Blood on Snow. Der Auftrag - Jo Nesbø - E-Book
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Blood on Snow. Der Auftrag E-Book

Jo Nesbø

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Beschreibung

Zwei Bestseller in einem Band - entdecken Sie Jo Nesbø Olav lebt das einsame Leben eines Killers. Als Killer ist es eben nicht unbedingt leicht, anderen Menschen nahe zu kommen. Doch jetzt hat Olav die Frau seiner Träume getroffen. Zwei Probleme stellen sich: Sie ist die Frau seines Chefs. Und Olav wurde gerade beauftragt, sie zu töten. Ulf ist Geldeintreiber. Sein Boss ist der Fischer. Der Fischer ist einer der Drogenhändler Oslos. Als Geldeintreiber wird man nicht unbedingt reich. Doch jetzt hat Ulf einen Weg gefunden. Glaubt er. Zwei Probleme stellen sich: Drogenhändler lassen sich ungern reinlegen. Und schicken sie ihre Killer los, braucht man ein gutes Versteck. Entdecken Sie auch MESSER, den neuen großen Kriminalroman um Kommissar Harry Hole!        

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Das Buch

Blood on Snow. Der Auftrag stieg in Norwegen sofort auf Platz 1 der Bestsellerliste ein. Es ist der Auftakt einer neuen Serie von Jo Nesbø; Band 2, Das Versteck, folgt im Frühjahr. Die Romane hängen nicht direkt zusammen, aber sie haben vieles gemeinsam: Es sind Thriller, schnell und intensiv. Im Mittelpunkt stehen harte Männer mit Herz, die eine folgenschwere Entscheidung treffen müssen.

»Der unumstrittene König des skandinavischen Kriminalromans. Die Klarheit, Prägnanz und ungewohnte Poesie von Blood on Snow zeigt uns eine neue, faszinierende Seite von Jo Nesbø.« The Times

Der Autor

Jo Nesbø, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er gehört zu den renommiertesten und erfolgreichsten Krimiautoren weltweit. Die Hollywood-Verfilmung seines Romans Der Schneemann wird von Martin Scorsese produziert, Blood on Snow. Der Auftrag von Leonardo DiCaprio. Jo Nesbø lebt in Oslo.www.nesbo.dewww.jonesbo.com

Jo Nesbø

BLOOD ON SNOW

DER AUFTRAG

Thriller

Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1180-7

Die Originalausgabe erschien 2015unter dem Titel Blod på snøbei Aschehoug, Oslo.

© 2015 by Jo Nesbø© der deutschsprachigen Ausgabe2015 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.Umschlaggestaltung: Cornelia Niere, MünchenUmschlagabbildung: Mann mit Pistole: © Mohamad Itani / Arcangel ImagesHintergrund: © Dave Wall / Arcangel Images

Ebook: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

KAPITEL 1

Der Schnee tanzte wie Baumwollflocken im Schein der Lampe. Richtungslos, nicht wissend, ob es nach oben oder unten ging, ließ er sich von dem eisigen Wind davontragen, der aus der Dunkelheit vom Oslofjord herüberwehte. So vereint wirbelten Luft und Schnee durch die Finsternis zwischen den verlassenen Lagerhäusern am Kai. Bis der Wind das Spiel irgendwann leid war und seinen Tanzpartner dicht an der Wand ablegte, wo sich die trockenen, zusammengewehten Kristalle unter den Schuhen des Mannes sammelten, dem ich gerade in Brust und Hals geschossen hatte.

Das Blut tropfte vom Hemdkragen auf den Schnee. Ich weiß nicht viel über Schnee – und auch sonst nur wenig –, aber irgendwo habe ich gelesen, dass Schneekristalle, die sich bei extremer Kälte bilden, ganz anders sind als die von Schneematsch oder Graupel. Die Struktur der Kristalle und die Trockenheit des kalten Schnees sorgen dafür, dass das Hämoglobin im Blut seine tiefrote Farbe behält. Ich jedenfalls musste beim Anblick des Schnees unter ihm an die Robe eines Königs denken, Purpur und Hermelin. Wie auf den Illustrationen in dem alten norwegischen Märchenbuch, aus dem meine Mutter mir immer vorgelesen hat. Sie liebte Märchen und Könige. Wohl deshalb hat sie mich nach einem von ihnen benannt.

In der Aftenposten stand, dass 1977 das kälteste Jahr seit dem Krieg werden könnte, wenn der extreme Frost noch bis Neujahr anhielte, und dass wir uns an dieses Jahr als den Beginn der neuen Eiszeit erinnern würden, von der die Forscher seit geraumer Zeit redeten. Aber was wusste ich schon? Ich wusste nur, dass der Mann, der vor mir lag, nicht mehr lange zu leben hatte. Das Zittern, das durch seinen Körper ging, war eindeutig. Er war einer der Männer des Fischers. Es war nichts Persönliches. Das habe ich ihm auch gesagt, bevor er an der Wand zusammensackte und einen blutigen Streifen auf den Steinen hinterließ. Obwohl ich nicht glaube, dass es ihm die Sache leichter gemacht hat, bloß weil es nichts Persönliches war. Sollte ich einmal selbst erschossen werden, dann lieber aus persönlichen Gründen. Jedenfalls habe ich das nicht gesagt, um nicht von seinem Geist verfolgt zu werden, ich glaube nämlich gar nicht an Geister. Mir ist ganz einfach nichts anderes eingefallen. Natürlich hätte ich den Mund halten können. Normalerweise tue ich das auch, aber dieses Mal war mir irgendwie danach, etwas zu sagen. Vielleicht lag es daran, dass in einigen Tagen Weihnachten war. Angeblich rücken wir Menschen ja zusammen, wenn sich dieses Fest nähert. Aber was weiß ich.

Ich dachte, das Blut würde an der Oberfläche des Schnees gefrieren, doch stattdessen sog der Schnee es tief in sich auf und versteckte es, als habe er damit irgendetwas vor. Auf dem Nachhauseweg stellte ich mir vor, wie sich ein Schneemann aus der Wehe erhob, unter dessen leichenblasser Eishaut die Adern zu sehen waren. Ich rief Daniel Hoffmann aus einer Telefonzelle an und sagte ihm, dass der Job erledigt sei.

Hoffmann war zufrieden und stellte wie gewöhnlich keine Fragen. Entweder hatte er im Laufe der vier Jahre, in denen ich für ihn expedierte, gelernt, mir zu vertrauen, oder er wollte einfach nichts wissen. Der Job war erledigt, warum sollte ein Mann wie er sich mit Details abgeben, wenn er doch dafür zahlte, weniger Probleme an der Backe zu haben. Er bestellte mich für den nächsten Tag in sein Büro, er hatte einen neuen Job für mich.

»Einen neuen Job?«, fragte ich und spürte mein Herz schneller schlagen.

»Ja«, sagte Hoffmann. »Einen neuen Auftrag.«

»Ah so.«

Erleichtert legte ich auf. Denn viel mehr als das, was ich machte, konnte ich auch nicht.

Es gibt vier Arten von Jobs, für die ich nicht zu gebrauchen bin. Einen Fluchtwagen fahren. Schnell fahren kann ich, das ist es nicht. Aber ich kann nicht anonym fahren, und wer einen Fluchtwagen fährt, muss beides können. Man muss es schaffen, ein Auto unter vielen zu sein. Ich habe mich und zwei andere in den Knast gebracht, weil ich nicht unauffällig genug gefahren bin. Ich bin gerast wie eine Wildsau, über Waldwege und Hauptstraßen, und hatte meine Verfolger längst abgehängt. Kurz vor der schwedischen Grenze bin ich dann vom Gas gegangen und brav wie ein Opa am Sonntagnachmittag weitergezockelt. Trotzdem wurden wir von einem Streifenwagen gestoppt. Hinterher meinten sie, sie hätten nicht einmal geahnt, dass es sich um einen Fluchtwagen handelte und dass ich weder zu schnell gefahren sei noch gegen irgendwelche Verkehrsregeln verstoßen hätte. Ich weiß nicht, warum, aber sie fanden meinen Fahrstil irgendwie verdächtig.

Für Raubüberfälle komme ich auch nicht in Frage. Ich habe gelesen, dass über die Hälfte aller Bankangestellten, die Opfer eines Raubüberfalls waren, anschließend psychische Probleme haben, einige sogar für den Rest ihres Lebens. Ich weiß nicht, aber der Alte an der Kasse des Postamts, das ich mal überfallen habe, hatte es verdammt eilig, psychische Probleme zu bekommen. Er ging schon zu Boden, als der Lauf meiner Schrotflinte nur vage in seine Richtung zeigte. Und schon am nächsten Tag stand was von psychischen Problemen in der Zeitung. Eine flotte Diagnose, aber trotzdem; will man irgendwas nicht haben, dann doch psychische Probleme. Also habe ich ihn im Krankenhaus besucht. Er hat mich natürlich nicht wiedererkannt, ich hatte in der Post ja auch eine Weihnachtsmannmaske auf. (Die perfekte Verkleidung, wirklich keine Sau hat in der Vorweihnachtshektik Verdacht geschöpft, als drei als Weihnachtsmänner verkleidete Typen mit Säcken über der Schulter aus dem Postamt kamen.) Ich blieb in der Tür des Zimmers stehen und musterte den Alten. Er lag auf dem mittleren Bett und las den Klassenkampf, die Kommunistenzeitung. Ich habe nichts gegen Kommunisten, nichts gegen Kommunisten als Individuen. Oder doch, das habe ich. Aber ich will nichts gegen sie haben, ich meine bloß, dass sie auf der falschen Fährte sind. Deshalb hatte ich so was wie den Anflug eines schlechten Gewissens, als ich merkte, dass ich mich viel besser fühlte, weil dieser Kerl den Klassenkampf las. Aber es gibt natürlich einen Unterschied zwischen dem Anflug eines schlechten Gewissens und einem wirklich schlechten Gewissen. Und ich habe mich, wie gesagt, viel besser gefühlt. Mit Raubüberfällen war von da ab trotzdem Schluss. Es konnte schließlich sein, dass der Nächste kein Kommunist war.

Drittens kann ich nicht mit Drogen arbeiten. Ich schaffe das einfach nicht. Dabei macht es mir keine Probleme, Leute in die Mangel zu nehmen, die meinen Chefs Geld schulden. Jeder Junkie muss sich erst einmal selbst an die Nase fassen, und ich bin ganz klar der Meinung, dass man für seine Fehler geradestehen muss. Nicht mehr und nicht weniger. Das Problem ist eher, dass ich ein schwaches, sensibles Seelchen bin, wie meine Mutter das immer genannt hat. Sie hat sich bestimmt in mir wiedererkannt. Wie dem auch sei, ich sollte meine Finger von den Drogen lassen. Schließlich bin ich – ihrer Meinung nach – der Typ Mensch, der nur darauf wartet, sich unterzuordnen. Egal ob ­einer Religion, einem großen Bruder oder einem Chef. Oder eben Drogen und Alkohol. Außerdem kann ich nicht rechnen, ich schaffe es kaum, bis zehn zu zählen, ohne mich zu verhaspeln. Und das ist gar nicht gut, wenn man dealt oder Geld eintreiben muss. Das versteht sich ja von selbst.

Okay, kommen wir zum letzten Punkt: Prostitution. Eigentlich ist es da auch wieder dasselbe. Ich habe keine Probleme damit, dass Frauen Geld mit etwas verdienen, was ihnen Spaß macht, oder dass ein Typ – zum Beispiel ich – ein Drittel ihrer Einnahmen einsteckt, um für sichere Rahmenbedingungen zu sorgen. Ich meine, sie sollen sich ja ganz auf ihr Handwerk konzentrieren können. Ein guter Zuhälter ist jede Krone wert, die man ihm zahlt, dieser Überzeugung war ich schon immer. Das Problem ist, dass ich mich schnell verliebe und dabei das Geschäft aus den Augen verliere. Außerdem mag ich keine Gewalt gegen Frauen, verliebt oder nicht. Vielleicht hat auch das mit meiner Mutter zu tun, wer weiß? Vielleicht kann ich deshalb nicht einmal zusehen, wenn andere Kerle Frauen verprügeln. Ich verliere dann den Kopf. Nehmen wir zum Beispiel Maria. Lahm und taubstumm. Ich weiß nicht, was diese beiden Dinge miteinander zu tun haben, vermutlich nichts, aber irgendwie scheint es wie mit einer Pechsträhne zu sein, hat man erst einmal schlechte Karten, geht das auch so weiter. Vermutlich hatte Maria deshalb auch einen Junkie zum Freund. Einen Kerl mit einem vornehmen, französischen Namen, der Hoffmann dreizehntausend schuldete. Drogengeld. Das erste Mal gesehen habe ich sie, als Pine, Hoffmanns oberster Zuhälter, auf eine Frau in einem selbstgenähten Kleid zeigte, sie hatte die Haare in einem Knoten am Hinterkopf zusammengebunden, als käme sie geradewegs aus der Kirche. Sie saß auf der Treppe der Ridderhalle und weinte. Pine erklärte mir, dass sie die Drogenschulden ihres Freundes abarbeiten solle. Ich dachte, es wäre gut, sie sanft an die Arbeit heranzuführen und erst einmal nur ein bisschen Handarbeit machen zu lassen. Aber sie stürzte schon nach zehn Sekunden aus dem ersten Auto, in das sie eingestiegen war. Stand da und heulte wie ein Schlosshund, während Pine sie anbrüllte. Vielleicht glaubte er ja, dass sie ihn hörte, wenn er nur laut genug brüllte. Vielleicht war dieses Brüllen, vielleicht aber auch die Sache mit meiner Mutter, schuld daran, dass ich den Kopf verlor. Dabei verstand ich die Argumente, die Pine ihr ins Hirn zu brüllen versuchte. Auf jeden Fall endete es damit, dass ich meinen eigenen Vorgesetzten zusammenschlug. Danach nahm ich Maria mit in eine Wohnung, die vermietet werden sollte, und ging zu Hoffmann und sagte ihm, dass ich als Zuhälter nicht taugte.

Worauf Hoffmann meinte – und auch dagegen lässt sich nichts einwenden –, er könne es nicht zulassen, dass jemand seine Schulden nicht bezahle, das würde sonst nur die Zahlungsmoral anderer und wichtigerer Kunden gefährden. Überzeugt, dass Pine und Hoffmann auf der Suche nach der Frau waren, die den Fehler begangen hatte, die Schulden ihres Liebsten zu übernehmen, machte ich mich auf die Suche nach dem Franzosen und fand ihn in einer Wohngemeinschaft oben in Fagerborg. Er war ebenso zugedröhnt wie pleite, so dass mir schnell klar war, dass ich nicht eine einzige Krone aus ihm herausholen würde, auch wenn ich ihn schwer durchschüttelte. Ich drohte damit, ihm das Nasenbein ins Hirn zu rammen, sollte er sich Maria nur einen Schritt nähern, wobei ich ernsthaft daran zweifelte, ob von beiden überhaupt noch was übrig war. Dann ging ich zu Hoffmann, sagte ihm, der Lover sei endlich zu Geld gekommen, gab ihm dreizehntausend und ließ ganz klar durchblicken, dass ich davon ausging, dass die Jagd auf die Frau damit ein Ende hatte.

Ich weiß nicht, ob Maria etwas genommen hat, als sie mit diesem Typ zusammen war, und ob auch sie dazu neigte, sich unterzuordnen, aber auf mich wirkte sie clean. Sie arbeitete in einem kleinen Lebensmittelladen, und ich überprüfte hin und wieder, ob alles in Ordnung war und ihr Junkie nicht doch aufgetaucht war, um sie wieder in den Dreck zu ziehen. Natürlich achtete ich darauf, dass sie mich nicht sah. Ich stand draußen im Dunkeln und sah in den hell erleuchteten Laden. Sie saß an der Kasse, tippte die Waren ein und zeigte auf eine ihrer Kolleginnen, wenn jemand sie ansprach. Vermutlich haben wir alle irgendwann das Bedürfnis, wie unsere Eltern zu sein. Ich weiß nicht, ob es an meinem Vater etwas gab, dem ich nacheifern wollte, aber vermutlich ging es bei mir ohnehin nur um meine Mutter. Sie verstand es besser, sich um andere als um sich selbst zu kümmern, und für mich war das damals wohl so eine Art Ideal. Was weiß ich. Ich hatte ohnehin nichts, wofür ich das Geld ausgeben konnte, das ich bei Hoffmann verdiente. Warum dann nicht einer jungen Frau aus der Patsche helfen, die eine Pechsträhne hinter sich hatte?

Also, zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich es nicht schaffe, langsam zu fahren, dass ich weich wie Butter bin, mich viel zu schnell verliebe und den Kopf verliere, wenn ich in Wut gerate. Und dass ich schlecht in Mathe bin. Ich habe eine Menge gelesen, weiß aber wenig und sicher nichts Nützliches. Und ich schreibe langsamer, als ein Stalaktit wächst.

Wieso also kann ein Mann wie Daniel Hoffmann jemanden wie mich brauchen?

Die Antwort lautet – das sollte mittlerweile deutlich geworden sein – als Expedient.

Ich brauche nicht zu fahren, ich töte in der Regel Männer, die es irgendwie verdient haben, und viel rechnen muss ich dabei auch nicht. Bislang jedenfalls nicht.

Dabei stellt sich allerdings die Frage: Wann weiß man so viel über seinen Chef, dass der sich Sorgen zu machen beginnt und immer häufiger überlegt, ob er seinen Expedienten nicht besser expedieren sollte. Es war wie mit der Schwarzen Witwe. Ich weiß nicht viel über Arachnologie, geschweige denn, was das Wort bedeutet, aber lassen die Witwen sich nicht von den viel kleineren Männchen begatten, um diese dann, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, aufzufressen?

In Brehms Tierleben, Band 2: Vielfüßler, Insekten und Spinnenkerfe, das in der Deichmanske Bibliothek steht, findet sich auf jeden Fall das Bild einer Schwarzen Witwe, in deren Geschlechtsöffnung noch der Pedipalpus, so etwas wie das Fortpflanzungsorgan der männlichen Spinne, und Reste des von ihr verschlungenen Hinterleibs stecken. Sogar der charakteristische blutrote, sanduhrförmige Fleck ist noch zu erkennen. Die Uhr tickt, du dummer, kleiner, pathetischer Kerl, erkundige dich bloß danach, wann die Besuchszeit zu Ende geht. Denn dann solltest du schleunigst das Weite suchen und selbst mit ein oder zwei Kugeln im Bauch – oder wo auch immer – zu dem gehen, der dir dann noch helfen kann.

Ja, das war wirklich meine Meinung. Tu, was du tun musst, aber geh nie zu nah ran.

Und genau deshalb gefiel mir der neue Auftrag von Hoffmann ganz und gar nicht.

Ich sollte seine Frau expedieren.

KAPITEL 2

»Ich will, dass es wie ein Einbruch aussieht, Olav.«

»Warum?«, fragte ich.

»Weil es nach etwas anderem aussehen muss, als es in Wahrheit ist. Die Polizei hängt sich bei Privatpersonen viel stärker rein, manchmal reagiert sie geradezu hysterisch. Und wenn eine Frau, die einen Geliebten hat, tot aufgefunden wird, deutet doch immer alles auf den Ehemann hin. In neunzig Prozent der Fälle zu Recht.«

»Vierundsiebzig, Sir.«

»Sorry?«

»Hab ich irgendwo gelesen, Sir.«

Eigentlich nennt man in Norwegen niemanden »Sir«, wie hoch er auch über einem stehen mag. Mit Ausnahme der Königsfamilie natürlich, die mit »Eure Königliche Hoheit« angesprochen wird. Daniel Hoffmann hätte das bestimmt auch gefallen. Den Titel »Sir« hatte er zusammen mit einer ledernen Sitzgarnitur, einem dunklen Mahagoniregal und einer Reihe ledergebundener Bücher mit alten, vergilbten Seiten, die nie jemand gelesen hatte, aus England importiert. Bestimmt Klassiker, aber mir sagten nur die bekanntesten Namen etwas: Dickens, Brontë und Austen. Auf jeden Fall machten die toten Dichter die Luft in seinem Büro so trocken, dass ich noch lange nach meinen Besuchen dort staubige Zellulose hustete. Ich weiß nicht, warum Hoffmann so fasziniert von England war. Er war während des Studiums eine Zeitlang dort gewesen und mit einem Koffer voller Tweedanzüge, Ambitionen und einem aufgesetzten Oxford-Akzent nach Norwegen zurückgekehrt. Aber ohne Examen oder andere Einsichten, als dass sich alles nur um das leidige Geld drehte. Und dass man, wollte man erfolgreich Geschäfte machen, da ansetzen musste, wo die Konkurrenz am schwächsten war. In Oslo war das damals der Frauenhandel. Ich glaube, die Analyse der Situation war letztendlich ganz einfach. Daniel Hoffmann sagte sich, dass er auf einem Markt, auf dem sich Scharlatane, Idioten und Amateure tummelten, selbst in all seiner Mittelmäßigkeit zur Nummer eins werden konnte. Es kam nur darauf an, moralisch die nötige Flexibilität zu beweisen, wenn man Tag für Tag junge Frauen rekrutieren und auf den Strich schicken wollte. Nach einer anfänglich noch vorsichtigen Testphase war sich Daniel Hoffmann sicher, dass er durchaus das Zeug dazu hatte. Ein paar Jahre später expandierte er in den Heroinmarkt. Zu diesem Zeitpunkt sah er sich selbst schon als erfolgreich an. Und da der Osloer Heroinmarkt damals in der Hand von Leuten war, die nicht nur Scharlatane, Idioten und Amateure, sondern noch dazu drogenabhängig waren, und Hoffmann erneut die notwendige moralische Flexibilität an den Tag legte, die es braucht, wenn man junge Menschen in die Drogenhölle schicken will, wurde auch dies zu einer Erfolgsgeschichte. Das einzige Problem für Hoffmann war der Fischer. Ein Konkurrent neueren Datums, der auf den Heroinmarkt drängte und der, wie sich zeigte, leider kein Idiot war. Es hätte in Oslo sicher genug Junkies für beide gegeben, aber das hinderte sie nicht daran, alles nur Erdenkliche zu tun, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Warum? Tja. Ich nehme an, dass keiner von beiden mein Talent hatte, sich unterzuordnen. Und dann gibt es immer Probleme, wenn Menschen, die regieren müssen, die den Thron haben müssen, entdecken, dass ihre Frauen untreu sind. Ich glaube, Leute wie Daniel Hoffmann könnten ein besseres und einfacheres Leben haben, wenn sie in der Lage wären, einfach mal ein Auge zuzudrücken und ihren Frauen die eine oder andere Affäre zu verzeihen.

»Ich hatte eigentlich vor, Weihnachtsferien zu machen«, sagte ich. »Wollte wen einladen und eine Zeitlang verschwinden.«

»Eine Reisebegleitung? Ich hätte nicht gedacht, dass du mit jemandem so intim bist, Olav. Genau das gefällt mir so an dir. Du hast niemanden, dem du deine Geheimnisse anvertrauen kannst.« Er lachte und klopfte die Asche von der Zigarre. Ich war nicht sauer, er meinte es nur gut. Auf der Banderole stand Cohiba. Irgendwo habe ich gelesen, dass um die Jahrhundertwende herum Zigarren die häufigsten Weihnachtsgeschenke waren, zumindest in der westlichen Welt. Vielleicht wäre das eine Idee? Aber ich wusste ja nicht einmal, ob sie rauchte. Bei der Arbeit hatte sie nie geraucht.

»Ich habe noch nicht gefragt«, sagte ich. »Aber …«

»Ich zahle dir das fünffache Honorar«, sagte Hoffmann. »Wenn du willst, kannst du deine Angebetete dann unbegrenzt mit in die Ferien nehmen. Natürlich nur, wenn du willst.«

Ich versuchte nachzurechnen, hatte dabei aber – wie gesagt – meine Schwierigkeiten.

»Hier ist die Adresse«, sagte Hoffmann.

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