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Bilder von dir (Die Sullivans aus New York 1) E-Book

Bella Andre

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Beschreibung

Der weltberühmte Künstler Drake Sullivan malt keine Frauen. Nie. Denn er weiß zu gut, wie zerstörerisch die Beziehung zwischen Maler und Muse sein kann. Als aber eines Tages Rosa Bouchard über die Klippen vor seinem Cottage in Montauk wandert, ist Drake so von ihr gefesselt, dass er sie unbedingt auf der Leinwand zum Leben erwecken muss. Reality-TV-Star Rosa Bouchard ist von den Nacktfotos, die soeben von ihr im Internet aufgetaucht sind, schockiert und entsetzt. Instinktiv flüchtet sie von ihrem Zuhause in Miami, um sich zu verstecken. Nach einer durchfahrenen Nacht landet sie in Montauk, New York, wo sie keine Seele kennt. Hier will sie sich verbergen, bis sie herausfindet, wie sie mit dem Feuersturm im Internet - und mit ihrer Mutter umgehen soll. Diese scheint nur zu erfreut, Rosas Glück für noch mehr Ruhm, mehr Fans und mehr Geld verkaufen zu können. Nie im Traum hätte Rosa erwartet, einen so sündhaft sexy Mann wie Drake Sullivan zu finden und sich in ihn zu verlieben. Drake hat noch nie etwas Ähnliches gefühlt, wenn er malte ... und noch nie hat er solche Gefühle für eine Frau empfunden. Wenn sie sich küssen, schmilzt alles zu süßem, atemlosem Begehren. Kann er aber Rosa überzeugen, nach einem so verheerenden Verrat wieder zu vertrauen - und zu lieben? "Die Sullivans"-Reihe Liebe in deinen Augen Ein verfänglicher Augenblick Begegnung mit der Liebe Nur du in meinem Leben Sag nicht nein zur Liebe Nur von dir hab ich geträumt Lass dich von der Liebe verzaubern Du gehst mir nicht mehr aus dem Sinn "Die Sullivans aus Seattle" Eine perfekte Nacht Nur du allein Deine Liebe muss es sein Dir nah zu sein Ich mag, wie du mich liebst Ohne dich kann ich nicht sein "Die Sullivans aus New York 1)" Vier Herzen vor dem Traualtar (Die Sullivans Hochzeitsnovelle) Bilder von dir Weil es Liebe ist

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Bilder von dir

Die Sullivans aus New York 1

Bella Andre

Inhaltsverzeichnis

Bucheinband

Titelseite

Copyright

Über das Buch

Ein Hinweis von Bella

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Epilog

Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache

Über die Autorin

Bilder von dir

Die Sullivans aus New York 1

© 2018 Bella Andre

Übersetzung Jo Schweiger – Language + Literary Translations, LLC

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Millionen Leserinnen und Leser haben sich in die Sullivans aus San Francisco und Seattle verliebt. Bereiten Sie sich jetzt darauf vor, sich bis über beide Ohren in die Sullivans aus New York zu verlieben!

Der weltberühmte Künstler Drake Sullivan malt keine Frauen. Nie. Denn er weiß zu gut, wie zerstörerisch die Beziehung zwischen Maler und Muse sein kann. Als aber eines Tages Rosa Bouchard über die Klippen vor seinem Cottage in Montauk wandert, ist Drake so von ihr gefesselt, dass er sie unbedingt auf der Leinwand zum Leben erwecken muss.

Reality-TV-Star Rosa Bouchard ist von den Nacktfotos, die soeben von ihr im Internet aufgetaucht sind, schockiert und entsetzt. Instinktiv flüchtet sie von ihrem Zuhause in Miami, um sich zu verstecken. Nach einer durchfahrenen Nacht landet sie in Montauk, New York, wo sie keine Seele kennt. Hier will sie sich verbergen, bis sie herausfindet, wie sie mit dem Feuersturm im Internet – und mit ihrer Mutter umgehen soll. Diese scheint nur zu erfreut, Rosas Glück für noch mehr Ruhm, mehr Fans und mehr Geld verkaufen zu können. Nie im Traum hätte Rosa erwartet, einen so sündhaft sexy Mann wie Drake Sullivan zu finden und sich in ihn zu verlieben.

Drake hat noch nie etwas Ähnliches gefühlt, wenn er malte … und noch nie hat er solche Gefühle für eine Frau empfunden. Wenn sie sich küssen, schmilzt alles zu süßem, atemlosem Begehren. Kann er aber Rosa überzeugen, nach einem so verheerenden Verrat wieder zu vertrauen – und zu lieben?

Ein Hinweis von Bella

Jetzt, da alle Sullivans aus San Francisco und Seattle die Liebe ihres Lebens gefunden haben, ist es endlich auch an der Zeit für ihre Cousine und Cousins in New York. Sobald ich begonnen hatte, Drake Sullivans Buch zu schreiben, habe ich mich bis über beide Ohren in ihn und seine Heldin Rosa verliebt – zusammen mit seinen drei Geschwistern Suzanne, Harrison und Alec. Ich kann es gar nicht mehr erwarten, dass Sie Drakes und Rosas Liebesgeschichte lesen!

Viel Spaß bei der Lektüre,

Bella Andre

P.S.: Falls dies Ihr erstes Sullivan-Buch ist – jedes Buch lässt sich leicht auch als Einzelwerk lesen.

P.P.S.: Melden Sie sich für meinen Newsletter an (http://bellaandre.com/germany), um sofort beim Erscheinen des neuesten Sullivan-Buchs informiert zu werden.

KAPITEL 1

Jemand war da draußen auf den Klippen. Auf seinen Klippen.

Drake Sullivan beobachtete, wie die Person gleich hinter den Bäumen, die sein Grundstück begrenzten, die Klippen überquerte. In den sechs Jahren, seit er dieses Cottage mit seinen acht Hektar Boden an der nördlichen Spitze von Long Island besaß, hatten nur wenige Menschen sein Grundstück unbefugt betreten. Natürlich kamen seine Geschwister und Cousinen und Cousins oft unvermittelt hereingeschneit, aber die meisten Menschen wussten nichts von dem einsamen Anwesen in Montauk Point State Park – nicht einmal die Einwohner der Gegend. Die Wanderwege endeten eineinhalb Kilometer vor seiner Grundstückgrenze und nicht einmal die Segler draußen auf dem Atlantik konnten seine kleine Hütte durch die Bäume sehen.

Als der Person eine schwarze Mütze vom Kopf flog, wehten lange dunkle Haare im Wind. Die Frau versuchte nicht, die Mütze zu fangen, sie schien nicht einmal zu bemerken, dass die Mütze weg war. Stattdessen hielt sie den Kopf gesenkt, während sie die Felsen entlangging, die bei Nässe recht heimtückisch sein konnten. Ein falscher Schritt genügte und sie würde ausrutschen und auf das unerbittlich scharfe Schiefergestein stürzen, das sich auf dem darunterliegenden Sandstrand erhob.

Je genauer er durch sein Wohnzimmerfenster hinsah, desto weniger standfest erschien sie ihm. Der Wind hatte am frühen Morgen kräftig aufgefrischt und ihre Beine schienen zu zittern. Nicht nur ihre Beine – sie zitterte am ganzen Körper. Jeder Mensch hätte bei diesem Wind im Freien eine Jacke getragen, eine dicke Jacke. Mit ihrem T-Shirt und den Jeans hätte sie ebenso gut nackt draußen in den Elementen sein können, besonders jetzt, als es in Strömen zu regnen begann.

Die Überraschung verwandelte sich in Sorge, als er sich bewusst wurde, dass sie vielleicht gar nicht bei einer Wanderung irgendwie auf seinem Grundstück gelandet war. Jemand, der draußen war, um die freie Natur zu genießen, würde sie auch genossen haben – die anschwellenden Wellen der Brandung, den wilden Tanz der Sturmwolken, die jetzt über den Himmel jagten, den goldenen Strand, der einen so überraschenden Kontrast zu den abrupt emporragenden dunkelgrauen Klippen bildete. Diese Frau aber schien sich nicht an der Natur zu erfreuen – sie schien in Wirklichkeit kaum zu bemerken, wo sie war.

Versuchte sie vielleicht, sich auf den nassen Felsen etwas anzutun, während der Wind in so heftigen Böen stürmte? Oder war sie sich nicht bewusst, was sie tat?

Er wollte gerade hinausgehen, um zu sehen, ob sie Hilfe brauchte, als sie plötzlich auf den Felsen stürzte. Sein angeborener Beschützerinstinkt ließ ihn zur Tür hinausstürmen und schnell über die knisternden Fichtennadeln auf dem Waldboden rennen, um ihr zu helfen.

Als er allerdings näher kam, bemerkte er, dass sie weinte, aber offenbar nicht wegen des Sturzes. Was er sah, erinnerte ihn an die Art, wie seine Schwester Suzanne und seine zahlreichen Cousinen schluchzten, wenn ihnen jemand das Herz gebrochen hatte. Zu einer kleinen Kugel zusammengekrümmt, saß sie nahe dem Felsenrand, die Arme um ihre Knie geschlungen, den Kopf auf den Beinen und weinte.

Drake wollte sich zwar noch vergewissern, dass sie sich nicht verletzt hatte, blieb aber erst von den Bäumen versteckt stehen. Er kannte Frauen gut genug, um zu wissen, dass jemand, der so weinte, auf keinen Fall Zuschauer wollte.

Besonders keine Fremden.

Während Drake sie aus dem Wald heraus beobachtete, bemerkte er endlich all die Dinge, die er nicht gesehen hatte, als er glaubte, dass sie sich vielleicht verletzen könnte. Dass ihr leicht gewelltes Haar an den Wurzeln hellbraun war und an den Spitzen dunkelbronzefarben wurde. Die elegante Linie ihres Halses. Die lange Kontur ihrer Wirbelsäule, während sie die Arme um ihre Beine geschlungen hatte. Und vor allem die überraschende Stärke in ihren schlanken Armen.

Das heftige Schluchzen hätte ihre Erscheinung irgendwie abwerten, hätte sie schmälern sollen. Sie hatte aber eine solche Stärke – eine herrliche Macht, die sich noch zu steigern schien, während er über sie wachte.

Drake hätte sich wohl als Letztes erwartet, dass sich etwas in ihm regte, etwas, das sich seit sehr langer Zeit nicht mehr geregt hatte – ein Drang zu malen.

Seit er ein Junge war, hatte er immer einen kleinen Zeichenblock in der Tasche bei sich getragen, um sicher zu sein, dass er die Inspiration, wo immer und wann immer sie kam, einfangen konnte. Erst als er in seine hintere Hosentasche griff und sie leer vorfand, entsann er sich, dass er den Zeichenblock seit Wochen nicht mehr in die Hand genommen hatte. Die fehlende Inspiration hatte ihn sogar die Gewohnheit aufgeben lassen, ihn einzustecken.

Die meisten Menschen kamen nach Montauk wegen der weitläufigen Strände oder um sich in den Hamptons sehen zu lassen. Aber Drake war wegen der Stille hierhergekommen. Und wegen der Inspiration.

Zwei Monate. So lange hatte er darauf gewartet, dass ihm eine verdammte Inspiration kam. Stattdessen war er an einem Punkt angekommen, an dem er kaum einen Grund finden konnte, ein Skizzenbuch zu öffnen oder seine Staffelei aufzustellen. All die ihn umgebende Schönheit, der sich unendlich erstreckende Atlantik, die alten Fischerhäuser in der ganzen Stadt, die mehr Seele hatten, als sie irgendein modernes Gebäude je haben würde – und doch funkte es nicht.

Bis jetzt.

Bis sie kam.

Während Drake im Dickicht der Bäume stand, blieb ihm nur sein Gedächtnis, um das Bild der Frau auf den Klippen festzuhalten. Sein visuelles Gedächtnis war immer schon beinahe fotografisch, aber trotz seiner Fähigkeit, sich auch an kleine Details zu erinnern, die den meisten Menschen entgingen, wünschte er sich doch, dass sie jetzt in seinem Atelier säße, so dass er sie gründlich betrachten, sie studieren und entdecken könnte.

Sein Gehirn kam schlitternd zum Stillstand. Was zum Teufel dachte er da?

Drake malte keine Frauen. Nie. Es war seine einzige unumstößliche Regel. Öl und Acryl, Pastell- und Wasserfarben – er schloss nichts aus. Aber eine Frau hatte er noch nie in sein Atelier gebracht und plante auch, es nie zu tun.

Abgesehen davon durfte er jetzt nicht an seine Arbeit denken, selbst, wenn er keine unumstößliche Regel gehabt hätte, was das Malen von Frauen anging. Er sollte sich besser darauf konzentrieren, dafür zu sorgen, dass diese Frau nicht plötzlich beschloss, sich während ihres Weinkrampfes von den Felsen zu stürzen.

Anfangs war ihr Schmerz dem Sturm ebenbürtig. Aber der Sturm in ihr schien endlich abzuklingen, sich allmählich zu legen. Als könnte sie das Wetter kontrollieren, legte sich plötzlich auch der Wind, der bis vor ein paar Augenblicken wie rasend über den Ozean und durch den Wald gepeitscht war. Die Sturmwolken teilten sich und ein Bündel Sonnenstrahlen traf die Frau wie ein Scheinwerfer.

Als sie den Kopf von den Knien hob und das Gesicht der Sonne zuwandte, konnte Drake endlich ihr Profil sehen und das Herz blieb ihm in der Brust stehen – genauso, als hätte es ein Messer durchstochen oder eine Kugel durchbohrt.

Er musste sie malen.

* * *

Rosa Bouchard – nicht Rosalind, egal wie sehr ihre Mutter darauf bestand, den Namen, auf den sie getauft war, zu verwenden, weil er „schicker“ war – hatte seit Jahren nicht mehr geweint. Seit ihr Vater verstorben war, als sie zehn war und sie einen der wichtigsten, liebevollsten Menschen ihres Lebens verloren hatte.

Aber heute konnte sie nicht mehr aufhören.

Rund um sie herum war bereits Wasser ohne Ende – brechende Wellen, Salzwasser, das auf die Spitzen der Klippen sprühte und ihre Schuhe, ihre Kleider, ihre Haut durchnässte. Was machten da schon ein paar salzige Tränen aus? Zumal ihre Tränen kaum ein Tropfen im Meer waren, verglichen zu dem endlos weiten Ozean vor ihr.

Es war fast eine Erleichterung, die Tränen so heftig und ungehemmt durch sich fließen zu lassen, dass sie sich auf nichts anderes konzentrieren konnte. Rosa wollte im Augenblick nicht denken. Sie wollte keine großen Entscheidungen treffen müssen. Sich nicht mehr daran erinnern, was geschehen war. Nicht nur, wegen der schrecklichen Fotos, sondern auch wegen all der anschließenden scheußlichen Kommentare von Fremden. Und am schlimmsten waren die Dinge, die die Menschen, die ihr hätten am nächsten stehen sollen, gesagt hatten.

Leider brachte nichts die Stimmer ihrer Mutter zum Schweigen, die sich wie auf Dauerschleife, ständig in Rosas Kopf abspulten: „Dieser fürchterliche Mann, der die Kameras in deinem Hotelzimmer versteckt und all diese Fotos aufgenommen hatte, hat keine Chance gegen unsere Rechtsanwälte. Sie werden ihn dafür fertigmachen, dass er sich diese Fotos erschlichen und verkauft hat. Es braucht dir aber nicht nahezugehen, was die Leute sehen, Liebling. Dein Körper ist nichts, was sie nicht schon gesehen hätten. Überlassen wir ihn doch den Rechtsanwälten und betrachten lieber die positive Seite des Ganzen – wir haben in nur wenigen Stunden auf jeder einzelnen der Social-Media-Plattformen über eine Million Followers gewonnen!“

Letztendlich hatte genau das Rosas Herz gebrochen – sich bewusst zu werden, dass ihr Körper nichts anderes war als ein Objekt im Tausch gegen ein paar Millionen neuer Followers in den sozialen Medien für die Marke ihrer Familie. Dass ihr Stolz, ihre Privatsphäre, die Tatsache, dass sie den Nacktfotos nie zugestimmt hatte, einfach ein gutes Mittel waren, um den Wert des Namens der Bouchards bei der Werbung für Make-up oder eine Modelinie zu steigern.

Wieder stieg der Schmerz in Rosa auf und nagte und zerrte an ihrem Herzen. Der auf die Felsen krachende Ozean schluckte den Klang ihrer Schluchzer, aber anstatt über die Geräuschkulisse froh zu sein, packte sie plötzlich die Wut.

Sie hatte es so gründlich satt, zum Schweigen gebracht zu werden. So verdammt satt, dass ihr das Werbeteam des Kabelnetzwerkes immer vorgab, was sie sagen und wie sie es sagen sollte.

Eine unbändige Rage stieg ihr in den Hals, als sie plötzlich von unerwarteter Wärme überflutet und aufgeschreckt wurde. Sie hob das Gesicht von den Knien und stellte überrascht fest, dass sich die grauen Wolken gelichtet hatten und ein Sonnenstrahl sie durchbrach.

Der sie direkt beschien.

Während eines glückseligen Augenblicks klärten sich ihre Gedanken und ihr Herz und sie konnte das Geräusch der sich brechenden Wellen genießen und die Wärme der Sonne auf ihrem nassen Gesicht und den Armen fühlen.

Aber der Augenblick war viel zu schnell vorüber und alles, was sich in den letzten vierundzwanzig Stunden ereignet hatte, brach wieder über sie herein.

Rosa hatte sich an dem Morgen nicht überlegt, wohin sie fuhr. Sie hatte kein klares Ziel in ihrem Navi, als sie um vier Uhr früh aufwachte und ihren Koffer packte. Sie musste einfach weg. Weg von allen und allem, was sie quälte. Also war sie heimlich aus dem Haus zu ihrem Auto geschlichen. Keines der schicken, die sie von den Autohäusern bekamen, damit sie gratis für sie Werbung machten, sondern das alte Auto, das sie sich mit dem beim Babysitten ersparten Geld gekauft hatte. Das war in den Jahren, bevor Reality-TV ihr Leben total unwirklich hatte werden lassen.

Sie war die Nacht durchgefahren und weiter, als die Sonne aufging, bis sie plötzlich in Montauk war, in einer Stadt, deren Spitzname THE END war. Es war die perfekte Beschreibung ihrer Gefühle – total am Ende ihrer Kräfte.

Mit ihrem Dad war sie schon einmal in Montauk gewesen – auf einem ihrer besonderen jährlichen Vater-Tochter-Ausflüge. Rosa erinnerte sich, wie sie an den langen Stränden vorübergefahren waren und sie sich gefragt hatte, wann ihr Vater stehenbleiben würde, damit sie aussteigen und spielen konnten. Sie hatte ihm vertraut, dass er den besten Platz kennen würde – sie hatte ihm in absolut allem vertraut – sogar als er in einem Wald anstatt am Strand angehalten hatte.

Sie waren einen gewundenen Pfad entlanggewandert und hatten gelacht, wenn sie über einige Pfützen sprangen oder durch andere platschten, bis sie etwas erreichten, das aussah wie eine Halfpipe für Skateboarder. Ihr Vater erzählte ihr, dass es ein alter, jetzt nicht mehr genutzter Regenkanal war, der sie zu einer der spektakulärsten Stellen führen würde, die er je gesehen hatte und die kaum jemand kannte. Sie hatte das Abenteuer so aufregend gefunden, als sie über den rissigen Beton gingen, dass ihr vor Begeisterung der Atem stockte, als die Bäume sich plötzlich lichteten und den Blick auf die dunkelgrauen Klippen und die endlose Weite des Atlantiks dahinter freigaben.

Rosa hatte immer Spaß, wenn sie im Sand und in der Gischt spielte, aber der turbulente Ozean berührte sie stets am tiefsten. Ihr Vater hatte es verstanden, obwohl sie es ihm nie hatte direkt sagen müssen.

An diesem so weit zurückliegenden besonderen Tag hatte er ihre Hand genommen und ihr gesagt, dass sie auf den rutschigen Klippen vorsichtig gehen mussten, weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass sie stürzen und sich verletzen könnte. Sie erinnerte sich noch an den warmen, festen Griff seiner Hand, und wie sicher sie sich war, dass er immer da sein, sich um sie kümmern und dafür sorgen würde, dass sie nie verletzt wurde. Wie hatte sie sich gefreut, als er ihr versprach, dass sie im nächsten Jahr auf ihrem besonderen Ausflug wieder zu dieser Stelle zurückkommen konnten.

Einen Monat später war er tot, bei einem Hubschrauberunglück mit seinem gesamten Verkehrsfunk-Team ums Leben gekommen. Sie war nie mehr zu diesen Klippen zurückgekehrt, hatte sich aber immer an sie als ihren ganz besonderen Ort erinnert. An jenem perfekten Nachmittag hatte er ihr alles über die Strömungen, Flut und Ebbe und über das Meeresleben erzählt. Dann hatten sie sehr lange einfach nur still nebeneinandergesessen und die sie umgebende Schönheit genossen.

Er konnte wunderbar schweigen und auch sie nur still sein lassen. Mit ihm hatte Rosa nicht das hübsche Mädchen zu sein brauchen. Die Spritzige. Die Lustige. Die Aufregende. Die Wagemutige. Sie konnte einfach sie selbst sein.

Wer auch immer Rosa Bouchard jetzt war …

So plötzlich, wie sie aufgetaucht war, verschwand die Sonne wieder und die Wärme war weg, als hätte es sie nie gegeben. Der Wind frischte wieder auf, aber eigenartigerweise war ihr nicht kalt. Oder vielleicht hatte sie jetzt schon so lange gefroren, dass sie es nicht mehr spürte.

Es begann wieder zu regnen, es goss geradezu, sodass der Regen in ihren Augen und auf der Haut brannte. Sie wünschte, er könnte sie sauber waschen, aber nach all den Dingen, zu denen sie sich in den letzten Jahren als Reality-TV-Star bereit erklärt hatte – und den fürchterlichen Fotos, zu denen sie sich nicht bereit erklärt hatte – fürchtete sie, dass nichts sie je wieder reinwaschen konnte.

Schon vor Stunden hatte sie ihr Mobiltelefon ausgeschaltet, konnte aber immer noch fühlen, wie es hartnäckig in der hinteren Tasche der Jeans gegen ihre Hüfte drückte. Sie trug immer ihr Handy bei sich und hätte sich ohne nackt gefühlt.

Nackt.

Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass alle Welt sie nackt auf ihren Handybildschirmen gesehen hatte.

Auch jetzt überlegte sie nicht, plante nicht. Sie sprang auf, zog das Handy aus der Tasche und warf es in hohem Bogen von sich, so weit sie nur konnte.

Trotz der unzähligen Yogastunden und Pilates, die sie auf sich nahm, um ihren von Natur aus mit Rundungen ausgestatteten Körper in Form zu halten, schaffte es ihr Telefon gerade bis zur scharfen Kante der Klippen. Sie konnte jedoch sehen, dass das Display zerbrochen war, während es hin- und her-, hin- und her-, hin- und herschwankte, bis es schließlich über den Klippenrand fiel.

Und ebenso verschwand wie sie.

KAPITEL 2

Sie ging fort.

Als die Frau auf den Klippen ihr Handy offensichtlich in Rage gegen die Felsen geschleudert hatte, schien sie, trotz des heftigen, sie durchnässenden Regens, beinahe erleichtert. Aber dann waren ihre Schultern wieder zusammengesackt, und während sie über die Klippen zurück zum Wald ging, verdeckten ihre langen, nassen Haare ihr Gesicht.

Obwohl der Regen auf sie niederprasselte, bewegte sie sich mit natürlicher Anmut – wie eine Tänzerin oder ein Model. Und auch wenn es hier kein zu beeindruckendes Publikum gab und sie eindeutig noch wütend war, konnte man nicht übersehen, wie sinnlich das leichte Schwingen ihrer Hüften war. Sie war von Kopf bis Fuß bis auf die Haut durchnässt. Ihre Jeans und das T-Shirt klebten an ihr wie eine zweite Haut und zeigten einen Körper, der selbst Rodins Hände vor unbändiger Lust, sie in Stein zu meißeln, hätte brennen lassen.

Aber es war nicht der Sex Appeal, der praktisch aus all ihren Poren drang, der Drake anzog und es ihm so schwer machte, nicht mehr hinzustarren und seine Finger danach jucken ließ, sie zu malen. Er war mit vielen umwerfenden Frauen zusammen gewesen, aber hatte noch nie so etwas empfunden.

Licht schien sie zu umgeben, ihr zu folgen, an ihr zu haften, selbst hier unter den schweren grauen Wolken und dem strömenden Regen.

Himmel nochmal. Er begann, hier draußen in seinem entlegenen Cottage den Verstand zu verlieren. Wahrscheinlich hatte er während zu vieler Wochen auf eine weiße Leinwand gestarrt. Aber sogar, nachdem er den Kopf geschüttelt hatte, um wieder einen klaren Blick zu bekommen, umgab sie dieser Lichtschein weiterhin, während sie auf den alten Regenabfluss zusteuerte, durch den sie gekommen sein musste.

Er brauchte nicht weiter über sie zu wachen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht von den Felsen stürzte – oder sprang. Er sollte in sein Cottage zurückkehren und sich zwingen, etwas zu malen.

Irgendetwas, nur nicht sie.

Wenn er auch so dumm gewesen wäre, seine einzige eiserne Regel zu brechen, an die er sich immer sorgfältig gehalten hatte, hätte er ihr doch nicht hinterherlaufen können und sie bitten, ihm Modell zu sitzen. Schon deshalb nicht, weil sie gerade geschluchzt hatte, als wäre ihre ganze Welt zusammengebrochen. Nur ein Vollidiot würde seine Kunst über die Gefühle eines Menschen stellen. Sicher gab es jede Menge Maler, die glaubten, dass sie das Recht hatten, alles zu tun oder zu sagen, um das, was sie wollten, auf die Leinwand zu bringen. Aber Drake hatte bei der Ausübung seiner Kunst noch nie jemanden verletzt und hatte auch nicht vor, heute damit zu beginnen.

Als sie zwischen den Bäumen aus seinem Blickfeld verschwand, brauchte er trotzdem eine höllische Selbstbeherrschung, um sich davon abzuhalten, zum Regenabfluss zu rennen, wo er auf sie treffen würde. Sie nach ihrem Namen zu fragen. Sie zu bitten, eines Tages zurückzukommen, wenn sie nicht mehr so traurig sein würde. Wenn auch nur, um diesen Funken wieder zu fühlen, diesen irren Drang zu malen, den er sein ganzes Leben als selbstverständlich angesehen hatte.

Als Drake sich zwang, zu seinem Cottage zurückzukehren, bemerkte er, dass er ebenfalls durchnässt war. Er war so auf die Frau konzentriert gewesen – und darauf, diesen verrückten Drang, sie zu malen zu bekämpfen – dass er sich erst jetzt bewusst wurde, wie tief die Temperatur während des Unwetters gesunken war. Als er zu seiner Eingangstür kam, hatte er bereits sein Shirt ausgezogen und den Rest abgelegt und zu einem nassen Haufen zu Boden fallen lassen, bevor er die Tür öffnete und hineinging.

Oscar hob den Blick von seinem großen weichen Hundekissen in der Ecke, hob die dunklen Brauen, während er sein nacktes und tropfnasses Herrchen begutachtete. „Ein toller Wachhund bist du. Du hast eine Fremde draußen auf den Klippen und einen wilden Sturm einfach verschlafen.“

Drake liebte die große Pelzkugel natürlich alle Mal. Oscar sah nur wie ein Wachhund aus – teils Deutscher Schäferhund, teils Boxer und zum Teil Akita. In seinem Herzen war der Köter eine sanftmütige Schlafmütze. Als wollte er diesen Ruf untermauern, gähnte Oscar und vergrub die Schnauze unter einer großen Pfote.

Drake trocknete sich mit einem Handtuch ab, holte sich dann ein paar trockene Jeans und ein Shirt aus seinem Schlafzimmer und kehrte in die Wohnküche zurück. Er hatte das Geäst der das Cottage umgebenden Bäume gestutzt, so dass Licht durch die Fenster strömte, die sich über drei Wände erstreckten. Das war immer sein bester Atelierraum gewesen, besser als sein westlich ausgerichtetes Penthouse in New York City. Wenn ihn das Malfieber packte, war es ideal, das Atelier, die Küche und das Schlafzimmer auf nur wenigen Metern beisammenzuhaben, um während dieser Zeit auch schlafen und essen zu können.

In letzter Zeit schien ihn diese Anordnung zu verhöhnen.

Drake wusste, dass er nicht der erste Maler war, der seine Inspiration verlor. Vor dreißig Jahren hatte auch sein Vater die Inspiration verloren. Aber Drake hatte immer angenommen, dass ihm das nie passieren würde, wenn er nur vorsichtig war. Wenn er nicht den Fehler beging, seine ganze Inspiration an eine Person zu heften, wie es sein Vater getan hatte. Wenn er es seinem Herzen nicht erlaubte, sich zu sehr zu binden oder sich zu tief in etwas verstricken zu lassen – nicht nur beim Malen, sondern auch, was Frauen im Allgemeinen betraf.

William Sullivan war einmal der angesagteste Maler im ganzen Land gewesen. In den Achtzigern bezahlte man für seine Werke sechsstellige Beträge – und zum Schluss sogar noch mehr. Dann war ihm genau das passiert, als Drakes Mutter und ultimative Muse seines Vaters ihn und ihre vier Kinder verlassen und sich das Leben genommen hatte. Williams Leidenschaft für das Malen und sein brillantes Talent waren ausgelöscht. Er hatte nie mehr einen Pinsel in die Hand genommen, nie mehr sein Atelier betreten. Er ließ die Leinwände Staub ansammeln, die Farben eintrocknen und schließlich tauschte er seine Pinsel gegen Hämmer und Nagelpistolen ein und begann, Häuser zu bauen, anstatt zu malen.

Drake war nur sechs Monate alt, als seine Mutter ging. Im Laufe der Jahre hatten seine älteren Geschwister mit ihm darüber gesprochen, aber es waren vor allem andere Künstler und Kunsthändler, die nie müde wurden, alle quälenden Einzelheiten von William Sullivans persönlicher Zerstörung wieder aufzuwärmen. Als er nämlich von heute auf morgen aufgehört hatte zu malen, traf das die Kunstwelt ebenso, als wäre er gestorben. Der Wert der meisten seiner noch unverkauften Werke steigerte sich auf fast das Zehnfache ihres ursprünglichen Wertes. Sogar seine ältesten Gemälde, die kaum mehr waren als verträumte Liebesbriefe auf Leinwand an eine Frau, von der er besessen war, wurden zu unbezahlbaren Sammlerstücken.

Drake hatte genug Kenntnisse in Psychologie, um zu begreifen, warum er persönlich sein Cottage in Montauk seinem Penthaus in New York vorzog. Der Ruhm seines Vaters – und die Legende, wie eine gescheiterte Liebe einen der größten Maler der Gegenwart plötzlich dazu gebracht hatte, seinen Pinsel für immer wegzulegen – hatte seit jeher Drakes Leben zu sehr zu einem offenen Buch gemacht. Sicher kam er in der City mit den Galerien und den Investoren gut zurecht, zog es aber vor, es nicht zu müssen. Besonders jetzt, wo er an einem Punkt seiner Karriere angekommen war, an dem er sich verkriechen und sich nur mehr aufs Malen konzentrieren konnte und das Geschäftliche seiner Agentin überließ. Drake scherte sich ehrlich gesagt keinen Deut darum, was die Welt über ihn, über seine Familie oder seine Malerei dachte, aber das bedeutete nicht, dass er den Leuten Futter liefern würde, damit sie genüsslich wieder die Vergangenheit aufwärmen konnten.

Während der letzten paar Wochen hatten seine Geschwister und Cousinen und Cousins gefragt, wann er wieder in die Stadt zurückkehren würde, aber er weigerte sich zurückzugehen, bevor er nicht erledigt hatte, weshalb er hierhergekommen war: nämlich ein Dutzend großartiger Gemälde zu schaffen.

Er sagte sich, er sollte die Frau auf den Klippen vergessen und nahm sein fast leeres Skizzenbuch in die Hand. Eigentlich malte er Menschen nicht gerne, abgesehen von absichtlich albernen Porträts der Kinder seiner Cousinen und Cousins, die alle so voll Leben und Lachen waren. Selbst wenn sie ungezogen waren, konnte Drake dem verspielten Funkeln in ihren Augen nicht widerstehen.

Als aber der Bleistift in seiner Hand wie von selbst über das Blatt zu fliegen schien, entstand kein aufgepeitschter Ozean – sondern die Frau auf den Klippen. Wenn nur nicht ihr Gesicht wegen der Entfernung und des Regens so unklar gewesen wäre. Wenn er nur näher hingegangen wäre …

Sein Telefon klingelte und Oscar gab einen verärgerten, halbknurrenden Ton von sich, weil sein Nickerchen unterbrochen worden war. Drake fluchte, als er sein Skizzenbuch fallen ließ, als wäre es in Flammen aufgegangen. Was zum Teufel tat er da? Wo war seine Selbstbeherrschung?

Gewöhnlich ließ er sein Telefon ausgeschaltet, aber er musste sich heute Morgen mit seiner Agentin in Verbindung setzen, bevor sie nach Montauk kam und ihm nachstellte. Als er Candices Namen auf dem Display sah, hob er ab.

Sie verzichtete auf jede Nettigkeit und sagte: „Drake, ich brauche diese Bilder.“

„Bald.“

Sie hatten jedoch schon so lange zusammengearbeitet, dass Candice wusste, wann er ihr etwas vormachte. „Ich hab dir bereits zwei zusätzliche Monate ausgehandelt. Du bist ein Spitzentalent, Drake. Deshalb ist die erste Galerie New Yorks sehr erfreut, dir nächsten Monat ihren gesamten Ausstellungsraum zur Verfügung zu stellen. Bitte sag mir, dass du wenigstens mit etwas begonnen hast.“

Er blickte auf sein Skizzenbuch hinunter, bevor er sich zwang, den Deckel über dem schönen, rätselhaften Gesicht, das zu ihm aufstarrte, zu schließen. „Ihre Wände werden nicht leer sein.“

„Gut. Ich hoffe, du passt da draußen in der Wildnis gut auf dich auf.“

„Die Hamptons zählen nicht zur Wildnis, Candy.“

Er konnte seine Agentin praktisch vor Grauen schaudern sehen, wenn sie sich vorstellte, mehr als fünfzig Meter von der letzten Mode, Gourmet Kaffee und den hipsten Restaurants entfernt zu sein.

„Ruf mich an, sobald du die Bilder verschickt hast.“

Drake legte auf. Er wusste, dass sich seine Agentin ziemlich cool gegeben hatte, obwohl sowohl sie als auch die Galerie eindeutig ausflippten, weil er noch keine Bilder geliefert hatte, wo doch die Ausstellung schon in zwei Wochen stattfinden sollte.

Er hätte seiner Muse schon längst einen Fußtritt in den Hintern verpassen und zu malen beginnen sollen. Zumal er jetzt schon mindestens ein Dutzend neuer Gemälde im Kopf hatte, Bilder, die vor Leidenschaft und Emotionen überschäumten, Darstellungen, die sich alle mit der schönen Fremden befassten, die ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte.

Drake fluchte und sagte Oscar, er solle weiter in der Ecke auf seinem Hundebett schlafen. Er nahm die Autoschlüssel, um sich vor seinem Skizzenbuch, den Bildern und Leinwänden aus dem Staub zu machen, bevor er sich in einem Loch vergrub, aus dem er vielleicht nie mehr herauskäme.

KAPITEL 3

Rosa parkte vor einem Dorfladen, der aussah, als hätte er schon bessere Zeiten gesehen. Eineinhalb Kilometer zuvor war sie an einem neuen Lebensmittelgeschäft vorbeigefahren, aber sie kam zum Schluss, dass die Chancen, ein Geschäft zu betreten, ohne gleich erkannt zu werden, wohl besser stünden, wenn es eines war, das Teenager mieden.

Als sie vor einer Viertelstunde in ihr Auto eingestiegen war, hatte sie sofort den Sitz durchnässt. Leider hatte sie keine trockenen Kleider, um sich umzuziehen. Und ihr knurrender Magen erinnerte sie daran, dass sie auch nichts zu essen hatte.

Aber nur, weil sie sich auf diesen Ausflug nach Montauk nicht vorbereitet hatte, bedeutete das nicht, dass sie bereit war, wieder nach Hause zu fahren. Wie konnte sie zu einem Leben zurückkehren, in dem die Tatsache, dass sich jemand einschleicht, um von ihr Nacktfotos zu machen und sie dann verkauft, damit die ganze Welt sie vollkommen entblößt sehen konnte, auch eine „positive Seite“ hatte?

Ihre Brust schmerzte und ihr Magen verkrampfte sich jedes Mal, wenn sie an die Fotos dachte. Sie hatte nicht gewusst, dass sie jemand filmte, als sie in ihrem Hotelzimmer die Kleider auszog, dass sie eine Aufnahme nach der anderen von ihr machten, während sie in die Badewanne stieg und dann noch mehr Fotos, als sie sich abtrocknete, bevor sie den Bademantel überzog. Sie hatte geglaubt, dass sie endlich für kostbare dreißig Minuten in einer dampfenden Badewanne eine Auszeit hatte, ohne dass Filmkameras ihr folgten.

Sie hatte sich getäuscht.

Wieder kamen die Tränen hoch, aber sie unterdrückte sie. Sie wollte nicht an dieser Sache zerbrechen. Nein, sie war entschlossen, sich zusammenzureißen. Denn, wenn es ihr nicht gelang, dann würde sie das Gefühl haben, dass sie wirklich gewonnen hatten. Sie alle – der Kerl, der die Aufnahmen gemacht und verkauft hatte, die Fremden, die im Internet so furchtbare Sachen über sie schrieben, bis zu ihrer Mutter, die so verdammt begeistert war, wie stark nach dem Skandal in den Social Media die Zahl ihrer Follower angestiegen war.

Nein, Rosa würde gewiss nicht zurückfahren. Zuvor musste sie entscheiden, welchen Schritt sie als Nächstes machen würde. Aber dafür brauchte sie einen klareren Kopf. Sie konnte sich nicht ewig verstecken, aber sie würde sich auch nicht wieder drängen oder in Panik versetzen lassen. Sie hatte vielleicht nur einen Highschool-Abschluss, aber sie war von einer renommierten Universität zum Studium zugelassen worden, bevor sie sich stattdessen für Reality-TV entschieden hatte. Etwas hatte sie von den Rechtsanwälten allerdings gelernt, mit denen ihre Familie seit fünf Jahren zusammenarbeitete, nämlich, dass ein gut durchdachter Plan immer besser war, als etwas, das schlampig zusammengeschustert wurde.

Da sie im Augenblick noch zu durcheinander und verletzt war, um eine gut durchdachte Entscheidung treffen zu können, musste sie einfach erst Kleider und etwas zu essen besorgen und einen Platz finden, wo sie übernachten konnte, ohne dass jemand Wind von ihrem Aufenthaltsort bekam. Wenn sie sich richtig erinnerte, war das Motel, wo sie als Kind mit ihrem Vater übernachtet hatte, nur ungefähr anderthalb Kilometer entfernt.

Zum Glück trug Rosa immer einen Packen Bares mit sich. Ihr Geld-für-alle-Fälle. Niemand in ihrer Familie redete gerne darüber, welche Schattenseiten es gab, wenn man so berühmt war. Ein anderer Reality-TV-Star hatte ihr schon ganz früh geraten, Bargeld anstatt Kreditkarten zu verwenden, weil sie sich damit ein wenig Freiheit erkaufen konnte, wenn sie sie je brauchen würde.

Natürlich hatte sich Rosa damals, als sie mit dem Reality-TV begonnen hatte – weil einerseits ihre Familie so dringend Geld brauchte und es andrerseits so aufregend geklungen hatte – nie und nimmer erwartet, dass sie eines Tages die Freiheit so sehr brauchen würde.

Sie nahm ihre Tasche vom Beifahrersitz und kontrollierte, bevor sie ausstieg, ob wohl niemand in der Nähe war. Zum Glück schienen die Leute bei dem heftigen Regen alle zu Hause zu bleiben. Sie wollte gerade die Sonnenbrille aufsetzen, als sie sich bewusst wurde, dass sie dadurch noch stärker auffallen würde.

Ihr Herz raste, als sie den leeren Laden betrat. Eine grauhaarige Frau saß hinter der Kasse und sah sich eine Soap-Opera am Fernseher an, der in der Ecke hing.

„Hallo, Schätzchen.“ Die Frau sah sie freundlich an – ohne eine Spur von Erkennen. „Das Unwetter hat Sie erwischt, nicht wahr?“

Rosa nickte. „Genau.“

„Nun, es ist warm und trocken hier drin. Melden Sie sich einfach, wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann.“

Rosa senkte für den Fall, dass jemand reinkam, den Kopf, sodass ihr das nasse Haar vor das Gesicht fiel. Dann nahm sie einen der Einkaufskörbe und begann, nach dem Notwendigsten zu suchen. Eine Zahnbürste und Zahnpasta. Ein paar Äpfel, Orangen und Fertiggerichte für die Mikrowelle. Ein paar Touristen-T-Shirts. Ein Sweatshirt und eine Jogginghose mit der Aufschrift Montauk auf einem der Beine. Dann noch eine Packung weißer Baumwollhöschen und Socken.

Sie hoffte, dass sie damit für die Zeit, in der sie sich versteckte und über die nächsten Schritte nachdachte, genug Lebensmittel und Kleider haben würde. Während sie zur Kasse ging, kam sie durch einen Gang, in dem sie Nähzubehör fand. Sie konnte den schönen Farben auf den blauen, grünen, gelben und roten Garnrollen nicht widerstehen und strich mit den Fingern darüber. Auch als kleines Mädchen liebte sie es unsagbar, mit den Nadeln und Fäden ihrer Mutter zu spielen. Nicht, um Kleider zu nähen, sondern weil sie so gerne zusah, wie sich Muster und Bilder aus ihren Stickereien formten. Die Qualität der Fäden und Garne war nicht großartig und es gab kein Stickgarn, aber dem konnte sie abhelfen, indem sie das Garn doppelt oder dreifach nahm. Sie konnte nicht widerstehen und warf ein paar Garnrollen und ein Päckchen Nadeln in ihren Korb.

Rosa war sich nicht bewusst gewesen, dass das Angebot an Zeitschriften und Taschenbüchern auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges ausgestellt war, bis sie sich umdrehte und zurückwich, als sie ihr Gesicht sah, das sie anstarrte. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie daran dachte, wie aufgeregt sie war, als sie zum ersten Mal auf der Titelseite einer Zeitschrift landete. Damals hätte sie sich allerdings nie träumen lassen, dass es so reißerische Schlagzeilen geben würde wie: Amerikas beliebtestes Bad Girl: Nacktfoto-Skandal? Oder noch eine geschickte Geschäftsstrategie der Bouchards?

Rosa verdoppelte ihre Stoßgebete, dass die Frau an der Kasse sie ohne ihr übliches Make-up und die Designer-Klamotten nicht erkennen würde, als die Glocke der Eingangstür schrillte und sie in die Wirklichkeit zurückbeförderte. Sie musste ihren Einkauf abschließen und von hier rauskommen, bevor sie jemand erkannte.

Zum Glück sah der grauhaarige Mann, der eben hereinkam, nicht so aus, als hätte er mehr Ahnung als die Frau hinter der Kasse, wer Rosa war. Er lehnte sich über den Tresen und gab der Frau einen süßen Kuss, bevor er etwas sagte, das sie wie ein verliebtes Schulmädchen kichern ließ.

Liebe. Sie hatte sich früher nach Liebe gesehnt, aber mit ihrer wachsenden Berühmtheit hatte sie rasch erkannt, wie gering die Wahrscheinlichkeit war, inmitten ihres verrückten Lebens die Liebe zu finden. So gering, dass es sich nicht einmal lohnte, es zu versuchen. Vor allem, weil jeder Typ, mit dem sie in den letzten paar Jahren ausgegangen war, nur mit ihr zusammen sein wollte, um selbst berühmt zu werden.

Sie spürte eine Enge in der Brust wie nie zu vor, als sie zur Kasse ging und ihren Korb auf den Tresen stellte. Die Frau summte leise, während sie jeden Artikel eingab. Als sie zum Schluss einen frischgebackenen Chocolate Chip Cookie „aufs Haus“ in die Papiertüte steckte, wäre Rosa wegen dieser kleinen, unerwarteten Aufmerksamkeit beinahe wieder in Schluchzer ausgebrochen.

Ihre Hände zitterten von der Anstrengung, ihre Gefühle im Zaum zu halten, als sie einen Zwanzig-Dollar-Schein herauszog. Während die Frau ihr den Rest herausgeben wollte, flog die Tür auf und das laute Lachen von drei Teenagern erfüllte den Laden.

Oh Gott, sie werden sie erkennen.

Rosas Herz begann so schnell zu klopfen, dass sie froh war, nichts im Magen zu haben, sonst hätte sie wahrscheinlich alles über den Tresen erbrochen. Als sie nach ihrer Tasche griff, wurde ihr ganz schwindlig, weil ihr das Blut durch die Adern raste, und als sie zur Tür hechtete, geriet sie ins Stolpern.

„Schätzchen, Sie haben Ihren Rest vergessen!“

Sie brauchte den Rest, da ihr das Bargeld wahrscheinlich bald ausgehen würde und sie nicht riskieren konnte, dass man sie fand, weil sie ihre Bankkarte benutzte. Aber im Augenblick war es wichtiger, schnellstmöglich aus dem Geschäft zu verschwinden.

Sie hielt den Kopf gesenkt, die Tüte mit den Lebensmitteln eng an die Brust gedrückt, als sie durch den herabprasselnden Regen zu ihrem Wagen rannte. Erst im Wageninneren und bei verschlossenen Türen würde sie sich in Sicherheit fühlen. In Wirklichkeit nicht einmal dann. Zumal sie das Gefühl hatte, nichts mehr in ihrem Leben unter Kontrolle zu haben.

Die Kontrolle war ihr so vollkommen entglitten, dass sie direkt gegen eine Wand lief. Der Chocolate Chip Cookie flog aus der Tüte und landete – plop! – in einer schlammigen Pfütze und einen Augenblick später folgten ihm auch ein paar Äpfel. Aber als sie den Regen aus den Augen blinzelte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie nicht gegen eine Wand gerannt war.

Sie war gegen einen Mann gekracht, der eine sehr breite und muskulöse Brust hatte.

Rosa musste in ihr Auto verschwinden, bevor er sie erkannte, aber als er ihre zu Boden gefallenen Lebensmittel aufhob, sich dann aufrichtete und sie ihr reichte, konnte sie ihre Beine nicht dazu bringen, sich zu bewegen.

Er war umwerfend. Aber nicht auf eine clevere Hollywood-Art. Mit seiner stoppeligen Kinnpartie und den unter dem nassen Flanell und Jeansstoff spielenden Muskeln eigentlich das absolute Gegenteil.

Was fiel ihr bloß ein? Das war der allerletzte Augenblick, in dem sie irgendeinen Typen anschmachten sollte. Besonders, wenn man bedachte, dass er im Gegenteil zur Dame hinter der Kasse im richtigen Alter war, um zu wissen, wer sie war …

„Sie sind es.“ Er sah erstaunt aus. „Ich kann nicht glauben, dass ich Sie gefunden habe. Hier im Krämerladen.“

Oh nein. Sie musste in ihren Wagen gelangen und wieder losfahren. Irgendwohin weit weg von hier. Aber als sie zur Seite trat, um ihn zu umrunden, schob er seinen großen, robusten Körper in ihren Fluchtweg.

„Sie waren gerade im Regen auf den Klippen vor meinem Cottage. Es ist Privatgrund, deshalb bin ich es nicht gewohnt, jemanden dort zu sehen.“

Warte … deshalb hatte er sie erkannt? Weil sie auf den Klippen vor seinem Haus gewesen war? Nicht, weil sie ein Star war, dessen Nacktfotos gerade alle Medien füllten?

So, wie er sie ansah – nicht, als wäre sie eine Art Freak einer Reality-Nebenvorstellung, sondern als könnte er nicht an sein Glück glauben, dass er zufällig auf dem Parkplatz des Krämerladens auf sie gestoßen war – konnte sie kaum einen klaren Gedanken fassen. Anstatt also vor ihm abzuhauen, sagte sie unwillkürlich: „Ich wollte nicht in ihr Grundstück eindringen. Aber, als mein Dad und ich …“ Ihre Worte erstickten ihr im Hals. „Als ich das letzte Mal dort war, wusste ich nicht, dass die Klippen zu einem Privatgrundstück gehören.“

„Es ist okay.“ Sein Blick war ebenso einfühlsam wie seine Stimme. „Es sah aus, als hätten Sie das Bedürfnis, dort zu sein. Mir ist klar, dass wir uns gar nicht kennen, aber wenn Sie irgendwie Hilfe brauchen, kann ich vielleicht …“

Oh Gott. Natürlich hatte er ihren Weinkrampf mit angesehen. Ihre nicht mehr endenden, sie erschütternden Schluchzer und wahrscheinlich auch, als sie zum Schluss ihr Handy über die Klippen geschleudert hatte.

„Es tut mir leid, dass ich ihr Grundstück betreten habe“, wiederholte sie und ihre Eingeweide krampften sich bei dem Gedanken zusammen, wie idiotisch sie ihm erscheinen musste. So, wie die Dinge lagen, dürfte sie eigentlich keinen Stolz mehr haben, aber irgendwie war ihr immer noch welcher verblieben. „Ich muss los.“

Er streckte ihr die Lebensmittel entgegen. „Wollen Sie die nicht?“ Sie schüttelte den Kopf, während es ihr endlich gelang, ihn zu umrunden. „Sagen Sie mir wenigstens Ihren Namen.“

Vor Schreck wäre sie fast in einer Pfütze ausgerutscht. Er kannte wirklich ihren Namen nicht? War er echt? Aber sie konnte es nicht riskieren, dass er ihn herausfand, riss die Wagentür auf und warf sich auf den Sitz.

Bevor sie die Tür wieder zuwarf, hörte sie ihn noch sagen: „Wenn Sie zurückkommen möchten, können Sie gerne wieder auf meinen Klippen wandern.“

Ihr Herz machte einen Sprung, als sie ihr altes Auto aus dem Parkplatz herausschießen ließ. Obwohl sie sich nicht erlaubte, in den Rückspiegel zu schauen, wiederholte sich seine Einladung in ihrem Kopf wieder und wieder.

Wenn Sie zurückkommen möchten … wenn Sie zurückkommen möchten … wenn Sie zurückkommen möchten …

Sie wollte nichts lieber, als zurückkommen – zusehen, wie die Gezeiten wechselten, der Himmel sich anders verfärbte, die Seevögel sich auf den Sand hinunterstürzten. Selbst der Regen würde ihr nichts ausmachen, solange er einfach nur Teil des natürlichen Kommens und Gehens der Jahreszeiten war.

Aber sie war hier nicht auf Urlaub. Sie war vielleicht von zu Hause geflüchtet, ohne sich die Dinge genau zu überlegen, wenn sie aber nicht wollte, dass ihre Familie oder die Fernsehgesellschaft herausfand, wo sie war und sie zurück in den Wahnsinn zerrte, musste sie sich verbergen.

Sie musste sich auch duschen, trockene Klamotten anziehen und etwas essen. Ein wenig Schlaf würde ihr wahrscheinlich enorm guttun. Aber zuerst musste sie von Montauk wegkommen und eine andere Stadt finden, in der sie sich verstecken konnte. Eine Stadt, in der umwerfende Männer auf den Parkplätzen von Dorfläden ihr Herz nicht gegen jede Vernunft rasend schlagen ließen.

Als sie aber mit dem Fuß kräftiger auf das Gaspedal trat, begann ihr Wagen plötzlich, sonderbare Geräusche zu machen. Wirklich hässliche, laute Geräusche.

Das durfte nicht wahr sein.

Ihr Auto konnte nicht zu allem Übrigen auch noch den Geist aufgeben, oder?

KAPITEL 4

Die Frau von den Klippen war mit ihrem abgetakelten alten Auto viel zu schnell aus dem Parkplatz gebraust. Drake kannte sie nicht – nicht einmal ihren Namen – war aber trotzdem besorgt.

Er hatte diesen freudlosen Blick schon zuvor gesehen. Jedes Mal, wenn der Name seiner Mutter erwähnt wurde, wich alle Farbe aus dem Gesicht seines Vaters – sogar noch jetzt, nach all dieser Zeit. Dreißig Jahre nach ihrem Verschwinden und Tod war William Sullivans Schmerz nicht abgeflaut.

Irgendetwas hatte diese Frau offensichtlich gleichermaßen zutiefst verletzt. Auch weil sie jedes Wort aus Drakes Mund ziemlich zu verängstigen schien.

Er hatte nicht geglaubt, dass er sie je wiedersehen würde, nie gedacht, dass er sie sich so aus nächster Nähe würde einschärfen können, dass er eine Chance bekam, sich die vollkommenen exotischen Flächen ihres Gesichts einzuprägen. Er war schon weitergegangen, als er hätte sollen, als er eine Skizze von ihr entworfen hatte. Dann war er aber rausgegangen, um dafür zu sorgen, dass er dem Drang nicht nachgeben würde, sie auf einer Leinwand zum Leben zu erwecken. Jetzt allerdings …

Jetzt hatte sich das Jucken in seinen Fingern in ein tiefes Verlangen verwandelt. In dieses drängende Bedürfnis zu malen, auf das ein Künstler sein ganzes Leben lang wartete.

Drake war sich nicht bewusst, dass er noch die Äpfel und den Keks der Frau hielt, bis der Keks in seiner Faust zerbröselte. Nasser Teig und Schokoladesplitter zermatschten zwischen seinen Fingern, während er zur Mülltonne hinüberging, die neben dem Eingang stand und den Keks wegwarf. Anschließend ließ er den Regen die Krümel von seinen Händen wegwaschen, ließ einen Apfel in jede Tasche gleiten und ging schließlich hinein.

„Drake, mein Lieber, wir haben dich die ganze Woche nicht gesehen.“

Mona Agnew führte seit dreißig Jahren den Dorfladen. Seit sie und ihr Mann dessen Tore geöffnet hatten. Trotz der Tatsache, dass sie ein bisschen von der neugierigen Sorte war – besonders, wenn es um sein Liebesleben ging – zog er es bei weitem vor, hier einzukaufen und nicht in der neuen Filiale einer Lebensmittelkette ein Stück weiter. Drake hatte immer Orte geliebt, die ein Eigenleben hatten, deshalb war auch die alte Jagdhütte in Montauk Point genau richtig für ihn.

„Wie geht es dir, Mona?“

„Recht gut. Ich habe dir einen frischgebackenen Apfelkuchen aufgehoben, den du so gern magst. Vielleicht möchtest du deinen Einkauf machen, während ich ihn von hinten hole?

Er nahm einen Einkaufskorb und griff nach seinem üblichen Hühnchen und Gemüse, als sein Blick auf das Titelblatt einer Zeitschrift fiel. Er blieb ruckartig stehen, stellte seinen Korb ab und griff nach der Hochglanz-Zeitschrift. Fast konnte er seinen Augen nicht trauen.

Das Mädchen von den Klippen war auf dem Cover.

Eigentlich sah sie kaum aus wie die Frau, die tonnenweise Make-up und blutroten Lippenstift trug und schwer mit Schmuck behängt war – er hatte aber gerade in diese Augen geblickt und konnte sich nicht irren.

So sehr er es sich manchmal wünschte, er lebte nicht in einer einsamen Höhle, deshalb wusste er, dass die Bouchards zurzeit die Reality-Fernsehfamilie der Fernsehgesellschaften waren. Er hatte ihre Show aber noch nie gesehen und war auch keinem von ihnen persönlich begegnet. Bis – die Zeitschrift schrieb, dass sie Rosalind hieß, was irgendwie nicht ganz richtig klang, auch wenn er nicht wusste, warum – Rosalind aus heiterem Himmel heute Morgen auf seinen Klippen aufgetaucht war.

Sein Inneres verknotete sich, als er endlich den Titel zur Kenntnis nahm. Amerikas beliebtestes Bad Girl: Nacktfoto-Skandal? Oder noch eine geschickte Geschäftsstrategie der Bouchards?

War das der Grund, weshalb sie weinte? Weshalb sie ihr Handy über die Felsen geschleudert hatte? Weshalb sie so freudlos aussah?

Er hatte noch nie mit seinem Handy Nacktfotos gemacht, wusste aber, dass es sehr viele Leute taten. Waren einige sexy Fotos, die sie für ihren Freund gemacht hatte, gehackt und ausgestrahlt worden, um sie der ganzen Welt zu zeigen?