Boss Romance - Sammelband 2 - Tina Keller - E-Book
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Tina Keller

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Beschreibung

HOT GAMES WITH THE BOSS Aileen ist verzweifelt: Ihr Ex-Freund hat sie mit 30.000 Dollar Schulden sitzenlassen, die sie abbezahlen muss, und sie hat keine Ahnung, woher sie das Geld nehmen soll. Auch beruflich läuft es mehr als schlecht: Ihr neuer Chef Jack ist zwar verdammt sexy, aber ein echter Sklaventreiber. Doch dann macht er ihr ein unglaubliches Angebot: Wenn sie ihm für seine sexuellen Wünsche zur Verfügung steht, darf sie bleiben und er übernimmt ihre Schulden. Aileen braucht das Geld und lässt sich darauf ein. Doch mit dem, was danach passiert, hat keiner von beiden gerechnet. __________________________________________________________________ IN BED WITH THE BOSS Carminas Vorstellungsgespräch verläuft mehr als merkwürdig: Sie soll nicht nur als Sekretärin arbeiten, sondern darüber hinaus ihrem Boss „für entspannende Stunden“ zur Verfügung stehen. Empört lehnt Carmina ab. Wie kann man ihr nur so ein unverschämtes – wenn auch sehr lukratives – Angebot unterbreiten? Sie ist schließlich kein Callgirl! Nein, das macht sie auf gar keinen Fall; egal, wie nötig sie das Geld auch braucht. Doch als sie Levin Campbell begegnet, verändert sich plötzlich alles. _____________________________________________________________________ BAD BUSINESS BOYS Jessica fällt aus allen Wolken, als ihr ihre Chefs eine ganz besondere Aufgabe übertragen: Sie soll eine erotische Party organisieren, an der namhafte Personen der Upper Class teilnehmen. Jessica findet sich auf einer Party wieder, in der geheime Wünsche der High Society ausgelebt werden, die nie ans Licht der Öffentlichkeit dringen dürfen. Sie ist geschockt und fasziniert zugleich. Nach der Party ist nichts mehr wie vorher. Jessica nimmt ihre Chefs plötzlich als das wahr, was sie sind: drei äußerst anziehende, attraktive Männer - besonders einer von ihnen ...

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2 - Aileen

Kapitel 3 - Aileen

Kapitel 4 - Aileen

Kapitel 5 - Jack

Kapitel 6 - Aileen

Kapitel 7 - Aileen

Kapitel 8 - Aileen

Kapitel 9 - Jack

Kapitel 10 - Aileen

Kapitel 11 - Jack

Kapitel 12 - Aileen

Kapitel 13 - Aileen

Kapitel 14 - Jack

Kapitel 15 - Aileen

Kapitel 16 - Jack

Kapitel 17 - Aileen

Kapitel 18 - Jack

Kapitel 19 - Aileen

Kapitel 20 - Jack

Epilog - Aileen

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Impressum

Tina Keller

Hot Games with the Boss

Kapitel 1 - Aileen

Warum war ich nur so bescheuert? Warum habe ich bloß meine verdammte Unterschrift unter diese Bürgschaft gesetzt?

Zitternd sitze ich am Küchentisch und starre auf den Brief, der mir einen heftigen Schlag in die Magengrube versetzt hat.

Nicht genug, dass mein Ex-Freund mich vor fünf Monaten Knall auf Fall verlassen hat. Von einem Tag auf den anderen war er plötzlich verschwunden. Als ich von der Arbeit nach Hause kam, war er einfach nicht mehr da. Kein Zettel, kein Anruf, keinerlei Info, nichts. Zuerst dachte ich, er hätte einen Unfall gehabt und wollte schon sämtliche Krankenhäuser anrufen.

Bis ich den Kleiderschrank aufriss und mit einem einzigen Blick feststellte, dass seine Sachen nicht mehr da waren. Die Espressomaschine hatte er unverschämterweise auch noch mitgenommen. Ich konnte es gar nicht fassen.

Wir waren immerhin drei Jahre zusammen! Da glaubt man doch, man kennt den anderen. Aber da hatte ich mich ganz offensichtlich geirrt.

Ich fiel aus allen Wolken, als kurze Zeit nach seinem Verschwinden eine Frau auf der Türschwelle stand und sich mit Tränen in den Augen erkundigte, wo Mark denn sei. Sie hielt sich für seine Freundin und mich für seine kranke, an Parkinson leidende Schwester! Darum hatte sie ihn aus lauter Rücksichtnahme nie zu Hause besuchen dürfen.

Nun war er wie vom Erdboden verschluckt und wir suchten ihn beide. Nachdem wir lange miteinander sprachen und herausbekamen, dass Mark schon seit über einem Jahr ein Doppelleben geführt hatte, wollten wir ihn allerdings beide nicht mehr zurückhaben.

Inzwischen ist Molly meine engste Freundin. Dass wir beide auf denselben Lügner reingefallen sind, schweißt uns extrem zusammen. Darum muss ich sie jetzt auch sofort anrufen.

„Du glaubst nicht, was passiert ist“, überfalle ich sie sofort, immer noch den Brief in meinen bebenden Händen.

„Oh nein, sag jetzt bitte nicht, es ist wieder was mit Mark“, stöhnt Molly am anderen Ende der Leitung. „Ich dachte, wir hätten endlich Ruhe vor ihm.“

„Von wegen. Ich hatte schon ganz vergessen, dass ich am Anfang unserer Beziehung für einen Kredit gebürgt habe, den er aufgenommen hat“, jammere ich los.

„Wir haben die Wohnung neu eingerichtet und er wollte unbedingt ein neues Moped haben. Es waren dreitausend Dollar, also eigentlich überschaubar. Aber Mark hat den Kredit offenbar erhöht. Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat. Vielleicht hat er sogar meine Unterschrift gefälscht. Oder er hat einfach eine Null dazwischen gequetscht. Jedenfalls soll ich jetzt dreißigtausend Dollar zahlen.“ Meine Stimme kippt.

„Und wenn ich das nicht kann, wollen sie alles, was in der Wohnung steht, pfänden. Vielleicht muss ich dann sogar ins Gefängnis.“

Jetzt fange ich hemmungslos an zu weinen.

Oh Gott, wie konnte ich nur auf so einen Betrüger hereinfallen? Ich schäme mich richtig dafür. Ich bin doch keine einsame, verzweifelte Frau, die niemand mehr anschaut und die deshalb auf eine Art Heiratsschwindler hereinfällt. Nur, dass ich Mark glücklicherweise nicht geheiratet habe. Wer weiß, wofür ich dann noch aufkommen müsste. Es ist so schon schlimm genug.

Am anderen Ende der Leitung herrscht tiefes Schweigen. Offenbar ist Molly so entsetzt, dass sie nicht weiß, was sie sagen soll.

„Mir fehlen die Worte“, sagt sie schließlich. „Das ist ja schrecklich, Aileen. Wie war das denn? Habt ihr den Kredit gemeinsam abbezahlt?“

„Ja“, schluchze ich. „Jeder von uns hat jeden Monat hundert Dollar beigesteuert. Aber jetzt schreibt mir das Inkassounternehmen, dass Mark seine Raten seit drei Monaten nicht gezahlt hat, sie ihn nicht finden können und sich deshalb an mich wenden. Und die Summe beträgt nicht, wie ich dachte, dreitausend Dollar, sondern dreißigtausend. Ich soll jeden Monat tausend Dollar zurückzahlen! Wie soll ich das denn machen?“

Mein Schluchzen wird stärker. Sie werden mir alles wegnehmen, an dem mein Herz hängt. Ich sehe mich schon mutterseelenallein in einer vollkommen leeren Wohnung sitzen.

„Was hat er denn nur mit dem ganzen Geld gemacht?“, murmelt Molly verstört.

„Na, er ist abgehauen“, schniefe ich. „Hat er nicht dauernd davon geredet, dass er irgendwann ein großer Guru in Indien werden wird? Er hat sich doch viel mit diesem esoterischen Kram beschäftigt. Vielleicht ist er neuerdings erleuchtet und auf dem Weg nach Indien. Mit den dreißigtausend Dollar, die ich abbezahlen soll, obwohl er sie gerade verprasst.“

„Ich kann nicht glauben, dass er wirklich so gemein ist“, stöhnt Molly.

„Kannst du das wirklich nicht?“, frage ich. „Denk daran: Er hat sowohl mit dir als auch mit mir gleichzeitig eine Beziehung geführt und uns beide total verarscht. Er ist gemein. Ich traue ihm alles zu.“

„Du hast recht“, pflichtet Molly mir bei. „Ja, ich kann es mir vorstellen. Natürlich kann ich das. Aber was machen wir denn jetzt?“

Molly ist wirklich süß. Wir hätten auch die erbittertsten Feindinnen werden können. Stattdessen sind wir die dicksten Freundinnen geworden. An allem, was mir mit Mark passiert, nimmt Molly so sehr Anteil, als wenn es ihr selber passieren würde. Wahrscheinlich, weil die Möglichkeit sehr groß ist, dass es ihr tatsächlich selber passiert.

„Kannst du nicht zu einem Anwalt gehen und fragen ob du irgendwie aus der Sache herauskommst?“, schlägt Molly vor.

„Es kann doch nicht sein, dass du für einen Kredit über dreitausend Dollar bürgst und es dann auf einmal dreißigtausend Dollar sind. Oder hast du damals nicht richtig geguckt? Kann es sein, dass du tatsächlich für einen Betrag über dreißigtausend Dollar unterschrieben hast?“

„Ich weiß es nicht“, sage ich kleinlaut. „Mark hat immer von dreitausend Dollar geredet, aber bei dem Vertrag habe ich wohl nicht so richtig hingeguckt, als ich unterschrieben habe. Warum hätte ich das auch tun sollen? Wir waren ein Paar. Ich habe ihn geliebt und ihm bedingungslos vertraut. Da unterstellt man dem anderen doch nicht, dass er einen abzocken will, oder?“

„Nein, eigentlich nicht“, seufzt Molly. „In der Liebe ist man einfach blind. Ich war es ja auch. Ich verstehe dich total, Aileen. Aber die Konsequenzen für dich sind einfach furchtbar.“

„Ich weiß“, schniefe ich. „Du kannst mir glauben, dass ich so schnell keinem Mann mehr vertraue.“

Mark war immer sehr gewieft und konnte mich in vielerlei Hinsicht um den Finger wickeln. Ich muss zugeben, dass es auch an seinen Qualitäten als Liebhaber lag. Wenn er mir die ganze Nacht die Sterne vom Himmel geholt hat, war ich am nächsten Tag meist so verknallt, dass ich ihm alles geglaubt habe. Wahrscheinlich hat er mir tatsächlich erzählt, der Kredit betrage nur dreitausend Dollar und ich habe in Wirklichkeit eine Bürgschaft über dreißigtausend Dollar unterschrieben, ohne es überhaupt zu merken. Oh mein Gott, ich war wirklich sowas von dumm und komplett im Tal der Ahnungslosen. Wie kann man nur so selten dämlich und naiv sein!

„Ich verstehe dich wirklich“, wiederholt Molly und ich weiß, dass das nicht nur eine Floskel ist. Wenn mich jemand versteht, dann sie, denn sie war schließlich auch mit Mark zusammen. Finanziell hat er auch einiges bei ihr abgestaubt, zum Beispiel das Erbe ihrer Großmutter, von dem sie ihm ganz selbstverständlich die Hälfte abgegeben hat. Sie hat immer alles mit ihm geteilt, genauso wie ich. Uns ist beiden merkwürdigerweise gar nicht aufgefallen, dass wir die einzigen waren, die teilten, weil es bei Mark gar nichts zu teilen gab. Er hatte nie Geld.

Wir waren einfach zu vertrauensselig und haben alles für den Menschen getan, von dem wir glaubten, dass er uns lieben würde. Es ist immer noch ziemlich bitter, dass wir uns so in diesem Mann getäuscht haben.

„Vielleicht kannst du niedrigere Raten zahlen“, versucht Molly mir Mut zu machen.

„Ruf doch einfach mal bei diesem Inkassounternehmen an, die werden dich schon nicht sofort fressen.“

„Aber alles, was ich bei meinem derzeitigen Job zahlen könnte, wären maximal zweihundert Dollar im Monat, und auch da müsste ich mich gewaltig einschränken“, seufze ich.

Ich nehme einen Taschenrechner zu Hilfe und tippe einige Zahlen ein. Danach wird mir kurz schwarz vor Augen.

„Bei zweihundert Dollar im Monat müsste ich zwölf Jahre abzahlen“, stöhne ich. „Darauf lassen die sich doch niemals ein. Nein, es muss eine andere Lösung geben. Ich muss irgendwie mehr Geld verdienen, richtig viel Geld.“

Wir schweigen eine Weile und denken angestrengt nach.

„Ich hätte da vielleicht eine Idee“, kommt es zaghaft von Molly. „Du musst mir aber versprechen, dass du nicht gleich ausflippst.“

„Wieso? Soll ich eine Bank überfallen?“, witzele ich, obwohl mir nicht im Geringsten nach Scherzen zumute ist.

Molly lacht, doch es klingt nicht besonders fröhlich.

,,Nein, natürlich nicht. Erinnerst du dich noch an meine Cousine Nathalie, die auf meinem Geburtstag war?“

„Du meinst die, die sich dauernd neue Designerklamotten kauft und zweihundert Paar Schuhe hat?“, vergewissere ich mich.

„Genau die“, bestätigt Molly. „Ich hatte bisher angenommen, sie lebt von dem Erbe ihres Onkels, aber wie sie mir letztens erzählte, ist das gar nicht der Fall. Das Erbe hat sie nämlich längst verprasst. Nein, sie finanziert sich ihr Luxusleben dadurch, indem sie am Wochenende als Escortdame arbeitet.“

Eine Weile ist es ganz still in der Leitung. So lange dauert es, bis ich diese Information verarbeitet habe.

„Äh … wie genau meinst du das?“, frage ich. „Geht sie mit den Männern nur aus oder tatsächlich auch ins Bett?“

„Das hängt wohl davon ab, ob ihr der Mann gefällt“, gibt Molly Auskunft. „Manchmal geht sie mit den Männern wirklich nur essen, ins Theater oder auf ein Konzert und das war es. Aber wenn ihr ein Mann sympathisch ist und er sie fragt, ob sie die Nacht mit ihm verbringen möchte, dann sagt sie nicht nein. Dazu ist es wohl zu lukrativ.“

Das muss ich erst mal verdauen. Ehrlich, das hätte ich dieser Nathalie niemals zugetraut. Sie wirkte so elegant und schon fast hochmütig. Und so eine Frau geht für Geld mit wildfremden Männern ins Bett?

„Und wie viel Geld gibt es dafür?“, erkundige ich mich zögernd, während ein schwacher Silberstreif am Horizont auftaucht.

„Wenn sie nur mit den Männern ausgeht, ungefähr dreihundert Dollar“, antwortet Molly. „Was sie bekommt, wenn mehr passiert, ist davon abhängig, was genau sie mit den Männern macht und was die bereit sind zu zahlen. Aber wenn ich das richtig verstanden habe, geht es ab tausend Dollar los und nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Sie hat sogar mal einen reichen Geschäftsmann eine Woche lang auf einer Geschäftsreise begleitet, und er hat ihr dafür zwanzigtausend Dollar gegeben.“

Ich zucke zusammen. Das wären zwei Drittel des Betrages, den ich benötige. In einer Woche! Ich könnte in einer einzigen Woche so viel verdienen, wie ich sonst in neun Jahren abbezahlen müsste! Mir schwirrt der Kopf. Das ist ja Wahnsinn!

Allerdings müsste ich dafür natürlich auch etwas tun. Möglicherweise etwas, das mir komplett gegen den Strich ginge und zu dem ich mich nicht überwinden könnte.

Könnte ich wirklich mit einem wildfremden Mann Sex haben? Noch dazu, wenn mir dieser Mann nicht mal sympathisch ist?

Der Silberstreif am Horizont verschwindet so schnell wieder, wie er aufgetaucht ist. Nein, das könnte ich nicht. So eine Frau bin ich einfach nicht. Ich kann nur mit einem Mann schlafen, wenn er mir etwas bedeutet.

„Das hört sich toll an, aber das ist nichts für mich“, wehre ich ab. „Ich kann nicht mit einem Mann ins Bett gehen, der mir nicht gefällt.“

„Ich glaube, das kann man festlegen“, sagt Molly. „Du kannst auch erst beim Kennenlernen entscheiden, ob du den Typen nah an dich heranlassen willst oder nicht. Warum gehst du nicht einfach mal zu so einer Agentur hin und erkundigst dich nach den Modalitäten? Vielleicht reicht es, wenn du mit den Männern einfach nur ausgehst. Selbst damit würdest du ja nicht schlecht verdienen.“

„Ich weiß nicht“, zögere ich.

Das ist mir heute einfach alles zu viel. An manchen Tagen kann ich immer noch nicht so richtig glauben, dass Mark einfach verschwunden ist und alles nur eine einzige Lüge war. Ich war mir so sicher, dass er mich genauso liebt wie ich ihn. Es fällt mir schwer, mir einzugestehen, dass seine Gefühle für mich offenbar niemals echt waren. Sonst hätte er mich ja nicht belogen und mit einer anderen Frau fast ein Jahr lang betrogen.

Das Schlimmste ist, dass ich seitdem meiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr traue. Ich weiß nicht mehr, ob das, was ich fühle, richtig ist, denn bei Mark habe ich mich so sicher gefühlt wie noch niemals zuvor. Diese komplette Fehleinschätzung hat mein Vertrauen in mich selbst sehr erschüttert und macht mein Leben nicht gerade leichter. Seitdem kann ich mich zum Beispiel kaum noch entscheiden, weil ich mich ständig frage, ob die Entscheidung richtig ist. Ich vertraue meinem eigenen Gefühl nicht mehr.

Und trotz allem und obwohl ich das nicht wahrhaben will, vermisse ich Mark auch. Ich vermisse es, neben jemandem einzuschlafen, an ihn geschmiegt aufzuwachen, den Alltag mit ihm zu erleben, schöne Dinge zu unternehmen - und natürlich fehlen mir auch die heißen Nächte. Ich war immer ein Mensch, der sehr viel Nähe und Zärtlichkeit braucht, und Mark hat mir all das gegeben. Jetzt weiß ich nicht mehr, ob ich jemals wieder einem Mann vertrauen kann. Das ist bitter. Es ist so, als sei mein Grundvertrauen in mich selbst und in andere Menschen komplett weg. Darum habe ich mich sehr zurückgezogen und lasse eigentlich nur noch Molly in mein Leben, meine Leidensgenossin. Alle anderen verstehen mich sowieso nicht wirklich. Ich bin sehr einsam geworden, was ich früher nie war. Ich habe mich total verändert und erkenne mich manchmal selbst nicht mehr wieder.

Das alles belastet mich sehr, und jetzt soll ich auch noch diesen Horrorbetrag von dreißigtausend Dollar zahlen! Ich bin völlig überfordert mit der Frage, ob ich einen Job als Escortdame ausüben könnte. Abgesehen davon habe ich schließlich einen Job, der meine ganze Energie kostet. Wie soll ich morgens um neun Uhr an meinem Schreibtisch sitzen, wenn ich nachts mit irgendwelchen Männern unterwegs war?

Ich arbeite seit zwei Jahren in einer großen Immobilienfirma, die alte, marode Bauten aufkauft und sie zu Luxusanwesen umbauen lässt, um sie dann mit gigantischem Gewinn weiterzuverkaufen. Dort bin ich die Assistentin eines der Makler, der sehr nett ist, wenn auch nur mäßig erfolgreich. Er ist meistens ziemlich verpeilt und es wird gemunkelt, er habe ein Alkoholproblem. Ich mache dort viel, was eigentlich gar nicht zu meinen Aufgaben gehört, um ihn zu entlasten. Erstens mag ich ihn, und zweitens habe ich Angst um meinen Job, wenn die Firma ihn feuert. Ich bin auf das Gehalt angewiesen; jetzt mehr als jemals zuvor.

„Schlaf erst mal ein paar Nächte drüber, das war heute sicher etwas viel für dich“, tröstet mich Molly. „Soll ich zu dir kommen?“

Sie ist wirklich ein Schatz. Mit ihr zu telefonieren ist schön, aber sie live bei mir zu haben, hilft mir weitaus mehr. Molly ist warmherzig und liebevoll, und ihre Ausstrahlung gibt mir jedes Mal die Wärme, die ich brauche. Ich bin ihr unendlich dankbar, dass sie eine Stunde Fahrt in der U-Bahn quer durch New York auf sich nimmt, um zu mir zu eilen.

Eine Stunde später ist sie da, wir bestellen uns eine Pizza, trinken Rotwein und mir geht es schon etwas besser. Auch, wenn das Leben noch so mies ist – wenn man Freunde wie Molly hat, kann man gar nicht so tief fallen. Wir schauen uns passenderweise den Film „Der Club der Teufelinnen“ an und schmieden fiese Rachepläne, wie wir es Mark eines Tages heimzahlen wollen. Aber letztendlich würden wir nie etwas davon in die Tat umsetzen, denn trotz allem sind wir immer noch gutmütige Schäfchen, die niemandem etwas zuleide tun können. Nicht mal Mark.

Man könnte auch sagen, dass wir total bescheuert sind.

Kapitel 2 - Aileen

Mit wild klopfendem Herzen wähle ich am nächsten Morgen die Telefonnummer des Inkassobüros, das mir diesen schrecklichen Brief geschrieben hat.

„Guten Tag, hier ist Aileen Dorson“, melde ich mich mit leicht kratziger Stimme.

„Ich habe gestern von Ihnen ein Schreiben erhalten und würde gern mit Ihnen darüber sprechen.“

„Wie ist die Bearbeitungsnummer?“, ertönt eine gelangweilte, weibliche Stimme. Ich nenne sie ihr und werde dreimal verbunden, bis ich den richtigen Ansprechpartner in der Leitung habe.

„Da kann ich Ihnen leider nicht helfen“, kommt es kurz und knapp aus dem Hörer.

„Da Sie gebürgt haben, sind Sie verpflichtet, die ausstehende Summe zu zahlen. Natürlich kann ich die Raten noch weiter reduzieren, aber dann erhöhen sich selbstverständlich auch die Zinsen. Das ist Ihre Entscheidung. Wieviel könnten Sie denn monatlich aufbringen?“

„Zweihundert Dollar“, flüstere ich und klammere mich am Hörer fest.

„Okay“, sagt der Mann am anderen Ende der Leitung und ich höre, wie er etwas in einen Taschenrechner eintippt.

„Bei zweihundert Dollar monatlich wäre das eine Laufzeit von knapp zwanzig Jahren“, vernehme ich.

„Wie bitte?“ Meine Kehle wird trocken. „Aber … Das muss ein Irrtum sein. Ich habe mir gestern ausgerechnet, dass ich etwa zwölf Jahre lang zahlen müsste, um den Betrag zu tilgen.“

„Da haben Sie aber sicher übersehen, dass für einen so langen Zeitraum nicht unerhebliche Zinsen anfallen“, weist mich der Mann zurecht.

„Je länger Sie zahlen, desto höher ist natürlich der Zinssatz. Mein Tipp: Versuchen Sie, von der Verwandtschaft oder sonstwem einen größeren Betrag zu bekommen, den Sie auf einmal zahlen. Dann ist der Restbetrag nicht mehr so hoch und die Zinsen weitaus niedriger.“

Der Hörer in meiner Hand zittert. Ich soll zwanzig Jahre lang dafür büßen, dass ich einem Mann vertraut habe? Ich soll zwanzig Jahre lang von der Hand in den Mund leben, nur weil mich so ein Arschloch hintergangen hat? Der macht sich jetzt irgendwo ein schönes Leben, und zwar mit dem Geld, das ich für ihn bezahlen darf. Das kann doch einfach nicht wahr sein!

Was macht er überhaupt mit dem ganzen Geld? Und wo ist er? Kann man das nicht irgendwie rauskriegen? Aber in den Vereinigten Staaten gibt es keine Meldepflicht, so dass ich eigentlich keine Chance habe. Und seine dämlichen Freunde, die ich natürlich längst alle abgeklappert habe, behaupten stur und fest, sie hätten keine Ahnung, wohin er sich abgesetzt hat. Vielleicht liegt er irgendwo in der Karibik in einer Hängematte am Strand, während ich die nächsten zwanzig Jahre für ihn ackern soll. Das Schicksal ist so ungerecht!

„Ich werde Ihnen einen Zahlungsaufschub von vier Wochen gewähren“, höre ich die Stimme des Mannes, die nun etwas freundlicher geworden ist, wie durch einen Nebel.

„Vielleicht schaffen Sie es in dieser Zeit, zumindest schon mal einen gewissen Betrag aufzutreiben. Fragen Sie in Ihrer Familie nach, die wird Ihnen schon helfen. Und dann rufen Sie mich noch mal an. Ich gebe Ihnen meine Durchwahl.“

Wie ferngesteuert schreibe ich mir die Telefonnummer des Mannes auf. Der hat gut reden!

Meine „Familie“ gibt es nicht. Mein Vater ist abgehauen, als ich gerade auf die Welt gekommen war. Zu meiner Mutter habe ich keinen Kontakt. Sie hat mich immer dafür gehasst, dass ich meinem Vater, den ich überhaupt nicht kenne, angeblich so ähnlich bin. Ich habe sie an dieses „Scheusal“ erinnert und das war Grund genug für sie, mich mein Leben lang zu drangsalieren. Außerdem würde sie mir sowieso nicht helfen, weil sie einfach eine bösartige Frau ist. Sie würde mich höchstens fertigmachen, weil ich auf so einen Loser hereingefallen bin – wie sie übrigens. Ob sich das irgendwie vererbt? Jedenfalls kann ich auf ihre Sprüche wirklich verzichten. Da meine Mutter mit ihrer Familie komplett gebrochen hat, kenne ich auch keine Tanten oder Onkel. Nicht mal meine Großeltern habe ich jemals kennengelernt.

Die wenigen Freunde, die mir geblieben sind, haben auch kein Geld zu verschenken. Da brauche ich erst gar nicht zu fragen. Ich habe wirklich niemanden, der mir helfen könnte.

Das war natürlich auch ein Grund, warum ich mich so an Mark geklammert und ihm blindlings vertraut habe: Ich hatte nie ein Nest, ein Zuhause, eine wirkliche Familie. Ich hatte immer nur eine Mutter, der ich zuviel war und die mich nicht wollte. Bei Mark hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass ich willkommen und gewollt war, dass mich jemand liebte. Nur leider war dieses Gefühl eine Illusion. Vielleicht habe ich es mir so sehr gewünscht, dass ich die Wahrheit nicht sehen wollte.

Ich habe nur mich selbst. Oh mein Gott, ich fühle mich so wahnsinnig allein im Moment. Ist denn niemand da, der mir hilft?

Wie in Trance treffe ich eine halbe Stunde später im Büro ein. Zumindest mit dem Job habe ich Glück gehabt, denn ich habe nicht nur einen netten Chef und werde gut bezahlt, sondern die Firma ist nur fünf U-Bahn-Stationen von meiner Wohnung entfernt, was in New York echt ein Sechser im Lotto ist.

Ich fahre mit dem Aufzug wie jeden Morgen in den 33. Stock, betrete mein schickes Büro – und stehe plötzlich und unerwartet dem bestaussehendsten Mann gegenüber, den ich je in meinem Leben gesehen habe.

Wow!!! Er hat dunkle Haare, ein markantes, unglaublich schönes, gebräuntes Gesicht mit den irrsten Augen der Welt und den absolut perfekten Body, soweit ich das erkennen kann. Das weiße, dünne Hemd spannt sich unter seinen Armmuskeln, die Brust ist ausgebildet und gut trainiert. Er ist ziemlich groß, und sein wohlgeformter Hintern steckt in einer seidig schimmernden, schwarzen Hose. Er sieht aus wie ein Model von Hugo Boss, das ich mal auf einem Plakat gesehen und in das ich mich spontan verliebt habe. Was macht so ein schönes Model in meinem Büro? Hat er einen Termin mit meinem Chef?

„Wenn Sie damit fertig sind, mich anzustarren, kann ich mich Ihnen vorstellen.“

Ich schrecke zusammen und erwache unsanft aus meinen Träumen. Offenbar habe ich ihn viel zu lange und intensiv gemustert. Wie peinlich! Allerdings müsste er das bei seinem Aussehen gewohnt sein. Ich meine, wie oft im Leben begegnet man einem dermaßen schönen Menschen? Außer, man arbeitet bei einer Modelagentur.

„Entschuldigen Sie bitte“, murmele ich errötend. „Ich hatte mich nur gewundert, dass jemand hier ist. Soweit ich mich erinnere, hat mein Chef heute Morgen keinen Termin.“

„Nein, das hat er nicht.“

Seine Stimme ist tief und absolut sexy. Sie geht mir durch und durch. Seine faszinierenden Augen heften sich auf mich, was mir sofort weiche Knie beschert.

„Er hatte gestern einen Unfall und hat sich beide Beine gebrochen. Demzufolge hält er sich vorläufig im Krankenhaus auf. Für die nächsten Wochen werde ich Ihr Vorgesetzter sein. Ich komme aus der Filiale in Chicago. Mein Name ist Jack Armstrong.“

Er streckt mir seine Hand entgegen - ziemlich widerwillig, wie ich finde. Oh mein Gott, was hat er denn? Findet er mich so unsympathisch? Das ist aber sehr ungünstig, wenn ich die nächsten Wochen für ihn arbeiten soll.

Ich zucke zusammen und begreife erst jetzt den Sinn dieser Worte. Hilfe! Für diesen absoluten Traummann soll ich arbeiten? Wie soll ich mich denn da noch konzentrieren können, wenn er womöglich dicht neben mir steht? Wenn er dann auch noch so unfreundlich und barsch ist, bringe ich sicher alles durcheinander. Das wird das reinste Chaos! Oh, bitte nicht! Hört meine Pechsträhne denn niemals wieder auf?

Seine dunklen Augen fixieren mich eindringlich, während er meine Hand in seiner hält. Sie fühlt sich kraftvoll und männlich an. Mein Herz macht plötzlich diverse Sprünge. Was ist denn nur mit mir los? Warum bringt er mich so durcheinander?

Er seufzt hörbar auf.

„Hätten Sie vielleicht die Güte, sich auch mit Ihrem Namen vorzustellen? Oder verbringen Sie den ganzen Tag damit, fremde Leute anzustarren und ihnen die Hände zu zerquetschen?“

Ich lasse seine Hand so abrupt los, als hätte ich mich verbrannt. Was soll das denn jetzt? Wie kann er nur so unhöflich und beleidigend sein? Ich schlucke schwer.

Okay, er mag höllisch attraktiv sein, aber ansonsten ist er ganz offensichtlich ein echtes Arschloch.

Es ist echt furchtbar, aber mein Gehirn ist wie leergefegt. Ich kann ihn nur anstarren und vergesse vorübergehend sogar meinen Namen. Das ist mir noch nie passiert. Ich bin total durcheinander und werde von völlig gegensätzlichen Gefühlen überwältigt.

Einerseits ist er der bestaussehendste Mann, dem ich je begegnet bin und verursacht bei mir Herzrasen und Atemnot. Andererseits ist er richtig fies und ich habe jetzt schon Angst, für ihn zu arbeiten. Ich würde gleichzeitig am liebsten für immer neben ihm stehen bleiben und ganz schnell wegrennen. Das ist eine verflucht ungünstige Kombination.

„Okay, wenn Sie nicht wissen, wie Sie heißen, verrate ich es Ihnen.“

Jack Armstrong seufzt ein zweites Mal hörbar auf und lässt damit keinen Zweifel daran, was er von mir hält. Nämlich gar nichts. Wahrscheinlich wird er als nächstes darum bitten, eine andere Sekretärin zugeteilt zu bekommen.

„Sie sind Aileen Dorson und die Sekretärin von Mike Ferguson. Das bedeutet, dass Sie in den nächsten Wochen auch meine Sekretärin sein werden.“

Seine Augenbrauen schnellen missbilligend nach oben. Deutlicher könnte er mir nicht zeigen, wie wenig begeistert er von dieser Aussicht ist. Eine Sekretärin, die zu blöd ist, sich an ihren eigenen Namen zu erinnern, kann er natürlich nicht gebrauchen.

Ich schlucke und nicke. Warum bin ich nicht fähig, in seiner Gegenwart irgendetwas zu sagen? Wie soll das um Himmels willen werden, wenn ich für ihn arbeiten muss? Wenn ich mich weiterhin so dämlich anstelle, werde ich nicht mal den heutigen Tag mit ihm überstehen. Dabei war Mike immer außerordentlich zufrieden mit mir.

Aber Mike ist auch nicht der geilste Mann des Universums. Mike ist über Sechzig und hat schütteres Haar und einen dicken Bauch. Ich sehe in ihm eher den väterlichen Typ, was vielleicht auch daran liegt, dass ich nie einen Vater hatte. Wir haben fast schon ein freundschaftliches Verhältnis und er ist für mich auf erotischem Gebiet ein Neutrum.

Aber dieser Jack ist alles andere als ein Neutrum. Da sprüht aus jeder Pore schieres Testosteron. Er ist purer Sex. Und er weiß ganz genau, wie er auf Frauen wirkt. Wahrscheinlich macht es ihm Spaß, dass er mich so völlig aus der Fassung bringt.

„Wie … wie geht es Mike denn?“, stottere ich.

Jack Armstrong runzelt die Stirn.

„Wie soll es schon jemandem gehen, der sich beide Beine gebrochen hat? Beschissen natürlich.“

Er verdreht die Augen und gibt mir damit deutlich zu verstehen, dass ich eine selten sinnlose Frage gestellt habe.

„Wie ist denn das passiert?“

Meine Stimme wird immer leiser. Ich habe Angst, etwas Falsches zu sagen und von ihm wieder bloßgestellt zu werden. Niemals werde ich für diesen Mann arbeiten können. Am liebsten würde ich mich sofort krankschreiben lassen, aber dann fliege ich womöglich, und das kann ich mir bei meiner angespannten finanziellen Situation einfach nicht leisten.

Jack Armstrong zuckt mit den Schultern.

„Sagte ich doch – Unfall. Er ist mit dem Auto gegen einen Baum gebrettert. Falls Sie ihn anrufen wollen: Er ist im Memorial Krankenhaus. Aber bevor Sie das tun, bringen Sie mir erst mal einen Kaffee, und zwar einen Latte Macchiato ohne Zucker. Ich gehe davon aus, Sie wissen, wie man eine Latte zustande bringt, oder?“

Bilde ich mir das ein oder grinst er anzüglich? Ist seine Bemerkung eindeutig zweideutig gemeint?

„Ich gehe davon aus, Sie wissen, wie man eine Latte zustande bringt“ – das hört sich für mich nicht danach an, als ob es um einen harmlosen Kaffee geht. Es hört sich so an, dass ich in der Lage sein sollte, einem Mann eine Erektion zu bescheren. Wenn ich auch sonst zu wenig in der Lage bin, jedenfalls in seiner Gegenwart.

„Ja, natürlich“, nicke ich und merke, wie mein Gesicht anfängt zu glühen. Oh Mann, jetzt habe ich auch noch voll die rote Bombe. Es wird echt immer peinlicher und unangenehmer. Am liebsten würde ich mich in Luft auflösen.

„Manche verwechseln Latte Macchiato nämlich mit einem Cappuchino oder einem Milchkaffee“, doziert er.

An meinem Gesicht kann er unschwer erkennen, dass ich auch zu dieser Spezies gehöre. Er holt erneut tief Luft und setzt sich auf meine Schreibtischkante.

„Also, ich werde es Ihnen erklären“, beginnt er und klingt so, als spräche er zu einem minderbemittelten Menschen, was ich für ihn sicher auch bin.

„Cappuccino besteht zu einem Drittel aus Espresso, welcher als erstes in die Tasse kommt und zu zwei Drittel aus leicht aufgeschäumter, cremiger, warmer Milch oder Milchschaum. Durch diese Reihenfolge kann sich die Creme vom Espresso auf dem Milchschaum absetzen. So entsteht das charakteristische Aussehen und die Grundlage für eine besondere Kaffeeart, bei der schöne Motive durch das gekonnte Zusammenspiel von Crema und Milchschaum entstehen. Der Latte Macchiato ist bekannt für seine drei Schichten, die in einem Glas perfekt zur Geltung kommen. Dafür wird die Milch stark aufgeschäumt, bis ein fester Milchschaum entsteht. Nun wird zu Beginn die Milch eingegossen, darauf sanft der Milchschaum platziert und zum Schluss ganz vorsichtig und langsam ein einfacher Espresso durch die Milchschaumdecke hineingegossen. Dass sich drei Schichten absetzen, liegt daran, dass der Milchschaum viel Luft enthält und dadurch oben bleibt. Der Espresso setzt sich dank der höheren Temperatur und Dichte über der Milch ab.“

Ich schlucke. Dieser Typ ist ganz klar ein Kaffee Fetischist. Ehrlich, das habe ich alles noch nie gehört. Für mich waren Cappuccino, Latte Macchiato und Milchkaffee immer irgendwie Kaffee mit Milch. Dass sie verschieden aussehen und schmecken, ist mir zwar auch schon aufgefallen, aber ich habe mich nie gefragt, wie sie zubereitet werden. Wie gut, dass Jack Armstrong diese Wissenslücke jetzt schließt.

„Der Milchkaffee wird nicht – wie die anderen beiden Kaffeespezialitäten – mit Espresso, sondern mit Kaffee zubereitet. Das Mischverhältnis liegt bei etwa fünfzig zu fünfzig Prozent und besteht somit zu gleichen Teilen aus Kaffee und erwärmter Milch“, beendet Jack seinen Vortrag.

„Gut zu wissen“, bringe ich mühsam hervor und habe mir natürlich gar nichts gemerkt. Außer, dass er eine hocherotische Stimme hat und diese Augen mich um den Verstand bringen.

„Ich hoffe, ich habe Sie mit den Erklärungen nicht überfordert. Wie gesagt – mich verlangt jetzt nach einer Latte.“

Jack verzieht seinen – nebenbei bemerkt total sinnlichen – Mund zu einer Art Grinsen und ich bin jetzt felsenfest davon überzeugt, dass er es anzüglich gemeint hat. Würde es sonst nicht „einen Latte“ heißen, abgeleitet von „der Latte Macchiato“? Aber wenn er von einer Latte redet, dann kann er eigentlich nur eine Erektion meinen. Und nach der verlangt es ihn jetzt?

Mir wird heiß und kalt zugleich.

„Ich werde Ihnen sofort eine … äh …. Latte machen“, verspreche ich mit hochroter Birne und stürme aus meinem Büro.

Wie war das noch gleich? Ein Latte Macchiato hat drei Schichten, ist ja klar. Wie entstehen die? Erst der Milchschaum oder die Milch? Und der Kaffee ganz am Anfang oder zum Schluss? Mist, ich habe es schon wieder vergessen. Wenn ich nicht mal das abspeichern kann, wie soll ich mir Arbeitsanweisungen von ihm merken können?

Die drei Schichten kriege ich jedenfalls nicht hin und da ich mich nicht den ganzen Vormittag damit aufhalten will, für meinen neuen Chef – Hilfe!!!! – Kaffee zu kochen, stelle ich ihm mit glühendem Kopf die Tasse auf den Tisch. Erwartungsgemäß runzelt er die Stirn.

„Ich glaube, ich muss Ihnen noch mal erklären, wie man eine schöne Latte hinkriegt“, sagt er mit undurchdringlichem Blick.

„Das wollen Sie doch sicher lernen, oder?“

Klar. Mein größter Wunsch war es schon immer, in einem Coffee Shop zu arbeiten.

„Wenn Sie es mir zeigen, gern“, sage ich Idiot auch noch und beiße mir im selben Moment auf die Lippe. Er soll mir zeigen, wie man „eine schöne Latte“ macht? Ich sehe es schon deutlich vor mir: Er streicht sich über seine Hose und zeigt mir genüsslich, wie sich dort langsam eine Beule bildet.

Jetzt breitet sich die unnatürliche Hitze in meinem Kopf auch auf meinem Dekolleté aus und wandert langsam meinen Körper hinunter, direkt zwischen meine Beine. Verdammt. Ich kriege das Bild einfach nicht mehr aus meinem Kopf. Ich sehe meinen neuen Chef vor mir, wie er da steht und sich unter seiner edlen Hose ganz deutlich eine Wölbung abzeichnet.

„Das mache ich sehr gerne.“

Bilde ich mir das nur ein oder hat seine Stimme ein anderes Timbre angenommen?

Plötzlich brennt die Luft und es knistert und funkt wie verrückt. Merkt er das auch oder bin ich die Einzige, die das Gefühl hat, der ganze Raum habe sich auf einmal mit elektrischer Spannung aufgeladen?

Wir blicken uns an, und keiner sagt ein Wort. Denkt er das, was ich denke? Oder bilde ich mir das alles nur ein und bin einfach chronisch untervögelt? Mein letzter Sex liegt immerhin schon fünf Monate zurück. Ich bin kein Typ für Affären oder one-night-stands. Ich hatte bisher immer nur in Beziehungen Sex. Eigentlich bin ich für so einen Escort Job die komplette Fehlbesetzung.

Außer natürlich, der Kunde wäre so eine Sahneschnitte wie Jack. Aber so ein hinreißend schöner Mann muss nicht für eine Frau bezahlen. Ihm laufen die Frauen garantiert scharenweise hinterher. Eher würden die Frauen noch ihn dafür bezahlen, dass sie mit ihm ins Bett gehen dürfen.

Der elektrisierende Moment ist blitzschnell wieder vorbei, und Jack sieht mich an, als habe es diesen Augenblick nie gegeben.

„Ich benötige eine Liste aller Projekte, in die Mike involviert ist“, sagt er sehr sachlich und nippt an dem missratenen Latte Macchiato.

„Des weiteren brauche ich den Stand der Dinge und eine Liste aller Firmen, die beteiligt sind sowie Namen und Telefonnummern. Gibt es die Unterlagen elektronisch oder in Papierform?“

„Meist noch in Papierform“, gebe ich Auskunft. „Mike ist da etwas altmodisch. Er will was in der Hand haben und traut Computern nicht. Er hat immer Angst, dass mit einem Wisch plötzlich alle Daten weg sind.“

Jack rollt unmerklich mit den Augen und es ist nicht schwer zu erraten, was er denkt.

Eine unfähige Sekretärin und ein Makler von Vorgestern – was für ein Gespann. Und ausgerechnet hier bin ich gelandet. Und dann kriegt die Tippse es nicht mal hin, mir einen ordentlichen Kaffee zu kochen. Ob sie überhaupt für irgendetwas taugt?

„Es gibt Backups und externe Speicher“, teilt er mir mit. „Und wenn Mike solche Angst hat, nimmt man eben zwei externe Speicher. Das ist eine Sache von wenigen Minuten. Jeder hat schnellen Zugriff und muss nicht in Bergen von Papier wühlen.“

„Ich wühle gerne für Sie“, rutscht es mir heraus und schon wieder werde ich völlig unsinnigerweise rot. Es hört sich so an, als würde ich gerne in seinen Haaren wühlen oder mich mit ihm durch die Laken wühlen ….

Kurz blitzt es in seinen Augen auf, dann kneift er sie zusammen.

„Es wäre mir lieber, hier würde die Neuzeit einziehen, denn so kann ich nicht arbeiten“, sagt er schroff. „Wenn ich eine Information brauche, will ich die auf Tastendruck haben. Ich will nicht zehn Ordner durchkämmen. Habe ich mich klar ausgedrückt? Sorgen Sie bitte dafür, dass wir in 2017 ankommen und nicht im Jahr 1970 steckenbleiben.“

Fassungslos starre ich ihn an. Wie stellt er sich das denn vor? Wie soll ich das machen? Soll ich mal eben hundert Ordner einscannen? Er ist ja echt gut drauf. Ich habe auch noch andere Dinge zu tun. Kaffee kochen zum Beispiel, und zwar genau nach Anweisung. Damit er auch seine schöne Latte bekommt, haha.

Er nimmt wieder einen Schluck von seinem Kaffee und verzieht das Gesicht.

„Scannen Sie wenigstens die aktuellen Projekte ein“, weist er mich an. „Das sollte wohl möglich sein.“

Vor oder nach Ihrer Latte? würde ich ihn am liebsten patzig fragen, aber natürlich halte ich meine Klappe. Ich habe sowieso schon nicht den besten Eindruck auf ihn gemacht.

Kapitel 3 - Aileen

Er macht allerdings auch nicht den besten Eindruck auf mich, denn er legt ein Tempo vor, dass mir ganz schwindlig wird. Ich muss alle Unterlagen der aktuellen Projekte einscannen, in Rekordzeit diverse Mails tippen, ihn dauernd mit irgendwelchen wichtigen Leuten verbinden und ihm einen Kaffee – pardon: Latte Macchiato mit drei Schichten! – nach dem anderen servieren. Seine Anweisungen sind kurz und knapp, und kaum hat er mir eine Aufgabe erteilt, folgt schon die nächste. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

Gegen Mittag bin ich ein nervliches Wrack. Ich habe noch nicht mal den halben Tag hinter mir und das Gefühl, ich hätte eine ganze Woche nonstop gearbeitet. Ich dachte, er muss sich erst mal einarbeiten, aber er scheint seine Projekte aus Chicago zu betreuen und gleichzeitig noch die von Mike. Ein echter Workaholic also, während Mike gern eine ruhige Kugel schiebt – und damit auch ich. Mit diesem Tempo werde ich niemals mithalten können!

„Habe ich Sie zu hart rangenommen?“, erkundigt sich dieser Fiesling im Körper eines Models unschuldig, als ich mit zitternden Händen nach meiner Banane greife, um nicht tot umzufallen vor lauter Erschöpfung.

Himmel, das klingt schon wieder zweideutig! Macht er das extra oder fällt ihm das gar nicht auf?

„Ein bisschen schon“, sage ich mit schwankender Stimme. „Ehrlich gesagt bin ich das gar nicht gewohnt.“

„Kann ich mir bei Mike vorstellen“, murmelt Jack und krempelt sich die Hemdsärmel hoch. Unternehmungslustig sieht er sich in meinem Büro um.

„Zwei oder drei Palmen wären gut“, findet er. „Bestellen Sie mal welche, das lockert das Büro etwas auf. Wer hat denn den hässlichen Ventilator dort drüben verbrochen? Gab es kein ansehnlicheres Modell?“

So wie du? würde ich am liebsten sagen, als er sich über seinen Bartschatten fährt. Ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass sich mein Boss plötzlich in ein Supermodel verwandelt hat. Wie kann man nur so irre aussehen und gleichzeitig noch so erfolgreich sein? Kein Wunder, dass er total fies ist. Wenn er auch noch nett wäre, würden wir uns im Märchen befinden. Solche Männer gibt es im realen Leben einfach nicht.

„Äh … ich glaube, das war Mike nicht so wichtig“, gebe ich Auskunft. „Er legt nicht so viel Wert auf Äußerlichkeiten.“

Jack sieht mich mit einem Blick an, der genau sagt, was er jetzt denkt:

Dass Mike keinen Wert auf Äußerlichkeiten legt, kann man unschwer an seinem dicken Bauch erkennen. Ich lege aber schon Wert darauf, wie man sieht.

„Ich bin zwar nur für eine begrenzte Zeit hier, aber in dieser Zeit möchte ich es mir schon gemütlich machen.“

Seine dunklen Augen fixieren mich so gründlich, dass ich das Gefühl habe, er blickt mir bis auf den Grund meiner Seele. Ich habe keine Ahnung, was er da sehen kann, denn ich weiß es im Moment selbst nicht.

Alles, was er sagt, klingt für mich irgendwie erotisch, weil ich ihn so unglaublich attraktiv finde. Er meint es sicher gar nicht so, aber sein Statement „In dieser Zeit möchte ich es mir schon gemütlich machen“ klingt für mich so, als würde er sich eine Frau für besondere Stunden suchen, so lange er hier ist. Was er ja sicher auch tun wird. Ob er in Chicago eigentlich eine Frau oder Freundin hat?

„Alles klar, ich besorge drei Palmen und einen Designer Ventilator“, haspele ich und schlucke. Beinahe hätte ich „Designer Vibrator“ gesagt, so verwirrt bin ich. Das wird noch böse enden, ich weiß es ganz genau. Ich bin ja schon nach einem halben Tag fix und fertig.

„Bestellen Sie mir einen Salat mit Hähnchen, und suchen Sie mir ein exquisites Fitnessstudio, in dem ich auch spätabends noch trainieren kann“, erhalte ich meine nächsten Anweisungen.

„Und vergessen Sie das Scannen der Akten nicht. Sie sind noch längst nicht fertig.“

Vielen Dank für den Hinweis, Mister. Das weiß ich selbst.

Verzweifelt blicke ich auf meinen Schreibtisch. Jack hat mich so herumgescheucht, dass ich noch nicht mal die heutige Post geöffnet habe. Und meine Mittagspause kann ich offenbar vergessen. Wenn ich das alles schaffen will, muss ich auf jeden Fall durchackern. Das scheint mein neuer Chef ganz selbstverständlich vorauszusetzen. Er tut es ja schließlich auch.

Als ich abends um sieben nach zehn Stunden Arbeit ohne Pause aus dem Büro schwanke, fühle ich mich, als sei ich soeben neunzig Jahre alt geworden. Mein Rücken schmerzt, meine Beine tun weh, weil ich stundenlang an dem blöden Scanner gestanden habe, mein Kopf raucht, meine Augen brennen. Ich bin einfach am Ende. Und diese Tortur soll ich morgen wieder ertragen? Und dann noch wochenlang? Was habe ich eigentlich verbrochen, dass ich so bestraft werde?

Erst lässt mich mein Ex-Freund mit dreißigtausend Dollar Schulden sitzen – und dann bekomme ich einen Feldwebel als Chef vorgesetzt. Ein äußerst sexy Feldwebel zwar, aber das macht es auch nicht besser, eher im Gegenteil. Jedes Mal, wenn er plötzlich hinter mir stand und ich seinen verführerischen Duft roch, bin ich fast ohnmächtig geworden.

Am liebsten würde ich Molly alles haarklein erzählen, aber ich bin so groggy, dass ich nur noch ein Brot esse und mich dann vor den Fernseher hänge. Aber ich kann mich nicht auf den Film konzentrieren, denn immer wieder schweifen meine Gedanken zu meinem neuen Chef.

Ich habe wirklich noch nie einen so attraktiven Mann gesehen. Mehr noch, er ist einfach unsagbar HOT. Ich wette, er braucht nur mit dem Finger zu schnippen und kriegt jede Frau in die Kiste. Wie kann man nur so unverschämt gut aussehen und dann auch noch so erfolgreich sein? Natürlich habe ich ihn gegoogelt, obwohl ich dazu eigentlich keine Zeit hatte. Er ist Nummer drei der erfolgreichsten Makler von Your Luxury Property, und unsere Immobilienfirma beschäftigt weltweit immerhin mehr als fünfhundert Makler. Er hat es zu etwas gebracht, und das bereits mit dreiunddreißig Jahren. Darauf kann er echt stolz sein.

Ich seufze. Ich habe es mit meinen achtundzwanzig Jahren leider zu gar nichts gebracht. Ich bin pleite, habe Schulden und muss mich total abrackern. Und nicht nur das – ich muss sogar einen Zweitjob in einem zwielichtigen Gewerbe annehmen. Ich bin wirklich zu bedauern, finde ich. Wenn Jack mich weiterhin so herum kommandiert, werde ich am Wochenende gar nicht in der Lage sein, zahlungskräftige Herren zu begleiten, sondern in ihrer Gesellschaft einschlafen. Das macht sicher keinen besonders guten Eindruck. Und damit gibt es dann auch leider kein Geld.

Als ich am nächsten Morgen überpünktlich an meinem Arbeitsplatz eintreffe, finde ich eine Mail von Jack in meinem Postfach vor. Ich schaue auf die Uhrzeit und stelle fest, dass er sie um fünf Uhr morgens abgeschickt hat. Wann schläft dieser Mann eigentlich? Oder ist er gleich vom nächtlichen Fitness Training ins Büro getigert?

Bin bis mittags in diversen Meetings. Habe Ihnen einige Briefe diktiert, zur Unterschrift vorlegen. Scannen nicht vergessen. Fitness Studio? Bestellen Sie für 13 Uhr ein Steak, well done, mit Salat ins Büro.

Kein guten Morgen, keine Anrede, kein Gruß, keine Unterschrift, kein bitte, kein danke, nichts. Der Mann beschränkt sich auf das Wesentliche. Er ist kalt und unpersönlich und überhaupt nicht nett.

Würde ich ihn eigentlich mögen, wenn er nicht so verdammt gut aussehen würde? Und entschuldigt gutes Aussehen wirklich alles?

Nein, ich mag ihn ja gar nicht. Er ist ein echter Sklaventreiber. Eigentlich hasse ich ihn.

Die Tür öffnet sich und Vicki, eine Kollegin aus der Etage unter uns, steht auf der Matte. Sie reißt ihre Augen weit auf und kommt auf mich zugelaufen.

„Oh Gott, Aileen, dieser Jack ist der absolute Hammer!“, kreischt sie unbeherrscht los. „Ich habe gerade Getränke im Konferenzraum serviert und hätte fast den Kaffee über ihm ausgekippt. Dieser Typ ist ja sowas von heiß!“

„Jetzt schrei doch nicht so laut“, zische ich und schließe schnell die Tür hinter ihr.

„Ich beneide dich so, dass du für ihn arbeiten darfst“, seufzt Vicki und lässt sich auf einen Stuhl fallen.

„Das würdest du nicht sagen, wenn du es wirklich tun müsstest“, stöhne ich. „Gestern war der absolute Albtraum, er hat mich den ganzen Tag herumgescheucht. Ich konnte nicht mal eine Pause machen. Ich muss mehr als dreißig Aktenordner einscannen; weißt du, was für eine Höllenarbeit das ist?“

„Gib sie mir“, erwidert Vicki verträumt. „Jeff ist im Urlaub und ich habe kaum was zu tun. Ich drehe fast den ganzen Tag lang Däumchen.“ Ihre Augen beginnen zu glänzen.

„Hey, wenn Jack dir so viel zu tun gibt und du das nicht schaffst, kann ich doch hier einspringen. Dann hat er zwei Sekretärinnen, wenn ihm eine nicht reicht. Wie findest du die Idee?“ Sie strahlt mich an.

Okay, ihr Angebot ist wirklich total nett gemeint und wäre mir sicher eine große Hilfe, aber etwas in mir sträubt sich ganz massiv dagegen, ihre Hilfe anzunehmen. Ich weiß, es ist total bescheuert, aber etwas in mir flüstert:

Ich will ihn nicht teilen. Ich will nicht, dass jemand anders für ihn arbeitet. Ich will die Einzige sein.

Ich bin wirklich verrückt. Ich müsste total dankbar und glücklich sein, wenn mich jemand entlastet, denn alleine schaffe ich das niemals. Was habe ich bloß für dämliche Gedanken?

„Du könntest die Ordner einscannen“, biete ich Vicki großzügig an, denn das kann sie von ihrem Arbeitsplatz aus erledigen und muss demzufolge nicht bei uns sitzen. Nicht bei ihm.

Vicki macht ein enttäuschtes Gesicht. Also habe ich doch richtig damit gelegen, dass sie nicht in erster Linie ihrer armen, überforderten Kollegin helfen will, sondern es vor allem darauf angelegt hat, einen Blick auf den schönen Jack werfen zu können.

„Ordner einscannen?“, erwidert sie gedehnt, und ich kann ihr ansehen, dass ihr diese Aufgabe so gar nicht zusagt. Es sei denn, sie könnte diese Aufgabe im Büro von Jack erledigen und ihn die ganze Zeit dabei anschmachten. Dann würde sie wahrscheinlich sämtliche Ordner der ganzen Firma sofort einscannen wollen.

„Das ist ja voll öde. Könnte ich wenigstens zu dir ins Büro ziehen?“

„Hier ist es zu eng“, schmettere ich sie sofort ab. „Außerdem hast du doch selbst einen Scanner. Willst du mir nun helfen oder geht es dir nur darum, Jack anzuhimmeln?“

Vicki zieht einen Flunsch.

„Naja, es würde diese langweilige Tätigkeit schon sehr versüßen“, gibt sie zu. „Kannst du ihm wenigstens sagen, dass ich das für ihn erledigen werde? Ich meine, kann ich mit ihm sprechen?“

„Meinetwegen“, erlaube ich ihr.

Hoffentlich stehen jetzt nicht alle Sekretärinnen Schlange, um Jack bewundern zu können. Oder jede von ihnen muss einen Ordner zum Scannen mitnehmen, dann bin ich schnell fertig.

Wir schrecken zusammen, als die Tür klappt und gleich darauf Jack ins Zimmer stürzt.

„Ich brauche den Vertrag für das Tagungshotel in Ohio mit den zuständigen Architekten“, fährt er mich an, ohne Vicki überhaupt eines Blickes zu würdigen. Besonders höflich und charmant ist er wirklich nicht. Er könnte ja wenigstens mal guten Tag sagen, auch zu mir.

Vicki starrt ihn an, als sei er das achte Weltwunder. Das ist er in dieser Firma auch tatsächlich, wenn ich an all die anderen unattraktiven Angestellten denke.

Ich springe auf und renne zum Aktenschrank.

„Bauvorhaben CoCo – Comfort Conference“, hilft Jack mir auf die Sprünge.

Fieberhaft suche ich die Akten ab. Wo verdammt noch mal ist dieser blöde Ordner?

Jack vergräbt seine Hände in den Taschen und schaut mir unwillig zu, während mir der Schweiß den Rücken hinunterläuft.

„Wären die Akten eingescannt, müsste ich jetzt nur den Suchbegriff eingeben und voilà – ich hätte, was ich brauche“, knurrt er ungnädig.

Meine Güte, er hat gestern hier angefangen! Wie soll ich es denn schaffen, diesen ganzen Mist so schnell zu scannen? Das kann er unmöglich von mir verlangen!

Jetzt hat Vickis Stunde geschlagen. Sie geht auf ihn zu und streckt ihm ihre Hand entgegen.

„Victoria Blue, ich arbeite für Jeff Folker. Ich habe Aileen schon angeboten, sie tatkräftig zu unterstützen.“

Jack ergreift widerwillig ihre Hand und nickt ihr knapp zu. Hat er nicht mal die Zeit, um „danke“ zu sagen? Er ist echt ein ungehobelter Mistkerl. Er mag fantastisch aussehen, aber abgesehen davon ist er wirklich ein Arsch. Er kommandiert mich nur herum, sagt weder guten Morgen noch bitte und danke – und trotzdem will ich ihn nicht teilen und Vicki übernimmt freiwillig eine absolut öde Arbeit.

Wie bescheuert sind wir Frauen eigentlich? Eigentlich genauso bescheuert wie die Männer, die Frauen nur auf ihre Titten und ihren Hintern gucken und denen es völlig egal ist, ob diese Frauen in der Lage sind, auch nur einen einzigen zusammenhängenden Satz zu bilden. Wobei Jack das schon ohne weiteres hinkriegt.

„Bringen Sie mir den Ordner in den Konferenzraum, falls Sie ihn heute noch finden“, knurrt er. „Vielleicht sollten Sie bei Gelegenheit die Ordner so sortieren, dass Sie sie auch wiederfinden. Oder eine Liste mit Standort anfertigen. Ich arbeite schnell und effizient, und das sollten Sie als meine Sekretärin auch tun.“

Der Zusatz „Sonst kann ich Sie hier nicht gebrauchen“ schwingt deutlich mit. Mir liegt augenblicklich ein schwerer Stein im Magen.

Er hat ja irgendwie recht. Mike zieht sich manchmal Ordner und packt sie nach Gebrauch irgendwohin, obwohl er das Alphabet durchaus beherrscht. Da er sich mit Vorliebe am Aktenschrank bedient, wenn ich nicht im Zimmer bin, kriege ich es gar nicht mit, dass er die Ordner falsch einsortiert, wenn er sie nicht mehr braucht. So ist es wohl auch mit diesem hier passiert. Wenn Jack ihn jetzt benötigt, muss es ein aktueller Ordner sein, also wird Mike ihn sicher in der letzten Zeit benutzt haben. Im Grunde müsste ich jeden Tag kontrollieren, ob die Ordner am richtigen Platz stehen. Aber bisher habe ich sie immer gefunden. Bisher! Nur heute natürlich nicht. Heute stehe ich wie belämmert vor dieser Wand. Zum Teufel mit Jack und seinen Anweisungen!

„Vielleicht ist er bei Mike im Zimmer“, springt Vicki hilfreich ein und läuft ins Büro nebenan.

„Glaube ich nicht“, rufe ich ihr nach. „Er stellt sie jedes Mal zurück in den Aktenschrank, wenn auch leider fast immer an die falsche Stelle.“

„Ich suche jedenfalls mal hier“, lässt Vicki mich wissen und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie viel mehr darauf erpicht ist, irgendetwas Persönliches in Mikes Büro, das ja nun Jacks Büro ist, zu finden.

Fieberhaft gleitet mein Blick über die Akten, während ich immer nervöser werde. Wie peinlich, dass Jack jetzt im Konferenzraum wie auf heißen Kohlen sitzt, während ich diese dämliche Akte nicht finde. Bestimmt braucht er sie dringend und alle warten händeringend darauf. Und ich bin schuld, dass die Verhandlung stockt.

Bei dieser Vorstellung wird mir ganz schlecht. Jack wird toben und mich noch mehr schikanieren als ohnehin schon. Am besten, ich kündige, bevor er es tut.

„Ohne die Akte kann ich nicht weiter an der Besprechung teilnehmen“, ertönt plötzlich seine Stimme und ich fahre herum. Drohend steht er im Türrahmen und sieht mal wieder umwerfend aus. Obwohl ich mich mittlerweile in totaler Panik befinde, komme ich nicht umhin, das festzustellen. Er ist einfach ein so schöner Mann! Aber leider sind die meisten schönen Männer nicht gerade freundlich, und da bildet Jack keine Ausnahme. Schöne Männer wissen, dass man ihnen vieles nachsieht, weil sie eben so fantastisch aussehen.

„Haben Sie denn gar kein Konzept?“, fährt er mich schroff an und seine irrsinnig schönen Augen funkeln.

„Ich meine, die Akten sind ja wohl nach irgendeinem System geordnet, oder etwa nicht? Alphabetisch, würde ich vorschlagen.“

„Sind sie ja auch“, stammele ich. „Aber Mike nimmt sich manchmal einen Ordner und sortiert ihn dann falsch ein.“

Jacks Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen.

„Dann sollte er das bleiben lassen. Warum gibt er die Akte nicht einfach an Sie weiter und Sie sortieren sie ein?“

„Weil er sich meistens dann die Akte nimmt, wenn ich gerade nicht im Zimmer bin“, erwidere ich schweißgebadet. „Ich weiß auch nicht, warum er das macht.“

Jack zieht spöttisch die Augenbrauen nach oben.

„Hat er Angst vor Ihnen? Sind Sie der Aktenwächter und rücken keine Akte freiwillig raus, oder was? Das habe ich ja noch nie gehört. Ich würde mir von Ihnen die Akte bringen lassen und sie wieder von Ihnen holen lassen. So einfach ist das, Miss Dorson.“

Er schüttelt missbilligend den Kopf. Ja, das glaube ich, dass er sich gern von mir bedienen lassen würde. Oje, jetzt bin ich es, die eindeutig zweideutige Gedanken hat, und das bei dieser angespannten Situation!

Er setzt sich mit der Pobacke auf meine Schreibtischkante.

„Entschuldigen Sie den harten Ausdruck, aber das hier ist ein Saustall. Sie haben überhaupt kein Konzept und keine Struktur. Kein Wunder, dass Mikes Zahlen so schlecht sind. Wenn ich den ganzen Tag damit beschäftigt wäre, irgendwelche Unterlagen zu suchen, käme ich auch nicht dazu, noch irgendeine Immobilie zu verkaufen.“

„Da ist der Ordner“, rufe ich begeistert und greife mit zitternden Fingern nach meinem Rettungsanker.

Jack the Ripper kräuselt die Stirn.

„Aber da steht ja was ganz anderes drauf“, stellt er pfiffig fest. „Doolittle Avenue. Was hat das mit Comfort Conference zu tun?“

„In dem Ordner sind zwei Projekte“, erkläre ich mit heißen Wangen. „Ich … äh … bin noch nicht dazu gekommen, das zweite Projekt mit draufzuschreiben.“

Das war es dann. Jacks Blicke töten mich gerade.

„Sie sind noch nicht dazu gekommen, zwei Wörter auf einen Ordnerrücken zu schreiben?“, fährt Jack mich an und springt von meinem Schreibtisch auf. Herrgott, hat der Mann einen knackigen Hintern.

„Soll ich Ihnen sagen, wie lange das dauert? Sagen wir, fünf Sekunden? Wie lange sind Sie jeden Tag hier? Acht Stunden? Und in acht Stunden haben Sie nicht mal fünf Sekunden Zeit, um einen Ordnerrücken zu beschriften?“

Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Er sieht so wütend aus und so … wahnsinnig anziehend. Gerade in seiner Wut wirkt er auf mich besonders attraktiv. Bin ich jetzt total plemplem?

„Ich … es war so viel los in letzter Zeit“, versuche ich mich zu rechtfertigen, obwohl er mir das sowieso nicht glaubt.

„Außerdem kritzelt man nicht nur zwei Wörter auf den Ordnerrücken. Die Schilder werden gedruckt, und wenn der Drucker streikt und dauernd das Papier zerfetzt, dauert das manchmal eine halbe Stunde.“

Ich kann Jacks Gedanken förmlich lesen, denn sie schreien mich geradezu an.

Wenn du zu blöd bist, um ein dämliches Aktenschild zu beschriften, dann bist du hier absolut fehl am Platz. Warum wirst du nicht Straßenkehrer?

„Sie sollten dringend dafür sorgen, dass Sie funktionstüchtige Geräte haben“, blafft er. „Das sind ja wohl die Basics. Und jetzt geben Sie mir endlich den verdammten Ordner. Ach ja, und bringen Sie mir einen Latte Macchiato ins Konferenzzimmer. Wenn Sie nicht wissen, wie man ihn zubereitet, gucken Sie im Internet nach. Ich will nicht nochmal so ein seltsames Gemisch wie gestern vorgesetzt bekommen. Alles klar?“

Er reißt mir den Ordner aus den Händen, schaut sich noch einmal missbilligend den Ordnerrücken an und verschwindet dann wutschnaubend.

„Gott, ist der Typ sexy.“ Schmachtend verdreht Vicki, deren Anwesenheit ich völlig vergessen habe, ihre Augen.

„Was für ein Body! Was für ein unglaublich schönes Gesicht! Dieser Mann sieht so sexy aus, dass es mir heiß und kalt den Rücken runterläuft.“

„Mir läuft es eher eiskalt den Rücken runter“, stöhne ich.

„Findest du nicht, dass er ein verdammter Sklaventreiber ist?“

Doch Vicki kann offenbar nichts beeindrucken.

„Ach, das ist bei dem Aussehen doch egal“, sagt sie doch glatt und lacht. „Okay, du hast recht, als Boss möchte ich ihn nicht unbedingt haben – außer, er treibt es mit mir auf dem Schreibtisch oder mitten zwischen den verstaubten Akten. Aber als heißer Lover ist er sicher unschlagbar. Hast du seine Muskeln gesehen? Ist dir aufgefallen, wie wahnsinnig gut durchtrainiert er ist? Übrigens: Wenn er so ein Workaholic ist, wann trainiert er da eigentlich?“

Vicki ist völlig aus dem Häuschen und sabbert richtig.

„Frage eins: Ja, natürlich habe ich seine Muskeln gesehen, ich bin ja nicht blind. Frage zwei: Mir ist durchaus aufgefallen, dass er wahnsinnig gut durchtrainiert ist. Das ist ja wohl auch nicht zu übersehen. Frage drei: Ich soll ihm ein elitäres Fitnessstudio aussuchen, das auch nachts geöffnet hat. Ich vermute mal, er arbeitet bis Mitternacht, trainiert dann drei Stunden und fährt von da aus sofort wieder ins Büro. Wann er allerdings schläft, ist mir ein Rätsel.“

„Du hast noch was vergessen“, kichert Vicki albern. „Zwischendurch legt er sicher noch die ein oder andere Frau flach. Was glaubst du, auf welchen Typ er steht? Eher auf dünne Frauen mit kleinen Brüsten oder auf mollige Frauen mit Kurven?“

Sie blickt besorgt an sich hinunter. Sie ist zierlich geraten und spart für eine Brustvergrößerung, weil sie ihren Busen zu klein findet. Ich habe ihr hundertmal versucht, das auszureden, weil ich finde, dass ihr derzeitiger Busen perfekt zu ihrer schmalen Figur passt, aber sie ist felsenfest entschlossen, den Eingriff durchführen zu lassen. Da sie jedoch von einem Kaufrausch in den nächsten fällt, dauert es sicher noch eine ganze Weile, bis sie sich diese Operation leisten kann. Bei den vielen Klamotten, die sie dauernd im Internet bestellt, tippe ich auf zwanzig bis dreißig Jahre, und dann macht es sowieso keinen Sinn mehr.

„Woher soll ich denn wissen, auf welchen Typ Frau er steht?“

Ich weiß selbst nicht, warum ich so barsch klinge. Wahrscheinlich, weil ich genau weiß, dass Frauen wie wir bei einem Mann wie ihm absolut keine Chance haben. Er sieht so fantastisch aus, dass sicher nur ein echtes Model für ihn infrage kommt, denn wie heißt es so schön: Gleiches zieht Gleiches an. Wer so attraktiv ist, ist nicht mit einem Schrubber liiert, das versteht sich von selbst. Außer, der Mann selbst ist der Schrubber und hat viel Kohle.

„Ob er eine Freundin hat? Oder ist er eher der Typ für unverbindliche Affären?“, sinniert Vicki weiter.

„Einen Ring trägt er jedenfalls nicht am Finger. Er wäre ja auch blöd, sich auf eine einzige festzulegen, wenn er jede Frau haben kann. Da will er sich garantiert nicht festlegen.“

„Mensch, Vicki, du bist echt schlimm.“ Ich muss grinsen.

„Er ist unser Vorgesetzter, nicht dein Toy Boy.“

„Ich fände es aber gut, wenn er genau das wäre“, schmollt Vicki. „Weißt du, wie lange ich schon keinen Sex mehr gehabt habe? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich weiß schon gar nicht mehr, wo bei einem Schwanz hinten und vorne ist.“

„Das wird dir bei passender Gelegenheit ganz bestimmt wieder einfallen“, bin ich zuversichtlich.

„Ob er einen großen hat?“, überlegt Vicki weiter und setzt ein angestrengtes Gesicht auf. „Bestimmt kann er verdammt gut damit umgehen. Sportliche Männer sind immer gut im Bett. Ich kann mir so richtig vorstellen, wie er einer Frau die Seele aus dem Leib fickt. Er kann bestimmt stundenlang. Oh mein Gott, ich darf mir das gar nicht vorstellen, sonst kann ich mich nicht mehr auf meinen Job konzentrieren.“

„Wieso, du hast doch im Moment sowieso nichts zu tun“, erinnere ich sie. „Und das Scannen erfordert nicht gerade viel Grips, das wirst du schon schaffen.“

„Stimmt.“ Vickis Gesicht klärt sich auf. „Dabei habe ich genug Muße, ihn mir in allen möglichen Situationen vorzustellen. Beziehungsweise stelle ich ihn mir immer in derselben Situation vor, nur mit verschiedenen Varianten.“

„Ich werde jetzt erst mal alle Ordner checken und prüfen, ob sie alphabetisch geordnet sind“, kehre ich in die Realität zurück. „Und du scannst den ganzen Mist ein, okay? – Oh, Gott, ich sollte ihm doch eine Latte machen, das habe ich jetzt ganz vergessen.“

Vickis Augen werden groß und rund. „Du sollst ihm eine Latte machen?“

„Einen Latte Macchiato“, kläre ich sie auf. „Weißt du zufällig, wie man das zubereitet?“

Kapitel 4 - Aileen

Als ich wenige Minuten später die Tür zum Konferenzraum öffne, wird mir ganz flau im Magen. Ich habe es schon immer gehasst, einen Raum zu betreten, in dem zwanzig Menschen sitzen, die von mir absolut keine Notiz nehmen. Ich fühle mich dann immer so unerwünscht und würde mich am liebsten verkriechen.

Klar, wer als Kind unerwünscht war – und wem das mit drastischen Worten jeden Tag gesagt wurde – der fühlt sich auch später generell unerwünscht. Es ist sozusagen mein Lebensgefühl.

Meine Augen wandern durch den Raum auf der Suche nach meinem neuen Chef. Natürlich sitzt er ausgerechnet ganz am anderen Ende des Raumes. Bestimmt hat er sich extra dorthin gesetzt, um mich zu ärgern. Ich traue ihm wirklich alles zu. Vorsichtig nähere ich mich ihm mit dem Tablett, auf dem der Kaffee steht. Jetzt bloß nicht stolpern und hinfallen! Einfach ganz ruhig auf ihn zugehen, das Glas vor ihm abstellen und demütig wieder verschwinden. Es ist ganz einfach, ich habe das schon hundertmal gemacht, und bisher ist noch nie etwas passiert.