Bin nebenan - Ingrid Lausund - E-Book

Bin nebenan E-Book

Ingrid Lausund

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Beschreibung

Was ist mehr renovierungsbedürftig: Ihre Wohnung oder Ihre Beziehung? Ingrid Lausund öffnet die Tür zu zwölf Wohnungen und gibt den Blick frei auf Gemütlichkeitsattrappen in Carrara-Marmor-Optik, monströse Plüschsofas und brüchige Fundamente im Schatten von Designermöbeln. Glänzend geschrieben und mit Humor und Scharfsinn erzählt sie von der Sehnsucht nach einem funktionierenden Zuhause.

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INHALT

» Über die Autorin

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ÜBER DIE AUTORIN

Ingrid Lausund, geboren 1965, ist eine vielfach ausgezeichnete Regisseurin sowie Theater- und Drehbuchautorin. Sie war Hausautorin am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und arbeitete u.a. am Schauspiel Köln. Unter dem Pseudonym Mizzi Meyer wurde sie für ihre Drehbücher zur Fernsehserie Der Tatortreiniger mit dem Grimme-Preis 2012 und 2013 sowie mit dem Deutschen Fernsehpreis 2019 ausgezeichnet.

ÜBER DAS BUCH

Was ist mehr renovierungsbedürftig: Ihre Wohnung oder Ihre Beziehung? Ingrid Lausund öffnet die Tür zu zwölf Wohnungen und gibt den Blick frei auf Gemütlichkeitsattrappen in Carrara-Marmor-Optik, monströse Plüschsofas und brüchige Fundamente im Schatten von Designermöbeln. Glänzend geschrieben und mit Humor und Scharfsinn erzählt sie von der Sehnsucht nach einem funktionierenden Zuhause.

Inhalt

Sofa

Badezimmer

Esstisch

Bett

Sammeltassen

Bild

Haus

Fernseher

Teekanne

Globus

Accessoires

Grundstück

Sofa

Monolog eines Mannes

Kurz vor den Einbauküchen bin ich schon auf hundertachtzig. Diese GemütlichFröhlichPreiswertKüchen hass ich schon per se. Bloß weg hier, sonst fang ich mir noch einen Linsensuppenvirus.

Ich laufe weiter auf dem markierten Weg und kriege gleich den nächsten Schub. Diese Wege. Dieses Wegeleitsystem. Immer schön auf der Markierung laufen. Ich schau mich um, alle laufen auf dem Weg. Und ich als Allererster. Da hass ich mich dann auch schon.

Zwei Meter hinter mir laufen extrem unauffällig die beiden Marktforscher. Die sind so unauffällig wie Geheimagenten in Filmen aus den Siebzigern, fehlt nur noch, dass die einen Trenchcoat tragen. Bloß nicht umdrehn, genau auf mich haben die gewartet, denn von der Kundenzielgruppe, zu der ich gehöre, bin ich der Typischste. Siebentausend Kundenprofile übereinandergelegt: kommt mein Gesicht bei raus.

Ich bin der ZielgruppenLeander. Ich bin der perfekte Zielgruppendurchschnitt. Der Durchschnittsmittelpunkt. Ich habe ein gehobenes Einkommen, mache dreimal in der Woche Fitness, und ich bin Individualist, was für meine Zielgruppe typisch ist.

Und jetzt laufe ich brav entlang an der Markierung dieses Wegeleitsystems, das mich zu meinem Zielgruppensofa bringt. Und am meisten hass ich, dass ich die Möbel aus meiner Zielgruppe natürlich super finde. Die gefalln mir wirklich. Die passen auch perfekt in meine Wohnung. Ich brauche nicht mal die Maße nachzumessen. Ich weiß, die passen.

Und mein Sofa wird mir auch gefallen, inklusive Sofafüße wird es ganz genau so sein, wie ichs mir vorgestellt hab. Die wisssen ein Jahr vorher, welche Sofafüße mir gefallen und bauen die schon, noch bevor ich das selber weiß! Das regt mich derart auf, dass man so verdammt gut kalkulierbar ist. Das Sofa für die Zielgruppe mit dem etwas exklusiveren Geschmack und mit Qualitätsbewusstsein, mit dem gehobenen Einkommen, individueller Wohnkultur in guter Lage und ein bis zwei Fernreisen pro Jahr. Dieses Jahr war ich in Vietnam.

Das Wegeleitsystem führt jetzt durch die Beistelltische, und natürlich springt mir der LeanderBeistelltisch sofort ins Auge. Stilvoll, elegant und mit dem ganz besondern Flair, ein typischer LeanderTisch. Dieses Scheißding glotzt mich an und sagt: Hallo, kauf mich, ich bin nur für dich gemacht, ich bin so individuell. Draufpissen sollte man. Hier. Jetzt. Hosen runter, einfach draufgepisst. Das wär mal wirklich individuell. Das mach ich aber nicht. Natürlich nicht. Ich steh da, ich hass den Beistelltisch und natürlich steht der schon lang bei mir zu Hause.

Neben dem Beistelltisch steht eine Frau. Stilvoll, kultiviert, mit diesem ganz besondern Flair, und ich weiß, die passt perfekt. So von allem, auch von den Maßen und bestimmt hat sie auch noch schöne Füße. Ein kleines Zögern, kurzes Innehalten, dann lauf ich weiter, denn mir fällt ein, dass ich ja auch schon so ne Freundin habe.

Und gleich hab ich das passende Sofa noch dazu, das Zielgruppensofa Leander, auf dem ich dann sitze in typischer LeanderHaltung und mit typischer Geste meine Leander-Zigarillos rauche, in den LeanderAschenbecher asche, meinen LeanderCocktail trinke und anschließend mit meiner LeanderFreundin gepflegten Zielgruppensex habe. Der dauert zwischen vierzehn und achtzehn Minuten, wir liegen so bei sechzehn.

Mein Leben ist überraschungsfrei und durchgestylt, ein perfektes typisches LeanderLeben, und deshalb gibts jetzt einmal etwas Untypisches: Ich kaufe kein LeanderSofa! Verweigerung, ihr könnt mich alle mal! Und gerade mit Absicht kauf ich jetzt dieses RoteRosenSofa aus der Zielgruppe Horst! Genau das mach ich - mein Gott ist das scheußlich, das RoteRosenSofa. Das ist ein Monster, eine infantile prollige Gemütlichkeitsphantasie, das ist ein Möbelporno, ein Supergau an ästhetischer Verirrung. Wenn man sich da drauf setzt, hat man nach drei Minuten Pickel am Arsch und aus der Sofaritze quillt von unten eine fette schlampige Freundin, die hat pinkfarbenen Nagellack und riecht nach Billigdeo.

Nein, das geht nicht, nein, das kann ich nicht. Wenn ich das RoteRosenSofa kaufe, werd ich krank, das weiß ich, aber dieses geschmackvoll durchdesignte LeanderLeben macht mich auch krank, das ist meine zielgruppentypische wohl temperierte Melancholie, ja die kriegt man auf dem Rote-RosenSofa ganz bestimmt nicht. Das ist viel zu krachvital und biergesellig, das ist absolut resistent gegen jede Art von verfeinerter Neurose, auf diesem Sofa kriegt man einfach Grippe. Mit Schwitzen und zerknüllten Tempotaschentüchern, und der nette Nachbar Horst mit den Aleteflecken und den Tennissocken kommt vorbei und sagt: Kuckma, isch hab dir hier wat Linsensuppe mitgebracht. - Danke, Horst. Außerdem hat er mindestens zwei von den Gören mitgebracht. Den kleinen Horst und den Babyhorst. Und außerdem zwei Bier.

Der kleine Horst würde gleich mal die teure cremefarbene Tapete mit lila Filzer ruinieren, der große Horst tät ihm eine langen und sich entschuldigen, dat geht ja leider nimmer ab, und ich tät sagen: Lass mal gut sein, dann bleibt das eben dran, der Junge ist begabt, entspann dich, Horst. Das wäre wirklich überraschend. Vor allem, dass ich dann den lila Filzer nehmen tät und neben das Gekritzel schreiben würde: That is really rock’n’roll!

Und das, ihr Marktforschungsarschlöcher, das könnt ihr eben nicht schon ein Jahr vorher wissen. Da war das spontane Leben halt mal schneller. Und jetzt mach ich das, ich kaufe dieses dreiste überdimensionierte RoteRosenSofa, das ist eine ganz spontane Stilrenitenz, ich will wieder rock’n’roll in meinem Leben! Unvernünftig sein, dagegentreten, geschmacksverirrte Sofas kaufen! Das ist meine unkalkulierbare Gelsenkirchener Rebellion! Und die Sofakissen mit der Synthetikquaste nehm ich auch noch und wenn ich will kauf ich noch ein Häkeldeckchen! Und dann - seh ich diesen Hochglanzkatalog mit der aufgeschlagenen Doppelseite, auf der genau dieses Rosensofa abgebildet ist, dahinter eine cremefarbene Tapete mit gestyltem Kinderkritzel, Überschrift: LifestyleRebellen. Der neue CrossoverStyle für Individualisten mit dem besonderen Geschmack.

Ich steh direkt vor meinem Zielgruppensofa Leander.

Auf den zweiten Blick sieht man auch, dass dieses scheinbar billige Eichenholzimitat in hochklassiger Verarbeitung mit echter Eiche imitiert wurde. Deshalb ist das auch so teuer. Ein echter Horst könnte sich das gar nicht leisten.

Das ist nicht wahr, das glaub ich nicht! Das war meine ganz spontane, völlig irrationale Kundenprofilverweigerung! Das konnten die nicht wissen. Das war ein untypischer Antireflex, ein verrückter Sprung ins Gegenteil, damit konnten die nicht rechnen! Ich weiß doch, dass das spontan war! Das ist Zufall, dass ich genau dieses RoteRosenSofa -

Irgendetwas kichert hier. Ich laufe gerade irgendwo durch einen Bildschirm, vor dem sich jemand sehr amüsiert.

Ihr Arschlöcher, ihr habt euch trotzdem verkalkuliert! Denn ich kaufe das natürlich nicht. So doch nicht. Ich denk nicht dran. Ich kaufe doch nicht für viel Geld meinen eigenen rebellischen Impuls! Auch nicht für wenig Geld! Nicht mal für nullkommanulleinen Cent. Und auch nicht, wenn mir dieser RoteRosenCrossoverScheiß mittlerweile wirklich gut gefällt, ihr Arschöcher! Und ich mir das schon gut vorstellen kann, wie sich das Krachvitale mit dem schlichten Beistelltisch ganz toll ergänzt! Und trotzdem nicht. Ich lasse mich nicht bis ins Allerletzte kalkulieren. Ich bin das Pünktchen, das aus eurem Koordinatensystem springt! Ich bin der Dummy, der zurückschlägt! Ich bin eure Fehlkalkulation! Ich bin euer Alptraum! Denn ich bin der Kunde, der euch keinen Cent mehr gibt!

Die beiden Marktforscher haben bemerkt, dass ich mich von meinem LeanderSofa wegbewegt habe, sie greifen an: „Haben Sie gerade einen Moment Zeit?“ - Ja ihr kommt mir gerade recht. Hier gibts gleich einen Doppelmord. - „Nur ein paar Fragen, die sind selbstverständlich anonym.“ - Ich bin nicht der Typ für Doppelmord. - „Der Einfachheit halber gebe ich Ihre Antwort gleich hier in den Laptop ein. Die Auswertung passiert dann automatisch. Erste Frage: Wie alt sind Sie?“ - Ich bin eure Fehlkalkulation, ich bin das Pünktchen, das …

- „128“.

Irritierte Pause.

- „Bitte?“

- „Ich bin 128 Jahre alt.“

Pause.

Ja, du Blödi, jetzt weißt du nicht, was du machen sollst, dadrauf seid ihr nicht programmiert!

- „Wolln Sie mein Alter nicht eintippen?“

- „Doch, natürlich. Es dauert nur einen Moment, weil -“

Ja, weil gleich dein Computer abstürzt, weil deine Tabellen gleich explodieren, weil deine Datenverarbeitung -

- „Und Ihr Beruf ist?“

- „Serienmörder, Fachgebiet Frauen.“

- „Soso. Aha.“

Tipptipptipp.

- „Was verdienen Sie denn da in etwa?“

- „Ich denke, eine Bewährungstrafe.“ Es fängt an, mir wirklich Spaß zu machen.

- „Sind Sie liiert?“

- „Mit Bill Clinton.“ So gehts. So geht Rebellion, ihr Arschlöcher! Siebenundzwanzig Fragen und am Ende haben die einen 128jährigen Serienmörder, der seine Multimilliarden mit fliegenden Untertassen verdient hat, in seiner Freizeit harte Drogen nimmt und eine Vorliebe hat für nacktes BungeeJumping. Ja. Nämlich so!

- „So, das wars schon, vielen Dank für Ihre Mithilfe.“

- „Gern geschehen.“

- „Wiedersehen.“

- „Auf Wiedersehen.“

Irgendwie ist da wieder dieses Kichern. Ich geh noch mal zurück:

- „Eine Frage.“

- „Ja?“

- „Ich hab angegeben, dass ich 128 Jahre alt bin.“

- „Moment, da guck ich noch mal nach. Ja, korrekt. 128.“

- „Fällt Ihnen da irgendetwas auf ?“

- „Was denn bitte?“

- „Ich bin nicht 128.“

- „Ach so. Das macht nichts. Das wird ja ausgewertet. Schaun Sie, hier steht „128“, und hier macht der dann automatisch Kreuzchen bei „Verweigerung“, bei „Selbstbewusstsein“, bei „fühlt sich alt“, oder hier zum Beispiel, „Serienmörder“, sind die Kreuzchen bei „dynamisch-aggressiv“, „eventuell freiberuflich“, halbes Kreuzchen für „eventuell“, Stilbewusstsein“, „Vorliebe für geordnete Abläufe und Wiederholungen“, „markentreu“ sogar mit Doppelkreuz. Antwort drei „Bewährungsstrafe“, schaun Sie mal, Kreuzchen bei „Intelligenz“ und „Abstraktion“, außerdem „Ironie“, da klickt der automatisch die „Melancholie“ mit an, hier unten dann die Endauswertung, Ihr Wohntyp ist Leander und Ihr Wohnstil ist - “

- „Danke schön, das weiß ich schon .“

- „Wiedersehen.“

- „Auf Wiedersehen.“

Auf irgendeinem Marktforschungsmeeting wird gerade ein amüsanter Clip gezeigt. Der renitente Vollidiot. Ein typischer LeanderSketch. Schallendes Gelächter. Bis zu dem Moment, wo der lustige Leander aus dem Geschäft geht und dieses Sofa nicht gekauft hat, einfach nicht gekauft hat. Eure ganze Kundenanalyse geht mir so am Arsch vorbei, ich kaufe dieses Sofa nicht! Fertig, aus, ihr habt verloren.

Und ich hab jetzt kein Sofa. Na, und wenn schon, leg ich meine alte Schaumstoffmatratze hin. Ich will wieder rock’n’roll in meinem - Ich hab keine alte Schaumstoffmatratze, ich hab gar keine. Scheißegal. It’s better to burn out than to fade away! Aber das heißt, ich müsste eine kaufen. Und das haben die bestimmt schon wieder mitberechnet und eine superstylische LeanderMatratze entworfen, die tolle trendy SitzAlternative für individuelle Sofamuffel! Dann kann ich gleich das RoteRosenSofa - Nein! Und wenn ich auf den Flohmarkt geh und mir da eins für zwanzig Euro -, na, das muss ja wohl nun auch nicht sein …

Noch mal ganz in Ruhe. Wo ist das Problem, über was reg ich mich gerade auf. Warum soll ich mir nicht mein Zielgruppensofa kaufen, das mir ja gut gefällt.

Weil es demütigend ist. Weil es meine Individualität verspottet. Weil es mich einsortiert. Weil es aus mir ein Pünktchen macht. Weil es mir authentische Bedürfnisse verkauft. Weil es Rebellion in Hochglanz pervertiert. Weil es meine Gefühle konsumierbar macht. Weil es mich auslacht. Weil ich es hasse! Weil es mich durch und durch manipuliert!

Ja gut, aber das kann mir doch eigentlich egal sein. Ich weiß ja, dass ich kein Pünktchen bin. Und wenn ich dieses Sofa kaufe, weiß ich doch, dass mir das keiner aufgeschwätzt hat, denn es gefällt mir ja. Ich meine, ich weiß doch dann, dass ich das absichtlich gekauft habe. Also voll bewusst. Gerade erst recht. Es geht doch einfach um die Haltung, mit der ich das kaufe. Um eine souveräne Haltung, die da einfach drübersteht. Und wenn ich für die ein Pünktchen bin, kann mir das doch scheissegal sein. Denn ich für mich weiß ja, dass ich trotzdem ein Rebell bin. Ich zahl mit VisaGold.

Das Wegeleitsystem schleust mich Richtung Ausgang. Ein typisches LeanderPärchen kommt mir entgegen. Sie laufen auf das RoteRosenSofa zu. Vor mir läuft noch ein weiterer Leander, ich überhole ihn und ganz kurz gucken wir uns an, mit unserem zielgruppentypischen LeanderHass.

Badezimmer

Monolog einer Frau

DC-Fix, die Klebefolie für alle glatten Oberflächen, genau das brauch ich für mein Bad, und die ist schön, ja, die gefällt mir, die mit dem, was steht da drauf, effektvollem Dekor in Carrara-Marmor-Optik. Schon effektvoll, muss man sagen, und für Feuchträume gut geeignet, das ist wichtig, pflegeleicht und wasserfest, muss ja, wenn Feuchträume extra draufsteht.

Sieht schon elegant aus, Carrara-Marmor-Optik, und der Quadratmeter kostet, ach tatsächlich, doch so viel. Da muss ich grad mal rechnen. 32 Quadratmeter für die Wände, plus vier für die Außenseite Badewanne, plus zwei für den Sockel an der Dusche, noch mal drei für Klo und den Durchlauferhitzer, oder soll ich den Durchlauferhitzer besser ohne, nein, der wird auch mitmarmoriert, der ist so hässlich, und wenn schon, denn schon, plus von der andern, auch DC-Fix, Holzklebefolie Mahagoni-Optik, noch drei Quadratmeter für Fensterrahmen, Fensterbank und für den Alibert. Das sind ja schon, plus vier Quadratmeter Reserve, da nehm ich Gold, das setzt Akzente, und damit kann man gut kaschieren, für den Fall, dass ich mich mal verkleben sollte. Das macht dann insgesamt, mit der Reserve, ja, nicht billig, aber gut, das gönn ich mir jetzt einfach mal, da tu ich mir jetzt mal was Gutes und da guck ich auch nicht auf den Preis. Denn wenn mein Badezimmer schön ist, da freu ich mich ja täglich drüber. Da hab ich jeden Tag ne kleine Freude, eine, auf die ich mich verlassen kann.

Mein italienisches Palazzobad mit der Carrara-Marmor-Optik, das wird mein eigner kleiner Spa-Bereich, auch mal die Seele baumeln lassen, das wird mein abendliches Baderitual, sich auch mal selbst verwöhnen, das wird mein Zuhause-Wellness-Traum-Genuss, sichs einfach gut gehen lassen. Mein italienisches Palazzobad mit dem Wohlfühlfaktor zehn, von mir, für mich und nur mit mir.

Ich mach die Kerzen an, ich lass das Wasser ein, ich liege in der marmorierten Badewanne, habe so ein Handtuch um die Haare, so als Turban, in Bordeaux, tiefrot- bisschen venezianische Prinzessin, bisschen Rita Hayworth und außerdem so ganz bei mir. Neben mir steht der kirchen-fensterblaue Seifenspender „Dolce vita“, den ich mir auch gegönnt hab, und um den Seifenspender dekoriert sind kleine bunte Steine, die mit der positiven Energie, mit kosmisch heilsamer Mineralienmagie.

Ich nehme eine von den Gute-Laune-Badekugeln, die sind wirklich lustig, jede schäumt in einer andern Farbe, ich entscheide ich mich für eine weiße, für „Spirit of divinity“. Ich bin bei mir, in meiner Mitte und die Badezimmerdecke ist auch gut geworden, ganz in Hellblau, und drüber mit der Schwämmchentechnik, so wie ein altes Fresko, so ein himmelblaues -, himmel- , ja eben so eine Himmelsassoziation, so Richtung Michelangelo - vielleicht kleb ich noch ein Wölkchen dran.

Die Schaumbadkugel tut ihr Bestes, versprüht Schaum und gute Laune und jetzt mach ich mal was ganz Verrücktes, ich kombiniere „Spirit of divinity“ mit einer roten „Body celebration“. Eine doppelt Gute-Laune-Mischung, und ein doppelt hoher Schaumberg, der sich langsam rosa färbt.

Das Wasser strömt, Gedanken fließen, Fluss des Lebens, Lebenselement, verbunden mit dem Quell des Lebens, klare Quelle, Reinigung und Nymphe, Quelle, Nymphe, nackt sein, Nymphe, praller Busen, heiße Schenkel, wo geht das auf einmal hin?, Muschel sein, geöffnet werden, Wasserspeier, Wasserfall, Austernperle - Vibration. Tropfen, Wasser, Venus, Wollust - und schon wieder eine Vibration … Gut, da geh ich ganz entspannt mit um, warum auch nicht, sich auch mal selbst was Gutes tun; ich genieße meine Weiblichkeit, ich bin mit mir de luxe, und das gönn ich mir jetzt einfach mal, eine kleine Extra-Badefreude, eine, auf die ich mich verlassen kann.

Ich kanns mir schon gemütlich machen, ich mit mir und meiner „Body celebration“- oh, jetzt ist noch eine dritte Badekugel reingefallen, macht nichts, eine gelbe, die heißt „Dream of Africa“, die duftet stark nach Ylang Ylang, die duftet aber wirklich stark.

Ich schließ die Augen, Ylang Ylang, und zu meiner kleinen Extra-Badefreude gönn ich mir außerdem noch eine Phantasie, na und! In meiner PalazzoBadezimmerTraumOase - Palmen, Papageien, Orchideen - träum ich alles, was mir gut tut - Palmen, Sand, eine Oase - und wenn ich will - Oase, Wüste, Afrika - kommen da drin große schwarze Männer vor.

Wüste … Mittagshitze … schwerer Duft nach Ylang Ylang.Im Vordergrund ein kreisrund angelegter Steinplatz und ein großer Brunnen. Daneben, ebenfalls aus Stein, ein großes hell getünchtes Wasserbecken, vermutlich eine Tränke. Noch ist das Becken leer, aber an dem Brunnen steht jetzt ein - hab ich mich erschreckt! - ein großer schwarzer Mann, der mein Gebieter ist, oder vielleicht mein Diener, das weiß ich noch nicht so genau. Jedenfalls bin ich die geraubte venezianische Prinzessin, da ist beides möglich, und es beginnt mit einer rituellen Waschung. Man wird mich bis auf das Rubincollier entkleiden, mich auf die sonnenheißen Steine legen und mich überall da waschen, wo ich schmutzig bin. Der schwarze Diener, der vielleicht auch mein Gebieter ist, lässt den kunstvoll verzierten Holzeimer in den Brunnen, tief hinab, wo das Wasser kühl ist, zieht ihn hoch und stellt ihn ab. Dann setzt er sich auf den Boden und, er setzt sich auf den Boden und - er sitzt einfach auf dem Boden. Was ist denn jetzt los, warum geht das denn nicht weiter? Gleich werde ich sehr ungehalten mit meinem schwarzen Diener sein, aber dann entscheide ich doch anders, dass ich die Sklavin bin und ihm zu Diensten und voller Furcht und Ehrerbietung nähere ich mich dem Prinz der Wüste, um ihn zu entkleiden und zu waschen und all das zu tun, was er mir befiehlt. Hoffentlich nichts Unanständiges, denn selbstverständlich bin ich Jungfrau.

Ich gehe zu dem Wassereimer, tauch den Schwamm ein, der daneben liegt - was soll das denn, da ist kein Wasser in dem Eimer. Ich hänge den Eimer an die Brunnenkette, der Prinz der Wüste sieht mir dabei zu und ich warte angstvergnügt auf die ersten Obszönitäten. Er sagt, dass der Brunnen ausgetrocknet ist.

Aha, das ist - Aha, tatsächlich, und was heißt das, was soll ich jetzt als Nächstes tun?

Er sagt, dass man da gar nichts tun kann, weil das Bohrgerät fehlt.

Aha, tatsächlich, ach, das fehlt, schade irgendwie.

Er sagt, dass das Grundwasser eigentlich nicht tief liegt, circa nur acht Meter, dass eine kleine Pumpstation, also eine Tretpumpe - Was geht denn hier ab? - dass die sogar ohne Generator laufen könnte - Hier läuft gerade was ganz falsch - dass ein Filterrohrsystem einfach zu installieren wäre, weil die Bodenbeschaffenheit das zuließe - Moment mal, falsche Richtung, aber ganz falsch! - er sagt auch, dass die Ernte auf dem Feld verdorrt ist, dass die Menschen aus den Dörfern fliehen, - Achtung, Eigenfalle! - dass sie verdursten, verzweifeln, ganze Landstriche veröden, - Achtung, Negativschleife! - dass die Tiere krepieren, dass sie deswegen auch keine Milch mehr haben, - Ich entscheide selbst darüber, was ich denke! - dass sie für einen Eimer Wasser tagelang - Und ich denke nur Gedanken, die mir guttun! - dass die häufigste Todesursache - Und Menschen, die verdursten, tun mir gar nicht gut! Deshalb verlasse ich jetzt Afrika - dass die Kindersterblichkeit - Ich sagte, ich verlasse es! Ich lasse los, ich lasse los, ich lasse alle Negativgedanken los! Ich bin bei mir und neben mir mein kirchenfensterblauer Seifenspender DolceVita, über mir eine sixtinische Himmelsassoziation, die wirklich gut geworden ist, das einzige, was mich noch stört, in der Ecke mit dem weißlackierten Spiegelparavent hat das DC-Fix nicht ganz gereicht, da kleb ich noch was andres drüber. Von der DC-Fix-Reserve Gold ist noch was übrig, aber was vielleicht noch schöner wär, statt dem DC-Fix, und was vielleicht noch besser hält, wär eine flexible Flachverblendung; das ist so ähnlich wie das DC