Blitzlichtchaos - Thomas Jeier - E-Book
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Blitzlichtchaos E-Book

Thomas Jeier

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Beschreibung

Hinter den Kulissen geht es hoch her: der Jugendroman »Blitzlichtchaos« von Thomas Jeier jetzt als eBook bei jumpbooks. Als Tochter eines berühmten Schauspielers kennt die vierzehnjährige Daniela das aufregende Leben im Blitzlichtgewitter genau. Auch die Schattenseiten sind ihr bestens vertraut: Für ihren Auftritt in einem Fruchtzwerge-Werbespot wird sie noch heute, Jahre später, aufgezogen. Deshalb ist sie auch wenig begeistert, als ihre Mutter sie kurzerhand zu der großen neuen Quiz-Show »Ich will keine Schokolade« anmeldet. Nie hätte sie damit gerechnet, dass auch sie plötzlich vom Reiz des schillernden Showgeschäfts gepackt wird und den aufregenden Starrummel in vollen Zügen genießt – bis sie sich auf einmal mit allen Mitteln gegen die tückischen Machenschaften der Klatschpresse behaupten muss! Aber so leicht wird Daniela sich nicht geschlagen geben … Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Blitzlichtchaos« ist eine rasante Komödie von Bestseller-Autor Thomas Jeier für junge Leser ab 10 Jahren. Wer liest, hat mehr vom Leben: jumpbooks – der eBook-Verlag für junge Leser.

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Seitenzahl: 213

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Über dieses Buch:

Als Tochter eines berühmten Schauspielers kennt die vierzehnjährige Daniela das aufregende Leben im Blitzlichtgewitter genau. Auch die Schattenseiten sind ihr bestens vertraut: Für ihren Auftritt in einem Fruchtzwerge-Werbespot wird sie noch heute, Jahre später, aufgezogen. Deshalb ist sie auch wenig begeistert, als ihre Mutter sie kurzerhand zu der großen neuen Quiz-Show »Ich will keine Schokolade« anmeldet. Nie hätte sie damit gerechnet, dass auch sie plötzlich vom Reiz des schillernden Showgeschäfts gepackt wird und den aufregenden Starrummel in vollen Zügen genießt – bis sie sich auf einmal mit allen Mitteln gegen die tückischen Machenschaften der Klatschpresse behaupten muss! Aber so leicht wird Daniela sich nicht geschlagen geben …

Über den Autor:

Thomas Jeier wuchs in Frankfurt am Main auf, lebt heute bei München und »on the road« in den USA und Kanada. Seit seiner Jugend zieht es ihn nach Nordamerika, immer auf der Suche nach interessanten Begegnungen und neuen Abenteuern, die er in seinen Romanen verarbeitet. Seine über 100 Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.

Thomas Jeier veröffentlichte bei jumpbooks auch die folgenden eBooks:

Die Tochter des Schamanen

Biberfrau

Das Lied der Cheyenne

Die abenteuerliche Reise der Clara Wynn

Die Sterne über Vietnam

Sie hatten einen Traum

Flucht durch die Wildnis

Flucht vor dem Hurrikan

Sturm über Stone Island

Die Reise zum Ende des Regenbogens

Wohin der Adler fliegt – Das Leben der Elaine Goodale

Wo die Feuer der Lakota brennen

Hinter den Sternen wartet die Freiheit

Die Frauen von Greenwich-Village

Der Stein der Wikinger

Solange wir Schwestern sind

Die Website des Autors: www.jeier.de

Der Autor im Internet: www.facebook.com/thomas.jeier

***

eBook-Neuausgabe Oktober 2018

Dieses Buch erschien bereits 1999 unter dem Titel Ich will keine Schokolade bei Verlag Heinrich Ellermann, Hamburg.

Copyright © der Originalausgabe 1999 Thomas Jeier

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Copyright © 2018 jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/gostua

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)

ISBN 978-3-96053-263-7

***

Wenn dir dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir dir gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schick einfach eine eMail mit dem Stichwort Blitzlichtchaos an: [email protected] (Wir nutzen deine an uns übermittelten Daten nur, um deine Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

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Thomas Jeier

Blitzlichtchaos

Roman

jumpbooks

Kapitel 1

Im Hilton gab es keine Fruchtzwerge. Auch keine Kinderschokolade und keine Überraschungseier. Das Büfett reichte von einer Ecke des Ballsaals bis zur anderen und brach unter dem Hummer und dem Kaviar beinahe zusammen. Ich hatte es auf den bunten Obstsalat abgesehen und brauchte nicht zu drängeln. Die Schale mit den exotischen Früchten stand bei den Süßspeisen auf einem anderen Tisch. Mit einem Schälchen voller Kiwis und Mangoschnitze suchte ich nach meiner Mutter. Sie stand bei einem älteren Schauspieler, der mit Daddy auf Tournee gewesen war. Sie sah nicht besonders glücklich aus. Sie hörte nur mit dem halben Ohr hin und blickte eifersüchtig auf eine junge Schauspielerin, die mit einem berühmten Regisseur flirtete.

Wir waren auf einem Empfang der Filmakademie, und ich hätte mich am liebsten in die hinterste Ecke verkrochen. Ich hab nichts gegen solche Feste, ich war schon mit elf auf einem Filmball gewesen. Damals hatte Daddy den Goldenen Bambi als beliebtester Schauspieler in einem Fernsehfilm bekommen. Er hatte den Kinderarzt in einem Vierteiler gespielt, der vor Weihnachten im ZDF gelaufen war. Jetzt war ich vierzehn, fast schon fünfzehn, und konnte Daddy nur noch im Fernsehen sehen, weil sie die Serie gerade wiederholten. Meine Eltern waren seit einem halben Jahr geschieden. Daddy war mit einer jungen Fotografin davongelaufen. »Du musst das verstehen«, hatte er zu mir gesagt, »deine Mutter und ich haben uns auseinander gelebt. Du weißt ja selber, wie oft ich unterwegs war. Ich möchte euch nicht wehtun, aber ich möchte nicht mit einer Lüge leben!« Fast dieselben Sätze hatte er in der Arztserie zu seiner Partnerin gesagt.

Mama hatte die Scheidung nicht so locker weggesteckt. Sie hatte getobt und Daddy alle möglichen Dinge an den Kopf geworfen. Nicht, weil sie ihn abgöttisch liebte. Das war längst vorbei. Ich glaube, dass sie in ihrer Eitelkeit gekränkt war. Neben Daddy hatte sie immer im Scheinwerferlicht gestanden, und wenn ihr Bild in einer Zeitung oder Illustrierten aufgetaucht war, hatte sie sich riesig gefreut. Jetzt war alles anders. Die Presse kümmerte sich nur noch um Daddy und seine Freundin, und Mama wurde höchstens mit einer mitleidigen Zeile abgespeist.

Ich schnappte mir ein Glas und floh auf die Terrasse. Die frische Nachtluft tat mir gut. Ich beobachtete ein Pärchen, das über den Kiesweg zwischen den Bäumen schlenderte, und bekam eine Riesenwut auf meinen Daddy. Natürlich liebte ich ihn immer noch, aber ich fand es ziemlich billig, dass er mit der jungen Fotografin davongelaufen war. Wie in einem Kitschroman! »Bekannter Schauspieler brennt mit junger Blondine (23) durch!«, hatte in einer Sonntagszeitung gestanden. Letztes Jahr hatte er drei Monate in der Karibik gedreht, für eine neue Folge mit dem »Traumschiff«, und dort hatte er die junge Fotografin kennen gelernt. »Unter der heißen Karibiksonne erfüllte sich sein Traum vom neuen Glück«, schrieb eine Illustrierte, »enttäuschte Ehefrau (36) steht vor den Scherben ihrer Ehe.« Mama war ausgerastet.

Ich ließ das leere Glas stehen und kehrte in den Ballsaal zurück. Meine Mutter stand bei einem jungen Regisseur und versuchte vergeblich, mit ihm ins Gespräch zu kommen. »He, Sie sind doch Ingrid Burckhardt!«, sagte ein Mann neben ihr. So frech konnte nur ein Klatschreporter sein. Ich kannte den Typ von früher, ein großer Kerl mit einem Raubvogelgesicht und langen Armen, die einen Fotoapparat festhielten. Als die Arztserie rauskam, hatte er eine kitschige Story über Daddy geschrieben. Er arbeitete für eine billige Boulevardzeitung. »Ich dachte, Sie wären Ihrem Mann nach Afrika nachgefahren?«

»Wir sind geschieden«, erwiderte Mama verstört.

»Ich weiß, dass er mit der jungen Fotografin nach Kapstadt durchgebrannt ist«, sagte der Reporter. Mir fiel ein, dass er Harry Klein hieß. Er war ziemlich angeheitert und lallte beinahe. »Seit diese kleine Schlampe bei ihm ist, komme ich nicht mehr ran. Nur sie darf fotografieren!« Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch an uns vorbei. »Sagen Sie, können Sie mir was über Ihren Mann sagen? Ich meine, Ihren Ex-Mann!« Er grinste unverschämt. »Klappt es mit den beiden? Liebt er sie wirklich?«

Ich hatte Angst, dass Mama dem Kerl eine scheuerte, und wahrscheinlich hätte sie das auch getan, aber ein grauhaariger Mann hinderte sie daran. Er schob sich zwischen sie und den Reporter und schimpfte: »Lassen Sie die Dame in Ruhe!« Und zu meiner Mutter: »Kommen Sie, ich bringe Sie nach draußen ...«

Joe Mehnke, so hieß unser Retter, war ein gemütlicher Mann mit grauen Stoppelhaaren und listigen Äuglein hinter seiner Nickelbrille. Ich schätzte ihn auf Mitte vierzig. Unter seinem Smoking wölbte sich ein leichter Bauch. »Ich will mich nicht aufdrängen«, sagte er, nachdem er sich vorgestellt hatte, »aber ich kenne da ein kleines Lokal, gar nicht weit von hier, da ist es viel gemütlicher!« Er lächelte. »Ich weiß, es klingt ein bisschen aufdringlich, aber darf ich Sie und Ihre Tochter zu einem Gläschen einladen?«

»Ich weiß nicht«, erwiderte Mama, »es ist schon ziemlich spät und ...«

»Ein Gläschen, okay?«

»Meinetwegen«, gab sie schmunzelnd nach, »immerhin haben Sie mir das Leben gerettet!« Ich merkte, dass Joe meiner Mutter gefiel, und grinste, als wir zu seinem Wagen gingen. Ein weißer Kombi mit der Werbung eines Sportgeschäftes auf beiden Seiten. Zwischen den Nobelkarossen fiel er richtig auf. Mama raffte ihren Rock, als der freundliche Mann ihr die Tür aufhielt. »Früher hat mir meine Mutter immer verboten, zu fremden Männern in den Wagen zu steigen«, sagte sie, als wir vom Parkplatz fuhren.

»Ich bin harmlos«, erwiderte er.

Das Lokal lag in einer schmalen Gasse, nur ein paar Meter vom alten Marktplatz entfernt. Eine gemütliche Weinstube mit getäfelten Wänden und hölzernen Bauerntischen. Wir bekamen einen Eckplatz und bestellten zwei Schoppen und ein Mineralwasser. Aus einem Lautsprecher kam leise Schrammelmusik.

»Hier gefällt's mir wesentlich besser«, sagte Joe. Er prostete meiner Mutter und mir zu und trank genüsslich von seinem Wein. »Nichts gegen solche Empfänge! Am Anfang war's ganz interessant für mich, aber wenn ich ehrlich bin, kann ich mit den meisten Leuten wenig anfangen.« Er stellte sein Glas hin. »Ich hab ein Sportgeschäft in der Innenstadt. RTL hat vor einigen Wochen bei mir gedreht, eine Szene dieser blöden Seifenoper, die vor den Nachrichten läuft, und der Regisseur hat mir eine Karte für den Empfang geschenkt.« Er wurde nachdenklich. »Enttäuscht?«

»Nein, warum sollte ich?«, erwiderte sie lächelnd, und ich dachte: Vielleicht meint der liebe Gott es doch noch gut mit meiner Mutter. Ein normaler Mann brachte sie vielleicht auf andere Gedanken. Sicher, er war kein Bruce Willis oder Tom Cruise, aber besser als manche dieser aufgeblasenen Schauspieler war er allemal. Der Besitzer eines Sportgeschäfts! Ich musste beinahe lachen, als ich mir Mama in einem Trainingsanzug vorstellte.

»Sind Sie Schauspielerin?«, fragte er nach einer Weile.

»Nein«, antwortete sie, »ich war mit einem verheiratet. Aber das ist 'ne ganze Weile her! Jetzt lebe ich mit Daniela allein.« Sie lächelte mir zu. »Vielleicht wird sie mal Schauspielerin! Als Kind hat sie in einigen Werbefilmen mitgespielt! Erinnern Sie sich an den Spot mit den Fruchtzwergen? Sie war das kleine Mädchen!«

»Ja, den hab ich gesehen. Der war lustig.«

»Und in dem Spot mit den Überraschungseiern war sie auch dabei! Stimmt's, Daniela? Ich hab das Gefühl, dass sie mal groß herauskommt. Sie hat das Talent von ihrem Vater geerbt!«

Mir war es immer peinlich, wenn meine Mutter so redete. Es war sechs oder sieben Jahre her, dass ich in den Werbefilmen mitgespielt hatte, und ich verspürte wenig Lust, irgendwelchen Regisseuren oder Produzenten hinterherzulaufen. »Ich werde lieber Model«, sagte ich, »ich möchte mal selber Mode entwerfen.«

»Interessanter Job«, erwiderte Joe. »Wenn dir ein modischer Jogginganzug einfällt, sag mir Bescheid! So was kann ich immer brauchen!« Er nahm sein Glas und prostete mir lachend zu.

Ich entschuldigte mich und ging auf die Toilette. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass Joe mit meiner Mutter allein sein wollte. Ich wusch meine Hände und betrachtete mich in dem großen Spiegel. Seitdem ich zwei Kilo abgenommen hatte, sah ich viel besser aus. Auch das viele Obst, das ich seit einiger Zeit aß, hatte mir gut getan. Mein Gesicht wirkte frischer, so wie bei den jungen Models, und mein blondes Haar glänzte im Licht der Lampen, die über dem Spiegel hingen. Ich ging in die Weinstube zurück und musste kichern, als ich den neugierigen Blick eines jungen Mannes spürte. Wenn ich geschminkt war, sah ich älter aus. Ich zupfte meinen Rock zurecht und lächelte zufrieden.

Mama und Joe waren per du, als ich zum Tisch zurückkehrte.

»Ich fahr euch nach Hause«, sagte er, nachdem er bezahlt hatte.

Am nächsten Morgen fuhr ich mit dem Fahrrad zur Tankstelle. Im Shop war am Sonntag ordentlich was los, fast so viel wie nachmittags beim Bäcker, wenn das halbe Stadtviertel nach Kuchen anstand. »He, Daniela! Bist du aus dem Bett gefallen?«, rief Kerstin, meine beste Freundin. Sie stand in der langen Schlange vor dem Backstand. Seit einigen Monaten gab es frische Brötchen in der Tankstelle. Sie schmeckten besser als beim Bäcker.

Kerstin war genauso alt wie ich, trug ihre dunkelblonden Haare kurz geschnitten und lief ständig in denselben Jeans und demselben Sweatshirt herum. Ihre Turnschuhe waren ausgetreten. »In den alten Klamotten fühl ich mich am wohlsten«, behauptete sie, »ich will auch kein Model werden.« Ihre Eltern hatten ein Tapeziergeschäft, und sie war ziemlich praktisch veranlagt. Manche Leute wunderten sich, dass wir befreundet waren. »Was willst du denn mit der arroganten Zicke?«, hatte mal ein Typ zu ihr gesagt.

Dabei war ich gar nicht arrogant. Das sah höchstens so aus, weil ich immer ausgesuchte Klamotten trug und mein Vater ein berühmter Schauspieler war. »Kerstin!«, begrüßte ich sie immer noch mürrisch. Es dauerte einige Zeit, bis ich morgens auf Touren kam. »Ich dachte, du gehst viel früher einkaufen!« Sie war ein typischer Morgenmensch, kroch jeden Tag um sechs Uhr aus dem Bett und schlenderte fröhlich pfeifend durch die Wohnung.

»Ich bin spät dran«, meinte sie fröhlich. »Kommst du heute Nachmittag? Wie ich den Becker kenne, lässt er morgen eine Matheprobe schreiben! Wir könnten uns gegenseitig abhören!«

»Mathe? Und was ist mit ›West Side Story‹?«

Sie winkte lächelnd ab. »Die Maria passt nicht zu mir, außerdem kann ich nicht tanzen! Ich würde mir nur den Hals brechen! Mir reicht's, wenn ich mitsingen darf! Hast du die Maria drauf?«

»Für die eine Szene reicht's.«

Unsere Musiklehrerin hatte die Idee gehabt, einen Teil der »West Side Story« bei der Abschlussfeier aufzuführen, und morgen wollte sie entscheiden, wer die Hauptrollen spielte. Meine Mutter war fest davon überzeugt, dass ich die Rolle der Maria bekam. »Wer soll die Maria denn sonst spielen?«, fragte sie. Nicki war anderer Meinung. Die Streberin, die vor ein paar Monaten aus Wien zu uns gekommen war, hatte ein Auge auf den Typ aus der Zehnten geworfen und wollte die Rolle unbedingt haben!

Was die Matheprobe anging, war ich weniger gut vorbereitet. Die letzte Arbeit hatte ich ziemlich verhauen und ich brauchte unbedingt eine Drei, wenn ich auch eine Drei im Zeugnis haben wollte. Kerstin stand auf einer glatten Zwei. »Meinetwegen«, fügte ich mich, »aber danach gehen wir ins Kino, okay? Im Universal läuft der neue Film mit Jack Nicholson und Michelle Pfeiffer!«

»Wenn du mich einlädst?«

»Sag bloß, du bist schon wieder pleite!«

»Arm wie eine Kirchenmaus!«, antwortete sie scheinbar verzweifelt. »Ich hab mein ganzes Taschengeld für Bücher ausgegeben!« Sie war eine eifrige Krimileserin, die einzige, die ich kannte. »Aber für ein Mineralwasser reicht es bestimmt noch. Du zahlst die Karten und ich übernehme die Getränke, okay?«

»Um vier«, stimmte ich zu.

Vor dem Laden blieb Kerstin stehen. »Weißt du schon das Neuste?«, meinte sie. »Morgen kommt mein Bruder zurück!««

»Charly? Der verlorene Sohn? Sag bloß ...« Sie hatte oft von ihrem Bruder gesprochen, mir sogar mal ein Foto gezeigt, aber das war ziemlich alt und sah ihm bestimmt nicht mehr ähnlich. Er war drei oder vier Jahre älter als sie und hatte ein Schuljahr bei einer Gastfamilie in den USA verbracht. Er ging aufs Gymnasium, aber ich hatte ihn nie kennen gelernt, weil Kerstin erst vor sieben Monaten nach München gezogen war. Sie kam aus Bochum und sprach auch so. »Sag bloß, das Jahr ist schon rum?«

»Bei den Amis fangen die Sommerferien früher an«, erklärte sie. Wir gingen ein paar Schritte und blieben an der roten Ampel stehen. »Bin mal gespannt, ob er sich überhaupt noch ähnlich sieht ...«

»Vielleicht bringt er 'ne Freundin mit!«

»Oder 'ne Frau! Manche Amis heiraten mit sechzehn!«

Die Ampel schaltete auf Grün, und sie überquerte die Straße. »Das wär's«, rief ich ihr nach, »dein Bruder und verheiratet ...«

Beim Frühstück eröffnete mir meine Mutter, dass wir bei Hansi Lodewig und seiner Frau zum Mittagessen eingeladen waren. »Ein Höflichkeitsbesuch«, fügte sie hinzu.

»Aber wir kennen den Kerl doch kaum!«

»Er ist ein Freund deines Vaters!«

»Ein Bekannter!«

»Daniela!«, wies sie mich zurecht. »Er hat in der Serie mitgespielt. Daddy und ich haben uns mehrmals mit ihm getroffen! Außerdem kenne ich seine Frau sehr gut! Muss ich dich neuerdings um Erlaubnis bitten, wen ich jemanden besuchen will?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Dann kommst du mit?«

»Ja, aber ...«

»Was aber?«

»Ich wollte mich heute Nachmittag mit Kerstin treffen«, erwiderte ich kleinlaut. »Wir schreiben morgen eine Matheprobe und müssen noch lernen. Danach wollten wir ins Kino gehen. Im Royal läuft der neue Film mit Jack Nicholson und Michelle Pfeiffer!«

»Spielen die schon wieder zusammen? Ich denke, Jack Nicholson ist gerade Großvater geworden! Der ist doch doppelt so alt wie Michelle Pfeiffer!« Sie leerte ihren Kaffee und blickte grimmig in die Tasse. »Komisch, dass bei Männern niemand was sagt, wenn sie sich in eine jüngere Frau verlieben! Wie geht es aus?«

»Schlecht.«

»Na, hoffentlich!«

»Sie brennt mit seinem Sohn durch!«

»Das gefällt mir!« Mama lachte wieder und half mir sogar, den Tisch abzuräumen. »Wir bleiben nicht lange«, meinte sie versöhnlich, »zwischen zwei und drei sind wir wieder zu Hause.«

Während ich das Geschirr in die Spülmaschine stellte, ging sie ins Bad und machte sich zurecht. Sie schminkte sich sorgfältig und zog ein elegantes Kostüm an. Ich fragte mich, was sie von einem Schauspieler wie Hansi Lodewig wollte. Sie hatte ihn während der Dreharbeiten zu »Kinderarzt Dr. Bruckmann« kaum gesehen. Selbst Daddy hatte selten von ihm gesprochen.

Das Klingeln des Telefons erschreckte mich. Kerstin, dachte ich, sie will lieber den Film mit Sylvester Stallone sehen. Ich ging ins Wohnzimmer und nahm den Hörer ab. »Daniela Burckhardt.«

»Hallo, Daniela! Hier ist Joe!«, schallte es mir entgegen.

Ich ließ beinahe den Hörer fallen. Joe Mehnke, der freundliche Typ, der uns in die Weinstube eingeladen hatte. Er hatte Mama nicht vergessen! Er klang noch genauso nett wie gestern Abend, und als ich mir vorstellte, dass er im Bademantel auf seinem Wohnzimmertisch saß, musste ich schmunzeln. »Hallo, Joe!«

»Das klingt aber wenig begeistert«, erwiderte er fröhlich, »ich bin wohl ein bisschen zu früh dran!« Ich merkte, dass er aufgeregt war. »Ist deine Mutter zu Hause? Oder hat sie mich vergessen?«

»Nein, nein ... Einen Augenblick ...« Ich legte den Hörer auf die Kommode und rannte ins Bad. Meine Mutter stand vor dem Spiegel und begutachtete ihre goldene Kette. »Mama! Telefon!«

»Wer ist denn dran?«

»Joe Mehnke«, sagte ich leise. »Der Typ, der uns in die Weinstube eingeladen hat!«

»Was will der denn?«

»Er will dich bestimmt einladen!«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Er klingt so ... so verliebt!«

Mama fand die Antwort gar nicht lustig. Sie ging mit ernster Miene ins Wohnzimmer und griff nach dem Hörer. »Burckhardt«, meinte sie betont unpersönlich, obwohl sie wusste, wer am anderen Ende war. Wären das Finanzamt oder die Krankenkasse dran gewesen wäre, hätte sie sich auch nicht anders gemeldet.

Ich stellte mir vor, wie Joe Mehnke zusammenzuckte. »Ich bin's, Joe«, würde er sagen, »ich wollte dir nur sagen, dass es gestern Abend sehr schön war. Ich meine, ich war gern mit dir zusammen ...« Er würde verlegen husten und auf eine Antwort warten.

»Ich fand es auch sehr nett«, antwortete Mama. Es klang wenig herzlich und sehr ungeduldig. »Hören Sie, Joe ...«, fuhr sie fort.

Joe schnitt ihr das Wort ab, das erkannte ich an ihrer verdutzten Miene. Er würde sie daran erinnern, dass sie per du waren: »Ich denke, wir haben Brüderschaft getrunken, oder hab ich dich etwa umsonst geküsst?« Er würde den Vorwurf witzig verpacken, aber ich war sicher, dass er ein bisschen traurig war. Oder beleidigt.

»Hör zu, Joe«, begann sie noch einmal, »ich hab gerade wenig Zeit. Wir sind bei Freunden eingeladen und müssten längst weg sein! Melde dich heute Abend noch mal, ja?« Sie wartete seine Antwort gar nicht ab und hängte ein. »Nervtöter!«, schimpfte sie.

»Aber wir müssen erst in zwei Stunden gehen«, erwiderte ich verwundert. Joe Mehnke tat mir Leid. Er war ein netter Kerl und hatte es doch nur gut gemeint. Warum musste sie ihn so abblitzen lassen? »Was hast du gegen den armen Kerl?«, fragte ich.

»Ich hab keine Lust, jetzt mit ihm zu reden«, antwortete sie ärgerlich. »Vielleicht später!« Sie kehrte mit klappernden Absätzen ins Bad zurück. »Machst du mir die Haare, Daniela?«, fragte sie.

Hansi Lodewig und seine Frau wohnten in einer eleganten Eigentumswohnung außerhalb der Stadt. Der Schauspieler begrüßte uns überschwänglich, bot uns was zu trinken an und führte uns ins Wohnzimmer. Er gab sich jünger, als er wirklich war, und trug ein besticktes Baumwollhemd über den Jeans.

Es gab gebratene Hühnchen mit scharfer Schokoladensoße, ein Rezept, das seine Frau aus dem Fernsehen hatte, wie sie uns nach der Kerbelcremesuppe erzählte. Ingeborg Lodewig war eine typische Hausfrau, schwärmte von der Kochkunst ihrer Mutter und ihrem Sohn, der als Rechtsanwalt in Frankfurt arbeitete. Auch ihr Mann redete fast nur über Belanglosigkeiten, und ich fragte mich allmählich, warum sie uns eigentlich eingeladen hatten. Oder hatte Mama die beiden angerufen und sie so lange belabert, bis ihnen gar nichts anderes übrig geblieben war?

Über dem Hauptgericht erzählte Hansi Lodewig von seiner neuen Rolle, er spielte einen mordverdächtigen Zuhälter in einem »Tatort«-Krimi, und Mama lästerte über die jungen Starlets, die auf dem Filmball gewesen waren. »Ihr hättet sehen sollen, wie sie sich den Regisseuren an den Hals geworfen haben!« Ich hielt mich zurück, antwortete nur, wenn ich gefragt wurde, und war froh, als wir beim Nachtisch angelangt waren. Irgendwie kam mir die Einladung spanisch vor. Hansi Lodewig war bestimmt nicht der gute Freund, wie Mama mir weismachen wollte. Und mit Daddy war er auch nicht mehr befreundet. Sie hatten seit »Kinderarzt Dr. Bruckmann« nicht mehr zusammen gespielt.

Endlich war es vorüber. Ich bedankte mich artig und wartete, bis Mama sich von den beiden verabschiedet hatte. »Vielen Dank«, sagte sie, »und ich hoffe, wir dürfen uns bald revanchieren!« Sie griff nach ihrer Handtasche. »Übrigens, ich habe da ein kleines Problem! Vielleicht kannst du mir helfen!« Sie lachte nervös. »Keine große Sache! Aber ich hab keine Einladung für den Presseball bekommen! Man hat mich bestimmt vergessen und eigentlich will ich gar nicht hin, aber ich hab gehört, dass einige Freunde aus Amerika dort sind, und ich komme sonst nicht an sie heran! Den Veranstalter möchte ich nicht belästigen. Ich dachte, falls ihr jemand kennt, der seine Karte nicht braucht ...«

Mir stockte der Atem. Das war es also! Sie hatte keine Karte bekommen und konnte es nicht verwinden, dass man sie ausgebootet hatte! Wach auf, Mama, hätte ich am liebsten gerufen, das hast du nicht nötig! Was willst du auf dem Presseball? Verabrede dich lieber mit Joe Mehnke, da hast du mehr davon!

»Ich hör mich mal um, Ingrid«, versprach Hansi Lodewig und brachte uns zur Tür. »Vielleicht kannst du auch unsere Karten haben! Ich glaube nicht, dass wir Zeit haben. Ich ruf dich an, ja?«

»Das ist nett von dir«, säuselte meine Mutter. »Bis bald!«

Kapitel 2

Die Mathearbeit war in der ersten Stunde dran. Ich hatte die Formeln nicht vergessen und die Aufgaben liefen wie geschmiert. Sogar die lange Textaufgabe kapierte ich. Außer zwei blöden Flüchtigkeitsfehlern passierte nichts, und ich wurde noch vor dem Klingeln fertig. »Cool«, sagte ich in der kleinen Pause zu Kerstin, »das gibt 'ne sichere Drei! Vielleicht sogar 'ne Zwei!«

»Hab ich doch gesagt«, erwiderte Kerstin zufrieden, »wenn du die Formeln draufhast, lösen sich die Aufgaben praktisch von selber! Vor Musik hab ich viel mehr Angst! Ich glaub, ihr lacht mich alle aus, wenn ich den blöden Toni ansülze. Tonight, tonight«, sang sie mit verdrehten Augen und hielt sich schnell die Augen zu, als die Kandinski aus dem Lehrerzimmer rauschte.

Ingeborg Kandinski sah nicht wie eine Musiklehrerin aus. Sie war eine stämmige Frau, trug schlabbernde Hosenanzüge, damit man ihren Bauch nicht sah, und hielt ihre dunkelblonden Haare mit einer knallroten Spange zusammen. Wir schätzten sie auf Anfang fünfzig. Sie lebte nur für ihre Musik und konnte ziemlich ungemütlich werden, wenn man sich darüber lustig machte.

»Guten Morgen«, sagte sie mit ihrer viel zu dunklen Stimme, als sie den Musiksaal betrat und neben dem Klavier stehen blieb. Wir grüßten zurück und sie packte ihre Notenblätter aus. »Ich hoffe, ihr habt übers Wochenende fleißig gelernt! Wir haben noch ein paar attraktive Rollen zu vergeben. Bis jetzt steht lediglich fest, dass Andy Lattman aus der zehnten Klasse den Tony spielt.«

»Wenn ich nur an den Kerl denke, wird mir schlecht«, flüsterte ich meiner Freundin zu. »Bevor ich den umarme, falle ich tot um!«

Kerstin kicherte schadenfroh. »Leonardo wär mir auch lieber!«

Die Kandinski warf uns einen warnenden Blick zu. »Ich hoffe, ihr seid alle gut vorbereitet! Zur Abschlussfeier kommt das Lokalfernsehen und wir wollen uns doch nicht blamieren, oder?« Ihr Blick blieb an meiner Freundin hängen. »Kerstin, du hast die Anybody einstudiert, nicht wahr? Wie wär's mit einer Kostprobe?«

»Auch das noch!«, stöhnte Kerstin so leise, dass nur ich es hörte. Sie ging tapfer nach unten und blieb mit säuerlicher Miene vor der Musiklehrerin stehen. »Ich bin nicht besonders begabt!«

»Das hat Julie Andrews auch gesagt, als sie zur Schauspielschule ging«, erwiderte die Kandinski lachend, »und dann wurde sie ein Superstar! Sie konnte spielen, singen und tanzen und war auch am Broadway erfolgreich!« Sie setzte sich ans Klavier und blätterte in den Noten. »Die Szene auf dem Spielplatz ...«

Anybody war ein Mädchen, das sich wie ein Junge benahm und gern zur Bande von Rick gehören wollte. Aber die Jungen ließen sie immer wieder abblitzen. Auf dem Spielplatz taucht Anybody bei den Jets auf, so nennt sich die Bande, und wird von Rick durch Fingerschnippen vertrieben. »Und alle schnippen mit den Fingern«, rief die Kandinski, als sie in die Tasten griff, und Kerstin musste singen und tanzen und so tun, als hätte sie die Jungen vom Spielplatz vor sich. Sie konnte weder singen noch tanzen und schauspielern konnte sie überhaupt nicht. Bei einem Sprung rannte sie beinahe das Klavier über den Haufen.

Die Kandinski brach mit einem säuerlichen Lächeln ab. »Ich glaube, das ist tatsächlich nichts für dich! Eva? Was ist mit dir?«

Eva machte ihre Sache wesentlich besser und würde sich mit einem anderen Mädchen um die Rolle streiten, das genauso begabt war. Vielleicht durften sogar beide mitspielen. Es gab viele Rollen in der »West Side Story« und bis auf Kerstin und ein paar andere konnten alle mitmachen. Die Mädchen aus New York, die Mädchen aus Puerto Rico, die Straßenbanden, es fragte sich nur, wie groß eine Rolle war. »I want to be in America, I want to be in America«, sang das Mädchen, das hinter mir saß, und die Kandinski schwärmte: »Sehr gut, Eva, du hast die Rolle!«