Björn Out - Björn Nonhoff - E-Book

Björn Out E-Book

Björn Nonhoff

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Beschreibung

Björn Out - Eine Geschichte vom Loslassen, Träumen und Wiederfinden Als der kleine Teddybär Björn zusammenbricht, beginnt für ihn eine ungewöhnliche Reise: raus aus dem Burnout, hinein in Traumlandschaften, absurde Begegnungen und überraschende Erkenntnisse. Zwischen Fantasie und Wirklichkeit sucht er das, was verloren schien: Freude, Nähe, Sinn und sich selbst. Ein poetisches, tiefgründiges und zugleich humorvolles Buch über Mut, Verletzlichkeit, Heilung und die Kunst, sich selbst nicht zu verlieren, in einer Welt, die oft zu laut, zu schnell und zu viel ist. Für Erwachsene, die noch träumen können. Oder es wieder lernen wollen. Wer mit Sternen tanzt, seinen Schatten liebt, Menschen zum Lachen bringt, dem bleibt die Welt eine Welt voller Wunder.

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Seitenzahl: 169

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Eine Fabel von Björn Nonhoff

überarbeitete Auflage, 2025

Wer mit Sternen tanzt,

seinen Schatten liebt,

Menschen zum Lachen bringt,

dem bleibt die Welt,

eine Welt voller Wunder.

Gewidmet all den Träumern und den Erwachten,

denen, die wagen zu träumen

und die ihren Traum leben.

Von einem Teddybären, der sich und seine Träume nicht aufgegeben hat. Mit Hilfe seiner Freunde erlebte er Abenteuer, die ihn zu sich selbst, seiner Liebe und seiner Kraft brachten.

Für meine Eltern,

Agneta und Ludger

Inhalt

Wut in Weiß

Die gute alte Zeit

Scherben

Verlassen und Vergessen

Bank im Regen

Der Brief

Ein guter Freund

Eulenmedizin

Fliegende Wünsche

Der freie Fall

Ein blauer Moment

Neugierige Nasen

Unter Druck

Das Glas

Netz aus Weisheit

Geduld

Schöpferische Erschöpfung

Schöne Tränen

Weite Sicht

Von Ast zu Ast

Geruch der

Weiter fallen

Gedankenspiele

Schwarz-Weiß

Die Kunst des Nichtstuns

Yoga der Träume

Genügen und Vergnügen

Chor des Friedens

Alte Wolken

Der große Schmerz

Verneigung

Der Wahnsinn

Die Dunkelheit

Die göttliche Pause

Erwachen

Scherbenland

Heilende Räume

Nicht alle Tassen im Schrank

Freunde

Das Gebet

Kuschelfest

Das rote Sofa

Lachen ohne Grund

Einfach sein

Schattenland

Eine Nacht in der Oper

Heilende Herzen

Das Brummen

Widmung

Dank

Nachwort zur aktuellen Auflage

Der Autor

Eine Bitte

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Wunschseiten

Wut in Weiß

Die Wand war weiß. Eine große weiße Wand in einer Küche. Der Kühlschrank brummte leise vor sich hin, sonst war es ruhig in der Küche. Wie immer nachts. Nur das Licht einer kleinen Lampe erhellte den Raum. Ein Marmeladenglas flog in Zeitlupe auf die Wand zu und zerbrach. Die rote Marmelade floss sternförmig über die Wand, die Scherben flogen durch die Luft und verteilten sich auf dem Küchenboden.

Dann kam der Ton – ein lauter, tief langgezogener, scheppernder Ton. Danach war es wieder ruhig. Er schrie. Ja, nicht nur das. Er stapfte wild und tobte. Dinge kaputt machen. Viele Dinge kaputtmachen, laut sein, schreien, so laut es geht. Er stürmte durch die Küche und riss die Schränke auf, schmiss die darin befindlichen Teller und Tassen durch den Raum. Alles flog wild durcheinander, zerbarst in einem ohrenbetäubenden Chaos. Und es tat gut, laut zu sein. Je lauter es außen schepperte, desto leiser wurde es in ihm. Man sah wieder den rinnenden roten Fleck auf der Wand. Plötzlich flog eine Packung Mehl durch die Luft und zerplatzte. Weißer Staub erfüllte den Raum und etwas davon blieb auf der Marmelade kleben. Die rote Marmelade war jetzt mit weißem Mehl übersät.

Es war nicht das erste Mal, dass er diesen Traum träumte. Jedes Mal erwachte er freudig. Es gefiel ihm: das Chaos, das Schreien, die Scherben. Endlich all seinen Gefühlen freien Raum lassen. Sonst gelang ihm das nicht. Denn er wusste, er sollte es nicht. Ein Teddybär schreit nicht. Ein Teddybär macht nichts kaputt. Ein Teddybär kuschelt. Ein Teddybär ist weich und lieb. Er durfte nichts zerstören, aber er wollte. Was heißt, er wollte? Er tat es. Endlich traute er sich, es zu tun. Auch wenn es nur in seinen Träumen war. Zunächst.

Er hatte das Lieb- und Stillsein satt. Er war wütend. Und er wollte wütend sein dürfen. Er wollte nicht mehr ruhig bleiben. Die Wut war groß. Wie ein riesiger Ballon, der kurz vor dem Platzen war. Alles in ihm wehrte sich gegen das Liebe, Nette, Weiche. Irgendwann war es genug. Und jetzt, jetzt war es mehr als genug.

Wie viele Nächte hatte er dafür gesorgt, dass jemand Anderes ruhig einschlief? Wie viele Nächte hatte er wach gelegen und konnte selbst nicht mehr einschlafen? Und da war auch niemand, dem er erzählen konnte, was ihm alles durch den Kopf ging, auf dem Herzen lag oder in seinem Bauch rumorte.

Diese Geschichte fing an, als es keine Marmeladengläser, keine Tassen, keine Teller und keine Mehlpackungen mehr gab. Alles klebte an der Wand oder lag in Scherben am Boden. Diese Geschichte fing an, da würden einige sagen, es war zu spät. Aber in Wirklichkeit war es nicht zu spät. Es war sehr selten zu spät. In Wirklichkeit war immer jetzt. Und jetzt war der geeignete Zeitpunkt. Dieser Moment.

Jede Geschichte fängt im Jetzt an, findet jetzt statt und hört jetzt auf. Diese Geschichte wird jetzt gelesen, auch wenn sie vielleicht vor Jahren stattgefunden hat oder sich in ein paar Monaten oder erst in ferner Zukunft ereignen wird. Marmelade, Mehl und Zeit. Die Zutaten einer guten Geschichte.

Die gute alte Zeit

Die gute alte Zeit, so nannten Fred und seine Freunde ihre Lieblingssüßigkeiten, welche die Form eines Mondes hatten. Sie schmeckten sehr süß. Im Mund fing die gute alte Zeit an zu kleben und es war die reinste Freude, den ganzen Mund mit ihr zu füllen und darauf herumzukauen.

Das war die Zeit, in der Teddy mit in den Kindergarten genommen wurde. Dort bekam er einen eigenen Platz und wurde von vielen Kindern zu vielen Spielen eingeladen. Man lachte mit ihm, erfand Geschichten.

Wenn er einmal vor lauter Freude im Kindergarten vergessen wurde, wurde er am Nachmittag wieder geholt – von Fred oder seinen Eltern. Fred nahm ihn nachmittags mit raus auf den Spielplatz. Mit ihm wurde geschaukelt, gerutscht. Manchmal wurde er hin- und hergeworfen. Abends durfte er meistens ins Bett. Und wenn Fred ein anderes seiner Kuscheltiere mitnahm, bekam Teddy einen besonderen Platz bei den anderen Tieren. Er war selten allein. Er kannte alle anderen Tiere, es gab viel zu lachen und zu erzählen. Er schlief friedlich und geborgen und machte sich nie Sorgen. Die Welt war ein riesiger Abenteuerspielplatz, und es gab viel zu erleben und zu entdecken. Teddy wusste damals nicht, dass alle Zeiten einen Anfang und ein Ende hatten. Doch so war die Welt der Zeit, und irgendwann gab es die Süßigkeiten nicht mehr. Das kleine Geschäft, das sie verkaufte, machte zu. Es gab auch den Kindergarten nicht mehr, zumindest nicht für Teddy. Der Kindergarten existierte zwar noch, allerdings ging Fred nun zur Schule. Im ersten Jahr gab es noch einige Tage, an denen Teddy zwischen Büchern, Federmäppchen und Heften im Schulranzen mitgenommen wurde. Er saß dann auf dem Tisch oder auf einem Stuhl. Aber es gab viel weniger Spiele. Dafür gab es Tafelgemälde und Vorträge. Als er auf dem Tisch saß, dachte Teddy: „Hier riecht es aber komisch.“ Und es roch wirklich seltsam. Erst später fand Teddy heraus, dass es der Geruch der Angst war – der Angst, etwas falsch zu machen, der Angst, nicht zu genügen, der Angst, nicht dazuzugehören, der Angst, ausgelacht zu werden und der Angst, bloßgestellt zu werden.

Es gab niemanden in der Klasse, der es mochte, vor den anderen bloßgestellt zu werden. Allerdings passierte das Fred und auch anderen Kindern einige Male. Es hing anscheinend stark von den Tagen und den Lehrern ab. Teddy wunderte sich, wo sie denn ihre Kuscheltiere hatten. Sie nahmen nur Bücher oder Computer mit, aber kein Kuscheltier. Nur einmal kam eine etwas seltsame Dame mit einer Giraffe und einem Wolf und zeigte kleine Theaterstücke. Da lachten die Kinder und Teddy freute sich. Aber diese Dame, die Giraffe und den Wolf hatte Teddy seither nicht mehr gesehen. Er roch diesen seltsamen Geruch. Er wurde mit der Zeit etwas stärker. Manchmal rochen auch Freds Eltern danach, wenn sie spät aus der Arbeit kamen oder sehr schnell durch die Wohnungstür gingen.

Selten wurde Teddy mit in die Pausen genommen. Er erinnerte sich noch genau an das eine Mal, als Fred mit einer Freundin und ihm spielen wollte. Es kam Axel, der Raufbold, vorbei und riss Teddy aus Freds Händen und lachte ihn laut aus: „Schaut mal den Zwerg hier. Der hat ja noch einen Teddybären!“

Axel zeigte auf Fred und andere Kinder lachten: „Was für ein Kleinkind. So ein Mädchen!“ Fred wollte Teddy zurückholen, da warf ihn Axel durch die Luft zu Rudi. Beide lachten höhnisch: „Hol dir doch deinen Teddy, du Mamasöhnchen!“, und warfen Teddy hin und her. Irgendwann landete Teddy unsanft im Dreck und Fred konnte ihn holen. Er lief mit Teddy weg und entfernte die Kieselsteine aus seinem Fell. Fred drückte Teddy und war ganz aufgebracht. Er sagte noch: „Du bist der beste und treueste Freund, den ich mir vorstellen kann.“ Doch war Teddy seltener in den Pausen dabei, sondern er blieb allein neben dem Schultisch sitzen.

Dann kam der Tag, an dem Teddy gar nicht mehr mitgenommen wurde, weder in die Schule, noch nachmittags auf den Spielplatz oder gar ins Bett. Fred lag jetzt mit Büchern im Bett und Teddy kam an einen Platz im Regal, an dem er allein war.

Keine Freunde, keine Unterhaltungen, kein Spiel – eigentlich nur Stille.

Scherben

Teddy wäre lange einsam und verlassen im Regal geblieben. Doch dann begann eine neue Zeit – die Zeit der schlaflosen Nächte, eingeleitet durch einen Krach. Dieser kam aus der Küche; es war ein Glas, das zu Boden geworfen wurde und zerbrach.

Teddy erwachte und hörte Fred weinend sagen: „Hört doch bitte endlich auf zu streiten.“

„Geh in dein Zimmer. Das geht dich nichts an“, war die Antwort.

„Aber ich habe Angst!“, entgegnete Fred.

„Du sollst in dein Zimmer gehen. Das ist eine Angelegenheit zwischen Mama und Papa und geht dich nichts an.“

Teddy hörte, wie Fred seine Zimmertür öffnete und wieder schloss. Fred nahm ihn vom Regal und legte sich mit ihm ins Bett. Er hielt sich die Ohren zu und drückte Teddy fest an seine Brust – so fest, dass es Teddy fast wehtat.

Die Streitereien der Eltern waren weiterhin zu hören, begleitet von Wortfetzen wie: „Du hast mich verraten und noch nie hat mich jemand so verletzt.“

„Geh doch zu deiner neuen Freundin und klär das mit ihr. Sie kann doch angeblich alles besser.“

„Das hättest du dir vielleicht früher überlegen sollen.“

„Es war schon immer so.“

Fred weinte. Teddy wollte ihn gerne umarmen, aber er war nur aus Stoff. Trotzdem spürte er Freds Herz – es schlug schnell und voller Angst. Er hörte Fred schluchzen und flehen: „Hört doch bitte endlich auf!“

Aber die Schreie und Wortfetzen verstummten nicht. Fred drückte Teddy noch fester an sich, und obwohl Teddy nichts tun konnte, wollte er ihm zurufen: „Sorge dich nicht. Es wird alles gut.“ Er wollte „Schlaf ein“, sagen und ein sanftes Schlaflied summen. Aber Teddy konnte nicht sprechen, nicht singen, nicht trösten.

Der Junge, der einst ruhig und friedlich schlafen hatte können, fand nach diesen Zeiten des Geschreis, der zuknallenden Türen und des Weinens im Bett immer seltener Ruhe.

Teddy bekam alles mit. Manchmal versuchte der Junge, mit seiner Katze zu kuscheln, aber Katzen mögen es nicht, unter der Bettdecke gedrückt und festgehalten zu werden. Teddy hingegen störte das nicht. Er wurde nur traurig und hilflos. Die Katze wehrte sich, suchte nach einem Ausweg aus dem Bett, aus dem Zimmer. Aber Teddy blieb.

Und dann war da diese Leere. Zuerst kam die Wut, dann die Traurigkeit – oder war es zuerst die Traurigkeit und dann die Angst? Sie übertrug sich auf Fred, auf Teddy und schließlich auf das ganze Zimmer. Das sonst so friedvolle Zimmer war nun von Traurigkeit und Angst ergriffen.

Es roch seltsam – anders als die Angst in der Schule. Jetzt lag der Geruch von Streit und Hilflosigkeit in der Luft. Eine seltsame Stille breitete sich aus; eine Stille, die nicht friedvoll war, sondern wie die zwischen zwei Scherben, die erkannten, dass sie einst zusammengehört hatten, jetzt aber verstreut lagen und nicht mehr wussten, wie sie wieder zueinanderfinden sollten. Es war, als ob die Scherben ihren Schmerz und ihre Sehnsucht in die Stille hinein sangen. Doch Scherben können nicht singen – Teddy jedoch konnte diese ungehörten Gesänge der Scherben hören.

Verlassen und Vergessen

Die Zeit, die einst mit dem Lachen eines Kindes und dem Leuchten von unschuldigem Glück erfüllt worden war, zog vorbei, und mit ihr veränderte sich wieder einmal alles um Teddy herum. Er fand sich selbst versteckt in einer staubigen Ecke des Regals wieder, ein stummer Zeuge der aufkommenden Jugend von Fred. Einst sein Spielkamerad, nun ein junger Mann, der nach anderen Formen der Zuneigung suchte.

Neue Düfte durchzogen den Raum – scharfe, süße Aromen von Parfümen, die von Fred und seiner neuen Freundin Tina getragen wurden. Es waren die Duftmarken des Erwachsenwerdens und Begehrens. Wenn sie sich trafen, legte Fred eine Spur des Duftes auf, als wolle er die Luft selbst mit seinen Gefühlen imprägnieren.

Die Geräusche des Lebens waren ebenfalls anders geworden. Anfangs waren sie für Teddy unbestimmbar, ein Konzert aus Stille und Flüstern, bis er eines Tages verstand. Es waren Küsse, jedes Mal anders: kurz und schüchtern, lang und leidenschaftlich, mal wild, mal zärtlich. Jeder Kuss hinterließ ein einzigartiges Echo im Raum. Teddy, verborgen im Schatten, lauschte und fragte sich, wie sich solche Küsse und Berührungen wohl anfühlten.

Doch dann kam der Tag, an dem Fred, umgeben von einer Aura der Niedergeschlagenheit, Teddy aus seinem Versteck holte. „Sie hat mich verlassen“, flüsterte er, und Teddy fühlte die Schwere in Freds Umarmung und die Dichte seiner Traurigkeit.

Für einen flüchtigen Moment glaubte Teddy, seine eigene Trauer spüren zu können – den Schatten eines Gefühls, das sonst niemand wahrnehmen konnte. Kein Trost, keine rettende Umarmung für ihn. Dann drückte Fred ihn ein zweites Mal an sich: „Du wirst jetzt mein neuer Begleiter. Du wirst mein Begleiter.“ Mit diesem Satz setzte Fred Teddy auf den Beifahrersitz seines Autos.

Es begann die Zeit der Reisen und der Geschichten. Teddy saß neben Fred und sie durchquerten unzählige Gegenden und sahen viele Landschaften vorbeiziehen. Fred redete viel, teilte seine Gedanken und Träume mit Teddy, und während er von seinen großen Reiseplänen sprach, spürte Teddy, wie sich nicht nur die Landschaften hinter den Fenstern, sondern auch die Atmosphäre im Auto veränderte.

Es war auch die Zeit der Musik. Fred hatte viele Kassetten im Auto und wann immer sie unterwegs waren, legte Fred eine Kassette ein. Er sang bei einigen Liedern laut mit. „Born to be wild.“ Es waren ein Hauch von Abenteuer, der Duft von Freiheit und die Vorahnung einer bevorstehenden Veränderung, die in der Luft lagen.

Eine Textzeile klang in ihm besonders nach: „Manchmal wünschte ich, ich wäre nie geboren.“

Bank im Regen

Teddy saß vorne auf dem Beifahrersitz. Der Gurt passte ihm nur knapp über seinen Bauch. Draußen regnete es. Heute war etwas anders als sonst. Fred wirkte traurig und schweigsam. Er erzählte nichts. Es gab keine Musik. Teddy versuchte, sich an ihre letzte längere Reise zu erinnern. War es der Zelturlaub in Italien oder die Kanutour in Schweden? Beides war eine Ewigkeit lang her. Es roch anders als sonst. Was war das für ein Geruch?

Jetzt saß er hier, kurz vor Mitternacht, und schaute dem Regen auf der Windschutzscheibe zu. Die Tropfen flossen langsam nach unten, während sich die Lichter der nächtlichen Straße und der anderen Autos in ihnen spiegelten. Er wunderte sich, wohin die Reise führen sollte. Ihm war mulmig zumute. Ein seltsames Grummeln in seiner Magengegend. Unangenehm.

Teddy schaute den Regentropfen zu: „Ach, wäre ich doch einer von diesen Tropfen, dann würden sich die Lichter in mir spiegeln. Das fühlt sich sicherlich gut an. Besser als dieses Gefühl in meinem Bauch. Regentropfen haben bestimmt keine Gefühle und wenn, dann sicher nicht so unangenehme. Die lassen sich einfach so vom Himmel fallen.“

Teddys Gedanken schweiften ab an seine Zeit im Regal, als er noch neben anderen Kuscheltieren und ein paar Brettspielen gesessen hatte. Von dort aus hatte er einen Überblick über das Zimmer gehabt und Freds Bett sehen können. Er erinnerte sich wie er, als er jung war, fast jeden Abend mit ins Bett genommen wurde. Später dann seltener, zuletzt gar nicht mehr.

Das Auto hielt und der Motor verstummte. Teddy schreckte aus seinen Gedanken auf. Der Regen trommelte weiter gleichmäßig auf das Autodach. Für kurze Zeit vergaß er das mulmige Gefühl im Bauch. Durch die Scheibe sah er verschwommen einen Parkplatz: grau, verlassene Bänke und Pfützen, in denen sich Laternenlichter spiegelten.

Die Beifahrertür öffnete sich und der Teddybär wurde von Fred auf die Schulter genommen. Dann setzte Fred Teddy auf eine der Bänke und drückte ihn. Es kam Teddy wie eine lange Umarmung vor, die irgendwie intensiver war als sonst. Teddy wusste noch nicht, dass es für lange Zeit die letzte Umarmung für ihn sein würde. Aber Teddys Bauch ahnte die kommenden Veränderungen. Ihm war schlecht.

Die Bank, auf der Teddy saß, war durch ein kleines Holzdach vor dem Regen geschützt. Ein Brief wurde auf seine kurzen Stoffbeine gelegt. Danach hörte er, wie sich die Tür des Autos schloss und es durch den Regen in die Nacht fuhr. Jetzt wurde Teddy klar, welchen Geruch er vorher wahrgenommen hatte: Es war der Geruch des Abschieds.

Es war der Beginn einer langen, kalten, regnerischen und vor allem einsamen Nacht. Teddy war es nicht gewohnt, alleine draußen zu sein. Genauso wenig, wie er dieses Unwohlsein im Bauch gewohnt war. In seinem Kopf waren viel mehr Fragen als Regentropfen. Doch niemand antwortete. Nur Geräusche vorbeifahrender Autos und vom fallenden Regen auf deren Dächer. Zwischendurch die Stille der Nacht. Teddy war müde. Er wollte gerne schlafen. Ihm war kalt und er fröstelte. Er schlief nicht. Er fragte sich weiter die eine oder andere Frage. Immer wieder – ohne Antwort.

Nach unzähligen Tropfen und Fragen schlief er doch irgendwann ein. Er merkte nicht, als es aufhörte zu regnen. Er bemerkte auch nicht, ob die Sonne aufging. Er schnarchte und brummte vor sich hin. So merkte er auch nicht, als kurz nach Sonnenaufgang ein Auto auf dem Parkplatz hielt. Ein großer Mann nahm ihn und einen Brief, der neben ihm lag, und setzte ihn ins Auto.

Der Brief

Lieber Bärenfreund,

Sie wundern sich vielleicht über die folgende Geschichte und diesen Brief. Doch lassen Sie mich Ihnen versichern, es gibt keine Zufälle im Leben. Vielleicht leben Sie noch in einer Welt, in der Teddybären kein Erleben haben. Auch ich habe lange in so einer Welt gelebt.

Wahrscheinlich wissen Sie aber schon viel mehr, als Sie glauben. Und Sie bleiben im Recht, Teddybären leben nicht im herkömmlichen Sinne. Und doch erleben und erfahren sie die Welt aus ihrer eigenen Sicht. Sie nehmen die Sorgen ihrer Umwelt und die Träume der Kinder in sich auf – die Gespräche, die Sehnsüchte. So umgibt mit der Zeit die Teddybärenwelt ein kleines Universum von ungehörten, ungesehenen und unfassbaren Träumen.

Dies hier ist eines dieser Teddybären-universen. Es ist fünfundzwanzig Jahre alt. Ein treuer Freund. Er blieb, als andere gingen. Seine Anwesenheit spendet Trost und Wärme in schönen wie in herausfordernden Situationen. Im letzten Jahr fuhr er auf dem Beifahrersitz neben mir durch die Welt. Dadurch war ich nicht mehr ganz so allein.

Meine Reise führt in ferne Länder und ich weiß nicht, was mich erwartet. Teddy kann ich leider nicht mitnehmen. In meinem Rucksack ist kein Platz mehr für ihn.

Der Bär hört gut zu und ist sehr mitfühlend. Ich habe viel mit ihm erlebt und ihn als Freund und Begleiter in mein Herz geschlossen. Ich bin traurig, ihn jetzt hier lassen zu müssen. Doch für meine Reise in der Welt ist er zu groß.

Eines noch: Seit ein paar Monaten hat er angefangen zu schnarchen. Er meint, das würde mit der Zeit aufhören. Ich weiß es nicht. Am Anfang hat mich das Schnarchen gestört, später hat es mich beruhigt.

Er liebt Kuschelabende auf dem Sofa, unterhaltsame Filme und geselliges Beisammensein. Er versteht mehr, als wir ahnen und mir ist, als ob er viel mitfühlt, denn er ist ein einfühlsamer Gedankenleser und hat ein wärmendes Herz. Er redet wenig, ist dafür allerdings ein talentierter und geduldiger Zuhörer.

Ich wünsche Ihnen viel Freude und erfüllte Zeiten mit Teddy! Für den Anfang eurer eigenen Reise.

Ein guter Freund

In seinem neuen Zuhause lebte Teddy in einem Regal neben vielen anderen Stofftieren. Manchmal wurde Teddy dort mit ins Bett genommen. Öfters auch hinaus mit zu anderen Freunden. Doch die meiste Zeit verbrachte er in einem Regal neben den anderen Stofftieren. Manche von ihnen konnten sprechen. Einige sich sogar bewegen.

Teddy war traurig. Er vermisste Fred. Zudem roch es hier erneut seltsam. Nach den ersten Wochen bekam der Geruch einen Namen. Es roch nach Freudlosigkeit und Frustration.