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Messer E-Book

Jo Nesbø

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Beschreibung

Brillant und radikal einzelgängerisch - Harry Hole, der aus Schneemann und Durst bekannte Ermittler, ist zurück in einem wütenden Kampf gegen den Möder, der ihn seine ganze Karriere verfolgt hat. Kommissar Harry Hole ist am Boden. Seine Ehe und seine Karriere hat er aufs Spiel gesetzt. Und verloren. Nach einer durchzechten Nacht erwacht er ohne jede Erinnerung. Seine Kleidung ist voller Blut. Und nun beginnt für ihn der wahre Albtraum. Platz 1 der britischen Bestsellerliste! "Weltweit einer der besten Kriminalautoren." Daily Express

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Seitenzahl: 826

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Messer

Der Autor

JO NESBØ, 1960 geboren, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker. Er gehört zu den renommiertesten und erfolgreichsten Krimiautoren weltweit. Jo Nesbø lebt in Oslo. www.nesbo.de www.jonesbo.com Übersetzt von GÜNTHER FRAUENLOB, Jahrgang 1965. Er arbeitet seit über 20 Jahren als literarischer Übersetzer für Norwegisch und Dänisch. Zu den von ihm übersetzten Autoren zählen u.a. Lars Mytting und Gard Sveen. Er lebt in Waldkirch in der Nähe von Freiburg.

Das Buch

Harry Holes Albtraum ist wahr geworden: Seine Frau Rakel hat ihn rausgeworfen. Dass er seitdem wieder trinkt, dass er seinen Job an der Polizeihochschule verloren hat ist Nebensache. Um halbwegs durch den Tag zu kommen, arbeitet Hole wieder bei der Polizei, als einfacher Ermittler. Als er auf die Spur eines Mannes stößt, den er nach wie vor für einen brutalen Vergewaltiger hält, erwacht sein Jagdinstinkt. Schon einmal hat Hole Svein Finne hinter Gitter gebracht. Doch Finne ist ein harter Gegner. Und plötzlich wird Hole selbst zum Gejagten.

Jo Nesbø

Messer

Ein Fall für Harry Hole

Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

ISBN: 978-3-8437-2007-6 © 2019 by Jo Nesbø © der deutschsprachigen Ausgabe 2019 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Published by agreement with Salomonsson Agency Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: BÜRO JORGE SCHMIDT, München Umschlagabbildungen: © Plainpicture, © Shutterstock, © Archiv Büro Jorge Schmidt Autorenfoto: © Stian Broch E-Book-Konvertierung powered by pepyrus.com

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Inhalt

Titelei

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

Teil I

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Teil II

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Teil III

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Teil IV

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Anhang

Ankündigung: Blutmond

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Teil I

Teil I

Kapitel 1

Das zerrissene Kleid an der morschen Kiefer führte die Gedanken des alten Mannes zu einem Lied aus seiner Jugend, über ein Kleid an einer Wäscheleine. Nur dass dieses Kleid hier nicht wie in dem Lied im Südwind wehte, sondern im eiskalten Schmelzwasser des Flusses trieb. Dicht über dem kiesigen Grund war es still, und obwohl an diesem Märztag die Sonne schien und es erst fünf Uhr nachmittags war, kam von dem Licht dort unten nicht viel an. Dafür sorgten die Eisschicht und das vier Meter tiefe Wasser. Trotzdem hoben sich das Kleid und die Kiefer von dem seltsam grünlichen Halbdunkel ab. Es war ein Sommerkleid, das hatte er erkennen können, weiß mit hellblauen Punkten. Vielleicht war es nicht immer weiß gewesen, er wusste es nicht, das kam sicher darauf an, wie lange das Kleid schon dort unten am Zweig hing. Es bewegte sich in dem nie endenden Wasserstrom hin und her. Langsam und sanft, wenn der Fluss wenig Wasser führte, hektisch und starr bei Hochwasser. Der Stoff war immer dünner, rissiger geworden. Wie er selbst, dachte der Alte. Irgendwann war dieses Kleid für jemanden wichtig gewesen, ein Mädchen oder eine Frau, für die Augen eines Mannes oder die Arme eines Kindes. Doch jetzt war es verloren wie er selbst, der Zeit übereignet, ohne Funktion, ausgesondert, stumm und still. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Strömung auch den letzten Fetzen Stoff abriss und fortspülte.

»Was gibt es denn da zu gucken?«, hörte er eine Stimme hinter seinem Stuhl fragen. Er trotzte den Muskelschmerzen, drehte den Kopf und hob den Blick. Ein neuer Kunde. Der Alte vergaß mehr als früher, nie aber Gesichter seiner Kunden, wann auch immer sie im Simensen Jakt & Fiske gewesen waren. Dieser Kunde wollte weder eine Waffe noch Munition. Mit etwas Training erkannte man an ihren Augen, ob sie Wiederkäuer waren und dem Teil der Menschheit angehörten, der den Instinkt zu töten verloren hatte. Sie verstanden das Geheimnis der anderen nicht, nicht die Magie, dass ein Mann sich durch nichts auf der Welt lebendiger fühlte, als den Abzug zu drücken und ein großes, warmes Tier niederzustrecken. Der Alte tippte darauf, dass der Mann sich für die Blinker oder eine der Angelruten interessierte, die an dem Regal über und unter dem großen Fernsehschirm an der Wand vor ihnen hingen. Oder vielleicht für eine der Wildkameras auf der anderen Seite des Ladens.

»Er guckt in den Fluss, den Haglebuelva«, sagte Alf an seiner Stelle. Sein Schwiegersohn war zu ihnen getreten. Er wippte auf den Fußballen stehend auf und ab und hatte die Hände tief in der langen ledernen Schießweste vergraben, die er immer trug, wenn er im Laden war. »Wir haben letzten Sommer in Zusammenarbeit mit dem Kameraproduzenten da eine Unterwasserkamera installiert. Wir senden seitdem rund um die Uhr live von einer Stelle etwas oberhalb der Fischtreppe am Norafossen und kriegen ganz genau mit, wann die Fische mit dem Aufstieg beginnen.«

»Und wann ist das?«

»Ein paar kommen schon im April oder Mai, aber so richtig los geht es erst im Juni. Die Forellen müssen abgelaicht haben, wenn die Lachse kommen.«

Der Kunde lächelte dem Alten zu. »Dann sind Sie aber doch ein bisschen früh dran? Oder haben Sie einen Fisch gesehen?«

Der Alte öffnete den Mund. Er dachte die Worte, hatte sie nicht vergessen. Aber es kam nichts, sodass er den Mund wieder schloss.

»Aphasie«, sagte Alf.

»Was?«

»Schlaganfall, er spricht nicht. Suchen Sie nach Angelzeug?«

»Nein, ich brauche eine Wildkamera«, sagte der Kunde.

»Dann sind Sie Jäger?«

»Jäger? Nein, Gott bewahre. Ich habe draußen vor meiner Hütte im Sørkedalen Exkremente gefunden, und das Zeug sah anders aus als alles, was ich bisher gesehen habe. Ich habe davon Bilder auf Facebook gepostet und gefragt, was das sein kann. Die Antwort kam prompt. Das sollen Bärenexkremente sein. Ein Bär, stellen Sie sich das mal vor. In einem Wald, der mit dem Auto gerade mal eine halbe Stunde vom Zentrum der norwegischen Hauptstadt entfernt ist.«

»Aber das ist doch fantastisch.«

»Kommt ganz darauf an, was Sie unter ›fantastisch‹ verstehen. Ich habe da eine Hütte, in die ich mit meiner Familie fahre. Ich will, dass dieses Vieh geschossen wird.«

»Ich bin Jäger, ich kann Sie sehr gut verstehen, aber Sie wissen ja selbst, wie das in Norwegen ist. Bis vor wenigen Jahren gab es noch richtig viele Bären, trotzdem ist in den letzten paar Hundert Jahren kaum ein Bärenangriff mit tödlichem Ausgang gemeldet worden.«

Elf, dachte der Alte. Elf Menschen seit 1800. Der letzte 1906. Er konnte nicht mehr sprechen und war auch motorisch nicht mehr auf der Höhe, aber sein Gedächtnis funktionierte noch. Und er konnte klar denken. Meistens jedenfalls. Manchmal war er etwas verwirrt, und hin und wieder sah er auch, wie sein Schwiegersohn und seine Tochter sich Blicke zuwarfen, denen er entnehmen konnte, dass er irgendetwas verwechselt haben musste. In den ersten Jahren nach der Übergabe des Ladens, den er vor fünfzig Jahren gegründet und seither betrieben hatte, war er noch eine Hilfe gewesen. Aber seit dem letzten Schlaganfall saß er nur noch in seinem Sessel. Was nicht schlimm war, da er seit Olivias Tod nichts mehr vom Leben erwartete. In der Nähe seiner Familie zu sein, jeden Tag ein warmes Essen, im Laden in seinem Sessel zu sitzen und das immer gleiche, stumme Fernsehprogramm, das reichte ihm. Das Tempo war wie ein Spiegel seines Lebens. Das Aufregendste, was passieren konnte, war der erste Fisch, der zur Laichzeit die Fischtreppe erklomm.

»Was natürlich nicht heißt, dass das nicht passieren könnte.« Der Alte hörte, dass Alf mit dem Kunden zu dem Regal mit den Wildkameras gegangen war. »Auch wenn die wie Teddybären aussehen, sollte man auf der Hut sein. Alle Fleischfresser töten. Es ist schon richtig, dass Sie sich eine Kamera anschaffen, dann wissen Sie ein für alle Mal, ob das Tier sich in der Nähe der Hütte niedergelassen hat oder nur vorbeigelaufen ist. Die Braunbären verlassen übrigens gerade ihre Winterhöhlen, und dann haben sie Hunger. Installieren Sie die Kamera dort, wo Sie die Exkremente gefunden haben, oder auch direkt an Ihrer Hütte.«

»In diesem Nistkasten steckt die Kamera?«

»Der Nistkasten, wie Sie den nennen, schützt vor Wind und Wetter und vor zu aufdringlichen Tieren. Die Kamera ist einfach, hat aber ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Sie hat eine Fresnel-Linse. Sie erkennt die infrarote Strahlung, also die Wärmestrahlung, die Tiere, Menschen oder auch andere Dinge abgeben. Ist diese Strahlung stärker als die der Umgebung, wird automatisch der Film gestartet.«

Der Alte hörte nur halb zu, etwas auf dem Bildschirm hatte seine Aufmerksamkeit gefesselt. Er konnte nicht genau erkennen, was es war, aber etwas in dem grünen Dunkel schimmerte.

»Der Film wird in der Kamera gespeichert – so können Sie ihn sich anschließend auf Ihrem PC ansehen.«

»Das ist fantastisch.«

»Ja, aber Sie müssen immer zur Kamera und die Speicherkarte entnehmen, um zu sehen, ob es neue Aufnahmen gibt. Andernfalls müssten Sie sich für dieses etwas teurere Modell entscheiden, das informiert Sie mittels SMS, wenn neue Bilder aufgenommen werden. Jedes Mal. Und dann gibt es noch das Spitzenmodell hier. Das hat auch eine Speicherkarte, sendet aber die Aufnahmen parallel an Ihr Handy oder Ihre Mailadresse. Dann können Sie zu Hause im Wohnzimmer alles live verfolgen. Sie müssen dann nur noch ab und zu die Batterien in der Kamera wechseln.«

»Und was, wenn der Bär nachts kommt?«

»Die Kameras verfügen über ein Black LED-Light, manche auch über ein White LED-Light. Dieses Licht ist für die Tiere nicht sichtbar, sodass sie nicht verscheucht werden.«

Licht. Natürlich, das war es. Der Alte verstand es jetzt. Irgendwo von rechts näherte sich ein Lichtkegel, der sich durch das grüne Wasser bohrte und auf das Kleid fiel. Schaudernd dachte er für einen Moment an ein junges Mädchen, das endlich zum Leben erweckt wurde und vor Freude tanzte.

»Das ist ja die reinste Science Fiction!«

Der alte Mann öffnete den Mund, als er das Raumschiff ins Bild gleiten sah. Es war von innen beleuchtet und schwebte etwa anderthalb Meter über dem Grund. Die Strömung trieb es gegen einen Stein und wie in Zeitlupe drehte es sich um die eigene Achse. Das Licht der Scheinwerfer streifte über den Kies und blendete den Alten für einen Moment. Schließlich blieb das schwebende Fahrzeug an einem dicken Ast der Kiefer hängen. Der Alte spürte sein Herz klopfen. Es war ein Auto. Drinnen brannte noch Licht, obwohl der Innenraum fast bis zur Decke mit Wasser gefüllt war. Und dann sah er, dass sich in dem Auto eine Person befand, die halb auf dem Fahrersitz aufgerichtet verzweifelt den Kopf an das Dach presste, wohl um Luft zu bekommen. Dann brach einer der morschen Äste, die das Auto gestoppt hatten, und trieb mit der Strömung ab.

»Die Bilder sind natürlich nicht so scharf wie bei Tageslicht, und die Aufnahmen sind auch nur in Schwarz-Weiß. Aber wenn kein Tau oder anderer Dreck auf der Linse ist, werden Sie den Bären schon erkennen.«

Der Alte stampfte mit dem Fuß auf den Boden, um Alfs Aufmerksamkeit zu erregen. Die Person im Auto schien noch einmal tief Luft zu holen und tauchte dann unter. Die kurzen Haare wogten in dem Wasser hin und her, die Wangen waren aufgeblasen. Der Mann versuchte jetzt mit beiden Händen gegen das Seitenfenster in Richtung Kamera zu schlagen, das Wasser nahm ihm jedoch alle Kraft. Der Alte umfasste die Armlehnen und wollte sich aus dem Sessel hochdrücken, aber seine Muskeln gehorchten ihm nicht. Er registrierte, dass ein Mittelfinger des Mannes irgendwie grau wirkte. Dann hörte er auf, die Fäuste gegen die Scheibe einzusetzen, und bearbeitete sie stattdessen mit der Stirn, es schien allerdings, als hätte er schon aufgegeben. Ein weiterer Ast brach, und die Strömung ruckte und zerrte an dem Auto, noch wollte die Kiefer es aber nicht freigeben. Der Alte starrte auf das gezeichnete Gesicht, das sich von innen gegen die Scheibe drückte. Die hervorquellenden blauen Augen. Eine Narbe, die sich in einem Bogen vom Mundwinkel bis zu einem Ohr zog. Der Alte hatte sich aufgerichtet und machte zwei vorsichtige Schritte in Richtung der Wildkameras.

»Entschuldigen Sie«, sagte Alf ungläubig und ging mit raschen Schritten am Alten vorbei in Richtung Fernseher. »Ein Fisch?«

Der Alte schüttelte den Kopf und drehte sich wieder zum Fernseher um. Das Auto. Es war verschwunden. Alles war wie zuvor. Der kiesige Grund, die tote Kiefer, das Kleid, das grünliche Licht, das durch das Eis fiel. Als wäre nichts geschehen. Der Alte stampfte noch einmal mit dem Fuß auf den Boden und zeigte auf den Fernseher.

»Immer mit der Ruhe, Vater«, sagte Alf und tätschelte die Schulter des Alten. »Die Laichzeit hat doch noch gar nicht angefangen.« Er ging zurück zu dem Kunden mit der Wildkamera.

Der Alte sah zu den beiden Männern hinüber, die ihm den Rücken zuwandten, und spürte Wut und Verzweiflung in sich aufkeimen. Wie konnte er erklären, was er gerade gesehen hatte? Der Arzt hatte gesagt, dass der Schlaganfall sowohl den vorderen als auch den hinteren Teil der linken Gehirnhälfte in Mitleidenschaft gezogen habe, weshalb vermutlich nicht nur das Sprachzentrum, sondern generell die Fähigkeit zu kommunizieren betroffen sei. Also auch das Schreiben und Gestikulieren. Der Alte schob seine Füße langsam zurück zum Sessel und setzte sich wieder. Starrte in den endlos strömenden Fluss. Als wäre nichts gewesen.

Nach ein paar Minuten hatte sich sein Herz wieder etwas beruhigt. Wer weiß, vielleicht war das alles ja gar nicht passiert. Vielleicht war es nur ein Hirngespinst, ein weiterer Schritt in die senile Dunkelheit. Oder ins grelle Reich der Halluzination. Er starrte auf das Kleid. Als das Scheinwerferlicht des Autos darauf gefallen war, hatte er für einen Moment Olivia darin tanzen sehen. Und geglaubt, das Gesicht zu kennen, das sich hinter dem Seitenfenster im beleuchteten Innenraum des Wagens abgezeichnet hatte. Aus dem Laden. Die einzigen Gesichter, an die er sich erinnerte, waren die, die er hier drinnen gesehen hatte. Und diesen Mann hatte er zweimal gesehen. Die blauen Augen und die leberfarbene Narbe. Beide Male hatte er eine Wildkamera gekauft. Die Polizei war erst kürzlich im Geschäft gewesen und hatte nach diesem Mann gefragt. Der Alte hätte ihnen aber nur sagen können, dass er groß war und ganz besondere Augen hatte. Einen Blick, der jedes Geheimnis zu kennen schien und der ihm verraten hatte, dass dieser Mann kein Wiederkäuer war.

Kapitel 2

Svein Finne beugte sich über die Frau und legte ihr die Hand auf die schweißnasse Stirn. Ihre Augen starrten ihn direkt an, weit aufgerissen vor Schmerz. Oder Angst. Vermutlich Letzteres, dachte er.

»Hast du Angst vor mir?«, flüsterte er.

Sie nickte und schluckte. Er hatte sie schon immer schön gefunden. Egal, ob sie aus dem Haus ging oder wieder zurückkam, im Fitnessstudio war oder ein paar Meter von ihm entfernt in der U-Bahn saß. Nie aber hatte sie ihn so fasziniert wie jetzt, da sie so hilflos in seiner Gewalt war.

»Ich verspreche dir, dass es schnell gehen wird, Geliebte«, flüsterte er.

Sie schluckte. War wie gelähmt. Er fragte sich, ob er sie küssen sollte.

»Ein Stich in den Bauch«, flüsterte er. »Dann ist alles vorbei.«

Sie kniff die Augen zusammen, und zwei dicke Tränen bildeten sich auf ihren Augenlidern.

Svein Finne lachte leise. »Du wusstest doch, dass ich kommen würde. Dass ich dich nicht gehen lassen könnte. Ich hatte es dir versprochen.«

Er fuhr mit dem Zeigefinger über die Mischung aus Schweiß und Tränen auf ihrer Wange. Betrachtete eines ihrer Augen durch das große, klaffende Loch in seinem Handrücken, die Schwinge des Adlers. Das Loch stammte von der Kugel eines damals noch jungen Polizisten. Sie hatten Svein Finne wegen achtzehn sexuellen Übergriffen zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte die Taten nicht bestritten, sich aber gegen das Wort Übergriff gewehrt. Und gegen die Tatsache, dass ein Mann wie er für so etwas bestraft wurde. Der Richter und die Geschworenen waren jedoch der Meinung gewesen, dass die norwegischen Gesetze über denen der Natur stünden. So viel dazu.

Ihr Auge starrte ihn durch das Loch an.

»Bist du bereit, Liebste?«

»Nenn mich nicht so«, wimmerte sie. »Und bitte … kein Messer …«

Svein Finne seufzte. Warum hatten alle solche Angst vor Messern? Es waren die ersten Werkzeuge der Menschheit, die Menschen hatten zweieinhalb Millionen Jahre Zeit gehabt, um sich daran zu gewöhnen, und noch immer gab es Leute, die deren Schönheit nicht erkannten und nicht einsehen wollten, dass unsere Vorfahren nur dank des Messers von den Bäumen hatten herabsteigen können. Jagd, Hausbau, Landwirtschaft, Essen, Verteidigung. Das Messer nahm nicht nur Leben, es schenkte es auch. Das eine war ohne das andere nicht möglich. Nur wer das verstand, wer diese menschliche Seite konsequent akzeptierte, konnte das Messer lieben. Fürchten und lieben. Zwei Seiten derselben Medaille.

Svein Finne hob den Blick. Sah zu den auf der Anrichte bereitliegenden Messern. Er musste nur noch die Wahl treffen. Das richtige Messer für die richtige Tätigkeit war entscheidend. Die Messer waren gut, zweckdienlich, von herausragender Qualität. Trotzdem fehlte ihnen, was Svein Finne an Messern besonders schätzte. Persönlichkeit, Seele, Magie. Bevor der groß gewachsene junge Polizist mit den störrischen Haaren alles kaputtgemacht hatte, war Svein Finne der stolze Besitzer einer stattlichen Sammlung von insgesamt sechsundzwanzig Messern gewesen.

Das schönste war ein javanisches Messer. Mit langer, dünner, asymmetrischer Klinge, wie eine sich windende Schlange mit Griff. So schön wie eine Frau. Dieses Messer war in der Handhabung vielleicht nicht das beste, seine hypnotische Wirkung ließ die Menschen aber tun, was er sagte. Die wirkungsvollste Mordwaffe seiner Sammlung war ein Rampuri gewesen, das Lieblingsstück der indischen Mafia. Es hatte eine Eiseskälte ausgestrahlt und war von faszinierender Hässlichkeit gewesen. Ein Karambit, ein Messer in Form einer Tigerklaue, war effizient und schön. Aber die Schönheit war möglicherweise zu inszeniert, wie bei einer zu stark geschminkten Hure oder einem etwas zu engen Kleid mit tiefem Ausschnitt. Svein Finne hatte sich nie dafür begeistern können. Er mochte die unschuldigen, die jungfräulichen, auch die einfachen. Wie der Favorit in seiner Sammlung, das finnische Puukko-Messer. Der Griff war aus nussbraunem, glattem Holz gewesen, die Klinge kurz mit einer Vertiefung und einer nach oben gebogenen Spitze. Er hatte das Puukko in Turku gekauft und es zwei Tage später benutzt, um einem rundlichen, achtzehnjährigen Mädchen, das mutterseelenallein in einer Tankstelle vor Helsinki arbeitete, die Situation zu erklären. Schon damals hatte er – wie immer, wenn er sexuell erregt war – zu stottern begonnen. Aber das war kein Zeichen fehlender Kontrolle, sondern im Gegenteil eine Folge des Dopamins. Und heute die Bestätigung, dass seine Kraft auch jetzt noch nach siebenundsiebzig Jahren ungebrochen war. Er hatte exakt zweieinhalb Minuten gebraucht. Von der Tür zum Tresen, wo er sie festgehalten, ihr die Hose aufgeschlitzt, sie befruchtet, ihr den Ausweis abgenommen und sich ihren Namen und ihre Adresse notiert hatte. Maalin. Dann war er wieder draußen gewesen. Zweieinhalb Minuten. Wie viele Sekunden hatte die eigentliche Befruchtung gedauert? Wenn Schimpansen Sex haben, dauert dies im Durchschnitt acht Sekunden, in denen beide Affen einer bedrohlichen Welt voller Raubtiere und Gefahren ausgesetzt sind. Bei einem Gorilla, der weniger natürliche Feinde hat, kann der Genuss schon mal eine Minute andauern. Als disziplinierter Mann im Feindesland musste man den Genuss schon mal dem Zweck opfern: der Vermehrung. Und wie ein Bankraub nie länger als vier Minuten dauern durfte, durfte eine Befruchtung in der Öffentlichkeit nie länger als zweieinhalb Minuten in Anspruch nehmen. Die Evolution würde ihm irgendwann recht geben, das war nur eine Frage der Zeit.

Aber jetzt, hier, waren sie in Sicherheit. Außerdem hatte er es ja gar nicht auf die Befruchtung abgesehen. Wobei er durchaus Lust hatte. Aber diese hier wollte er mit einem Messer penetrieren; schließlich machte es keinen Sinn, eine Frau zu befruchten, wenn in der Folge keine Nachkommen entstanden. Als disziplinierter Mann sparte man dann seinen kostbaren Samen.

»Ich darf dich doch wohl Geliebte nennen, wenn wir schon verlobt sind«, flüsterte Svein Finne.

Sie starrte ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Sie hatten bereits etwas Gebrochenes. Als könnten sie kein Licht mehr aufnehmen.

»Dabei sind wir doch verlobt«, sagte er leise lachend und drückte seine fleischigen Lippen auf ihre, um dann gleich mit dem Ärmel seines Flanellhemds die Speichelspuren abzuwischen.

»Und das hier … Ich habe es dir versprochen …«, sagte er und fuhr mit der Hand zwischen den Brüsten hindurch hinunter zu ihrem Bauch.

Kapitel 3

Harry wachte auf. Etwas stimmte nicht. Er wusste, dass er sich bald erinnern würde, dass er nur diese wenigen gesegneten Sekunden der Unsicherheit hatte, bis die Realität ihm mit der Faust ins Gesicht schlagen würde. Er öffnete die Augen und bereute es sofort. Das Tageslicht, das durch die dreckigen, alten Gardinen fiel und das leere kleine Zimmer ausleuchtete, durchdrang ungehindert seine Augen bis zu dem schmerzenden Punkt dahinter. Jedenfalls fühlte es sich so an. Er nahm noch einmal Zuflucht hinter den Lidern und dachte, dass er natürlich wieder von Rakel geträumt hatte. Den immer gleichen Traum von dem Morgen vor so vielen Jahren, als sie sich gerade erst kennengelernt hatten. Sie hatte mit dem Kopf auf seiner Brust gelegen, und er hatte sie gefragt, ob sie nachprüfe, ob es stimme, was ihm nachgesagt wurde, dass er nämlich kein Herz habe. Rakel hatte gelacht, das Lachen, das er so liebte. Er war bereit gewesen, die idiotischsten Dinge zu tun, nur um dieses Lachen heraufzubeschwören. Dann hatte sie den Kopf gehoben, ihn mit ihren warmen braunen Augen, die sie von ihrer österreichischen Mutter geerbt hatte, angesehen und gesagt, dass diese Leute vermutlich schon recht hätten, sie ihm aber die Hälfte ihres Herzens geben könne. Und das hatte sie dann getan. Rakels Herz war so groß, dass es seinen ganzen Körper nicht nur versorgt, sondern belebt und ihn wieder zu einem Menschen gemacht hatte. Zu einem Ehemann. Zu einem Vater für Oleg, den introvertierten, ernsthaften Jungen, den Harry schließlich wie seinen eigenen Sohn geliebt hatte. Harry war glücklich gewesen. Und voller Todesangst. Selig in seiner Ahnungslosigkeit, was passieren sollte, doch gleichzeitig auch voll trauriger Gewissheit, dass etwas passieren würde, denn dass er für dieses Glück nicht geschaffen war, wusste er. Er hatte Todesangst gehabt, Rakel zu verlieren. Denn das halbe Herz konnte nur schlagen, wenn auch die andere Hälfte es tat. Das wusste er, und das wusste auch Rakel. Aber wenn er nicht ohne sie leben konnte, warum war er dann im Traum wieder von ihr weggelaufen?

Er wusste es nicht. Er erinnerte sich nur daran, dass Rakel gekommen war und ihr halbes Herz zurückgefordert hatte. Sie war dem immer schwächer werdenden Pochen gefolgt, hatte den Weg zu ihm gefunden und an seiner Tür geklingelt.

Endlich traf ihn die Faust, die schon so lange ausgeholt hatte. Die Realität.

Dass er sie bereits verloren hatte.

Und dass nicht er ausgezogen war, sondern sie ihn rausgeworfen hatte.

Harry schnappte nach Luft. Ein Geräusch bohrte sich durch seinen Gehörgang und machte ihm klar, dass nicht nur der Punkt hinter seinen Augen wehtat, sondern sein ganzes Hirn. Und dass das Geräusch den Traum getriggert haben musste, den er unmittelbar vor dem Aufwachen geträumt hatte. Jemand klingelte an seiner Tür. Mit dem Effekt, dass die idiotische, quälende, treue Hoffnung noch einmal ihren Kopf in die Höhe reckte.

Ohne die Augen zu öffnen, streckte Harry die Hand neben dem Schlafsofa aus und stieß die Whiskyflasche um. Das trockene Rollen über das abgetretene Parkett verriet ihm, dass die Flasche leer war. Er mühte sich, die Augen zu öffnen. Starrte auf die Hand, die wie eine gierige Klaue über dem Boden hing. Auf die graue Titanprothese am Mittelfinger. An seinen Fingern war Blut. Verdammt! Er roch an seinen Fingern und versuchte sich zu erinnern, wie der gestrige Tag zu Ende gegangen war. Waren irgendwelche Frauen im Spiel gewesen? Dann schlug er die Decke zur Seite und warf einen Blick auf seinen 193 cm langen, mageren nackten Körper. Er war erst vor kurzer Zeit wieder rückfällig geworden, sodass der Alkohol noch keine physischen Spuren hinterlassen hatte. Ging es aber, wie es immer ging, schwand die Muskelmasse mit jeder Woche, und die bereits jetzt graue Haut wurde wieder fahlweiß. Wie bei einem Gespenst. Bis er dann irgendwann ganz verschwand. Genau wie beabsichtigt. Deshalb trank er ja.

Stöhnend richtete er sich auf und sah sich um. Er war zurück an dem Ort, an dem er gelebt hatte, bevor er noch einmal zu einem Menschen geworden war.

Nur etwas weiter unten. Ob es Ironie des Schicksals war, wusste er nicht, aber die vierzig Quadratmeter große Zweizimmerwohnung, in der er erst zur Untermiete bei einem jüngeren Polizeikollegen gewohnt hatte und die er dann hatte mieten können, lag eine Etage unter der Wohnung, in der er gewohnt hatte, bevor er zu Rakel in ihr riesiges Holzhaus oben am Holmenkollen gezogen war. Beim Einzug in die Wohnung hatte er bei Ikea ein Schlafsofa gekauft, das gemeinsam mit dem Schallplattenregal hinter dem Sofa, dem Couchtisch, einem Spiegel auf dem Boden und einer Kommode im Flur die ganze Einrichtung war. Harry war sich nicht sicher, ob das seiner Antriebslosigkeit geschuldet oder ob das alles nur der Versuch gewesen war, sich selbst davon zu überzeugen, dass es nicht für lange sein und sie ihn zurücknehmen würde, wenn sie nur gründlich genug nachgedacht hatte.

Er spürte in sich hinein, ob er sich übergeben musste. Möglich. Vielleicht war auch das eine Frage des Willens. Als gewöhnte sich sein Körper schon nach Wochen an das Gift. Als tolerierte er die Dosen und verlangte immer mehr. Er starrte auf die leere Whiskyflasche, die zwischen seinen Füßen liegen geblieben war. Peter Dawson Special. Dabei war der Geschmack wirklich nicht »special«. Jim Beam war gut. Außerdem wurde der in vierkantigen Flaschen abgefüllt, die nicht über den Boden rollten. Aber Dawson war »special« günstig, und ein durstiger Alkoholiker mit Polizistengehalt und leerem Konto durfte keine hohen Ansprüche stellen. Er sah auf die Uhr. Zehn vor vier. Er hatte noch zwei Stunden und zehn Minuten, um sich Nachschub zu holen.

Er holte tief Luft und stand auf. Sein Kopf drohte zu zerspringen. Er schwankte, blieb aber stehen. Betrachtete sich selbst im Spiegel. Er sah wie ein Tiefseefisch aus, der zu schnell an die Oberfläche gezogen worden war. Mit hervorquellenden Augen und einer sichelförmigen, leberfarbenen Narbe vom linken Mundwinkel bis zum Ohr. Erfolglos suchte er unter der Decke nach einer Unterhose, sodass er die Jeans schließlich einfach so anzog und auf den Flur ging. Eine dunkle Silhouette zeichnete sich hinter dem rauen Glas der Tür ab. Sie war zurückgekommen. Sie war es wirklich. Aber das hatte er auch geglaubt, als es das letzte Mal an der Tür geklingelt hatte. Und da war es ein Mann von den Stadtwerken gewesen, der den Stromzähler austauschen wollte, damit der Stromverbrauch Stunde für Stunde auf das Watt genau gemessen werden konnte. Jeder Kunde könne sich bei diesem Gerät selbst einloggen und sehen, wann der Ofen ein- oder die Leselampe ausgeschaltet sei. Harry hatte dem Mann erklärt, dass er keinen Ofen habe und – selbst wenn – ganz sicher nicht daran interessiert sei, dass irgendjemand nachschauen könnte, wann er den einschalte oder nicht. Und dann hatte er die Tür geschlossen.

Die Silhouette, die sich jetzt hinter der Tür abzeichnete, war aber sicher die einer Frau. Mit ihrer Größe und Figur. Wie war sie ins Treppenhaus gekommen?

Er öffnete.

Sie waren zu zweit. Eine Frau, die er noch nie zuvor gesehen hatte, begleitet von einem kleinen Mädchen, das er durch das Glas der Tür gar nicht hatte sehen können. Als das Mädchen ihm eine Sammelbüchse entgegenstreckte, kapierte er, dass sie erst unten an der Tür bei einem Nachbarn geklingelt hatten, der sie dann ins Haus gelassen hatte.

»Wir kommen wegen einer Spendensammlung«, sagte die Frau. Beide trugen über ihren Jacken eine orange Rotkreuzweste.

»Ich dachte, die wäre im Herbst«, sagte Harry.

Die Frau und das Mädchen starrten ihn schweigend an. Harry deutete das erst als Feindseligkeit, als hätte er sie des Betrugs beschuldigt, bis ihm klar wurde, dass es Verachtung sein musste, immerhin stand er nachmittags um vier halb nackt und nach Schnaps stinkend in seiner Tür. Ohne den Schimmer einer Ahnung von der landesweit im Fernsehen angekündigten Spendenaktion zu haben.

Harry fühlte in sich hinein. War da irgendwo Scham? Doch, da war etwas. Wenigstens ein Anflug. Er schob die Hand in die Hosentasche, in der er sein Geld aufzubewahren pflegte, wenn er getrunken hatte. Aus Erfahrung wusste er, dass er in solchen Fällen besser nicht die EC-Karte mitnahm.

Er lächelte dem Mädchen zu, das mit großen Augen auf seine blutige Hand starrte, während er einen zusammengefalteten Schein in den Schlitz der verplombten Büchse schob. Kurz bevor der Schein weg war, erkannte er noch den Rest eines Schnäuzers. Edvard Munch.

»Scheiße!«, schrie Harry und schob die Hand noch einmal in die Tasche. Leer. Genau wie sein Konto.

»Entschuldigung?«, sagte die Frau.

»Ich dachte, das wäre ein Zweihunderter gewesen, aber das war Munch. Mein Tausender.«

»Na so was.«

»Kann ich … den zurückhaben?«

Die Frau und das Mädchen sahen ihn stumm an. Vorsichtig hob das Mädchen die Büchse etwas an, damit er die Plombe auf dem Rotkreuzlogo sah.

»Verstehe«, flüsterte Harry. »Wie sieht es mit Wechselgeld aus?«

Die Frau lächelte, als hätte er versucht, einen Witz zu machen. Er versuchte ihr Lächeln zu erwidern, er wusste ja, dass sie recht hatte, während sein Hirn verzweifelt versuchte, das Problem zu lösen. 299 Kronen und 90 Øre bis sechs Uhr. Eventuell 169,90 Kronen für eine kleine Flasche.

»Trösten Sie sich damit, dass das Geld für Bedürftige ist«, sagte die Frau und zog das Mädchen hinter sich her zur Treppe, um auf der nächsten Etage zu klingeln.

Harry schloss die Tür und ging in die Küche. Als er sich das Blut von der Hand wusch, spürte er einen stechenden Schmerz. Zurück im Wohnzimmer sah er sich um. Er registrierte den blutigen Handabdruck auf der Bettdecke, und als er sich hinkniete, fand er das Handy unter dem Sofa. Keine SMS, aber drei Anrufe am vergangenen Abend. Einer von Bjørn Holm, dem Kriminaltechniker aus Østre Toten, und zwei von Alexandra aus der Rechtsmedizin. Sie und Harry hatten erst vor Kurzem zum ersten Mal miteinander geschlafen – nach seinem Rauswurf bei Rakel –, und so, wie er sie einschätzte, war ihre Menstruation für sie beim Sex kein Hindernis. Als sie ihn in der ersten Nacht auf dem Heimweg gestützt und ohne Erfolg seine Taschen nach dem Schlüssel durchsucht hatte, war es ihr beunruhigend schnell gelungen, die Tür mit einem Draht zu öffnen und ihn und sich aufs Schlafsofa zu bugsieren. Als er wieder wach geworden war, war sie bereits weg gewesen, hatte ihm aber einen Zettel hinterlassen und ihm für die geleisteten Dienste gedankt. Es konnte sich also durchaus um ihr Blut aus dieser Nacht handeln.

Harry schloss die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren. Was in den letzten Wochen geschehen war oder in welcher Reihenfolge, wusste er noch so ungefähr, an die letzte Nacht hatte er allerdings überhaupt keine Erinnerung mehr. Der Blackout war total. Er riss die Augen auf und betrachtete die brennende Hand. An drei Knöcheln war die Haut abgeschürft, an den Wundrändern klebte Blut. Er musste jemanden geschlagen haben. Drei Knöchel bedeuteten mehrere Schläge. Auch an seiner Hose entdeckte er Blut. Zu viel, als dass es von seinen Knöcheln stammen konnte. Und es war auch sicher kein Menstruationsblut.

Harry zog die Bettdecke ab und rief Bjørn Holm zurück. Hörte es am anderen Ende klingeln und wusste, dass jetzt irgendwo ein Lied von Hank Williams ertönte, in dem es, laut Bjørn, um einen Kriminaltechniker wie ihn ging.

»Wie geht’s?«, tönte Bjørn in seinem breiten Dialekt.

»Kommt darauf an«, sagte Harry und ging ins Bad. »Kannst du mir dreihundert Kronen leihen?«

»Es ist Sonntag, Harry. Der Schnapsladen hat zu.«

»Sonntag?« Harry trat sich die Hose von den Beinen und stopfte sie zusammen mit dem Bezug in den übervollen Wäschekorb. »So ein Mist.«

»Sonst noch was?«

»Du hast angerufen. Irgendwann gegen neun.«

»Ja, aber du bist nicht drangegangen.«

»Nein, das Telefon hat wohl den ganzen letzten Tag unter dem Sofa gelegen. Ich war im Jealousy.«

»Weiß ich. Ich habe Øystein angerufen, und der hat mir gesagt, dass du da bist.«

»Und?«

»Und dann bin ich da gewesen. Du erinnerst dich wirklich an nichts?«

»Scheiße, Mann. Was ist passiert?«

Harry hörte den Kollegen seufzen. Er stellte sich vor, wie er seine leicht vorquellenden Augen in dem kreisrunden, blassen Gesicht verdrehte, das von den rotesten Haaren des gesamten Präsidiums gerahmt wurde, die nicht mehr wie früher unter einer Rastamütze, sondern neuerdings meist unter einer Schiebermütze versteckt waren.

»Was willst du wissen?«

»Nur das, was ich deiner Meinung nach wissen muss«, sagte Harry und entdeckte etwas im Wäschekorb. Ein Flaschenhals ragte zwischen schmutzigen Unterhosen und T-Shirts hervor. Er griff sich die Flasche. Jim Beam. Leer. Oder? Er drehte den Deckel ab, setzte die Flasche an die Lippen und legte den Kopf in den Nacken.

»Okay, ich geb dir die Kurzversion«, sagte Bjørn. »Als ich um 21.15 Uhr in die Jealousy Bar kam, warst du besoffen, und als ich dich gegen 22.30 nach Hause gefahren habe, hast du nur über eine Sache geredet. Ohne Unterlass. Über eine Person. Rat mal, wen.«

Harry antwortete nicht, er schielte in die Flasche und fixierte den Tropfen, der am Glas entlang nach unten rann.

»Rakel«, vollendete Bjørn. »Du bist aus dem Auto gestolpert, und ich hab dich in deine Wohnung gelassen. Das war alles.«

Harry entnahm der Geschwindigkeit des Tropfens, dass er reichlich Zeit hatte und nahm den Mund vom Flaschenhals. »Hm. Und das ist die …«

»Kurzversion.«

»Haben wir uns geschlagen?«

»Du und ich?«

»Wie du das betonst, klingt das so, als hätte zumindest ich mich geschlagen. Mit wem?«

»Der neue Inhaber der Kneipe hat die eine oder andere Ohrfeige kassiert.«

»Ohrfeige? Ich bin mit drei blutigen Knöcheln aufgewacht. Und auch an meiner Hose war Blut.«

»Du hast ihn gleich mit dem ersten Schlag voll erwischt. Das Blut troff nur so aus seiner Nase. Danach hat er sich weggeduckt, sodass du stattdessen an die Wand gehauen hast. Und das nicht nur einmal. Ich glaube, da klebt noch immer Blut von dir.«

»Und Ringdal hat nicht zurückgeschlagen?«

»Ehrlich gesagt, Harry, du warst so besoffen, dass du nichts geregelt gekriegt hast. Øystein und ich haben dich aufgehalten, bevor du dich ernsthaft verletzen konntest.«

»Mann, bin ich neben der Spur.«

»Den einen Klatscher hat dieser Ringdal übrigens durchaus verdient. Er hat die gesamte White Ladder-Platte gespielt und wollte sie sogar noch ein zweites Mal auflegen. Du bist total ausgerastet und hast ihn beschimpft, den guten Ruf der Kneipe zu zerstören, den angeblich du, Rakel und Øystein aufgebaut haben.«

»Das haben wir doch auch! Die Jealousy Bar war eine Goldgrube, Bjørn. Er hat das Ganze fast umsonst gekriegt, und ich habe nur eine Bedingung gestellt, nämlich dass er konsequent anständige Musik spielt.«

»Deine Musik.«

»Unsere Musik, Bjørn. Deine, meine, Øysteins, Mehmets … Und nicht diese David-Gray-Scheiße!«

»Du hättest vielleicht klarer sein müssen … Oje, der Kleine schreit, Harry.«

»Oh, ja, sorry. Und danke. Danke für gestern. Scheiße, Mann, ich hab mich wohl echt lächerlich gemacht. Lass uns Schluss machen. Grüß Katrine von mir.«

»Sie ist arbeiten.«

Sie legten auf, und im selben Moment flackerte ein Bild in Harrys Kopf auf. Wie ein Lichtblitz. Es verlosch so schnell, dass er nicht erkennen konnte, was genau es war, aber sein Herz schlug plötzlich so heftig, dass er sitzen blieb und nach Atem rang.

Harry starrte auf die Flasche, die er noch immer in der Hand hielt. Der Tropfen war herausgelaufen. Ein brauner Klecks funkelte auf den dreckigen weißen Fliesen.

Seufzend sank er auf die Knie. Der Boden war kalt. Er streckte die Zunge heraus, hielt die Luft an und beugte sich vor. Stirn und Hände wie zum Gebet auf den Fliesen.

Harry lief mit langen Schritten über die Pilestredet. Seine Doc Martens hinterließen schwarze Spuren in dem Hauch Schnee, der in der Nacht gefallen war und den die niedrig stehende Frühlingssonne mit aller Macht zu schmelzen versuchte. Kleine Steinchen, die sich in seinen Sohlen festgesetzt hatten, erzeugten bei jedem Schritt auf dem Asphalt ein Knirschen. Er ließ die alten vier- bis fünfstöckigen Häuser hinter sich und näherte sich den modernen Gebäuden auf dem ehemaligen Reichshospital-Areal, in dem er vor bald fünfzig Jahren auf die Welt gekommen war. An der Fassade des Blitz prangten neue Graffiti. Früher war das besetzte Haus eine Festung der Punks gewesen, Harry hatte dort ein paar obskure Konzerte besucht, selbst aber nie dazugehört. Er kam am Rex Pub vorbei, in dem er sich besoffen hatte, als der Laden noch anders geheißen hatte, das Bier billiger und die Türsteher flexibler gewesen waren. Damals waren hier die Jazz-Freaks ein und aus gegangen, aber auch zu denen hatte er nicht gehört. Ebenso wenig wie zu den Philadelphia-Jüngern, die schräg gegenüber ihren Heimathafen hatten. Dann kam er am Gericht vorbei. Wie viele Mörder waren dort dank ihm verurteilt worden? Viele. Aber trotzdem nicht genug. Denn nicht die, die man schnappte, suchten einen nachts in Albträumen heim, sondern die anderen und deren Opfer. Trotzdem hatte er genug hinter Schloss und Riegel gebracht, um sich einen Namen zu machen, einen Ruf zu haben. In guter wie in schlechter Hinsicht. Dass er direkt oder indirekt die Schuld am Tod von Kollegen hatte, war ein Teil seines Renommees. Er kam zum Grønlandsleiret, wo das monoethnische Oslo irgendwann in den Siebzigern auf die Welt getroffen war – oder umgekehrt. Restaurants mit arabischen Namen, Geschäfte mit importierten Gemüsesorten und Kräutern aus Karatschi, somalische Frauen im Hidschab auf Sonntagsspaziergang mit Kinderwagen, gefolgt von ihren eifrig diskutierenden Männern. Ein paar der Kneipen stammten noch aus der Zeit, in der Oslo eine weiße Arbeiterklasse gehabt hatte und dieses Viertel hier ihr Viertel gewesen war. Er ging an der Kirche vorbei und stieg zu dem Glaspalast am Ende des Parks empor. Drehte sich noch einmal um, bevor er die schwere Stahltür mit dem Bullauge aufdrückte. Ließ seinen Blick über Oslo schweifen. Hässlich und schön. Kalt und warm. An manchen Tagen liebte er diese Stadt, an anderen hasste er sie. Aber verlassen konnte er sie nicht, niemals. Mal eine Pause einlegen und eine Weile weg sein, das ging, aber sie für immer zu verlassen, wie sie ihn verlassen hatte, war unmöglich.

Er nickte dem Wachmann zu und knöpfte sich die Jacke auf, während er vor dem Aufzug wartete. Trotzdem spürte er, wie ihm der Schweiß ausbrach. Und das Zittern, als eine der Fahrstuhltüren sich öffnete. Es ging nicht, nicht an diesem Tag, sodass er kehrtmachte und über die Treppe hinauf in die sechste Etage stieg.

»Auf der Arbeit, an einem Sonntag?«, fragte Katrine Bratt und blickte von ihrem Computer auf, als Harry, ohne anzuklopfen, ihr Büro betrat.

»Könnte ich auch sagen«, brummte er und ließ sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch fallen.

Ihre Blicke begegneten sich.

Harry schloss die Augen, legte den Kopf nach hinten und streckte die langen Beine aus. Sie reichten bis zu dem Schreibtisch, den sie von Gunnar Hagen geerbt hatte, nachdem sie dessen Position übernommen hatte. Die Wände hatte sie heller gestrichen und das Parkett abschleifen lassen, ansonsten war das Büro der Dezernatsleitung unverändert. Obwohl Katrine Bratt – die frischgebackene Mutter – gerade erst zur Dezernatschefin ernannt worden war, sah Harry in ihr noch immer die wilde junge Frau mit den dunklen Augen, die mit einer ganz eigenen Agenda und reichlich seelischem Ballast, einem schwarzen Pony und ebenso schwarzen Ledermantel aus Bergen gekommen war und mit ihrem Körper noch den Letzten davon überzeugt hatte, dass die Gerüchte, in Bergen gäbe es keine Frauen, allesamt falsch waren. Dass sie selbst damals nur Augen für Harry gehabt hatte, hatte die üblichen, widersinnigen Gründe gehabt. Sein schlechter Ruf, dass er bereits vergeben war und dass er sie außer als Kollegin komplett ignoriert hatte.

»Kann sein, dass ich mich irre«, sagte Harry gähnend, »aber am Telefon hat es sich so angehört, als käme dein Landei mit seiner Elternauszeit ganz gut zurecht.«

»Das tut er«, sagte Katrine und tippte etwas in die Tastatur. »Und du? Kommst du zurecht mit deiner …«

»Eheauszeit?«

»Ich wollte eigentlich fragen, ob du mit deiner Stelle hier zurechtkommst. Dass du wieder im Dezernat arbeitest.«

Harry öffnete ein Auge. »Mit meinen Aufgaben als Oberwachtmeister.«

Katrine seufzte. »Mehr konnten Gunnar und ich wirklich nicht erreichen, so wie die Dinge liegen, Harry. Was hast du denn erwartet?«

Harry ließ seinen einäugigen Blick durch das Büro wandern. Tja, was hatte er erwartet? Dass Katrines Büro einen femininen Touch bekommen würde? Dass sie Harry dieselbe Ellbogenfreiheit geben würden, die er gehabt hatte, bevor er als Kommissar aufgehört hatte, als Dozent an die Polizeihochschule gegangen war, Rakel geheiratet und den Versuch unternommen hatte, ein ruhiges Leben in Abstinenz zu führen? Natürlich war das nicht möglich gewesen. Katrine hatte ihn mit Gunnar Hagens Segen und Bjørns Hilfe buchstäblich aus der Gosse gezogen, durch sie hatte er einen Ort, an dem er sein konnte, einen Grund, morgens aufzustehen und nicht an Rakel zu denken, eine Entschuldigung, sich nicht zu Tode zu saufen. Dass er das Angebot angenommen hatte, Akten zu sortieren und alte Fälle noch einmal durchzugehen, bewies, dass er noch weiter unten war, als er es für möglich gehalten hatte. Obwohl – die Erfahrung hatte ihm gezeigt, dass es immer möglich war, noch weiter nach unten zu kommen. Harry räusperte sich. »Kannst du mir fünfhundert Kronen leihen?«

»Verdammt, Harry!« Katrine sah ihn verzweifelt an. »Bist du deshalb gekommen? Hast du gestern noch nicht genug gehabt?«

»So geht das nicht«, sagte Harry. »Hast du gestern Bjørn geschickt, damit er mich nach Hause bringt?«

»Nein.«

»Und wie hat er mich dann gefunden?«

»Es ist doch wohl kein Geheimnis, wo du abends bist, Harry. Eigentlich ziemlich seltsam, ausgerechnet in die Kneipe zu gehen, die man gerade verkauft hat.«

»Da gehen sie wenigstens nicht so weit, einem früheren Besitzer nichts mehr auszuschenken.«

»Bis gestern, denke ich. Wenn ich Bjørn richtig verstanden habe, hat der neue Besitzer dir gestern, bevor du gegangen bist, lebenslanges Hausverbot erteilt.«

»Wirklich? Ich erinnere mich an nichts.«

»Dann lass mich dir helfen. Du hast Bjørn zu überreden versucht, das Jealousy anzuzeigen. Wegen der Musik, die da gespielt wird. Und dann sollte er Rakel anrufen, um sie zur Vernunft zu bringen. Natürlich von seinem Telefon aus, weil du deins zu Haus vergessen hattest. Außerdem warst du dir nicht sicher, ob sie einen Anruf von dir überhaupt annehmen würde.«

»Mein Gott«, stöhnte Harry, legte die Hände vors Gesicht und massierte sich die Stirn.

»Ich sage das nicht, um dich zu quälen, sondern um dir zu zeigen, was passiert, wenn du trinkst.«

»Na, herzlichen Dank.« Harry faltete die Hände vor dem Bauch. Bemerkte, dass am Rand ihres Schreibtisches ein Zweihunderter lag.

»Zu wenig, um sich zu besaufen«, sagte Katrine, »aber genug, um zu schlafen. Denn Schlaf brauchst du.«

Er sah sie an. Ihr Blick war mit den Jahren weicher geworden, sie war längst nicht mehr die wütende junge Frau, die sich an der Welt rächen wollte. Vielleicht lag es an der Verantwortung für andere Menschen. Für die Kollegen im Dezernat und den neun Monate alten Sohn zu Hause. So etwas weckte bestimmt den Fürsorgeinstinkt und stimmte die Menschen milder. Während des Vampiristen-Falls vor anderthalb Jahren war Harry wegen Rakels Krankheit rückfällig geworden, doch Katrine hatte ihn gerettet und mit zu sich nach Hause genommen. Sie hatte ihn in ihrem blitzsauberen Bad kotzen lassen und ihm ein paar Stunden bewusstlosen Schlaf in ihrem und Bjørns Bett geschenkt.

»Nein«, sagte Harry. »Ich brauche keinen Schlaf. Ich brauche einen Fall.«

»Du hast einen Fall.«

»Ich brauche den Finne-Fall.«

Katrine seufzte. »Die Morde, auf die du anspielst, haben nichts mit Finne zu tun. Nichts deutet auf ihn hin. Außerdem habe ich bereits die richtigen Leute darangesetzt.«

»Drei Morde. Drei ungelöste Fälle. Und du willst ohne den auskommen, der beweisen könnte, was du und ich längst wissen? Dass nämlich Finne das gemacht hat?«

»Du hast einen Fall, Harry. Löse ihn und lass mich meine Arbeit machen.«

»Mein Fall ist kein Fall. Das ist ein Familiendrama, bei dem der Mann längst gestanden hat. Außerdem haben wir ein Motiv und passende Indizien.«

»Er könnte sein Geständnis ja auch noch zurückziehen, und dann brauchen wir etwas mehr Fleisch am Knochen.«

»Den Fall könntest du auch Wyller oder Skarre geben oder einem der anderen Jungspunde. Finne ist ein Sexualstraftäter und Serienmörder, und ich bin schließlich der einzige Ermittler, den du hast, der auf diesem Gebiet über Spezialwissen verfügt.«

»Nein, Harry! Meine Entscheidung ist endgültig.«

»Aber warum?«

»Warum? Sieh dich doch mal an. Wenn du hier den Laden leiten würdest, würdest du dann einen betrunkenen, instabilen Ermittler zu unseren ohnehin schon skeptischen Kollegen nach Kopenhagen und Stockholm schicken? Die sind doch überzeugt davon, dass bei ihnen nicht derselbe Mann zugeschlagen hat. Du siehst überall Serienmörder, weil dein Hirn sich auf Serienmörder eingeschossen hat.«

»Das mag schon stimmen, aber es ist Finne. Alle Anzeichen deuten auf …«

»Stopp! Du bist total besessen, Harry!«

»Besessen?«

»Bjørn hat mir erzählt, dass du sogar besoffen immer nur von Finne faselst und dass du ihn schnappen musst, bevor er dich schnappt.«

Harry stand auf und stopfte sich den Zweihunderter in die Hosentasche. »Einen schönen Sonntag noch.«

»Wohin willst du?«

»Irgendwohin, wo man den Sonntag noch würdig begehen kann.«

»Du hast Steinchen in der Sohle, heb deine Füße, wenn du über mein Parkett läufst.«

Harry ging über den Grønlandsleiret in Richtung Olymp und Pigalle. Nicht gerade seine Lieblingskneipen, aber die nächsten. Auf der Straße war so wenig Verkehr, dass er bei Rot über die Ampel gehen konnte. Er warf einen Blick auf sein Handy und fragte sich, ob er Alexandras Anruf erwidern sollte, entschied sich dann aber dagegen. Ihm war nicht danach. Der eigenen Anrufliste entnahm er, dass er Rakel gestern zwischen sechs und acht Uhr sechsmal anzurufen versucht hatte. Ihn schauderte.

Als Harry auf der anderen Seite der Straße auf den Bürgersteig trat, spürte er plötzlich einen Stich in der Brust. Sein Herz begann zu rasen, als hätte es die Feder verloren, die die Geschwindigkeit regulierte. Er dachte schon an einen Herzinfarkt, als sich alles ebenso plötzlich wieder normalisierte. Und daran, dass ein solcher Abgang nicht der schlechteste wäre. Ein Stich in der Brust. In die Knie. Stirn auf den Asphalt. The End. Wenn er noch ein paar Tage in derselben Frequenz weitersoff, war das Szenario gar nicht so unwahrscheinlich. Harry ging weiter. Aber da war noch mehr gewesen. Er hatte etwas gespürt, etwas gesehen, das er in dem flackernden Bild am Morgen noch nicht gesehen hatte, das ihm entglitten war, wie ein Traum beim Aufwachen.

Harry blieb vor der Tür des Olymp stehen und sah hinein. Sie hatten den Laden gründlich renoviert. Von der unverfälschten dunklen Patina war nichts mehr übrig. Harry zögerte. Er musterte die neue Klientel. Eine Mischung aus Hipstern und besser gekleideten Paaren, Eltern, die genug Geld hatten, das Sonntagmittagessen mit ihren Kindern in ein Restaurant zu verlegen.

Er fuhr mit der Hand in seine Tasche. Fand den Zweihunderter, aber auch noch etwas anderes. Einen Schlüssel. Nicht seinen eigenen, sondern den vom Tatort der Familientragödie in der Borggata in Tøyen. Er wusste nicht, warum er um den Schlüssel für den Tatort eines längst geklärten Falls gebeten hatte. Aber so hatte er wenigstens diesen Tatort für sich. Ganz für sich, da der andere sogenannte technische Ermittler des Falls, Truls Berntsen, keinen Finger rühren würde. Truls Berntsen hatte seinen Job im Dezernat nicht wegen seiner Leistungen, sondern wegen seines Sandkastenfreundes, des früheren Polizeipräsidenten Mikael Bellman. Truls Berntsen war vollkommen unfähig, und es gab die stillschweigende Vereinbarung zwischen Katrine und Truls, dass er sich aus den Ermittlungen heraushielt und sich aufs Kaffeekochen und einfache Bürotätigkeiten konzentrierte. In der Praxis hieß das, Patiencen legen und Tetris spielen. Der Kaffee schmeckte deshalb nicht besser als zuvor, aber in der letzten Zeit war es wirklich vorgekommen, dass Truls Harry in Tetris geschlagen hatte. Sie waren ohne Zweifel ein trauriges Paar, wie sie ganz hinten im Großraumbüro saßen, nur eine anderthalb Meter hohe morsche Trennwand auf Rädern zwischen sich.

Harry warf noch einmal einen Blick in die Kneipe. Sah direkt am Fenster ein freies Tischchen neben einer Familie mit kleinen Kindern. Im selben Moment registrierte der kleine Junge ihn, streckte den Arm aus und begann zu lachen. Der Vater, der Harry bis jetzt den Rücken zugedreht hatte, wandte sich um, und Harry trat automatisch einen Schritt zurück in den Schatten. Er sah sein blasses, faltiges Spiegelbild mit dem lachenden Gesicht des Jungen verschmelzen. Eine Erinnerung poppte auf. Großvater und er selbst als Junge. Sommerferien und Familienessen im Romsdal. Wie er Großvater unter den besorgten Blicken seiner Eltern ausgelacht hatte, weil dieser wieder einmal betrunken gewesen war.

Harry tastete noch einmal nach den Schlüsseln. Borggata. Mehr als fünf oder sechs Minuten brauchte er nicht, bis er dort war.

Er nahm sein Telefon heraus. Klickte auf die Liste der Anrufe und wählte eine Nummer. Wartete und begutachtete die Knöchel seiner freien, rechten Hand. Die Schmerzen nahmen ab, sonderlich hart konnte er also nicht zugeschlagen haben. Andererseits war klar, dass es bei der zarten Nase eines David-Grey-Fans nicht viel brauchte, bis Blut spritzte.

»Ja, Harry?«

»Ja, Harry?«

»Ich esse gerade.«

»Okay, ich fasse mich kurz. Können wir uns nach dem Essen treffen?«

»Nein.«

»Falsche Antwort. Versuch’s noch mal.«

»Ja?«

»Treffer. Borggata 5. Ruf mich an, wenn du da bist. Ich komme dann nach unten und mache dir auf.«

Harry hörte seinen langjährigen Freund Ståle Aune, der seit Jahren als psychologischer Experte für das Dezernat für Gewaltverbrechen arbeitete, tief seufzen. »Heißt das, es handelt sich nicht um eine Kneipeneinladung, bei der ich bezahlen soll? Bist du womöglich nüchtern?«

»Habe ich dich jemals bezahlen lassen?« Harry kramte ein Päckchen Camel hervor.

»In der Regel hast du die Rechnung übernommen und dich erinnert. Aber im Moment frisst der Alkohol sowohl deine Finanzen als auch dein Gedächtnis auf. Du weißt das, oder?«

»Ja. Es geht um diese Familientragödie. Mit Messer und …«

»Ja, ja, ich habe davon gelesen.«

Harry steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. »Kommst du?«

Harry hörte ein neuerliches Seufzen. »Wenn dich das für ein paar Stunden von der Flasche abhält.«

»Wunderbar«, sagte Harry, legte auf und ließ das Handy in seine Jackentasche gleiten. Zündete sich die Zigarette an und inhalierte tief. Er stand mit dem Rücken zu der geschlossenen Tür der Kneipe. Ein Bier konnte er noch schaffen, er wäre dann noch immer zeitgleich mit Aune am Tatort. Musik drang nach draußen. Eine Schnulze mit Auto-Tune. Harry hob entschuldigend die Hand, als er vor einem bremsenden Auto über die Straße stürmte.

Hinter den alten proletarischen Fassaden der Borggata versteckten sich Neubauten mit hellen Zimmern, offenen Küchen, modernen Bädern und Balkonen zum Hinterhof. Harry sah darin ein alarmierendes Zeichen, dass irgendwann ganz Tøyen saniert werden würde. Dann würden die Quadratmeterpreise in den Himmel schießen, die Bewohner ausgetauscht und damit der soziale Status des Viertels nachjustiert werden. Die kleinen Lebensmittelläden und Cafés der Einwanderer würden dann Fitnessstudios und Hipsterrestaurants weichen müssen.

Der Psychologe sah irgendwie gequält aus, als er auf einem der beiden einfachen Holzstühle saß, die Harry auf den hellen Parkettboden gestellt hatte. Harry nahm an, dass dies mit dem Missverhältnis zwischen dem Stuhl und Aunes übergewichtigem Körper zu tun hatte. Vielleicht aber auch mit der noch immer beschlagenen Brille, schließlich war er widerwillig an dem Fahrstuhl vorbei und mit Harry über die Treppe in den dritten Stock gegangen. Vielleicht hatte es aber auch mit dem Blut zu tun, das zwischen ihnen am Boden angetrocknet war. Wie schwarzes Wachs. Irgendwann in den Sommerferien, als Harry noch ein Kind gewesen war, hatte sein Großvater gesagt, dass man Geld nicht essen könne. Harry hatte in seinem Zimmer den Fünfer genommen, den Großvater ihm gegeben hatte, und es trotzdem versucht. Er erinnerte sich noch an die schmerzenden Zähne, den metallischen Geruch und den süßlichen Geschmack. Wie wenn er sich Blut von seinen Wunden leckte. Oder wie der Geruch der Tatorte, an die er später gekommen war. Der selbst dann noch blieb, wenn das Blut längst trocken war. Wie der Geruch in dem Zimmer, in dem sie jetzt saßen. Münzen. Blutgeld.

»Messer«, sagte Ståle Aune und schob die Hände tief unter seine Achseln, als hätte er Angst, jemand könnte sie ihm stehlen. »Diese Gedanken, die man mit Messern verbindet. Kalter Stahl, der sich durch die Haut in deinen Körper bohrt. Das freakt mich out, um mal einen angesagten Ausdruck zu benutzen.«

Harry antwortete nicht. Das Dezernat und er zogen Aune schon so viele Jahre als Experten zurate, dass Harry nicht genau sagen konnte, seit wann er in dem zehn Jahre älteren Psychologen einen Freund gesehen hatte. Er kannte Aune jedenfalls gut genug, um zu wissen, dass es Koketterie war, wenn er jetzt so tat, als wüsste er nicht, dass dieser Begriff älter als sie beide war. Aune gab sich gerne betagt und konservativ, losgelöst von dem Zeitgeist, dem seine Kollegen so atemlos nacheiferten, um möglichst »relevant« zu wirken. Aune war überdies bekannt für seine Äußerungen in Presse und wissenschaftlichen Fachkreisen: Psychologie und Religion haben doch gemeinsam, dass sie den Menschen in den meisten Fällen die Antworten geben, die sie hören wollen. Dort draußen im Dunkel, wohin das Licht der Wissenschaft noch nicht vorgedrungen ist, haben Religion und Psychologie freies Spiel. Würden sie sich an das halten, was wir faktisch wissen, gäbe es gar nicht genug Arbeit für all die Psychologen und Pastoren.

»Dann hat der Vater seine Frau hier … wie oft?«

»Dreizehnmal«, sagte Harry und sah sich um. An der Wand vor ihnen hing ein großes, gerahmtes Schwarz-Weiß-Foto der Skyline von Manhattan. In der Mitte thronte das Chrysler-Gebäude. Vielleicht stammte das Bild von Ikea. Und wenn schon. Es war ein gutes Foto. Wenn es einem nichts ausmachte, dass so viele andere das gleiche Bild hatten und dass der eine oder andere Besucher dies bestimmt missbilligend zur Kenntnis nahm – nicht weil es schlecht war, sondern weil es von Ikea stammte –, sollte man zugreifen. Er hatte Rakel exakt diese Argumente vorgetragen, als sie ihren Wunsch nach einem nummerierten Foto von Torbjørn Rødland geäußert hatte – eine weiße Stretch-Limo, die quer in einer engen Haarnadelkurve in Beverly Hills stand und 80 000 Kronen kostete. Rakel hatte Harry ohne Vorbehalt recht gegeben. Was ihn so glücklich gemacht hatte, dass er ihr die Stretch-Limo gekauft hatte. Nicht weil er ihre Taktik nicht durchschaut hätte, sondern weil er sich im Stillen eingestehen musste, dass es das coolere Bild war.

»Er war wütend«, sagte Aune und knöpfte sich den obersten Knopf seines Hemds auf, wo normalerweise die Fliege saß. In der Regel mit einem Motiv irgendwo zwischen Seriosität und Humor. Wie die blaue EU-Fliege mit den gelben Sternen.

In der Nachbarwohnung begann ein Kind zu weinen.

Harry schnippte die Asche seiner Zigarette auf den Boden. »Er behauptet, sich nicht mehr an die Details des Mordes zu erinnern.«

»Verdrängte Erinnerungen. Ich sollte ihn hypnotisieren.«

»Ich wusste gar nicht, dass du so etwas machst.«

»Hypnose? Wie glaubst du, bin ich an meine Frau gekommen?«

»Das ist in diesem Fall gar nicht nötig. Den Spuren nach zu urteilen, ist sie durch das Zimmer gegangen, er ist ihr gefolgt und hat zuerst von hinten auf sie eingestochen. Der Stich war unten am Rücken und hat die Niere durchbohrt. Vermutlich haben die Nachbarn deshalb keine Schreie gehört.«

»Häh?«

»Ein Stich in die Nieren ist so schmerzhaft, dass das Opfer gleich paralysiert ist und nicht mehr schreien kann. Die meisten verlieren sofort das Bewusstsein und sterben relativ schnell. Das soll auch die beliebteste Methode der Profis beim Militär sein. Silent killing.«

»Wirklich? Und was ist mit dem guten alten von hinten kommen, Hand vor den Mund legen und Kehle durchschneiden?«

»Das ist aus der Mode gekommen und war eigentlich nie richtig gut. Dazu sind verdammt viel Koordination und Treffsicherheit nötig. Außerdem kam es erstaunlich oft vor, dass sich die Soldaten dabei selbst in die Hand geschnitten haben, die sie den Opfern vor den Mund gelegt hatten.«

Aune schnitt eine Grimasse. »Gehe ich recht in der Annahme, dass der Ehemann kein früherer Elitesoldat oder so was war?«

»Vermutlich war der Treffer reiner Zufall. Es deutet nichts darauf hin, dass er die Absicht hatte, den Mord irgendwie zu verbergen.«

»Verbergen? Du meinst, das war geplant? Nicht impulsiv?«

Harry nickte langsam. »Die Tochter war nicht da. Sie war joggen. Er hat die Polizei gerufen, noch ehe sie wieder zu Hause war. Wir standen schon unten vor dem Haus und konnten verhindern, dass sie ihre Mutter so sah.«

»Wie rücksichtsvoll.«

»Das haben die anderen auch gesagt. Er soll ein sehr rücksichtsvoller Mann sein.« Harry tippte wieder an seine Zigarette, die Asche fiel auf das getrocknete Blut.

»Solltest du nicht einen Aschenbecher nehmen, Harry?«

»Die Spurensicherung ist hier fertig. Es passt alles zusammen.«

»Ich meine trotzdem.«

»Du hast nicht nach dem Motiv gefragt.«

»Okay. Motiv?«

»Der Klassiker. Sein Telefon hatte keinen Saft mehr, deshalb hat er ihres genommen, ohne dass sie das mitbekommen hätte. Dabei ist er auf eine SMS aufmerksam geworden. Anschließend hat er sich den gesamten Chatverlauf angeschaut, und der reichte ein halbes Jahr zurück und ließ deutlich erkennen, dass sie einen Lover hatte.«

»Hat er sie damit konfrontiert?«

»Nein, aber aus den Berichten geht hervor, dass das Telefon überprüft worden ist. Die Mailbox wurde abgehört und der Lover kontaktiert. Er hat das Verhältnis bestätigt.«

»Sollte ich sonst noch was wissen?«

»Der Ehemann ist ein hochgebildeter Mann mit solidem Job, ohne Geldsorgen, er hatte nie Schwierigkeiten mit der Polizei. Familie, Kollegen, Freunde und Nachbarn beschreiben ihn als offen und freundlich, die Ruhe selbst. Und eben – wie du schon gesagt hast – als sehr rücksichtsvollen Mann. Jemand, der für seine Familie alles zu opfern bereit war, heißt es in einem der Berichte.« Harry sog fest an seiner Zigarette.

»Hast du mich eingeschaltet, weil du den Fall doch noch nicht für gelöst hältst?«

Harry atmete den Rauch durch die Nase aus. »Der Fall ist ein No-Brainer. Alle Beweise sind gesichert. Da kann man wirklich nichts mehr falsch machen, deshalb hat Katrine mir den ja anvertraut. Mir und Truls Berntsen.« Harry zog die Mundwinkel nach oben, als würde er lächeln. »Die Familie hatte Geld, ist aber trotzdem in Tøyen geblieben, umgeben von Einwanderern und Ikea-Kunst. Vielleicht gefiel es ihnen hier ganz einfach.« Wie ihm auch. Und vielleicht war das Bild an der Wand ja das Original und ein Vermögen wert.

»Du fragst also, weil …«

»Weil ich verstehen will«, sagte Harry.

»Du willst verstehen, warum ein Mann eine Ehefrau tötet, die hinter seinem Rücken ein Verhältnis mit einem anderen Mann hat?«

»In der Regel töten Ehemänner, wenn sie Gefahr laufen, in der Gegenwart von anderen bloßgestellt zu werden. Aus der Zeugenaussage des Liebhabers geht aber hervor, dass die beiden das Verhältnis streng geheim gehalten hatten und ohnehin schon dabei waren, sich wieder zu trennen.«

»Konnte sie ihrem Mann das nicht mehr sagen, bevor er zugestochen hat?«

»Doch, er sagt aber, dass er ihr nicht geglaubt und sie die Familie hintergangen habe.«