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Ein charmantes Buch-Café, ein CEO mit großen Plänen und ein Kuss unter dem Mistelzweig.
»Delaney's Books & Brews« ist mehr als nur ein Coffeeshop mit Büchern. Es ist Heimat, Rückzugsort, ein Teil Torontos. Nun soll es einem seelenlosen Shopping-Komplex weichen. Ich dürfte darin zwar ein Lokal eröffnen, aber angepasst an deren Konzept, glattgebügelt und beliebig. Ohne Seele und Magie? Oh, nein, nicht mit mir!
Weil ich den Verkauf ablehne und das Projekt blockiere, kündigt sich der CEO der New Yorker Investmentfirma persönlich an. Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit.
Perfektes Timing, um ihm mit unserem »Christmas Mocha«, Geschichten und einem Hauch Weihnachtszauber zu zeigen, dass Herz wichtiger ist als Profit.
Allerdings taucht kurz vor seiner Ankunft ein Amerikaner in meinem Café auf – charmant, aufmerksam, viel zu attraktiv. Und der Kuss unter dem Mistelzweig bringt alles ins Wanken.
Nur ahne ich da noch nicht, wer er wirklich ist.
Für alle, die diese Tropes mögen:
*Enemies to Lovers*
*Secret Identity*
*Small Business vs. Big Corporation*
*Mistletoe Kiss*
*He Falls First*
*She Changes Him*
*The Power of Community*
***Eine Enemies to Lovers Christmas Romance voller Herz, Mut, Zimtduft und Bücherliebe. Auch als Paperback mit Farbschnitt und Hörbuch erhältlich.***
~ Christmas Ever After - Weihnachten ist nur der Anfang. Die Liebe schreibt den Rest. ~
Alle Bände dieser Reihe sind abgeschlossene Einzelbände und können unabhängig voneinander gelesen werden.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Blame it on the Mistletoe
Von Katie McLane
Buchbeschreibung
Ein charmantes Buch-Café, ein CEO mit großen Plänen und ein Kuss unter dem Mistelzweig.
»Delaney's Books & Brews« ist mehr als nur ein Coffeeshop mit Büchern. Es ist Heimat, Rückzugsort, ein Teil Torontos.
Nun soll es einem seelenlosen Shopping-Komplex weichen.
Ich dürfte darin zwar ein Lokal eröffnen, aber angepasst an deren Konzept, glattgebügelt und beliebig.
Ohne Seele und Magie? Oh, nein, nicht mit mir!
Weil ich den Verkauf ablehne und das Projekt blockiere, kündigt sich der CEO der New Yorker Investmentfirma persönlich an. Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit.
Perfektes Timing, um ihm mit unserem »Christmas Mocha«, Geschichten und einem Hauch Weihnachtszauber zu zeigen, dass Herz wichtiger ist als Profit.
Allerdings taucht kurz vor seiner Ankunft ein Amerikaner in meinem Café auf – charmant, aufmerksam, viel zu attraktiv. Und der Kuss unter dem Mistelzweig bringt alles ins Wanken.
Nur ahne ich da noch nicht, wer er wirklich ist.
Christmas Romance - Enemies to Lovers - Secret Identity - Small Business vs. Big Corporation - Mistletoe Kiss - He Falls First - She Changes Him - The Power of Community
Über die Autorin
Katie McLane – Buchverrückt, Schokoholic und hoffnungslos romantisch.
Ihr Herz schlägt für starke Heldinnen und Männer, die nicht nur für Herzklopfen sorgen.
Ihre Liebesromane reichen von sanftem Prickeln über intensive Leidenschaft bis hin zu überwältigendem Verlangen und absoluter Hingabe.
Und sie treffen mit all ihren Emotionen mitten ins Herz – bis zum Happy End.
(Christmas Ever After 1)
Katie McLane
Impressum
1. Auflage, 2025
© Katie McLane – alle Rechte vorbehalten.
Lektorat: Lektorat Franziska Schenker
Covergestaltung: Constanze Kramer, coverboutique.de
Bildnachweise:
©Nadezda Kostina, ©phatthanit – stock.adobe.com
©strizh – shutterstock.com
©Jirasak Chuangsen – depositphotos.com
freepik.com, rawpixel.com, elements.envato.com
Illustration Charlotte Fiolka
Katie McLane
c/o easy-shop
K. Mothes
Schloßstr. 20
06869 Coswig (Anhalt)
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Autorin zulässig. Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Das Training von Künstlichen Intelligenzen jeglicher Art mit diesem und sämtlichen Werken der Autorin ist untersagt, jetzt und in Zukunft.
Außerdem behält die Autorin sich die Nutzung ihrer Inhalte für Text und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.
Website & Newsletter inkl. Freebie und Bonusmaterial:www.katie-mclane.de
TikTok / Instagram / Facebook: @katie.mclane.autorin
»It’s Beginning to Look a Lot like Christmas« – Michael Bublé
»Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!« - Dean Martin
»Have Yourself A Merry Little Christmas« - Judy Garland
»Winter Song« – Ingrid Michaelson
»Snowman« – Sia
»Cherry Wine (Live)« – Hozier
»Come Away With Me« – Norah Jones
»Turning Page« – Sleeping At Last
»River (2021 Remaster)« – Joni Mitchell
»Christmas Makes Me Cry« – Kacey Musgraves
»I Know The End« – Phoebe Bridgers
»Last Christmas« – She & Him
»Home« – Gabrielle Aplin
»Happy Xmas (War Is Over)(Remastered 2010)« – John Lennon
»Love Is Christmas« – Sara Bareilles
»The Christmas Waltz« – Peggy Lee
»New Year’s Day« – Taylor Swift
»A Case Of You (2021 Remaster)« – Joni Mitchell
Oder bei Spotify hören unter »Playlist zu ›Blame it on the Mistletoe‹ «:
https://open.spotify.com/playlist/2DT6l2NK0Do9C1qAGScFRL?si=wII6DtxnSaCQeLUJ_vm4Ng
»Geschichten bewahren Leben. Und machen Orte zu einem Zuhause.«
Quinn Delaney
»Hey, Chefin. Wie weit bist du mit den Plätzchen? Wir könnten da vorn deine Hilfe gebrauchen.« Mayas Stimme klingt leicht gestresst und das will bei meiner Barista etwas heißen.
»Schon unterwegs.« Ohne aufzusehen, lege ich die letzten Maple Cookies in die zweite Riesenbonbonniere, setze den Deckel auf und streiche mit den Fingerspitzen stolz über das satinierte Logo von Delaney’s Books & Brews.
Eilig klopfe ich meine Schürze ab, klemme mir beide Behälter unter die Arme und laufe zur Schwingtür. Drücke sie in der Rückwärtsbewegung mit dem Hintern auf, drehe mich um und marschiere strahlend in den Gastraum.
Jazzige Weihnachtsmusik fließt dezent aus den Lautsprechern, überlagert von leisen Stimmen, dazwischen mal ein Lachen oder Stühlerücken. Es riecht nach Espresso, Kardamom und den geschmückten Tannenzweigen, die überall hängen.
Vor dem Tresen hat sich eine Schlange gebildet und etwa in der Mitte bleibe ich stehen. »Guten Morgen, Leute! Darf ich?« Warte, bis sich eine Lücke öffnet, und schiebe die Gläser an ihre Stammplätze auf dem dunklen Holz. Dann platziere ich die dazugehörigen Schilder davor und eile hinter die Theke.
Maya hat die italienische Siebträgermaschine wie immer bestens im Griff, erzeugt in ihrer typisch quirlig-strukturierten Art Kaffee und Spezialitäten.
Rafael hingegen rotiert gelassen zwischen dem Holzregal voller Teedosen und den Teekesseln mit Temperaturanzeige. Nicht einmal die schmachtenden Blicke junger Frauen oder Männer bringen ihn aus der Ruhe.
Ich berühre seinen Rücken. »Soll ich die Bestellungen annehmen?«
»Sí.« Mit einer anmutigen Kopfbewegung schüttelt er sich eine seiner dunklen Locken aus dem Gesicht.
Und ich meine, auf der anderen Seite des Tresens ein verträumtes Seufzen zu hören.
Schmunzelnd trete ich ans Kopfende der langen, L-förmigen Theke und lächle die beiden Studentinnen an, die mindestens einmal pro Woche herkommen. »Ihr seid versorgt?«
»Mh-hm.« Sie lassen meinen Mitarbeiter nicht aus den Augen.
»Wunderbar.« Ich wende mich den nächsten Gästen zu, neue Gesichter, ein Paar in mittlerem Alter. »Herzlich willkommen im Delaney’s. Was darf es sein?«
Die Frau stößt die Luft aus. »Ich kann mich nicht entscheiden. Können Sie mir etwas empfehlen?« Dem Akzent nach vermutlich Britin.
»Sicher. Kaffee oder Tee?«
»Für mich bitte Tee.« Jepp, der Mann stammt definitiv aus dem Vereinigten Königreich. »Haben Sie Earl Grey?«
»Selbstverständlich. Normal, stärkeren Premium Blend oder den sanfteren Lady Grey mit Lavendel?«
»Premium.«
Ich nicke und mustere seine Begleiterin. »Und für Sie eine Kaffeespezialität? Aktuell sehr beliebt, unser Wuthering White Mocha mit weißem Schokoladensirup.«
»Das klingt perfekt. Groß, bitte.« Auf ihrem Gesicht breitet sich ein glückliches Lächeln aus. »Und dazu hätten wir gern je zwei Ahorn-Zimt-Schneeflocken und Orangen-Ingwer-Plätzchen.«
»Zum Mitnehmen oder bleiben Sie?«
»Leider sind alle Plätze besetzt.«
»Oben ist bestimmt noch etwas frei.«
Ihre Augen leuchten auf. »Oh, das haben wir wohl übersehen. Dann bleiben wir. Und machen Sie einen Teller mit Gebäck daraus, von jeder Sorte eins.«
»Sehr gern.« Ich tippe alles ins Kassensystem, nenne die Summe und schiebe ihnen das Kartenterminal hin.
Die Frau hält ihr Handy daran, bis ein Piepen ertönt. »Gibt es das Café schon länger? Wir waren das letzte Mal vor ein paar Jahren hier, da ist es mir gar nicht aufgefallen.«
»Oh ja! Meine Urgroßtante hat es 1957 eröffnet. Danach hat es meine Großmutter übernommen und seit fast zwei Jahren führe ich es nun.« Mit routinierten Handgriffen bereite ich Tasse sowie Teeglas vor und platziere die dazugehörigen Bons auf dem jeweiligen Unterteller, schiebe sie Maya und Rafael hin.
»Dann kommen wir auf jeden Fall noch einmal vorbei, bevor wir abreisen. Es ist so gemütlich hier. Richtig heimelig.«
»Welch ein schönes Wort, ich habe es schon ewig nicht mehr gehört.« Rasch stelle ich ein kleines Tablett bereit, lege Servietten darauf. »Vielleicht haben Sie ja Lust, an einem Abend unser traditionelles Literatur-Event zu besuchen. Delaney’s 12 Nights Before Christmas.«
»Das klingt amüsant.« Der Mann mustert mich interessiert.
»Oben hängt ebenfalls ein Plakat mit dem diesjährigen Programm, es ist für jeden Geschmack etwas dabei, hoffe ich.« Ich nehme mir Zange sowie Teller, fülle ihn mit je einem Gebäckstück aus den verschiedenen Behältern und setze ihn auf das Tablett. Rücke es für sie zur Seite, wo sie auf ihre Getränke warten. Wünsche ihnen noch eine tolle Zeit und wende mich dem nächsten Gast zu.
So fliegt die Zeit dahin, mal mehr, mal weniger schnell, und ich werfe nur gelegentlich einen Blick zum rechten Schaufenster, wo Chester in seinem Sessel liegt und schläft. Liebevoll belächelt von denen, die bei ihm am Tisch sitzen oder ihn im Vorbeigehen bemerken.
Am frühen Nachmittag versiegt der Kundenstrom erst einmal und wir finden Zeit, durchzuatmen. Räumen auf, füllen Vorräte sowie sauberes Geschirr nach und setzen uns schließlich mit unseren Tassen zu meinem Schweizer Schäferhund ins Fenster.
»Na, mein Süßer?« Ich halte ihm einen Brocken von meinem Maple Cookie hin und kraule ihm das Ohr, sobald er es vorsichtig von meiner Handfläche genommen hat. »Wenn ich ausgetrunken habe, drehen wir eine kleine Runde. Was hältst du davon?«
Er gähnt nur zur Antwort und schmiegt sich mit halb geschlossenen Augen an meine Finger.
»Faule Socke«, murmle ich, drücke ihm einen Kuss auf den Kopf und sinke gegen die Lehne meines Stuhls. Vorsichtig nippe ich an meinem Delaney’s Christmas Mocha, genieße die Komposition aus heißer Schokolade, Espresso, Zimt sowie einem Hauch von Muskat. Lasse den Blick nach draußen wandern und lausche der weichen Stimme des vermutlich bekanntesten kanadischen Jazz-Sängers bei dem Song »It’s Beginning to Look a Lot like Christmas«.
Bis dahin sind es nur noch zwei Wochen und die Natur arbeitet seit ein paar Tagen am dazu passenden Wetter. Auch heute verdunkeln graue Wolken den Himmel, fallen die nächsten Schneeflocken auf den geräumten Gehweg. Die Frage ist nur, ob die weiße Pracht bis zum Weihnachtstag liegen bleibt.
Was perfekt wäre, aber die Chancen stehen wie immer fifty-fifty.
»Quinn?« Mayas Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
Ich blinzle, sehe sie an. »Ja?«
»Was hältst du davon?«
»Wovon? Sorry, ich habe gerade nicht zugehört.«
»Haben wir bemerkt.« Rafael schmunzelt, trinkt von seinem Chai Latte und leckt sich über die Lippen.
»Ich habe eine Idee für unsere 12 Nights. Wie wäre es, wenn wir dieses Jahr zusätzlich jeden Abend eine buchige Mini-Challenge veranstalten? Inspiriert von klassischen Liebesgeschichten.«
»Thema?«
»12 Kisses Before Christmas.«
Meine Brauen wandern in die Höhe. »Und wie soll das konkret aussehen?«
Voller Begeisterung erklärt sie mir ihre Ideen zum Ablauf und strahlt uns am Ende an.
»Klingt charmant.« Ich schaue Rafael an und finde Zustimmung in seinen goldbraunen Augen.
»Oder? Cool, dann bereite ich heute Abend noch alles vor. Und mach dir keine Gedanken, ich kümmere mich alle Tage darum.«
»Wunderbar.«
Maya führt ihr Teeglas mit grünem Tee an die Lippen, da erklingt der Klingelton ihres Smartphones, Claire De Lune. »Oh, sorry.« Hastig stellt sie das Glas ab, zieht gleichzeitig das Telefon aus ihrer Gesäßtasche. Wirft einen Blick aufs Display, steht auf und nimmt im Weggehen den Anruf an.
Mein Mitarbeiter sieht mich an. »Wann kommt la jefa? Ich bin gespannt, was sie dazu sagt.«
Ich lache leise. »Nana ist da, wenn sie da ist. Wie immer.«
»Hätte ja sein können, dass sie etwas gesagt hat.«
»Nein.« Ich trinke einen Schluck, bemerke eine Bewegung und erblicke Em und Jules.
Die beiden jungen Autorinnen haben sich bei einem Treffen von Prolog & Punch kennengelernt, dem Buchclub, der sich jeden Montag im Delaney’s versammelt. Und nun sitzen sie seit geraumer Zeit fast täglich bei uns, um an ihrem ersten gemeinsamen Projekt zu arbeiten.
Lächelnd senke ich die Tasse. »Hey, ihr beiden! Wie läuft’s?«
»Super, knapp zwei Drittel sind bereits geschafft.« Em stülpt sich eine graue Beanie mit Glitzersternen über das kurze blonde Haar. »Aber jetzt brauchen wir erst einmal ein bisschen Bewegung an der frischen Luft. Unsere Taschen haben wir hinten unter den Tresen gelegt.«
»Alles klar.«
»Sollen wir Chester mitnehmen?«
»Das wäre cool. Ich hole eben seine Leine.« Ich beuge mich vor, stelle meinen Mocha auf dem Tisch ab.
»Lass nur.« Jules wendet sich ab und läuft zum anderen Ende der Theke.
»Ihr seid die Besten, danke.«
»Machen wir doch gern.« Em schnalzt zweimal schnell mit der Zunge, woraufhin Chester sich aufrichtet und sie neugierig ansieht. »Komm her, Süßer, wir gehen Gassi.«
Er neigt nur den Kopf zur Seite, doch sobald Jules mit Leine sowie Leckerchenbeutel zurückkehrt, springt er auf den Boden und streckt sich. Dann trottet er hinüber, sie hakt die Leine an sein Halsband und führt ihn zur Tür.
»Viel Spaß!«
»Werden wir haben.« Jules stößt die Tür auf, Em folgt ihr und auf dem Gehweg wenden sie sich nach links.
Ein Stück weiter müssen sie allerdings einem Mann in Anzug und grauem Wollmantel ausweichen, der durch das Schneetreiben geradewegs auf das Café zumarschiert, eine Aktenmappe an sich gedrückt.
Oha, da braucht jemand dringend Koffein.
Oder einen entspannenden Tee.
Im Kopf wäge ich bereits ab, was ich ihm empfehle, als er die Tür aufzieht und hereinstürmt. Zwei Schritte weiter hält er an, klopft sich die Flocken vom Mantel und sieht sich um.
Bevor ich reagieren kann, steht Rafael auf und schenkt ihm ein strahlendes Lächeln. »Herzlich willkommen im Delaney’s Books & Brews. Wie geht es Ihnen heute?«
Der Fremde sieht ihn an, runzelt die Stirn. »Gut, danke.«
»Was darf es sein? Kaffee oder Tee? Und dazu ein paar Zimtbaisers?«
»Nichts, danke. Ich möchte zu Mr. Delaney.«
Ich lache leise und erhebe mich. »Den habe ich noch nicht gefunden. Kann stattdessen ich Ihnen helfen?«
»Und Sie sind ...«
»Quinn Delaney, die Besitzerin.«
Seine Brauen springen bis zum Haaransatz. »Verzeihen Sie, bei dem Vornamen bin ich wohl von falschen Tatsachen ausgegangen.«
»Passiert mir öfter, kein Problem. Also, was kann ich für Sie tun?«
Da wendet er sich mir ganz zu, streckt mir die Hand hin. »Matthew Corman von Taylor, Friedberg & Partners, LLP.«
Irritiert schüttle ich sie. »Eine Anwaltskanzlei?« Im nächsten Moment durchzuckt mich heißer Schreck. »Ist etwas mit meinen Eltern? Hatten sie einen Unfall?« Sogleich sehe ich sie in einem australischen Straßengraben liegen.
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Oh, Gott sei Dank.« Mit einem erleichterten Seufzer presse ich die Hand auf mein Dekolleté.
»Könnten wir trotzdem ungestört reden?«
»Sicher, bitte.« Ich deute auf den Tisch.
Er knöpft seinen Mantel auf, steuert auf Mayas Stuhl zu.
Woraufhin mein Mitarbeiter ihre beiden Tassen abräumt. »Möchten Sie vielleicht doch einen Kaffee?«
»Lieber einen schwarzen Tee.«
»Welche Sorte?« Er zählt sie auf.
»Oolong.«
»Milch oder etwas anderes dazu?«
»Nein, danke.«
»Kommt sofort.« Schon eilt Rafael Richtung Tresen.
Ich kehre zu meinem Platz zurück, streiche das Strickkleid über meinem Hintern glatt und setze mich.
Mr. Corman wirft seinen Mantel über eine Stuhllehne, sinkt auf das dunkelrote Polster und legt sich die Mappe auf den Schoß. »Sofern es für Sie in Ordnung ist, komme ich direkt zum Grund meiner Anwesenheit.«
»Natürlich. Worum geht es denn?«
»Einen Brief, auf den Sie nicht reagiert haben.«
»Von Ihnen?«
»Nein. Unsere Mandantschaft ist Crawford & Gray, Investment and Urban Development, New York.«
Mein Herz hämmert los, meine Mundwinkel sacken nach unten und ich sehe jenen ekelhaften Satz vor mir.
Wir möchten Sie herzlich einladen, Teil der neuen Vision für Roncesvalles zu werden.
Ich beiße die Zähne zusammen, hebe trotzig das Kinn und atme tief durch.
Schon beim ersten Lesen hat er mir den Boden unter den Füßen weggezogen.
Nach dem zweiten Mal war ich wütend.
Dann habe ich zwei Tage gewartet, ihn noch einmal gelesen und schließlich das getan, was auch Grace damit angestellt hätte.
Ich hebe eine Braue. »Ich habe ihn verbrannt.«
»Wie bitte? Warum?« Fassungslos starrt er mich an.
»Es ist die einzige Antwort, die Ihre Mandantschaft verdient.«
»Das Angebot war mehr als großzügig.«
»Trotzdem können es sich diese Investmenthaie sonst wo hinschieben.«
»Seien Sie doch vernünftig, denken Sie an Ihre Zukunft!«
»Genau das tue ich. Und an die von vielen weiteren Menschen, für die dieses Café mehr ist, als nur ein Ort mit heißen Getränken.«
»Aber das ...«
Von hinten nähert sich Rafael und er verstummt. Wartet, bis das kleine Tablett mit der Glastasse darauf vor ihm steht.
»Der Tee ist etwa 30 Sekunden drin.«
»Danke.«
Schon geht er wieder und kurz darauf bezieht er mit Maya Stellung hinter dem Tresen.
»Ms. Delaney.« Er holt einen dünnen Stapel Papier aus der Mappe und in seiner Stimme schwingt ein feiner Unterton mit. Der eines Lehrers, der seiner lernschwachen Schülerin zum hundertsten Mal etwas erklärt. »Schauen Sie.« Er faltet einen Plan auseinander, der am Ende über die Tischkanten hinausragt. »Dieser Bereich hier ...« Mit dem Finger fährt er an den Kanten unseres und des südlich danebenliegenden Blocks entlang, in dessen Mitte mein Café liegt. »... wird zu einem urbanen Quartier mit Begegnungsflächen umgebaut. Ein Mixed-use-Plan mit Wohnungen, Co-Working-Space, Einzelhandel und moderner Gastronomie.«
»Mh-hm. Ein kalter Block ohne Seele.«
»Falls Sie das Angebot nicht richtig gelesen haben sollten – Sie können darin einen Coffeeshop eröffnen, sofern er ins Konzept passt.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust und schnaube. »Pah! Niemals.«
»Was wollen Sie dann? Mehr Geld?«
»Nein.«
»Aktien?«
»Sparen Sie sich das, Mr. Corman, ich werde nicht verkaufen.«
»Aber Sie sind die Einzige. Das ist lächerlich.«
In meiner Brust zieht sich etwas schmerzhaft zusammen.
Dieses Viertel ist historisch gewachsen, hat eine starke Community und bietet viele unabhängige Läden. Doch rundherum ist schon einiges dem sozioökonomischen Strukturwandel zum Opfer gefallen.
Was ich verstehen kann, immerhin mischen sich auch hier Tradition und Aufbruch. Entstehen neue Berufe und Wirtschaftszweige, sterben andere aus. Werden einkommensschwächere Haushalte zunehmend von wohlhabenderen verdrängt, weil das Geld fehlt, um Gebäude zu pflegen oder zu sanieren.
Um uns herum gibt es genügend Beispiele dafür, ich kann also verstehen, dass sie alle verkauft haben.
Trotzdem werde ich kämpfen, mit allen Mitteln.
Eben weil unsere Gegend ihren Charakter noch nicht verloren hat.
Und das Café mein Zuhause ist.
»Das ist mir bewusst.«
»Wie stellen Sie sich das vor?«
Ich lache tonlos. »Von mir aus kann Ihre Mandantschaft um uns herumbauen.«
»Was vollkommen unmöglich ist.« Der Anwalt nimmt den metallenen Filter heraus, lässt ihn abtropfen und stellt ihn auf das dafür vorgesehene Schälchen.
»Sicher? Von den Herren war doch kein einziger in diesem Viertel, geschweige denn in unserer Straße oder hier drin.«
»Tut mir leid, das entzieht sich meiner Kenntnis.« Vorsichtig nippt er am Tee.
»Wie auch immer. Ich werde niemals zulassen, dass diese geldgierigen alten weißen Männer das Delaney’s zerstören.«
»Wollen Sie stattdessen enteignet werden? Oder Schlimmeres?«
Ich kneife die Augen zusammen. »Soll das eine Drohung sein?«
»Nichts liegt mir ferner, ich weise lediglich auf mögliche Entwicklungen hin. Es gibt unzählige rechtliche Optionen.«
In mir kocht Wut hoch. »Wissen Sie was? Sparen Sie sich weitere Worte. Und Ihrer Mandantschaft können Sie ein einziges Wort übermitteln.« Ich nehme meine Tasse, stehe auf. »Nein.«
Damit verlasse ich den Tisch, marschiere am Tresen entlang und durch die Küche in den Bereich, wo sich mein Büro sowie die Sozial- und Waschräume befinden. Ich flüchte in den für Damen, schließe ab und gehe zum Waschbecken. Stütze mich an den Seiten auf, beuge mich vor und starre in den Spiegel.
Mein Gesicht glüht förmlich vor Zorn und meine Überzeugung brennt genauso.
Sie wollen Krieg?
Sollen sie haben.
Da können sie mir noch so sehr drohen, mich sonst wie unter Druck setzen oder belagern.
Ich mache es einfach frei nach britischem Vorbild, nachdem die Amerikaner diese Stadt 1813 nach einer Belagerung zum Teil verwüstet und nach kurzer Anwesenheit wieder verlassen haben.
Ich fahre nach Washington und brenne es nieder.
Oder noch besser, das New Yorker Büro von Crawford & Gray.
New York
»Wunderbar. Fehlt nur noch der letzte Punkt auf unserer Liste. Toronto ist überfällig.« Jack Elmsly faltet die Hände auf seinem Schreibtisch, schaut mich durch die Kamera an und wirkt wie immer unangenehm kühl.
Ich nicke. »Unser Anwalt war gestern in dem Café, dessen Besitzer als einziger bisher nicht reagiert hat.«
»Und?«
Automatisch sehe ich einen älteren Mann mit Weste vor mir.
Stur, sentimental.
Und mit einer Vorliebe für Ziegenkäse.
»Ein klares Nein von Quinn Delaney.«
»Wie bitte?« Der Chef-Investor der Fondsgesellschaft, zu der Crawford & Gray gehört, hebt verärgert die Brauen. »Wenn wir den Abschluss bis zum Jahresende nicht signalisieren, verlieren wir mindestens 2,3 % steuerlich optimierte Rückflüsse – ganz abgesehen von der geplanten Kapitalbindung für das erste Quartal.«
Fuck, für wie blöd hält er mich eigentlich?
Ich bin nicht ohne Grund CEO.
»Das ist mir bewusst, Jack.«
»Wir haben weitsichtige Investoren, die sich auf unsere Durchsetzungskraft verlassen. Wenn wir hier klein beigeben, verlieren wir Vertrauen in unsere Entscheidungsstärke. Und ein solcher Fall von David gegen Goliath schwächt nur unser Image.«
Ja, auch das weiß ich.
Immerhin habe ich in all den Jahren seit der Übernahme nicht nur strategisches Geschick sowie Innovationsgeist bewiesen, sondern auch Mediengespür.
Doch ich schweige.
»Der Widerstand hat keine vertragliche Relevanz. Es ist reine Verzögerungstaktik. Und wir reagiern nur, statt zu handeln. Je schneller wir das ändern, desto eher verlagert sich die Kontrolle wieder.«
»Genau deswegen fliege ich hin und mache mir vor Ort ein eigenes Bild von der Situation.«
»Bei Crawford & Gray arbeiten Leute, die für genau solche Sachen zuständig sind. Die verkaufen können, überreden.«
Pah, überreden!
»Und du hast hoffentlich Besseres zu tun.«
»Die Sache hat Priorität und erfordert Fingerspitzengefühl, da sind besagte Leute fehl am Platz. Mit diesem Besuch zeige ich Wertschätzung, finde hoffentlich einen direkten Zugang zu dem Besitzer. Und möglicherweise im unternehmerischen Konzept einen Ansatz –«
Er lacht abschätzig. »Das ist kein Geschäftsmodell, sondern Nostalgie mit Sitzkissen. Ein sentimentales Überbleibsel aus der Zeit, als man Buchhandlungen mit Wohnzimmern verwechselte. Wo kommen wir denn hin, wenn sich jeder Tresen mit Literaturbeilage in ein kulturelles Erbe verwandelt? Dann können wir gleich aufhören, Städte zu bauen.«
In mir sträubt sich etwas.
Dieser Mann mag verdammt clever sein, aber ich hasse es, mit wie viel Engagement er das alte Denken verkörpert.
Expansion um jeden Preis.
Und das entspricht in keiner Weise meiner Vorstellung von Nachhaltigkeit bei urbanen Projekten, weder bautechnisch noch menschlich.
Ich atme tief durch. »Mach dir keine Gedanken. Ich stehe seit der Gründung für kreative Stadtkonzepte und ich werde auch diesmal die perfekte Lösung finden. Vor allem im Hinblick auf zukünftige Projekte dort, Kanada bietet eine Fülle von für uns interessanten Zielgebieten.«
Er setzt sich auf, hebt die Hand. »Lucas, du weißt, ich respektiere deinen Weitblick. Aber das hier ist kein Pilotprojekt für Ideale. Es ist eine Kalkulationsfrage. Wir verlieren Momentum, Liquidität und Klarheit. Wegen eines Lokals, das aussieht wie eine Pinterest-Idee mit Espresso. Wenn du übernehmen willst, übernimm. Aber beende es.«
»Das habe ich vor.«
»Schön. Dann wars das für heute. Und jetzt muss ich mich leider verabschieden, ich habe in zehn Minuten das nächste Meeting.«
»Natürlich. Wir sehen uns.«
»Bis nächste Woche.« Schon verlässt er den virtuellen Raum und mein Bildschirm wird schwarz.
Mit einem Seufzen schließe ich die Sitzung und lehne mich zurück, massiere mit Daumen und Mittelfinger meine Nasenwurzel. Hebe schließlich den Kopf und lasse den Blick über meine Bücherregale gleiten.
Die Werke darin sind nach den Phasen eines Stadtentwicklungsprojekts sortiert und dort jeweils chronologisch. Von den Klassikern aus meinem Studium bis hin zu den aktuell kreativsten Ansätzen aus aller Welt.
Auch von Jacob, meinem damaligen Mitgründer, und mir finden sich darin zwei Fachpublikationen. Was meine Gedanken automatisch zu ihm lenkt.
Zwischen uns hat es gleich gepasst, in unzähligen Gesprächen viel kreative Energie freigesetzt. Und genau diese Neuroflashs fehlen mir inzwischen immer öfter.
Zu schade, dass er ausgestiegen ist, als unsere kleine Firma von der Fondsgesellschaft eingegliedert und mit Gray Realty Trust zu Crawford & Gray geformt wurde. Zusammen hätten wir noch mehr erreichen können.
Auf der anderen Seite verstehe und respektiere ich seine Entscheidung, er ist nicht für diese Strukturen geschaffen. Umso mehr freue ich mich über unsere seltenen Treffen, die jedes Mal in eine Art Think-Tank ausarten.
Ich runzle die Stirn.
Moment.
Wir haben uns dieses Jahr nicht getroffen.
Weil es bei mir aufgrund der Verpflichtungen als CEO zeitlich nie gepasst hat.
Fuck!
Resigniert lehne ich den Kopf an und schließe die Augen.
»Du siehst müde aus.« Kein Klopfen, nur Danicas Stimme.
»Ich bin nicht müde, sondern konzentriert.« Ich setze mich auf, schaue zur offen stehenden Tür.
Meine Assistentin kommt herüber, wie immer in faltenfreiem Schwarz und in der Hand eine Tasse Tee, um die ich nie bitte. Aber ein Zeichen dafür, dass es draußen dunkel geworden ist.
Sie ist wenige Jahre älter und arbeitet für mich, seit dieses Unternehmen ein Start-up war, weshalb sie mich viel zu genau kennt. Selbst meine kleinen und großen Macken oder kuriosen und masochistischen Gewohnheiten.
Zum Beispiel Kaffee am Abend, obwohl ich dadurch zu lange wach bleibe und meistens schlecht schlafe.
»Ich habe dir etwas mitgebracht.« Sie tritt neben mich, stellt mir die Tasse hin und legt einige Ausdrucke dazu.
»Was ist das?« Irritiert sehe ich darauf hinab und eine Schlagzeile lenkt meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich.
Ein Ort wie kein anderer – das Café, das sich gegen die Umwandlung stemmt.
Darunter ein leicht unscharfes Foto vom Innern des Delaney’s Books & Brews.
Lichterketten, Bücherstapel, eine Person am Tresen, schwer zu erkennen.
Vermutlich eine Mitarbeiterin.
Sie tippt auf den Text. »Delaney ist ein lokaler Betreiber ohne bekannten Nachfolger. Keine Kette.«
»Hm. Aber anscheinend gut vernetzt mit der Lokalpresse.« Ich schaue sie an. »Hast du ihn informiert, dass ich komme?«
»Ja, und ohne Datum, wie gewünscht. Der Flug geht morgen Mittag.«
»Gut, danke.«
»Du musst das nicht selbst tun.«
»Dann wird Jack es schnellstmöglich durchziehen. Ohne Kompromisse.«
»Also willst du es besser machen.«
»Nein, anders.«
»Ah. Du willst sehen, wofür dieser Delaney kämpft.«
»Ich will herausfinden, warum der Mann nicht loslässt. Und ob wir mehr zerstören würden als ein Gebäude.«
»Wie meinst du das?«
Nachdenklich schürze ich die Lippen, richte den Blick nach innen und schüttle den Kopf. »Keine Ahnung, ist nur ein diffuses Gefühl. Ich will, nein muss es verstehen. Und dadurch erfahre ich hoffentlich, wo ich ansetzen kann, um ihn von unserer Vision zu überzeugen.«
»Klingt auf jeden Fall wie ein Ort, an dem ich früher gejobbt hätte. Und wo du dich niemals hineingetraut hättest.«
Ich schmunzle. »So cool? Dann muss ich erst recht hinfahren.«
Da neigt sie den Kopf und mustert mich. »Du vermisst etwas, oder?«
»Wie kommst du darauf?«
»Kann ich nicht genau sagen, aber seit du CEO bist, verströmst du manchmal eine seltsame Unruhe. Und in den letzten Monaten immer öfter.«
»Vermutlich brauche ich nur mal wieder Urlaub.«
»Ja, aber das meine ich nicht. Das hier geht tiefer.« Sie wackelt mit den Fingern in meine Richtung.
»Vor wenigen Minuten habe ich noch daran gedacht, wie sehr mir Jacob und unser Austausch fehlen.« Ich zucke mit den Schultern.
»Jesus, ihr habt euch dieses Jahr noch gar nicht gesehen.«
»Nein.«
Danica schnalzt mit der Zunge. »Du musst dringend an deinem Pflichtgefühl arbeiten, Lucas. Du lässt dein Privatleben zu oft von deinem Beruf dominieren.«
Besser ich verbringe meine Zeit damit, Visionen in die Tat umzusetzen, anstatt sinnlose Gedanken oder Gefühle zu erlauben.
»Insofern tut dir eine kleine Reise vermutlich ziemlich gut. Ich werde deinen Aufenthalt sofort verlängern.«
»Ich muss arbeiten!«
»Das kannst du auch von Toronto aus, du nimmst deinen Laptop ohnehin überall hin mit. Aber eines musst du mir versprechen.«
»Und das wäre?«
»Lass deine Anzüge zu Hause und geh mit offenen Augen durch diese pulsierende, multikulturelle Stadt. Du brauchst mal wieder frische Eindrücke und Inspirationen.«
Entschieden schüttle ich den Kopf. »Rückflug am Montag.«
»Zweieinhalb Tage? Das wird eine Herausforderung, selbst für dich.«
»Es wird reichen.«
»Wie du meinst.« Damit wendet sie sich ab und verlässt mein Büro.
Ich stehe auf, nehme die Tasse und gehe zum Fenster.
Nippe an dem schwarzen Tee, genieße das Aroma und schaue hinaus auf das glitzernde Lichtermeer von Midtown Manhattan bis hinüber nach Hudson Yards, gedämpft von tief hängenden Regenwolken.
Keine Geschichte, nur Höhe und Stille.
Zum Glück.
Mir graut es schon bei der Vorstellung des vorweihnachtlichen Wahnsinns, der unten in den Straßen tobt.
Deshalb lenke ich meine Gedanken zurück nach Toronto und zu dem Gespräch mit Jack. Seinen antiquierten Ansichten und abschätzigen Bemerkungen.
Waren solche Menschen nicht einer der Gründe, weshalb Jacob und du die Firma gegründet habt? Um es anders zu machen?
Mein Geist verselbstständigt sich, fliegt im Zickzack durch Raum und Zeit.
Und am Ende formt sich ein Satz, der erneut diesen leichten Widerstand in mir auslöst.
Mich nicht loslässt.
Ich leere die Tasse, stelle sie auf den Unterteller und setze mich auf meinen Bürostuhl. Wende mich meinem Notizbuch zu, das aufgeschlagen links von der Tastatur liegt. Darauf der Füller, den mir Danica geschenkt hat, als wir von der Fondsgesellschaft übernommen wurden.
Ich greife danach, schraube die Kappe ab und notiere die Worte.
Starre darauf und nicke.
Manche Orte lassen sich nicht ersetzen, nur verlieren.
*
Danica macht um 17:30 Uhr Feierabend, doch ich bleibe, um die Geschäftsreise in Ruhe vorzubereiten. Sammle Gedanken, erstelle Notizen und am Ende wie immer eine Packliste.
Sobald ich zu Hause bin, bestelle ich mir Abendessen bei einem guten Restaurant, gehe ins Schlafzimmer und lege offenen Koffer sowie Liste aufs Bett. Dann rufe ich meinen besten Freund an, stelle auf Lautsprecher und platziere das Smartphone daneben.
Malcolm nimmt das Gespräch erst nach einigen Freizeichen an, die ich dafür nutze, die ersten Kleidungsstücke zusammenzusuchen.
»Hey, Luke!« Er klingt atemlos und im Hintergrund sind die Hunde zu hören. Bellen, schnelles Klicken von Krallen auf glattem Boden, dann ein Lachen.
Irritiert halte ich inne. »Störe ich?«
»Du niemals.«
»Hört sich an, als würden Ozzy und Lemmy euer Haus auseinandernehmen.«
Er lacht auf. »Nein, Liam und ich toben nur gerade ein bisschen mit ihnen. Du weißt doch, sie hassen Regen und nach einem ganzen Tag davon brauchen sie Beschäftigung. Was gibt es denn?«
»Ich muss leider den Brunch am Sonntag absagen.«
»Ach, Lucas!« Mal stößt verärgert die Luft aus. »Du musst nicht auch noch am Sonntag arbeiten.«
»Nein, aber ich muss morgen früh nach Toronto.«
»Wegen des Projekts in Roncesvalles.«
»Ja.«
»Was ist da los?«
Ich bringe ihn auf den neuesten Stand. Hake dabei die obersten Punkte auf der Liste ab, rolle jedes Kleidungsstück säuberlich zusammen und reihe sie im Koffer aneinander.
»Kennt dieser Delaney das Projekt?«
»Der Anwalt hat versucht, es ihm zu erklären.«
»Und ist kläglich gescheitert, schon klar. Jesus! Du kannst doch keinen Paragrafenreiter schicken, um euer Konzept überzeugend darzulegen.«
»Wir haben nicht mit einer so vehementen Absage gerechnet. Übrigens der einzigen.«
»Woher kommt der Widerstand?«
»Gute Frage. Keine Ahnung, welche Sentimentalitäten im Spiel sind, aber ich werde es herausfinden. Und ihn am Ende überzeugen.«
»Denk immer an mein Motto ...«
Ich schmunzle. »Wenn du es hübsch haben willst, baust du aus Glas. Wenn du willst, dass Menschen bleiben, baust du Geschichten.«
»Ganz genau. Was bei einem Buch-Café vermutlich umso besser funktionieren dürfte.«
»Ich werde meine Notizen noch einmal dahin gehend bearbeiten.«
»Er muss dein Herzblut dahinter spüren.«
Unwillkürlich zögere ich, meine Hände schweben über dem Koffer.
»Du brennst doch für das Konzept, oder?«
»Natürlich.« Ich fahre mit dem Packen fort. »Nur habe ich das Gefühl, dass etwas fehlt.«
»Wo genau?«
»Zwischen den Zahlen und Fakten.«
»Hm. Mangelt es vielleicht am nötigen Respekt bei der Gestaltung?«
Mit einem Ruck richte ich mich auf. »Fuck, das ist es!«
Mein Freund lacht leise. »Willst du mich verarschen? Das hast du dir schon im Studium auf die Fahne geschrieben, es war praktisch euer Leitspruch, das Zusammenspiel von Stadt und Mensch zu achten. Und jetzt willst du mir erzählen, dass du es vergessen hast?«
»Nein, es war da, aber zu schwach, um es zu verstehen. Vermutlich sind mir Nähe und Bezug zum Prozess ein wenig abhandengekommen, seitdem ich CEO bin.«
»Dann wird es Zeit, das zu ändern. Du siehst ja, was dabei herauskommt.«
»Deswegen die Reise.«
»Wann bist du zurück?«
»Montag.«
»Ich bin gespannt, was du zu erzählen hast. Komm doch am Dienstag zum Abendessen, Liam ist jetzt immer bis zur letzten Vorstellung im Theater. Er hat einen zusätzlichen Techniker eingestellt, dem er noch auf die Finger gucken muss.«
»Mache ich gern.«
»Schön. Und ich schaue mir mal an, mit welcher Art von Widerstandskämpfer du es in Toronto zu tun bekommst.«
»Bitte sehr, Mr. Patel.« Ich serviere unserem siebzigjährigen Stammgast einen Chai of Green Gables und dazu drei Ingwer-Orangen-Plätzchen.
»Danke dir, Quinn. Darauf habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut.« Der ehemalige Lehrer zieht beides zu sich heran.
»Klingt, als hätten Sie einen stressigen Tag gehabt.«
»Allerdings. Ein Ärztemarathon, äußerst lästig.«
Ich lache leise. »Kann ich gut verstehen.«
»Und bei euch? Gibt es schon etwas Neues aus New York? Dieser Anwalt wird die Herrschaften sicherlich sofort informiert haben.«
»Oh ja, die Assistentin des CEOs hat mir heute eine E-Mail geschrieben.«
»Was stand darin?«
»Er kommt persönlich vorbei.«
Mr. Patel schnaubt verächtlich.
»Ganz meine Meinung. Ein solcher Mann wird niemals verstehen, was das Delaney’s ausmacht. Oder was er damit anrichtet, unsere Blocks für einen hochmodernen Komplex niederzuwalzen, der kein bisschen in dieses geschichtsträchtige Viertel passt.«
»Sehr richtig. Falls du Beistand brauchst, fordere ich ihn zu einem intellektuellen Duell heraus und zerpflücke ihn.«
Mit einem warmen Gefühl in der Brust lege ich ihm eine Hand auf die Schulter. »Sobald sich eine Gelegenheit ergibt, komme ich auf Ihr Angebot zurück. Und jetzt lassen Sie es sich schmecken.« Lächelnd wende ich mich ab und laufe zum Tresen.
Sammle auf dem Weg benutztes Geschirr ein, nehme Bestellungen auf. Wechsle ein paar Worte mit den Gästen und weise auf unsere morgen startende Weihnachtstradition sowie die neue Challenge hin.
Draußen ist es bereits dunkel und im Delaney’s herrscht die übliche Halb-Ruhe vor dem After-Work-Ansturm. Eine Art Verschnaufpause, die ich jeden Tag genieße.
Maya kehrt über die Treppe aus der ersten Etage zurück, ein großes Tablett voller Geschirr in den Händen, und biegt direkt in die Küche ab, wo sich meine Hilfe auch um die Spülmaschine kümmert. Gesellt sich kurz darauf zu mir hinter den Tresen, hilft mir bei den Bestellungen und bringt sie zum Tisch. Ein Service, den wir nur im Erdgeschoss und unseren Stammgästen anbieten.
Unvermittelt wird die Tür geöffnet und untermalt von resoluten Schritten weht ein kalter Luftzug herein.
Ich sehe hinüber, entdecke meine Großmutter Grace und lächle. »Hallo, Nana!«
Sie marschiert auf den Tresen zu, die zum Wollmantel passende Barettmütze schräg auf dem silberweißen Haar, einen verkniffenen Zug um die beerenrot geschminkten Lippen, und blitzt mich aus klaren hellgrauen Augen an. Knallt etwas auf das dunkle Holz, das ich erst auf den zweiten Blick als Zeitung erkenne, und klopft mit dem Zeigefinger aufs Papier. »Wann wolltest du mir davon erzählen?«
Kurz schaue ich darauf hinab, registriere den heutigen Artikel und Hitze schießt durch meinen Körper. »Oh. Das.«
»Ja, das! Warum hast du es mir verschwiegen? Nur, weil du den Laden inzwischen führst, heißt das nicht, dass ich ihn mir aus dem Herzen gerissen habe.«
Ich verziehe voller Reue das Gesicht. »Es tut mir leid, wirklich. Ich habe es schlicht vergessen.«
In der nächsten Sekunde wird ihre Miene weicher. »Ach, Schatz! Du musst diese Entscheidung doch nicht mit dir allein ausmachen.«
»Welche Entscheidung? Ich werde nicht verkaufen, niemals.« Automatisch recke ich das Kinn.
»Das wollte ich hören. Machst du mir einen Tee?« Sie wendet sich ab und geht zu Chester, der sie freudig begrüßt.
»Sicher.«
Trotzdem verharre ich und beobachte, wie sie ihm über den Kopf streichelt. Ihren Mantel auszieht, an einen der Garderobenhaken hinter seinem Sessel hängt und darüber das Barett. Anschließend streicht sie sich über das im Nacken locker hochgesteckte Haar, zupft am Saum ihres Pullovers und nimmt im Sessel neben meinem Hund Platz.
In meiner Brust breitet sich ein warmes Gefühl aus und doch ist da dieser gemeine Unterton.
Meine Großmutter ist Stärke und Haltung in Person, was mich gelegentlich verunsichert.
Werde ich ihren riesigen Fußstapfen wirklich gerecht?
Oder enttäusche ich sie?
Vor allem jetzt?
Ich widme mich der Zubereitung ihres schwarzen Tees, lege ihr ein paar Plätzchen dazu und stelle das kleine Tablett vor ihr auf den Tisch.
»Kein Tee für dich?« Nana mustert mich aufmerksam. »Wir sollten uns unterhalten.«
»In Ordnung.« Ich laufe zurück hinter den Tresen, hole meine altrosa Lieblingstasse mit Goldrand hervor, die ich von Grace geerbt habe. Brühe mir einen Lady Grey auf und geselle mich damit zu Nana. Vorsichtig platziere ich sie auf dem Tisch und drehe mich zu Chester. »Rück mal ein Stück.«
Sobald ich Anstalten mache, mich neben ihm niederzulassen, setzt er sich auf und gähnt. Wartet, bis ich mich auf die großzügige Sitzfläche gequetscht habe und kuschelt sich an mich, halb auf meinen Schoß.
Automatisch vergrabe ich die Hand in seinem Fell, kraule ihm den Hals.
Grace stellt ihre Tasse auf den Unterteller, nimmt sich ein Plätzchen. »Und jetzt will ich die ganze Geschichte hören, in allen Details.« Steckt es sich in den Mund.
Folglich atme ich tief durch und zucke mit den Schultern. »Da gibt es nicht viel zu sagen. Vor etwa zwei oder drei Wochen ist der Brief gekommen, inklusive Kaufangebot.« Ich fasse ihr den ungefähren Wortlaut zusammen und versuche, ihr Konzept sowie Bild möglichst genau zu beschreiben.
»Hast du den Brief nicht dabei?«
»Nein, ich habe ihn verbrannt. Ach ja, und sie nennen es urbanes Quartier mit Begegnungsflächen.«
»Grauenhaft. Wie hast du reagiert?«
»Was Crawford & Gray angeht, gar nicht. Aber ich habe mich mit einigen Geschäftsleuten sowie Anwohnerinnen und Anwohnern darüber unterhalten. Sie haben alle resigniert und unterschrieben. Mit dem Geld wollen sie sich zur Ruhe setzen oder woanders neu anfangen.«
Nana schüttelt missbilligend den Kopf. »Ihre Wurzeln hier reichen nicht tief genug.«
»Meine schon.«
»Das weiß ich.« Auf ihren Lippen zeigt sich ein feines Lächeln. »Darauf kannst du sehr stolz sein.«
»Das bin ich. Deswegen werde ich für das Delaney’s kämpfen.«
Sie tätschelt mein Knie. »Sehr gut.« Nimmt Tasse sowie Untertasse und lehnt sich zurück. »Erzähl weiter.«
»Na ja, gestern kam dieser Anwalt.« Auch davon berichte ich, nippe ab und zu an meinem Tee. »Und heute früh wurde ich darüber informiert, dass Mr. Crawford mich demnächst höchst persönlich aufsuchen wird.«
»Wann?«
»Das stand da nicht. Morgen ist Freitag, also gehe ich mal von Montag oder Dienstag aus, wenn die Arbeitswoche begonnen hat.«
»Dann bleibt uns ausreichend Zeit, einen Plan zu entwerfen. Der Artikel war schon mal eine gute Aktion, aber wir brauchen noch mehr Aufmerksamkeit. Personen vom Fach, aus der Politik und andere egangierte Menschen.«
»Habe ich auch überlegt. Allerdings wird es schwierig, an diese Leute heranzukommen.«
»Welche Möglichkeiten haben wir sonst noch?«
Ich schmunzle. »Nicht wir, Nana. Das hier ist mein Kampf, du bist im wohlverdienten Ruhestand.«
»Unsinn! Wir sind eine Familie und ich habe das Delaney’s nach meiner Tante über 50 Jahre geführt. Es aufgebaut, als Frauen noch kein Konto ohne ihren Ehemann führen durften. Also erzähl mir nichts vom Kämpfen, Schatz.«
In mir steigt erneut die Vorahnung auf, dass es ein schwieriges bis aussichtsloses Unterfangen werden könnte.
Meine Großmutter streckt den Arm aus, beugt sich vor und ergreift meine freie Hand. »Du hast Angst.«
»Hättest du keine?«
»Natürlich. Sie gehört dazu.«
»Was, wenn es unser letztes Weihnachten im Delaney’s ist? Möglicherweise sind wir einfach nur ein Relikt, das keine Chance hat gegen die modernen Entwicklungen.«
»Orte wie dieser verschwinden nicht, weil sie nicht mithalten können, sondern weil niemand mehr an sie glaubt.«
Mir entfährt ein Seufzen. »Das Gefühl überkommt mich auch gelegentlich.«
»Ich weiß, mit diesem Café wirst du nicht reich, aber du hast ein gutes Auskommen. Tust das, was du liebst. Schenkst so vielen Menschen eine besondere Zeit.«
»Aber kaum jungen Leuten. Falls die ihre Bücher nicht online bestellen, holen sie sich höchstens einen Kaffee bei Starbucks, bevor sie nach Hause gehen. Und Buchclubs treffen sich auch überwiegend im Internet. Bis auf unseren, versteht sich. Wundert es dich da, dass immer mehr Frauen und Männer vereinsamen?«
»Nein.« Nana lehnt sich zurück und schlägt die Beine übereinander, die in eleganten Wollhosen stecken. »Trotzdem könntest du versuchen, diese Personen zu erreichen.«
»Und wie? Unsere Followerzahl in den sozialen Medien ist lächerlich und ich habe weder Zeit noch Lust, ständig Beiträge, Reels oder Videos zu produzieren.«
»Du könntest das Angebot der New Yorker annehmen und in ihrem Gebäude ein modernes Buch-Café eröffnen.«
Vehement schüttle ich den Kopf. »Die Rede war nur von einem Coffeeshop, der ins Konzept passt. Und das ist so oberflächlich und schnelllebig wie alles heutzutage. Kein Platz für Bücher, Miteinander, Zeit für sich oder das Eintauchen in eine Geschichte.«
»Dann sollten wir sie mit den Waffen schlagen, die uns in dieser Welt zur Verfügung stehen. Wissen Maya und Rafael von der Situation?«
»Selbstverständlich. Es war nur fair, sie direkt über den Brief zu informieren.«
»Vielleicht kennen sie Menschen, die das mit diesen neumodischen Apps übernehmen können. Oder die Leute von Prolog & Punch? Em und Jules?«
»Hm.« Nachdenklich runzle ich die Stirn. »Einen Versuch wäre es auf jeden Fall wert.«
»Ganz genau.«
In mir meldet sich ein Funken Hoffnung. »Maya hat eine zusätzliche Challenge für unsere Weihnachtstradition geplant.« Kurz lege ich ihr die Details dar.
»Wie wunderbar! Das wäre doch perfekt, um es in die Welt zu tragen. Tradition und Challenge.«
»Du hast recht. Ich werde später mit allen sprechen, die da sind. Und zum Start unserer 12 Nights morgen kommen auch einige.«
»Na, siehst du! Dann müssen sie es nur noch weiterverbreiten, in ihre Freundeskreise, die Universität, wohin auch immer.«
Ich lächle. »Danke, Nana. Jetzt ist mir ein wenig leichter ums Herz.«
»Wie gesagt, du musst diesen Kampf nicht allein führen. Alle, die das Delaney’s lieben, werden dich unterstützen. Diese Power musst du lediglich aktivieren und nutzen. Und dann zeigen wir diesen großkotzigen New Yorkern mal, wie stark wir sind.«
Mir kommt eine Idee. »Oder wir wickeln diesen Mr. Crawford mit Herz und Weihnachtszauber ein, bis er aufgibt und die Shoppingmall um uns herum baut.«
Sie lacht leise. »Na, das wäre dann mal ein echtes Weihnachtswunder.«
Ja, vielleicht.
Aber in dieser magischen Zeit ist alles möglich.
Oder?
»Aber falls Sie die wahre Stimmung von Roncesvalles aufnehmen wollen, fahren Sie auf jeden Fall ein Stück mit der Straßenbahn.« Der Mitarbeiter am Empfang meines Hotels deutet mit seinem Stift zum Ausgang und von mir aus gesehen nach links. »Dafür laufen Sie etwa zehn Minuten die Straße hinunter und bis zur Station Dufferin Ecke King Street West. Nehmen die 504, King to Dundas West Station. An welcher Haltestelle Sie aussteigen müssen, sehen Sie dann am besten über Google Maps.«
Ich lächle freundlich. »Vielen Dank.«
»Gern geschehen. Viel Spaß.«
»Danke.« Ich wende mich ab, durchquere das Foyer und trete auf den Gehweg hinaus. Folge seiner Anweisung und der Straße Richtung Süden.
Fröstelnd schließe ich sämtliche Knöpfe meines Wollmantels und ziehe den Schal enger um meinen Hals.
Hier ist es verdammt kalt, das habe ich schon vor dem Flughafengebäude festgestellt, und am Gehwegrand häuft sich der letzte, geräumte Schnee.
Demnach vergrabe ich die Hände in den Taschen und gehe schneller, um mich ein wenig aufzuwärmen.
Es ist nicht einmal 15:30 Uhr, doch es dämmert bereits und die weihnachtlichen Beleuchtungen von Häusern, Wohnungen sowie Geschäften werden sichtbar.
Glücklicherweise sind außer mir nur wenige Menschen zu Fuß unterwegs, was mir das typische Gedrängel im Weihnachtsshopping erspart. Demnach komme ich langsam zur Ruhe, was ich unerwartet genieße.
Genauso wie die weißen Flocken, die kurz darauf vom Himmel segeln.
Seit wann magst du Schnee?
Keine Ahnung. Aber in dieser Form tut mir das alles hier erstaunlich gut.
Also reduziere ich das Tempo ein wenig und mustere die Bebauung rundherum. Den Mix aus Vergangenheit und Moderne, der hier noch weiter auseinanderzuklaffen scheint sowie andere Baustile umfasst als in New York.
Und dazu das teilweise verwirrende Geflecht von elektrischen Oberleitungen direkt über den Fahrbahnen.
Ich kenne oberirdische Straßenbahnen von einigen Aufenthalten in Europa, aber ich bin nie damit gefahren. Insofern fühle ich mich wie ein Abenteurer, sobald ich eines der roten Verkehrsmittel besteige und mein Smartphone an das Lesegerät halte, um zu bezahlen.
Drinnen positioniere ich mich am nächstgelegenen Fensterplatz, schaue in der App nach, wo ich aussteigen muss, und stecke das Telefon wieder ein.
Da die Scheiben getönt sind und sich die Deckenlampen darin spiegeln, entfällt die weitere Außenbeobachtung und ich lasse den Blick über die Personen in der Straßenbahn gleiten. Erfasse multikulturelle Vielfalt, soziales Verhalten, Gespräche oder Schweigen, passende Mimik und Gestik.
Eine knappe Viertelstunde nach Abfahrt erreiche ich die anvisierte Station, steige aus und betrete den Gehweg. Rufe mir das Bild von Google Maps ins Gedächtnis und laufe los.
Die Atmosphäre ist anders, was nicht daran liegt, dass es aufgehört hat zu schneien, und ich versuche, so viel wie möglich davon aufzusaugen, vor allem in Hinsicht auf das Bauprojekt.
Dieses Viertel entlang der Roncesvalles Avenue bietet deutlich mehr alte Häuser, die sich dicht aneinanderreihen, aber anscheinend keine Gebäude, die höher sind als drei Etagen. Und mindestens jedes zweite umfasst Einzelhandelsgeschäft oder Gastronomie- beziehungsweise Dienstleistungsbetrieb im Erdgeschoss.
Deren Fenster sind ausnahmslos weihnachtlich geschmückt, beleuchtet, und ich sehe in jedes einzelne von ihnen. Entdecke Menschen, die so vertraut miteinander wirken, als würden sie sich alle beim Namen kennen.
Am Anfang irritiert mich das, doch dann verstehe ich.
Hier wird nicht einfach nur verkauft, man knüpft soziale Kontakte, stärkt sie zu einem stabilen Netz.
Und das passt kein bisschen zur Präsentation unseres hiesigen Projekts.
Fuck.
Da muss ich mir wohl etwas Passenderes einfallen lassen.
An der nächsten Straßenecke bleibe ich stehen, schaue in die Runde und ziehe ein erstes Fazit.
Von außen wirkt Roncesvalles ähnlich wie Brooklyn, nur weniger bemüht und ohne die dortige Ironie.
Ehrlich, nahbar, echt.
Mal sehen, ob das Innere diesen Eindruck bestätigt.
Schließlich schlendere ich weiter, erreiche den südlichen der beiden Blocks, die für unser geplantes Bauwerk weichen sollen. Mustere im Vorbeigehen die Substanz der Gebäude, blicke auch hier in die betagten oder mitunter heruntergekommenen Geschäfte, die bald verschwinden werden.
Dahinter befinden sich eine entweihte, leer stehende Kirche im südlichen Block sowie eine kleinere, ehemalige Fabrikhalle im nördlichen, die in den letzten Jahren von einer gemeinnützigen Organisation genutzt und inzwischen aufgegeben wurde.
Was das angeht, wurde im Vorfeld des Projekts bestens recherchiert, die Stadtentwicklung greift an genau dem richtigen Ort.
Am Ende halte ich erneut am Straßenrand an und betrachte das hübsche, gut gepflegte Eckgebäude, in dem sich Delaney’s Books & Brews befindet.
Es ist eine Mischung aus Edwardian Classicism und Craftsman Style, ein solider rechteckiger Backsteinbau mit zwei Etagen, der vermutlich vor dem Ersten Weltkrieg errichtet wurde.
Zur Seitenstraße stehen zwei Bäume vor der Ziegelwand, die im Erdgeschoss außer dem großen Ladenfenster übereck nur noch hinten über ein großes Sprossenfenster und zwei kleinere verfügt, vermutlich die der Waschräume.
In der ersten Etage befinden sich über die gesamte Breite hinweg ausschließlich Sprossenfenster, zur Hauptstraße hin als Erkerfenster. Außerdem war es damals üblich, Oberlichter in das flache Dach einzubauen, also gehe ich davon aus, dass es auch bei diesem Haus so ist.
