Bianca Extra Band 152 - Diana Palmer - E-Book

Bianca Extra Band 152 E-Book

Diana Palmer

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Beschreibung

VERGISS DEN SCHMERZ FÜR IMMER von DIANA PALMER

Amelia erstarrt, als sich in der Bar ihre Blicke kreuzen. Cal Hollister! Ihm hat damals ihr Herz gehört, und sie war die glücklichste Frau der Welt, als sie in seinen Armen endlich die Liebe erlebte. Doch dann heiratete er eine andere. Unfassbar, dass er jetzt ihre Nähe sucht …

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Nie wieder will sie einen Mann, der ihr gefährlich werden könnte! Darum datet Dani nur noch Langweiler. Was Teague McCauley, der im Apartment nebenan wohnt, allerdings überhaupt nicht ist. Er versucht zu flirten, sie versucht, distanziert zu bleiben – wer gewinnt?

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Alle denken, Shari und der Tierarzt Felix Sanchez seien ein Paar. Ein Irrtum! Der zurückhaltende Witwer hat deutlich gemacht, dass er keine Beziehung will, und Sharis Angst wächst, dass sie auf Liebeskummer zusteuert. Aber sie bekommt Hilfe von unerwarteter Seite …

DIESE UNWIDERSTEHLICHE SEHNSUCHT von MARIE FERRARELLA

Privatdetektiv Connor braucht Hilfe von Single-Mom Brianna bei einem ungeklärten Fall. Im Traum haben sie nicht damit gerechnet, sich zueinander hingezogen zu fühlen, doch nach einem Kuss ist alles anders … Ihre Leben passen nicht zusammen, aber eine Trennung ist undenkbar.

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Seitenzahl: 697

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Diana Palmer, Gina Wilkins, Melissa Senate, Marie Ferrarella

BIANCA EXTRA BAND 152

IMPRESSUM

BIANCA EXTRA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/82 651-370 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Deutsche Erstausgabe 2025 in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 152

© 2024 by Diana Palmer Originaltitel: „Rancher’s Law“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susanne Weißgerber

© 2008 by Gina Wilkins Originaltitel: „The Man Next Door“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Patrick Hansen

© 2022 by Harlequin Enterprises ULC Originaltitel: „One Night with the Maverick“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rainer Nolden

© 2019 by Harlequin Enterprises ULC Originaltitel: „Texan Seeks Fortune“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rainer Nolden

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2025 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751531313

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Diana Palmer

Vergiss den Schmerz für immer

1. KAPITEL

Cal Hollister umklammerte seine Piña colada und beobachtete halbherzig die Flamenco-Tänzer im Fernando’s in San Antonio. Er war sich nicht sicher, warum er immer wieder hierherkam. Er wusste nur, dass ihm die Musik früher gefallen hatte. Damals, als sie noch Freunde gewesen waren. Vor dem großen Knall, von dem er sich noch immer nicht ganz erholt hatte.

Er war groß, breitschultrig, mit dichtem blonden Haar und dunklen Augen. Viele Frauen drehten sich nach ihm um. Doch er erwiderte ihre Blicke nicht.

Gedankenverloren nippte er an seinem Drink. Es war jetzt schon sieben lange Jahre her. Damals hatte er eine reiche Erbin aus San Antonio geheiratet, kurz nachdem sein Leben den Bach runtergegangen war. Aus lauter Verzweiflung hatte er seinen Kummer in Alkohol ertränkt, und seine Frau hatte die Gelegenheit genutzt und ihn aufs Standesamt gezerrt. Danach hatte er die andere Frau, die, die ihn betrogen hatte, angerufen, um ihr verbittert mitzuteilen, dass er nun verheiratet war. Damals hatte er geglaubt, das Richtige zu tun.

Sie, also seine Frau – Edie Prince –, hatte immer behauptet, die andere sei zu jung und sorglos für ihn. Sie hatte ihn überzeugt, dass er sich rächen musste. Deshalb hatte er die Heirat für gerechtfertigt gehalten.

Aber damals war einfach zu viel passiert. Er war gerade erst von einem niederschmetternden Einsatz nach Hause zurückgekehrt, der ihn seines hoffnungsvollen neuen Jobs überdrüssig gemacht und sein Verlangen nach Amelia nur noch vergrößert hatte. Trauer hatte zu einer unvergesslichen Nacht geführt, die in einer Tragödie geendet hatte.

Die Schuldgefühle hatten schwer auf ihm gelastet, trotzdem hatte er Edie mit zur Beerdigung von Amelias Großvater genommen, um ihr nicht allein gegenübertreten zu müssen. Er hatte gewusst, dass er sie verletzt hatte, aber er trug selbst eine große Last mit sich herum. Er hatte Dinge gesehen und getan, die ihn verfolgten.

Deshalb ging er auf Abstand, hielt sich wochenlang von ihr fern, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Als er sich seiner Gefühle endlich sicher gewesen war, hatte er schon die Ringe gekauft und sich darauf gefreut, ein neues Leben mit ihr zu beginnen.

Doch dann hatte ihn Amelias Großtante angerufen und ihm mitgeteilt, dass Amelia sich um ihr „kleines Problem“ gekümmert hatte.

Er nahm einen Schluck seines Drinks.

Mit dieser Neuigkeit hatte seine Abwärtsspirale begonnen. Er hatte Amelia die Hölle heiß gemacht und den größten Fehler seines Lebens begangen, indem er Edie – seinen schlimmsten Albtraum – geheiratet hatte.

Als er endlich wieder nüchtern geworden war, war alles nur noch schlimmer geworden. Edie hatte Fehler, von denen er nichts geahnt hatte, als er ihr den Ring an den Finger gesteckt hatte. Sie war Alkoholikerin, nahm Drogen und log ständig. All das fand er erst nach und nach heraus.

Und sie wollte keine Kinder. Sie seien eine Plage und ruinierten die Figur, hatte sie einmal gesagt.

Es hatte nur wenige Tage gedauert, bis ihm klar geworden war, dass er nichts als Verachtung für sie empfand, wenn er nicht betrunken war. Er hatte sie nur geheiratet, um es Amelia heimzuzahlen.

Drei Jahre lang hatte er diese Hölle durchlebt. Bis Edie sich nach einer durchzechten Nacht mit Alkohol und Betäubungsmitteln ins Leichenschauhaus befördert hatte.

Cal, der seine Arbeit als Söldner aufgegeben hatte, um bei der Polizei von San Antonio anzuheuern, hatte es vom Streifenpolizisten zum Sergeant und schließlich zum Lieutenant gebracht. Inzwischen war er sogar Captain der Kriminalpolizei. Er hatte dank seiner Fähigkeiten und einiger glücklicher Zufälle eine Karriere hingelegt, die normalerweise viele Jahre dauerte.

Doch die Arbeit war nun mal nur Arbeit, und er kehrte jeden Tag in ein leeres Haus auf seiner Ranch nahe Jacobsville zurück.

Seine Kollegen bemerkten, dass er nicht ausging. Aber sie nahmen an, dass er immer noch um seine verstorbene Frau trauerte. Nichts war weiter von der Wahrheit entfernt. Er hatte Edie leidenschaftlich gehasst.

Manchmal fragte er sich, ob die Geschichte sich damals wirklich so zugetragen hatte, wie man es ihm erzählt hatte. Doch er wusste nicht, wo Amelia war oder was sie tat, deshalb konnte er sie nicht fragen. Einmal hatte er gehört, dass sie angeblich in irgendeine verdeckte Operation verwickelt war, aber das passte nicht zu dem jungen Mädchen, das so zart und sanft gewesen war.

Er trauerte um die junge Frau, die sie gewesen war, als er sie kennengelernt hatte. Er hätte sie niemals anfassen dürfen. Hätte er sie doch nur nicht so verzweifelt gewollt gehabt, bis er an nichts anderes mehr denken konnte. Was geschehen war, war unvermeidlich gewesen. Aber was danach passiert war, hatte ihn zerstört.

Warum hatte sie ihm nichts von dem Kind erzählt? Hatte sie denn nicht gewusst, dass er sie sofort geheiratet hätte?

Offensichtlich nicht. Offensichtlich hatte sie weder ihn noch das Kind gewollt. Stattdessen war sie in eine Abtreibungsklinik gegangen.

Er war so wütend gewesen, hatte sie beschimpft, angeschrien, verdammt.

Und doch saß er nun all die Jahre später wieder hier im Fernando’s und hoffte, dass sie eines Tages hereinspazierte, weil er ihr hier früher einmal den süchtig machenden Tango beigebracht hatte.

Es war dumm. Sie würde niemals zurückkehren. Ihr Leben spielte sich anderswo ab. Vielleicht war sie inzwischen sogar verheiratet.

Der Gedanke deprimierte ihn noch mehr. Darum trank er sein Glas aus und stand auf, um zu bezahlen – und dann sah er sie. Dort, an der Theke, holte sie eine Bestellung ab. Sie war keinen Tag gealtert. Es war Jahre her, aber sie sah immer noch genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Dieselbe perfekte Figur, dasselbe hübsche Gesicht, dasselbe blonde Haar zu einem Knoten auf dem Kopf zusammengebunden. Er hätte sie selbst in einer Menschenmenge wiedererkannt.

Sie drehte sich zum Gehen um und lächelte – bis sie Cal entdeckte. Ihr Lächeln war wie weggewischt. Ihr wütender Blick bohrte Löcher in ihn hinein.

Amelia, dachte er voller Kummer.

Falls auch sie Kummer empfand, dann war davon nichts zu sehen. Sie starrte ihn finster an, drehte sich um und verließ das Restaurant.

Er folgte ihr, aber als er draußen ankam, war sie verschwunden.

Er steckte die Hände in die Hosentaschen und starrte betrübt hinaus in die regnerische Nacht. So viele Jahre waren ohne ein Anzeichen von ihr vergangen, und jetzt war sie einfach wieder da. Aber wo wohnte sie? Und was tat sie? Er würde es herausfinden müssen, denn er musste mit ihr reden. Irgendwie.

Amelia Grayson sprintete um die Ecke des Fernando’s und hob eine Hand, um ein Taxi heranzuwinken.

Ihr Herz raste wie ein Uhrwerk, und sie schnappte nach Luft, als sie sich auf die Rückbank fallen ließ und dem Taxifahrer sagte, wohin er sie fahren sollte.

Sie hatte nicht erwartet, Cal wiederzusehen, obwohl sie wusste, dass er oft freitagabends im Fernando’s war, um sich die Tänzer anzusehen. Er war selbst ein Meister des Tangos, einer der wenigen Männer, die ihn tanzen konnten. Damals, als sich ihre Welt nur um diesen Mann gedreht hatte, hatte er ihn ihr beigebracht.

Aber das war lange her. Bevor all die schrecklichen Dinge geschehen waren.

Ihn unvermittelt wiederzusehen, hatte alte Wunden geöffnet. Sie schaute aus dem Fenster, und die Erinnerungen drangen ungewollt in ihre Gedanken. Die wunderbare gemeinsame Zeit mit ihm, diese eine unvergessliche Nacht, der Tod ihres Großvaters, der Verlust ihres Kindes …

Sie wollte sich nicht erinnern, aber ihr Kopf weigerte sich, ihr zu gehorchen. Wie von einem Tonband hörte sie jedes einzelne böse Wort, das er ihr damals am Telefon an den Kopf geworfen hatte. Er hatte ihr keine Gelegenheit gelassen, zu erklären, was wirklich geschehen war. Sie war zutiefst gekränkt gewesen. Wenn man jemanden wirklich liebte, dann hörte man ihn doch an, oder nicht?

Sie hatte nichts mehr gehabt. Kein Zuhause, keine Familie, keine Arbeit. Also hatte sie sich zusammengerissen und einen Ausweg gesucht. Sie war zu Eb Scott gefahren und hatte ihn gebeten, sie als Agentin auszubilden.

„Ich kann das“, hatte sie ihm versichert.

„Das ist eigentlich nicht das passende Leben für eine Frau“, hatte er entgegnet.

„Ich habe nichts mehr zu verlieren.“

Er hatte gezögert und dann doch zugestimmt.

Die ersten zwei Wochen waren am schwierigsten gewesen, weil sie zuerst im Kampftraining unterwiesen wurde und noch nicht in Form war. Aber als sie endlich den Dreh raushatte, liebte sie es. Schießübungen gingen ihr viel leichter von der Hand. Aber am besten gefielen ihr das Bombenbauen und -entschärfen. Cord Romero zeigte ihr alles, was sie wissen musste.

Während ihrer Ausbildung ging sie jeden Tag todmüde ins Bett. Ihr neues Leben war aufregend, und sie liebte jeden Aspekt davon. Doch die Trauer um ihre Liebe zu Cal konnte sie nicht abschütteln. An manchen Tagen träumte sie von der kurzen gemeinsamen Zeit, die sie zusammen verbracht hatten.

Die Stimme des Taxifahrers drang wie aus weiter Ferne an ihr Ohr. „Miss, wir sind da.“

Sie schnappte nach Luft und schaute sich um. Sie standen vor ihrem Wohnhaus. „Oh, Entschuldigung!“

Er lachte. „Mir passiert das auch oft, dass ich mich in Gedanken verliere. Manchmal ist es einfach schön, sich an etwas zu erinnern und an die guten alten Zeiten zu denken.“

„Es waren keine guten Erinnerungen“, sagte sie und bezahlte ihn. „Aber das ganze Leben ist eine einzige Lektion.“

„Das stimmt. Haben Sie einen guten Abend.“

„Sie auch.“

Amelia betrat ihre gemütliche Wohnung, von deren Balkon aus sie direkt über den Fluss blickte. Sie mochte San Antonio und freute sich nach jedem Auftrag, wieder hierher zurückzukommen, wie erst vor wenigen Tagen. Sie hatte sich bei Eb nach Arbeit erkundigt, aber er hatte im Moment nichts, also machte sie erst mal einen wohlverdienten Urlaub.

Sie hatte ja nicht erwartet, im Fernando’s auf eine sehr schlechte Erinnerung zu stoßen.

Sie kochte sich einen Kaffee und aß ihr Abendessen auf dem Balkon. Ihre störrischen Gedanken kehrten wieder in die Vergangenheit zurück. An den Tag, als sie zum ersten Mal mit Cal Hollister sprach …

2. KAPITEL

Vor sieben Jahren hatte Amelia ihr letztes Schuljahr an der Highschool von Jacobsville abgeschlossen und steckte mitten im ersten Studienjahr. Es war ein heißer Sommertag, und sie und ihr Großvater mütterlicherseits, Jacob Harris, saßen draußen auf der Veranda und wedelten sich mit altmodischen Fächern aus der Kirche Luft zu.

Ihr Großvater drehte sich zu ihr um. Ein großer, blonder, auffallend attraktiver Mann stand nebenan im Vorgarten seines Mietshauses und wässerte die Blumen. „Da ist wieder dieser Mann“, neckte er seine Enkelin, deren Wangen rot zu leuchten begannen. „Warum sprichst du ihn nicht an?“

„Machst du Witze?“, quiekte sie. Amelia war furchtbar schüchtern und davon abgesehen waren genügend Gerüchte über ihren Nachbarn im Umlauf. Es hieß, er arbeite für Eb Scott, der eine Schule für Terrorismusbekämpfung leitete und dort Söldner für die eigene sowie internationale Regierungen in allen möglichen gefährlichen Dingen ausbildete. Angeblich war Cal Hollister einer von ihnen.

„Er mag Blumen“, sagte ihr Großvater. „Das zeugt doch von Charakter.“

„Aber er trägt auch eine Pistole und erschießt Leute“, erwiderte sie leise.

„Kommt drauf an, auf wen er schießt. Ich habe gehört, dass Eb Scott seine Leute nach Ngawa in Afrika schickt. Sie sollen dabei helfen, den rechtmäßigen Präsidenten wieder ins Amt zu heben. Dort wurden schon hunderte unschuldige Menschen von den Rebellen getötet, auch Kinder.“

„Woher weißt du so was?“, fragte sie und versuchte, nicht beim Anblick von Cal in Kakihosen und einem gelben T-Shirt dahinzuschmelzen. Er sah einfach umwerfend gut aus.

„Ich gehe jeden Tag zur Post und setze mich draußen auf die Bank“, erklärte er schlicht und grinste. „Früher oder später kommt dort jede hiesige Klatschtante vorbei und erzählt mir alle pikanten Neuigkeiten.“

„Ich lebe nicht richtig“, murmelte sie.

Er lachte. „Eines Tages wirst du das. Cal soll auf dem Schießstand beeindruckend gut sein, heißt es.“

„Aber es ist doch irgendwie ein illegaler Job.“

„Nicht unbedingt. Immerhin arbeitet er für Eb Scott, und Eb macht keine krummen Geschäfte. Wenn er Leute auf Mission schickt, dann nur aus rechtmäßigen Gründen. In diesem Fall ist es sogar ein edler Grund. Ngawa hat schon zu viele Aufstände miterlebt.“ Seine Stimme klang traurig, als er das sagte. „Es ist ein wunderschönes Land voller aufgeschlossener Menschen. Ich hasse es, dass es dort zu Kämpfen kommt.“

„Woher weißt du so viel über Ngawa?“

„Ich war vor Jahren dort stationiert. In einem der südlichen Bundesstaaten. Aber frag nicht, warum. Viele Einsätze im Ausland sind streng geheim. Meiner war es auch.“

Der blonde Mann hob plötzlich den Kopf und entdeckte sie. Er stellte seine Gießkanne ab und schlenderte über die Straße auf sie zu.

„Oje, er kommt her!“ Ihre Stimme quiekte wieder. „Ist mein Haar gekämmt? Sehe ich okay aus? Verdammt, mein T-Shirt hat ein Loch!“

„Er wird schon nicht mit dir ausgehen wollen, Spätzchen“, witzelte ihr Großvater. „Du bist gerade mal achtzehn, und er ist schon Mitte zwanzig.“

Sie war getroffen, ließ sich aber nicht auf diese Spitze ein. Stattdessen holte sie tief Luft und zwang sich zu einem zittrigen Lächeln. „Hallo, Nachbar“, rief sie und fächelte, so gut sie konnte, gegen die aufsteigende Hitze in ihrem Gesicht an.

„Morgen“, kam als Antwort. Er hatte eine angenehme, tiefe Stimme und musterte sie mit seinen dunklen Augen. „Ich wette, Sie kennen den Besitzer des Hauses, das ich miete“, sagte er an ihren Großvater gewandt.

„Ja. Früher haben wir freitags bei ihm immer Poker gespielt.“

„So was hat er erwähnt. Ein netter Kerl. Mein Sergeant bei der Polizei von San Antonio hat uns einander vorgestellt, bevor ich gekündigt und bei Eb Scott angefangen habe. Ich wollte nicht mehr in der Stadt wohnen.“

„Sie wollten nicht groß Karriere machen?“

Der junge Mann verzog das Gesicht und setzte sich auf eine der Steinbalustraden, die die Verandatreppe säumten. „Die Polizeiarbeit ist nicht mehr das, was sie einmal war. Und ich bin notorisch politisch inkorrekt, darum ist Eb Scotts Arbeit mehr mein Ding.“

„Eb ist einzigartig. Ich wollte selbst mal bei ihm anfangen, hab mir aber bei einem Autounfall den Rücken verletzt. Jetzt kann ich zwar noch einigermaßen gehen, aber ich bin nicht mehr so beweglich wie früher.“ Er lachte. „Dafür habe ich jetzt Anspruch auf Sozialleistungen. Das hat alles verändert.“

„Glaub ich. Viele Leute wären ohne sie verloren.“

„Stimmt. Sie haben doch mal in Houston gelebt, oder?“

Ihr Nachbar nickte. „Ich bin dort aufgewachsen. Meine Mutter war Krankenschwester, mein Vater war Polizist.“

„War?“, fragte ihr Großvater vorsichtig, und Amelia hing an Cals Lippen.

Er seufzte. „Die beiden wollten in den Urlaub fahren, als sie an einem Fast-Food-Laden anhielten, wo sie auf einen Kerl mit einer automatischen Waffe und Suizidgedanken trafen.“

Der Ausdruck in seinen Augen brach ihr das Herz.

„Schade, dass er den einfachen Ausweg gewählt hat. Ich wäre sonst zu gerne bei jeder Bewährungsanhörung dabei gewesen. Vorausgesetzt, er hätte nicht die Giftspritze bekommen“, fügte er mit angespanntem Gesichtsausdruck hinzu.

„Amelia hat ihre Eltern bei einem Autounfall verloren“, erzählte ihm ihr Großvater. „Auch beide auf einmal.“

„Es ist schwer, das zu verarbeiten“, sagte sie leise. „Immerhin hatte ich meinen Großvater.“ Sie lächelte den alten Mann warmherzig an.

„Und ich hatte dich.“ Er lächelte zurück. „Doris und ich hatten nur ein Kind. Mandy, ihre Mutter. Ihr Dad war auch Einzelkind.“

„Ich auch“, erzählte ihr Nachbar und lächelte sie an. „Früher, als die Leute noch auf dem Land gelebt haben, waren die Familien größer. Heute hat man nur noch ein oder zwei Kinder.“

„Werden Sie in Jacobsville bleiben?“, wollte ihr Großvater wissen.

„Das ist der Plan. Ich habe keine Verwandtschaft mehr, und hier ist es schön.“ Er sah sich um. „Die Einwohner sind auch nicht schlecht. Die Hälfte der Leute sind ehemalige Söldner. Das muss die sicherste Stadt Amerikas sein.“

„Das glauben wir gern.“

„Was studierst du denn?“, fragte er plötzlich Amelia. „Ich habe gehört, dass du dich am örtlichen Community College eingeschrieben hast.“

Ihr Herz machte einen Hüpfer. Es war faszinierend, dass er davon wusste. „Ich studiere Chemie.“

Überrascht zog er beide Augenbrauen nach oben. „Chemie?“

Ihr Großvater verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. „Das ist meine Schuld. Als sie zehn war, hat sie zu Weihnachten einen Chemiebaukasten bekommen und damit gleich das halbe Wohnzimmer in die Luft gejagt. Danach habe ich ihr lieber nur ein paar Chemiebücher geschenkt. In der Schule war es ihr Lieblingsfach, deshalb war es nur logisch, dass sie es jetzt auch noch studiert.“ Er grinste sie an. „Jetzt kann sie das Chemielabor statt meines Wohnzimmers in die Luft jagen.“

„Ich habe es doch nur ein bisschen in die Luft gejagt“, protestierte sie lachend. „Inzwischen weiß ich viel mehr. Einer der Studenten ist etwas älter und war im Nahen Osten stationiert. Er hat uns gezeigt, wie man aus Haushaltschemikalien Waffen herstellt.“

„Der wird noch rausgeworfen.“

„Das macht er doch, bevor die Professoren da sind.“ Sie lächelte vielsagend. „Ich kann schon einen Flammenwerfer bauen!“

„Erinnern Sie mich daran, dass ich einen weiten Bogen um Ihre Haustür mache“, lachte ihr neuer Nachbar.

„Ich würde dich doch nicht in die Luft jagen“, versprach sie. „Nur die bösen Jungs.“

„Und woher weißt du, dass ich kein böser Junge bin?“, fragte er mit einem frechen Lächeln.

„Du gießt deine Blumen. Böse Jungs kümmern sich nicht um Blumen.“

Die beiden Männer tauschten amüsierte Blicke aus.

„Da hat sie recht“, meinte ihr Großvater. „Menschen, die sich um ihren Garten kümmern, kümmern sich auch um Menschen.“

Der Jüngere verzog das Gesicht. „Nicht immer“, erwiderte er. „Ich kannte mal einen Typen, der ständig eine Orchidee mit sich herumgeschleppt hat. Irgendwann ist ein Betrunkener draufgetrampelt, und der Typ hat ihn, ohne zu zögern, auf der Stelle umgebracht.“

Amelia blickte erschrocken zu ihrem Großvater. „Wenn wir bei ihm vorbeigehen, passen wir besser auf die Topfpflanzen auf.“

Cal lachte vergnügt über ihre Bemerkung. Dann wandte er sich an ihren Großvater. „Spielen Sie zufällig Schach?“

„Er ist ein Meister“, sagte sie stolz. „Vor ein paar Jahren hat er einen Wettbewerb gewonnen. Der Pokal steht auf unserem Kaminsims.“

„Toll“, sagte Cal. „Hätten Sie mal Lust auf eine Partie?“

„Aber natürlich. Wann?“

„Freitagabend? Ich muss am Samstag arbeiten.“

„Gern. Beim mir oder bei Ihnen? Wenn wir hier spielen, bekommen Sie auch ein Stück Schokoladenkuchen. Amelia backt hervorragend.“

„Ich liebe Schokoladenkuchen.“ Cal lächelte sie erneut an, und Amelia wurde wieder rot im Gesicht.

„Dann also am Freitag. Um 19 Uhr?“

Cal nickte.

Die freitäglichen Schachabende waren nach wenigen Wochen schon zu einem festen Termin geworden und für Amelia genauso aufregend wie für ihren Großvater. Sie bereitete immer einen besonderen Nachtisch zu, um Cal eine Freude zu machen.

In der Zwischenzeit besuchte sie ihre Kurse am College und lernte mehr über Chemie, als sie sich je erträumt hatte. Es war ein schwieriges Fach, aber sie lernte alles im Handumdrehen.

Cal war kein Chemiker, dafür kannte er sich mit anderen Dingen aus, vor allem mit Waffen.

Eines Tages nahm er sie mit zum Schießstand in Eb Scotts Schule, um ihr den Umgang mit Schusswaffen beizubringen.

Er lieh ihr eine Pistole und war erstaunt, als sie direkt ins Schwarze traf. „Du hast mich reingelegt“, sagte er mit gespielter Empörung. „Du kannst schon schießen.“

„Nicht mit Pistolen“, sagte sie und lud nach. „Ich habe aber früher schon mit Gewehren auf Zielscheiben geschossen.“

„Tja, du bist ein Naturtalent.“

Sie grinste. „Danke.“

„Hast du mal darüber nachgedacht, Polizistin zu werden?“

Unschlüssig zuckte sie mit den Schultern. „Das ist eher nicht so meins. Auf Zielscheiben zu schießen, ist eine Sache. Menschen hingegen …“ Sie sah zu ihm auf. „Das könnte ich nicht.“

„Du wärst überrascht, wie schnell du plötzlich auf Menschen schießen kannst, wenn dir Kugeln um die Ohren fliegen“, erwiderte er mit einem Lächeln, das sie schwach werden ließ.

Sie wollte ihn fragen, ob er schon einmal jemanden erschossen hatte, vermutete aber, dass er nicht darüber reden wollte. Deshalb bohrte sie auch nicht nach.

„Kommen wir zu deiner Haltung.“ Er zeigte ihr, welche typischen Schießpositionen man bei der Polizei lernte. „Jetzt hast du eine bessere Balance. Es nützt dir nichts, wenn du schießt und dann über deine eigenen Füße stolperst.“

„Das stimmt.“ Sie nickte. „Darin bin ich gut. Im Stolpern, meine ich“, fuhr sie fort und lachte.

„Dein Großvater ist ein guter Schachspieler.“

„Er ist sehr schlau. Als er beim Militär war, hat er an geheimen Operationen teilgenommen. Aber er ist sehr verschwiegen und erzählt mir nichts davon.“

„So sind die meisten, die an Geheimoperationen beteiligt waren, denn nur so überlebt man. Ein bekannter Gangster soll mal gesagt haben, dass drei Leute ein Geheimnis für sich behalten können, wenn zwei von ihnen tot sind.“

Sie verzog den Mund zu einem Schmunzeln. „Das ergibt Sinn.“

„Richtig. Und noch eine Sache. Das Abdrücken ist eine Kunst. Wenn du das beherrschst, wirst du nie danebenschießen. Aber eigentlich hast du das schon ganz gut drauf. Wie gesagt, du bist ein Naturtalent.“

„Ich mag Waffen. Aber eigentlich jage ich lieber Sachen in die Luft.“

„Warum eigentlich?“

„Ich weiß nicht genau“, gab sie zu. „Ich mag den Lärm nicht, und ich wollte noch nie eine Regierung stürzen, aber es hat einfach etwas Magisches an sich, verschiedene Substanzen zusammenzumischen und damit etwas zu zerstören.“

Er schüttelte den Kopf. „Du klingst genau wie Cord Romero“, murmelte er.

„Romero?“

„Er unterrichtet hier bei Eb, wenn er nicht auf einer Mission ist. Normalerweise ist er beim FBI.“

„Wow.“ Sie sah ihn beeindruckt an. „Es soll schwierig sein, beim FBI aufgenommen zu werden. Man bewirbt sich, und dann dauert es Monate, weil sie dein gesamtes Leben durchleuchten.“

„Es ist eben eine Eliteorganisation. Die müssen vorsichtig sein.“

„Macht Eb so was auch? Also, überprüft er seine angehenden Schüler?“

„Natürlich. Vor allem die ausländischen. Es gibt ziemlich hinterhältige Gestalten auf der Erde, und unser Land hat Feinde.“

„Stimmt.“

„Wir können noch eine Runde schießen, aber dann muss ich los nach San Antonio“, sagte er plötzlich.

„Okay.“ Sie wunderte sich, was er vorhatte, aber sie fragte ihn nicht danach. Nachdem sie ihn schon recht gut kennengelernt hatte, schien das ein Charakterzug zu sein, den er zu schätzen wusste.

Er beobachtete sie dabei, wie sie nachlud und wieder auf die Zielscheibe zielte. „Das mag ich an dir.“

„Was denn?“, fragte sie und warf ihm einen Blick zu.

„Du fragst einen nicht aus.“

„Nein, dafür mag ich meine eigene Privatsphäre zu sehr. Ich könnte niemals all meine Probleme irgendwo vor Fremden im Internet ausbreiten, obwohl das anscheinend der neue angesagte Zeitvertreib ist.“

„Die Sozialen Medien sind der Untergang der Zivilisation“, erwiderte er düster. „Und das Internet. Die Leute reden nicht mehr miteinander. Wenn sie essen gehen, starrt jeder nur noch auf sein Handy.“

„Das ist mir auch aufgefallen. Es ist traurig.“

„Wenn ich eine Familie hätte, was nicht zu erwarten ist, dann würde ich die eiserne Regel aufstellen, dass Handys am Tisch verboten sind.“

„Diese Regel gilt bei uns schon“, erklärte sie ihm und grinste ihn an. „Mein Großvater meinte, ich müsse lernen, mit echten Menschen zu reden.“

„Ich mag deinen Großvater. Er hat mehr gesunden Menschenverstand als die meisten Leute.“

„Seine Großeltern waren Mennoniten. Vielleicht hat er das von ihnen. In Jacobs County, ziemlich weit draußen in der Pampa, gibt es noch eine mennonitische Gemeinde mit eigener Kirche und eigenen Geschäften, in denen alle möglichen leckeren Sachen verkauft werden, wie Butter, Würstchen und Eier“, erzählte sie begeistert. „Ich gehe dort gerne einkaufen. Supermärkte mag ich nicht.“

„Ich auch nicht, aber es ist besser, dort einzukaufen, als Schlangen und Kaninchen zu jagen.“

„Wie bitte?“ Sie starrte ihn mit großen Augen an.

„Wenn wir auf Mission sind, sind wir manchmal so tief im Dschungel, dass uns die Proteinriegel ausgehen. Dann müssen wir jagen. Schlange schmeckt gut, Kaninchen aber noch besser.“

Angeekelt verzog sie das Gesicht, worüber er lachen musste. „Hauptsache, man bleibt am Leben. Wenn du hungrig bist, isst du alles, was dich nicht auffrisst.“

„Stimmt wohl.“

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ich bringe dich besser nach Hause, sonst komme ich zu spät.“

„Danke für das Schießtraining.“

„Jederzeit wieder“, antwortete er. Dann fuhren sie nach Hause.

Amelia verbrachte gerne Zeit mit Cal. Ihr war bewusst, dass er in ihr nichts anderes als eine junge Freundin sah, aber ihr Herz summte, wenn er zur wöchentlichen Schachpartie mit ihrem Großvater vorbeikam. Sie hielt immer ein besonderes Dessert für ihn bereit, und während er und ihr Großvater sich auf das Spiel konzentrierten, konnte sie ihm heimlich Blicke zuwerfen. Er sah so gut aus. Sie fragte sich, wie er es nur schaffte, Single zu bleiben. Schließlich wurde er bestimmt von wunderschönen Frauen geradezu umschwärmt.

Ihr Großvater hatte ihr erzählt, dass Cal eine Bekannte in San Antonio habe. Das hatte er nicht von ihm selbst erfahren, aber es war wohl ein offenes Geheimnis. Die Frau sollte eine wohlhabende Erbin mit einer scharfen Zunge sein, die wild entschlossen war, Cal zu erobern. Bisher waren sie aber nur Freunde.

Amelia war klar, dass Cal ein erwachsener Mann mit männlichen Gelüsten war. Sie hatte noch nie ein derartiges Verlangen verspürt, daher verstand sie es nicht, aber andere Frauen hatten ihr erzählt, dass die meisten Männer nicht lange ohne Frau auskamen.

Der Gedanke, dass Cal niemals ihr gehören würde, schmerzte sie. Sie dachte ständig an ihn, genoss ihre gemeinsame Zeit und sehnte sich danach, dass er sie umarmte oder sogar küsste. Aber sie musste diese Sehnsüchte für sich behalten. Sollte Cal jemals davon erfahren, würde sie ihn nicht wiedersehen. Das wusste sie, ohne dass es ihr jemand sagen musste.

Sie wollte wissen, wer diese Frau aus San Antonio war, fragte ihn aber lieber nicht nach ihr.

Doch eines Tages bekam sie ihre Antwort. Als Cal nicht zu Hause war, beobachtete Amelia, wie ein luxuriöses Auto in seiner Einfahrt abgestellt wurde und eine große, schlanke Frau daraus ausstieg.

Sie war brünett und sehr hübsch, mit kurzen Haaren und einer hammermäßigen Figur. Sie trug eine Seidenhose und eine Seidenbluse, und sie sah reich aus. Sehr reich.

Sie entdeckte Amelia, die gerade ihre Tomatenpflanzen goss, und kam zu ihr herüber.

„Hi“, sagte sie träge. „Hast du Cal gesehen?“

„Hallo“, antwortete Amelia und zwang sich zu einem Lächeln. „Nein. Wir wissen nicht, wo er ist. Sorry.“

Die Frau kniff die Augen zusammen und musterte sie. „Du musst Amelia sein.“

Amelia lachte überrascht. „Stimmt.“

„Er hat gesagt, du jagst gerne Dinge in die Luft.“

Sie grinste über diese Bemerkung. „Nur schlechte Dinge. Ehrlich. Ich studiere Chemie.“

„Gehst du nicht noch zur Schule?“

„Nein, ich habe dieses Jahr meinen Abschluss gemacht. Ich gehe jetzt aufs Community College.“

„Das heißt, du bist wie alt? Achtzehn oder so?“

„Achtzehn Jahre, drei Monate, zehn Tage und …“ Sie schaute auf ihre Armbanduhr. „Zwanzig Minuten.“

Die Frau lächelte gelangweilt. „Ich bin Edie Prince“, stellte sie sich vor. „Cal und ich gehen miteinander aus.“

„Oh.“ Amelia nickte nur und stellte keine Fragen.

Edie musterte sie erneut mit ihren hellblauen Augen und sah nicht gerade beeindruckt, aber erleichtert aus. „Na ja, schade, dass ich ihn verpasst habe. Sagst du ihm, dass ich hier war?“

„Ja, das mache ich. Schön, dich kennengelernt zu haben.“

Edie nickte. „Gleichfalls.“ Sie schlenderte zurück zu ihrem Auto, stieg ein und brauste davon.

Amelia atmete erleichtert aus. Das war also die Art von Frau, die Cal mochte? Sie war nicht beeindruckt. Zu viel Parfüm, zu viel Make-up, zu viel von allem. Außerdem musste sie schon weit jenseits der dreißig sein. Make-up konnte nicht alles überdecken.

Sie beendete ihre Gartenarbeit und ging ins Haus.

Cal kehrte zwei Tage später zurück. Es war Freitag, also ging er nach nebenan zur wöchentlichen Schachpartie.

„Möchtet ihr ein Stück Schokoladenkuchen?“, fragte Amelia, als er sich gegenüber von ihrem Großvater hinsetzte.

„Natürlich“, sagte Jacob sofort. „Und eine Tasse starken schwarzen Kaffee!“

„Ich nehme das auch.“

„Kommt sofort“, sagte Amelia und verschwand in der Küche.

„Mir fällt gerade ein, dass du Besuch hattest“, begann Jacob zu erzählen. „Eine Frau in einem schwarzen Luxusauto. Sie hat mit Amelia gesprochen.“

Cal sah ihn finster an. „Edie.“

„Ich weiß es nicht genau“, meinte der ältere Mann. „Ich habe nicht mit ihr gesprochen.“

„Sie ist bloß eine Bekannte“, erklärte er und sagte nichts weiter. Aber es störte ihn sehr, dass sie hergekommen war, um ihm hinterherzuschnüffeln. Sie war sehr besitzergreifend. Das gefiel ihm nicht.

Einige Stunden später, nach einem guten Spiel und einem vorzüglichen Stück Schokoladenkuchen, ging Cal zusammen mit Amelia nach draußen. Er blieb auf der Veranda stehen und drehte sich zu ihr um.

„Hat Edie gesagt, warum sie hier war?“, wollte er von ihr wissen.

„Nicht wirklich“, antwortete sie mit einem vorsichtigen Lächeln. „Sie hat nur gesagt, dass sie nach dir sucht. Und dass ich dir sagen soll, dass sie hier war.“

„Verstehe.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen und dachte nach.

„Sie ist sehr hübsch“, sagte Amelia plötzlich.

Er sah auf sie hinab und studierte ihr Gesicht. Es war nicht umwerfend schön, aber es hatte Charakter – genau wie sie. Er lächelte sie an. „Das bist du auch, Amelia“, sagte er leise. „Es ist nicht das Äußere, was zählt, sondern das, was in dir drinsteckt.“

Sie wurde rot, bevor sie anfing zu grinsen und mit gespielter Empörung sagte: „Meinst du etwa meine Eingeweide?“

Er dachte kurz darüber nach, bevor er schallend darüber lachte. „Du bist mir eine“, murmelte er. „Ich gehe jetzt ins Bett. Gute Nacht.“ Kopfschüttelnd ging er die Auffahrt hinunter.

Grinsend betrat Amelia wieder das Haus, wo ihr Großvater, der ihr Gespräch belauscht hatte, lächelnd auf sie wartete.

„Deine Eingeweide“, zitierte er sie und schüttelte den Kopf. „Also wirklich!“

„Er ist immer so ernst. Ich bringe ihn gerne zum Lachen.“

„Tja, Eb Scott hat mir erzählt, dass Cal einen ganz bestimmten Ruf bei seinen Männern hat. Und er ist nicht für sein Lachen bekannt. Tatsächlich soll er eigentlich nie gelächelt haben. Erst, seit er hierherkommt. Eb hat mich gefragt“, sagte er amüsiert, „ob Cal sich in dich verguckt hat.“

Ihr Herz machte einen Sprung.

„Ich hab ihm gesagt, dass das natürlich nicht so ist“, sagte er, ohne sie anzusehen, was gut war. „Schließlich bist du gerade mal achtzehn und nicht alt genug, um dich mit einem Berufssoldaten einzulassen. Du müsstest schon viel gerissener und raffinierter sein, um ihm zu gefallen.“

Sie nickte und wandte den Blick ab. „So wie die hübsche Frau, die hier war.“

„Richtig. So, wie du sie beschrieben hast, muss sie knallhart sein. Und das ist nötig bei einem Mann wie ihm.“

Amelia zog fragend beide Augenbrauen nach oben.

„Überleg mal, Amy“, sagte er sanft und benutzte den Spitznamen, den nur er verwendete. „Ein Mann wie Cal hält seine Gefühle unter Verschluss. Um zu überleben, muss er stoisch und besonnen sein. Er ist knallhart, ohne jegliche Sentimentalität. Er könnte sich niemals mit einer Frau zufriedengeben, die ihm in Sachen Temperament nicht würdig ist.“

„Mit anderen Worten, er würde jede einfach übergehen, die nicht genauso taff ist wie er.“

„Richtig.“ Er lächelte sie an. „Selbst wenn du älter wärst, es würde nicht passen.“ Er schüttelte den Kopf. „Man weiß nicht, wie solche Männer sind, bis man an ihrer Seite gedient hat. Und das wirst du nicht.“

„Auf keinen Fall“, stimmte sie ihm zu. „Stattdessen werde ich lernen, wie man Sachen in die Luft jagt!“

„Amy …“

„Mir geht’s um kontrollierte Sprengungen“, unterbrach sie ihn grinsend. „Um Häuser abzureißen. Das ist wirklich faszinierend. Letzte Woche haben wir gelernt, wie man eine Sprengladung zeitlich steuert …“

„Nicht schon wieder!“, sagte er mit gespielter Verzweiflung in der Stimme.

„Du weißt, dass du das auch faszinierend findest.“ Sie ließ nicht locker. „Ich kann dir alles darüber erzählen.“

„Ich bin müde“, sagte er und gähnte. „Ich muss jetzt ins Bett. Schließ bitte die Haustür ab, okay?“

„Kapitulierst du etwa?“

Er machte eine abwehrende Handbewegung und ging davon.

3. KAPITEL

„Was wolltest du letztens in Jacobsville?“, fragte Cal Edie später in der Woche, als sie in ihrer schicken Wohnung in San Antonio zusammen Cocktails tranken.

„Ich habe nach dir gesucht“, antwortete sie mit säuselnder Stimme.

Sie stürzte ihren Cocktail hinunter und schenkte sich noch einen ein.

„Du hast Amelia kennengelernt.“

„Nun … ja.“ Sie trug ein knappes grünes Outfit, das ihre hübschen Brüste betonte. „Ich war neugierig.“

Er starrte sie stumm an.

„Ich dachte, sie wäre eine Konkurrentin“, murmelte sie genervt. „Aber sie ist bloß ein Schulmädchen. Ich wusste nicht, dass sie so jung ist.“

Er trank einen Schluck. „Ich mag es nicht, ausspioniert zu werden.“

„Ach, sei nicht sauer, Cal“, tadelte sie ihn sanft, stand auf und ließ sich auf der Armlehne seines Stuhles nieder. „Ich habe dich nicht ausspioniert. Ich wollte dich wirklich nur besuchen“, log sie. Es wäre nicht gut, wenn er wüsste, wie besitzergreifend sie wirklich war.

„Tu das nicht noch mal“, warnte er sie. Seine Augen funkelten bedrohlich.

„Das werde ich nicht. Versprochen.“

„Ich bin ein freier Mann, und ich habe im Moment nicht vor, mich mit jemandem einzulassen. Mein Beruf ist risikoreich genug. Ich kann mir im Privatleben keine zusätzlichen Komplikationen leisten.“

Sie seufzte. „Das heißt also, kein Sex?“

„Ich hätte es nicht so direkt ausgedrückt, aber ja.“ Er trank sein Glas aus. „Meine Missionen sind kompliziert. Ich möchte nicht abgelenkt werden.“

„Aber das wird doch nicht immer so bleiben, oder?“, fragte sie und spielte mit einer Strähne seines hellblonden Haares.

„Wer weiß. Ich bin mir nicht sicher, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen will.“

„Mir fallen da ein paar Dinge ein.“ Langsam rutschte sie auf seinen Schoß.

Doch er stand sofort auf und warnte sie erneut. „Übertreib es nicht.“

Sie verzog das Gesicht und schenkte sich nach. „Das ist gar nicht so einfach. Du bist ziemlich attraktiv.“

„Du auch. Aber wir sind bloß Freunde. Das ist alles.“

Er machte seine Position klar, und da sie ihn nicht verlieren wollte, stimmte sie ihm widerwillig zu.

„Ich fahre jetzt zum Schießstand. Willst du mitkommen?“

Sie rümpfte die Nase. „Natürlich nicht! Ich hasse Waffen!“

Er zog eine Augenbraue nach oben und sah sie fragend an.

Sie spürte den Alkohol und dass sie nervös wurde, weil sie mehr als nur Alkohol brauchte. Sie traute sich nicht, ihm das zu zeigen. „Tut mir leid. Ich weiß, dass sie für deinen Beruf wichtig sind. Aber ich habe nun mal Angst vor ihnen.“

„Okay, kein Problem.“

„Am Samstag findet im Bürgerzentrum eine Modenschau statt. Wir könnten doch zusammen dorthin gehen“, schlug sie vor.

„Ich bin dann nicht in der Stadt.“

„Oh, dann gehe ich halt allein.“

„Ich habe sowieso kein Interesse an Modenschauen. Wir könnten angeln gehen, wenn ich zurück bin.“

Sie rümpfte wieder die Nase. „Das ist ehrlich gesagt das ekelhafteste Hobby, das es gibt. Widerliche Würmer.“ Sie erschauderte bei dem Gedanken.

„Du bist kein Naturmensch.“

„Natürlich nicht. Ich habe meine Jugend im Internat verbracht, wo ich gelernt habe, wie man anmutig ist und sich in die Gesellschaft einfügt.“

„Wie wäre es mit Fernando’s am Freitagabend?“, schlug er vor, als er sich zum Gehen bereit machte.

„Ach, Cal, so ein gewöhnliches Restaurant“, murmelte sie.

„Ich bin ein gewöhnlicher Mann“, sagte er, ohne zu lächeln.

Sie ging auf ihn zu und lächelte entschuldigend. „So war das nicht gemeint. Ich mag halt nur keine spanische Musik, und ich tanze nicht gerne. Aber das Symphonieorchester spielt nächste Woche. Debussy.“

„Debussy könnte ich ertragen.“

„Das wird dir guttun. Kultur ist wichtig.“

Er verzog das Gesicht. „Kultur.“

„Ja, die macht uns alle zivilisiert“, neckte sie ihn. „Also, kommst du mit? Ich besorge die Karten.“

„Wann?“

„Samstag in einer Woche.“

Er dachte darüber nach. „Bis dahin sollte ich zurück sein. In Ordnung.“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen, überlegte es sich aber schnell anders. Sie wollte ihr Glück nicht herausfordern. „Komm gut nach Hause.“

„Klar. Gute Nacht.“

Sie sah ihm hinterher. Cal widersetzte sich all ihren Annäherungsversuchen. Es war frustrierend, seine Ablehnung zu ertragen, aber ein notwendiges Übel. Von Bekannten hatte sie erfahren, dass er dank seines gefährlichen Berufes ein beachtliches Sümmchen angehäuft haben musste. Obwohl sie aus gutem Hause stammte, hatte sie den Großteil ihres geerbten Vermögens schon beim Glücksspiel verloren. Sie hatte versucht, damit aufzuhören, aber das war zu schwierig. Deshalb brauchte sie jemanden, der ihr ihren Lebensstil finanzieren konnte. Außerdem sah Cal gut aus. Das machte ihr Vorhaben erträglicher.

Noch in Gedanken versunken, trank sie ihren Cocktail aus und holte sich etwas Stärkeres.

Cal war genervt von Edies Verhalten. Er wollte keine Frau, die ständig an ihm hing. Er mochte seinen Freiraum.

Amelia ist ganz anders, dachte er. Sie fragte ihn nicht aus oder verfolgte ihn. Sie war lustig und sanft und liebte die Natur. All das mochte er an ihr.

Aber er konnte die Sache mit Edie noch nicht beenden. Und so vergingen die Wochen, und er traf sich weiterhin mit beiden Frauen. Was ihm dabei besonders gut in Erinnerung blieb, waren die Ausflüge mit Amelia – zum Angeln oder an den Schießstand – und die wöchentlichen Abendessen mit ihr und ihrem Großvater.

Der Sommer verging langsam. Cal war immer wieder für kurze Zeit zu Hause, die meiste Zeit aber auf streng geheimer Mission für Eb Scott im Ausland unterwegs. Der Herbst kam und mit ihm die bunten Blätter.

Cal war bis einen Tag vor Thanksgiving im Ausland. Amelia verbrachte zwei Tage lang praktisch nonstop am Herd, sodass Jacob nach nebenan gehen musste, um den jungen Mann zum Essen einzuladen.

Er fand einen Mann vor, der bis auf die Knochen abgemagert war und leicht humpelte.

„Du hast nicht gerade einen einfachen Job“, stellte er fest.

Cal zuckte mit den Achseln. „Manchmal ducken wir uns nicht schnell genug“, antwortete er mit einem gequälten Lächeln.

Jacob legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich sollte mich zwar nicht einmischen, aber eines Tages wirst du etwas sehen oder tun, das dir das Herz brechen wird. Und wenn das passiert, wirst du für den Rest deiner Tage hier auf Erden mit den dazugehörigen Albträumen leben müssen.“

Ein kämpferischer Ausdruck trat in Cals Gesicht. „Das weißt du ganz sicher?“

„Hat dir Amelia nicht erzählt, dass ich als Teil einer geheimen Spezialeinheit im Ausland war?“

Cals Gesichtsausdruck versteinerte sich. „Doch.“

„Die Albträume“, fuhr Jacob traurig fort, „sind schrecklich.“

„Das wusste ich nicht.“

„Ich habe überlebt und kehrte nach Hause zurück, aber meine Probleme habe ich in mich hineingefressen. Ich bin deswegen fast verrückt geworden.“ Er verstummte einen Moment. „Die wollten mich zu einem Psychiater schicken, aber ein Freund hatte mich schon vorgewarnt. Dieser Psychiater, der mir aus meinem Loch heraushelfen sollte, hatte noch nie eine Waffe abgefeuert oder selbst gekämpft.“

Cals Gesicht sprach Bände, als er das hörte.

„Ich weiß nicht“, fuhr Jacob fort, „welche Dämonen dich quälen, aber ich wette, dass es schlimme sind. Nur sie können einen Mann dazu bringen, dieser Arbeit nachzugehen.“

Der junge Söldner runzelte die Stirn und mied seinen Blick.

„Es muss etwas in deiner Vergangenheit geben, dem du dich nicht stellen willst, sonst würdest du dich so einem Risiko nicht aussetzen.“

„Du interpretierst zu viel in mich hinein.“

Jacob seufzte. „Ich weiß, wovon ich rede. Ich spreche kaum über meine Vergangenheit. Nicht mal meiner Frau habe ich davon erzählt. Ich dachte, dass die Spezialaufgaben aufregend genug wären, um alles Schlechte zu verdrängen, damit ich mich nicht damit auseinandersetzen müsste. Aber in Wahrheit war alles noch hundertmal schlimmer. Als ich nach Hause kam, war ich ein psychisches Wrack.“

„Wie bist du damit fertiggeworden?“

„Ich hatte einen Freund, der Ähnliches mitgemacht hatte und mit dem ich reden konnte. Merk dir das, falls du nicht zu einem Psychologen gehen willst. Such dir jemanden, dem du dein Herz ausschütten kannst. Es könnte dich davor bewahren, dir eine Kugel einzufangen. Mir hat es auf jeden Fall geholfen.“

„Ich habe zwar gerade erst mit dieser Arbeit angefangen, aber ich glaube nicht, dass es etwas gibt, mit dem ich nicht zurechtkommen würde“, sagte Cal leise. „Und auf jeden Fall bin ich nicht der Typ, der Selbstmord begeht.“

„Das denken alle, bis sie einen Grund dafür finden.“

Cal sah nicht überzeugt aus. „Danke für die aufmunternden Worte.“

„Gern geschehen. Kommen wir zu etwas anderem. Hättest du Lust, morgen zu einem Thanksgiving-Dinner zu uns zu kommen, das deine Cholesterinwerte dermaßen in die Höhe treiben wird, dass dein Arzt sie schon spüren kann, bevor du seine Praxis betrittst?“

Cal schmunzelte. „Das würde mir gefallen.“

4. KAPITEL

Am nächsten Tag machte sich Cal pünktlich auf den Weg zu seinen Nachbarn und brachte einen perfekten gedeckten Apfelkuchen mit.

„Schöner Kuchen“, lobte ihn Amelia und bewunderte die ausgefallene geflochtene Umrandung. „Bist du extra bis nach San Antonio zum Bäcker gefahren?“

Er starrte sie entrüstet an. „Den habe ich selbst gebacken!“, sagte er mit gespielter Empörung. „Ich kann tatsächlich noch mehr zubereiten als bloß Schlange.“

Sie brach in schallendes Gelächter aus. „Ja, er ist wunderschön. So einen Rand bekomme ich nicht hin. Er sieht sehr elegant aus.“

„Ich kann dir das beibringen, schwierig ist es nicht.“ Er zeigte auf die perfekten hausgemachten Brötchen, die sie gerade aus dem Ofen holte. „Das ist schwierig.“

„Überhaupt nicht. Nur ein paar Zutaten, und der Mixer übernimmt das Kneten. Es dauert nicht mal lange, den Teig vorzubereiten.“

„Na gut. Du bringst mir bei, wie man Brötchen macht, und ich gebe dir Tipps, wie man Kuchen dekoriert“, strahlte er sie an.

„Abgemacht“, sagte sie erfreut.

„Wann essen wir eigentlich?“ Er bewunderte all die verschiedenen Gerichte, die sie vorbereitet hatte.

„In etwa zehn Minuten.“

„Kann ich helfen?“, fragte Jacob, der gerade in die Küche gekommen war.

„Ja, du kannst den Tisch decken. Ich werde in der Zwischenzeit den Truthahn schneiden.“

„Lass mich das machen“, sagte Cal. „Ich kenne mich mit Messern aus.“

„Einverstanden.“ Sie reichte ihm ein scharfes Fleischermesser. „Leg los.“

Er grinste. „Möchtet ihr langweilige flache Scheiben oder etwas Verspieltes wie Blätter oder Einhörner?“

Die beiden schüttelten nur die Köpfe.

„Wie waren deine Noten dieses Semester?“, wollte Cal von Amelia wissen.

„Nur Einsen“, sagte sie strahlend.

Er musterte sie und schüttelte den Kopf. „Ich hätte es wissen müssen. Du bist so klug.“

„Nein, ich lerne nur viel.“

„Und ausgerechnet Chemie“, stellte er fest und machte sich über das Stückchen Apfelkuchen und den dampfenden schwarzen Kaffee her. „Ich habe noch nie eine Frau kennengelernt, die Chemie studiert.“

„Ich liebe es. Es ist das faszinierendste Fach, das es gibt.“

„Du hast das Labor also noch nicht in die Luft gejagt?“, witzelte er.

Sie wich seinem Blick aus und starrte auf ihren Teller. „Die lassen uns noch nicht an die gefährlichen Sachen ran“, murmelte sie.

„Ich hoffe, die sind gut versichert“, sagte Jacob trocken.

Amelia schaute ihn entrüstet an. „Ich bin eine sehr gute Studentin! Das sagen auch meine Professoren, also werde ich das Labor sicher nicht in die Luft jagen.“ Sie verschränkte die Arme und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, konnte sich ein amüsiertes Lächeln allerdings nicht verkneifen.

„Wenn du das sagst“, lachte er.

„Fred Briggs, meinem Kommilitonen, ist allerdings mal ein kleines Experiment missglückt, weil er Maria Simms hinterhergeschaut hat. Sie trug ein enges Kleid und hat ihn angelächelt, als sie an seinem Tisch vorbeiging. Er hat die falschen Komponenten miteinander vermischt, und dann gab es eine kleine Explosion.“

„Herrgott“, sagte Jacob entrüstet. „Wurde jemand verletzt?“

„Fred war ein bisschen angesengt. Aber Maria hat dadurch gemerkt, wie sehr sie ihn mag, und jetzt sind sie zusammen.“

Cal lachte. „Das ist aber eine gefährliche Methode, um Eindruck zu schinden.“

„Ja, er hätte fast die ganze Wand eingerissen“, sagte Amelia und sah dabei hocherfreut aus.

Er schüttelte erneut den Kopf. „Und ich dachte, ich hätte einen gefährlichen Beruf.“

„Den hast du wirklich.“ Amelia wurde nun ernst. „Stört dich das nicht?“

Er musterte sie stumm. „Ja, manchmal. Aber dann denke ich daran, was ich tue und warum ich es tue, und dann stört es mich nicht mehr.“ Zur Bekräftigung seiner Worte lächelte er. „Wir beschützen Menschen, die unter der Herrschaft eines Verrückten leiden, der Frauen, Kinder und alle, die ihn hinterfragen, töten lässt.“

„Oje!“, rief sie schockiert. „Warum unternimmt die Regierung nichts gegen ihn?“

„Weil er die Regierung ist. Er hat den legitimen Präsidenten verjagt und seinen Platz eingenommen. Wir arbeiten für den rechtmäßigen Präsidenten, um ihm zu helfen, sein Land zurückzugewinnen.“

Sie sah ihn lange an. „Das ist eine edle Sache“, stellte sie schließlich fest.

Diese Bemerkung rührte etwas tief in ihm an. Er spürte eine Welle der Zuneigung über sich kommen, die er jedoch schnell unterdrückte. Sie war zu jung für ihn. Er wollte seine Freundschaft zu ihrem Großvater nicht aufs Spiel setzen.

„Danke“, sagte er leise. „Das bedeutet mir viel.“

„Ich finde das auch“, sagte Jacob. „Aber du kannst auch durch eine noble Sache umkommen. Und glaub mir, unsere Regierung mag zwar dulden, was ihr in Afrika tut, aber verlass dich nicht darauf, dass sie sich zu euch bekennt, falls etwas schiefgeht.“

„Wir haben den Rückhalt von den Leuten, die zählen“, beschwichtigte Cal ihn. „Eb hat Kontakte nach ganz oben in die Regierung.“

„Ich hoffe, du hast recht.“

„Lass dich ja nicht umbringen“, sagte Amelia streng und nahm seine Hand. „Das meine ich ernst.“

Cal konnte nicht anders, als zu schmunzeln, weil sie so grimmig dreinblickte. „Ich verspreche dir, dass ich alles tun werde, um am Leben zu bleiben.“

„Wann musst du denn wieder ins Ausland?“

„In drei Tagen kurz vor Sonnenaufgang geht es los.“

Ihre Augen sahen traurig aus.

Plötzlich verspürte er das Verlangen, sie aufzumuntern. „Hey, wie wär’s, wenn ich dich zu Ebs Trainingsanlage mitnehme, wenn ich wieder da bin?“, schlug er vor. „Ich könnte dir ein paar Selbstverteidigungstricks zeigen.“

Sie schien erfreut, denn ihre Augen nahmen einen hoffnungsvolleren Ausdruck an. „Sehr gern.“

„Gut, dann ist das abgemacht.“

Zwei Wochen später, nachdem er am Abend zuvor von seinem letzten Einsatz zurückgekehrt war, wurde Cal vom Klingeln seines Handys geweckt, das auf seinem Nachttisch lag. Er wollte danach greifen, verfehlte es aber und stieß es hinunter. Als er es vom Boden aufheben wollte, wäre er beinahe aus dem Bett gefallen.

„Verdammt“, murmelte er schläfrig und nahm den Anruf entgegen. „Hallo?“, fragte er gereizt.

„Na, wenn das keine fröhliche Begrüßung ist“, erklang Edies Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Tut mir leid. Ich hab das dumme Ding eben fallen gelassen. Wie spät ist es denn?“

„Elf Uhr. Wo bist du? Wir sind heute doch zum Mittagessen verabredet.“

„Mittagessen?“ Er runzelte die Stirn. Nun erinnerte er sich. Eigentlich hatte er ihr gesagt, dass er sich ausruhen wollte, aber Edie kümmerte so etwas nicht.

„Ja, Mittagessen! Wie schnell kannst du hier sein?“

Er blinzelte. Essen war gerade gar kein Thema für ihn. „In einer Stunde, schätze ich.“

„Aber ich habe uns einen Tisch für halb zwölf reserviert. Es wäre sehr unangenehm, wenn ich die Restaurantangestellten bezirzen müsste, damit sie uns den Tisch freihalten.“

„Ehrlich gesagt, ist mir das so was von egal!“, herrschte er sie an. „Dann iss halt alleine!“ Entnervt legte er auf.

Edie war hartnäckig, wenn sie etwas wollte, und machte ihm das Leben zur Hölle, wenn er sich nicht ihren Wünschen beugte. Er hatte das satt und mochte es nicht, wenn er von einer Frau an der Nase herumgeführt wurde.

Während er duschte und sich rasierte, klingelte ständig sein Handy. Schließlich ging er doch ran.

„Es tut mir leid“, meldete sie sich mit beschwichtigendem Ton. „Ich wollte dich nicht bedrängen, aber du bist nur so selten in den Staaten.“

Er gab nach. „Noch einmal, und du kannst dir einen anderen Freund suchen, der dich ausführt“, sagte er kalt. „Verstanden?“

„Okay“, krächzte sie. „Ich hab’s verstanden.“

„Na schön. Ich bin in einer halben Stunde da. Dann können wir irgendwo Burger essen gehen.“

„Ich habe die Reservierung geändert. Eine halbe Stunde reicht völlig aus.“

„Okay.“

Er legte wieder auf. Langsam wurde sie zu einer Belastung. Sie tat ihm leid, weil sie nicht gut mit anderen auskam und anscheinend ein Alkoholproblem hatte, aber Mitleid brachte ihn nur bedingt weiter.

Unweigerlich dachte er an seine Eltern, die beide Alkoholiker gewesen waren. In seiner Kindheit hatte es ständig Streitereien und gelegentlich sogar Gewaltausbrüche gegeben. Ins Heim hatte er trotzdem nicht gewollt, denn dort hätte es noch viel schlimmer für ihn werden können.

Also hatte er gelernt, wie er sich in Anwesenheit seiner Eltern verhalten musste, um keinen Ärger heraufzubeschwören. Er hatte Bücher über Alkoholismus gelesen und seine Mutter sogar beinahe dazu gebracht, eine Entzugstherapie zu machen. Sein Vater hingegen war ein hoffnungsloser Fall gewesen, der sich schon in Cleveland und später, als er mit der Familie nach Texas gezogen war, als Kleinkrimineller durchschlug.

Nach der Schule hatte Cal Houston verlassen. Das tragische Ableben seiner Eltern hatte ihn gebrochen, denn selbst alkoholkranke Eltern waren besser als gar keine Eltern. Die Armee hatte ihm wie die ideale Lösung ausgesehen. Man konnte dort kostenlos studieren und sein Großvater, den er immer respektiert hatte, war selbst Soldat gewesen. Folglich hatte er sich zum Armeedienst verpflichtet.

Nach seinem Ausscheiden war er zur Polizei gegangen. Es waren die besten zwei Jahre seines Lebens gewesen, bis er Eb Scott kennengelernt und Lust auf ein Abenteuer bekommen hatte. So war er schließlich in Jacobsville gelandet.

Er dachte an Amelia. Sie hatte ein gutes Herz. Mit ihr konnte man Spaß haben. Sie war nicht so kultiviert wie Edie, aber trotz ihres jungen Alters war sie eine bessere Begleiterin. Eine Beziehung suchte er trotzdem nicht. Ja, er hatte Pläne, aber träumte nicht von einem Reihenhaus mit Ehefrau und Kindern.

Schließlich wischte er die Gedanken beiseite, denn er hatte eine Verabredung.

„Es tut mir wirklich leid, dass ich so forsch war“, sagte Edie, während sie in einem der besten Restaurants von San Antonio zu Mittag aßen.

„Wir haben alle schlechte Tage“, erwiderte Cal knapp.

„Ich habe viele davon“, seufzte sie und stocherte ohne große Begeisterung in ihrem Lachssalat herum.

„Warum verbringst du so viel Zeit alleine? Hast du außer mir keine Freunde?“

„Doch, viele. Reiche Leute mit Beziehungen. Das sind die besten.“

Er runzelte die Stirn. „Mit Geld kann man sich keinen Charakter kaufen.“

„Aber damit kann man Rechnungen bezahlen“, erklärte sie und wedelte mit ihrer Gabel vor seinem Gesicht herum. „Und es bringt einen dorthin, wo man im Leben ankommen will. Ich würde um nichts in der Welt arm sein wollen.“

Cal dachte an Juba, einen kleinen Jungen, den er in Afrika kennengelernt hatte. Der Kleine hatte nichts mehr. Kein Zuhause, keine Eltern und, falls es schlecht lief, auch keine Zukunft mehr. Trotzdem lächelte er immer.

Edie, die normalerweise nicht sonderlich aufmerksam war, bemerkte seinen Gesichtsausdruck. „Was habe ich jetzt schon wieder Falsches gesagt?“

„Es gibt da diesen Jungen. Er heißt Juba.“ Beim Gedanken an das Kind lächelte er. „Seine Eltern wurden getötet. Außer einem Cousin hat er niemanden mehr. Einer aus unserer Gruppe überlegt, ihn hierherzuholen …“

„Grundgütiger, wozu das denn?“, fiel sie ihm ins Wort. „Als ob wir nicht schon genug parasitäre Arme in diesem Land hätten!“

Der Kellner, der gerade an ihren Tisch getreten war, sah sie entgeistert an.

„Nada mas, gracias“, sagte Cal zu ihm. Leise ergänzte er: „Lo siento. Mi amiga sabe nada sobre el gente quien tiene nada sin que El Dios. Entiende?“

Der Kellner lächelte ihn an und nickte. „Mil gracias.“

„La comida es muy sabroso. Pero no nos gusta tener los pasteles. Pues, mas café, por favor?“

„Sofort“, antwortete der Kellner in perfektem Englisch und ging davon.

„Du sprichst diese furchtbare Sprache?“ Sie rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her und wurde mit jeder Minute unruhiger. „Menschen, die in unserem Land arbeiten, haben Englisch zu sprechen!“

„Der Kellner kommt aus Yucatan“, erklärte er ihr eiskalt. „Seine Muttersprache ist Mayathan. Seine zweite Sprache ist Spanisch. Und seine dritte Sprache ist Englisch.“

Sie blinzelte, als hätte sie nicht verstanden, was er meinte. Schweißperlen traten auf ihre Stirn. „Warum ist es hier drinnen so heiß? Die müssen mal ihre Klimaanlage reparieren.“

„Hier ist es doch ganz angenehm“, erwiderte er verwundert. Da sie ein kurzärmeliges Kleid trug, hatte sie außerdem keinen Grund, sich über die Raumtemperatur zu beklagen.

Sie wischte sich über die Stirn. „Du hast leicht reden.“

Der Kellner kehrte mit Cals Kaffee zurück. Cal bezahlte die Rechnung, und der Kellner bedankte sich mit einem Lächeln, wobei er Edie komplett ignorierte.

„Keine Manieren“, grummelte sie, als er gegangen war. „Er hat mir nicht einmal einen guten Tag gewünscht.“

„Du bist diejenige, die keine Manieren hat“, schnauzte Cal und trank seinen Kaffee aus. „Und das hier war wahrscheinlich unser letztes gemeinsames Essen.“ Er stand auf und ließ sie allein am Tisch zurück.

Als er draußen ankam, zitterte er beinahe vor Wut. Ihr Verhalten war eine Schande. So etwas hatte er noch nie mit ihr erlebt, und es gefiel ihm gar nicht.

„Es tut mir leid“, beteuerte sie, als sie ihn auf dem Bürgersteig eingeholt hatte. „Mir geht es nicht gut. Ich muss nach Hause.“

Er atmete tief durch, führte sie zu seinem Auto und fuhr sie nach Hause. Vor der Haustür wandte er sich zum Gehen.

„Willst du denn nicht mit reinkommen und was trinken?“

Er drehte sich noch einmal um und funkelte sie böse an. „Nein. Auf Wiedersehen.“

„Cal, es tut mir leid“, jammerte sie.

„Es tut dir immer leid, aber du änderst dich nicht.“

Sie trat nervös von einem Bein auf das andere. „Ich habe Probleme.“

„Wir alle haben Probleme, aber die meisten Menschen ertragen sie einfach. Du musst alle um dich herum unglücklich machen, weil du nicht mit dir selbst leben kannst!“

Sie starrte ihn finster an. „Ich gehe jetzt rein.“

„Dann geh.“ Er wandte sich ab und hörte, wie sie im Haus eine Vase auf den Boden warf. Er setzte sich in sein Auto und fuhr davon.

5. KAPITEL

Am nächsten Tag holte Cal Amelia zum verabredeten Termin bei ihr zu Hause ab, um mit ihr zur Trainingsanlage von Eb Scott zu fahren. Sie hatte sich einen grauen Trainingsanzug angezogen. Bei diesem Anblick musste er schmunzeln. „Du hast dich dem Anlass entsprechend angezogen.“

„Das ist das Beste, was ich finden konnte“, erwiderte sie lächelnd. „Ist das okay?“

„Ja“, versicherte er ihr. Insgeheim verglich er sie mit Edie. Sie waren wie Tag und Nacht.

„Was machen wir denn? Karate, Taekwondo oder Tai Chi?“, fragte sie, nachdem sie sich ins Auto gesetzt hatten und losgefahren waren. „Ich habe mich informiert“, erklärte sie mit einem vielsagenden Blick und einem Grinsen auf den Lippen.

„Bei Eb kann man alles lernen, aber hauptsächlich Taekwondo.“ Er sah sie ernst an. „Aber was wir für den Kampf lernen, ist etwas ganz anderes.“

„Inwiefern?“

„Eb unterrichtet Selbstverteidigungstechniken. Aber beim Militär oder als Söldner lernt man Tötungstechniken.“

„Oh.“

„Sag nicht, dass du zimperlich bist.“

Sie zögerte und zuckte dann mit den Achseln. „Nun ja, ich kann nicht mal eine Maus umbringen“, gestand sie kleinlaut. „Einmal habe ich in der Küche eine unter einem Einmachglas gefangen. Granddaddy wollte, dass ich sie töte. Aber als er sich zum Nickerchen hingelegt hat, habe ich sie lieber im Garten freigelassen.“

„Die ist wahrscheinlich direkt wieder zu euch ins Haus gelaufen.“

Sie lachte. „Ach, unser Gemüse im Garten war sicher viel zu unwiderstehlich für sie. Und außerdem habe ich ihr immer ein paar Cracker ausgelegt.“

„Amelia, bei dir ist Hopfen und Malz verloren“, stöhnte er.

„Tja, was soll ich sagen? Ich liebe Tiere. Ich hätte gerne eine Katze oder einen Hund. Schade, dass Granddaddy allergisch ist. Aber ich habe lieber ihn als ein Dutzend Haustiere.“

„Er ist ein guter Kerl“, stimmte er ihr zu.

Sie seufzte. „Ich wünschte, seine Schwester wäre auch so. Es gibt nicht genug Schimpfworte, um sie zu beschreiben.“

„Wo wohnt sie denn?“

„Zum Glück in Victoria, aber sie kommt nächste Woche zu Besuch und bleibt ein paar Tage. Sie wird sich über ihr Zimmer und das Essen beschweren, über die Temperatur im Haus und mein Aussehen und mein Verhalten …“

„Was stimmt denn mit deinem Aussehen nicht?“ Er sah sie von der Seite an und musterte sie. „Und dein Verhalten ist großartig.“

Ihre Wangen liefen rot an. „Oh, danke.“

Er konzentrierte sich wieder auf die Straße, bevor er weitersprach. „Du bist anders als andere Frauen, die erwarten, dass man ihnen jeden Wunsch sofort erfüllen muss.“

„Klingt so, als würdest du so eine Frau kennen.“

„Stimmt. Sie hat mich in einem Restaurant blamiert, als sie ein paar sehr unschöne Dinge über Einwanderer gesagt hat.“

Sie sah ihm sanft in die Augen. „Bei uns in der Straße wohnt eine Familie mit drei Kindern. Das sind die nettesten Menschen, die man sich vorstellen kann. Mrs. Gomez hat mir etwas Spanisch beigebracht, und ich passe manchmal auf ihre Kinder auf.“

Bei diesen Worten ging ihm das Herz auf. „In meiner Einheit gibt es auch ein paar Hispanics. Meine Freundin hat gesagt, alle Einwanderer dürften hier nur Englisch sprechen. Ich habe mich mit unserem Kellner unterhalten, und er konnte sogar drei Sprachen.“

„Das ist beeindruckend“, sagte sie leise. „Menschen, die Einwanderer schlechtreden, kennen sie einfach nicht. Das kommt daher, weil sie nichts über sie erfahren wollen. Alles, was sie über sie zu wissen glauben, haben sie nur aus dem Fernsehen oder dem Internet.“

Er konnte nicht anders, als sie beeindruckt anzusehen.

Kurze Zeit später lenkte er seinen Wagen auf ein großes Grundstück, auf dem ein hoch aufragendes viktorianisches Gebäude stand, das von Wellblechhütten umgeben war. „Da wären wir.“

Ein großer, schlaksiger Mann in Stiefeln, Jeans und Cowboyhut hatte ihre Ankunft bemerkt und näherte sich ihnen, als sie ausstiegen.

„Hallo, Eb“, begrüßte ihn Cal und schüttelte ihm die Hand. „Erinnerst du dich an Amelia? Sie weiß, wie man Dinge in die Luft jagt.“

Eb Scott schaute Amelia mit freundlichen grünen Augen an. „O ja, ich erinnere mich an dich. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so genau ins Schwarze trifft. Außer ihm hier.“ Er deutete mit dem Daumen auf Cal. „Der trifft immer.“

„Ich jage lieber Dinge in die Luft“, erwiderte sie lachend.

„Wenn du gut darin bist, werde ich dich vielleicht irgendwann anheuern.“

„Das würde mich sehr freuen! Aber vorher muss ich noch einiges lernen.“

„Gehst du aufs College?“

Sie nickte. „Ich bin im zweiten Jahr und mache bald meinen Abschluss. Danach muss ich mich entscheiden, ob ich mich mit meinem Associate Degree zufriedengebe oder ob ich noch den Bachelor mache.“

„Das ist eine wichtige Entscheidung“, fand Eb. „Aber du bist noch jung.“

„Nicht mehr so jung“, entgegnete sie amüsiert.

„Doch, du bist jung“, sagte Cal bestimmt und grinste.

„Kommt, ich zeige euch alles.“ Eb führte sie auf das Gelände. „Wir haben gerade einen neuen Kurs eingeführt: defensives Fahren für Chauffeure. Unsere Kursauswahl nimmt stetig zu, genauso wie unsere Schülerzahlen. Ich wäre gern mit euch in Afrika“, sagte er und schaute Cal an. „Vielleicht in ein paar Wochen, wenn ich hier alles geregelt und einen kompetenten Leiter eingestellt habe.“

„Du wärst herzlich willkommen“, antwortete Cal. „Je mehr, desto besser.“

Er zeigte ihnen die Kurse, die gerade stattfanden, ohne die Lehrer, von denen viele bei Eliteeinheiten gewesen waren, zu unterbrechen.