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Im Jahr 1989, kurz vor dem Fall der Mauer, stürmen vier Männer in das Archiv des Kupferstichkabinetts in Dresden. Sie rauben Bilder im Wert von fünfzig Millionen Euro und setzen anschließend das Büro in Brand. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei werden jedoch von der Stasi behindert. Von den Tätern und den geraubten Bildern fehlt jede Spur. 25 Jahre später werden zwei Mitarbeiter des Museums ermordet. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei kommen in der Mordsache nicht voran. In dieser Situation macht sich Privatdetektiv Rick aus Greven mit seiner Assistentin Greta auf den Weg nach Dresden. Ihnen hatte sich der Verdacht aufdrängt, dass es einen Zusammenhang zwischen den Mordfällen und dem Bilderraub geben könnte. Gemeinsam mit ehemaligen Kommissaren der SoKo Deutsche Einheit gelingt es ihnen, sich durch einen Berg von DDR-Unrecht und Vereinigungskriminalität zu wühlen und das Puzzle aus Politik und Verbrechen zu lösen. Indem sie tief in die deutsch-deutsche Geschichte um die Zeit der Wende des Jahres 1989 eintauchen, lernen sie, die Deutsche Einheit mit ganz anderen Augen zu sehen.
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Seitenzahl: 349
Veröffentlichungsjahr: 2016
Zum Autor:
Der Autor Claude LeRouge, Jahrgang 1948, wohnt in Greven. Er studierte Geschichte und Französisch in Münster und Dijon und arbeitete anschließend über 35 Jahre als Lehrer am Gymnasium Dionysianum in Rheine. Nach seiner Pensionierung begann er seinen ehemaligen Beruf zum Hobby zu machen. Er schrieb zunächst einen Mittelalterroman „Gernot von Kahlenberg, Ein westfälischer Ritter auf Pilgerfahrt ins Heilige Land“, der zur Zeit der Kreuzzüge spielt. Der zweite Roman, „Gefrorenes Leben“, ist ein Krimi mit starkem Bezug zu seiner Heimatstadt Greven. Der nun vorliegende dritte Roman, „Bildersturm – Dresden 1989“, spielt im Münsterland, in Dresden und im südlichen Brandenburg.
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Für
Marie,
Justus
und
Luke
Claude LeRouge
Bildersturm – Dresden 1989
Ein Ost-West-Roman
© 2016 Claude LeRouge
1. Auflage 2016
Autor: Claude LeRouge
Verlag:
ISBN: 978-3-7345-2850-7 (Paperback)
ISBN: 978-3-7345-2851-4 (Hardcover)
ISBN: 978-3-7345-2852-1 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhalt
0. Prolog: 1989. Sturm über Europa
1. Und dann kam Greta
2. Rick und die Frauen
3. Ein schlimmer Verdacht: Opa Willi ermordet?
4. Gretas erste Nacht in Ricks Wohnung
5. Greta, die Hackerin
6. Vom „schwarzen Teufel“ zum „blonden Engel“
7. Rock on the Beach
8. Elsa, Ricks Übermutter
9. Rick, ein geprüfter Detektiv
10. Elsa in Red
11. Noch ein Mord?
12. Staatlich organisierter Kunstraub in der DDR
13. Opa Willis Wohlfühlfrau
14. Erste Spuren zu den geraubten Bildern
15. Ein Giftmord?
16. Besuch bei Ricks Großeltern in Münster
17. Ein Entführungsversuch
18. Erste Ermittlungen der Kripo Greven
19. Hauptkommissar Gunnar Moormann
20. And the Winner is „Greta“
21. Am FMO: der Kunsthändlerbande auf der Spur
22. Greta, so geht das nicht
23. Am Franz-Felix-See: das Gangsternest
24. Erste Vermutungen von Greta und Rick
25. Verfolgung auf der Fahrt nach Münster
26. Eine Spur zu Kommissar Brosowski in Dresden
27. Wilde Verfolgungsjagd auf der Autobahn
28. Eine „Hochzeit“ zur Tarnung
29. Treffen mit Kommissar Brosowski
30. Ein bewaffneter Überfall
31. Treffen mit Ballmann junior, Karl-May-Museum
32. Im Kupferstichkabinett
33. Internetforum Dresden
34. Der große Unbekannte: Ernst Walden
35. Vorbereitungen auf Hohenleipisch
36. Hohenleipisch: Wanderung im Naturpark
37. Eine gefährliche Sprengfalle
38. Lagebesprechung im Gasthof
39. Polizeidirektion Dresden
40. Verhör der Gangster in Münster und Dresden
41. Ein spektakulärer Waffenfund
42. ZERV und die SoKo Deutsche Einheit
43. Der Zugriff
44. Auf der Fahrt nach Flensburg
45. Bei den Carlssons in Flensborg
46. Zurück in Greven
47. Elvira Walden
48. Sonderausstellung „Verlorene Schätze“
Gretas Songbook
Verzeichnis der Personen
0
Prolog1989: Sturm über Europa
Herbst 1989. Ein gewaltiger Sturm kam auf und fegte über ganz Europa hinweg. Es war kein gewöhnlicher Sturm, dessen Ankunft uns schon Tage zuvor vom Deutschen Wetterdienst angekündigt wird, wie zum Beispiel die verheerenden Orkane „Lothar“, „Kyrill“ oder „Niklas“, die mit bis zu zweihundert Stundenkilometern über Deutschland und Europa wüteten und zusammen mit gewaltigen Regenmengen Überschwemmungen verursachten und Schneisen der Verwüstung hinterließen, Häuser beschädigten und ganze Wälder entwurzelten, zu Chaos im Flug-, Schiffs- und Eisenbahnverkehr führten, zu Stromausfällen und teilweise zum Erliegen des öffentlichen Lebens – und die auch viele Tote und Verletzte forderten.
Nein, ein solcher Sturm war es nicht! Es war vielmehr ein gewaltiger politischer Sturm. Und er kam nicht aus dem Westen, wie 1789 die Französische Revolution mit dem „Sturm auf die Bastille“ und der Losung „Liberté, Égalité, Fraternité“ – „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“–, die über ganz Europa hinwegfegte, die Vorherrschaft des Adels beseitigte und uns letztendlich eine demokratische Verfassung einschließlich der Grundrechte beschert hat.
Der politische Sturm kam diesmal aus dem Osten. Michail Gorbatschow, Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion hatte den Sturm entfacht. „Perestroika“ und „Glasnost“ – „Wandel“ und „Offenheit“– waren die Leitmotive seiner Politik. Nach innen wollte er mit einer ökonomischen und sozialen Umgestaltung und einer neuen Offenheit die maroden Strukturen der Sowjetunion und ihrer Gesellschaft einschließlich der sozialistischen Planwirtschaft überwinden und damit nach der Oktoberrevolution von 1917 die „Zweite russische Revolution“ einleiten. Nach außen betrieb er eine Politik der Verständigung mit dem Westen. Damit leitete er das Ende des „Kalten Krieges“ ein sowie das Ende der jahrzehntelangen Spaltung der Welt in Ost und West.
Entscheidend war, dass Gorbatschow die „Breschnew-Doktrin“ außer Kraft setzte, die 1968 vom sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew verkündet worden war. Diese Doktrin ging von der „beschränkten Souveränität“ der sozialistischen Staaten des Ostblocks aus und leitete daraus das Recht ab, auch militärisch einzugreifen, wenn in einem dieser Staaten durch die Einführung einer demokratischen Ordnung westlicher Prägung der Sozialismus bedroht würde. Sie rechtfertigte 1968 den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei. Diese walzten mit Panzern den „Prager Frühling“ nieder.
Die Breschnew-Doktrin wurde unter Gorbatschow durch die „Sinatra-Doktrin“ abgelöst, so benannt nach dem Song Frank Sinatras „I Did It My Way“. Jetzt hatten alle Staaten des Ostblocks die Möglichkeit, ihren eigenen Weg zu gehen, ohne einen gewaltsamen Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts befürchten zu müssen. Gorbatschow wurde so zum Hoffnungsträger der Menschen im gesamten Ostblock. Was aber als „Revolution von oben“ angestoßen worden war, gleichsam als Reform innerhalb des kommunistischen Systems, entwickelte sich zu einem noch gewaltigeren Sturm: zu einer „Revolution von unten“. Der Ruf nach Wandel, Offenheit, Freiheit, Autonomie und Menschenrechten entfaltete eine enorme Sprengkraft, erfasste die ehemaligen sowjetischen Satellitenstaaten mit ihrer bislang begrenzten Souveränität und führte zur Loslösung von der Führungsmacht Sowjetunion: in der Volksrepublik Polen, in Ungarn, in der Tschechoslowakei, in Bulgarien und in Rumänien.
Auch über die DDR zog ein gewaltiger Sturm hinweg, und zwar in der Form einer friedlichen Revolution. Die Machthaber in der DDR um Erich Honecker hörten nicht, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, die Signale aus Moskau, besser gesagt, sie wollten sie nicht hören. Sie hielten an den alten Strukturen fest, fernab jeglicher Realität. Sie lebten quasi in einem sozialistischen Phantasialand, glaubten immer noch, das Aufbegehren der Menschen im Lande ignorieren zu können und vertrauten dabei in falscher Sicherheit auf die sowjetischen Truppen, die Volksarmee, die Polizei und die Stasi. Noch im Januar 1989 versicherte Erich Honecker, die Mauer in Berlin werde „noch in 50 und 100 Jahren“ stehen. Und am Tag nach dem 13. August, dem Jahrestag des Mauerbaus, verkündete er: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“ Eine fast unglaubliche und realitätsferne Eselei angesichts der Tatsache, dass Ungarn bereits die Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ an der Grenze zu Österreich beschlossen hatte, was später die Flucht Tausender DDR-Bürger über Ungarn zur Folge hatte.
Völlig realitätsfern auch deshalb, da die DDR wirtschaftlich längst bankrott und überall eine friedliche Revolution gegen das verhasste diktatorische SED-Regime im Gange war. Längst begehrte das Volk auf gegen Korruption und Misswirtschaft, gegen die permanenten Wahlfälschungen, gegen die Bespitzelungen und willkürlichen Verhaftungen durch die Stasi. Bürgerrechtler forderten die Öffnung der innerdeutschen Grenze, Reise-, Meinungs- und Pressefreiheit, freie Wahlen, kurz: „Demokratie Jetzt“.
Gleichzeitig setzte eine rapide anschwellende Ausreisewelle ein. Tausende stürmten in die Botschaften der Bundesrepublik in Warschau, Budapest und Prag. Der damalige Außenminister der Bundesrepublik, Hans-Dietrich Genscher, verkündete Ende September vom Balkon der überfüllten Prager Botschaft unter großem Jubel der dortigen Flüchtlinge, dass sie in die Bundesrepublik ausreisen könnten. Bei der Durchfahrt der Züge mit insgesamt 17.000 Flüchtlingen über die DDR in die Bundesrepublik kam es am Dresdner Hauptbahnhof zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Ausreisewilligen und Sicherheitskräften, als Tausende Dresdner versuchten, auf die Züge aufzuspringen.
Ebenfalls im September versammelten sich in Leipzig im Anschluss an das Friedensgebet in der Nikolaikirche auf dem Kirchvorplatz etwa 1.000 Menschen und skandierten in trotzigem Ungehorsam gegen die Parteiführung die Parolen: „Stasi raus!“ – „Wir bleiben hier!“; es war die Geburtsstunde der Montagsdemonstrationen.
Am 7. und 8. Oktober feierten die SED- und DDR-Führung den 40. Jahrestag der Gründung der DDR, gesichert durch ein riesiges Polizeiaufgebot. Prominentester Staatsgast war KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow, der bei den DDR-Bürgern die Hoffnung auf demokratische Reformen geweckt hatte. Und die Menschen riefen nicht „Erich, Erich!“, sondern „Gorbi, Gorbi!“ und der legendäre Ausspruch Gorbatschows machte die Runde: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“
Die Demonstrationen in Leipzig und anderen Städten und die Rufe nach Freiheit, Menschenrechten und Selbstbestimmung eskalierten bis zum November zu Massendemonstrationen mit bis zu einer Million Menschen. Die immer kraftvoller werdende Bürgerrechtsbewegung fegte mit Parolen wie „Wir sind das Volk – keine Gewalt“ die gesamte DDR-Führung hinweg. Es kam so, wie es Gorbatschow vorhergesagt hatte.
9. November 1989: Auf einer internationalen Pressekonferenz informierte das Politbüromitglied Günter Schabowski die Öffentlichkeit darüber, dass die Ausreise ins westliche Ausland ohne Vorliegen besonderer Gründe möglich sei und die Regelung „sofort, unverzüglich“ in Kraft trete. Darauf folgte ein Massenansturm auf die Grenzübergänge in Ost-Berlin. Die Grenzpolizisten konnten den Ansturm der Menschen, die „Macht das Tor auf!“ skandierten, nicht aufhalten und öffneten schließlich den Grenzübergang an der Bornholmer Brücke. 10.000 Ostberliner überquerten noch in der gleichen Nacht ohne Passkontrolle die Grenze nach Westberlin und wurden stürmisch begrüßt. Die Mauer, der „antifaschistische Schutzwall“, war gefallen und damit das Ende der DDR besiegelt.
Was sollte aus der DDR werden? Bürgerrechtler und SED-Reformer plädierten in einem gemeinsamen Aufruf für einen reformierten Sozialismus und für die Eigenständigkeit der DDR. Auf der anderen Seite waren auf der Leipziger Montagsdemonstration mit 150.000 Teilnehmern erste Sprechchöre „Deutschland einig Vaterland“ zu hören, dem verbotenen Refrain der DDR-Hymne. Immer lauter wurden die Rufe „Wir sind ein Volk“. Die Ereignisse überschlugen sich in einem atemberaubenden Tempo. Schließlich wurde der von Willi Brandt am Tag nach dem Fall der Mauer geprägte Satz „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ Realität.
Am 3. Oktober 1990, dem „Tag der Deutschen Einheit“, trat die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei. An diesem Tag wurde Weltgeschichte geschrieben: die deutsche Einheit und mit ihr die Überwindung der Spaltung Europas. Michail Gorbatschow hatte sie ermöglicht, Helmut Kohl hatte die einmalige historische Chance genutzt, aber vor allem die friedliche Revolution der DDR-Bürgerrechtsbewegung hatte sie erkämpft.
In der Zeit zwischen den Massendemonstrationen, dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung entstand ein riesiges Machtvakuum in der DDR, man sprach, in Anlehnung an den „Wilden Westen“, vom „Wilden Osten“. Das alte und morsche sozialistische System zerfiel und eine neue Ordnung war erst im Aufbau begriffen. Es war eine Zeitspanne partieller Gesetzlosigkeit, teilweise herrschte Anarchie. Häuser wurden besetzt, Stasi-Dienststellen gestürmt, Banken ausgeraubt. Ossis wie Wessis versuchten, mit legalen Tricks und kriminellen Methoden sich ein möglichst großes Stück aus dem Kuchen der Wiedervereinigung herauszuschneiden.
In dieser Zeit zwischen den Zeiten hat der vorliegende Roman seinen historischen Platz. Er spielt nicht in einem fiktiven Land, sondern in Deutschland. Und es dürfte nicht schwerfallen, zwischen den handelnden realen historischen Personen und den handelnden fiktiven Personen zu unterscheiden, von denen der Roman erzählt:
Im Herbst 1989 stürmen vier Männer in das Archiv des Kupferstichkabinetts in Dresden. Sie rauben Bilder im Wert von fünfzig Millionen Euro und setzen anschließend das Büro in Brand, in dem die Archivbestände des Museums registriert waren. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei werden jedoch von höchster Stelle behindert. Der ermittelnde Beamte wird abgezogen, seine Akte „Sturm auf das Kupferstichkabinett: Brandanschlag mit Bilderraub“ geschlossen und die Öffentlichkeit mit einem gefälschten Bericht getäuscht. Von den Tätern und den geraubten Bildern fehlt jede Spur.
Fünfundzwanzig Jahre später, im Sommer des Jahres 2014, werden die beiden mit der Archivierung der Sammlung des Kupferstichkabinetts beauftragen Mitarbeiter des Museums ermordet. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei kommen in der Mordsache nicht voran, denn der Zusammenhang zwischen den Morden und dem Bilderraub in Dresden konnte gar nicht in das Blickfeld der Ermittler geraten, da die Sache mit dem Brandanschlag und dem Bilderraub in Dresden schon lange ad acta gelegt worden war.
In dieser Situation macht sich ein Privatdetektiv aus Greven mit seiner Assistentin auf eigene Faust auf den Weg nach Dresden. Das war eigentlich nicht geplant, aber als sich bei den beiden der Verdacht aufdrängt, dass es einen Zusammenhang zwischen den Mordfällen und dem Bilderraub geben könnte, müssen sie diese Spur verfolgen, zumal ihnen die Familie eines der Ermordeten sehr nahesteht. Dabei tauchen sie tief in die deutsch-deutsche Geschichte um die Zeit der Wende des Jahres 1989 ein.
Übrigens: Bilderstürmer gab es schon immer. Viele operierten teils aus religiösem Eifer oder Wahn, teils aus ökonomischem Interesse. Mit der Erklärung des Christentums zur Staatsreligion im 4. Jahrhundert wurde Ägypten als Teil des Römischen Weltreichs vollständig christianisiert. Damit setzte ein ungeheurer Bildersturm ein. Viele der pharaonischen Tempel wurden zerstört und geplündert.
In der Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert zogen auch bei uns Bilderstürmer durch das Land. Sie entfernten Gemälde, Skulpturen, bunte Kirchenfenster und Bildwerke mit der Darstellung Christi aus den Kirchen. Dabei beriefen sie sich auf das 1. und 2. Gebot Mose. Vieles wurde seinerzeit zerstört, vieles aber auch verkauft.
Und heute? Es sind die Taliban in Afghanistan und die IS-Kämpfer in Syrien und im Irak, die unter Berufung auf den Koran und den Propheten Mohammed in einem blinden Vernichtungsrausch große Teile des einmaligen Weltkulturerbes in diesen Ländern zerstören. Gleichzeitig vergeben sie Grabungslizenzen und beteiligen sich auch am Verkauf von Kulturschätzen, um dadurch ihre Kriegskasse aufzufüllen. Daneben sind auch skrupellose Geschäftsleute am Werk, die das Chaos in diesen Ländern ausnutzen und wertvolle Kunstschätze – auch aus Museen – rauben und verkaufen.
Die Bilderstürmer in Dresden handelten jedoch nicht aus religiösen oder ideologischen Gründen. Sie waren reine Kunsträuber, die durch den Verkauf der Bilder den größtmöglichen Profit für sich erzielen wollten. Vorbild für sie könnte der staatlich sanktionierte Bildersturm des DDR-Regimes gewesen sein: Die Stasi plünderte über viele Jahre hinweg große Teile der Bestände der DDR-Museen und verkaufte die Kunstwerke in Länder mit harter Währung, um dem chronischen Devisenmangel der DDR zu begegnen.
Doch kommen wir zum Anfang der Geschichte: Der Roman beginnt nicht als Kriminalroman, sondern eher als Familien- und Liebesroman, und zwar in einem alten Braukeller unter der Gaststätte „Zum Goldenen Stern“ in Greven, einer Stadt im Münsterland. Er wird aber dann immer mehr zu einem Krimi und schließlich zu einem politischen Roman über die Turbulenzen um die Zeit der Wende des Jahres 1989.
1
Und dann kam Greta
Greven, im August 2014. Freitagnachmittag, Martinistraße.
Hinter der Baustelle zur Rathauspassage hielt ein älteres Mercedes T-Modell. Der Fahrer, auch nicht mehr ganz jung, stieg aus, öffnete die Heckklappe und zog einen Seesack heraus. Seine Beifahrerin, eine junge Frau, war ihm gefolgt. Er übergab ihr den Seesack.
„Haben Sie Ihre gesamte Aussteuer mit?“, fragte er sichtlich angestrengt.
„Fast“, antwortete sie lächelnd, „man weiß ja nie, was unterwegs so alles passieren kann.“
„Das kann man wohl sagen. Ich wohne hier um die Ecke und würde Sie gerne zu einem Kaffee einladen, aber meine Frau wäre wohl überrascht, wenn ich mit so einem ‚schwarzen Teufel‘ ankäme.“
Sie musste lachen: „Das ist doch nicht notwendig. Danke, dass Sie mich mitgenommen haben. Das war sehr nett von Ihnen.“
„‘Schwarzer Teufel’ ist gut“, dachte sie, „schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt, lange schwarze Haare. Passt!“
„Wenn Sie hier zwischen der Martini-Kirche und der Gastwirtschaft ‚Zum Goldenen Stern‘ hochgehen, kommen Sie über ein Stück Originalpflaster von Alt-Greven, dessen Erhalt zurzeit wegen des Inklusionsgebots heiß diskutiert wird, zum Marktplatz. Wenn Sie jedoch geradeaus und dann nach rechts gehen, kommen Sie nach zweihundert Metern an einen Kreisel. Die Straße links hinter dem Kreisel führt direkt nach Münster. Dort können Sie sich gut hinstellen. Sie werden nicht lange warten müssen, bis Sie jemand nach Münster mitnimmt. Alles Gute!“
Er stieg wieder in seinen Wagen und sah überrascht, mit welcher Leichtigkeit die junge Frau den Seesack hochnahm und in Richtung Marktplatz ging.
„Der passiert so schnell nichts“, dachte er und fuhr weiter.
Die junge Frau kam nicht sehr weit. Als sie den Kellereingang der Gastwirtschaft passierte, wurde es plötzlich sehr laut.
„Da probt wohl eine Rockband“, dachte sie. „Die spielen gut, sehr gut sogar.“
Sie setzte sich auf die Stützmauer des Kellereingangs und hörte etwas zu. Dann erstarrte sie allerdings. Das sollte Gesang sein? Es war nur laut. Ihre Instrumente beherrschten sie wirklich. Aber das war es auch schon. Sie wollte gerade aufstehen, als sich die Kellertür öffnete und fünf junge Männer, alle Mitte zwanzig, einer nach dem anderen ans Tageslicht stiegen und sich Richtung Marktplatz orientierten. Als sie an ihr vorbeigingen, meinte sie: „Ihr spielt gut, sehr gut sogar.“
„Das wissen wir“, meinte Tom, der kleinste und dünnste der Gruppe. „Wir sind aber für jedes Lob dankbar.“
Sie gingen schon weiter, als sie sagte: „Aber singen, das könnt ihr nicht. Ihr schreit nur.“
Alle fünf machten auf dem Absatz kehrt. „Kannst du es etwa besser?“, fragte Tom, wohl der Schlagzeuger, denn er spielte mit seinen Sticks.
„Ich könnte es in der Tat besser.“
„Das will ich hören! Rick, schließ den Keller wieder auf! Ich möchte diese geniale Sängerin einmal erleben.“
Rick, der gut einen Kopf größer als der Schlagzeuger war, orientierte sich wieder in Richtung Kellertür. Und der Schlagzeuger ging auf die junge Frau zu und sagte: „Gib mir deinen Seesack! Ich bin heute ausnahmsweise Kavalier der alten Schule.“
Im Vorbeigehen wollte er den Seesack hochheben, doch er schaffte gerade zwanzig Zentimeter. Dann siegte die Anziehungskraft der Erde, er und der Seesack lagen am Boden. Die junge Frau lächelte, die anderen schlugen sich vor Lachen auf die Schenkel.
Die Frau nahm den Seesack auf, was Tom mit Unglauben quittierte. „Wer bist du eigentlich?“, fragte er. „Du kommst hierher, kritisierst unseren Gesang…..“
„Gesang?“
„… trägst einen Hundert-Kilo-Seesack und behauptest, du könntest alles besser.“
„Hundert Kilo? Nicht ganz. Aber einen Seesack tragen, das kann ich schon mal besser. Der Rest wird sich zeigen.“
Rick war auf die Frau zugegangen und meinte: „Dann gib mal her!“ Er nahm ihren Seesack und warf ihn sich auf die Schulter. „Tom, soll ich dich auch noch tragen? Ich habe noch einen Arm frei.“
Tom rappelte sich hoch: „Und die Antwort auf meine Frage?“
„Carlsson, Greta Carlsson.“
„Wie der ‚Karlsson vom Dach‘?“, fragte Rick.
„Der vom Dach schreibt sich mit K, ich mit C.“
„Also Greta Carlsson mit C“, wiederholte Rick.
„Richtig! Nicht vorbestraft, nicht verheiratet, keine Kinder, zwanzig Jahre alt.“
„Und die ehemals blonden Haare schwarz gefärbt.“
„Schaust du dir alle weiblichen Wesen immer so genau an?“
„Das sieht man doch! Dein Haar ist nachgewachsen. Eindeutig blond.“
„Rick ist Privatdetektiv“, erklärte Tom, „er sieht alles.“
„Klar“, meinte Greta, „so etwas braucht man vermutlich auch in Greven. Mord und Totschlag an allen Ecken und Enden und die Polizei ist machtlos.“
Als sie nach zwanzig Minuten den Keller wieder verließen, waren die fünf Männer still. Sie hatten begriffen, was singen heißt, und Tom fasste es zusammen: „Wir können nicht singen. Ich hab’s kapiert.“ Und Rick fügte hinzu: „Greta, du bist fantastisch!“
„Wie meinst du das?“
„Ich meine, du singst fantastisch. Wo kommst du her?“
„Aus Flensborg oder Flensburg, wie ihr sagt.“
„Wir?“, fragte Rick.
„Na ja, eben ihr Deutschen.“
„Und was bist du?“
„Das meiste an mir ist dänisch, ein bisschen aber auch deutsch.“
„Und was machst du hier?“
„Ich bin nur auf der Durchreise. Eigentlich wollte ich heute bis Münster kommen, aber der Fahrer, der mich mitgenommen hat, wohnt hier und hat mich unten an der Ecke abgesetzt.“
Jetzt mischte sich Tom wieder ein: „Du singst doch nicht zum ersten Mal! Wo hast du das gelernt?“
„In Flensburg, dänisches Gymnasium. Zuerst Chor, dann Schulband. Richtig guter Rock.“
„So gut wie wir?“
„Nicht so gut wie Rick. Rick ist richtig gut. Er spielt blind.“
„Hast du nicht Lust, zwei Wochen hierzubleiben?“
„Wieso?“
„In vierzehn Tagen findet hier ein Wettbewerb statt. Es gibt einen ortsansässigen Sponsor. Die beste Band erhält zweitausend Euro, kein Pappenstiel. Zweiter Platz: tausend Euro, dritter Platz immerhin noch fünfhundert Euro. Aber wir wollen den ersten Platz!“
„Mit eurem Gesang?“
„Nein, mit deinem.“
Jetzt war die Katze aus dem Sack. Tom wollte sie ködern.
„Und was ist mein Anteil?“
Jetzt mischte sich Rick ein: „Also: Ohne dich haben wir keine Chance, mit dir könnten wir gewinnen. Es geht uns nicht ums Geld. Wir spielen, weil es uns Spaß macht. Tom arbeitet bei einer Bank. Er verdient ganz gut. Pete, unser Bassist, ist von Beruf Geschäftsführer im Unternehmen seines Vaters. Hügi, unser Tastenkünstler, studiert Medizin. Er wird einmal Arzt wie sein Vater. Dann haben wir noch Willi, den Lebenskünstler. Er spielt Gitarre, Saxophon und Querflöte.“
„Wieso Querflöte?“, unterbrach ihn Greta.
„Kennst du ‚Down Under‘ von Men at work?“
„Yes, fantastisch! Sozusagen die zweite australische Nationalhymne nach ‚Waltzing Mathilda‘.“
„Nun, das wollten wir schon einmal spielen, wir sind aber hoffnungslos gescheitert. Willi hat dafür extra Querflöte gelernt.“
„Aber wieso heißt er ‚Lebenskünstler‘?“
„Seine Großmutter hat seinen Eltern und ihm je ein Drittel ihres Vermögens hinterlassen. Und ich kann dir verraten, ein Drittel kann verdammt viel sein.“
Sie waren am Marktplatz-Café angekommen und fanden draußen noch einen freien Tisch. Greta saß zufällig neben Rick und fragte ihn: „Und was machst du beruflich?“
„Wie gesagt, ich bin Privatdetektiv.“
„Und davon kann man leben?“
„Du glaubst gar nicht, wie viele untreue Ehemänner und Ehefrauen es gibt. Oder weggelaufene Lieblingstöchter.“
„Und die findest du?“
Jetzt mischte sich Tom wieder ein: „Rick ist ein Trüffelschwein. Er findet immer etwas.“
Die Bedienung erschien und sah Rick an: „Rick, du bist wieder in Begleitung. Und ich habe keine Chance mehr bei dir?“
„Nein, keine Chance“, erwiderte Greta, rückte näher an Rick und legte einen Arm um seine Schulter. Die Bedienung nahm die Bestellung auf und eilte ins Café.
„Danke“, sagte Rick, „die lauert mir dauernd auf.“
„Soll ich den Arm noch länger dort lassen, wo er jetzt ist?“
„Das muss nicht sein, ich glaube, sie hat’s kapiert. Aber zurück zu unserem Angebot. Ich denke, ich kann für alle sprechen. Du bekommst die zweitausend Euro und lädst uns alle mit weiblicher Begleitung zum Essen in ein Nobelrestaurant ein.“
„Ein großzügiges Angebot“, meinte Greta, „sind denn die anderen damit einverstanden?“ Alle klopften auf den Tisch. Damit war die Abmachung besiegelt.
„Wir sollten aber wenigstens dreimal die Woche üben“, ergänzte sie, „sonst wird das nichts mit dem Essen. Wann habt ihr Zeit?“
„Abends ab 19.00 Uhr eigentlich immer. Heute, das war eine Ausnahme.“
„Dann gibt es noch ein Problem. Ich kann nicht zwei Wochen in einem Hotel übernachten. Das Geld dafür habe ich nicht.“
„Das Problem können wir lösen“, meinte Tom. „Ich würde dich ja gerne bei mir einquartieren. Aber ich habe eine Freundin, die wahrscheinlich etwas dagegen hätte. Ich glaube, man nennt das Eifersucht. Den Streit würde ich garantiert nicht überleben. Du wohnst in der Zwischenzeit bei Rick. Seine Wohnung ist so groß, dass man sich darin verlaufen kann.“
„Ausgezeichnete Idee“, meinte der Lebenskünstler. „Damit wäre dieses Problem gelöst.“
„Fragt mich auch mal jemand?“, entfuhr es Rick.
In diesem Augenblick kam eine junge, sehr hübsche Frau aus der Fußgängerzone, sah Rick, kam auf ihn zu, küsste ihn und sagte: „Ich komme nachher noch vorbei. Ich habe ein Problem mit dir zu besprechen. Tschüss!“ Damit war sie verschwunden.
„Oh, oh, gibt das auch keinen Ärger, wenn ich bei dir einziehe?“, fragte Greta etwas misstrauisch.
Tom wollte gerade mit seiner Aufklärungsarbeit beginnen, als Rick sagte: „Die Uschi ist im Augenblick meine große Schwester, manchmal bin ich auch ihr großer Bruder. Aber wir haben nichts miteinander, überhaupt nichts.“
„Das stimmt“, erklärte jetzt der Lebenskünstler. „Uschi und Rick können nicht miteinander, aber auch nicht ohneeinander. Rick wird es dir erklären. Vor Uschi brauchst du keine Angst zu haben, es sei denn, du tust Rick weh. Dann kann Uschi zur Hyäne werden. Sie zerreißt dich in der Luft. Aber sie ist noch gar nichts gegen Elsa. Sie kann zum Drachen mutieren, wenn du Rick etwas antun solltest. Aber das erzählt dir am besten Rick heute Abend.“
Bei diesen Worten waren alle etwas ruhiger geworden, was aber nicht zur Beruhigung von Greta beitrug: „Mache ich auch wirklich keinen Fehler, wenn ich bei dir einziehe?“
„Dir geschieht nichts. Nicht von mir, nicht von Uschi, nicht von Elsa. Versprochen.“
„Dann bin ich ja beruhigt. Eine Frage noch: Hast du genügend zu essen im Haus? Ich habe nämlich einen Mordshunger. Seit dem Frühstück habe ich nichts mehr gegessen.“
„Eigentlich wollte ich heute Abend Currywurst mit Pommes essen. Wir könnten aber auch etwas Aufschnitt, Käse und frisches Brot kaufen“, meinte Rick, „oder kannst du kochen?“
„Ich möchte Köchin werden, deshalb bin ich unterwegs. Ich habe drei Monate bei einer Sterneköchin in Hamburg ein Praktikum gemacht. Dort waren jedoch die Ausbildungsplätze schon vergeben. Zwei Monate war ich dann in Bremen in einem Fischrestaurant.“
Plötzlich stand Pete auf und sagte: „Junge Frau, darf ich Sie zum Einkaufen begleiten und Ihre Rechnung begleichen?“
„Sie dürfen, mein Herr.“
Eine gute halbe Stunde später kamen sie zurück.
„Rick, wenn Greta nur halb so gut kochen kann, wie sie einkauft, dann gehst du goldenen Zeiten entgegen. Einige Gewürze mussten wir beim Türken kaufen, der Metzger war mehr als erstaunt, als er Gretas Wünsche hörte.“
„Kannst du wirklich so gut kochen?“, fragte Rick.
„Ich kann vieles. Nur eines kann ich nicht: schlecht kochen.“
„Dann lass uns gehen. Kochen dauert doch, oder?“
„Du musst schon etwas warten. Aber wenn ich bei dir wohnen kann, dann strenge ich mich besonders an.“
„Das hört sich vielversprechend an“, meinte Rick. Und an die anderen gewandt sagte er: „Wir sehen uns wie verabredet morgen Abend zur Session am Beach.“
2
Rick und die Frauen
Rick nahm Gretas Seesack und sie brachen auf. Unterwegs wollte Greta wissen: „Was ist das, der Beach?“
„Eine Stelle an der Ems. Dort gibt es etwas zu essen und zu trinken und manchmal auch Musik. Samstagabend kann dort jeder Musik machen. Alle Stilrichtungen sind erlaubt.“
„Ist es weit von hier zu deiner Wohnung?“
„In Greven ist nichts weit. Hier ist alles übersichtlich“, erklärte Rick. Und kurze Zeit später hielten sie vor einem großen Haus.
„Da wären wir. Unten wohnt Familie Dorbaum mit vier Kindern, oben wohne ich, ohne Kinder.“
Jetzt sah es auch Greta: Links neben dem Eingang hing, fein säuberlich angedübelt, ein Schild: Rick Odenthal, Privatdetektiv.
Oben in Ricks Wohnung staunte Greta nicht schlecht: „Alles blitzblank und picobello aufgeräumt. Hast du keine Arbeit?“
„Doch! Die letzte Arbeit habe ich gestern abgeschlossen. Er verdächtigte sie, fremdzugehen, sie ihn ebenfalls. Beide hatten Recht mit ihrem Verdacht. Beide hatten mich unabhängig voneinander mit den Nachforschungen beauftragt. Das gab ein hübsches Honorar. Jetzt wollen sie zusammen in die Karibik: Versöhnungsurlaub.“
„Ob das in so einem Fall etwas bringt, ist für mich fraglich. Aber sag mal, weshalb wolltest du eigentlich heute Abend Currywurst mit Pommes essen? In so einer Küche kann man doch zaubern. Ein Paradies für Hobbyköche!“
„Ich kann nicht kochen. Höchstens Bratkartoffeln mit Spiegelei. Ansonsten bin ich Küchen-Legastheniker.“
Greta hatte sich in der Küche umgesehen: Spülmaschine, Küchenmaschine, Induktionsherd, Backofen, Dampfgarer. Alles war vorhanden, sogar eine dieser neuen Wundermaschinen, die alles können.
„Und weshalb dann so eine Küche?“
„Das war Elsas Idee. Sie meinte: ‚Wenn schon, denn schon!‘ So habe ich jetzt die tollste Junggesellenküche in Greven.“
„Die Küche macht mir Elsa sympathisch. Wer ist Elsa eigentlich? Der Name ist vorhin schon einmal gefallen: Uschi würde zur Hyäne werden, wenn ich dir wehtäte – wie auch immer, ich habe das nicht so ganz verstanden. Elsa wäre in diesem Fall noch schlimmer. Ist Elsa etwa doch deine Freundin?“
„Nein, keine Angst. Sie ist viel mehr: Tante, Mutter und Frau.“
„Frau?“
„Ja, manchmal spricht sie als Frau zu mir. Also natürlich nicht als meine Frau, sondern als Frau im Allgemeinen.“
„Also so wie ich jetzt?“
„So ungefähr. Aber meistens spricht sie als Tante und Mutter zu mir, und zwar immer dann, wenn sie meint, ich hätte – aus weiblicher Sicht – etwas falsch gemacht. Erziehung nennt sie das. Und bei ihr hört Erziehung nie auf. Elsa ist, um es klar zu sagen, meine Tante. Ich bin nach dem Tod meiner Eltern bei ihr aufgewachsen. Deshalb haben wir ein besonderes Verhältnis.“
„Jetzt verstehe ich“, meinte Greta, und packte die beiden Einkaufstaschen aus.
„Mannomann, du hast aber viel eingekauft!“, staunte Rick.
„Es war mir auch peinlich, dass Pete das alles bezahlt hat.“
„Das muss dir nicht peinlich sein. Eher umgekehrt. Wenn du nur zwei Bratwürstchen gekauft hättest, dann wäre es ihm peinlich gewesen. Er ist einziger Erbe eines gigantischen Unternehmens. Er liebt es, unter Freunden großzügig zu sein.“
„Hast du schon einmal in der Küche geholfen?“
„Manchmal. Zwangsweise.“
„Bei Uschi oder bei Elsa?“
„Bei Elsa! Mit Uschi habe ich nie gekocht.“
„Dann bist du ja wahrscheinlich keine große Hilfe beim Kochen?“
„Ich kann es ja mal versuchen, aber erwarte nicht zu viel von mir.“
Nach einer Stunde hatte Greta mit Hilfe von Rick ein Abendmenü gezaubert, das ihn in Erstaunen versetzte:
Rucola-Salat an Joghurt-Dressing
Filetsteak an Feigen-Portwein-Sauce auf Gemüsenudeln
mit einem Rouge d’Alsace
Quark mit frischen Himbeeren
Während des Essens sprachen die beiden viel und Greta erfuhr eine Menge über Elsa, kaum etwas über Uschi. Beim Nachtisch fragte Greta: „Über Elsa weiß ich jetzt Bescheid. Aber was ist mit Uschi?“
„Mit ihr habe ich – also, das war anders. Wir sind beide Jahrgang 1989. Uschis Eltern waren gerade aus der sich auflösenden DDR gekommen und wohnten neben uns. Mein Vater hatte damals einen Sandkasten gebaut, mitten auf der Grundstücksgrenze. Es war unser Sandkasten, Uschis und meiner. Und so entstand eine richtige Sandkastenliebe. Zusammen im Sandkasten, Hand in Hand in den Kindergarten und in die Grundschule. Dort saßen wir nebeneinander, das war für uns selbstverständlich. Ich ging dann aufs Gymnasium und Uschi besuchte die Realschule. Getrennte Schulen bedeuteten aber keine Trennung für uns. Wir waren jeden Nachmittag zusammen. Dann kam die Pubertät. Für mich gab es nur Uschi, für Uschi gab es nur mich. Und schließlich hatten wir Sex miteinander.
Uschi hat aber eine Schwäche: Sie redet ununterbrochen, von morgens bis abends. Irgendwann merkten wir aber, dass unser Liebesleben kein gutes Ende nehmen würde. Uschi redete selbst beim tollsten Sex. Einmal fragte sie plötzlich: ‚Liegt dir eigentlich etwas an mir?‘ Ich war platt und sie fuhr fort: ‚Wenn dir etwas an mir liegt, sollten wir damit aufhören. Sonst gibt es noch einen gewaltigen Streit und dann ist wirklich nichts mehr zwischen uns.‘ Sie hatte absolut Recht. Ihr dauerndes Gerede ging mir manchmal gewaltig auf den Nerv.
Seitdem sind wir wie Bruder und Schwester. Sie schläft sogar manchmal hier, wenn sie Ärger oder Kummer hat. Sie schläft in meinen Armen ein und wacht morgens gut gelaunt wieder auf. Aber es passiert nichts zwischen uns, dafür ist unsere Freundschaft zu kostbar.“
„Stimmt genau!“, mischte sich plötzlich eine Stimme ein. Uschi stand in der Küche. „Wir sind eben beste Freunde. Und wenn du hier Klamotten von mir findest, denke dir nichts dabei. Ich bin übrigens fest liiert, wie man so sagt. Aber Rick führt mich später einmal zum Altar. Natürlich nicht als Bräutigam, sondern als Brautbruder. Gibt es so etwas überhaupt? Egal! Er wird auch Pate meiner vier Kinder. Das hat er mir auf jeden Fall fest versprochen.“
„Ich verstehe“, sagte Greta. „Ihr habt eine Beziehung der besonderen Art.“
„Das kann man wohl so sagen. Aber was hast du da gekocht? Das riecht ja fantastisch. Allein der Essensduft: Da kann die Grevener Küchenszene einpacken….“
„Uschi!“, unterbrach Rick etwas energisch.
„Schon gut, ich bin ja aus einem anderen Grund da. Ich habe Rick ja nicht zu kontrollieren, tu ich ja auch gar nicht. Würde mich nur freuen, wenn …“
„Uschi, darf ich euch vielleicht miteinander bekannt machen?“
„Das brauchst du nicht“, erwiderte Uschi, „ich weiß schon alles, Greta Carlsson, Carlsson mit C und …“
„Du hast ein Problem, hattest du gesagt“, unterbrach Rick sie noch einmal.
„Ja, ein Problem, das stimmt. Du solltest vielleicht zur Beruhigung ein Glas von deinem guten Wein bereithalten. Du hast doch noch reichlich Vorräte?“
Rick holte eine Flasche Wein. Greta sah das Etikett und nahm ihm die Flasche aus der Hand: „Rick, weißt du eigentlich, was du da im Haus hast? Das ist ein 1984er Château Angélus. Weißt du, was das heißt?“
„Rotwein eben. Schmeckt gut.“
„Weißt du, was der kostet?“
„Nein. Den Wein habe ich geschenkt bekommen. Sechs Kartons, weil ich die Lieblingstochter eines Ehepaares, das große Anteile an französischen Weingütern besitzt, wiedergefunden und zurückgebracht habe.“
„Man hat dich gut bezahlt. Die sechs Kartons haben mindestens einen Wert von zehntausend Euro.“
„Woher hast du solche Kenntnisse über Wein?“
„Als Köchin sollte man das wissen.“
Uschi war ganz still geworden, eine Seltenheit bei ihr. Dann lächelte sie und sagte kichernd: „Und die Schnepfe nimmt fünftausend Euro mit und lässt diese Köstlichkeit liegen. Geschieht ihr recht! – Entschuldigung Rick, ich wollte das eigentlich nicht sagen.“
Sie stand auf, umarmte ihn und drückte ihn ganz fest.
„Bin ich jetzt doch fehl am Platz?“, fragte Greta.
„Nein, du bist schon richtig. Nur die Schnepfe war hier fehl am Platz“, erklärte Uschi. „Sie hat ihm fünftausend Euro stibitzt und ist damit verschwunden. Irgendwann hättest du es sowieso erfahren. Die Schnepfe war Ricks letzte Freundin. Jeder wusste, dass sie falsch war, nur Rick nicht. Ich hatte ihn gewarnt, Elsa hatte ihn gewarnt. Es half nichts. Liebe macht blind, nicht wahr, Rick?“
3
Ein schlimmer Verdacht: Opa Willi ermordet?
Rick war durch Uschis Gerede über die „Schnepfe“ ziemlich verärgert. Sie hatte alte Wunden wieder aufgerissen. Aber so war Uschi eben! Sie redete. Nach einer kurzen Pause sagte er dann: „Uschi, kannst du jetzt endlich zum Thema kommen.“
„Ach ja, stimmt. Du erinnerst dich noch an meinen Großvater, Opa Willi. Er starb ja vor gut vier Wochen.“
„Noch bin ich nicht dement“, platzte es aus Rick heraus.
„Entschuldigung, ich meine …“
„Lass mich mal“, unterbrach Greta sie und nahm Rick in den Arm. „Tut es noch sehr weh?“, fragte sie ganz sanft.
„Verdammt weh! Nicht das Geld, nicht die Trennung, aber die Tatsache, dass sie sich mit dem Geld und einem neuen Freund nach Australien abgesetzt hat. Das tut weh. Man fühlt sich ausgenutzt.“
Greta schaute Rick lange in die Augen.
„Keine Angst“, sagte dieser schließlich. „Ich bin nicht depressiv und ganz gewiss nicht suizidgefährdet. Nur etwas neben der Spur.“
„Bist du dir da sicher, Rick? So eine Enttäuschung wirkt lange nach. Deine Freunde sagten, ich könne hier in Ruhe wohnen, solange ich dir nicht wehtäte. Ich verstehe jetzt, wie sie das gemeint haben.“
„Eigentlich möchte ich jetzt hören, was Uschi mir zu erzählen hat. Uschi, kannst du zum Thema kommen?“
„Also zurück zu meinem Großvater. Du kanntest ihn ja etwas. Wie hast du ihn eingeschätzt?“
„Bescheiden, zurückhaltend, sehr an Kunst interessiert.“
„Hältst du ihn für reich?“
„Unsinn! Er war doch Museumswärter in Dresden. Das gibt bestimmt keine hohe Rente.“
„Mein Opa war ja bis zu seinem Tod sehr selbstständig und wir hatten keinen Überblick über sein Konto und seine finanziellen Verhältnisse. Mama war nicht einmal unterschriftsberechtigt. Wir mussten erst einen Erbschein beantragen, um an sein Konto zu kommen. Und jetzt halte dich fest! Auf dem Konto von Opa befanden sich rund vierundachtzigtausend Euro. Soweit ich mich erinnere, warst du ein- oder zweimal in seiner Wohnung.“
„Ja, zum Möbelrücken.“
„Nun, die Wohnung gehört ihm. Sie ist schuldenfrei. Ihr Wert: rund einhundertzwanzigtausend Euro.“
„Dann freut euch!“
„Aber das alles von einer kleinen Rente? Wie ist das möglich?“
„Ihr macht euch Sorgen? Weshalb?“
„Im Nachhinein kommt uns einiges seltsam vor. Opa war kerngesund. Dann kippt er auf dem Weg von der Kneipe nach Hause plötzlich tot um. Und das nach drei Bier. Und jetzt kommt das Tollste. Heute Mittag bekamen meine Eltern einen Anruf aus Dresden. Opas Freund, mit dem er bis zur Rente im Museum gearbeitet hat, ist auf der Straße tot zusammengebrochen. Er hatte über neunzigtausend Euro auf dem Konto.“
„Das kann kein Zufall sein“, stellte Rick fest. „Ich würde die Kripo einschalten.“
„Aber der Arzt hat doch bei Opa Willi Herzversagen als Todesursache attestiert. Könntest du da nachforschen?“
„Nein, dafür ist die Kripo zuständig. Doch das ist ein komplizierter Prozess, da der Totenschein des Arztes eindeutig ist. Nur wenn eine nicht-natürliche Todesursache, also ein Tötungsdelikt vermutet wird – und dafür muss es klare Verdachtsmomente geben -, kann eine gerichtsmedizinische Obduktion angeordnet werden. Aber ich werde in Zwischenzeit tun, was ich tun kann.“
„Danke, Rick“, sagte Uschi erleichtert. Dann stand sie auf und wandte sich an Greta: „Sag mal, warum trimmst du dich eigentlich auf Schwarz?“
„In Flensburg sind von zehn Mädchen neun blond. Ich wollte anders sein.“
„Du bist aber ein blonder Typ. Blonde Haare geben dir mehr Ausstrahlung.“
Greta sah Rick fragend an, der dann erklärend eingriff: „Uschi ist Friseurin, sogar Meisterin, mit eigenem kleinen Salon und Typberatung. Darin ist sie richtig gut.“
„Danke für das Kompliment. Greta, komm morgen Nachmittag vorbei, gegen 14.00 Uhr! Dann ist niemand mehr im Salon. Ich mache dann aus dir die neue Greta.“
„Quanta costa?“
„Nada, nothing, rien. Für Ricks Freunde umsonst. Also bis Morgen 14.00 Uhr. Tschüss.“
Ein Kuss für Rick, dann war sie weg.
4
Gretas erste Nacht in Ricks Wohnung
„Uschi hat einen Schlüssel zu deiner Wohnung?“
„Sie, Elsa und ich. Irritiert dich das?“
„Nein, solange heute Nacht nicht halb Greven vor meinem Bett steht. Apropos Bett, wo schlafe ich überhaupt?“
„In meinem Bett. Heute Morgen frisch bezogen.“
„Und du?“
„Ich schlafe hier im Wohnzimmer auf der Couch. Man kann sie ausziehen und sie ist auch ziemlich bequem.“
„Danke. Uschi kann einem ganz schön den Nerv töten. Ich verstehe jetzt, weshalb es mit euch nicht geklappt hat. Aber meint sie das ernst mit meinen Haaren?“
„Ganz ernst. Geh hin! Du wirst nicht enttäuscht sein.“
„Wieso haben deine Eltern dich eigentlich Rick genannt?“
„Ich wurde neun Monate nach einem Spanienurlaub meiner Eltern geboren. In meinem Ausweis steht sogar mein richtiger Vorname: Ricardo. Aber meine Eltern meinten dann, das klinge nicht sehr westfälisch. Also haben sie mich Rick genannt.“
Greta legte Ricks Bett ab und probierte die Matratze. „Schön weich das Bett und sehr breit. Da schlafe ich bestimmt gut. Eine Bitte habe ich noch.“
„Ist schon erfüllt!“
„Du weißt doch gar nicht, was ich will.“
„Bestimmt nichts Unanständiges.“
„Doch oder doch wieder nicht. Es kommt darauf an, wie man es betrachtet. Hast du ein langes T-Shirt für mich, das ich als Nachthemd benutzen kann? Ich habe nur Pyjamas zum Knöpfen und die sind bei dieser Hitze etwas warm.“
Rick ging an seinen Kleiderschrank und fragte: „Stört es dich, wenn eine große Mickey Maus vorne drauf ist?“
„Kaum, solange sie nicht beißt.“
„Dann kannst du mich rufen. Ich schlafe ja nebenan.“
Sie ging ins Badezimmer, er räumte die Küche auf. Dann kam Greta zurück, im Mickey-Maus-T-Shirt.
„Du siehst toll aus!“, staunte er. „Als Begleiterin bei einem Kindergartenausflug wärst du der Schwarm aller kleinen Jungen.“
„Nur der kleinen?“, fragte sie.
Rick zog den Kopf etwas ein und antwortete nicht. Er ging ins Bad und als er von dort zurückkam, zog er seine Schlafcouch aus und wollte sich gerade hinlegen, da hörte er: „Kannst du noch einmal kommen?“
„Beißt die Mickey Maus?“
„Nein, aber ich glaube, ich sollte dir wenigstens etwas über mich erzählen, damit du nicht mit einer völlig Unbekannten schläfst, ich meine wohnst.“
Sie klopfte mit der Hand auf ihre Matratze und sagte: „Setz dich dahin! Wenn du stehst, wirkt das wie in der Schule.“
Er setzte sich.
„Apropos Schule“, fuhr sie fort, „ich komme also aus Flensburg und habe dort am dänischen Gymnasium das Abitur gemacht, vor zwei Jahren.“
„Du sprichst also Dänisch?“
„Fließend, sonst wäre ich nicht auf dieser Schule gewesen. Deutsch und Dänisch werden dort auf Muttersprachenniveau unterrichtet und man bekommt das deutsche und das dänische Abitur. Zur Erklärung: Mein Vater gehört zur dänischen Minderheit, hat aber auch deutsche Vorfahren. Meine Mutter ist Deutsche, hat aber auch dänische Vorfahren. Ich habe eine doppelte Staatsangehörigkeit, besitze also einen deutschen und einen dänischen Pass.
In der Oberstufe hatte ich einen Freund, der in einer dänischen Rockband spielte. Ich wurde dort Sängerin und wir machten nach dem Abitur eine sechsmonatige Tour durch Jylland, Jütland meine ich. Wir spielten die Musik der sechziger bis neunziger Jahre. Damit spricht man auch Ältere an, die Musik ihrer Jugend sozusagen. Wir verdienten ganz gut. Aber dann gab es Streit in der Band. Ich habe daraufhin meine Sachen gepackt, auch weil die Beziehung zu meinem Freund in die Brüche gegangen war. Schließlich habe ich mich meiner zweiten Leidenschaft zugewandt, dem Kochen. So, für den Anfang weißt du genug. Und jetzt: Gute Nacht.“
„Gute Nacht und schlaf gut.“
Als Rick auf seiner Couch lag, machte sich in ihm ein lange vermisstes Gefühl breit. Er kannte Greta zwar erst seit sechs Stunden, aber er spürte, dass sie etwas Besonderes war, dass sie anders war als andere. Und, das musste er sich auch eingestehen, sie war Klasse, ein Klasse für sich.
5
Greta, die Hackerin
Es klang wie „god morn“. Rick riss die Augen auf: Mickey Maus stand vor ihm.
„Das war Dänisch und heißt ‚guten Morgen‘.“
„Moin. Muss ich jetzt Dänisch lernen?“
„Das schaffst du nicht in zwei Wochen, zu kompliziert, ein zu großer Unterschied zwischen Schriftbild und Aussprache.“
„Du bleibst also zwei Wochen, und dann?“
„Ich muss ja irgendwie über die Runden kommen. Ich meine jetzt finanziell. Dafür brauche ich ein weiteres Praktikum, und zwar ein bezahltes.“
„Und wenn du feststellen solltest, dass das Kochen doch nicht dein Traumjob ist?“
„Es gibt eigentlich nur zwei Gründe, die mich davon abhalten könnten: die starke körperliche Beanspruchung und die Gefahr, aufzugehen wie ein Hefekloß.“
Rick hatte sich mittlerweile auf seine Schlafcouch gesetzt und betrachtete Greta: „So viel ich sehen kann, hast du mit dem Gewicht keine Probleme.“
Sie lächelte: „Danke! So etwas kann aber schnell kommen. Eine berufliche Alternative wäre ein Medizinstudium. Aber ich bin mir da noch nicht sicher. Nun aber zu etwas Wichtigerem: Frühstücken!“
„Ich hole Brötchen.“
Während des Frühstücks unterhielten sie sich über Uschis Großvater Willi.
„Wo hat er eigentlich gearbeitet?“, wollte Greta wissen.
„Im Kupferstich-Kabinett, heute im Residenzschloss, vorher ausgelagert wegen der Zerstörungen im Krieg. Warum willst du das wissen?“, fragte Rick, neugierig geworden.
„Vielleicht war er ja gar kein kleiner Museumswärter, sondern ein höherer Angestellter. Das könnte sein Vermögen erklären. Wie hießen Uschis Opa und sein Freund?“
„Willi Kutowski und Ludwig Ballmann.“
„Wo steht dein Computer?“
„Dort, in meinem Arbeitszimmer.“
Greta nahm ihren Teepott und ging in Richtung Arbeitszimmer. Sie staunte nicht schlecht über das, was sie dort sah: alles vom Feinsten und vor allen Dingen komplett. Lauter Geräte mit dem angebissenen Apfel. Hier war alles vorhanden, was das Hackerherz begehrt.