Boarderlines 1 - Andreas Brendt - E-Book

Boarderlines 1 E-Book

Andreas Brendt

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Beschreibung

„Wer mir einen nachvollziehbaren Grund nennen kann, erwachsen zu werden, bekommt sämtliches Gold der Welt, einen Oscar in allen Kategorien und sei gleichzeitig in die Hölle verbannt.“ Als sich Andi auf Bali mit dem Surfvirus infiziert, wirft er sein Leben über den Haufen und bricht auf in die Welt. Der Startschuss zu den besten Wellen des Planeten und einer Sinnsuche zwischen Vernunft und Fernweh. Und für ein Leben inmitten von Pistolen, Edelsteinen, Malaria, gemeinen Ganoven, allwissenden Professoren und deutschen Bierdosen. "Ein Buch mit großer Erzählkraft" (Aachener Nachrichten) „Zwischen Trash und Tiefsinn, immer aufregend, immer mitreißend. Die ganze Welt in einem Buch.“ (Chris) „Ein Buch zum Runterlesen. Man erwischt sich sehr schnell dabei, seine Sachen packen und die Welt erleben zu wollen.“ (Radio Köln) Boarderlines ist ein autobiografischer Reise-Roman über zehn Jahre langes Reisen und die Sehnsucht nach Abenteuer und Freundschaft. Und natürlich die Liebe – zum Surfen, zu Menschen, zum Leben. Unglaubliche Geschichten aus Indonesien, Australien, Südafrika, Europa, Sri Lanka, Peru, Ecuador, Neuseeland, Fiji, Chile uvm.

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AndreasBrendt

Boarderlines

Eine wahre Geschichte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

©Andreas Brendt, alleRechtevorbehalten

www.boarderlines-buch.de

Einbandgestaltung:MüllerValentini,

Überarbeitete Version 2023

ISBN 978-3-00-040299-9

(978-3-943176-99-5)

 

Die in diesem Buch dargestellten Zusammenhänge, Erlebnisse und ThesenentstammendenErfahrungenund/oderderFantasiedesAutorsund/odergebenseine Sicht der Ereignisse wieder. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen,UnternehmenoderInstitutionensowiederenHandlungenundAnsichtensindreinzufällig. Die genannten Fakten wurden mit größtmöglicher Sorgfalt recherchiert,eineGarantiefürRichtigkeitundVollständigkeitkönnenaberwederderVerlagnochderAutorübernehmen.Lesermeinungengernean: [email protected]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Twentyyearsfromnowyouwillbe moredisappointed by the things you didn’t dothanbytheonesyoudid.

 

So throw off the bowlines, sail away fromthe safe harbor. Catchthe trade winds inyoursails.Explore.Dream.Discover.

 

MarkTwain

 

 

 

Inhalt

 

Prolog:FreakSet,2004      10

I.Köln,1996      12

Aufbruch,verrückteIdeemitweltweitenFolgen

II. Bali,1996      17

InselderGötterundDämonen

III. Australien,1996      32

WildlifeinDownUnder

IV. Heimaturlaub,1996      67

NichtmehrgegendasErtrinken,aberdenErnstdesLebens kämpfen

V. Südafrika,1996      70

KriminelleundArmdrückenmitdemweißenHai

VI. Semester-Halbzeit,Februar1997      100

NeuesLeben,altePflichtunddergroßeZwiespaltdazwischen

VII. Europa,1997      109

DerRubelmussrollen,sonststehtderFliegerstill

VIII. Bali,1998      127

SurfenfürharteMänner:TheUluwatuExperience

IX.Köln,1998      155

DieRitterrüstungzerfälltzuStaub

X.SriLanka,1998      157

Weise Worte, lachende Vögel und glänzende Edelsteine

XI.Köln,1999      181

DasEndevomAnfangoderderAnfangvomEnde

XII. Peru,2000      189

OhneWortezurlängstenWellederWelt

XIII. DeutschlandindreiTagen,2000      234

DreiTageinErklärungsnot

XIV. Frankreich,2000      237

HeimatgefühleimSurfcamp

XV. MailvondenMalediven,2000      239

Déjà-vuausdemAquarium

XVI. Bali,2001      245

Eine schwere Hand,dreißig Jahre Knastund das ersteroteFeuerwehrauto

XVII. Frankreich,2001      265

StummeFragen

XVIII. Ecuador,2002      267

Heiße Nächte, Salsa unddie Liebe imRegenwald

XIX. Deutschland,2003      299

Saubere BettwäscheundfehlendeFreunde

XX. Frankreich,2003      323

Die LiebemeinesLebensund derToddanach

XXI. Fuerteventura,2003      328

LebenstraumausEinsamkeit

XXII. Deutschland,2003      332

Flucht!

XXIII. Neuseeland,2004      338

NeueLeichtigkeit,aberschweinischeHighlandersterbennicht

XXIV. Fiji,2004      352

Kawaundcoop

XXV. Indonesien,2004      359

MiteinemKlickhatmanseinLebenverpfuscht

XXVI. Sumbawa,2004      369

KannmanunterWasserweinen?

XXVII. Europa,2004      378

EinespanischeKöniginunddieNachrichtvomdeutschenStaat

XXVIII. Chile,2004      384

EinletzterTrip,derzurückzumAnfangführt

XXIX. Köln,25.Januar2005      392

KölnistimmereineReisewert

XXX. Köln,1.Februar2005      395

Vereidigung

Epilog      402

Glossar      406

Danksagung      412

 

 

 

 

 

Prolog:

FreakSet,2004

 

 

 

ZwölfjungeMännersitzenbeisammen.EinleisesRauschen weht durch die Luft. Keiner sagt etwas. Spannung und Nervosität liegen in den Gesichtern. Nein Angst. Alle sind freiwillighier, hoffen auf großartige Momente und fürchten gleichzeitigden Untergang. Sie haben viel gesehen in der Welt, sich Jahrevorbereitet, auf einen Moment wie diesen. Der Tag ist gekommen, für alle zusammen und jeden Einzelnen. Obwohl sie gemeinsamhiersind,bleibtjederalleine,aufsichgestelltund ohneHilfe vonaußen.

Die See ist spiegelglatt und das rettende Ufer ein paar hundertMeter entfernt. Das erste Dämmern verdrängt die Schatten derNacht.DieSonnebeginntzuglitzern.VerheißungsvollnimmtderTagGestaltan,schickteinpaarVögelandenHorizontundtauchtdas Tropenpanorama in zauberhaftes Licht. Palmen, türkisblaues Wasser und der Dschungel Indonesiens dahinter. Der nächsteOrt,dieZivilisation,eineTagesreiseentfernt.Ichsitzemittendrin.HockeaufdemBrettundmeineBeinebaumelnimWasser.Die Ruhe ist trügerisch, die Stille vielsagend. Mein Herz hämmert inderBrust.

Dann passiert es. Wie aus dem Nichts türmt sich einMonsteraufundrastaufunszu.Geschocktundmitblankem Entsetzen paddeln wir um unser Leben, flüchten zum rettendenHorizont und beten um Gnade. Panik blitzt auf. Wird Gewissheit,dennnurwenigeschaffenes,ruderndieriesigeWasserwandhinauf, steil nach oben und gerade noch hinüber. Der Rest wirdverschlungen,wirdinStückegerissen.DiegigantischeWelletobt und trampelt alles nieder. Gewaltige Turbulenzen schleudern die Überrollten umher und drücken sie in die Finsternis des Ozeanshinab.ArmeSeelen,undeinedavonbinich.

Während die Dampfwalze meine Glieder durch die Gegendwirbelt, verpufft die Luft in meinen Adern wie Erinnerungen anlängstvergangeneTräume.Allesummichherumistschwarz.DerSauerstoff wird knapp. Und knapper. Ich kann nichts mehr tun.Mussaushalten.MussRuhebewahren.DerDruckinmeinenLungen wird unerträglich, der Wunsch nach Luft, nach Leben, nachSonne auch. Und in jedem Moment die Frage: Wie lange noch?Dann Hoffnung. Die Turbulenzen lassen nach, der Sog wirdweniger, lässt mich los. Und dann endlich der ersehnte MomentzumAuftauchen.IchkämpfemichnachobenundmitjedemZugweichtdieDunkelheitdemLichtderrettendenWasseroberfläche. Ichwerdeesschaffen.Auftauchenundendlichwiederatmen.

DasMeerrauscht,dieGischtdampft.ÜberallschwimmenzerbrocheneBretterzwischendenweitaufgerissenenAugendervorErschöpfungkeuchendenGesichter.WeitereWellenschlagenein,reißen uns fort und unter Wasser. Wir werden herumgeschleudert, durchgewaschen und schleppen uns, mit den Armen rudernd,wiederandieOberfläche.UndzurückansUfer.

Endlich aus der Gefahrenzone, setzt die Erleichterung ein.Durchatmen. Der Kampf ist vorüber. Wir sind geschlagen, aberleben.Undziehenunszurück.FürdiesenTag.

 

 

 

 

 

 

 

 

Köln,

1996

 

 

 

1996 ist eine Weile her. Helmut Kohl ist Bundeskanzler. Schon wieder.EsgibtwedereinrichtigesOzonlochnochKlimawandel.BezahltwirdmitDeutscherMark.Wirtschaftskrisenexistierennurinverstaubten Geschichtsbüchern, genau wie China, das irgendwo imOstenliegt.ManreistnachItalienoderFrankreich.ImWinterin dieSchweiz.ExotenfliegenaufdieKanarischenInselnundwerverrücktist,wagtsichüberdengroßenTeichindieVereinigtenStaatenvonAmerika.

 

3.März,11:47Uhr

 

Nach vier Stunden Prüfung verlasse ich den Hörsaal I der Universität zu Köln. Mein Hirn ist leer. Destruktive Statistik ade!Endlich die verhasste Klausur absolviert, laufe ich hinaus, ummeinen Kumpel Alex in der Mitschriften-AG zu treffen. DerLaden liegt vorne an der Ecke, ist Treffpunkt, Epizentrum vonUni-Klatsch und -Tratsch sowie einer meiner Nebenjobs. EinearbeitserleichterndeInstitution,diesichimCampuslebendergrößtenUniDeutschlandsverankerthat,dawirunsder Vervielfältigung von aktuellen Vorlesungsinhalten widmen. DieNachfrage ist groß, weil man nichts verpasst, auch wenn manmalverhindertist.

 

DerschwarzeZeigerüberderLadenthekeklettertaufzwölfUhr, unsere Schicht beginnt. Ich beschäftige mich mit den Kopierern,währendAlexDatenineinenRechnertippt …

»HeyAndi,lassdochmalverreisen!«

IchhebedenKopf.

»Super.Bindabei.«AndieAlsterinHamburg oder zum Ballermann auf Mallorca, ganz egal.

»Und wohin?«

»Hauptsache weit weg!«

Logisch. Ich rücke einen Stapel Papier zurecht. »Auto, ZugoderFlugzeug?«

»Australienklingtdochnett!«

MüssteFlugzeugsein,aberichhakesicherheitshalbernach.

»Gibt’sdaPalmen?«

MitdemDrückenderStarttastewerdendieSeitenderVorlageinmeinenKopierereingezogen.

Alex starrt den Bildschirm an. Ein paar Minutenspäter lehnt er sich mit einem zufriedenen Ausdruck in den Augenzurück.

»WirkönnenaufdemWeginBalihaltmachen.UndSurfen.«

Vor mir verschwindet leeres DIN-A4-Papier,umirgendwannalsfrischbedruckteSeitevollerSinnundInhaltwiederausgespucktzuwerden.MeinDruckauftragistdurchnichtsinderWeltaufzuhalten.Zeit,derSacheaufdenGrundzugehen.

»Bali?Surfen?«

»Ja.Indonesien.Wellenreiten.«

AnderlinkenSeitemeinesKopierersfüllensichdieFächermit denMitschriften zu einerVorlesung über dynamischeMakroökonomie. Wellenreiten? Irgendwie ist mein übertriebenes Informationsbedürfnisnochnichtgestillt.

»Surfen?ImWasser?«

Alex blickt auf. »Bravo, Watson! Wo denn sonst? Und ja, es gibt jede Menge Palmen, aber wenn wir noch lange rummachen, istdie Aktion vorbei. Bei Garuda gibt es vierzig Prozent StudentenrabattindererstenMärzwoche.«

 

WirbuchendenFlugumhalbfünf,imReisebüroanderEcke.DasTicketindieweiteWelt.NachBaliundAustralien,zehnTagezumWarmwerden und zwei Monate zum Durchstarten. Der IndischeOzean und die Wellen des Pazifiks. Mit Garuda Indonesia zumBombenpreis–Unterschrift,BankeinzugundfertigistdieSause.Ersparnisseweg, dumme Idee, aber warum nicht.

Wir treten hinaus und an die frische Luft, während hinter unsdie Glastüren zufallen. Auf dem Weg zu unseren Fahrräderntreffen wir Meike und Thorsten, die zusammen für die Statistikklausur gelernt haben und wirklich immer Händchen haltenmüssen. Die haben sich echt gefunden, wobei man fragen kann,ob man nach so was suchen sollte. Naja, manche Dinge kommenungefragt,anderepassiereneinfach.Schwer,dadenÜberblickzubehalten. Weil ich Meike so irre hübsch finde, erwähne ich unseren Trip, worauf sie fragt, was man in Australienmacht.KeineAhnung.Surfen.Außerdemwollenwirnichtalles so rundum planen, denn man muss auch mal Schicksal undAbenteuermut ans Ruder lassen. Genau. Das ist es, darum gehtesja.

Wir trennen uns und fahren nach Hause. Während ich durchdie Straßen radele, liegt Aufbruchsstimmung über den DächernvonKölnunddieerstenVögeldesFrühlingszwitscherndazu.

Ich öffne die Wohnungstüre und werfe meine Tasche nebendas Bett. Das Statistikbuch wandert in die hinterste Ecke in meinemBücherregal.IchhoffeaufNimmerwiedersehen.Etwasliegtvor mir. Etwas Fremdes. Eine Insel, ein Kontinent, der IndischeOzeanundetwas,dasichmirnichtvorstellenkann.Aberwirstolpernmittenrein.Dasstehtfest,allesandereweniger.

Reisegefährten:WahreHelden,echteWeiseoderarbeitsscheueStudenten

Alex habe ich bei einem Treffen für Erstsemester kennengelernt,bei dem außer uns keiner erschienen ist. Vielleicht haben wirauch beide nicht den richtigen Treffpunkt, aber dafür eben unsgefunden.

Also ab in die nächste Kneipe, um Gemeinsamkeiten auszuloten. Pat und Patachon, weil er aus Hamburg stammt, fast zweiMeter misst, und ich im Rheinland groß geworden bin und aneinen Meter achtzig heranreiche, wenn ich auf Zehenspitzen stehe. Ein Riese und ein Zwerg. Er studiert BWL, ich VWL. Wirhaben uns auf Anhieb verstanden, da wir in irgendwelcheManagerfußstapfen treten wollen. In die Chefetage, Geld verdienen, Entscheidungen treffen. Verantwortung tragen oder bessernoch: delegieren. Also folgen wir der Wirtschaftstheorie in denVorlesungenwiedieJüngerdemPropheten.

Ich studiere dazu noch Sportwissenschaft, weil ich Bewegungüberallesliebe,aberfüreinerichtigeKarrieremussmaninMarktmodelle eintauchen und große Unternehmen kennenlernen. Alex istdaeinVorbildfürmich,weilerschonPraktikaabsolvierthat, während ich noch von den lustigen Ideen der Sportstudenten abgelenkt werde. Von denen lässt sich Alex gerne mitreißen, besonders wenn es um Partys und Sportstudentinnen geht. EineSchnittmenge, die uns verbindet. Gute Noten und Feiern. AlsoAlkohol, auf Studentenpartys oder Freibierveranstaltungen. Biszum Filmriss und der totalen Erschöpfung, weil der Sinn des LebensirgendwoamBodeneinerBierdosezufindenseinmuss.

ErscheintderWegnachHausedannzuweit,nächtigenwirunter einer Tischtennisplatte oder einfach im Dreck. Am nächstenMorgen den Kater niederkämpfen und frisch geduscht in die Bibliothek. Stundenlanges Lernen, um mit verkatertem GewissendenRauschzulegitimieren.Oderumgekehrt,mitsaufroterNase und Kopfschmerztabletten den Aufenthalt in der altehrwürdigenLernanstaltschmücken.Feiern,nichtnurweil’sSpaßmacht,sondern auch für das Gefühl, das Richtige zu tun. Mit Ausbruch aus gesellschaftlicher Norm und Spießigkeit ein bisschen gegen dasSystem kämpfen und zeitgleich pflichtbewusst AuszeichnungenfürdieBewerbungsmappesammeln.

Und natürlich auch, um der Welt zu beweisen, dass die SaufköpfeklügersindalsdieStreber.

 

DreiTagevorAbflughockeichinmeinemZimmer.VormirstehtdieReisetasche.

Handtuch, Zahnbürste, Sonnencreme. Unterhosen, ReisepassundTravellerschecks.Istdasalles?

Fragen schwirren durch den Raum. Wo wohnen? Was essen?Wentreffen?GibtesGefahren?GibtesStraßen?GibtesKrankenhäuser?GibtesGeschäfte,einenArztundeineTouristeninformation? Ist das Wasser wirklich warm, und vor allem: Wie funktioniertdasmitdemWellenreiten?

 

 

 

 

 

 

 

 

Bali,

1996

 

 

 

AufdemRollfeldvonDenpasarmachenwirunserenerstenSchritt ins Freie und rein in den Backofen. Alex blinzelt. Die Luft ist dick, er keucht,weil das weder Witz noch Heißluft der Turbinen ist, sondern Dauerzustand. Für einen Moment sehne ich mich zurück. In die engenSitzreihen,zudenPlastikbechern,denzuvorkommendenStewardessen,zurückindenMutterleibausStahlundFlügelnmitseiner klimatisiertenFruchtblase.DochdieserTraumistgeplatzt,alsdieAnschnallzeichen erloschen sind. Jetzt werden wir die Fluggasttreppehinuntergeschoben.WieGestrandete,dieanLandgespültwerden, wie Strafgefangene, die nach langer Haft endlich frei,endlich zurück in die Welt, endlich ins Leben entlassen werden.Noch zwei Stufen, dann ist es so weit. Touchdown. Ein kleinerSchrittfürmeineTurnschuhe,eingroßerfüruns.

Während wir das Rollfeld entlanglaufen, ist es nicht nur drückendheiß,sondernauchfurchtbarhell.DieerstenSchweißtropfenlaufenanmirherab,undeswerdennichtdieletztensein.Vor unsöffnetsicheineGlastür.ErschöpfterreichenwirRettungvonkurzerDauerimklimatisiertenFlughafengebäude.Die gefliesten Gänge führen denstummen

Hinweisschildernfolgend, zur »Immigration«. Erster Empfang ist eine endlose Schlangevor den Glaskästen, in denen die Offiziellen sitzen. Regungslose Männer in dunkler Uniform. Sie prüfendieDatenundPässederNeuankömmlinge.WemwirdEinlassgewährt?Wemnicht?

Irgendwann sind wir an der Reihe. Konzentriert und demütigtretenwirheran,umvorzusprechen.Undwerdenüberrascht.DerManninUniformistnett.WirplauderneinpaarSätze,erhaltendie besten Wünsche, Glück und frohe Fügung, bevor der Beamte den Arm hebt und einenStempel in meinen Pass hämmert.

Wirlatschenweiter,nehmenunserGepäckvomBand,schreitenzumAusgang. Schiebetüren öffnen sich, vordemGebäude:Kofferträger, Bettler, Marktgeschrei. Menschen hetzen hin und her, rufen durch die Gegend, drängeln an mir vorbei und wir stehen mittendrin. Zwei Männer laufen auf mich zu. Um die Wette. Ein anderer zerrt an meinem Arm, schiebt mich voran und verfrachtet uns in ein Taxi.WirleistenkeineGegenwehr.

UnserFahrerplappert ununterbrochen. Er lacht, zieht die Augenbrauen hoch, wiederholt jeden Satz mindestens zweimal, ich komme nicht ganz mit. Er hatschwarzesHaar und bietet mir eine Nelkenzigarette an. SeineAugenleuchten.

» Gärmeny big far. Änd gud. Balak, Efenbärg. Best plaia. But no Beach! Mani foodball. Mani. Ju laik beer, I gno beer. Bali god eiland. And gud hotel. «

Ich versuche den Satzbruchstücken zu folgen. Ein kindliches Englisch, ein Kauderwelsch mit komischen Wörtern, die verschiedene Bedeutungen haben könnten oder frei erfunden sind. DerSinnistherauszuhören,wobeimanmehreineAhnung bekommt,wasermeinenkönnte,alstatsächlichzuverstehen,waser sagt. Es geht um eine günstige Unterkunft, Restaurants, Einkaufstipps und Geschichten über Land und Leute. Als der Redefluss abebbt, lehne ich mich auf der Rückbankzurück.

MiteinerlanggezogenenLinkskurveverschwindetderFlughafenausdenRückspiegeln.HinterdenScheibenrauschtdieWelt vorbei. Staubige Straßen, überdimensionale Werbeplakate mit fremdem Aufdruck, Obststände undnatürlich:Palmen!Allesistanders.Allesistneu,fremd,himmel-blau und so voller Exotik, dass wir auf jeden Bayer auf Rügen pfeifen, da nun zwei Kölner Studentenköpfe die Insel der Göttererobern.VielleichtsounerfahrenwieeinFischinderWüste,sind wirechtePioniere.GoldgräberundAbenteurer,fernabvonHamburg und Mallorca, von Pauschalreisen und den Heerscharen des Massentourismus.Bali,wirkommen!

Nach dreißig Minuten halten wir in einer Seitenstraße an einem Schild mit der Aufschrift »Kutakuta«. Die Unterkunft liegtim Herzen von Kuta. Mitten im Hexenkessel und umringt vonShops, Bars und rastlosem Treiben. Es gibt kaum Formalitätenbeim Check-In, und nach hektischem Umrechnen der Wechselkurse, einigen wir uns – auf drei D-Mark die Nacht. Ein paarSchritte über einen Steinweg durch den kleinen Garten erreichenwirunserHeim.DieHütteerstrecktsichüberdreimalvierMeter. Kahle Wände, der Raum ausgestattet mit zwei Betten, Standventilator,schmuddeligemBadundeinerVerandamitBambus-SesselnundeinemTischdavor.Wirsindda!

 

Die erste Stunde im Paradies verbringen wir im Bett. Abgedunkelt vegetieren wir vor uns hin und warten auf das Ende der großen Hitze. Zwischen uns spendet der Ventilator, von links nachrechtsschwenkend,inregelmäßigenAbständeneinenHauchvonLeben. Ein wunderbares Gefühl. Aber zu kurz, da es im Handumdrehen wieder der furchtbaren Hitze weicht und sich in dieandereRichtungaufmacht.DorterklingtwenigspätereinerleichtertesSeufzenausdemNachbarbett.AuchAlexlebt.Noch,denke ich,währendichinmeinerEckeendgültigverrecke.Dannwerdeich endlich wieder mit Leben benetzt und spüre die angenehmeKühledesVentilatorsaufmeinerHaut:SattevierSekundenlang.

DasichkeineLinderungeinstellt,brechenwiraufzumStrand.Auf dem Weg gesellen sich zu den Temperaturen die Gerüche.Alle paar Meter ein anderer, ein neuer. Unbekannte Düfte, vergammelter Müll, furchtbarer Gestank, verpestete Luft. Nebeneinander, untereinander, durcheinander und ohne Platz für Sauerstoff – quasi das Gegenteil von frischer Bergluft. Kann mandiese madige Schwüle ohne Gesundheitsrisiko inhalieren? Alexschweigt, meine Lungen schreien nach einer frischenBrise, nach dem erlösenden Strand. Wir müssen weiter, um dienächste Ecke, wo irgendwo hinter der großen Hauptstraße dassandigeZielderZieleaufunswartet.DannkommtderVerkehr.

Wirbleibenstehenundstarrenungläubiggeradeaus.

Von überall stürmen knatternde Motorräder,brüllende Lastwagen und den deutschen TÜV verspottende Autosanunsvorbei.Allehupen.Alledrängeln.Abundankommen ElefantenundEselskarrendazu.DerSicherheitsabstandliegt gemäß einer stummen Vereinbarung aller Teilnehmer bei genaueinem Zentimeter. Das totale Chaos. Eines, indem Unfallstatistiken sowie potenzielle Konsequenzen ebenso tabu sind wie eineMillisekundeGeistesabwesenheit.WieumallesinderWeltlässtsichdieandereStraßenseiteerreichen?Wirsetzenan,greifenunsam Arm – vielleicht jetzt – und springen schockiert zurück. Unmöglich.

Die Überquerung gelingt im vierten Anlauf. Wir blicken unsanundlachen. Alsogut.Weitergeht’s.NurinBadeshortsundohneSandalen, hüpfenderweise von Schatten zu Schatten. Der Weg zum StrandaufdenzartenFüßenderZivilisationbrennt.Unmenschlich!Niemand, der je auf glühenden Kohlen gelaufen ist, kann mich jetztnoch beeindrucken. Balis Straßen stellen jeden Hochofen in denSchatten.Ich blicke konzentriert zu Boden, auf der Suche nach einer schmerzfreien Möglichkeit, den nächsten Schritt zu platzieren …

»Eeeeh,Mistar.Mistar,meifrent.«

Ich schaue nach links in eine Bretterbude. Ein kleiner Mann grinst, Millisekunde Augenkontakt und er springt auf.

»Miiistar, oh Miiistar. I have veri gud, vääheri guud! Yu buy! Yu buy for guud luck, mei frrent!«

Von rechts: »Hello Sör, hello Sör. Yu like, yu like!

Dhisisväricheap,onliforyoumyfrent.«

DanebenvölligausdemHäuschen:»OhSör,ohSör.Mistar,yulike.Igivevärispeschalfrrentship-price!«

»Yucomeläta,Igiveyu!«

»Ibringyu!«

Von hinten nähert sich: »Massasch, massasch! Exdra gud, myfrrent. Full bodhi, onli five rupi.« Und in geheimnisvollem Flüsterton:

»ÄändImäkeyubananaväriäppymyfrrent!«

Äh...?

Ichdreheichmichumundbinbereitsumzingelt.Eine HordewildgrinsenderBalinesenhatmichumstellt.IneinzigartigemAkzenterzähltMadévon handgefertigten Ketten. Ketut bietet selbst geschnitzteHolzkistenundMadé(derzweite)ziehtanmeinemArm,weil erüberleuchtendePlastikfigurenverfügt.DenRestversteheichnichtgenau:T-Schörd,Sarong,Massasch,Budda,Mashrum,Ällefent,coolDring,immeronlyforyoumyfrrrentundforgudluck...

AlexschütteltHände.IchsteheaufeinemBein,weiljemand meinen Fuß im Schwitzkasten hält, ummireineSandaleanzuziehen.LustigeGesellen,dienichtlockerlassen.Allelachen,alleverkaufen,allewerdenwirwiedersehen.

Irgendwann schütteln wir Sandalen, Halsketten und die aufgebrachte Menge ab und schlagen uns durch zum Strand. KutaBeach und der Indische Ozean. Wasser, soweit das Auge reicht.Dazu Wellen, die sich majestätisch auftürmen und in der Sonneglitzern,bevorsiewuchtigzusammenbrechen.

Nach ein paar Metern treffen wir einheimische Surfer, dieBoardsvermieten.OhneimTraumdaranzudenken,zuverhandeln, zahlen wir glücklich den Wochenpreis für zwei StundenBrettmiete. Wir stürmen los, denn die Herausforderung wartetdirektvorunsererNase.Alexwarschonsurfen,anderNordküstevon Spanien, eine ganze Woche lang. Er soll mein Lehrmeistersein,wirdmirallesbeibringen,wirddasGeheimnislüften, wie man übers Wasser läuft. Es ist so weit. WissbegierighöreichdieweisestenWortemeinesLebens:

»Du musst einfach da rauspaddeln und wie die anderen dieWellensurfen!«

GroßePädagogik.Wahnsinn,daganzheitlichesLernenhierso nützlich ist wie Starkstrom im Kinderzimmer.

ÜberfordertwerfeicheinenBlickaufdieüberdimensionalePlankeinmeinenHänden. Dann schaue ich herum, sehe das Meer und die Surfer.LockereJungsinweitenShorts,diewieselbstverständlichindenWellenspielen.

ZwanzigMeterentferntträgteinerWachsauf,befestigt die Fangleine an seinem Fuß, springt ins kühle Nass undlegt sich auf sein Board, um mit ruhigen Armzügen aufs Meerhinaus zu paddeln. Auf seinem Weg steuert er geschickt um dieBrandungherum.ErerreichteinespeziellausgesuchteStellehinter der Brechungszone, wo das Meer spiegelglatt ist. Als wenn er esgeahnthätte,tauchtdanngenaudorteinkleinerWasserhügelauf, der sich bereits ein paar Meter weiter draußen erhebt. Der Surfer dreht sich Richtung Strand und paddelt mit der herannahenden,noch flachen Welle los. Dann wird er angeschoben – die beidenverschmelzen nahezu – und behutsam von ihr mitgenommen.Kurz bevor sie bricht, hüpft er auf seine Füße und fährt stehendinsiehinein.ErlenktseinBoardzueinerSeiteundweiterdieoffenehellblaueWandentlang.DabeivollziehtereinpaarKurven,bevor er zum Schluss über den Kamm steuert, sich auf sein Brett legt und zurück zum Ausgangspunkt paddelt, um auf die nächsteWelle der Glückseligkeit zu warten. Ein Akt der Würde, EleganzundLeichtigkeit.Ein akrobatischesSchauspiel, sointensiv,soüberragend,somühelos,dassesmagischanzieht. Die verloren geglaubte Harmonie zwischen Mensch und Natur, zwischen Kraft und Anmut. Im Hier und Jetzt.

Und jetzt bin ichanderReihe.

IchwateinsWasserundlegemichbäuchlingsaufdiePlanke.Zuweitvorne,dennanstattelegantloszupaddeln,tauchtdieBrettspitzeinsWasserein.Dasbremstabrupt,katapultiertdenhinterenTeildesBrettsindieHöheundwirftmichvornüber.Ich

schlucke Salzwasser, huste, robbe zurück aufs Board und lege mich diesmal weiter nach hinten.SoragtdervordereTeilweitausdemWasserheraus.DasistwenigeffizientfürdasVorankommen,aberesgelingt,michaufderverdammtwackeligenAngelegenheitzuhalten–zumindestimLiegenundbisdieerstenWellenkommen.

 

Was ein Kampf, was ein Spaß! Ich ringe mit Brett und Brechern undtaucheunterundwiederauf.DieWassermassenreißenmir dasBoardausdenHändenundwirbelnmichdurchdieGegend.VonHarmonieundLeichtigkeitfehltjedeSpur.Undtrotzdem, nachendlosemKampfmitüberhundertWellen,diealleimmer undgenauübermirzusammenbrechen,schaffeicheshinterdieBrechungslinie.Ichbinfixundfertig,aberdraußen.

Zeit zum Verschnaufen, denn hinter der mörderischen ImpactZone, dem Bereich, wo die Wellen einschlagen, breitet sich eineOase der Ruhe aus. Das Wasser schaukelt auf und ab, um weitervorne seine Energie zu entladen. Der Strand liegt etwa 60 Meterentfernt. Dahinter das tief-grüne Tropenpanorama aus Palmenund Mangroven. Vögel zieren den Horizont und runden meinePostkartenaussichtab.

Ich sehe andere Surfer auf schulterhohen Wellen reiten undbrenne darauf, dasselbe zu tun, als plötzlich ein kleiner Wasserhügel auf mich zukommt. Hektisch drehe ich mein Brettund schlage auf das Wasser ein, um mit der Welle loszugleiten.Nichts geschieht. Kein Verschmelzen, kein Einswerden. Die Wellewandert gelassen unter mir hindurch, ohne dass mein Brett angeschobenwird.Währendichmichfrage,warumichnichtmitgenommen wurde, drehe ich den Kopf, um gerade noch mitzukrie... Wums! Ein heftiger Ruck reißt mich weg und katapultiertmich kopfüber in eine Waschmaschine. Schleudergang. Als ichauftauche, bin ich wieder ganz vorne am Strand. Alles umsonst.Ich sammle das Brett über die Gummileine an meinem Knöchelein und wate keuchend zurück ins brusttiefe Wasser. Die ganzeTorturnochmalvonvorne.

Einenichtnurlustige,unendlichkräftezehrendeEwigkeitspäter darf ich auf einen neuen Versuch hoffen. Diesmal ist dieWelle steiler und nimmt mich mit, sodass ich erstmals an derhellblauen Wand kurz vor der Brechung heruntersehe. Geile Optik,schwungvolleAngelegenheit,ichbinichfestentschlossen, aufzuspring... Wums! Der Koloss aus Wasser überschlägtsich, ohne zu fackeln, und rammt mich ungespitzt ins Wellental.NächsterWaschgang.NächsteSalzwasserspülungbiszumStrand.

 

ZweiStundenspäter,allesinallem:WeltbewegendeErfolgserlebnisse.

NachunbändigemKampfvonunendlicherDauergelingtesmir, hinter die Wellen zu paddeln, um dann beim Versuch, einezu erwischen, weniger mit der Welle, dafür umso mehr mit derBrechungeinszuwerden.DieBrandungziehtmichhoch,spucktmich aus und schleudert mich zurück zum Strand. Irgendetwasstimmt hier nicht. Es ist unmöglich, in eine ruhige Gleitfahrt zukommen, die mir genug Zeit bietet, auf die Füße zu springen.Aber egal, weil witzig. Ich probiere weiter, schlucke literweiseSalzwasser und lerne die unterschiedlichsten Spülgänge kennen.Kurzundlustig,schnellundheftig,schwindelerregendoderalles durcheinander.

Alex schlendert den Strand entlang und lacht. Unsere Erfahrungensindähnlichausgefallen.Irgendwozwischendurchwachsen und durchgewaschen. Wasser tropft aus meiner Nase. Nein,aus dem ganzen Kopf. Vom großen Stirnlappen durch alle NebenhöhlenbiszumHypothalamus.Gut,RomwurdeauchnichtaneinemTagerbaut,unddasMeerunddieWellenzuverstehen, gar auf ihnen zu reiten, braucht seine Zeit. Hier lässt sich nichtserzwingenoderschnellerreichen,undderKampfmitdenWellenmacht uns zu Gladiatoren, egal ob aufrecht stehend oder ständigstürzend.

WirhockenunsindenSand,währendsichdergroßehelleBallamHimmellangsamdemHorizont,denewigenWeitendesIndischen Ozeans nähert und auf der Bühne davor die vielen kleinen SurfermitdenWellenspielen.AlsdieSonneuntergeht,wirdBali in ein leuchtendes Farbenspiel aus zartem Gold und blutrotemLilaverzaubert.Ichtrage,nichtohneStolz,meinBoardzurückzu den bis über beide Ohren grinsenden einheimischen Jungs. Wildgestikulierenderklärensiemir,dassichfüreineMengeUnterhaltung am Strand gesorgt habe. Keine Überheblichkeit spricht ausihren Augen, sondern das Wissen um die besondere HerausforderungbeimSurfen,gepaartmitderTatsache,dassichirrelustig anzusehendeDingeindenWellenfabrizierthabe.

Wiralbernherumundichbekomme die entscheidenden Tipps für den nächsten Tag.Madé(schonwiedereiner)weiß:»DumusstamSüd-Peaksurfen, dichinderPocketpositionieren,früheraufstehen,dieBeineauf s Brettlegen,weitervorneliegen,umdieImpactZoneherumpaddeln...«

Ich nicke und verstehe kein Wort. Weil mein Hirn nur nochausSalzwasserbesteht.Abermorgengeht’sweitermitdernächstenLektionPoseidons.KeineFrage:Ichwillsurfen!

 

Wir schleppen uns durch die länger werdenden Schatten zurückzu unserer Hütte. Duschen. Salz, Hitze und Erschöpfung des zurückliegenden Tags abwaschen, um ein in Vergessenheit geratenesBedürfniszubefriedigen:dieNahrungsaufnahme.Erschlagen und ausgehungert latschen wir durch die belebten Straßen, hören dasunnachahmlicheKauderwelsch,werdenmiteinzigartigenAngebotenüberhäuftundkehrenineinesderunzähligenRestaurantsein.AufderKarteGaumenschmausmitlustigenNamen: NasiGoreng,GadoGado,SatéundSmothee.Wirverschlingen Berge und bestellen nach. Beim Essen sehen wir den Surfern auf demBildschirminderEckezu.WiesiegroßeWelleninderRöhrereiten.DannkommtdieRechnung:15.500Rupien.Ungläubig zückeichdenSpickzettelundrechneum:8Markund82Pfennig.

Wir laufen durch die Gassen, mitten im Geschehen, aber wieinTrance,zuerschöpft,zuüberwältigtvonallem.AlsozurückindieHütte.Zähneputzen,LichtausundabindieKiste.Wobinichhier gelandet? Wo führt das hin? Die vergangenen Stunden geistern durch den Raum, mir fällt dieses ein, Alex jenes. Wir quatschenherum,kichernnocheinletztesMal,bisspäterinderNacht die Schläfrigkeit das Ruder übernimmt und Ruhe einkehrt. Wasbleibt,istdieVorfreude–aufMorgen.

 

Der zweite Tag erwacht mit Freiheit. Wir können alles tun, undauchnoch,waswirwollen.DieLuftistklarundkühlunddurchdrungen von den Düften der Blumen und Räucherstäbchen amfrühenMorgen.WirsindTeilderExotik,gehörendazuundüberlegen,waswiranstellenkönnen.DurchdieLädenvonKutastreunen,dieInselderGöttermitihrenTempelnerkundenoderzurückzumStrandundindieFlutenspringen.Erstmalfrühstücken.

WirlassendenwässrigenInstantkaffeegenussvollhochleben,schmecken zum ersten Mal im Leben richtige Früchte und spüren, wiedie warme Sonne durch die Palmen auf uns herab scheint. Frisch gestärktgeht’szumStrand.Wir treffendieeinheimischenSurferjungs:High-Fiveundlos!

Schon gelingt der Umgang mit der großen Planke etwas besser,aberichbekommeweitereineMengeGelegenheit,übermichselbstzulachen.ZumindestsolangedieLuftdazureicht.

WennichesinsLineUpschaffe,denBereichhinterdenWellen,fühleichmichwieeinechterSurfer. Ich unterhalte mich mit den anderen. Mit denen, die in denWogenspielen,allesunterKontrollehabenundelegantdieBrandungreiten.NeueTipps,dieichnichtumsetzenkann,undwieder neue Wasserwände, die mich unvorbereitet treffen. Die anderenwissen immer schon viel früher, wo sich die Ozeanhügel auftürmenundbrechen.SiekönnensichinPositionbringenoderrechtzeitiginSicherheit.EinwahresMysterium.DieseWellenreiterhaben magische Fähigkeiten, keine Frage. Aber egal wie blind ichbinoderwieblödichmichanstelle,jederkanndieseZauberkunstlernen. Auch ich. Und das Beste daran ist der Spaß dabei. AllesandereistNebensache.

Ab jetzt geht’s jeden Tag zum Strand. Von früh bis spät, bis die untergehende Sonne meinen müden Knochen Erlösungschenkt. Vor dem Einschlafen kann ich an nichts anderes mehrdenken als an Wellen. Und damit wache ich auf. Eine Verliebtheit der anderen Art, mit Schmetterlingen im Bauch und einerdrängendenMissionimKopf.OhnePlan,woeshingeht,abermiteinerGewissheit,dievorantreibt.Unaufhaltsam.WiedasRadderGeschichte,dassichdreht,auchwennkeinerweißwarum.

 

Bali,wennesdunkelwird

 

Das Nachtleben von Kuta schläft nicht. Nie. Aufgedreht, abgefahren,durchgeknallt.Egalwiemüdemangeradenochwar,egal was die Wellen des Tages mit dir angestellt haben, es geht ab. Zwischen schmuddeligenBars, gleichgesinnten Backpackern, gigantisch beleibten Rockern,verrücktenAussteigernundaufgetakeltenProstituierten.Allesist billig,allesist frei,allesistmöglich.

Wir hocken mit ein paar Balinesen am Rinnstein. Abhängen,beobachten und mit den Einheimischen quatschen, deren GesichtersovielLeichtigkeitausstrahlen.JederTeilgehörtdazu,die dunklen Augen, die sonnengebräunte Haut, das fröhlicheLachen mit den leuchtenden Zähnen und ihre Geschichten. Später am Tattoo-Shop teilen wir uns mit den Jungs eine Plastikflasche selbstgebrannten Arak, der mir in die Rübe schießt wieApollo13 auf demWegzumMars.In der Cocktailbarkippenwir einengewaltigenTequilaSunrisemitdreitätowiertenBikern aus Australien und tauschen später die Tageserlebnisse mit zwei kanadischen Backpackern aus. Small Talk mit den Hurenund atemberaubende Storys von einem englischen Pärchen, dashierher gezogen ist. Mit jeder Stunde werden die Begegnungenspannender,dieTypenungewöhnlicher.

DieLeute,diewirtreffen,kennendieWelt,folgenvölliganderenLebenskonzeptenundscheinenalleszuwissen.Ich sauge ihre Geschichten auf und lebe plötzlich auf einem Planeten der unbegrenztenMöglichkeiten.DieseAufsässigenbesetzendieleuchtende Seite des Lebens. Mit Mut und Freiheit. Granatenstark.Manchesindlangeunterwegs. OhneZuhause,ohneHeimat,ohne Bindung. Ein bunter Haufen, jeder einzelne voller Stolz, den eigenenWegzugehen.Paul und Matt aus Neuseeland, Giorgio mit den roten Locken aus Italien, die beiden schrägen Iren, Jane und Silvia (wow!) aus den Staaten, der stille Alexandro aus Chile sowie Mike aus Südafrika. Wir stoßen an und trinken darauf. Worauf?KeineAhnung.Aufuns!

Ich beneide das unglaubliche Maß an Selbstbestimmung undbin begeistert von dem unbändigen Vertrauen in sich und dieWelt.SieverdienendengrößtenRespektundallmeineAnerkennung. Dabei kann ich nur staunen, während die anderen erzählen. Wieder packt einer eine Story aus. Diesmal aus Kolumbien.Mattwarinden80erndort.ZwischenDrogenundMaschinengewehren,unddieReiseistderGrundfürdielachendeTräneindenAugen der dunkelhaarigen Frau auf seinem Unterarm. Eine Tätowierung mit Herz, die atmet, die niemals sterben wird. GenauwiedieMomente.Unfassbar.Ichhabebishernichtserlebtundnichtsgesehen.NurHörsäleundKölschkneipen.DieZeitmeinesLebensverschwendet,michnichtaus der Dunkelkammergetraut, darf ich nun zum ersten Mal durch einen Spalt hindurch linsen.AufeineneueSichtderDinge,aufalternativeMöglichkeitender Lebensgestaltung,aufeineverrückteWelt,dieunszuFüßenliegt.DieBackpackerundAussteiger,diehiervormirstehen,sindmir Lichtjahre voraus, weil sie auf einem Spielplatz mit weltweitemAusmaßleben.EinganzerPlanetimDiensteihrerTräume,Ideen oderFlausen.SiestapfendurchdaswahreLeben,aufwelchesich nur von einer Tribüne aus schauen darf. Aber immerhin bin ichjetzthier,TeildavonundfüreinpaarTagemitdabei.

»Every second of life is like a wave, you can either take it ormissit«,sagtGiorgio.

PaulverschlucktsichvorLachenundhustet:»Yeah,right,andyouguysfromItalyareafunnybunchofbastards.«

»Thejourneyisthedestination...«,ergänztMikemitdemtiefsinnigenGrinseneineserleuchtetenEsels.

Alle lachen. Jeder hier ist, was er erlebt hat. Zuhause sind wirSöhne und Töchter, Nachbarn oder Angestellte, aber unterwegsverliertalldasseineBedeutung.WirsindReisende,aufdemWeginsLeben,irgendeineRouteentlangundirgendwohin.

Scott steht auf Surffilme. »In Pointbreak Bodhi told us everything: You have to lose yourself, to find yourself.«

MilchmädchenphilosphievomFeinstenundjetzthautjedereinenraus.Silviasurftnicht,magwederSandnochSalzwasser,und ichhabekeineAhnung,wassiehiermacht.AberaufdemKlohat sieetwasentdeckt:»Itwassomethin’like:Life’slikeawave,you can’tstopit,butyoucanlearntosurf.«

Paul schmeißt sich vom Stuhl, kniet betend nieder und ziehtsichanSilviasBeinenwiederhoch.

»Oohhmmm«,stimmendiebeidenIrenein.IchtrinkeausundlatschezurTheke.Heineken.DannkehreichindieheitereRundezurück,inderichewigbleibenkönnte,umzuzuhören,undin derenFußstapfenichtretensollte,umirgendwann mich selbstzu finden. Was immer das bedeuten mag. Ich schaue mir jedenEinzelnenanundprosteAlexzu.Scottfährtsichdurchdieschulterlangen Haare und blickt durch den Raum. Als wenneretwassucht,alswennihmetwasfehlt.Manchmalhuscht da ein Schatten über die Gesichter. Wie eine dunkle Seitehinter den Masken dieser Lebenskünstler, die ich so bewundere. Ich weiß nicht, was es ist. Vielleicht Einsamkeit, womöglicheinaberwitzigerWunschnachHeimat,RoutineoderSpießigkeit.Unvorstellbar, da ich genau dem gerade erst entkommen bin.DieJungshiersindvollaufAchse,unterwegsundaufunddavon.Ungebunden. Allein. Helden der Freiheit, die nichts mehrhaben,außerderFrage,obdasreicht.Ein schwacherAugenblick nur, dann bestimmt wieder das fröhliche Lachen unserevergnügte Runde, und das Geschenk des Lebens, alles tun undlassenzukönnen.

Mike bestellt ein Tablett Schnaps, weil wir jetzt hier sind undspäter weiterziehen müssen. Wir heben das Glas. »Auf die Zukunft.EinesegensreicheZukunft«,schlägtGiorgiovor.

»Eineunvorhersehbare«,ergänztPaul.

»Auf die Überraschungen«, findet Matt, »weil die in jedemFallnochkommenwerden.«AlsoaufeinLebenzumLernen,mitHöhen und Tiefen, mit Liebe und Schmerz und allem, was dazugehört.Nadann:Prost!

 

Nach neun Tagen sitzen wir wieder im Taxi. Am Steuer sitztMadé. Natürlich. Er erklärt uns, was hier jeder weiß und für unsdas letzte Geheimnis dieser Insel bedeutet: »Madé« heißt Zweitgeborener und ist eben deshalb so häufig Bestandteil der balinesischenNamen.

Wir fahren den Weg zurück zum Flughafen, lehnen uns in dieKunstledersitze auf der Rückbank und schauen aus dem Fenster.Balirastvorbei.DankbarerhaltenwirFahrtwindinderbeginnenden Mittagshitze und kommen voran, durch den hektischenVerkehr, vorbei an grünen Palmen und über die staubigen Straßen. Die alte Strecke als neuer Mensch. Wir kennen Bali wie dieTaschen unserer noch feuchten Boardshorts und sind gewappnetfürdennächstenKontinent.UnserFlugvonDenpasarnachBrisbaneisteinKatzensprung,einSteinwurfindasnächsteAbenteuer,derAnfangvoneinemnochvölligoffenenEndemitweltweitenFolgen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Australien,

1996

 

 

 

InBrisbaneangekommen,fahrenwirzuJodie,dieichvorein paar

MonateninDeutschlandkennengelernthabe.Alswirabendseintreffen,sindschnelldieerstenBieregetrunken. Das Holzhaus ist gemütlich, wer hier wohnt ist nicht klar festzustellen und zu derminütiglauterwerdendenMusik,mischt sichKrachvonnebenan. Auf der anderen Seite des Gartenzauns tut sich was. Leute stecken den Kopf zur Türe herein und laden zu einer richtigen Party ein. Einlachender Krieg der Musikanlagen bricht aus. Immer andereVerbündetekreuzenauf, die neue Ideen für den Wettbewerb mitbringen, um mit dem lustigstenFest,demdekadentestenGelageRuhmundEhrezugewinnen.FüßewerdenimPlanschbeckengekühlt,Autositzeausgebaut, umfehlendeLiegestühlezu ersetzen,einLagerfeuerimVorgarten entfacht,derGartenschlauchzurDruckbetankungmitHochprozentigemumfunktioniert,dasBarbecuebrutzelt,undwennalles gut läuft, müsste in einer Stunde die Karaokeanlage eintreffen. EserscheinenmehrundmehrLeute.UndmehrundmehrBier.PartybattleanunseremerstenAbendamanderenEndeder Welt.AneinemWochentag!

 

Wir sitzen in der viel zu engen Küche um einen Tisch, dersich irgendwo unter den leeren Bierflaschen und Dosen befinden muss. Ein paar Leute quetschen sich auf der Couch zusammen,um die Diskussionen am Küchentisch mit qualifizierten Kommentaren aus der zweiten Reihe zu versorgen. Im EpizentrumunserReiseplan:»WirwollendieKüsteentlangundsurfen.«

Roadtrip ist angesagt. Die Jungs und Mädels stehen hilfreichzur Seite. Mit unnützem Wissen, Lokalpatriotismus, geheimenInsider-OrtskenntnissenundGerüchtenüberFloraundFauna.Im Nu haben wir eine Liste der dringlichsten Must-do’s für diekommenden Wochen zusammen.

Ich schaue mir unseren Beraterstab an. Haut- und Haarfarbe könnte direkt aus Deutschlandstammen. Kein bisschen exotisch eigentlich. Trotzdem anders.Wie sie quatschen, finde ich cool. Alleine das Englisch klingtinternational, und mit den ausgefallenen Redewendungen sollteman im Fernsehen auftreten. Sommersprossen, wildes Haar undechteTypen.Allelässig,allegutdrauf.SelbstbewussteralsmeineVWL-KommilitonenzuHause.Jungs,diewissen,wassiewollen oder,fallsnicht,abwarten,bisespassiert.Entspannt,gesellig,sorgenfrei. Und gastfreundlich, obwohl das Zuzwinkern in dieserRunde unverkennbar ist, dieses ständige Grinsen Bände spricht.Sieahnenetwasoderwissenesgenau.AufjedenFallwitzelnsieschon jetzt in weiser Voraussicht des Einheimischen über möglicheSchlamassel,DebakelundSchwierigkeiten,dieAlexundmir bevorstehen – ohne damit rauszurücken. Diese Australier sindfürsorglich-hilfsbereit und heimtückisch-schadenfroh zugleich.Aber was soll’s, ich kippe den letzten Schluck Bier aus meinerDose hinunter. Dann schnappe ich mir Zettel und Stift, um sicherheitshalbereinpaarNotizenanzufertigen.

Unser Roadtrip soll von Brisbane zunächst Richtung Nordenverlaufen,umdensüdlichstenTeildesGreatBarrierReefsanzusteuern.FraserIslandistdiegrößteSandinselderWeltundebensounbewohntwieursprünglich.EinStückunberührteNatur,echte Abgeschiedenheit, türkisfarbenes Wasser und keine Menschenseele weit und breit. Genau richtig. Von dort nach Süden,um die schönsten Strände entlang der Sunshine Coast zu surfen.Danach steht die Gold Coast auf dem Programm. Und das Bestedaran:DasAbenteuerwartetdirektvordieserHaustür.Alles,waswirbrauchen,isteinAuto,zweiSurfbretterundeineTaschenlampefürdasÜberlebeninderWildnis.

 

Am nächsten Tag stehen wir für meine Kopfschmerzen zu frühauf,umzueinemempfohlenenprivatenGebrauchtwagenhändlerzu fahren. Er ist der Einzige, der ein unserem Budget entsprechendes Fahrzeug zur Verfügung stellen kann. Ein Traum inmattem Rost-Gelb. Ohne viel Papierkram besteigen wir das GefährtderFreiheit.DerWagenriechtmuffig,wasihnaberirgendwie gemütlich macht. Wir bemerken Lenkrad und Kupplung auf der falschen Seite und begutachten die Schalter und Knöpfe auslängstvergangenenTagen.IchdrehedenZündschlüssel.DerMotorstottert,ächztundspringtschließlichan.Erhustet,sodassich etwasGasgebe,umihnfreizupusten.DieGängegehenrein,aber dieKarrekommtkaumausdemQuark.Ich trete das Pedaldurch,worauf sich der Motor plötzlich lautstark mit Umdrehungen zum Dienstmeldet.VorsichtiglasseichdieKupplungkommen,erbewegtsichundrollttatsächlichvoran.WirtuckernvomHof...

... und rein in den Linksverkehr einer australischen Großstadt.Anders als in Indonesien läuft die Sache zwar nach klaren Regeln ab, aber wenn man nicht nur zu Fuß die andere Straßenseite erreichen muss, sondern mittendrin steckt, steht die Weltauf einmal voll auf Kollisionskurs. Alle Autos kommen aus der falschen Richtung. Ich kann nur raten,werwannundalsnächstesfährt,understrecht,werVorfahrthat. Der Restalkohol ist keine große Hilfe dabei. Alex, nicht weniger engagiert(odervollerTodesangst),achtetaufÜberraschungsmomenteallerArt.AlsprofessionellerBeifahrerverdeutlichterden anderen Verkehrsteilnehmern mittels Zeichensprache unser Vorhaben oder, weitaus öfter, entschuldigt dasselbige.

An der dritten Kreuzung fabrizieren wir ein heilloses Durcheinander, weilirgendwann keiner mehr weiß, was er machen soll, während wirin der Mitte stehen und ich den Wagen abwürge. Ich drehe denZündschlüssel,nichtspassiert.ZweiterVersuch...GottseiDank! Manchelachen,anderehupen,biswirdurcheineunschuldigeLückeeinenwenigerbefahrenenAuswegfinden.

IrgendwiemeisternwirdenRückweg,mitvereintenKräften und Dank der australischen Nachsicht mit zwei Verrücktenim Straßenverkehr, ohne Unfall. Zurück im Haus, falle ich in einen Sessel. Jodi lacht, Alex findet: »Eigentlich war’s gar nicht soschlimm,fastsouveränundbeinaheunauffällig. «

 

Wir packen zusammen, bedanken uns für dieGastfreundschaft undfahrenlos.AlswiramNachmittagdie Tore Brisbanes hinter uns lassen, gewinnen wir mit jedemMeterdieSicherheit,diewirbrauchen,fürdieUnsicherheit,die vor uns liegt. Die Straße schlängelt sich die Küste hinauf nach NordenundinländlichesGebiet.Währendwirherumalbern,könnenwir gar nicht schnell genug aus dem Fenster schauen. FremdeBäume, massive Klippen, und endlich hüpft das erste von überhundertMillionenKängurusanunsvorbei.Allesistneu,alles istandersundTeildesLandes,durchdaswirtreiben.KeineVorgaben schränken uns ein. Eine grobe Richtung, mit der Bereitschaft, überall und nirgends anzuhalten, lenkt uns über den Asphalt. Nach einer kleinen, zeitlosen Weile landen wir in einemverträumten Ort am Meer. Wir halten, als wir finden, was wirgesuchthaben.EingroßerMomentstehtbevor.

Oh,wieichdaraufgewartethabe!

 

DieTürglockekündigtunserenBesuchan.Mike–leidenschaftlicher Surfer seit über zwanzig Jahren – freut sich fremde Gesichter in seinem Surfshop zu sehen und lauscht unserem Anliegen.IhmwirddieEhrezuteil,unsunserersteseigenesBrettmitaufdenWegzugeben.Währendwirdieverschiedenen Boards bewundern, weist er uns in die Geheimnisse der unbekannten Formen ein.Mike erklärt die Vorzüge von größeren Brettern, die leichter insGleitenkommen und mit denenmanvieleWellen erpaddeln kann.KleineBretter mitwenigerVolumenhabennichtsovielAuftrieb,sindsomitwackliger beimPaddeln,aberleichter durch dieWellen zutauchen und wendiger beim Ritt an der Wasserwand entlang.

Die Führung durch den Laden wandert von Brett zu Brett,streift die Geschichte längst vergangener Tage, hält inne bei denGesetzen der Hydrodynamik, um zu guter Letzt von Männern zuberichten,diemagischeFertigkeitenbesitzen.Wirlauschen,während Mike erzählt, die Biegung streichelt und immer wieder dasein oder andere Exemplar hervorzieht. Dann hält er Exkalibur hoch, wiegt es in seinen Armen, fährt die Kanten entlang und übergibt es mir. Ehrfürchtig halte ich das Wunderwerkder Brettbaukunst in Händen und sehe mich damit den Strandentlanglaufen. Diese Bretter fühlen sich so unsagbar gut an, soglattundgleichmäßig,leichtundformvollendet,dassderHeiligeGraldagegenzueinemlabbrigenPappbecherverkommt.

Nach einer knappen Stunde blicke ich auf ein gebrauchtes sechs Fuß und vier Inch langes Shortboard mit gutem Volumen in denKanten.DerBeginneinerwundervollenFreundschaft.Dennvom erstenMomentanentwickeltsicheinebesondere,eineinnigeBeziehungzudiesemetwazweiMeterlangenStückinPolyesterharz laminierten Schaum und seiner schnittigen Form. Nur über eineGummileine (die Leash) verbunden, werden wir durch dick unddünngehen,gemeinsamzumKönigderWeltwerdenunddiegewaltigsten Wellen reiten. Oder untergehen. Ein treuer Gefährte,der mich begleiten wird, in guten wie in schlechten Zeiten, unddenichzudenwundervollstenSträndenvonganzAustralienführenwerde.

Wir verlassen den Laden, stürzen zum Auto und eilen zumStrand,umdortweiterzumachen,wo wir inBali aufgehörthaben.

Nur jetzt nicht mehr allein, sondern mit dem eigenen Brett. Wieechte Surfer! Den Wellen scheint das egal zu sein, und das MeerfährteinenweiterenPunktsiegein.

 

WirmampfenToastbrot,währendwirzusammenpacken.EinBlickdurchdasChaosunsererKarrebeweist,dasswirausgestattetsindfürdenbevorstehenden,ultimativenTripanderOstküstevonAustralien.EinHaufenKlamotten,einCampingkochersamtTopf,einZeltunddieSurfbretterfüllenunserAutounderöffnenalle Möglichkeiten, die Down Under zu bieten hat. Symbole derFreiheitundWerkzeugefürdasLebeninderWildnisamanderen Ende der Welt. Ein paar Kanister Wasser, zwanzig Dosen Baked Beans und Unmengen Toastbrot, für das leibliche Wohl. AllesbuntverstreutaufderRückbankundimKofferraum.

Nur eins fehlt noch: Die Quelle der Weisheit. Denn zu einemRoadtrip durch Australien gehört Marihuana wie dreckiges GeschirrindiestandesgemäßversiffteZivi-Bude.DerTurbofürdie Welt – oder der Kinderwagen, weil man langsamer wird und banal genug, um die Momente endlich von der Logik, endlich vom Denken zu befreien. Zen und Bewusstseinserweiterung. Für das Unfassbare, für die Ewigkeit und vor allem für unseren Trip durch Australien. Und außerdem: Lachen ist gesund.

Nach reichlicher Überlegung fahren wir zu Mike in den Laden zurück und stellen schüchtern die verbotene Frage. Er grinst, geht in eines der hinterenZimmerundüberreichtunseinBeutelchenmitden göttlichen Kräutern. Er sieht uns gewappnet für den Trip, als ober voraussieht, was geschehen wird. Die beiden deutschen Grünschnäbel wissen weniger als nichts und werden mehr als allesrichtig machen. Bevor wir den Laden verlassen, gibt er uns noch dasallgegenwärtigeaustralischeLebensdogmamitaufdenWeg. DiemagischendreiWorte,dievermutenlassen,dassBuddhapersönlich einen Abstecher nach Australien unternommen hat,umseinetiefsteWeisheitindieAlltagssprachezuinfiltrieren.Die meist genutzten Worte in Down Under. Worte, die uns an allen Ecken und Enden begegnen werden, spricht uns Mike jetzt weise wie gelassen hinterher:

»… and no worries, mates!«

 

WirfindeneinenschönenPlatzzumParken,vordemeinegroße,seichteLaguneinderDunkelheitruht.UntereinerKuppel aus tausend funkelnden Sternen stopfen wir köstliches Toastbrot mit kaltenBakedBeansinunshinein.DieWocheneinkäufewerdenlocker bis morgen reichen. Ich sitze auf dem Fahrersitz und Alex kaut daneben. Die Konservendose zwischen den Beinen und das Brot auf der Handbremse, wandert Löffel für Löffel und Scheibe für Scheibe in meinen Rachen. MikesBeutelchenwartetaufdemArmaturenbrett.Zeit,denerstenTagaufAchsegebührendzubeenden.

Bei der technischen Umsetzung unseres Rauschvorhabens istKreativitätgefragt,weilwirwederZigarettennochJointsdrehenkönnen. Also basteln wir ein Rauchwerkzeug aus einer leerenPlastikflascheundeinemWasserkanister.ImFachjargon:Eimerrauchen. Ein einziger Atemzug, der die ungeübte Lunge zerfetztundunseinemächtigeDosisMarihuanadirektinsHirnjagt.Keine Ahnung, was dort genau geschieht. Die überforderten Synapsen spielen verrückt und entfachen ein verwirrendes FeuerwerkderSinne.KreativitätundNaivitätnehmenzu,währendProblembewusstsein und Tatendrang abnehmen. Die Gedanken wandernfreier umher und treffen unter Umständen auf neue Weltsichtenund phänomenale Erkenntnisse – zumindest bis die Wirkungnachlässt. Die Augen spielen gerne Streiche und die Logik verliertihreMonopolstellungbeiderAnalysederurkomischenWelt.So sitzen wir in den sicheren vier Wänden unseres Autos, redenirgendeinenQuatschundlachenunsaneinemStreifenschlapp.

Dann hält Alex inne. Er sieht nachdenklich aus und seine Miene verfinstert sich. Langsam, noch zweifelnd, aber plötzlich sehr deutlich. Dann sehe ich es auch. Auf seinen rechten Handrücken. Nein! Da lungern zwei kleine, etwa zwei Zentimeter voneinander entfernte, blutige Male.

Totenstille.

Daskanndochnichtsein!Verdammt.Istdasechtein...?

Ja.

Ein Schlangenbiss! Wie ist das möglich und warum hat Alex nichtsbemerkt? Viel wichtiger als alles wie und warum ist die Frage:Was nun?

UND: Wo ist das Viech jetzt?!

Ich rutsche im Fahrerfahrersitz hin und her, und suche die Ecken und Nischen der ahnungslosen Karre ab. Dann sehe ich sie!

Boah, die Kopfhörerkabel von meinem Walkman auf der Rückbank jagen mir einen Infarkt ins Herz. In Australien gibt es mehr giftige Schlangen als irgendwo sonst auf der Welt, und eine davon befindet sich in diesem Auto. Schlimmer, sie hat bereits zugeschlagen. Gibt es ein Antiserum?Wo ist das nächste Krankenhaus und wie sollen wir in unseremverrauchten, verblödeten Zustand dorthin gelangen? Undenkbar, jetzt das Auto zu bewegen. Tod durch Unfall oder Dahinsiechen durchGift.

BloßkeinePanikkriegenunddenVerstandbenutzen.Logischdenken,obwohlübertausendDingedurchmeinenKopfwirbeln.Königskobra, schwarze Mamba,wirmüssenunbedingtdenKreislaufunterKontrolle bringen. Damit sich das Gift nur langsam ausbreitenkann. Wir brauchen Informationen über die Schlange, die Wirkung, die richtigen Maßnahmen. Und viel Wasser trinken istimmer gut. Vielleicht Fenster runter, weil frische Luft. Alles verrückteVerwirrunginmeinemHundehirn.Alex sieht keinen Deut besser aus. Müssten nicht längst die ersten Symptome auftreten,sich das nahende Ende in irgendeiner furchtbaren Form ankündigen? Wir müssen reden. Ich setze an und wähle gemütlichen,möglichst harmlosen Plauderton:

»Sag mal, merkst du schonwas?Istirgendwasanders?«

Alex antwortet mit stummem Starren auf seine Hand. UndKopfschütteln.

GibteseigentlichungiftigeSchlangeninAustralien?,halteichgerade noch zurück und sage stattdessen: »Wenn du jetzt nochnichtshast,passiertauchnichtsmehr!«

StummesStarrenundKopfschütteln.

»Jetzt sag doch mal was.«StummesStarren,Kopfschütteln.

»Geht’sdirirgendwieschlecht?«

StummesStarren,Kopfschütteln.DanneintiefesSchnaufen:

»Weiß nicht genau.«

Immerhin. Mit ein bisschen gutem Willen ein erfreulichesZeichen. Wieso habe ich die Drehscheibe aus Pappe nicht eingepackt?EineMitbewohnerinvonJodiehattesiemirvorgestellt, erklärtundangeboten.Ichhabelachendabgewunken.DasHilfsmittel für Australien. Mit Abbildungen der giftigsten SchlangenunddenErste-Hilfe-MaßnahmenimBissfall.

Todesotter

Zwei

Stunden

Zeit,

um

das

nächste

Krankenhaus

zu

finden,

Kupferkopfschlange

Abbinden,

dann

Blut

und

Gift

mit

dem

Mund

absaugen

und

ausspucken,

Taipan

Das

Körperteil

in

kochendes

Wasser

halten

(oder

abwarten,

bis

die

Atemlähmung

einsetzt).

SowasinderArt.

Ich entscheide, Alex nicht in meine Gedanken einzuweihen. Das führt zu nichts.Lieber Kapitulation, denn Alex ist zwar versteinert, aber atmet ja.Die Zeit verlangsamt sich. Wir warten. Warten auf einen Ausweg, aufeinEndedieserNachtundaufeinEnde,dasnichtdasEndeist...

 

Ein paar grelle Sonnenstrahlen scheinen durch die verschmutzte Scheibe direkt ins Auto. Der kleine Kopfschmerz, der hintermeinerStirnseinUnwesentreibt,lässtmichblinzeln.InmeinemMundklebtpelzigerGeschmackunddie Karre müffelt.Nebenmir: Alex. DerSchlangenbiss!

Er räkelt sich und öffnet die Augen. Keiner sagt etwas, dennes ist wahr. Wir sind mächtig verpeilt, steif und verspannt zwar,doch bei bester Gesundheit. Wir haben überlebt. Die rötlichenMalezierenweiterhinAlex’Hand,sehenabereigentlicheherwiezwei gewöhnliche Kratzer als wie der Biss einer todbringendenSchlangeaus.Etwasdämmert.BloßgewöhnlicheKratzer.Sahen die kleinen Wunden gestern Abend irgendwie anders aus oderhaben wir ein wenig überreagiert? Sind wir den göttlichen Kräutern nicht gewachsen? Grünschnäbel. BewusstseinserweiterungimKindergarten.Abereigentlichwitzig.Alsojetzt.Ichschmeiße denWagenanundwirfahrenzumStrand.

 

Die Landstraße führt die Küste hinauf. Nach ein paar Stundenerreichen wir die südlichste Spitze des Great Barrier Reefs, welches sich über 2.500 Kilometer entlang der Ostküste Australienserstreckt. Ein Schild am Straßenrand verheißt über 9.000 Inseln,die von Korallen umgeben sind und ein schillerndes Ökosystemvoller Leben bilden. Naturliebhaber der ganzen Welt sind herzlichwillkommen,umnichtmehrundnichtwenigeralsdieartenreichsteRegionderErdezuerforschen.

In dem kleinen Städtchen Town of Seventeen Seventy laufenwirineinenälterenMann.Bill.EinKerlwieeinBaum.Nein,eherwie ein Baumstamm. Kurz und kompakt, aber mit bestechenderAura.ErhateinenRiesenkopfmitgrauemHaarundgrauemBart.DafürfehltderHals.ErfährtseitübervierzigJahrenzurSee,oderbesser gesagt, zu den Riffen. Jeden Tag, also auch heute, und inzwei Stunden geht es los. Einladender können Augen nicht lachen.ErfahrungundBegeisterungsprechendarausundeinetiefe LiebezudemachtenWeltwunderdirektvorseinerHaustür.

EineStunde später sind wir Teil einer kleinen Gruppe und schießenüberdieinderSonneschimmerndeSee.DerFahrtwindblästuns insGesicht,währendBillinderMittestehtundinallerSeelenruhe seine Geschichten erzählt. Seemannsgarn aus der guten altenZeitunddieneuestenErkenntnisseüberdenZustandderRiffe.

IrgendwannerreichenwirdieTrauminsel.Geradesogroßwieein paar Fußballfelder, wird sie von einem riesigen Korallenringumgeben. Als wir durch eine Passage in seichtes Gewässer vordringen,verwandeltsichdasTiefblauderSeeinstrahlendesTürkis. Vorfreudig und zu gespannt für Schnorchel-Theorie, bleibtdieEinweisungkurzundknackig.

»DiekleinenRiffhaiesindungefährlich. Und wer mal etwas tiefer tauchen möchte, nicht vergessen, zwischendurch wieder nach oben zu kommen, um Luftzuholen.«

Einer nach dem anderen plumpst ins Wasser. Eins hat mir Bill noch an Land zu verstehen gegeben: Man muss sich auf das Tauchen einlassen. Nicht den anderen Beckenrand erreichen wollen, sondern da sein, sich ergreifen lassen. Dann erlebt man eine Menge.

Ich rücke die Brille zurecht und tauche unter. Meine Gehörgängelaufenvoll,füllensichmitWasser,wodurchsich einetiefgehendeRuheinmeinemganzenKörperausbreitet.Esgluckst und blubbertin mir, so als würdeichTeildesMeereswerden.DiephysikalischenGesetzeverlierenihreGültigkeit.Alles schwebt.Endlich,denndieStilleundLangsamkeitermöglichen innereEinkehr. Worauf ich nun treffe, hätte ich nicht zu träumen gewagt:

Die Farben sind so fantastisch, dass jeder Vergleich verblassen muss. Die hügelige Landschaft des Riffs leuchtet in einem bunten Glanz, der mich vom Hocker haut. Algen, Krebse und eine wundersame Felsformation nach der nächsten. Jede einzigartig und unendlich schön. Voller Frieden und Gelassenheit. Ein Schwarm Fische gleitet vorbei. Mir wird klar, warum Fische nicht sprechen können. Sie müssen sprachlos sein – bei all der Pracht. Manche behandeln mich wie Luft, schwimmen vorbei. Andere halten inne,mustern mich oder staunen einfach.

Jeder wird zu einem glanzvollen Wunderwerk aus Fühlern, Kiemen, Flossen und allerlei kuriosem Fischdetail. Ihre Farbensind saftig grün, leuchtend lila, blutrot, sonnig gelb, tiefblau, und betrachtet man sie genau, erkennt man die Gesichtsausdrücke. Fische, die schmunzeln oder sich naiv verwundern. Putzig. Manch einer begriffsstutzig, andere allwissend. Ich sehe ein Exemplar,daseinKicherfischseinmuss,weilderkleineGesellesoirredusseligdurchdieGegendgrinst.

Es gibt ein Gerücht, ein Märchen. Nämlich, dass Fische keinGedächtnis haben. Unfähig sich zu sorgen und ständig nur imMomentleben.GuteFische,weiseFische,wundersamerleuchteteFische! Das muss ich Alex unbedingt erzählen. Gleich oben aufdem Boot. Oder im Auto. Und Bill fragen, ob das stimmt. Wiegleich?Wann?Wieso?Fokusverloren.Unachtsamkeit,vollerGedanken, alsoZeitzumAuftauchen,dennichbinzuabgelenkt,ummehrzuerleben.

AlsmeinKopfdurchdieOberflächebricht,kehreichzurückin die Welt unter der Sonne. Uninteressant. Also tauche ich wiederunter und ein und werde belohnt. Und wie! Eine Schildkrötenfamilie, Mutter mit fünf Kleinen im Schlepptau, schwimmt wieauf eine Schnur gezogen vorüber. Putzige Seepferdchen schwirrenumher.EingewaltigerRochengleitetüberSeesterneundKorallen. Noch atemberaubendere Riffformationen ragen am Horizont der Unterwasserwelt empor. Überhänge, Krater, Höhlen.BewohntvonunzähligenkleinenundgroßenLebewesen.Krebse,Muscheln, Algen, Seeigel und ein Tintenfisch. Wiedergrün,lila,orangeundjeglicheCouleurdazwischen.Allesscheinteins. Ein herrlicher Kosmos, der alles vergessen lässt. Und allesvergessenhat.KeinerhierschertsichumdieSorgenderWelt.Ein zeitloses Aquarium und eine unbezahlbare Gelegenheit. Nichtszu tun, als zu beobachten und den Denkapparat endlich mal zurRuhezubringen.DieeinfachschwierigsteAufgabederWelt,das Lebenswerk von Mönchen oder die spirituelle Übung der Yoga-Großmeister auf ihren Gummimatten, geschieht hier Dank ZenundderKunstdesSchnorchelns.

Auf dem Weg zurück zum Festland wechseln sich in unsererGruppe sprachlose Begeisterung mit gemeinsamer Freude ab.Das holländische Taucherpaar referiert über Flow, Leben total,intensiveMomente,überVersenkungfreivomDenken,überBewusstseinserweiterung, über Zen und die Wirkung auf Körperund Geist. Bill bringt’s auf den Punkt: »You guys are stoked!«

 

An Land gehen wir auseinander und sind doch für immer verbunden, durch nichts Geringeres als eine tiefe, meditative Erfahrungodereinfacher:einenRiesenspaß.

WirschlafenaneinemnahegelegenenStrandimAutoundspringeninderDämmerungdesMorgensindieFluten.ImselbenElementeingänzlichanderesErlebnis.WiederisthöchsteAufmerksamkeit gefordert, aber diesmal, aufgrund der einschlagendenWellen, notwendiger. Zen und die Kunst der Waschmaschine.Das Meer hat viele Gesichter, eins über und eins unter Wasser.Zurück an Land stellt sich derselbe euphorische Effekt ein: Wirsindstoked.

 

Ein Info-Flyer informiert, und ich referiere im Auto:

Fraser Island,ehemalsbekanntalsGreatSandyIsland,istdiegrößteSandinselderErde.Über750.000JahrehatsichSandaufdemdarunterliegendenvulkanischenFelsgesteinangehäuftundeineInselvon120KilometernLängeund25KilometernBreiteentstehenlassen. Ein riesiger Sandkasten, der darüber hinaus ein paar Flachmooreund Heideland beherbergt. Davon abgesehen ist die Insel menschenleer.

BisandieZähnebewaffnetmitCampingequipmentundÜberlebenswerkzeug, setzen wir am frühen Vormittag mit der Fährehinüber und wandern die endlosen Sandstrände entlang. Es istwarm und sonnig. Und einsam. Unser Ziel ist das Ende der WeltundkeinDeutweniger.NacheinergutenStundefordertdasGewichtderAusrüstungeineLagerstelle.WirhabenkeinenBockmehr zu schleppen, lassen alles stehen und liegen und springeninsMeer.

Als wir uns abtrocknen, weiht mich Alex in das weitere Vorgehenein.DenunumstößlichenPlan:

»Wir werden die Insel rauchen, um mit ihr eins zu werden!«

Klingtvielversprechend.WirfindeneinWasserlochamStrand,in das Alex die geladene Plastikflasche hineinführt, worauf wirunsmiteinemAtemzugausdemUniversumschießen.

WirbleibeninRückenlageliegen.WiehilfloseKäfer.LangsamverschwindetdieWirklichkeit,verlierenGesellschaft,Australien,Häuser oder Straßen ihre Existenz. Was bleibt, sind wir und dieverloreneInsel.DieletztenbeidenExemplarederSpeziesMenschan einem vergessenen Hort der Natur. In diesem Moment zaubert Alex einen kleinen Kassettenrecorder hervor und drückt aufdiePlay-Taste.MilesDaviserklingt,spieltJazzundseichteAufzugmusik. Könnte nicht besser passen, weil die sanften Trompetenklänge jetzt den endlosen Strand in ihre Arme schließen. Undunsmit.Unendlichberuhigend.TollerSwing,speziellerMoment. Alex grinst. Vor Wochen hatte er die Idee mit der Musik an einem entlegenen Strand, seit Wochen hat er auf diesen bekifftenAugenblickgewartet,denRecordervormirversteckt.BesteVorbereitung,dennderPlangehtaufundschafftseineAtmosphäre.

Nach einer tiefenentspannten Stunde schlendern wir zurückund halten ein paar Meter vor unserem Zeug an.

Irgendetwasstimmt nicht.

Meine Wahrnehmung kommt näher, die Realität wacht auf, Miles Davisverstummt,dennfünfspielzeugautogroßeInsektensitzenvoruns