Manchmal, wenn ihn sein Los besonders bedrückte, besuchte er Prinzessin Olga. Dann saß er in dem kleinen Salon, der den Räumen des Palastes so unähnlich war, und schüttete ihr sein Herz aus.

„Ich weiß, wie sehr du Paul vermißt“, sagte er bei seinem letzten Besuch, „und auch mir fehlt er jeden Tag mehr. Wäre er hier, wüßte ich, er würde mir helfen und mich anspornen, nicht so untätig zu sein.“

„Du sollst nicht so reden, Louis“, sagte Olga mit ihrer sanften Stimme. „Die Menschen mögen dich.“

.„Wenn sie Gelegenheit haben, mich zu sehen. Aber ich weiß, daß man mich für eine Menge Gesetze verantwortlich macht, die nicht von mir stammen.“ Er zögerte. „Ich glaube, auch dir ist wie allen anderen klar, daß der neue Premierminister nur auf Augustina hört.“

Olga antwortete nicht. Sie senkte den Kopf, und der Großherzog fuhr fort: „Jeden Tag sucht er sie auf und gibt sich nicht einmal mehr die Mühe, vorzutäuschen, er würde mich konsultieren. Alle Staatspapiere legt er zuerst ihr vor. Wenn sie sich dann entschieden haben, werde ich aufgefordert, die Papiere zu unterzeichnen.“

„Warum weigerst du dich nicht?“ fragte Olga.

„Weil ich nicht Manns genug bin, eine solche Szene zu überstehen“, antwortete der Großherzog, „und hier vermisse ich Paul. Er hat immer meine Schlachten für mich ausgetragen. Ohne ihn fühle ich mich wie ein Mann, der den rechten Arm verloren hat. Es hat keinen Sinn, sich ohne Unterstützung dagegen aufzulehnen.“

Prinzessin Olga seufzte und legte ihre Hand in die seine.

„Ich glaube, Louis, du solltest es dennoch probieren.“

„Was?“ fragte er. „Du weißt genauso gut wie ich, daß Augustina alles an sich gerissen hat. Sie regiert das Land. Wenn ich gegen ihre Entscheidungen protestieren würde, fände ich mich zweifellos bald zum Geistesgestörten erklärt oder als Gefangener in einem der schaurigen Verliese.“

Beide lachten.

Andererseits, dachte Olga, steckt ein Körnchen Wahrheit in seinen Worten.

Sie war überzeugt, Augustina könnte entsetzlich skrupellos sein, sollte es jemand wagen, ihre Machtposition anzugreifen.

Als Louis sie verließ, betete sie darum, es möge irgendein Wunder geschehen, das ihn vor dem Leid, das schon fast schiere Verzweiflung war, retten könnte.

Manchmal wollte sie ihn auf die Zukunft der Mädchen ansprechen und ihm vorschlagen, für Laetitia, die ja achtzehn Jahre alt war, einen Ball zu geben. Dies wäre die geeignete Möglichkeit, junge Prinzen aus benachbarten Ländern kennenzulernen oder zumindest einige der adeligen Familien, die die Großherzogin äußerst selten einlud.

Doch selbst wenn er zustimmen würde, wäre seine Frau entschieden gegen diesen Vorschlag, und Louis würde nicht die Kraft aufbringen, auf der Veranstaltung des Balls zu bestehen.

Als sie Laetitia davon erzählte, meinte ihre Tochter: „Du hast ja recht, Mama. Ich bin überzeugt, Louis würde überstimmt, und nichts würde sich tun. Über kurz oder lang wird man sie in ihre Schranken weisen müssen - aber in keinem Fall wirst du es sein.“

Laetitia stand am Fenster und wandte ihrer Schwester den Rücken zu.

„Bevor wir verzagen, weil sich die Dinge nicht beeinflussen lassen, sollten wir es vielleicht einmal mit Zauberkraft versuchen.“

„Zauberkraft?“ fragte Marie-Henriette. „Wir kennen doch gar keine Hexen.“

„Zigeuner haben auch Zauberkräfte“, antwortete Laetitia bedeutsam.

„Es dürfte kaum Möglichkeiten geben, sie hier anzuwenden“, gab Marie-Henriette zu bedenken. „Augustina hat die Zigeuner aus der Stadt verbannt und sie gezwungen, sich auf die Felder und in die Berge zurückzuziehen, wenn sie nicht allesamt aus Ovenstadt vertrieben werden wollen.“

„Was sie liebend gern tun würde!“ antwortete Laetitia. „Man würde sie nur noch mehr hassen, als es bereits der Fall ist. Im Übrigen fließt bei einer großen Zahl von Einwohnern Zigeunerblut in den Adern - auch in unseren.“

Marie-Henriette lachte.

„Gut, daß Augustina dies nicht gehört hat. Sie würde dich schleunigst wegschicken - aus Angst, sich anzustecken.“

„Man erzählt sich die Preußen hassen Zigeuner“, sagte Laetitia nachdenklich. „Doch für uns sind sie Teil unseres Lebens. Ohne sie wäre das Land nicht, was es heute ist.“

Sie dachte dabei an die farbenprächtigen Zigeunersippen, die durch die Täler zogen, und an die Musik, die ihr Herz berührte und den Wunsch in ihr weckte, zu tanzen.

Ihr Vater hatte ihr gezeigt wie: Als er noch jung war, hatten er und Louis manchmal die Zigeuner an ihren Lagerfeuern besucht und den sehnsüchtig wilden Melodien gelauscht, die sie ihren Geigen entlockten.

Oft hatten sie die jungen Zigeunerinnen beobachtet, die mit einer Grazie und einem Temperament tanzten, die charakteristisch für ihre Rasse war.

„Diese Grazie, diese Anmut besitzt auch du, Liebes“, hatte er Laetitia versichert, als sie dreizehn Jahre alt war.

„Oh wie schön! Bist du sicher, daß ich sie besitze?“

„Aber ja doch“, hatte ihr Prinz Paul bestätigt. „Genauso sicher, wie ich weiß, daß du sehr hübsch wirst und ich sehr stolz auf dich sein werde.“

Die Geschichten über das Leben der Zigeuner hatten Laetitia schon immer interessiert, obwohl sie wußte, daß sie dies im Palast nicht erwähnen durfte.

So gab es eine Geschichte über einen Vorfahren, einen Großherzog, der zwar zwei Ehen geschlossen hatte, aus denen jedoch keine Kinder hervorgegangen waren.

Seine zweite Frau war bedeutend jünger als er, und mit zunehmendem Alter wünschte er sich immer verzweifelter einen Sohn.

Sollte er keine Erben bekommen, so würde die Thronfolge von der Familie Räkönzi an eine Familie übergehen, die sie alle nicht mochten.

Aus diesem Grund hatte der Großherzog mit seiner Frau alle namhaften Ärzte und Heilpraktiker in ganz Europa aufgesucht. Als all diese Bemühungen erfolglos blieben, hatte er die Hilfe der Zigeuner gesucht.

Die Legende, die man sich später nur flüsternd erzählte, berichtete, daß die Großherzogin den wichtigsten Stamm des Landes allein aufsuchte, da sich der Großherzog zu diesem Zeitpunkt unwohl fühlte.

Sie war von dessem Woiwoden, der jung und dunkelhäutig war und äußerst gut aussah, herzlich willkommen geheißen worden.

Man lud sie zu einem Fest, bei dem die Zigeuner ihre wertvollsten, juwelengeschmückten Pokale mit dem besten Wein füllten, den die Weinberge hervorgebracht hatten.

Nach dem Festmahl wurde musiziert und um das Lagerfeuer getanzt.

Spät am Abend, als die Violinen leiser spielten und einige ältere Zigeuner bereits schliefen, war der Woiwode mit der Großherzogin in die Wälder gegangen.

Dort, unter dem Sternenhimmel, hatte er sie mit einem Zauber belegt, der ihr den gewünschten Thronerben brachte.

Es war eine romantische Geschichte, und Paul hatte mit den Worten geendet: „Die meisten Räkönzis sind rothaarig und hellhäutig, doch gelegentlich wird einer von uns mit dunklem Haar, dunklen Augen und hellem Teint geboren, wie du mein Schatz.“

Laetitia gab einen Laut des Entzückens von sich.

„Und das, Papa, ist der Zauber, mit dem die Zigeuner die Großherzogin belegt haben?“

„Schau in den Spiegel“, forderte er sie auf. „Du wirst sehen, daß dein Haar jenen berühmten blauen Schimmer hat.“ Er lächelte liebevoll, als er fortfuhr: „Deine Wimpern sind dunkel, mein Liebes, und deine Augen so grün wie die Steppen, über die die Zigeuner ziehen. Dies und dein heller Teint, der Magnolienblüten ähnelt, sind das Erbe der Räkönzis und deiner Mutter.“

Wenn Laetitia darüber nachdachte, mußte sie zustimmen, daß sie anders aussah als die übrigen Familienmitglieder.

Sie hatte es immer als normal empfunden, daß sie dunkelhaarig war, während Marie-Henriette so blond wie ihre Mutter war.

Für die Kinder von Prinz Paul war dies eine spannende und romantische Geschichte, doch als die Großherzogin die Macht übernahm, durfte sie nicht wieder erwähnt werden.

„Solche Legenden“, hatte sie bestimmt erklärt, „sind Lügen, die sich nur primitive, unzivilisierte Menschen ausdenken.“ Dann hatte sie ihre Worte gemildert: „Ich habe sorgfältig die Ahnentafeln studiert und versichere, daß kein Wort davon wahr ist. Es gibt kein Zigeunerblut bei den Räkönzis.“

Sie hatte gewartet, ob ihr jemand widersprach, doch jeder dachte, es sei weiser, zu schweigen.

„Die Familienchronik berichtet im Übrigen, daß die Großherzogin, die für all diesen Unsinn verantwortlich sein soll, sehr erfolgreich von einem äußerst fähigen Arzt in Frankreich behandelt wurde. Kein Mitglied der Familie sollte also diesen Unsinn weitererzählen.“

Laetitia hatte geschwiegen, doch zu Hause betrachtete sie sich im Spiegel und sah sich bestätigt, auch wenn Augustina es nicht wahrhaben wollte.

Wenn Laetitia allein war, tanzte sie und stellte fest, daß ihr Körper so biegsam war, daß sie alle Bewegungen, Sprünge und Drehungen der Zigeuner mühelos beherrschte.

Weil sie unbedingt mehr über das Leben der Zigeuner wissen wollte, sprach sie, wann immer sie ausritt und sich unbeobachtet fühlte, mit den umherziehenden Stämmen.

Diese kannten die Tochter Pauls von Ovenstadt und fühlten sich durch ihre Gegenwart geehrt. Sie beantworteten nicht nur ihre Fragen, sie brachten ihr auch einige romantische Worte bei.

Da sie ein ausgezeichnetes Gedächtnis besaß, verfügte sie bald über einen umfangreichen Wortschatz.

Wie erwartet, kannten alle die Legende der Räkönzis und bewunderten ihr dunkles Haar, weil sie, genau wie Laetitia, glaubten, daß es von ihnen vererbt war.

Weil Augustina die Zigeuner haßte, hatte sie sie im letzten Jahr verfolgen lassen, wo immer sich die Gelegenheit bot.

Sie verbannte sie immer weiter von der Hauptstadt, und es wurde für Laetitia immer schwieriger, sie zu finden.

„Wie kann Augustina nur so herzlos sein?“ fragte sie ihre Mutter erzürnt, als die Zeitungen berichteten, daß zwei Zigeuner eines Verbrechens beschuldigt und hingerichtet worden waren, obwohl sie immer wieder ihre Unschuld beteuert hatten.

„Dies wird eine Menge Ärger heraufbeschwören“, seufzte Prinzessin Olga. „Unsere Zigeuner waren immer nett und freundlich und ein Teil unseres Landes.“

„Du mußt mit Louis sprechen, Mama, und ihn bitten, etwas zu unternehmen“, drängte Laetitia.

„Ich werde es versuchen, aber ohne Unterstützung des Premierministers wird es kaum möglich sein, irgendetwas zu unternehmen, Liebes ...“

„...weil er ja doch ausführt, was Augustina ihm aufträgt“, schloß Laetitia. „Oh Mama, sie ist eine schreckliche Frau! Ich wünschte, die Zigeuner würden sie mit einem Fluch belegen, der sie so leiden läßt, wie sie es ihnen zumutet.“

„So darfst du nicht denken, Liebes“, protestierte Prinzessin Olga entrüstet. „Es bringt nur Unglück!“

„Warum soll es uns Unglück bringen, wo wir die Zigeuner lieben?“ fragte Laetitia. „Papa hat mir erzählt, ich hätte mein Haar, meine Augen und meine Art, mich zu bewegen, von ihnen geerbt. Und ich bin sehr stolz darauf.“

Prinzessin Olga lächelte, doch sie wußte, daß die Großherzogin jede Gelegenheit zu ihrer Erniedrigung nutzte, weil Laetitia so hübsch war und sie ständig an das Zigeunerblut der Familie erinnerte.

Tag und Nacht betete sie um Hilfe für ihren Sohn, dem es schwerfiel, in seinem Regiment von der kleinen Apanage zu leben, die sie ihm geben konnte; für Laetitia, die mit achtzehn Jahren ein weit besseres gesellschaftliches Leben führen sollte, und für Marie-Henriette, die auf ihre Weise genauso schön wurde wie ihre Schwester.

„Oh Paul, Paul!“ weinte sie heimlich. „Hilf mir, alles für die Kinder zu tun. Im Augenblick weiß ich nicht weiter!“

Und immer, wenn sie an ihren Mann dachte, sehnte sich ihr ganzer Körper danach, ihm nahe zu sein.

Doch es wäre ein Fehler, ihre Trauer den Kindern zu zeigen.

Nur wenn sie mit Louis allein war, sprach sie über Paul. Er konnte ihre Tränen sehen.

Laetitia, die immer am Fenster stand, rief plötzlich: „Ich werde einen Fluch aussprechen oder mir wünschen, daß ein Wunder geschieht.“

„Was soll denn geschehen?“ fragte Marie-Henriette, die am Tisch saß und nähte.

„Irgend etwas“, meinte Laetitia. „Manchmal habe ich das Gefühl, wir seien hier eingekerkert, würden allmählich älter und älter, und dies wird unser Grab sein.“

„Sag so etwas nicht!“ rief Marie-Henriette. „Ich bekomme Gänsehaut.“

„Ein Zigeuner erzählte mir von einem Zauberspruch. Wenn man inständig daran glaubt, wird sich der Wunsch erfüllen.“

„Na, dann tu es doch!“ sagte Marie-Henriette. „Worauf wartest du denn?“

„Man muß ihn bei Vollmond aussprechen, und das ist erst nächste Woche. Und wenn ich es tue, muß es ein guter Wunsch sein. Also denk über all deine Wünsche nach, Hettie, und ich werde sie berücksichtigen.“

Marie-Henriette lachte.

„Meine Wünsche würden einen Koffer füllen! Angefangen mit einem Dutzend neuer Kleider und schließlich drei oder vier Bällen, bei denen ich sie dann auch tragen könnte.“

„Gut“, meinte Laetitia. „Ich werde sie auf jeden Fall auf die Wunschliste setzen. Noch etwas?“

„Einen großen, gutaussehenden, reichen Prinzen, der mit mir tanzen und die Kleider bezahlen wird.“

Jetzt lachte auch Laetitia.

„Das wäre unanständig.“

„Nun, es ist doch unwahrscheinlich, daß Mama sie bezahlen könnte.“

„Aber sie wird, das ist einer meiner Wünsche“, wandte Laetitia ein. „Und wenn du dir einen hübschen, netten Prinzen wünschst, möchte ich auch einen.“

„Dann ist es leicht“, alberte Marie-Henriette. „Du mußt uns ein Prinzenpaar wünschen: beide groß, gutaussehend und überaus reich und selbstverständlich unverheiratet.“

Wieder lachte Laetitia.

„Was wir uns wünschen, ist, als wollten wir zum Mond fliegen. Aber die Zigeuner glauben, daß ihr Zauber immer wirkt.“ Überrascht schrie sie auf. „Gott im Himmel! Es kann nicht wahr sein!“

„Was ist denn?“

„Stephanie ist auf dem Weg hierher - allein!“

„Unglaublich!“ rief Marie-Henriette. „Sie darf doch ohne die knurrige alte Baroness nicht aus dem Palast.“

„Aber sie ist allein!“

Laetitia drehte sich um und lief durch den Raum in die kleine Halle.

„Stephanie! Welch eine Überraschung!“ rief sie, als sie die Tür öffnete.

„Oh Laetitia - ich mußte dich sehen!“ antwortete Stephanie atemlos.

„Komm in den Salon“, sagte Laetitia. „Mama hat sich hingelegt, so daß nur Hetti und ich hier sind.“

Die Prinzessin betrat den kleinen Raum, wo sich Marie-Henriette erhob und sie auf beide Wangen küßte.

„Es ist schön, dich zu sehen“, begrüßte sie Stephanie. „Es scheint Jahre her zu sein, seit du uns das letzte Mal besucht hast.“

„Ich weiß, ich weiß“, antwortete Stephanie, und plötzlich liefen ihr Tränen über das Gesicht. „Aber Mama hat es mir verboten - und jetzt - bin ich weggelaufen, als die garstige alte Baroness nicht aufgepaßt hat.“

Sie schniefte.

„Ich bin durch einen Seiteneingang entkommen - und den ganzen Weg hierher gelaufen.“

Laetitia wies auf einen Sessel. „Setz dich, Liebes, nimm deinen Hut ab, und erzähl uns, was dich so durcheinander gebracht hat.“

Stephanie wischte sich mit einem Taschentuch über die Augen, doch dies schien den Fluß der Tränen nur noch zu steigern.

Mit ihrem goldenen Haar und den haselnußbraunen Augen hatte sie keinerlei Ähnlichkeit mit ihrer Mutter und deren harten preußischen Gesichtszügen. Es war leicht, festzustellen, daß sie die Tochter ihres Vaters war. Eigentlich waren sie und Marie-Henriette sich sehr ähnlich.

Laetitia kniete sich neben den Sessel und schlang die Arme um Stephanie. „Sag uns, Liebes, weshalb du so aufgebracht bist.“

„Oh - Laetitia! Ich möchte sterben!“

Einen Augenblick schien es, als ob sie nicht reden könne, dann stürzten die Worte aus ihrem Mund.

„Mama - hat mir mitgeteilt, daß ich König Viktor heiraten werde!“

Fassungslos starrte Laetitia sie an.

„Viktor von Zvotana?“

„Ja“, schluchzte Stephanie. „Wie kann ich ihn heiraten, wo ich doch Kyril liebe und er mich.“

Überrascht blickten Laetitia und ihre Schwester sich an. Beide wußten, daß Kyril, wenn er zu Hause war, immer mit Stephanie ausritt und viel Zeit im Palast verbrachte. Dort wäre angeblich mehr zu tun als bei ihnen.