Blankeneser Mordkomplott - Martin Barkawitz - E-Book

Blankeneser Mordkomplott E-Book

Martin Barkawitz

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Beschreibung

Mörderjagd im Nobelvorort! Als ein steinreicher und mächtiger Reeder in seiner Luxusvilla tot aufgefunden wird, fahnden Kommissarin Heike Stein und ihr Team von der SoKo Hamburg scheinbar nach einem Phantom. Zu viele Menschen hatten ein Motiv, das harte und herrschsüchtige Opfer tot sehen zu wollen.  Sex,Spielsucht und Geldgier sind nur drei Gründe, um Hermann Lorenzen ins Jenseits befördern zu wollen. Je tiefer Heike Stein in die Vergangenheit eintaucht, desto näher kommt sie dem wahren Täter. Und plötzlich muss die Kommissarin um das Leben einer jungen Frau kämpfen. Wird sie das Duell mit dem Unbekannten gewinnen? Der Autor Martin Barkawitz schreibt seit 1997 unter verschiedenen Pseudonymen überwiegend in den Genres Krimi, Thriller, Romantik, Horror, Western und Steam Punk.  Er gehört u.a. zum Jerry Cotton Team. Von ihm sind mehrere hundert Heftromane, Taschenbücher und E-Books erschienen. Kontakt sowie ein kostenloses E-Book unter: autor-martin-barkawitz.de   SoKo Hamburg - ein Fall für Heike Stein: - Tote Unschuld - Musical Mord - Fleetenfahrt ins Jenseits - Reeperbahn Blues - Frauenmord im Freihafen - Blankeneser Mordkomplott - Hotel Pacific, Mord inklusive - Mord maritim - Das Geheimnis des Professors - Hamburger Rache - Eppendorf Mord - Satansmaske - Fleetenkiller - Sperrbezirk - Pik As Mord - Leichenkoje - Brechmann - Hafengesindel - Frauentöter - Killer Hotel - Alster Clown - Inkasso Geier - Mörder Mama - Hafensklavin - Teufelsbrück Tod Ein Fall für Jack Reilly   - Das Tangoluder - Der gekreuzigte Russe - Der Hindenburg Passagier - Die Brooklyn Bleinacht - Die Blutstraße - Der Strumpfmörder - Die Blutmoneten   Vom gleichen Autor: Der Schauermann - ein historischer Hamburg Thriller aus dem Jahre 1892. "Super geschriebener Roman" (Leser) Blutmühle - Dark Fantasy Roman. "Sehr spannend und gut zu lesen" (Leser) Höllentunnel - Mystery Thriller

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Martin Barkawitz

Blankeneser Mordkomplott

SoKo Hamburg 6 - Ein Heike Stein Krimi

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

1

 

Bianca Ahlers war sich ihrer Schönheit bewusst. Die Fünfundzwanzigjährige drehte sich vor dem goldgerahmten Wandspiegel, in dem sie ihren ganzen Körper mit einem Blick betrachten konnte. Die langen Beine, die Brüste von Apfelgröße, den zarten Hals sowie das Madonnengesicht, eingerahmt von üppig auf die Schultern wallender dunkler Lockenpracht.

Es war so einfach, den Männern die Köpfe zu verdrehen!

Das dachte Bianca, während sie sich rasch ankleidete. Sie schlüpfte in seidene Dessous, streifte halterlose Strümpfe über ihre Beine und zog einen langen Tweedrock an, der bis zu den Waden reichte. Ein wahrhaft züchtiges Kleidungsstück, zu dem ihr cremefarbener Shetland-Rollkragenpullover passte.

Aber erstens waren schon die ersten Herbststürme über Hamburg gefegt und hatten die Sommergarderobe bis zum nächsten Jahr in die Schränke verbannt. Und zweitens wollte Bianca ihren Feinden nicht durch allzu freizügige Kleidung Argumente in die Hände geben.

Die junge Frau wusste, dass man sie für ein Flittchen hielt. Da war es nicht klug, sich auch noch wie eine Bitch zu kleiden.

Entsprechend dezent fiel auch ihr Make-up aus. Nur etwas Eyeliner und Hautcreme, das musste reichen. Einen Lippenstift benutzte Bianca niemals, denn ihr sinnlicher Mund war naturrot.

Plötzlich bewegte sich etwas hinter ihr!

Bianca schrak zusammen. Aber gleich darauf lächelte sie beruhigt. Sie stand mit dem Rücken zu dem großen Fenster ihres Zimmers. Und sie hatte im Spiegel nichts anderes gesehen als ein Frachtschiff, das aus dem Hamburger Hafen auslief.

Die junge Frau lebte nun schon seit einigen Wochen in dieser prächtigen Villa an der Elbchaussee. Aber noch hatte sie sich nicht daran gewöhnt, von ihrem Fenster aus einen Panoramablick auf den bedeutenden Seeweg zu haben.

Jedes Schiff, das den größten deutschen Hafen ansteuerte, musste unter ihrem Fenster vorbeifahren. Andere Menschen hätten vielleicht Fernweh bekommen, wenn sie die Wasserfahrzeuge aus fernen Ländern vorbeifahren sahen. Frachter aus Indien und Kanada, aus Japan und Ägypten und vielen anderen Ländern zogen an der weißen prunkvollen Villa vorbei.

Aber Bianca Ahlers dachte nicht so. Sie wollte nirgendwo anders sein als dort, wo sie sich zurzeit aufhielt. Und dafür hatte sie gute Gründe.

Einer der reichsten Männer Hamburgs war in sie verliebt!

Die junge Frau konnte es immer noch nicht richtig fassen. Voller Wärme dachte sie an ihn. Gewiss, es gab jüngere Männer als ihn. Und gewiss auch schönere.

Aber dieser Gentleman behandelte sie wie eine Prinzessin und verwöhnte sie so, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte.

Da fiel ihr Blick auf die schmale edelsteinbesetzte Damen-Armbanduhr, die er ihr geschenkt hatte. Er erwartete sie in fünf Minuten!

Unpünktlichkeit schätzte ihr Liebhaber nicht, aber sie würde ihn nicht warten lassen. Schließlich hielt er sich im selben Haus auf, in seiner eigenen herrschaftlichen Villa. Bianca musste nur die Treppe vom ersten Stockwerk ins Erdgeschoss hinabsteigen.

Sie schlüpfte noch in ihre wildledernen hochhackigen Pumps, in denen sie fast so groß war wie ihr hoch gewachsener Freund.

Die junge Frau verließ ihr Zimmer. Der persische Läufer auf dem Gang dämpfte ihre Schritte. An den Wänden hingen Portraits von düster dreinblickenden Männern mit Vollbärten und Hanseatenkrausen. So wurden die wagenradgroßen runden Kragen genannt, die in früheren Zeiten Hamburgs Ratsmitglieder und andere ehrenwerte Bürger um ihre Hälse trugen.

Wenn Bianca diese gemalten Gestalten erblickte, die zum größten Teil seit mehreren hundert Jahren tot waren, wurde ihr ihre eigene Jugend erst so richtig bewusst.

Die junge Frau erreichte das Erdgeschoss und durchquerte die große Empfangshalle mit dem Marmor-Fußboden. Keiner der anderen Hausbewohner begegnete ihr. Ob absichtlich oder zufällig – Bianca wusste genau, dass sie von dem Rest der Familie und dem Personal geschnitten wurde. Sie war nicht dumm, auch wenn ihre Feinde sie dafür hielten.

Bianca klopfte an die dicke eichene Kastentür, hinter der sich das Arbeitszimmer ihres Liebhabers befand.

Keine Reaktion.

Sie wartete fast eine Minute lang, dann klopfte sie lauter. Es war nun schon fast zwei Minuten nach drei Uhr. Plötzlich beschlich Bianca ein mulmiges Gefühl. Es musste etwas passiert sein. Ihr Freund war ein Mann mit festen Gewohnheiten. Wenn er einen Termin nicht einhalten konnte, sagte er frühzeitig ab.

Bianca hielt die Ungewissheit nicht mehr aus. Sie drückte die Türklinke hinunter. Es war nicht abgeschlossen. Die junge Frau tat einen Schritt hinein in den Raum.

Sie erblickte ihren Liebhaber sofort. Sein leerer Blick starrte an ihr vorbei. Der Oberkörper des Mannes war auf den Schreibtisch gesunken, an dem er saß. Sogar seinen Füllfederhalter hatte er noch in der Hand, die auf der grünen Schreibtischunterlage ruhte.

Um seinen Hals war eine dicke Vorhangkordel geschlungen. Man musste kein Detektiv sein, um zu erkennen, dass der Mann erwürgt worden war.

Bianca Ahlers benötigte nur wenige Sekunden, um all diese Einzelheiten wahrzunehmen. Dann schlug sie voller Entsetzen die Hände vor die Augen und schrie und schrie und schrie.

2

Der Alarm kam mit einem Fausthieb.

Die Kriminalhauptkommissarin Heike Stein von der Kripo Hamburg hatte eigentlich freies Wochenende. Das war ihr an diesem Samstag und Sonntag besonders wichtig, denn sie ließ eine Prüfung über sich ergehen.

Kung Fu war das Hobby der Kriminalistin mit der frechen blonden Kurzhaarfrisur. Seit Jahren trainierte sie in der Schule von Meister Fu die jahrtausendealte chinesische Kunst des waffenlosen Kampfes. Und da sie nicht nur aus Spaß an der Freude die verschiedenen Schläge und Tritte lernte, nahm sie natürlich auch an Qualifizierungen teil.

An diesem Wochenende hatte sie die Chance, in den nächsthöheren Schülergrad aufzusteigen. Großmeister Wong war nämlich direkt aus China angereist, um die Fähigkeiten der Kung-Fu-Kämpfer zu prüfen und bei Erfolg ihre Urkunden auszustellen.

Gerade jetzt musste sich Heike einer Übung stellen, die den Riesen-Feindeskreis durchbrechen hieß. Hierfür wurde die Kriminalistin von neun oder zehn ihrer Mit-Kämpferinnen und -kämpfer umringt. Diese mussten alles tun, damit Heike nicht entkommen konnte. Und die blonde Hamburgerin wiederum musste versuchen, die Umringung zu durchbrechen. Es war Teil ihrer Prüfung für den nächsthöheren Schülergrad.

Heike begann mit einem klassischen Fausthieb. Da ertönte plötzlich die Stimme ihres Meisters.

»Heike, meine Tochter. Deine Dienststelle hat angerufen. Du musst sofort kommen. Es ist dringend, heißt es.«

Für einen Moment fragte sich Heike, ob das ein Trick wäre, der zur Prüfung gehörte. Aber mit solchen Dingen machte Meister Fu keine Witze. Der Chinese wusste, dass sie Polizeibeamtin war. Und außerdem wurde sie nicht zum ersten Mal in ihrer Freizeit ins Präsidium zitiert.

Auch ihre Mitschüler hatten verstanden, dass die Übung nun zu Ende war. Nur Großmeister Wong, der kein Deutsch sprach, schien sich etwas zu wundern. Heike eilte zum Büro, das sich neben dem Dojo, der Trainingshalle, befand. Meister Fu hatte den Telefonhörer neben den Apparat gelegt.

Heike griff danach.

»Stein!«, rief sie etwas außer Atem.

»Hier spricht Ben.« Das war Ben Wilken, ebenfalls Hauptkommissar bei der Kripo Hamburg. Er war Heikes Dienstpartner. Sie lösten die meisten ihrer Fälle gemeinsam. »Tut mir leid, dass ich dich stören muss, Heike. Ich hatte mich auch auf das Wochenende gefreut, wollte mit unserer Kleinen heute ein Kinderbeet für sie im Garten anlegen. Na ja, nicht zu ändern. – Es hat einen Mord in Blankenese gegeben.«

»Wo denn genau?«

»An der Elbchaussee.«

Die Kriminalistin dachte kurz nach. Die Elbchaussee war eine der ersten Adressen von Hamburg. Wer dort wohnte, hatte den gesellschaftlichen Aufstiegnicht selbst geschafft. Das hatten seine Vorfahren für ihn erledigt, meist schon vor vielen hundert Jahren. An der Elbchaussee wohnten die alteingesessenen Patrizierfamilien, die Hamburg zu einer der reichsten Städte Europas gemacht hatten.

»Du sagst ja gar nichts mehr, Heike.«

»Ich habe nur gedacht, dass dieser Fall uns wahrscheinlich in die höchsten Gesellschaftskreise führen wird.«

»Richtig kombiniert, Frau Kollegin. Also zieh’ eine frisch gebügelte Bluse an.«

»Deine Witze waren auch schon mal besser, mein Lieber. Holst du mich ab?«

»Sicher. In zehn Minuten vor der Kampfkunstschule?«

»Ja, das schaffe ich.«

Heike verabschiedete sich schweren Herzens von ihren Kameraden und Meistern. Nun würde sie mit der Prüfung warten müssen, bis Großmeister Wong wieder mal nach Europa kam. Aber die Pflicht ging selbstverständlich vor.

Die Kripo-Beamtin eilte in die Damen-Umkleide und zog sich im Eiltempo um. Sie vertauschte ihre schwarze Tai-Chi-Hose und das weiße T-Shirt gegen Jeans, rostfarbenen Pullover und Tweed-Jackett. Außerdem hatte Heike in den Spind auch ihre Dienstwaffe eingeschlossen. Diese trug sie üblicherweise in einem Clipholster am Hosen- oder Rockbund. Ihren Dienstausweis hatte sie ebenfalls immer bei sich. Es kam eben nicht gerade selten vor, dass sie aus ihrer Freizeit in einen Einsatz gerufen wurde.

Als Heike die Kampfsportschule Yin und Yang verließ, fuhr gerade ein 3er BMW an den Straßenrand. Ben Wilken saß am Steuer. Er öffnete die Beifahrertür, und Heike ließ sich auf den Sitz neben ihm fallen. Ihre Tasche mit den Sportklamotten pfefferte sie in den Fond des Wagens.

Heike pfiff undamenhaft durch die Zähne, während ihr Kollege den Wagen wieder auf Trab brachte.

»Hast du dir gedacht, dass wir mehr Eindruck schinden, wenn wir auf der Elbchaussee mit einer standesgemäßen Karosse anrollen?«

Der Hauptkommissar lachte leise.

»Das hat mit Eindruck schinden nichts zu tun, Heike. Das hier war das einzige Zivilfahrzeug, das die Fahrbereitschaft mir heute zu bieten hatte. Wenn sie nur einen uralten Golf dagehabt hätten, würden wir in so einer Karre nach Blankenese rollen. – Schönen Gruß übrigens von Dr. Magnussen. Es täte ihm leid, uns das Wochenende zu vermiesen. Aber die eigentlichen Wachhabenden haben bereits einen anderen Fall.«

Heike nickte. Dr. Clemens Magnussen war ihr gemeinsamer Vorgesetzter. Wenn ihre Kollegen, die den regulären Wochenenddienst schoben, ausgelastet waren, dann mussten eben andere Beamte aus der Sonderkommission Mord des Landeskriminalamtes ran. Diesmal hatte es eben Ben und sie getroffen.

»Weißt du schon Näheres?«, fragte die Hauptkommissarin, während der BMW elbabwärts am Ufer entlang fuhr. Es war, als würde man in eine andere Welt eintauchen.

Heikes Kampfsportschule lag im tiefsten St. Pauli, dem weltbekannten Vergnügungsviertel. Doch St. Pauli war auch traditionell eine Arme-Leute-Gegend, wo zahlreiche Menschen jeden Cent drei Mal umdrehen mussten, bevor sie ihn ausgaben.

Auch Altona, das sie wenig später durchquerten, gehörte nicht gerade zu den vornehmen Vierteln der Hansestadt. Doch als der BMW an der Palmaille das Neue Rathaus Altona hinter sich ließ, begann die Elbchaussee. Am Anfang machte die Straße noch einen recht bescheidenen Eindruck. Doch je weiter sie nach Westen vordrangen, desto größer wurden die Grundstücke und die beeindruckenden Villen.

Zwischen der Elbchaussee und dem eigentlichen Ufer befanden sich schmale Parks wie der Donnerspark und der Hindenburg-Park. Wegen der Hanglage hatten die meisten Villenbesitzer einen unverbaubaren Panoramablick auf den mächtigen Strom.

»Ich weiß nur, dass ein gewisser Hermann Lorenzen ermordet wurde«, nahm Ben Heikes Frage auf. »Und der Name sagt dir als Hamburgerin ja gewiss etwas.«

»Das kann man wohl sagen«, stöhnte Heike. »Einer der reichsten und mächtigsten Männer unserer Stadt, uralte Schiffsreeder-Sippe ... oh, Dr. Magnussen wird uns den letzten Nerv rauben!«

Heikes und Bens Vorgesetzter war bekannt dafür, dass er sich Fälle mit reichen und prominenten Opfern immer besonders zu Herzen nahm. Weniger freundlich ausgedrückt: Er hatte Angst, sich in die Nesseln zu setzen, und übte deshalb gewaltigen Druck auf seine Untergebenen aus.

Die richtige Adresse war nicht schwer zu finden. Erstens sah die weiße Villa der Reederfamilie noch beeindruckender aus als die Bauten ihrer Nachbarn. Und zweitens parkten einige Einsatzfahrzeuge vor dem Anwesen, unter anderem der Kleinbus des Spurensicherungsteams.

Zwei uniformierte Kollegen hielten Wache, um Presse und Neugierige fernzuhalten. Ben parkte, und die beiden Kriminalisten stiegen aus und gingen auf die Streifenbeamten zu.

Doch bevor sie ihre blauen Kripo-Ausweise zückten, sagte der eine Uniformierte zum anderen: »Guck’ mal, das ist Sönkes Tochter! Von der hab’ ich dir doch schon erzählt!«

Heike verzog den Mund, als ob sie in eine saure Zitrone gebissen hätte. Es stimmte, sie war die Tochter von Sönke Stein. Dem Sönke Stein, den jeder Hamburger Schutz- und Kriminalpolizist kannte. Heikes Vater war vor seiner wohlverdienten Pensionierung Revierleiter der berühmt-berüchtigten Davidwache auf St. Pauli gewesen – jenem legendären Polizeikommissariat 15, das sogar in den USA bekannt war. Und das nicht nur, weil jenseits des Großen Teichs eine Biermarke namens St. Pauli Girl existierte ... Jedenfalls genoss Sönke Stein immer noch einen Ruf als Kult-Polizist und Hamburger Original.

Und weil das so war, stand Heike bewusst oder unbewusst im Schatten ihres berühmten Vaters. Wenn sie schlechte Laune hatte, litt sie darunter, dass sie für viele Polizisten immer nur »Sönkes Tochter« bleiben würde.

Der zweite Udel, der Heike noch nicht kannte, war offenbar ein Neuling. Er starrte sie an, als wäre sie ein Wesen von einem anderen Stern.

»Haltet die Stellung, Jungs!«, sagte Heike locker und eilte mit Ben an ihrer Seite durch das Gartentor auf das Gebäude zu.

3

In der Lorenzen-Villa herrschte absolutes Chaos. Das Spurensicherungsteam war bei der Arbeit. Ein Polizei-Fotograf lichtete die Leiche ab. Angehörige und wahrscheinlich auch andere Hausbewohner und Bedienstete redeten aufgeregt untereinander und auch mit einigen weiteren Polizisten, die sich am Tatort versammelt hatten.

Heike und Ben hängten ihre Kripo-Ausweise an ihre Revers, um sich nicht dauernd legitimieren zu müssen.

Zwei Männer in Overalls hoben die Leiche in einen Zinksarg, während eine ältere Frau aufschluchzte. Heike ging auf sie zu und berührte sie leicht am Ellenbogen.

»Guten Tag. Ich bin Hauptkommissarin Stein von der Kripo Hamburg. Ich möchte Ihnen meine aufrichtige Teilnahme aussprechen. Sind Sie die Witwe des Ermordeten?«

Die Dame musterte Heike mit einem abschätzigen Blick. Eben noch hatte sie ihren Gefühlen freien Lauf gelassen. Doch nun setzte sie wieder das übliche Pokergesicht auf, das Heike von den Mitgliedern der feinen Gesellschaft Hamburgs bereits zur Genüge kannte. Eine Miene, die angemessen war, wenn man es mit Dienstboten zu tun hatte. Und Heike war sich im Klaren darüber, dass sie als Polizeibeamtin sich ebenfalls zu denjenigen zählen durfte, die sozial weit unter der Blankeneser Patrizierin standen.

Die Witwe des Schiffsreeders war schätzungsweise so alt wie Heikes eigene Mutter, nämlich Anfang sechzig. Doch unzählige Aufenthalte in Schönheitssalons und vermutlich auch bei einschlägigen Chirurgen hatten ihre Haut fast jugendlich gehalten.

Doch dem geschulten Auge einer Kripo-Beamtin konnte die Dame nichts vormachen. Heike erkannte sofort, ob jemand wirklich noch jung war oder sich nur auf jugendlich trimmte.