Blutwurstbrötchen - Lupus Faber - E-Book

Blutwurstbrötchen E-Book

Lupus Faber

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Ein Bankraub, zwei tote Bankräuber, zwei hinterbliebene Witwen, zwei Oberhauptkommissare erster Kajüte, dazu irre Verfolgungsjagden, der Einsatz von Schusswaffen, hochprozentige Alkoholika, eine Reihe erotischer Begegnungen, Pommes Schranke und erstaunlich appetitliche Blutwurstsemmeln. Der Fall der Beamten Harry Wepper und Stefan Tappert hat alles, was die Herzen unserer beiden Antihelden begehren. Doch fern aller Logik stolpern sie sogar noch durch die entferntesten Fettnäpfe und verlieren dabei laufend den Anschluss an ihre eigenen Ermittlungen. Kann nur noch Kommissar Zufall helfen oder bleibt das Verbrechen doch ungelöst? Und wo ist eigentlich Bingo, der Hund? Die Krimigroteske aus den 90ern ist zurück. Neues Design, alte Story. Ein Leckerbissen für Genrefans und Underground-Freunde. Die Story zum Film "Schnittchen mit Blutwurst" (Bloody Slices). Komplett überarbeitet!

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Inhalt

Ein Bankraub, zwei tote Bankräuber, zwei hinterbliebene Witwen, zwei Oberhauptkommissare erster Kajüte, dazu irre Verfolgungsjagden, der Einsatz von Schusswaffen, hochprozentige Alkoholika, eine Reihe erotischer Begegnungen, Pommes Schranke und erstaunlich appetitliche Blutwurstsemmeln. Der Fall der Beamten Harry Wepper und Stefan Tappert hat alles, was die Herzen unserer beiden Antihelden begehren. Doch fern aller Logik stolpern sie sogar noch durch die entferntesten Fettnäpfe und verlieren dabei laufend den Anschluss an ihre eigenen Ermittlungen. Kann nur noch Kommissar Zufall helfen oder bleibt das Verbrechen doch ungelöst? Und wo ist eigentlich Bingo, der Hund?

Die Krimigroteske aus den 90ern ist zurück. Neues Design, alte Story. Ein Leckerbissen für Genrefans und Underground-Freunde. Die Story zum Film »Schnittchen mit Blutwurst« (Bloody Slices). Komplett überarbeitet!

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

 – Eine Warnung zu Beginn

Tag Null

 – Es war ein wundervoller Morgen …

Tag Eins

 – Fürchterliche Kopfschmerzen führten dazu, dass …

Tag Zwei

 – Natürlich war

Tag Zwei

bereits angebrochen, als …

Tag Drei

 – Stefan reckte sich er Sonne entgegen, die bereits hoch …

Nachwort des Autors

 – Hintergründe zu Film und Erzählung

Extras

 – Premiereninfos und Pop Art zum Film

Vorwort

Der folgende Text ist eine Thrillergroteske, die ihre Leserinnen und Leser mit einem packenden Kriminalfall zu unterhalten versucht. Hierzu finden sich in der Erzählung neben humorvollen Abschnitten und anspruchsvollen Witzen sicher auch einige niederschwellige Zoten mit mittelmäßigem Spaßverständnis, wobei diese Bewertung natürlich einer rein subjektiven Betrachtungsweise entspringt.

Der Text ist in Teilen geschmacklos, verunglimpft Personengruppen unterschiedlicher Art und überzeichnet deren Verhalten aufs Extremste. Gelegentlich eingestreute Abfälligkeiten betreffen Polizeibeamte, Autofahrer, Menschen unterschiedlicher sexueller Ausrichtung, Politiker, Verbrecher, Kinder, Haustiere und deren Besitzer, Frauen, Computerspielenerds, Fetischisten, Kartoffelchipsliebhaber, Verstorbene, unbescholtene Passanten, Science-Fiction-Freunde, Thanatologen sowie neben all diesen und weiteren Menschengruppen auch und vor allem Männer, egal welcher zuvor genannten Gruppe sie bereits zugehörig sind.

Beachten Sie bitte außerdem, dass die Überzeichnungen dieses Thrillers gelegentlich zu Beschreibungen von Gewalt, Sexualität, Vomitation und/oder Defäkation führen. Wenn Sie bereits 18 Jahre oder älter sind, bereiten Sie sich bitte schon jetzt auf die entsprechenden Passagen vor. Falls Sie jünger sind, beenden Sie nun das Lesevergnügen und widmen sich einer Fernsehsendung des Kinderprogramms, einem lustigen Comicheft oder dem Plüscheinhorn in Ihrem … in deinem Regal.

Vielen Dank.

Sollten in diesem Text reale Unternehmen, Produkte, Künstler, Organisationen usw. genannt werden, so werden diese hier ausdrücklich weder beworben noch herabgewürdigt, sondern neutral verwendet. Es besteht kein direktes oder indirektes Verhältnis zwischen dem Autor und den genannten Produkten oder Unternehmen. Einige Namen von Firmen und Einrichtungen wurden absichtlich verfremdet. Alle beschriebenen Figuren sind wie die gesamte Geschichte rein fiktiv und ohne Realitätsbezug.

Tag Null

Es war ein wundervoller Morgen im Oktober des Jahres 1994. Die Sonne wärmte mit ihren goldenen Strahlen das Land, und die letzten Vögel, die auf ihrem Weg in den Süden im Münsterland Rast gemacht hatten, sangen zum Abschied ihr einfaches, aber fröhliches Lied. Dass eine erhebliche Anzahl von ihnen in halsbrecherischen Fallen italienischer Vogelfänger landen würde, war ihnen selbstverständlich nicht bewusst.

Der Parkplatz an der Bundesstraße 236 in der Nähe des alten Bergwerkschachtes wurde selten von Ausflüglern besucht. Deshalb war es umso verwunderlicher, dass ein anthrazitfarbener Citroën den knirschenden Schotterweg hinauf kroch und die wundervollen Geräusche der Natur unterbrach. Die Vögel stoben auseinander, ein halbes Dutzend Wildkaninchen rannte Haken schlagend in den Wald, ein Reh flüchtete sich in das Dickicht und beobachtete von dort den wild schnaubenden Eindringling, dessen Motor kurz darauf verstummte.

Das Fahrzeug war mit vier schäbig gekleideten Personen besetzt. Der Fahrer gestikulierte heftig und sprach dabei auf die anderen Insassen ein. Alle nickten zustimmend, als er fordernd in die Runde blickte.

Zwei Minuten später wurde der Motor wieder gestartet. Als die durchdrehenden Reifen den Wagen in Bewegung setzten und kleine Kiesel in die Büsche schleuderten, erhob sich eine schwarze Wolke aus Ruß in den Himmel. Panisch zuckte das Reh zusammen. Von den vielen kleinen Steingeschossen getroffen, stand wildes Entsetzen in seinen Augen geschrieben. Es drehte sich um und rannte durch den Wald davon.

Es kehrte nie wieder an diesen Ort zurück.

•   •   •

Der Citroën setzte seinen Weg durch das südliche Münsterland fort. Die Insassen hatten sich eine knappe Stunde zuvor in Lünen getroffen und ihre Pläne für den Vormittag ein weiteres Mal besprochen. Sie alle kamen aus diesem verschlafenen, kleinen Städtchen, das von einigen seiner Bewohner Brücke zwischen Ruhrgebiet und Münsterland genannt wurde und in zwei Jahren Austragungsort der angeblich spektakulärsten, doch wahrscheinlich gähnend langweiligen nordrhein-westfälischen Landesgartenschau werden sollte.

Am Treffpunkt in Lünen waren Checklisten durchgegangen, Werkzeuge und andere Utensilien geprüft und der Wagen mit vierzig Litern noch fehlenden Dieselkraftstoffs vollgetankt worden. Sie waren genau im besprochenen Zeitplan, als ein schlichtes, aber unübersehbares Schild am Straßenrand verkündete: Herzlich Willkommen in Bork.

»Es wird Zeit!« Der Fahrer brachte die Worte emotionslos über die Lippen. »Checkt noch einmal eure Kanonen. Ich will, dass alles ohne Probleme über die Bühne geht, ist das klar?«

»Glasklar, Boss.« Wie alle anderen hatte auch der Beifahrer bereits seine Maske aufgesetzt, die ihn für Beobachter und Überwachungskameras unkenntlich machen sollte. Er überprüfte den Zustand seiner Waffe und entsicherte sie. Die beiden weiteren Mitfahrer auf der Rückbank taten es ihm gleich.

Der Boss, wie der Fahrer von den anderen genannt wurde, manövrierte das Fahrzeug zielsicher durch den kleinen Selmer Vorort, der seine Selbständigkeit in den 70er Jahren aufgegeben und sich der Nachbarstadt untergeordnet hatte. Niemandem fielen die eigenartigen Gestalten auf, die in die Stadt eingedrungen waren, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Nur der Himmel schien zu erahnen, was sich unter ihm abspielte, denn während sich die Sonne hinter einer dichter werdenden Wolkenschicht zu verstecken versuchte, begann er sich langsam, aber stetig zu verdunkeln.

Die Art der Vermummung war, wie auch der Rest des genialen Coups, vom Boss erdacht und bis ins letzte Detail geplant worden. Das Gesicht musste von einem alltäglichen Gegenstand verdeckt werden, der in der Öffentlichkeit nicht weiter auffiel, aber seinen Zweck für den Überfall nicht verfehlte. Zusätzlich durfte dieser Gegenstand von keinem der Komplizen im normalen Hausgebrauch benutzt werden, damit man nicht einmal versehentlich in Verdacht geraten konnte.

Eines Nachts, während des Beischlafs mit dem von Jahr zu Jahr weniger geliebten Ehepartner, kam dem Boss die heiß ersehnte Eingebung: Chipskartons! Bei gelegentlichen Treffen hatte sich herausgestellt, dass alle Bandenmitglieder Kartoffelchips hassten und viel lieber die kleinen, mehligen Würmer aßen, die immer so lustig auf der Zunge zergingen und ihre Zusammenkünfte damit so viel fröhlicher machten. Bei einer möglichen Durchsuchung würde also niemand einen Hinweis auf die Chipskarton-Gangster finden. Dagegen würden Millionen von Kartoffelchipsfans automatisch des festgestellten Verbrechens verdächtigt werden. Die Täuschung wäre perfekt!

In jener Nacht, als der Boss das Bett verließ, um sich gründlich von den Überresten des verhassten Paarungsspiels zu reinigen, hatte das letzte Stückchen des Plans seinen Platz im Universum seiner ausgeklügelten Gaunerei gefunden. Zufrieden hatte er auf das Klo geblickt und die Brille nach oben geklappt.

»Das habe ich mir verdient«, hatte er zufrieden gegrunzt und seit seiner Hochzeit vor elf Jahren zum ersten Mal wieder im Stehen in die Schüssel uriniert.

Es hatte eine verdammt große Sauerei gegeben.

•   •   •

»Uhrenvergleich!«, brüllte der Boss. Irritiert blickte eines der vier Augenpaare durch die Schlitze seines Chipskartons auf den Rest der Gruppe. Hinter der Maske bewegte sich bereits der den Augen zugehörige Mund, um eine Frage zu formulieren, doch offenbar hatte niemand sonst einen Einwand vorzubringen. Also überlegte es sich der Besitzer dieser Augen noch einmal anders und hielt die Lippen geschlossen. Obwohl – er hatte nie verstanden, warum er das schön glänzende, azurblaue Zifferblatt seiner Casio immer wieder mit den nicht annähernd so wundervoll gestalteten Chronographen seiner Kollegen vergleichen sollte. Das führte doch zu nichts. Aber gut, dachte er. Wenn die anderen es so haben wollten. Er hielt sein Handgelenk zu den anderen und staunte nicht schlecht, als er sah, dass der Beifahrer mit einem nagelneuen, golden leuchtenden Schmuckstück auftrumpfte.

Aha, dachte er bei sich. Deshalb der Uhrenvergleich. Hier sollten offenbar neue, Eindruck schindende Besitztümer vorgeführt werden. Beleidigt zog er seine Hand zurück. Na wartet, grübelte er. Euch werd ich’s zeigen. Von meinem Anteil kaufe ich mir die schönste, größte und beste Swatch, die ich kriegen kann. Er begann zu rechnen. Die Uhr, die er die Woche zuvor in der Auslage eines Kaufhauses gesehen hatte, sollte ungefähr 98,90 DM kosten. Hoffentlich blieb genug für ihn übrig, wenn die Beute auf alle vier aufgeteilt wurde.

Er schaute aus dem Fenster und sah, dass sie sich langsam der Sparkasse Bork näherten. Sein Herz begann zu rasen. Schweiß trat aus all seinen Poren. Er versuchte, seine Krawatte zu lösen, um den obersten Hemdknopf öffnen zu können, musste dann aber feststellen, dass er unter seiner Trainingsjacke ein Sweatshirt und keinen Schlips trug. Verdammt! Heute ging aber auch alles schief. Hoffentlich war das kein böses Omen. Gebannt starrte er durch die Eingangstür der Sparkasse und beobachtete, wie der derzeit einzig anwesende Angestellte im Schalterraum hinter seiner kugelsicheren Glaswand die Beine auf den Tresen legte und sich gemütlich in seinem Stuhl zurücklehnte. Weit und breit war kein Kunde zu sehen. Plötzlich setzten sich, verursacht durch den Hebeldruck der Kassiererbeine, die Stahlfüße des Stuhls in Bewegung und rutschten gegen den Kassenschrank. Panisch griff der Angestellte zum Schreibtisch, der sich seitlich von ihm befand, erwischte statt eines sicheren Halts aber lediglich den kleinen, dort eingelassenen Knopf, bevor er mit dem Hinterkopf auf dem Fußboden aufschlug. Hätte sich noch eine weitere Person im Schalterraum befunden, so wäre ihr sicher der durchdringende Summton aufgefallen, der augenblicklich die stickige Luft der Sparkasse erfüllte. Die schmale Panzerglastür zum Kassenbereich schwang im Gegensatz dazu beinahe lautlos auf.

Das war die ideale Situation, besser hätte es nicht sein können. Der Kassierer hatte sich sozusagen selbst überrumpelt, und das Geld lag dort und wartete darauf, mitgenommen zu werden. Welch glückliche Situation! Als der uhrenfanatische Bankräuber den Boss betrachtete, wie dieser den Wagen weiter durch die Straßen lenkte, bedauerte er, dass sie die Borker Volksbank überfallen wollten und nicht die Sparkasse. Wer wusste schon, wie viele Probleme sich Ihnen dort in den Weg stellen würden.

•   •   •

Es dauerte nicht sehr lange.

Der Boss musste unwillkürlich an seine sexuellen Erfahrungen denken: rein – raus – fertig! Alles ging aalglatt, und es hätte kaum besser laufen können. Nichts Außerplanmäßiges war passiert, nichts war schiefgegangen. Obwohl … da war diese unbedeutende Geschichte mit dem kleinen Mädchen, das in Begleitung seiner schmuddeligen, untersetzten Mutter und einem weiteren Kind die Bank betreten hatte. Es hatte seinen Kindergartenfreund aufgefordert, ein Held zu sein, und dieser hatte daraufhin geschickt seine Wasserpistole eingesetzt, um der Bande ins Handwerk zu pfuschen. Aber als ausgekochter Profi wusste der Boss sich natürlich zu wehren. Ihm fiel augenblicklich Frau Dr. Kibitz ein, seine frühere Professorin aus dem Studium der Diplom-Pädagogik. Mein Gott, wie viele Jahre war das nun schon her? Im damaligen Seminar »Gestaltete Koedukationsansätze für eine geschlechterorientierte Arbeit im Erziehungswesen« hatte der Boss gelernt, den eigenen Kinderwunsch zu unterdrücken. Dies hatte auch tatsächlich funktioniert, wenn auch nicht für die Ewigkeit, so doch zumindest für einige Monate geruhsamer Ein- und Zweisamkeit.

Im direkten Anschluss an die Attacke mit der Wasserpistole hatte sich der Boss also in Erinnerung an das Seminar zu dem ungezogenen Kind hinunter gebeugt und ihm mit ernster Stimme erläutert, wie gefährlich es sein konnte, sich einem unbekannten Erwachsenen in den Weg zu stellen, dem doch so offensichtlich eine andere Auffassung von Moral und Anstand innewohnte. Erstaunlicherweise hatte der Kleine bereits nach einer knappen Viertelstunde begriffen, sich in eine Ecke des Schalterraums gesetzt und dort hemmungslos zu weinen begonnen.

Abgesehen von diesem nichtssagenden Zwischenfall war alles wie geschmiert abgelaufen. Die Bankangestellte hatte die Kasse leer geräumt und sich dabei selbst noch die Taschen vollgestopft. Vorher hatte sie vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Kamera über der Eingangstür besser zerstört werden sollte.

Sie betätigte den Alarm erst, nachdem sie ihre eigene Beute in Sicherheit gebracht hatte. Die Gang bekam von dieser Aktion nichts mehr mit. Schnellstmöglich verließ sie die Bank auf dem Weg, den sie gekommen war, nämlich durch die Eingangstür. Auf dem Weg zum Wagen stockten sie kurz, um sich zu wundern, warum sie nur noch zu dritt und nicht mehr zu viert waren. Ihnen fiel aber noch rechtzeitig ein, dass Günther ja im Fluchtwagen auf sie wartete.

Dann schrillte der Alarm.

•   •   •

»Günther, ab nach hinten!« Die Befehle des Boss waren von je her Gesetz gewesen, also stieg Günther, der es sich zwischenzeitlich auf dem Fahrersitz bequem gemacht hatte, zur Straße hin aus, kletterte durch die Hintertür des Citroën zurück ins Fahrzeug und nahm auf der Rückbank Platz. Der Boss selbst setzte sich hinters Steuer und startete den Wagen. Die schwarzen Wolken aus dem Auspuff konkurrierten mit denen, die blaugrau aus dem Fond des Autos nach vorn strömten. Von der Bank her ertönte der Alarm.

»Ääähm, Boss, ich glaube, wir sollten jetzt losfahren.« Schüchtern meldete sich Jürgen aus dem Heck zu Wort. Der Boss antwortete mit ruhiger, aber bestimmter Stimme.

»Jungs. Wir haben das schon zigmal besprochen: erst gurten, dann sturten«, versuchte er einen der Sicherheitshinweise des laufenden Jahrzehnts zu zitieren. »Oder war es: erst garten, dann starten – oder so ähnlich?«

Die drei Untergebenen schluckten. Dann, ohne Widerworte, begannen sie, die schwarzen Anschnallbänder aus ihren Wicklungsautomatiken zu ziehen, und nestelten kurz darauf an den Schließmechanismen ihrer Sicherheitsgurte. Günther, der als erster fertig war, zog ein weiteres Mal an seiner Zigarette und blies den Rauch durch die Nase nach vorn.

»Können wir jetzt?«, fragte er.

»Kippe aus!« Die Stimme des Boss schien ein wenig zu zittern. Die Sirene brüllte weiter, und der Rauch zog in dünnen Fäden durch das Fahrzeug. Schweiß in den Augen, Finger an den Abzügen, dröhnende Sirene. Der Gang eingelegt, die Kupplung getreten, Zigarettenglut dicht am Filter. Die Sirene kreischt. Chipskartons. Einsetzender Regen. Ein Augenpaar im Rückspiegel. Starren. Zurückstarren. Sirene. Rauch. Sirene. Glut.

»Okay, Mann.« Günther zog ein letztes Mal an der Zigarette und anschließend am Sperrriegel der Tür, stieß letztere einen Spalt weit auf und beugte sich hinaus. Es zischte leise, als die Zigarette auf den nieselregenfeuchten Boden fiel. Er zog die Tür wieder zu und augenblicklich setzte sich der Citroën in Bewegung. Die Insassen überschlugen während der ersten Fluchtkilometer den Ertrag ihrer Mühen. Die Beute betrug rund 400.000 Deutsche Mark in gemischten Scheinchen.

•   •   •

Harry Wepper war nicht das schwule, abgewichste, Gewalt verherrlichende, sexistische, infantile und schleimige Arschloch, für das ihn jeder hielt. Soweit er es selbst beurteilen konnte, war er nämlich keinesfalls homosexuell veranlagt, also befand er, dass das Adjektiv schwul auf ihn nicht zutraf. Was die anderen Merkmale betraf, so musste er zugeben, dass sie seine Persönlichkeit in gewissem Grade zutreffend beschrieben – abgesehen vielleicht von infantil. Er hatte nicht den leisesten Schimmer, was dieses Wort bedeuten sollte.

Harry hatte es mit seinen 30 Lebensjahren schon weiter gebracht, als seine Mutter es ihm beim Antritt seiner Polizeikarriere prophezeit hatte. Natürlich lag das weniger an seinen Fähigkeiten als Polizist, sondern eher an dem Wissen, wann er wo seinen Hintern hinzuhalten hatte, denn obwohl er nicht schwul war, so wusste er doch, welche einflussreichen Politiker und Vorgesetzten ein knackiges Hinterteil zu schätzen wussten.

Natürlich waren dies in weiten Teilen schmerzliche Erfahrungen gewesen, doch die Karriere war Harry von je her das Wichtigste auf Erden, und mittlerweile hatte er es auf seinem Weg nach oben zum Oberhauptkommissar erster Kajüte gebracht. Im Gegensatz dazu hatte es sein gleichaltriger Partner Stefan Tappert, ebenfalls Oberhauptkommissar erster Kajüte, leichter in seinem Job gehabt. Dieser hatte nämlich bei seinen Einsätzen versehentlich immer die richtigen Leute erschossen. Mittlerweile hatte Stefan siebenunddreißig Banditen vor dem Knast bewahrt. Die Körper dieser armen Seelen waren auf verschiedenen Bezirksfriedhöfen der Region zur letzten Ruhe gebettet oder alternativen Verwertungszwecken zugeführt worden. Beide Oberhauptkommissare taten ihren Dienst in Lünen und waren der Kripo der Nachbarmetropole Dortmund unterstellt.

Harry verzichtete darauf, das Blaulicht per Magnethalterung auf das Dach seines zivilen Streifenwagens zu setzen. Für ihn war es ein wesentlich größerer Reiz, rote Lichtzeichen ohne die am Fahrzeug angebrachten optischen und akustischen Warnsignale zu meistern. Der momentane Einsatz legitimierte diese Art der Verkehrsgefährdung zwar nicht, doch darum scherte er sich kein bisschen. Rücksichtsloser Spaß war alles, woran er während seiner Einsätze denken konnte. So rückte er lediglich seine Sonnenbrille zurecht, prüfte im Rückspiegel den Sitz seiner gegelten Frisur und trat aufs Pedal. Der scharlachrote Mazda 929 GLX, in dem er saß, gehorchte augenblicklich.

Er hatte an diesem Morgen mehrfach versucht, Stefan zu erreichen, doch der schien seine Telefonanlage aus der Wand gerissen zu haben. Nicht einmal der Anrufbeantworter sprang auf das permanente Klingeln an. (Wenn Harry es sich recht überlegte, reagierte Stefans Anrufbeantworter schon seit geraumer Zeit nicht mehr auf seine Anrufversuche; offenbar war er in den vergangenen Jahren nicht mehr betriebsbereit gewesen.) Also musste Harry seinen Partner persönlich aufsuchen. Die dreißig Autominuten vom Präsidium zu Stefans Wohnung im Dortmunder Norden erledigte er in zwölf. Offenbar hatte er einen schlechten Tag, denn für gewöhnlich benötigte er nur neun Minuten.

Die Tür des schäbigen Mehrfamilienhauses stand weit offen. Eine dicke Frau mit verwaschener Schürze und zerfledderten Gummihandschuhen wischte den Eingangsbereich. Die grauen Fliesen glänzten feucht.

»Tag, Frau Schlabutzke. Haben Sie abgenommen?« Während Harry auf das Haus zuging und seinen cremefarbenen, etwas knapp gewordenen, italienischen Anzug zurecht zupfte (es war der einzige, den er besaß), trat er von den Waschbetonplatten in die lehmige Erde des Vorgartens. Er konnte spüren, wie der Matsch unter seinen Sechshundertmarkschuhen hängenblieb.

»Aber nicht doch, Herr Wepper.« Frau Schlabutzke blickte beschämt zu Boden. »Ich versuche ja schon alles, aber nichts klappt so richtig. Neulich hab ich sogar diesen SchlankSchnell-Trunk ausprobiert, Schokogeschmack, aber davon wurde mir nur fürchterlich schlecht.«

»Also wissen sie«, unterbrach sie Harry, »wenn ich sie so vor mir sehe, könnte ich schwören, das Zeug hätte gewirkt.«

»Finden sie wirklich?«

»Aber ja, Frau Schlabutzke. Sie sehen frischer und lebendiger, ja sogar ein bisschen jünger aus«, log Harry und trat in den Hausflur an ihr vorbei. »Ehrlich!« Er trat ein wenig fester auf, damit sich der Schlamm von seinen Sohlen lösen konnte. Frau Schlabutzke lächelte selig.

Zwei Etagen höher drückte er auf den Klingelknopf neben dem Schild mit der Aufschrift ›S. Tappert‹. Darunter stand in handschriftlicher Zweitklässlerrechtschreibung: ›Kackerlack verpis dich!‹. Als der Ton der Türglocke ausblieb, fiel Harry ein, dass Stefan die Klingel vor einigen Wochen in eigener Handwerksarbeit repariert hatte. Seitdem musste man den Schalter unterhalb der eigentlichen Schelle betätigen. Synchron zur sich ein- und ausschaltenden Flurbeleuchtung ertönte ein Gong jenseits der Wohnungstür.