Bilingual Unterrichten - CLIL Fachdidaktik - Bernd Klewitz - E-Book

Bilingual Unterrichten - CLIL Fachdidaktik E-Book

Bernd Klewitz

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Beschreibung

Bernd Klewitz plädiert in seiner facettenreichen, fundierten Darstellung für die stärkere Vernetzung von Inhalt und Sprache in einer kombinierten Unterrichtsstrategie. Dabei steht die Vertiefung der Inhalte selbst für ihn an erster Stelle, denn – in Analogie zur Theorie des Weimarer Bauhauses form follows function – geht es im bilingualen Sachfachunterricht darum, die Sprachmittel und deren methodische Umsetzung von den zu vermittelnden Inhalten abhängig zu machen: language follows content. Gleichwohl stellt der Autor auf der Grundlage eines wissenschaftsbasierten, multiperspektivischen Ansatzes die sprachlichen Belange in der gebotenen Ausführlichkeit dar. Sie erscheinen in enger Verbindung zu den Inhalten der gängigen Fächer des bilingualen Unterrichts, nämlich den Sozialwissenschaften, Geographie und Geschichte. In 10 Kapiteln zeigt B. Klewitz effektive, teils neue Unterrichtsstrategien auf, die sich auf die meisten anderen Sachfächer übertragen lassen. Außerdem wirbt er für Literary CLIL, einen bilingualen Literaturunterricht, der noch nicht die Verbreitung findet, die ihm eigentlich gebührt. Die Grundlage aller Überlegungen und Vorschläge sind die unterschiedlichen, von den einschlägigen Forschungsrichtungen unterstützten Sichtweisen, die der Autor vorstellt und bewertet – freilich nicht ohne Lehrpersonen Raum für eigene Entscheidungen im Rahmen des jeweiligen Lernkontexts zu lassen. Prof. Dr Inez De Florio-Hansen, Universität Kassel

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Seitenzahl: 469

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel 1 Bilinguale Kinder

Vignette: Familienerfahrungen

1.1 Mythen und Legenden der Zweisprachigkeit

1.2 Eine Orientierung für bilinguale Eltern

1.3 Sprachentwicklung bilingual

1.4 Die Lücke zwischen Wissen und Performanz

1.5 Die Duale System-Hypothese (Dual System Hypothesis)

1.6 Das OPOL-Prinzip (Unitary Language System)

Kapitel 2 Dimensionen des Spracherwerbs

Vignette: Language is the dress of thought

2.1 Spracherwerbsforschung

2.2 Behaviorismus

2.3 Universal Grammatik und Rekursion

2.4 Input-Output Hypothese

2.5 Sprachenlernen als sozialer Prozess (Zone of Proximal Development – ZPD)

2.6 Erst- und Zweitsprachenerwerb (Fundamental Difference Hypothesis – FDH)

2.7 Veranlagung oder Umwelt (Nature versus Nurture)

2.8 Neurobiologische Forschung

Kapitel 3 Fremdsprachen-Lernen als interkulturelles Narrativ

Vignette: The Dunera Boys

3.1 Kommunikation und Grammatik

3.2 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen

3.3 Fremdsprachenunterricht im Kontext von CLIL neu denken

3.4 Zwei CLIL-Narrative

3.5 CLIL-Modul: Das Bauhaus im Unterricht

Kapitel 4 CLIL I: Kontexte und Strategien

Vignette: Internationale Begegnungen

4.1 Schottland

4.2 Kanada und die USA

4.3 Das australische Modell: die Deutsche Schule in Melbourne (DSM)

4.4 Deutschland und Europa

4.5 Lernen sichtbar machen – Visible Learning und Direct Instruction

4.6 Merkmale von Unterrichtsqualität (Principles of Quality Teaching: Luther College)

4.7 Unterrichtsgestaltung als Modell (Teaching Clock: McKinnon Secondary College)

4.8 Bilingualer Campus in Kanada (Linguistic Risk Taking: University of Ottawa)

Kapitel 5 CLIL II: Didaktische Bausteine

Vignette: Fenster im Fremdsprachenunterricht öffnen

5.1 Merkmale eines multi-perspektivischen Lernens

5.2 Leitfragen für die CLIL-Unterrichtsplanung

5.3 Das 4 Cs Framework

5.4 Diskurskompetenzen zwischen BICS und CALP

5.5 Das Language Triptych

5.6 Das bilinguale Dreieck und der Third Space

5.7 Task Design Wheel und Operatoren

5.8 Primat der Inhalte

Kapitel 6 Literary CLIL

Vignette: Intertextuality

6.1 Literatur als Sachfach

6.2 Literatur im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen

6.3 Auswahlkriterien für das „Sachfach” Literary CLIL

6.4 Geschichten erzählen, Welten erfahren: CLIL-Narratives

6.5 Theorie und Praxis von Literary CLIL

6.6 Literaturkritik und Analyse: the VCE Study Design

6.7 Literary Studies in Contexts, Genres and Target Countries

6.8 Intertextualität als Bauhaus-Dialog: Lothar Balzer und Hirschfeld Mack

Kapitel 7 CLIL Werkzeuge und Fertigkeiten (tools and skills)

Vignette: Worksheet Compass

7.1 Scaffolding als duale Unterrichtsstrategie

7.2 Aufgabenbasiertes Lernen (Task-based Language Teaching – TBLT)

7.3 Blended Learning

7.4 Die visuelle Wende

7.5 Learnscapes

Kapitel 8 CLIL Module

Vignette: Unterrichtseinheiten – gelenkt und unabhängig

8.1 Measuring Your Media (A2)

8.2 Refugees (A2)

8.3 Analysing Political Cartoons (B1)

8.4 Jacobites and Enlightenment (B1)

8.5 Caledonia – Creating a Podcast (B2)

8.6 War and Peace – Calvin and Hobbes (B2)

8.7 Herringbone Technique (B2+)

8.8 Absolutism (B2+)

8.9 Reciprocal Teaching (C1)

8.10 International Relations – Libya (C1)

Kapitel 9 Desiderata

Vignette: Venn Diagram

9.1 CLIL als Katalysator für Strategiewechsel und Innovation

9.2 Pop culture and the media hype (Amy Macdonald)

9.3 Entwicklungsstrategien

Kapitel 10 Glossar Lehr- und Lernstrategien

Literaturverzeichnis

Einleitung

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum bilinguale Erziehung immer attraktiver wird: Für junge Familien auf der Suche nach einer modernen und nachhaltigen Ausbildung für ihre Kinder, für Fremdsprachendidaktiker bei der Entwicklung effektiver Sprachlernprogramme und für Lehrkräfte und SchülerInnen bei ihrem Engagement für interkulturellen Austausch? Und warum die Erwartungen an ein effektives und erfolgreiches Sprachenlernen mit dem Interesse an Sprachprogrammen verbunden sind, die sich eher auf authentische Themen und spannende Fragestellungen konzentrieren als auf Grammatik und Vokabeltraining?

Aber gleichzeitig wird zu bedenken sein: Dieses Narrativ des Fremdsprachenerwerbs bei paralleler Beschäftigung mit relevanten und realen Ereignissen und Themen klingt zumindest auf den ersten Blick wie der Versuch einer Quadratur des Kreises. Die Geschichte der Zweisprachigkeit ist jedoch weder neu noch spektakulär. Schon die Römer mussten Griechisch lernen, um die Kultur ihres Nachbarn zu usurpieren und die Ägäis zu beherrschen. Heutzutage geht es beim Erwerb moderner Sprachen jedoch nicht darum, eine andere Kultur zu dominieren oder über andere Menschen zu bestimmen. Es handelt sich vielmehr darum, deren Perspektiven und Ideen auf inter-/transkulturelle Weise kennen zu lernen und sich in einem sogenannten Third Space zu treffen, den wir später in dieser Erzählung entdecken werden.

Wie können wir also sicherstellen, dass SchülerInnen in der Lage sind, die notwendigen Informationen in einer anderen als die ihrer Muttersprache zu verstehen und zu bearbeiten? Wie können wir die Lernenden dabei unterstützen, die ihnen gesetzten Ziele zu erreichen und in ihrer Zone of Proximal Development (ZPD) voranzukommen, auf die wir noch ausführlich rekurrieren werden? Und wie können sie in die Lage versetzt werden, ihre eigenen sprachlichen Fähigkeiten und ihr kritisches Denken zu entwickeln, um die damit verbundenen Herausforderungen meistern zu können? Die Lösung dieses Rätsels liegt darin, die beiden bilingualen Ziele in einem inhalts- und sprachintegrierten Lernprozess miteinander in Einklang zu bringen. Das Akronym CLIL (Content and Language Integrated Learning) gibt die Richtung und Schwerpunkte im Zusammenspiel von Inhalt und Diskursfunktion vor – mit Dr. Johnsons Erkenntnis aus dem 18. Jahrhundert: „language is the dress of thought.“

Die hier in Rede stehende CLIL-Fachdidaktik lässt sich also am besten als die Blaupause für eine integrative Fremdsprachendidaktik selbst beschreiben, nämlich für die Vernetzung von Inhalten und Sprache in einer kombinierten Unterrichtsstrategie. Denn die weltweite Zunahme bilingualer Programme innerhalb und außerhalb von schulischen Kontexten hat bei SchülerInnen und Lehrern durchaus unterschiedliche Erwartungen in Bezug auf erfolgreiches und effektives Sprachenlernen geweckt. Diese reichen von mehr Kontakt mit der Zielsprache (und dadurch besseren Noten) bis hin zu einer Vertiefung der Inhalte selbst (die ein höheres Maß an kritischem Denken erfordern).

Das ist auch der Grund, warum eine integrierte CLIL-Didaktik sowohl inhaltliche Fragen als auch Lehrstrategien und Lerntheorien abdecken muss, da solche Programme zum ersten Mal versuchen, zwei Unterrichtsgegenstände gleichzeitig zu behandeln, wenn auch in einer genau definierten Reihenfolge, die man als „language follows content“ bezeichnen würde. Der Umgang mit didaktisch-inhaltlichen Fragen, ohne methodische Verfahren zu vernachlässigen, erfordert unterschiedliche Perspektiven und umfassende Ansätze bei der Auswahl geeigneter Themen und passender Diskurskonzepte. Mit anderen Worten: Die gestellte Aufgabe erfordert eine doppelte Organisation der sprachlichen Dimension des Fachunterrichts in einer anderen als der Muttersprache – in unserem Fall für Sozialwissenschaften, Geschichte und Geografie. Ich gehe davon aus, dass dieser Ansatz auch für andere Sachfächer funktioniert, weil die didaktisch-methodischen Fragen, um die es hier geht, die zwei Seiten derselben Medaille sind, die Inhalt und Sprache beidseitig abbilden kann.

Gleichzeitig wird eine Theory of Practice (Theorie der Praxis) benötigt, die es den Praktikern ermöglicht, zu entscheiden, auf welche Seite der Medaille sie zuerst und in bestimmten Phasen des Lehr-/Lernprozesses schauen müssen, also in der bereits erwähnten Zone of Proximal Development (nach Wygotski 1962). In der Definition von Do Coyle, einer langjährigen Vertreterin von CLIL von der Universität Aberdeen, entsteht diese Theorie

when the teacher begins to articulate his or her implicit knowledge and understanding about teaching and learning. The teacher’s implicit knowledge becomes explicit through this process – that is, the teacher is aware of his or her knowledge (theory of practice) and can begin to actively develop this. The starting point for a theory of practice is the teacher’s own professional beliefs (Coyle 2010: 45).

Der facettenreiche Weg in dieser Integrierten CLIL-Didaktik führt von theoretischen Annahmen und akkumuliertem Wissen über den Zweitsprachenerwerb (Second Language Acquisition – SLA) zu effektiven und bewährten Konzepten des Fremdsprachenunterrichts (FU) als eine der Grundlagen bilingualer Programme. Die andere Seite der gleichen Medaille wird durch den inhaltlichen Sachfach- Kern geprägt werden müssen, in Abhängigkeit von den Lehrplänen oder Bildungsstandards (Common Core) der Zielsprachenländer1. So sehr unsere SchülerInnen von der sprachlichen und inhaltlichen Bewusstmachung dessen, was sie lernen sollen, profitieren, so sehr kann sich die best practice im Sprach-Unterricht auch auf die bewusste Umsetzung der Erkenntnisse der Sprach- und Sachforschung stützen. Aber erst die Kombination mit effektiven Unterrichtsstrategien, wie sie in den Funktionen des Scaffolding und der Direkten Instruktion des Visible Learning abgebildet sind, wird zu effektiven und nachhaltigen Lernprozessen führen.

Da es bei bilingualen Programmen, Immersionssituationen und CLIL selbst aber in erster Linie um die junge, lernende Generation geht, ist ein guter Ansatzpunkt für eine bilinguale Didaktik und Methodik die Demontage von Mythen und Legenden der Zweisprachigkeit, insbesondere im Umgang mit kleinen Kindern und heranwachsenden Jugendlichen. Von den Black Boxes des Behaviorismus über die berühmte Universalgrammatik bis hin zu konstruktivistischen Lerntheorien und den Erkenntnissen der neurobiologischen Forschung sind verschiedene Hypothesen erprobt und verworfen, wiederbelebt und modifiziert worden. Dabei wird überraschenderweise die fast schon altmodisch klingende Kontroverse zwischen Nature Versus Nurture nicht einfach verschwinden (so zumindest Steven Pinker, der bekannte kanadische Kognitionswissenschaftler), aber aus all diesen Theorien und mehr oder weniger bewährten Annahmen lassen sich interessante Schlüsse für die Anwendung relevanter Ideen auf die Umsetzung von CLIL-Programmen oder Inhalts-Modulen ziehen. Bemerkenswert sind auch die tiefgreifenden Diskrepanzen aufgrund kultureller Unterschiede in den Zielsprachenländern, aber CLIL hat sich zu einem globalen pädagogischen Konzept entwickelt und es gibt keinen Grund, abweichende Praktiken nicht zu schätzen und aus ihren Vorteilen und Fehlern nicht zu lernen.

Die Building Blocks bilingualer Ansätze, die von einer ständig wachsenden zweisprachigen Community geteilt werden, stehen im Mittelpunkt eines gemeinsamen Kerns von CLIL-Unterrichtsstrategien: sei es das 4 Cs Framework, der Brückenschlag von BICS zu CALP, das Language Triptych, das Bilingual Triangle sowie der Third Space der inter-/transkulturellen Kompetenz oder das Task Design Wheel in einer Taxonomie der Kognition. All diese Merkmale des multiperspektivischen Lernens unterstützen die bilinguale Unterrichtsplanung und fördern die Entwicklung von Diskursstrategien in CLIL-Programmen. Dabei schaffen sie auch Fenster im traditionellen Fremdsprachenunterricht (FU), ohne notwendigerweise die Einbeziehung der Muttersprache (L1) der SchülerInnen zusätzlich zur Zielsprache (L2) als Vehikularsprache des Unterrichts und der Kommunikation zu verhindern. Das genaue Verhältnis zwischen L1 und L2 bleibt angesichts der widersprüchlichen Forschungsergebnisse und der Interpretation von „bi“ in bilingualen Programmen umstritten.

Neben der Förderung inter-/transkultureller Kompetenzen findet sich eine weitere Gemeinsamkeit zwischen FU und CLIL in der Literaturwissenschaft, wobei Literary CLIL einen besonderen Schwerpunkt dieser CLIL-Didaktik darstellt. Ob als eigenständiges Unterrichtsfach (Literaturkurs) konzipiert oder aus dem traditionellen Sprachunterricht als Anreicherung von CLIL-Inhalten transferiert, sind Auswahlkriterien erforderlich: wenn klassische Literatur mit großem „L“ oder die populäre Variante mit dem kleinen „l“ verhandelt werden soll. Dabei sind Studiendesigns für literarische Analyse und Kritik zu entwickeln. Verschiedene Genres werden vorgestellt, um diesen neuen Bereich für den bilingualen Unterricht zu erschließen und die Einbeziehung von Musik, Poesie sowie der etablierten Bereiche Kurzgeschichten und Romane zu erschließen. Literatur, ob mit großem oder kleinem „L/l“ bleibt ein Anliegen dieser CLIL-Didaktik, weil ihre Umsetzung als eigenständiges Unterrichtsfach immer noch die Ausnahme ist, zumindest im deutschsprachigen Schulbetrieb. In diesem Zusammenhang könnte das Primat des Inhalts ein neues Licht auf die Unterschiede zwischen FU und CLIL werfen und eine mögliche Verschmelzung beider Ansätze aufzeigen, ohne den einen durch den anderen zu ersetzen – eine Diskussion, die in den Desiderata und Herausforderungen von CLIL (Kapitel 9) aufgegriffen wird.

Auf der praktischen Seite – unter Berücksichtigung der Theorie der Praxis – verdienen die Tools und Skills von CLIL besondere Aufmerksamkeit, da sie das Gesamt-Konzept erst funktionsfähig machen. Ob man nun einen Worksheet Compass oder ein Learnscape als Advance Organizer nutzt, sich auf aufgabenbasierten Unterricht konzentriert oder den Visual Turn einbezieht: sie können in ihrer Anwendung in unseren umfangreichen CLIL-Beispielmodulen genauer in Augenschein genommen werden. Diese und im Übrigen alle Kapitel sind mit einem Abschnitt Study Points:Revue passieren-reflektieren-recherchieren versehen, der dazu einlädt, ein Unterrichtskonzept, das nicht nur immer beliebter wird, sondern auch den Bedürfnissen einer modernen Sprachvermittlung entspricht, weiter zu erproben. Damit wird sich auch erschließen, was das Innovative dieses CLIL-Ansatzes beschreibt. Er entspricht insbesondere den Bedürfnissen eines modernen Sprachunterrichts, der neue und wechselnde Perspektiven im Übergang von inhaltlichen zu sprachlichen Lernvarianten durch die Augen unserer SchülerInnen ermöglicht und mithin dem Paradigma des Visible Learning (nach dem neuseeländischen Wissenschaftler John Hattie) Rechnung trägt.

Wenn Kinder zweisprachig aufwachsen, erfolgt dies in verschiedenen Kulturen aus unterschiedlichen Gründen und wirft eine Reihe von Fragen, gelegentlich auch Problemen auf. Sie sind nicht nur Forschungsgegenstand der Kinderpsychologie, sondern auch relevant, wenn es im schulischen Bereich um Sprachenlernen und Fremdsprachenerwerb geht. Dabei wird in neueren Untersuchungen wieder die Existenz einer Human Language Making Capacity (z.B. Meisel 2019: 35 ff), wenn nicht bewiesen, so doch hypostasiert und zur Beschreibung komplexer Vorgänge herangezogen – wie beispielsweise die Differenzierung und Trennung von Sprachsystemen, Interferenzen und Interaktion zwischen Sprachen, die Rolle von „starken“ und „schwachen“ Sprachen und die Überwindung von Mythen der Mehrsprachigkeit wie One Person – One Language oder das Entwicklungsziel des Native Speaker.

Dass es sich hier nicht um rein linguistische Phänomene handelt, ist seit Piaget und seinen Stufen der kognitiven Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen (1936) trotz aller kritischen Einwände unbestritten und bestätigt die Annahme, dass auch Fremdsprachenlernen als spezifische Aneignung von Wirklichkeit in Abhängigkeit von kulturellen Kontexten erfolgt – in historischen Dimensionen und mit dynamischen Entwicklungspotenzialen. Vor diesem Hintergrund sind bilinguale Programme als Verbindung von Sachfach- und Sprachfachlernen mit dem übergeordneten Ziel der Anbahnung inter- und transkultureller Kompetenzen zu denken. Weil es aber nicht möglich ist, sachfachliches und sprachliches Lernen zu trennen (vgl. R. Hoffmann 2013: 345), bedürfen beide Aspekte einer systematischen Integration, was bereits in der Namensgebung der hier in Rede stehenden Variante des bilingualen Unterrichts zum Ausdruck kommt: Content and Language Integrated Learning.

Die CLIL-Fachdidaktik erfüllt eine Brückenfunktion zwischen den Didaktiken der Sachfächer und Fremdsprachen und wird von folgenden Überlegungen geleitet: Bilingualer Unterricht ist in nahezu allen Schulfächern möglich, erfreut sich zunehmender Akzeptanz und bewirkt eine Erweiterung der sach- und sprachspezifischen Kompetenzen. Insbesondere in den Sozialwissenschaften besteht die Vorgabe, dass CLIL-Programme dem Curriculum des jeweiligen Sachfaches folgen, während nur in wenigen Bundesländern ein entsprechendes bilinguales Kerncurriculum existiert und nur als Ausnahme in der Zielsprache. Die dadurch erforderlich gewordene Brückenfunktion wird einerseits durch die Auswahl solcher Inhalte gewährleistet, die einen besonderen Bezug zur jeweiligen Zielkultur aufweisen (in den Sozialwissenschaften leichter zu verwirklichen als in naturwissenschaftlichen Kontexten). Andererseits geht es darum, den naheliegenden Perspektivenwechsel zu ermöglichen sowie das Training von objektbezogenen Diskurskompetenzen an geeigneten Stellen zu planen und durchzuführen.

Das Neue an dieser integrierten CLIL-Fachdidaktik ist dabei die Kombination inhaltlicher Erfordernisse des jeweiligen Sachfaches, die über das monolinguale Curriculum deutlich hinausgehen, mit CLIL Bausteinen, die sowohl inhaltsbezogene als auch diskursspezifische Werkzeuge und Fertigkeiten beinhalten. Neu ist auch der Einbezug von im Fremdsprachenunterricht längst zum Standard gewordener Zielsprachenliteratur, die durch die Besonderheiten der CLIL Programme erweiterte Inhalts- und Sprachaktivitäten ermöglicht und als eigenes Sachfach im anglophonen Kontext bereits ein eigenständiges Study Design aufweist. Im Übrigen wird die Zielgruppe für diese Fachdidaktik von Lehramtsstudenten, LiVs und Lehrkräften durch den Einbezug von CLIL-Modulen um deren SchülerInnen erweitert, da sie diese als Unterrichtseinheiten mit methodischen Schwerpunkten (Reciprocal Teaching, Herringbone Technique, Debate etc) unmittelbar erproben können.

In a nutshell: Es wird eine Kooperation von Sachfach- und Fremdsprachen-Didaktikern angebahnt, die über rein am Sachfach- oder Fremdsprachenunterricht orientierte Auswahl- und Methoden-Konzepte hinausgeht und die bislang noch dominierende Wahrnehmung des Potenzials für das Fremdsprachenlernen (den Mehrwert des Spracherwerbs) überwinden hilft.

Die damit verbundenen Besonderheiten werden in neun aufeinander abgestimmten Einzelkapiteln sukzessive dargestellt und jeweils mit den oben erwähnten Study Points abgeschlossen. Sie beinhalten mit den CLIL-Zielsetzungen einen Blick auf Sachcurricula, die Kalibrierung von Sach- und Sprachenlernen, inter- und transkulturelle Kompetenzen sowie Innovationspotenziale für das Fremdsprachen- und Sachfachlernen. Einzelne Merkmale einer integrierten CLIL-Fachdidaktik (Kompetenzorientierung, Wissensbegriff, Diskurskompetenz, kommunikative Sprachaktivitäten und interkulturelles Lernen) werden ergänzt durch Dimensionen des bilingualen Fachunterrichts (hier synonym mit dem Begriff CLIL verwendet) wie Prinzipien von Quality Teaching und Visible Learning, einem spezifischen Unterrichtsdesign und einem Sprachenpass zu Linguistic Risk Taking (University of Ottawa). Im Einzelnen werden danach Bausteine des CLIL-Konzeptes diskutiert (BICS, CALP, 4 Cs Framework, Task Design, Authentizität und duales Scaffolding) ergänzt durch das Study Design von Literary CLIL. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf CLIL-Werkzeugen und Fertigkeiten, die in den CLIL-Modulen in unterrichtspraktischer Absicht als Worked Examples konkretes Anschauungs- und Übungsmaterial bereitstellen; zusammenfassend werden Herausforderungen und Desiderata des CLIL-Ansatzes diskutiert und in einem Glossar weitere unterrichtsrelevante Hinweise zur Verfügung gestellt.

Wir hoffen überdies, dass die Vignetten, die jedes der neun Kapitel einleiten, den Appetit des Lesers anregen und in der Lage sind, das Wesentliche der präsentierten Informationen und Diskussionspunkte sichtbarer zu machen. Die Gestaltung dieser Vignetten folgt den Grundideen bilingualer Programme. Sie werden zwei-sprachig angeboten: auf Deutsch, wann immer von der vorgestellten Konzeption erforderlich (Familienerfahrungen, Internationale Begegnungen und außerschulische Lernorte, Fenster im FU, gelenkte und freie Unterrichtseinheiten), in der Zielsprache auf Englisch bei thematischer Orientierung („language is the dress of thought, the Dunera Boys, intertextuality, worksheet compass, venn diagram“).

 

Vorausgehen soll eine interkulturelle Vignette, die den Respekt vor der indigenen Bevölkerung Australiens zum Ausdruck bringt und landesweit in allen Schulen sichtbar zum Nachdenken einlädt:

Photo © Andrew Krause and McKinnon Secondary College, Department of Education and Training, Victoria, Australia.

Acknowledgement of Country gilt als Äußerung des Respekts gegenüber den traditionellen Einwohnern – den Aborigines – und anerkennt die Bedeutung ihrer Kultur und Geschichte und enge Verbundenheit mit ihrem Land. Häufig zu Beginn einer Zeremonie gesprochen und als Hinweistafel am Schuleingang (hier: McKinnon SC, Melbourne) angebracht.

 

“Die Deutsche Schule Melbourne liegt auf dem Land der Wurundjeri (Kulin Nation) ..., und ich möchte sie anerkennen als die traditionellen Besitzer dieses Landes. Ich möchte meinen Respekt aussprechen für ihre Stammesältesten, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, und die Ältesten von anderen Stämmen, die heute hier sein könnten“ (Bernice Ressel, Principal).2

 

 

1 In einigen Ländern (z. B. in den Vereinigten Staaten) wird unterschieden zwischen dem Common Core, der angibt, was die Lernenden wissen und können müssen, und dem Lehrplan, der beschreibt, wie die SchülerInnen dieses lernen sollen. Die Pädagogik in Europa geht in eine ähnliche Richtung, wobei die Didaktik das „Was“ und die Methodik das „Wie“ des Lernens beschreibt (für weitere Einzelheiten siehe Kapitel 6).

2https://www.youtube.com/watch?v=BQvZySITnOU (DSM Video).

Kapitel 1Bilinguale Kinder

Vignette: Familienerfahrungen

Für die bilinguale Erziehung ihrer Kinder hat sich eine junge Familie aus Süddeutschland entschieden. Die jetzt fünfjährige Ava hat bereits ein gutes Verständnis für die englische Sprache entwickelt und äußert sich sogar schon hin und wieder mit Worten und kurzen Sätzen in ihrer künftigen Zweitsprache (L 2). Ihr Bruder Paul ist mit seinen etwas mehr als zwei Jahren ebenfalls in der Lage, dem Englisch seines Vaters aufmerksam zu folgen und flicht gelegentlich englische Worte in seine Äußerungen ein – wie „tired, bed, eat“. Peter, der in Kalifornien eine High School besucht und dort sein Internationales Bakkalaureat absolviert hat, spricht ausschließlich Englisch mit seinen Kindern, während seine Frau Sophie in den Familiengesprächen Deutsch verwendet. Häufig spricht der Großvater, selbst Englischlehrer, bei seinen Besuchen die Kinder auch in der Fremdsprache an, um die Englisch-Atmosphäre ein wenig zu unterstützen. Kürzlich war er jedoch erstaunt, als Ava ihn etwas irritiert fragte: „Opa, warum sprichst Du Englisch mit mir?“ Offensichtlich hatte seine Enkelin bemerkt, dass er immer wieder zwischen den Sprachen wechselte und traute ihm in seiner Rolle als „echter“ Englisch-Sprecher nicht.

1.1 Mythen und Legenden der Zweisprachigkeit

Unser Beispiel wirft eine Reihe von Fragen auf, die sich auf Sprechen und Spracherwerb beziehen1: Funktioniert Zweisprachigkeit bereits im frühen Kindesalter? Wie entwickelt sie sich auf längere Sicht? Wird sie schließlich zur kompetenten Beherrschung beider Sprachen führen? Wenn diese Aspekte ausgeweitet und übertragen werden auf die Ebene des schulischen Kontextes, sind auch bilinguale Programme wie Immersion und ihr europäisches Pendant CLIL (Content and Language Integrated Learning) genauer in den Blick zu nehmen. Vor allem im Hinblick auf die Terminologie könnte der Begriff bilingual dabei mindestens missverständlich wirken, wie bereits in der Einleitung erwähnt. Denn bilingual kann sich entweder auf das (pädagogische) Ziel beziehen, eine quasi-muttersprachliche Beherrschung zweier Sprachen zu erreichen, oder auf die Strategie, zwei Sprachen im Unterrichtsprozess nebeneinander zu verwenden. In jedem Fall ist es sinnvoll, einige Mythen und Vorurteile über die Zweisprachigkeit zu entwirren oder ganz zu beseitigen.

Nach einer erweiterten Definition des Begriffs Bilingualismus als „die Verwendung von mehr als einer Sprache im täglichen Leben“ (Meisel 2019: 2; meine Übersetzung) ist diese deutlich weiter verbreitet als das Praktizieren nur einer Sprache, so dass wir mit Sicherheit sagen können, dass „die Mehrheit der Weltbevölkerung zweisprachig ist“ (ebd.: 3). Abgesehen von einer gewissen Zweideutigkeit bezieht sich Bilingualismus jedoch auf eine Vielzahl von Kontexten und unterschiedlichen Situationen, in denen der Kontakt mit mehr als einer Sprache unvermeidlich ist – einschließlich von Einwanderung und Arbeitsmigration sowie multiethnischen Gesellschaften, mit ihren Minderheitssprachen – aber auch die Entscheidung von Eltern, Sprachenlernen bereits im frühen Kindesalter gezielt zu fördern. Infolgedessen kommt es je nach vorhandener Motivation und gesellschaftlichen Bedingungen oder Zwängen zu einem gleichzeitigen oder sukzessiven Bilingualismus. In prä-dominant monolingualen Umgebungen könnten Eltern die Zweisprachigkeit sogar als Vorteil für ihre Kinder betrachten und den Gebrauch von mehr als einer Sprache in ihren Familien fördern.

Letzteres ist bei der oben erwähnten Familie aus Süddeutschland der Fall, bei der nach Aussage der Eltern die Entscheidung, zweisprachig zu kommunizieren prozessgesteuert war und auf ihre früheren längeren Auslandsaufenthalte in anglophonen Ländern zurückzuführen ist. Insbesondere Peter verweist auf seine Erfahrung, dass die Ansprache seiner Kinder auf Englisch ihm ermöglicht, mit ihnen reflektierter zu kommunizieren. Mit anderen Worten, in Situationen, in denen er normalerweise eher emotional oder sogar streng reagiert hätte, nimmt er sich einen Moment Zeit zu überlegen, was er – als eine Art innere Übersetzung – sagen will, und er sucht manchmal sogar nach dem richtigen Ausdruck. Indem er zuerst darüber nachdenkt, was er sagen möchte, schafft er sich Raum zum Nachdenken, wenn auch nur für ein paar Sekunden. Da er zum Teil in englischsprachigen Ländern aufgewachsen ist und dort Schulen besucht hat, hat er überdies eine sehr emotionale Beziehung zur englischen Sprache entwickelt und denkt, dass ihm dieses helfen könnte, seine Emotionen besser auszudrücken und seinen Kindern Gefühle authentischer nahezubringen.

Was vor fünf Jahren als Experiment begann, hat dazu beigetragen, eine besondere Atmosphäre in Peters Familie zu schaffen: Er hofft, dass seine Liebe zu seiner zweiten Sprache bei seinen Kindern Wurzeln schlägt und eine gewisse Nähe ermöglicht, ohne andere Familienmitglieder auszuschließen. Nicht der geringste Teil seiner Motivation besteht darin, für seine Kinder eine weitere Tür zur Welt zu öffnen und ihnen damit neue Perspektiven und Alltagsroutinen zu ermöglichen. Ava und Paul, die vermutlich eine simultane Zweisprachigkeit entwickeln werden, hätten später bessere Chancen, die Welt zu bereisen und in verschiedenen Ländern zu arbeiten. Nicht zuletzt genießt Peter diese Spracherfahrung und stärkt damit seine intrinsische Motivation, ausschließlich mit seinen Kindern Englisch zu sprechen.

Wenn er diesen dynamischen Prozess aus der Sicht seiner Kinder reflektiert, erhält er von der älteren Tochter eine insgesamt sehr positive Rückmeldung. Sie ist mittlerweile in der Lage, sicher zwischen den beiden Sprachen zu unterscheiden und kann mit dem Prinzip „one person, one language“ (später als OPOL beschrieben, siehe 1.6) gut umgehen. Ihr Verständnis von zwei Sprachen entwickelt sich sehr gut, und sie genießt es beispielsweise, wenn ihr englische Kinderbücher und Kinderreime vorgelesen werden; auch kann sie bereits einige englische Lieder auswendig. Der kleinere Bruder hat vergleichsweise früher als die Schwester damit begonnen, englische Worte oder Ausdrücke in seine Alltagssprache einzuflechten. Möglicher Weise ist dieses der zunehmend dichteren fremdsprachlichen Kommunikation in der Familie geschuldet. Jedenfalls öffnen sich für beide Kinder Fenster in eine neue Welt, was von den Eltern als großer Vorteil empfunden wird und in ihrem Freundeskreis zunehmend Nachahmung findet – oft spricht einer der Partner dann französisch, dänisch oder holländisch.

1.2 Eine Orientierung für bilinguale Eltern

Die Überzeugung, dass Zweisprachigkeit in einer Familie funktioniert und Beziehungen sogar in besonderer Weise zu stärken vermag, wird von der langjährigen wissenschaftlichen Forschung zum Bilingualismus der frühen Kindheit unterstützt. Professor Jürgen M. Meisel hat die Ergebnisse in einem umfangreichen Leitfaden für zweisprachige Eltern vorgestellt. Der ehemalige Leiter der Forschungsstelle für Bilingualismus an der Universität Hamburg berät seit mehr als 35 Jahren Eltern in Deutschland und Kanada (University of Calgary) und setzt sich sachkundig mit den Vorteilen und den – wie er selbst sagt – „mostly mythical drawbacks of raising children with a command of two or more languages“ (Meisel 2019: Umschlag) auseinander. Eine genauere Betrachtung der Risiken und Vorteile wird für unsere CLIL-Didaktik äußerst sinnvoll sein, wenngleich sie eher auf eine längerfristig sukzessive Zweisprachigkeit abzielt im Unterschied zum frühkindlich-simultanen Bilingualismus.

Bei der Erörterung der so genannten Risiken der frühkindlichen Zweisprachigkeit bezieht sich der Elternratgeber von Meisel zunächst auf folgende weitverbreitete Mythen und Missverständnisse, nämlich die Fragen:

ob Kinder zwei Sprachen wirklich auseinanderhalten können,

wie man einen „macaronic language mix“ (Meisel: 8; 58) vermeiden kann,

ob eine ausgewogene Zweisprachigkeit überhaupt möglich ist und nicht die geistige Leistungsfähigkeit von Kindern überfordert,

ob die Fusion von zwei Sprachen die kognitive Entwicklung beeinträchtigt,

und dieses nicht zu „semi-linguals“ führt, die zwischen zwei Sprachen und Kulturen hin- und hergerissen sind und daher in ihrer Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt werden (vgl. ebd.: 7 ff).

Es scheint jedoch genügend Belege dafür zu geben, dass Kinder schon früh zwischen verschiedenen Sprachen unterscheiden können, wie die Reaktion von Ava auf ihren Großvater zeigt (vgl. Vignette). In verschiedenen, auch gegensätzlichen Theorien des Zweitsprachenerwerbs (Second Language Acquisition – SLA; vgl. Kapitel 2) wird die Ansicht vertreten, dass sich die mentalen Grammatiken von bilingualen Sprechern unabhängig voneinander oder parallel entwickeln – je nachdem, welcher Theorie man mehr Erklärungswert einräumt: der generativen SLA mit Chomskys Universal Grammar (UG), als einer sogenannten Human Language Making Capacity (LMC; vertreten durch Meisel: 35), sowie ihrer radikalen Version der Fundamental Difference Hypothesis (FDH, Bley-Vroman: 2010) oder neueren Ansätzen der Kognitionstheorie, des Konstruktivismus und den Erkenntnissen der Neurowissenschaften. In diesem Zusammenhang entpuppt sich der vermeintlich entstehende „macaronic language mix“ als Code-Switching und Zeichen einer bewussten Wahl, nämlich „the ability to select languages according to interlocutor, situational context, topic of conversation etc.“ (Meisel: 72). Alle diese Paradigmen beziehen sich nicht nur auf die simultane Zweisprachigkeit in der Kindheit, sondern haben auch eine erhebliche Bedeutung für den sukzessiven Bilingualismus in CLIL-Programmen und sind in einer Kontrastierung nativistischer und kognitiver Positionen interpretierbar (vgl. Kapitel 2). Code-Switching selbst ist Bestandteil des CLIL-Instrumentariums (tools and skills) und funktioniert als "Translanguaging" zusammen mit anderen sprachlichen Fertigkeiten wie Mediation, visuellen Darstellungen und digitalen Hilfsmitteln im Kontext interaktiver Methoden, instruktiver Strategien und Szenariotechniken (vgl. 5.4 und 8.10).

Die Vorteile von frühkindlicher Zweisprachigkeit lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen:

der beschleunigte Spracherwerb ist einer der unbestrittenen Pluspunkte der bilingualen Förderung,

muttersprachliche Kompetenz ist erreichbar, wenn ein ausreichender linguistischer Input vorhanden ist,

Lesekompetenz und kognitive Herausforderungen werden als weiterer Mehrwert verbucht, der auf neurologische Befunde rekurriert,

zweisprachige Kinder erfahren andere soziale Wirklichkeiten,

sie sind in der Lage, die gleichen Ideen in zwei Sprachen auszudrücken,

sie tauchen in Kulturen ein, in denen andere Bedeutungen und Werte verhandelt werden.

Meisels Ratgeber für „zweisprachige Eltern“ listet diese und weitere Vorteile auf, um bilinguale Prozesse zu anzustoßen, und er ermutigt Erwachsene, mehrsprachige Situationen durch einen reichen authentischen Input zu schaffen (vgl. Meisel: 7 ff, 221 ff).

1.3 Sprachentwicklung bilingual

Diese Perspektiven werden in einer ausführlichen „Bilingual Speech Production Review“ bestätigt, die an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) durchgeführt wurde (MHH-Review: 2013). In der Begutachtung von 66 Studien aus den letzten 50 Jahren wurde der Spracherwerb bei bilingualen Kindern unter vier und bis zu 12 Jahren untersucht, thematisch analysiert und hinsichtlich Methoden, zentraler Ergebnisse und zugrunde liegender Theorien zusammengefasst. Die wichtigsten Ergebnisse deuten darauf hin, dass zweisprachige Kinder nur in wenigen Fällen eine langsamere Sprachentwicklung aufweisen als die einsprachige Vergleichsgruppe, dafür aber qualitative Unterschiede und eine größere Variation in der Sprachproduktion aufweisen. In dem Bericht heißt es weiter: „more recently researchers have moved away from investigating whether there are one or two phonological systems and accept that there are two systems that interact” (ebd.: n.p.). Damit ist der Blick frei geworden für die Frage, welche Auswirkungen die vermutete Interaktion zwischen beiden Systemen, in der Regel einer stärkeren (L1) und einer schwächeren Sprache (L2), hat und ob sich diese positiv oder negativ bemerkbar machen. Insgesamt lässt sich ein stärkerer Transfer von der dominanten (L1) Sprache auf die später erworbene Zweitsprache (L2) feststellen, „more evident with increased age and length of exposure to a second language“ (ebd.), ein entscheidender Parameter bei der Etablierung von CLIL-Programmen, die häufig mit SchülerInnen der 7. Klasse beginnen und auf eine sukzessive Zweisprachigkeit abzielen.

Umgekehrt gibt es aber auch Hinweise darauf, dass es zu Transfers von L2 zu L1 kommen kann, immer dann, wenn es quantitative Unterschiede gibt, insbesondere bei gleichzeitiger oder sukzessiver Zweisprachigkeit. Allerdings ist es kaum möglich, in beiden Fällen einen ausreichenden sprachlichen Input zu quantifizieren:

We do not know what the ‘normal’ amount of exposure to a language is. The number of child-directed utterances or, more specifically, of verbal interactions varies enormously across families, monolinguals as well as bilinguals. Consequently, we have an only approximate idea of what the minimum amount of input is for a child to be able to develop a native competence. It should definitely not drop below 20 per cent of the total amount of verbal interactions a child receives. More reduced amounts of exposure to a language may suffice to trigger linguistic development, but this will happen at a significant slower rate and it is unlikely to result in native competence (Meisel: 177 f).

Zu den Vorteilen einer Zweisprachigkeit von Kindern zählen dann insgesamt die Öffnung für eine andere Kultur und die Fähigkeit, zumindest teilweise dieselben Ideen in zwei Sprachen auszudrücken. Um dieses zu ermöglichen, gibt es, auch wenn es nicht in konkreten Zahlen messbar ist, einen Mindestschwellenwert für den Kontakt mit einer Sprache, und Kinder würden von einer sprachlich reichen Umgebung enorm profitieren. Das Ergebnis eines solchen Erwerbsprozesses – insbesondere von Anfang an – wird mit ziemlicher Sicherheit weitaus effektiver sein als das, was normalerweise im Fremdsprachenunterricht erreicht wird (vgl. ebd. 185).

1.4 Die Lücke zwischen Wissen und Performanz

Studien zum Spracherwerb müssen sich jedoch auch mit der Lücke zwischen Wissen und Umsetzung befassen, mit anderen Worten mit dem Unterschied zwischen knowing und doing (proficiency, performance2). Während Lexikon und Grammatik die wichtigsten Komponenten des sprachlichen Wissens eines Sprechers sind, ist die Fähigkeit, seine sprachliche Kompetenz in einer kommunikativen Interaktion zu aktivieren, genauso entscheidend. Zur Veranschaulichung wird oft das bekannte „tip-of-the-tongue“-Phänomen angeführt, eine Situation, in der sich Sprecher nicht an ein Wort oder einen Begriff erinnern können, obwohl sie das Gefühl haben, dass die Erinnerung unmittelbar bevorsteht, „auf der Zunge liegt“. Es tritt in allen Altersgruppen auf und kommt häufig genug vor, um das Lernen oder alltägliche Situationen zu beeinträchtigen. Dabei sind die Betroffenen kurzzeitig nicht in der Lage, ein häufig benutztes Wort, einen Namen oder sogar Gedanken abzurufen, können sich aber wenig später und spontan wieder erinnern. Offensichtlich ist das Sprachelement bekannt, aber gerade nicht verfügbar. Wenn bei dem Erinnerungsversuch eine Wortliste durchgegangen wird, werden die falschen Bezeichnungen abgelehnt, andererseits können aber bestimmte Eigenschaften wie Anfangslaut, Silbenzahl oder klangaffine Aspekte identifiziert werden. Daraus lässt sich schließen, dass nicht alle Bedeutungsanteile verloren, sondern nur teilweise zugänglich sind. Im mentalen Lexikon werden mithin Sprachelemente auf verschiedene Weise abgerufen, nicht nur über den Anfangslaut (vgl. ebd. 16).

Für dieses Phänomen scheint es keine einheitliche Erklärung zu geben. Entweder ist die Gedächtnisleistung eines Sprechers nicht stark genug, um ein bestimmtes Item abzurufen (direct access view), oder ihm oder ihr fallen falsche, aber ähnliche Antworten auf eine Frage ein. Bei dieser Erklärung werden die Antworten als blocker bezeichnet, weil sie die Möglichkeit blockieren, das richtige Item abzurufen; sobald sie überwunden sind, ist der Abruf wieder möglich (blocking-hypothesis; vgl. ebd.). Wenn es also verschiedene Wege der Aktivierung gibt, hängt ein erfolgreicher Abruf von entsprechenden Hinweisen ab und der lexikalische Zugriff erfolgt gleichzeitig in Stufen. „Language learnersmust therefore develop both a grammatical competence and the proficiency to put it to use in a wide array of communicative contexts" (ebd.). Es stellt sich mithin die Frage: Wie verhält es sich bei bilingualen Sprechern? Zeigen sich bei ihnen ähnliche Phänomene, oder ist ihr mentales Lexikon aufgrund der erhöhten sprachlichen Beanspruchung doppelt belastet? Experimente der American Psychological Association (APA 2020: o.S.) deuten darauf hin, dass bilinguale Sprecher im Vergleich zu ihren monolingualen Altersgenossen einer „doppelten Verarbeitungslast“ ausgesetzt sind, die in bestimmten Situationen zu Schwierigkeiten führen kann, ansonsten aber vorteilhaft ist. Bei der Beschreibung von visuellen Objekten und Personennamen zeigten spanisch-englische Sprecher beispielsweise relativ bessere Ergebnisse beim Abrufen von Eigennamen, die schwieriger zu reproduzieren sind, als für monolinguale Sprecher: „for a harder task, bilinguals showed relatively better performance. Bilingual disadvantages may be limited to representing multiple forms for individual meanings; proper names improved naming because they have essentially the same form across languages” (ebd.).

1.5 Die Duale System-Hypothese (Dual System Hypothesis)

Ob dieses auch als Bestätigung der Dual System Hypothesis (DSH; vgl. Meisel: 48), auch Dual Language System Hypothesis (vgl. Genesee: 1996), gesehen werden kann, ist umstritten, aber zumindest deutet es auf weitere Unterschiede im sprachlichen Wissen und in der sprachlichen Umsetzung zwischen monolingualen und bilingualen Sprechern hin, die für eine genauere Untersuchung der Umsetzung in CLIL-Programmen nützlich sind. Die DSH geht von einer frühen Differenzierung der Sprachsysteme aus, charakteristisch für das Entwicklungsmuster, das Simultan-Zweisprachige typischerweise durchlaufen. Auf der Grundlage der Ergebnisse von Fallstudien der letzten 30 Jahre wird diese Hypothese weitgehend akzeptiert (vgl. Meisel: 48, 72).

Nach der Auffassung von Vertretern der DSH erwerben zweisprachige Kinder von Beginn des Spracherwerbs an zwei unterschiedliche Sprachsysteme, die als Prozess zu zwei verschiedenen mentalen Grammatiken führen (vgl. Meisel: 52); ihre Regeln gehen nicht von einer Sprache in die andere über (vgl. Bradley: 2020 n.p.), wenngleich eine sprachliche Interaktion zwischen den beiden Systemen nicht bestritten wird. Diese Interaktion würde „vor allem in Umgebungen stattfinden, in denen eine Sprache dominant und die andere schwach ist, entweder im sozialen Kontext oder in den Köpfen der Sprecher“ (Meisel: 53; meine Übersetzung). Da zweisprachige Programme wie CLIL zwangsläufig mit einer stärkeren (L1) und einer schwächeren Sprache (L2) zu tun haben, hätte es eine Reihe von Konsequenzen für Lehrstrategien und Lernprozesse, die bei der Betrachtung der CLIL-Werkzeuge und -Fähigkeiten diskutiert werden (vgl. Kap. 7). Doch trotz dieser auf Beobachtungen und common sense basierenden Annahme bedürfen die Begriffe „stark“ und „schwach“ einer gewissen Qualifizierung:

Empirische Begründungen für die Einstufung einer Sprache als "schwach" oder "nicht dominant" beziehen sich in der Regel auf eine oder mehrere der folgenden Beobachtungen: a) Die betreffende Sprache wird selten oder gar nicht aktiv verwendet; b) die andere Sprache wird stark bevorzugt; c) die Entwicklung der vermeintlich schwachen Sprache ist weniger weit fortgeschritten als die der anderen Sprache (ebd.: 130; meine Übersetzung).

Im Kontext der DSH gilt es als erwiesen, dass bilinguale Kinder keine besonderen Stufen durchlaufen müssen, um schließlich zwischen zwei Sprachen unterscheiden zu können. Sie verfügen im Gegenteil über zwei Sprachsysteme und wissen auch, welches System mit welcher Sprache verbunden ist (vgl. Bradley: 2020 o.S.). Neuere Studien belegen, dass bilinguale Sprecher für jede Sprache das „richtige“ System verwenden, ohne sie zu vermischen, dass sie unterscheiden können, welche Sprache gesprochen wird – wie Avas Beispiel in der Vignette gezeigt hat – und dass zweisprachige Kinder in der gleichen Sprache reagieren, die mit ihnen gesprochen wird (vgl. ebd. und Genesee: 1996).

This shows us that bilingual children under the age of two could differentiate the language being heard and respond with the same language, which supports the idea that children have two different language systems (Bradley: 2020 o.S.).

Insgesamt und auch entsprechend der MHH-Review (1.3) liefern die Studien ein nicht eindeutiges und eher komplexes Bild in Bezug auf die Beziehung zwischen Muttersprache (L1) und erworbener Fremdsprache (L2). Festgestellt wird ein gewisser Transfer von L1 zu L2 und umgekehrt und damit die Existenz von zwei Sprachsystemen, die nicht unabhängig existieren, sondern miteinander verbunden sind. Die Frage nach einem einheitlichen phonologischen System wurde in der Mehrheit der untersuchten Studien regelmäßig zugunsten des Nachweises von zwei getrennten Systemen modifiziert. Die Beobachtung, dass zwei Sprachen gemeinsame Phoneme aufweisen, wurde durch die Erfahrung untermauert, dass diese in einer Sprache vor der anderen erworben werden. Diese Verflechtung erklärt nicht nur die Tatsache, dass die Forscher robuste Belege für den Transfer von der dominanten Sprache in die später erworbene Sprache (L1 zu L2) als Interlanguage gefunden haben, sondern spiegelt sich auch darin, dass es nur zwei ältere Studien (aus den 1970er und 1980er Jahren) gibt, die für ein einheitliches Sprachsystem plädieren. Empirische Beobachtungen tragen mithin dazu bei, die Gültigkeit von Spracherwerbstheorien in einem Maße zu bestimmen, das für den Unterricht in bilingualen Programmen an Schulen relevant ist. Wie aber dem Code-Switching und dem Phänomen der Interlanguage Rechnung getragen werden kann, gehört zu den Herausforderungen, die mit CLIL verbunden sind und die in einem abschließenden Blick auf Desiderata dieses Ansatzes (Kapitel 9) zu diskutieren sind.

1.6 Das OPOL-Prinzip (Unitary Language System)

Die Annahme einer universellen Grammatik (vgl. Kapitel 2.3) durch Wissenschaftler wie Noam Chomsky geht davon aus, dass Kinder, die bereits im Säuglingsalter zwei Sprachen gleichzeitig lernen, eine Phase durchlaufen, in der sie ihre beiden Sprachen nicht mehr voneinander unterscheiden können. Mit anderen Worten: Zweisprachige Kinder vermischen regelmäßig Elemente aus ihren Sprachen. Die empirische Grundlage dieser Vermutung wurde in den 1990er Jahren neu untersucht (siehe oben: Genesee-Studie 1996) mit dem Ergebnis, dass zweisprachige Kinder von Anfang an differenzierte Sprachsysteme entwickeln und in der Lage sind, ihre sich entwickelnden Sprachen kontext-sensitiv zu verwenden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass Code-Switching kein Zeichen dafür ist, dass eine starke Sprache (L1) die schwache (L2) dominiert oder gar zu der bereits erwähnten „macaronic language mix“ (Meisel: 8, 58) führt, sondern vielmehr die Kompetenz bilingualer Sprecher kennzeichnet, ihre Sprache je nach Gesprächspartner und Situation zu wählen.

Dabei relevant ist die mögliche Rolle des elterlichen Inputs in Form von gemischten Äußerungen und dessen Gegenteil, der „one person, one language“ (OPOL) Methode. Seit den Anfängen der Forschung zur bilingualen Entwicklung, die Meisels bilingualer Leitfaden (1.2) bereits in der Mitte der 1910er Jahre ansiedelt (Meisel: 86), hat OPOL eine bedeutende Rolle gespielt. Es wurde viel später und im deutschen Kontext durch die bekannte „aufgeklärte Einsprachigkeit“ (Butzkamm: 2019) modifiziert und ist bis heute ein kontroverses Thema sowohl in der bilingualen Theorie als auch in CLIL-Strategien. Ohne wissenschaftliche Belege wird der OPOL-Ansatz empfohlen, weil „dieses Prinzip oder diese Methode auf Überlegungen des gesunden Menschenverstandes beruht und nicht auf Einsichten in die Mechanismen des bilingualen Spracherwerbs“ (Meisel: 87; meine Übersetzung). Dementsprechend wird in Meisels Leitfaden nicht empfohlen, gegenüber Kindern Sprachen frei zu mischen. Erwachsene Gesprächspartner sollten es sich vielmehr zur Gewohnheit machen, gemäß dem OPOL-Prinzip bei einer Sprache zu bleiben. Dabei handele es sich allerdings nicht um ein Dogma sondern lediglich um eine nützliche Strategie. Zu Befürchtungen über eine negative Auswirkung auf den bilingualen Spracherwerb gebe es keinen Anlass, im Gegenteil: Code-Switching, dem Einfügen von Substantiven aus der anderen Sprache etc., könne die Kommunikation erleichtern oder sogar verbessern (vgl. Meisel: 118 f.).

Inwieweit das OPOL-Prinzip auch auf den Unterricht in CLIL-Programmen angewandt werden sollte, bleibt dabei eine offene Frage, denn hier muss die Lehrkraft die geeignete Strategie wählen, um den Lernprozess zu unterstützen, einen verständlichen Input zu gewährleisten und eine effektive Kommunikation aufrechtzuerhalten. Es ist zutreffend, dass Code-Switching und Interlanguage nicht nur ein Phänomen der frühkindlichen Zweisprachigkeit sind, sondern sogar noch relevanter werden, wenn es um die zielführende Zweisprachigkeit in CLIL-Programmen geht. Hier wird die Verwendung von L1 und L2 in Unterrichtssituationen unter Forschern und Lehrern immer noch kontrovers diskutiert, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob sie eine verstärkte Einsprachigkeit unterstützt oder nicht – aktuell wieder aufgegriffen in der wissenschaftlichen Empirie-Untersuchung von Subin Nijhawan (Nijhawan 2022). Sie ist auch bei der Entwicklung der Diskurskompetenzen von BICS zu CALP3beachtenswert und wird bei der Betrachtung der Herausforderungen und Desiderata des bilingualen Unterrichts zusammenfassend diskutiert (vgl. Kap. 9).

Revue passieren – reflektieren – recherchieren

Vergleichen Sie Risiken und Vorteile des frühkindlichen Bilingualismus.

Diskutieren Sie das "Experiment" des jungen Paares aus Süddeutschland.

Würden Sie Ihre Kinder zweisprachig erziehen, wenn Sie die Möglichkeiten dazu hätten?

Warum/warum nicht?

Verfolgen Sie die Debatte über den Einsatz von L1 und L2 im bilingualen Unterricht.

Welcher Auffassung neigen Sie zu?

Zum Weiterlesen:

(Hoffmann, Gerhard)

https://www.elg-alzey.de/assets/ueber-uns/Bili/Aufbau-bilingualer-Unterrichtssequenzen.pdf

(Kultusministerium Baden-Württemberg)

https://km-bw.de/,Len/startseite/schule/Realschuledigital

 

1 Eine wissenschaftsbasierte Unterscheidung zwischen Spracherwerb („language acquisition“) und Sprachen Lernen („language learning“) findet sich im Glossar dieses Bandes („Spracherwerb und Sprachen Lernen“).

2Proficiency – die Fähigkeit, Sprache im Alltagsleben zu benutzen; performance – Sprache in einer eng beschriebenen Situation wie dem Klassenraum verfügbar.

3 Akronyme eingeführt von Jim Cummins (1979): BICS=Basic Interpersonal Communicative Skills; CALP=Cognitive Academic Language Proficiency (vgl. 5.4 Diskurskompetenzen).

Kapitel 2Dimensionen des Spracherwerbs

Vignette: Language is the dress of thought

Mixing languages on the very same island is, of course, a well- known historical phenomenon and could become a serious political problem as well, as in the case of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, where English and Gaelic were spoken in the Northern parts to a great extent. But then English had gradually replaced Scottish Gaelic in the 18th century, because the latter was heavily suppressed during the infamous Highland Clearances following the Jacobite uprisings which ended with their defeat at Culloden in 17461.

The leader of the Jacobites, mockingly called “Bonny Prince Charlie”, had failed in his attempt to restore the Stuart dynasty – rulers for over three centuries – and was chased by a victorious English army throughout the Highlands. Disguised as a servant maid he was finally smuggled on a boat to the Isle of Skye by Flora Macdonald, in whose house he stayed for some time during 1746 and eventually fled to Rome where he died in poverty and as a drunkard.

Almost thirty years later (in 1773), Samuel Johnson overcame his resentment to the Scots and embarked on his famous 3-month Tour to the Hebrides. 20 years before, the English poet, essayist, and literary critic had just about finished a major publication: Johnson’s Dictionary turned out to become a standard lexicon for more than 150 years and formed the basis for all subsequent English dictionaries, namely the Oxford English Dictionary in the 1900s. After the final publication in 1755 he was given a doctorate and hence was often referred to as Dr Johnson. His interest in languages went much further than presenting the meaning of words and their etymology, but typically included personal remarks and opinions, with even some derogatory comments about his Northern neighbors; a case in point is his definition of “oats” – usually referred to as a cereal used as food – : “A grain, which in England is generally given to horses, but in Scotland supports the people”2.

In this context, Dr Johnson had read an account of the Hebrides and had been much interested by learning “that there was so near to him a land peopled by a race which was still as rude and simple as in the Middle Ages” (EB 1939: 114). Thus, the wish developed in him to explore the state of a society which was utterly different to all he had ever seen and whose Gaelic language he was not familiar with:

At length, in August 1773, Johnson crossed the Highland line and plunged courageously into what was then considered, by most Englishmen, as a dreary and perilous wilderness ... [he wandered] about two months through the Celtic region ... About the beginning of 1775 his Journey to the Hebrides was published, and was, during some weeks, the chief subject of conversation in all circles in which any attention was paid to literature. His prejudice against the Scots had at length become little more than a matter of jest; and whatever remained of the old feeling had been effectually removed by the kind and respectful hospitality with which he had been received in every part of Scotland (ibid.).

Dr Johnson’s Scottish venture was even more popularized by the diary of his friend and travel companion James Boswell, in which he, among other Highland encounters, tells the story of how Dr. Johnson met the very same Flora Macdonald, who had helped Bonny Prince Charlie in his escape from the English soldiers, and even slept in the same bed:

Monday, 13th September [1773]. The room where we lay was a celebrated one. Dr. Johnson’s bed was the very bed in which the grandson of the unfortunate King James the Second lay, on one of the nights after the failure of his rash attempt in 1745-46, while he was eluding the pursuit of the emissaries of government, which had offered thirty thousand pounds as a reward for apprehending him.” (Boswell 1785: 130).

Dr. Johnson’s fame in posteriority was also grounded on a later publication, his Lives of the Poets series (published in 3 volumes between 1779 and 1781) which contains his most famous surviving quote:

Language is the dress of thought: and as the noblest mien, or most graceful action, would be degraded and obscured by a garb appropriated to the gross employments of rusticks or mechanicks; so the most heroick sentiments will lose their efficacy, and the most splendid ideas drop their magnificence, if they are conveyed by words used commonly upon low and trivial occasions, debased by vulgar mouths, and contaminated by inelegant applications. (https://cowley.lib.virginia.edu/small/johnsoncowley.htm; my emphasis)

Dr. Johnson’s metaphor, here applied to the writings of the English poet Abraham Cowley, has been the subject of a variety of essays and comments in either an agreeing or disapproving mode3. It is, basically, a reflection of the connection between thinking and its linguistic expression and, at the surface, hard to contradict. When it comes to the analysis of higher order thinking skills (the so-called HOTS, cf. chapter 5.7), however, a couple of issues arise. If the kind of clothes you wear reflects in some ways what you are, your style of speech would indicate your thinking and, in Dr Johnson’s own diction, spoil the quality of your most brilliant ideas and “drop their magnificence”.

The Lives of the Poets has been called the best of Dr Johnson’s works: “The narratives are as entertaining as any novel. The remarks on life and on human nature are eminently shrewd and profound” (EB 1939: 115). But clothing seems to be more than “just having something on”, it is subject to fashion, sometimes hides more than it shows and it is also supposed to protect and support his or her bearer. When it comes to language “as the dress of thought” texts and translations have to fit the context and need to express your ideas and intentions. On a lighter note, it could be said that language is not the dress but the costume of thought4, disguising what people mean to say and, in this way, separating thoughts from the language supposed to express them. The famous philosopher Ludwig Wittgenstein, for instance, underwrote the possibility that language could deceive people and Noam Chomsky as a linguist underlines the creative and innovative character of language which leads him to his conclusion of language innateness and the nativist element of his frequently cited Universal Grammar. Other writers have engaged in similar discussions: George Orwell pointed at the corruption of language and thought working in both ways, and Hans Christian Andersen described the admiration of missing garments in the “Emperor’s New Clothes” as a sign of subjugation and the fear of being left out by praising the stuff they do not see.

As much as the exact relation between language and thought might never be known, even the origins of language themselves are somewhat diffuse. Language in the widest sense of the word refers to any means of communication between living beings and in its developed form is decidedly a human characteristic, considered the distinctive mark of humanity:

On the ultimate origin of language speculation has been rife ... Greek philosophers were divided into two groups on this question, some thinking that there is from the beginning a natural connection between sound and meaning and that, therefore, language originated from nature, while others denied that connection and held that everything in language was conventional. The same two opposite views are represented among the linguistic thinkers of the 19th century, the former in the nativism of W. v. Humboldt ..., the latter in the empiricism of Whitney etc. (EB 1939: 702).

In this light, the assumptions about the origins of language, the connections between thought and its linguistic expression and the relationships between acquired native and learned foreign languages have remained open to discussion and provided a rich field for research and investigation in the language classroom.

2.1 Spracherwerbsforschung

Für Sprachentwicklung und Spracherwerb hat im Laufe der Jahre und über Bilingualismus hinaus die linguistische Forschung im Zusammenhang mit Second Language Acquisition (SLA) recht unterschiedliche, wenn nicht sogar kontroverse Ergebnisse erbracht. Sie scheint zwischen den Gegensätzen von Dual System Hypothesis (DSH) und Unitary System Hypothesis (USH) zu mäandern und geht sogar zurück auf die Annahmen von Lernpsychologen wie Carel van Parreren (1960). Van Parreren ging von einem mentalen dualen System aus, bei dem Interferenzen störende Verbindungen zwischen der L1- und der L2-Spur hervorriefen (wie bei altmodischen Stereo-Tonbandgeräten), und kritisierte die unitarische Sichtweise als schädlich für den Lernprozess.

Parallel dazu durchliefen Sprachlehrstrategien eine Reihe von Veränderungen, vom Behaviorismus und der direkten Methode (Berlitz) bis hin zu paradigmatischen Umkehrungen wie Immersion und generativer SLA5. Mittlerweile im Vordergrund stehen aber kommunikative, kompetenzorientierte und interkulturelle Ansätze, angelehnt an den Konstruktivismus. All diese Veränderungen haben Unterrichtsstrategien stark beeinflusst und wurden zuletzt durch sozial-konstruktivistische Ideen ergänzt, die sich auf Wygotskis Zone of Proximal Development (ZPD: Wygotski 1962; vgl. Klewitz 2017a: 15) und auf Forschungsergebnisse der kognitiven Neurowissenschaften und der experimentellen Neurolinguistik beziehen. Eine umfassende und integrative Betrachtungsweise von Lernprozessen im Allgemeinen gewinnt derzeit erheblichen Einfluss mit dem Konzept des Visible Learning, basierend auf den Metaanalysen des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie.

Eine zentrale Frage bleibt jedoch bestehen – ob es nämlich grundlegende Unterschiede zwischen dem Erwerb der Muttersprache (L1) und dem Erlernen der Zweit- bzw. Fremdsprache (L2) gibt und wenn ja, wie entscheidend diese sind. Offensichtlich geht der L1-Erwerb mit der parallelen Entwicklung von Kultur- und Weltwissen einher und geschieht stets erfolgreich und in den meisten Fällen mühelos, wenn auch nicht automatisch. Das Erlernen einer Fremdsprache hingegen wird als schwieriger empfunden, kann nur bis zu einem bestimmten Niveau – wie beispielsweise in den Globalskalen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) beschrieben (vgl. 3.2 und 6.2) abgeschlossen werden, und eine muttersprachliche Kompetenz wird selten bis gar nicht erreicht.

Das erreichbare Sprachniveau hängt außerdem von großen individuellen Unterschieden ab, der Motivation, den Einstellungen und Lerner Typen sowie von den jeweiligen gesellschaftlichen Erwartungen, den schulischen Bedingungen und dem kulturellen Umfeld. Gleichzeitig gibt es gewisse Parallelen zwischen L1- und L2-Erwerb: Beim Sprachenlernen von Kindern und Erwachsenen treten ähnliche Fehler auf, beispielsweise bei to-do Negationen im Englischen, Syntaxfehlern im Deutschen, Fossilisieren in der Entwicklung der so genannten Interlanguage – als eine Phase im Erwerbsprozess, die den Lernfortschritt bremst oder zum Stillstand bringt. Ähnliches gilt für das third-person singular ‚s‘ und andere grammatikalische Phänomene, die von der Zielsprache abweichen und schwer zu „reparieren“ scheinen. Die Antwort auf die Frage, ob das Lernen von L2 bewusstem (Lernen) oder unbewussten (Erwerb) Mustern folgt, hängt von den jeweils zugrunde gelegten Lerntheorien ab (vgl. im Detail Riemer 2010: 278 ff).

2.2 Behaviorismus

Eine der frühen Lerntheorien, die zwischen den 1940er und 1970er Jahren sowohl in den anglophonen als auch in europäischen Ländern allgemein verbreitet war, wurde vom Behaviorismus geprägt. Danach wird Lernen als Verhalten in der Interaktion mit der Umwelt konditioniert, neues Verhalten und mithin Lernen als Reaktion auf Umweltreize beschrieben. Verhaltensweisen, die auf Reize reagieren, sollten auf systematische und beobachtbare Weise untersucht werden, im Gegensatz zu interaktiven Ereignissen wie Denken oder Emotionen, Erwartungen und Motivation. In dieser Theorie wurde die Dialektik zwischen Natur und Erziehung, nature versus nurture (2.7) zugunsten von Erziehung aufgelöst, da angeborene oder vererbte Faktoren nahezu ausgeschlossen wurden. Übertragen auf das Sprachenlernen wurde das Reiz-Reaktions-System inklusive positivem und/oder negativem Feedback durch so genannte patterns realisiert, die zwar Wiederholungen und Korrekturen, aber kaum situative oder bewusste Operationen, geschweige denn Sprachbewusstsein zuließen. Da man sich das Gehirn des Lernenden als eine Blackbox vorstellte, die zwischen Stimulus und Reaktion agiert, standen die Ergebnisse der Lernaktivitäten im Mittelpunkt des Unterrichts, sie waren messbar und vergleichbar.

Das ist wahrscheinlich der Grund, warum audiolinguale und audiovisuelle Methoden, die direkte Anwendung der behavioristischen Lerntheorie, immer noch eingesetzt werden, um Erkenntnisse über das Lernen und die Sprachentwicklung zu gewinnen, obwohl die Theorie selbst inzwischen in vielen Details widerlegt wurde, wenngleich sie in Lehrbüchern, Übungssequenzen und in der audiolingualen Praxis eine gewisse Relevanz behält.

Der behavioristische Ansatz ging davon aus, dass alle komplexen Verhaltensweisen, einschließlich des Spracherwerbs, von der Umwelt erworben werden, abgesehen von einigen wenigen angeborenen Reflexen und der grundsätzlichen Fähigkeit zum Lernen. Diese Annahme wurde sowohl von den frühen Gestaltpsychologen als auch von späteren Theorien der kognitiven Entwicklung in Frage gestellt. Die Idee eines maschinell-geprägten menschlichen Verhaltens stieß auf starke Kritik, und in der Folge wurde eine neue Psychologie des Lernens und des Spracherwerbs entwickelt, zu der die oben bereits erwähnte Theorie eines zweigleisigen Systems des niederländischen Psychologen Carel van Parreren (van Parreren 1960) gehörte. Die damit verbundene Gestalttheorie hatte bereits ein Konzept des erkenntnisgeleiteten Lernens unterstützt, das besagt, dass Menschen am effektivsten lernen, wenn sie Probleme lösen und ein Gestalt- oder Organisationsprinzip erkennen. Van Parreren wiederum konzentrierte sich auf die Bedeutung von Wahrnehmungen und Affekten für das Verständnis des menschlichen Lernens. In seiner kognitiven Entwicklung basierte das Lernen immer auf Handlungen, die von den SchülerInnen mit Hilfe von Lehrern oder sachkundigeren Gleichaltrigen durchgeführt wurden.

Damit folgte van Parreren den Vorstellungen Wygotskis von einem Lernkonzept, das in einer Zone der proximalen Entwicklung (ZPD; vgl. ausführlich 7.1) wirksam ist. Wygotski, ein in den 1930er Jahren forschender sowjetischer Psychologe, hatte seine Theorie mit dem Zusammenhang von Sprechen und Denken begründet (1962: Thinking and Speech). Weil aber die kulturhistorische Psychologie dieser Zeit – während des Kalten Krieges – aus politischen Gründen als suspekt galt, und wurden diese Gedanken erst später von Mainstream-Wissenschaftlern wie Jerome Bruner und seinem Konzept des Scaffolding aufgegriffen.

Im Rahmen der kognitiven Psychologie hatte sich van Parreren vor allem mit dem Problem der Interferenz in Lernprozessen beschäftigt, insbesondere mit der Beziehung zwischen zwei Sprachen (L1 und L2) beim Spracherwerb. Im Gegensatz zu neueren Forschungsergebnissen, in denen komplexere Unterscheidungen wie positive und negative Interferenzen sowie Inferenzen diskutiert werden, ging er in seiner Annahme des mentalen Dual-Track-Systems davon aus, dass die Verknüpfung von zwei Systemen, in diesem Fall von zwei Sprachen, nachteilige Auswirkungen hat. Insbesondere bei Sprachen, die sich durch Ähnlichkeiten in Struktur und Lexik auszeichnen, käme es zu negativen Effekten: ein sprachliches Element (aus der L1) würde ein anderes (aus der L2) beeinflussen, da die SchülerInnen dazu neigten, eine kognitive Verbindung zwischen verwandten Elementen herzustellen.

Der Fremdsprachenunterricht müsste in der Folge darauf abzielen, Verbindungen zwischen Muttersprache und Fremdsprache(n) zu verhindern, was eher Konvergenzprozesse unterstützen als korrekte und nachhaltige Lernergebnisse ermöglichen würde. Mentale Spuren des Fremdsprachensystems würden sich mit den muttersprachlichen Elementen vermischen und die Häufung ähnlicher Elemente würde die ansonsten getrennten Spuren von L1 und L2 verbinden. Van Parreren erklärt diesen Prozess der Homogenisierung damit, dass ursprünglich getrennte mentale Spuren zu einem System verschmolzen werden (clumping factor). Aus diesem Grund sollte die explizite Trennung von L1 und L2 gefördert und sogar geschützt werden, indem Berührungen zwischen den beiden Sprachsystemen vermieden werden, um den interlingualen Transfer zu begrenzen, der von dem niederländischen Forscher und seiner Schule der kulturhistorischen Psychologie überwiegend als negativ angesehen wird.

2.3 Universal Grammatik und Rekursion

Trotz der Unterschiede in den Lern- und Sprachtheorien erschien Spracherwerb als bloßer Akt der Nachahmung immer weniger überzeugend, und die Abkehr vom Behaviorismus in der Lehrerschaft – oder ihrer Mehrheit – wurde durch konkurrierende Erklärungen über die Rolle angeborener oder muttersprachlicher Dispositionen beim L2-Lernen gefördert. Das Paradigma des generativen SLA, das auf dem Konzept der Universal Grammar (UG) basiert, wurde bereits in den 1950er bis 1960er Jahren von Noam Chomsky und seiner Schule entwickelt. In Anlehnung an Poverty of Stimulus6 (POS) wurde die Existenz einer UG als Erklärung dafür angesehen, warum Kinder – trotz eines begrenzten Inputs an Sprachmodellen – in der Lage waren, sprachliche Strukturen zu entwickeln, die sie in ihrer eigenen Umgebung nicht hätten erfahren können. Dieses analysierte Chomsky als das logische L1-Problem mit der Schlussfolgerung, dass es allen Grund gibt, für eine angeborene UG zu plädieren – d. h. für eine kognitiv sprachspezifische Begabung.

Die UG, also ein angeborener oder nativist Mechanismus, wird als Produkt eines spezialisierten Sprachorgans im menschlichen Gehirn beschrieben, einer Fähigkeit, die der Beherrschung der Sprache gewidmet ist. Die Plausibilität des linguistischen Nativismus wurde nicht nur durch den oben erwähnten POS gestützt, sondern auch durch die alltägliche Beobachtung, dass Säuglinge und Kinder ihre Sprache fast mühelos und erfolgreich entwickeln, selbst wenn sie keine formale Unterweisung durch eine Betreuungsperson erhalten, die nicht aktiv versucht, die kindliche Grammatik zu korrigieren. Nach Chomsky würde die UG