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In einer Idyllischen Kleinstadt am südlichen Niederrhein fallen Frauen grausamen Morden zum Opfer. Der zuständigen ermittelnden Beamtin Fiona Kirchner stellt man einen neuen Kollegen Hanno Richter zur Seite. Zwischen den Beiden hakt es gewaltig, was die Lösung des Verbrechens und die Überführung des Mörders erheblich erschweren. Unter gewaltiger Anstrengung gelingt es ihnen die zwischenmenschliche Kluft zu überbrücken und der Lösung des Falles auf die richtige Spur zu kommen.
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Seitenzahl: 206
Veröffentlichungsjahr: 2020
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In einer idyllischen Kleinstadt am südlichen Niderrhein fallen Frauen grausamen Morden zum Opfer. Der zuständigen ermittelnden Beamtin Fiona Kirchner stellt man einen neuen Kollegen, Hanno Richter, zur Seite. Zwischen den Beiden hakt es gewaltig, was die Lösung des Verbrechens und die Überführung des Mörders erheblich erschwerern. Unter gewaltiger Anstrengung gelingt es ihnen die zwischenmenschliche Kluft zu überwinden und der Lösung des Falls auf die richtige Spur zu kommen.
Die Idylle, in der J.J. Eater mit ihrem Mann lebt heißt Wassenberg und liegt am südlichen Niederrhein, nahe der niederländischen Grenze.Seit vier Jahren schreibt sie Lokalkrimis. Ihre Heimat bietet ihr alles was das Herz begehrt: schaurige Leichenfundorte, unheimliche Monumente und eine geheimnisvolle Historie, die bis weit ins Mittelalter zurückreicht. Alles drängt danach, aufgeschrieben zu werden. J.J. Eater liebt das Gefühl, wenn alle in der Geschichte in Gang gebrachten Rädchen am Ende ineinandergreifen.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Epilog
Die Wohnungstür fiel ins Schloss und der Schlüssel wurde von außen ins Schloss gesteckt und mehrfach gedreht.
Wieder waren sie eingeschlossen.
Ihr Bruder schaute sie resigniert an. In seinen Augen konnte sie die Angst ablesen, die sich früher oder später immer einstellte, auch bei ihr selbst.
Es begann schon zu dämmern, als sie hungrig wurden.
Sie wussten nicht, wie lange sie schon eingeschlossen waren - ein paar Stunden vielleicht.
Zusammen schlichen sie mit hängenden Köpfen in die Küche auf der Suche nach etwas Essbarem, immer ein Ohr auf die Wohnungstür gerichtet, damit sie nicht bei etwas Unerlaubtem entdeckt wurden.
Leider vergaß ihre Mutter stets, vor Ihren spontanen Ausflügen Vorräte einzukaufen.
Und da sie sie „nur zu ihrem Besten“ einschloss, hatten sie auch keine Möglichkeit, sich eine Mahlzeit zu besorgen, selbst wenn sie über etwas Geld verfügt hätten.
Wenn sie dann von ihren oft mehrtägigen Touren zurückkam, fiel sie entweder mit ihrem neuen Liebhaber oder total betrunken ins Bett, oder nicht selten genug war beides der Fall.
Selbst dann schenkte sie ihnen keinerlei Aufmerksamkeit, sondern erst, wenn sie ihren Rausch ausgeschlafen hatte, oder ihre neu errungene Bettbekanntschaft die Wohnung wieder verließ.
Der Hunger und Durst ihrer Kinder störte da nur. Also waren sie auf sich allein gestellt in dieser Hinsicht und in so manch anderer auch.
In der Küche angekommen öffneten sie zuerst den Kühlschrank.
Bis auf ein vergammeltes Stück Käserinde und eine Scheibe vertrocknete Salami, die uneingepackt auf dem mit ranzigen Milch- und Fetträndern übersäten Glaseinschub des Kühlschrankes lag, herrschte hier gähnende Leere.
So groß war ihr Hunger noch nicht, dass sie in der Lage gewesen wären, ihren Ekel zu überwinden, um den Inhalt des Kühlschranks hinunter zu würgen.
Der Brotkorb war ebenfalls leer.
Ihre ganze Hoffnung ruhte nun auf der winzigen Abstellkammer, welche allerdings mehr einer Rumpelkammer glich. Dort herrschte messiartiges, dreckiges Chaos.
Sie mussten sich durch unzählige volle Müllsäcke kämpfen, um bis zu den Regalböden vorzudringen.
Endlich am Ziel angekommen entdeckten sie eine Tütensuppe, deren Haltbarkeitsdatum schon ein halbes Jahr abgelaufen war, und eine Packung Nudeln.
Dankbar, überhaupt etwas Essbares gefunden zu haben, beratschlagten sie nun, welche Mahlzeit zuerst verspeist werden sollte.
Sie entschieden sich für die Tütensuppe, da sie nicht wussten, welchen Zeitraum sie eingeschlossen überbrücken mussten.
Um den ersten Hunger zu stillen, würde die Tütensuppe wohl reichen.
Voller Zuversicht bereiteten sie diese zu und aßen sie bis auf den letzten Tropfen.
Um beschäftigt zu sein, spülten sie die Teller, das Besteck und den Kochtopf.
Ihre Mutter mochte es schizophrenerweise überhaupt nicht, wenn sie in ihrer Abwesenheit Dreck machten.
Eigentlich mochte sie es auch nicht in ihrer Anwesenheit.
Nun setzte wieder dieses ängstliche Warten ein. Warten auf die Rückkehr ihrer Mutter.
Kam sie überhaupt wieder?
Und wenn ja, wen brachte sie dieses Mal mit?
Die Fotos waren mit der Post gekommen und zeigten sie in eindeutiger Pose mit einem Mann, den sie über alles liebte und den zu verlieren sie panische Angst hatte. Tragischerweise war dieser Mann an eine sterbenskranke Frau gebunden, wie er ihr erzählt hatte. Er musste sie versorgen und war lebenslänglich an sie gebunden.
Trennung ausgeschlossen!
Mehr als eine Hand voll heimlicher Treffen waren nicht drin.
Auf der Rückseite eines dieser Fotos war eine Forderung formuliert worden, von der sie nicht sicher war, ob sie ihr nachkommen sollte.
Um 20 Uhr hatte sie sich auf dem Bergfried einzufinden.
Es gruselte sie jetzt schon bei dem Gedanken daran, auf den finsteren Bergfried zu kraxeln.
Als sie begann, sich für dieses Treffen fertig zu machen, war sie immer noch nicht sicher, ob sie diese Fotos nicht einfach ignorieren sollte.
Aber konnte sie sich das leisten? Was wäre die Konsequenz?
Neben einem dicken Rollkragenpullover und einer bequemen Jeans, die ihr genügend Bewegungsfreiheit in den Beinen gewährte - man konnte ja nie wissen - kramte sie aus einem ihrer nicht ausgepackten Umzugskartons einen Schal hervor und Handschuhe. Es war zwar noch Herbst, aber die Wettervorhersage hatte für die kommende Nacht schon Minusgrade vorhergesagt.
Das prophylaktisch erworbene Pfefferspray - denn seit einiger Zeit fühlte sie sich zunehmend unwohl, irgendwie beobachtet - steckte sie gut erreichbar in ihre Manteltasche.
Offensichtlich hatte sie damit nicht so falsch mit ihrem Gefühl gelegen, wie ihr die Fotos nun bestätigten.
Ihren Schlüsselbund steckte sie ein. So ausgestattet machte sie sich auf den Weg.
Im Freien war es stockfinster, und es regnete Bindfäden. Die Straßenlaternen spendeten nur spärliches Licht für den für sie zurück zu legenden Fußweg den Bergfried hinauf.
Der starke Wind verfing sich in dem noch verbliebenen Laub in den Baumkronen; die Äste und Wipfel schwankten beängstigend hin und her. Dies machte den Aufstieg noch unheimlicher, zumal sie durch das Rauschen und Knistern der Bäume nichts anderes hören konnte. So drehte sie sich fortwährend um, ihre Rückseite schützend. Je weiter sie ging, desto heftiger schlug ihr Herz gegen ihre Rippen. Wut mischte sich in ihre Angst. Wie hatte es nur so weit kommen können? Was bildete sich der unverschämte Fotograf dieser Bilder eigentlich ein, so in ihre Privatsphäre einzudringen. Seit Wochen drangsalierte er sie nun schon. Durch puren Zufall hatte er von ihrem Verhältnis erfahren. Natürlich hatte er gleich diese verräterischen Fotos gemacht, nachdem er gesehen hatte, wie sie während einer gemeinsamen Dienstreise nicht in ihr gebuchtes Zimmer gegangen war, sondern eine andere Richtung eingeschlagen hatte. Er war ihr gefolgt. Es war ein Kinderspiel mit der Zimmernummer des Zimmers, in dem sie mit offenen Armen empfangen wurde, herauszufinden, auf wen dieses Zimmer gebucht war. Ach wären sie doch vorsichtiger gewesen. Aber wer rechnet denn mit so etwas. Anschließend war er auf ihren Balkon geklettert und hatte sie durchs Fenster in eben jener Pose fotografiert, die sie nun von diesem Foto anstarrte.
Dies war jedoch nicht die erste Aufnahme, die sie mit dem Ziel, sie zu erpressen, von sich erhielt. Das erste kam anonym. Dabei hatte sie sofort gewusst, von wem dieses Foto stammte. Es konnte nur von ihm sein. Sonst war niemand dabei auf dieser Dienstreise. Als nächstes verstieg sich ihr Erpresser auf anzügliche Bemerkungen im Büro. Schließlich fand sie ein neues Lichtbild in ihrem Briefkasten. Sie solle sich etwas Nettes anziehen - sie wisse schon, was gemeint sei - und an einem Mittwoch in „Lucies Restaurant“ erscheinen. Sie wusste, es war ein Fehler dieser Forderung nachzukommen. Aber was blieb ihr übrig, wollte sie ihre geheime Liebe nicht verlieren, in dem sie öffentlich gemacht wurde.
Das dritte Foto fand sie in der Hauspost im Büro. Er war so taktvoll gewesen, das Bild in einen an sie adressierten Umschlag zu stecken. Zugeklebt war dieser jedoch nicht.
Als sie das Kuvert öffnete und seinen Inhalt erblickte, lief es ihr heiß und kalt den Rücken hinunter. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Oberlippe. Sie entschuldigte sich bei ihrer Kollegin, mit der sie sich das Büro teilte, und eilte auf die Damentoilette. Hier versicherte sie sich, dass alle anderen Kabinen leer standen, indem sie alle fünf Türen aufstieß. Dann betrat sie die erste, verschloss die Tür und riss das Kuvert in ihrer Wut und Verzweiflung auseinander. Mit tränenverschleiertem Blick nahm sie unscharf die Konturen des Bildes wahr.
Sie wusste ohnehin, was darauf zu sehen war. Sie drehte es um, und dort stand erneut eine Botschaft.
„Treffen auf dem Bergfried!“ ,lautete diese mit Datum und Uhrzeit.
Heute!
Ihren Geliebten konnte und wollte sie in diesen Schlamassel nicht mit hineinziehen.
Deshalb sollte er im Hintergrund bleiben und nur in Erscheinung treten, wenn es unbedingt nötig würde.
Viel zu groß war ihre Angst und Sorge, ihn für immer zu verlieren. Also blieb ihr wieder nichts anderes übrig, als diese Forderung zu erfüllen.
Und so machte sie sich nun an den gruseligen und Furcht einflössenden Aufstieg zum Bergfried hinauf.
Dort oben angekommen brachte sie es nicht über sich, in den stockfinsteren Bergfried hineinzugehen. Sie beschloss, eine dunkele Nische zu suchen, um sich dort zu verstecken und erst einmal abzuwarten, was passierte.
Sie überlegte schon seit ein paar Minuten, wieder nach Hause zu gehen, als sie Schritte hörte.
Jemand rief ihren Namen. Zuckersüß!
Sie begann am ganzen Leib zu zittern. Ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr.
Wie angewachsen blieb sie in ihrer Nische stehen.
Wieder hörte sie ihren Namen. Dieses Mal wie das Gebrüll eines Löwen kurz vor dem Angriff.
„Komm her!“, drohend. „Sonst erzähle ich jedem, der es wissen oder auch nicht wissen will, von deinen Schäferstündchen. Ist es dir das wert? Na komm schon.
Komm zu mir.“
Lockend. Wie der böse Wolf das Schneewittchen lockte.
„Ich tue dir auch nicht weh! Versprochen! Oder muss ich mich erst mit deiner angeblich dem Tode geweihten Kontrahentin unterhalten, damit du begreifst, wie ernst ich es meine.“ Er sprach die Sätze melodisch, als wolle er ein Kinderlied singen.
Wie meinte er das?
Angeblich dem Tode geweiht! War sie es denn nicht?
Ihre Gedanken wirbelten durcheinander.
Was meinte er damit?
Um dies herauszufinden, hatte sie keine andere Wahl.
Sie trat aus dem Schatten heraus. Kies gab knirschend unter ihr nach.
Er drehte sich zu ihr um. Mit wild lodernden Augen fixierte er sie.
Sie steckte die Hand in die Tasche nach ihrem Tränengas tastend, um bereit zu sein.
Er schlenderte lässig auf sie zu. „Keine Angst mein Schatz, wir werden viel Spaß miteinander haben, du und ich.“ Wieder dieser psychopathische Singsang.
Endlich fand sie ihre Stimme wieder.
„Und wie lange soll das dann so gehen? Oder wird das hier eine einmalige Angelegenheit, dann bekomme ich die Fotos, und du lässt mich dann für alle Zeit in Ruhe.
Wie hast du das überhaupt gemeint - „angeblich“ sterbenskrank?“ Je länger sie redete, desto sicherer klang ihre Stimme. In ihrer Manteltasche legt sie den Finger auf den Sprühknopf des Pfeffersprays.
„Schauen wir doch erst einmal, wie viel Spaß wir miteinander haben und dann sehen wir weiter. Ist das ein Angebot?“ Er trat zwei Schritte auf sie zu und rollte mit den Augen.
Hatte der Drogen genommen oder was? Fragte sie sich, und eine erneute Panikwelle stieg in ihr auf.
„Das ist ein Scheiß!“, kreischte sie.
Sie verlor die Beherrschung!
Mit drei schnellen Schritten war er bei ihr. Drehte sie mit dem Rücken zu sich um. Bog ihr beide Arme hinter den Rücken. Hielt sie mit einer Hand in eisernem Griff, und mit der anderen verschloss er ihr den Mund.
„Beruhige dich! Ganz ruhig!“ „Vertrau mir.“, säuselte er ganz dicht an ihrem Ohr.
Mit der Nase zog er tief die Luft in ihrem Nacken ein.
Ihre Härchen stellten sich auf.
„Oh Gott du riechst so gut.“ Er stieß ihr seine Nasenspitze in den Nacken.
Wenn Panik sich noch steigern konnte, dann in diesem Augenblick.
Ihr brach der Schweiß aus.
Ihr Herz hämmerte derart gegen ihre Rippen, dass sie meinte, ihr Brustkorb würde sich an der Stelle mit jedem Schlag ausbeulen.
Ohne Vorwarnung leckte er ihr über das rechte Ohr den Hals hinab.
Ekel und Kälte erschauderte ihren Rücken. Wut stellte sich ein.
Mit der Hand, mit der er ihren Mund verschlossen hatte, begann er nun von hinten, ihre Brüste zu bearbeiteten.
Brutal kniff und quetschte er sie.
Sie schrie auf, versuchte, sich loszureißen, doch er hielt sie mit eisernem Griff.
Das Blut war längst aus ihren Händen gewichen, ihre Finger fühlten sich taub und gefühllos an . Könnte sie sich los reißen, wären sie nutzlos. Sie könnte nicht mal den Knopf des Pfeffersprays betätigen.
Panisch durchdachte sie ihre Möglichkeiten.
Sich ruhig zu verhalten und ihrem Peiniger geben, was er verlangte? Wenn sie nur daran dachte, begann sie zu würgen. Ihr Magen begann, sich nach oben zu stülpen und entleerte sich mit einem Schwall. Seine Arme und ihr Oberkörper, ihr Busen wurden besudelt.
Er stieß sie von sich.
Angeekelt verzog er das Gesicht.
„Wie romantisch!“, triefend vor Ironie.
Erneut verließ ein Schwall ihren Magen, grün vor Elend im Gesicht.
Romantik, Romantik! Ich bin doch nicht hier wegen der Romantik, sondern weil du mich gezwungen hast.
Erneut krümmte sie sich vorn über. Diesmal kam nur noch Galle.
Abscheu zeichnete sein Gesicht. „Hier ist ja wohl heute nichts mehr zu holen. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.“ Er wandte sich zum Gehen, über die Schulter hinweg blinzelte er ihr neckisch zu. „Bis bald!“
Wieder Galle! Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Ihr ganzes Kinn war mit Schleim besudelt.
Sie hob den Blick, war er tatsächlich gegangen.
Er war weg!
Sie war so erleichtert, dass sie die Schritte in ihrem Rücken nicht wahrnahm.
„Hallo!“, ertönte eine Stimme.
Es fing an, zu dröhnen in ihren Ohren.
Sie wusste in diesem Augenblick, dass das, was sie in der vergangenen halben Stunde durchgemacht hatte, ein
Kinderspiel im Vergleich zu dem war, was nun folgte.
Vor zwei Tagen hatte Ellen - mit der Kaffeetasse in der Hand an die Küchentheke gelehnt - die Buchungsbestätigung für ein Hochzeitsarrangement mit mehrgängigem Candle Light Dinner inklusive anschließender Übernachtung mit Frühstück am nächsten Morgen im Hotel „Zur Burg“ in Wassenberg studiert. Auftraggeber dieser Buchung war eindeutig ihr Mann Jens gewesen.
Gesagt hatte er ihr allerdings nichts hiervon.
Das sollte doch wohl nicht etwa eine Überraschung zu ihrem siebten Hochzeitstag sein? Dass er überhaupt an ihren Hochzeitstag gedacht hatte, wunderte sie sehr.
Beim Durchsuchen seiner E-Mails hatte sie die Buchungsbestätigung gefunden.
Merkwürdig, dass er mit ihr nicht darüber gesprochen hatte.
Oder wollte er sie überraschen.
Sie konnte es ja kaum glauben, so abweisend und gleichzeitig abwesend er in letzter Zeit war. Sie hatte schon ein außereheliches Verhältnis in Verdacht. Aber Beweise hierfür hatte sie bis jetzt keine gefunden.
Weder in seinen Hosentaschen, noch in seiner Geldbörse oder in seinem Handy. Die E-Mails waren ihre letzte Hoffnung gewesen. Gefunden hatte sie rein gar nichts, aber was sie glauben sollte, wusste sie nicht.
Oft war er in Gedanken ganz wo anders, wenn sie ihn ansprach.
Sollte sie ihn darauf ansprechen?
Ohne Beweise?
Würde er alles abwiegeln und herunterspielen?
Am schlimmsten fände sie es, wenn er ihr vorwerfen würde, sie bilde sich das alles nur ein.
Ellen entschloss sich, einfach abzuwarten. Sie könnte ihm verheimlichen, dass sie die Buchungsbestätigung gefunden hatte.
Lud er sie nicht ein, wüsste sie, woran sie war.
Aber wollte sie das auf diese Art und Weise erfahren.
Sie machte sich Gedanken um ihren Gemütszustand, sollte er mit einer anderen Frau dieses Essen genießen, während sie allein zu Hause säße.
Bei dem bloßen Gedanken daran fing sie an, innerlich zu kochen.
Dann musste sie ihn in jedem Fall mit ihrem Wissen konfrontieren. Da konnte sie auch gleich den Ausdruck auf der Küchentheke liegen lassen und abwarten, was passierte.
In Gedanken ging sie weiter ihre Möglichkeiten durch.
Den Ausdruck einfach liegen zu lassen, erschien ihr im Moment die einfachste Lösung. Also deponierte sie ihn gut sichtbar auf die Küchentheke und ging zur Arbeit.
Als Ellen am Nachmittag nach Feierabend nach Hause kam, war der Beleg verschwunden und ihr Mann Jens ebenfalls. In ihrer Phantasie malte sie sich aus, wie er bei ihr war und die Situation wild gestikulierend diskutierte.
Was sollte sie tun?
„Ha, da habt ihr jetzt ein Problem was?“, murmelte sie grimmig vor sich hin. Sie bemerkte die Wut, die in ihr hochkochte, also ging sie ins Bad und ließ kaltes Wasser über ihre Handgelenke laufen.
Sie musste besonnen und ruhig bleiben.
Sie durfte auf keinen Fall ausflippen.
Da hörte sie das Öffnen der Haustüre.
Das konnte nur Jens sein.
Sie hörte, wie er ihren Namen rief.
„Ja? Was gibt es denn? Ich bin im Bad!“
„Warum bist du so gereizt? Schlechten Tag gehabt?“ Er stellte einen konsternierten Gesichtsausdruck zur Schau, als er seinen Kopf durch die Badezimmertür steckte.
„Na du scheinst ja einen ganz besonders guten Tag erwischt zu haben, so wie du strahlst.“, schleuderte sie ihm süffisant entgegen. Sie folgte ihm in den Flur.
„Willst du mir jetzt vorwerfen, dass ich gute Laune habe und du nicht? Da kann ich ja wohl nichts für!“
Verärgert wandte er sich um und betrat die Küche. „Ich wollte dich eigentlich überraschen, aber erstens hast du mir die Überraschung vermasselt, in dem du meine E-Mails durchstöbert hast. Was hast du eigentlich dort gesucht?“ Misstrauisch sah er sie an.
„Und zweitens?“, wich sie ihm aus.
Vielleicht konnte sie die Antwort auf diese Frage schuldig bleiben.
„Und zweitens weiß ich gar nicht, ob du eine Überraschung im Augenblick überhaupt verträgst, so schlecht, wie du in letzter Zeit drauf bist.“
Das saß!
Sie wandte ihr Gesicht von ihm ab, damit er ihren verletzten Gesichtsausdruck nicht sehen konnte.
Mühsam versuchte sie, ihre Fassung wieder zu gewinnen. Jetzt bloß nicht heulen.
Er sah sie an.
Hatte er sie am Haken?
Ihr Misstrauen blieb.
Vielleicht ist so ein Wochenende ja gar nicht so schlecht, überlegte sie. Vielleicht brachte es sie einander wieder näher. Sie konnten bei einem leckeren Glas Rotwein miteinander reden.
Richtig miteinander reden!
Und wenn sie geredet hatten, konnten sie auch andere schöne, sehr entspannende Dinge tun.
Bei dem Gedanken daran wurde ihr warm. Sie setzte ein Lächeln auf und wischte sich mit dem Zeigefinger eine Träne, die sich aus ihrem linken Auge gestohlen hatte, fort.
„Entschuldige bitte meine schlechte Laune in letzter Zeit, aber der Stress auf der Arbeit macht mich einfach fertig. Es tut mir leid, dass ich deine Überraschung verdorben habe, das wollte ich nicht.“ „Was wolltest du denn nun in meinen Mails?“ Jens beharrte auf einer Antwort.
Blitzschnell ging sie im Kopf mögliche Antworten durch und entschied sich für diejenige, die sich für sie augenblicklich am plausibelsten anhörte.
„Meine Kollegin Ira beabsichtigte, mir auf deinen E-Mail Account eine Rechnung zu schicken. Die wollte ich ausdrucken. Es war keine Absicht, dass ich auf deine Buchung gestoßen bin.“
Sie legte eine falsche Fröhlichkeit an den Tag.
Er sah sie scharf an. „Tu das nie wieder!“, sagte er todernst mit Eis in der Stimme.
Plötzlich war er wie ausgewechselt!
Zorn loderte ihr aus seinen Augen entgegen.
Kennte sie ihn nicht besser, sie würde Angst vor ihm bekommen.
„Ist ja schon gut.“ „Wie gesagt, es war keine Absicht.“, beschwichtigte sie, und die Hoffnung zu mehr Nähe schwand so schnell, wie sie sich eingestellt hatte.
Trotzdem wollte sie an diesem Wochenende ihre Chance nutzen.
Zwei Wochen später war es so weit.
Er lud ihren Trolley in den Kofferraum seines Wagens, während sie das Auto bestieg.
Gleich würde es los gehen.
Es wurde auch allerhöchste Zeit.
Die Stimmung war derart gereizt und angespannt. Bei der kleinsten Kleinigkeit bekam er einen Tobsuchtsanfall nach dem nächsten.
Er begann, auf Sachen einzuschlagen.
An einem Tag hatte er mit der Faust den Badezimmerspiegel zerschlagen. Das war eine sehr blutige Angelegenheit gewesen.
Ihr Bruder Marko hatte sie bekniet, nicht mit ihm zu fahren, sondern stattdessen entweder heimlich, still und leise aus dem gemeinsamen Haus auszuziehen oder aber die Schlösser austauschen zu lassen.
Marko war der Meinung, es dauere nicht mehr lange, und er würde Hand an sie legen. Als sie ihm das mit dem Badezimmerspiegel erzählt hatte, war Marko außer sich gewesen.
Aber sie konnte sich zu keinem von beidem durchringen.
Es ging einfach nicht.
Sie redete sich ein, sie brauche nur etwas Zeit mit Jens, dann ginge es schon wieder besser.
Also saß sie nun hier neben ihm und fuhr mit ihm die Zufahrtsstraße zum Hotel „Zur Burg“ hinauf. Zu Füßen des Bergfrieds befand sich ein Parkplatz; dort stellten sie den Wagen ab und rollten ihren Trolley zur Rezeption.
Nachdem Jens seinen Personalausweis vorgelegt und der Rezeptionist alle wichtigen Daten aufgenommen hatte, händigte er ihnen den Zimmerschlüssel aus.
Mittlerweile war es schon sieben Uhr am Abend, so dass ihnen noch ein klein wenig Zeit blieb, ihr Zimmer zu beziehen, sich frisch zu machen und umzuziehen.
Dann begaben sie sich in den Speiseraum des Hotels zu ihrem Candelight Dinner.
Im Speiseraum angekommen begleitete ein Kellner sie an ihren reservierten Platz, in einer ruhigen gemütlichen Nische direkt am Fenster.
Zur Eröffnung servierte er ihnen ein Glas Champagner.
Sie stießen mit klirrenden Gläsern miteinander an und beglückwünschten sich gegenseitig zu ihrem siebten Hochzeitstag.
Sie nippte an ihrem Glas und genoss den Ausblick hinab auf den Stadtkern von Wassenberg. Geredet hatten sie bisher wenig bis gar nicht miteinander.
Hatte sie gehofft, ihrem Mann wieder etwas näher zu kommen an diesem Abend, so zerschlug sich diese Hoffnung mit jedem nicht gewechselten Wort ein bisschen mehr.
„Es ist schön, dass wir mal wieder Zeit miteinander verbringen, findest du nicht auch?“, bemühte Ellen sich, ein Gespräch in Gang zusetzen.
Wenn das so mühsam ist, mit dem eigenen Ehemann ein Gespräch zu führen, hat es dann noch Sinn?, fragte sie sich insgeheim. Wenn so wenig zurückkommt?
Traurig nippte sie an ihrem Champagner.
„Ja Schatz, das finde ich auch!“, antwortete er ihr abwesend.
Schatz?! So hatte er sie schon ewig nicht mehr genannt.
„Der Stress in der Firma belastet mich sehr. Die Umsätze sind weiter gesunken. Möglicherweise müssen wir Mitarbeiter entlassen.“ Entschuldigend hob er die linke Schulter.
„Das ist ja schrecklich. Das wusste ich nicht. Warum redest du nicht mit mir darüber. Dazu bin ich da. Damit du deine Sorgen mit mir teilst.“ Eindringlich sah sie ihn an.
„Aber nicht jetzt! Wir wollen uns doch nicht den schönen Abend verderben. Komm, lass uns über etwas anderes reden. Erzähl mir lieber, wie dein Tag war!“
Schon wieder wich er ihr aus.
„Ich war beim Friseur heute Morgen.“, kokett schob sie ihre Hände unter ihr Haar, hob es leicht an und ließ es nach hinten fallen.
Vorsicht Zaunpfahl!
„Das ist mir gleich aufgefallen!“ „Das sieht wirklich ausgesprochen gut aus.“, log er, denn nichts davon hatte er bemerkt.
„Schleimer! Das ist dir bis gerade gar nicht aufgefallen.“ „Du hast mich kaum angesehen.“, empörte sie sich.
Vorsicht Fallgrube!
„Du hast recht. Entschuldige bitte mein angespanntes Verhalten in letzter Zeit. Aber ich finde trotzdem, dass es dir ungeheuer gut steht.“ Versöhnlich lächelte er sie an.
Augenscheinlich wollte er die Klippe umschiffen, nun gut, sollte er.
„Dann hab ich den Hund ausgeführt, habe die Küche aufgeräumt und unseren Trolley gepackt. Wirklich nichts aufregendes.“
Sie wurden vom Ober unterbrochen, der ihnen die erste Vorspeise brachte. „Guten Appetit!“, wünschte er ihnen und ging davon.
Jens wähnte sich unbeobachtet und spinxte auf sein Handy, das neben seinem Teller auf dem Tisch lag.
Ellen hatte mehrfach mehr als auffällig auf sein Handy gestiert, aber der Wink mit dem Zaunpfahl - das schon nicht mal mehr nur ein Pfahl gewesen war - hatte Jens entweder nicht verstanden oder schlichtweg ignoriert.
Ja, ja, so viel zum romantischen Candle Light Dinner zum Hochzeitstag dachte Ellen verärgert.
Sie begann zu essen und schaute sich währenddessen schweigend im Speisesaal um.
Mehrere Pärchen saßen an den Tischen verteilt und unterhielten sich angeregt miteinander.
Dies war bei Jens und ihr leider nicht der Fall. Unangenehm breitete sich das Schweigen zwischen ihnen aus. Sie hätten auch zwei Fremde sein können, die man zufällig zusammen an einen Tisch platziert hatte, weil kein anderer Tisch mehr frei gewesen war.
Aus dem Augenwinkel bekam sie erneut mit, wie ihr Mann verstohlen auf sein Handy sah.
„Erwartest du noch einen wichtigen Anruf oder eine noch wichtigere WhatsApp von wem auch immer?“, fragte sie ihn spitz.
Sie konnte sich kaum beherrschen, am liebsten hätte sie vor lauter Wut und Schmerz angefangen zu weinen.
Das konnte doch nicht wahr sein. Warum hatte er sie überhaupt hierher eingeladen, wenn er nur mit anderen Dingen beschäftigt war?
„Äh, was hast du gesagt?“, lächelnd blickte er sie an.
Er hatte ihr noch nicht einmal zugehört.
Ihre Tränen kaum noch zurückhaltend knallte sie ihre Serviette von ihrem Schoss auf den Tisch und stand auf.