Boss Romance - Sammelband 3 - Tina Keller - E-Book
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Tina Keller

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Beschreibung

HOT DATES WITH THE BOSS Seit zwei Jahren arbeitet Cathy für den erfolgreichen und attraktiven Anwalt Lukas, Inhaber einer der größten Kanzleien New Yorks. Stur versucht sie auszublenden, dass Lukas ein sehr anziehender Mann ist, weil sie Komplikationen befürchtet. Doch dann wird ihr ein erotisches Video von Lukas zugespielt, das ihr Leben völlig auf den Kopf stellt .... ___________________________________________________________________ PLAYMATE FOR THE BOSS Svenja hat den heißesten Boss, den man sich vorstellen kann. Das allein ist schon schwierig genug, doch es kommt noch schlimmer. Ihr Chef Adrian betraut sie mit einer skurrilen Aufgabe: Svenja soll ihm eine Frau für gewisse Stunden suchen! Svenja ist von dieser Aufgabe alles andere als begeistert, denn natürlich wäre SIE gern die Frau, die mit Adrian leidenschaftliche Stunden verbringt. Trotzdem vermittelt sie Adrian tapfer potentielle Bettgefährtinnen, doch die Dates laufen völlig anders als geplant. Adrian erlebt eine Überraschung nach der anderen, aber die größte Überraschung erlebt schließlich Svenja selbst. _________________________________________________________________ WHO'S THE BOSS? Ben ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, aber nicht gerade ein feinfühliger Vorgesetzter. Seine Sekretärin Dana treibt er mit seiner schroffen Art täglich zur Weißglut. Ein schwerer Unfall verändert alles. Ben leidet an einer Amnesie und kann sich nicht an die letzten drei Jahre erinnern – und auch nicht an die Frauen, die er in dieser Zeit getroffen hat. Durch einen Zufall glaubt er plötzlich, dass er ein Verhältnis mit Dana hatte. Und Dana denkt nicht mal im Traum daran, dieses Missverständnis aufzuklären – jetzt, wo sie die Chance hat, ihrem Boss endlich näher zu kommen ….

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Tina Keller

Hot Dates with the Boss

Kapitel 1 - Cathy

„Mir ist unbegreiflich, wie du bei Mr Sexbomb auch nur eine einzige Zeile fehlerfrei tippen kannst. Ich würde Schweißausbrüche und Herzflattern kriegen und sofort alles vergessen.“

Joanna, meine neue Kollegin aus der Buchhaltung, schüttelt den Kopf mit den langen, schwarzen Locken und beißt herzhaft in ihr Sandwich. Joanna arbeitet seit zwei Wochen für unsere Kanzlei und hat meinen Boss vor drei Tagen das erste Mal gesehen. Seitdem redet sie praktisch nur noch davon, wie sexy er ist und was für ein Glückspilz ich bin, weil ich für ihn arbeiten darf. Ich kenne diese Reaktion, denn das sagen so ziemlich alle Frauen, die ihn mal gesehen haben.

Und sie haben recht: Lukas ist der umwerfendste Mann, den man sich vorstellen kann. Er ist wahnsinnig attraktiv, leitet eine der größten Anwaltskanzleien New Yorks und hat eine Ausstrahlung, die jeden in seinen Bann zieht. Wenn er sich in einem Raum befindet, sind alle anderen praktisch unsichtbar. Er ist der absolute Hingucker mit seinen dunklen Haaren und den meeresblauen Augen, in denen man sich echt verlieren kann. Und dann dieser Body … also, da kann jedes Model einpacken. Ich weiß gar nicht, wie er das macht bzw. wann er eigentlich trainiert, denn er wohnt praktisch im Büro. Nachts vielleicht?

Es ist Himmel und Hölle zugleich, für ihn zu arbeiten. Einerseits schwebt man bei seinem Anblick natürlich in höheren Sphären, andererseits kann man sich tatsächlich weitaus weniger konzentrieren, als wenn er nicht so ein schöner Mann wäre.

„Das ist jahrelange Übung“, erwidere ich. „Am Anfang ist mir das auch echt schwergefallen.“

Und das ist noch stark untertrieben. Nach der ersten Woche war ich so fertig, dass ich kündigen wollte, weil ich fest davon überzeugt war, dass mein Gehirn in Lukas‘ Nähe durchschmoren würde. Wenn er mich aus diesen strahlend blauen Augen anlächelte, habe ich alles um mich herum vergessen und erst recht, was er eigentlich von mir wollte. Es war wirklich schlimm mit mir, aber ich glaube, er hatte dafür Verständnis, weil er das einfach nicht anders kennt. Und irgendwann wurde es dann auch besser. Tja, und jetzt habe ich sozusagen alles im Griff. Eine gute Sekretärin ist nur dann eine gute Sekretärin, wenn sie in ihrem Boss wirklich nur den Boss sieht, sonst wird es kompliziert. Das ist jedenfalls mein Credo. Und damit fahre ich ganz gut.

Es ist ein strahlend schöner Tag Anfang Mai, und Joanna und ich verbringen unsere Mittagspause im Central Park. Das tue ich oft, denn Brighton Cooper Stone, die Kanzlei mit mehr als 300 Anwälten und 70 anderen Angestellten, für die wir beide arbeiten, ist nur fünf Minuten weit entfernt.

„Aber dann hast du es offensichtlich hingekriegt.“ Bewundernd schaut Joanna mich an. „Sonst wärst du ja gar nicht mehr hier. Aber es war schon eine gewaltige Umstellung, oder?“

„Naja, einfacher war es tatsächlich, für seinen Vater zu arbeiten“, entgegne ich und tauche mein Salatblatt in das köstliche Dressing.

John Brighton war 70, als er vor zwei Jahren beschloss, sein Leben lieber auf Kreuzfahrten und an karibischen Stränden zu verbringen, als weiterhin in einem Büro in Manhattan zu hocken. Wir waren alle überrascht, denn die Kanzlei, die er vor mehr als 40 Jahren gegründet und zu einer der größten des Landes aufgebaut hatte, schien sein Lebensinhalt zu sein. John war morgens der erste und abends der letzte im Büro, und niemand hat geglaubt, dass er der Firma tatsächlich so ganz den Rücken kehren würde. Aber er hat es wirklich getan, zog nach San Diego und wurde seitdem nicht mehr gesichtet. Manchmal erhalten wir bunte Postkarten mit malerischen Stränden, türkisfarbenem Wasser und fröhlichen Sprüchen. John scheint sein altes Leben nicht sonderlich zu vermissen. Er genießt seinen Ruhestand in vollen Zügen, und wir gönnen es ihm alle. Er hat in seinem Leben wahrlich genug gearbeitet.

Dass sein Sohn Lukas seine Nachfolge antreten würde, hat uns damals mehr als überrascht, denn davon war vorher nie die Rede. Wir hatten Lukas jedenfalls noch nie zu Gesicht bekommen und wussten gar nicht, dass er auch Rechtsanwalt ist.

Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als plötzlich ein großer, irre gut gebauter Mann im Türrahmen stand und mich anstrahlte. Ich war sofort hin und weg von seinen blauen Augen, die wie ein Blitz in meine Seele und mein Herz einschlugen. Alles andere nahm ich erst viel später wahr: die breiten Schultern, den gut ausgebildeten Brustkorb, das Sixpack, das sich deutlich unter seinem dünnen, weißen Hemd abzeichnete, den Knackarsch, das markante Gesicht mit den sinnlichen Lippen.

Alles, was ich dachte, war: ‚Das ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe. Der sexieste, atemberaubendste, verführerischste Mann, dem ich je begegnet bin. Was zum Teufel will der hier? Hat er sich in der Adresse geirrt? Ist er Model und will zu der Casting Agentur im Gebäude nebenan?‘

Als er sich als Lukas Brighton vorstellte, war mir klar, woher ich diese wahnsinnig schönen Augen kannte: Sein Vater John hat die gleichen. Auch er muss in jungen Jahren ein atemberaubend schöner Mann gewesen sein, und auch in seinen Sechzigern war er noch richtig attraktiv. Seine Frau hat lange Zeit als Fotomodell gearbeitet und war 1976 Miss Texas. Da war das gute Aussehen für den Sprössling natürlich vorprogrammiert.

Eine Woche später ließ John uns wissen, dass Lukas seine Nachfolge antreten würde. Wir waren alle baff. Im ersten Moment kapierte ich gar nicht, was das für mich bedeutete. Und als ich es verstand, schlug mein Herz Purzelbäume: Ich würde für diesen faszinierenden Mann arbeiten! Ich würde ihn jeden Tag sehen, jeden Tag mit ihm sprechen, jeden Tag in seiner Nähe sein! Ich war völlig geflashed.

Doch bald kamen die Ernüchterung und die Zweifel. Würde ich in seiner Nähe überhaupt fähig sein, vernünftig zu arbeiten? Oder würde mir der Duft seines After Shaves die Sinne vernebeln und mich sein Anblick völlig aus der Fassung bringen?

In den ersten Tagen war es schlimm, das muss ich zugeben. Sobald ich Lukas sah, bekam ich tatsächlich Herzklopfen und Schweißausbrüche – so, wie Joanna es sich vorstellt. Gab er mir eine Aufgabe, verstand ich sie meistens gar nicht, weil ich so sehr damit beschäftigt war, ihn anzustarren. Mein Gehirn arbeitete deutlich langsamer als üblicherweise. Manchmal kam es mir so vor, als sei ich mit meinen 28 Jahren völlig dement. Es war mir ungeheuer peinlich.

John hatte mich oft gelobt und behauptet, ich sei die beste Sekretärin gewesen, die er in 40 Jahren gehabt hätte. Tatsächlich war ich sehr ehrgeizig, was meinen Job betraf; ich wollte ihn so gut wie möglich erledigen. Ich arbeitete schnell, konzentriert, punktgenau und vor allem gern. Es war mein Ehrgeiz, dass alles perfekt organisiert war, ich meinem Chef den Rücken freihielt und er sich hundertprozentig auf mich verlassen konnte. Für John war ich in den fünf Jahren, die ich für ihn gearbeitet hatte, bald unentbehrlich geworden. Die schlimmsten Tage des Jahres waren für ihn die, wenn ich im Urlaub war und eine Vertretung für mich organisiert werden musste, die mir angeblich nicht das Wasser reichen konnte. John hielt sehr große Stücke auf mich, und das war ein tolles Gefühl. Für ihn war ich unverzichtbar, und ich mochte ihn sehr. Er war immer nett und freundlich zu mir und ein bisschen so etwas wie ein Vater-Ersatz für mich.

Ich war mir sicher, dass John seinem Sohn von mir vorgeschwärmt hatte. In den ersten Tagen konnte Lukas die Lobhudeleien ganz sicher nicht nachvollziehen, denn ich machte Fehler, die ich in fünf Jahren nicht gemacht hatte. Ich schredderte wichtige Unterlagen, verschickte vertrauliche Emails an die falschen Empfänger, stolperte über einen Putzeimer und verwechselte Zucker mit Salz, so dass die Konferenzteilnehmer entsetzt in ihren Kaffee spuckten.

Lukas verzog bei all dem keine Miene und ich fragte mich, ob er ahnte, dass sein Anblick mich total durcheinanderbrachte. Schließlich wusste er, wie er auf Frauen wirkte. Warum sollte ich da eine Ausnahme sein? Selbst die Sekretärinnen jenseits der 50 hübschten sich plötzlich auf, und seine Geschäftspartnerinnen besprachen alles nur noch persönlich mit ihm, anstatt telefonisch, so wie mit seinem Vater. Alle Frauen sind einfach verrückt nach ihm. Es gibt solche Männer. Man sieht sie, und man verfällt ihnen. Doch im Grunde hat man keine Chance, denn so ein Mann wählt natürlich eine entsprechende Frau. Aber die hat Lukas offenbar noch nicht gefunden, so dass sich fast alle Frauen in der Firma Hoffnungen machen, dass sie eines Tages die Auserwählte sein werden.

„Mein Puls wäre nonstop auf 300.“ Joanna verdreht die Augen. „Ich glaube, ich würde das nervlich keine zwei Tage durchhalten.“

„Tja, das hat schon eine Weile gedauert, bis ich mich so richtig auf meinen Job konzentrieren konnte“, muss ich zugeben.

Aber irgendwann hat meine Professionalität gesiegt. Ich wollte einfach wieder einen guten Job machen und die First Class Assistentin sein, die ich immer war. Das war mein Ehrgeiz. Ich wollte nicht länger eine sabbernde, unqualifizierte Tippse sein, die ihren Chef anhimmelte und zu nichts mehr fähig war. Aber ich musste mich echt zusammenreißen, um dieses Ziel zu erreichen. Und auch heute fällt es mir in bestimmten Situationen immer noch schwer, wenn es sich auch merklich gebessert hat. Ich habe mich tatsächlich im Griff. Lukas ist mein Boss, das halte ich mir immer wieder vor Augen. Ich bin dazu da, um für ihn zu arbeiten, dafür bekomme ich mein Geld. Er braucht mich als Assistentin, die ihn entlastet und ihm den Rücken freihält, nicht als kicherndes Girlie, das bis über beide Ohren in ihn verknallt ist.

Meistens funktioniert es.

„Wie machst du das, wenn er so dicht neben dir steht?“ Joanna seufzt sehnsuchtsvoll.

„Wenn er sich zu dir beugt, wenn du ihn riechst, wenn du seine samtene Stimme hörst … Oh Gott, bei mir kribbelt es jetzt schon zwischen den Beinen, wenn ich nur daran denke.“

„Ich sage mir eben immer wieder, dass er mein Boss ist, der von mir eine gewisse Leistung verlangt“, gebe ich bekannt.

„Und der mir ohne weiteres kündigen kann, wenn ich diese Leistung nicht erbringe. Ich möchte meinen Job nicht verlieren, deshalb reiße ich mich zusammen.“

„Alle Achtung“, lobt Joanna mich. „Du klingst sehr vernünftig. Ich könnte das trotzdem nicht. Wenn dieser geile Typ neben mir stehen würde, würde ich glatt vergessen, dass er mein Boss ist.“

„Das würde dir spätestens dann wieder einfallen, wenn du die erste Abmahnung von diesem ‚geilen Typen‘ kassiert hast“, hole ich sie auf den Boden der Tatsachen zurück.

Wobei Joanna schon irgendwie recht hat. Wenn Lukas an seinem Schreibtisch sitzt, die Ärmel seines weißen Hemdes hochgekrempelt hat, in irgendwelche Akten vertieft ist und hochkonzentriert aussieht, ist er einfach unwiderstehlich. Dann würde ich auch gern ganz andere Dinge mit ihm tun, als ihm einen Kaffee zu bringen oder die nächste Akte zu reichen. Aber ich verbiete mir diese Gedanken, denn sie sind unangemessen. Er ist mein Vorgesetzter und damit tabu. Ich würde nie auf die Idee kommen, ihn irgendwie anzumachen. Das gehört sich einfach nicht.

Joanna findet mich in dieser Hinsicht total spießig. Sie behauptet, sie hätte sich schon längst quer über seinen Schreibtisch gelegt, und zwar nackt. Na, das mache ich ganz bestimmt nicht. Ich will schließlich meinen sehr gut bezahlten und äußerst angenehmen Job nicht riskieren.

„Du bist einfach viel zu brav“, findet Joanna und stupst mich lachend an. „Andere in deiner Situation wären schon längst unter seinen Schreibtisch gekrochen, hätten seine Hose geöffnet und ihm einen Blow Job verpasst. Glaubst du wirklich, er hätte was dagegen? So eine kleine Entspannung zwischendurch tut doch ganz gut.“

„Ich glaube, du hast völlig falsche Vorstellungen davon, was zwischen einem Chef und seiner Sekretärin abgeht.“ Ich schüttele pikiert den Kopf.

„Man arbeitet zusammen. Das ist doch nur ein Klischee, dass der Chef es mit seiner Sekretärin treibt. In tausend Fällen kommt das vielleicht ein einziges Mal vor.“

„Na, irgendwoher muss dieses Klischee aber kommen“, findet Joanna. „Jedenfalls wüsste ich, was ich täte, wenn ich an deiner Stelle wäre. Ich würde es zumindest mal probieren. Niemand ist so dicht an ihm dran wie du.“

„Nein“, sage ich fest. „Niemals. Ich werde meinen Job ganz bestimmt nicht riskieren. Das wäre es nicht wert. Womöglich würde Lukas mich wegen sexueller Belästigung verklagen.“

„Ganz sicher nicht“, grinst Joanna. „Vielleicht wartet er nur darauf und traut sich selber nicht.“

Na, das glaube ich nun nicht. So ein schöner Mann ist ganz sicher nicht auf mich angewiesen. Der hat ganz andere Angebote. Er müsste sich auf eine Straßenkreuzung stellen und wäre nach fünf Minuten von einer Traube williger Frauen umringt. Und die Hälfte davon würde sich wahrscheinlich splitternackt ausziehen. Die schönste würde er sich dann aussuchen. Und die bin ich ganz sicher nicht.

Als ich nach meiner Mittagspause ins Büro zurückkehre, sitzt Lukas stirnrunzelnd an seinem Schreibtisch. Er sieht mal wieder anbetungswürdig aus und ist so vertieft in seine Unterlagen, dass er zusammenzuckt, als er mich bemerkt.

„Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Ich stelle die Papiertasche von seinem Lieblings-Inder auf den Besuchertisch.

Lukas schüttelt den Kopf. „Das hast du nicht, keine Sorge.“

Dann sieht er die Tüte und strahlt.

„Woher hast du gewusst, dass ich kurz vorm Verhungern bin? Danke für das Essen, du bist ein Schatz.“

Er zwinkert mir zu und ich merke, dass mein Herz auf einmal sehr viel schneller klopft. Egal, wie professionell ich normalerweise bin oder was ich Joanna gesagt habe: Wenn Lukas mir mit seinen leuchtenden Augen zuzwinkert und mich „Schatz“ nennt, geht das auch an mir nicht spurlos vorbei. Innerlich seufze ich auf. Wie kann ein Mann nur so schön und so verführerisch sein! Und dann auch noch so klug. Alles zusammen trifft man nicht oft in einer einzigen Person an.

„Sag mal, Cathy …“ Lukas packt die Tüte aus und strahlt noch mehr, als er feststellt, dass ich ihm sein Lieblingsmenü mitgebracht habe. Tja, ich bin eben eine umsichtige, aufmerksame Sekretärin.

„Ich habe ein paar Probleme mit dem Ordner von Baker Inc. Da ist alles total durcheinander. Ich muss ewig suchen, bis ich was finde. Das bin ich eigentlich gar nicht gewohnt. Sonst ist doch immer alles perfekt sortiert.“

Er blickt mich fragend an, ohne jeden Vorwurf in der Stimme. Ich spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt. Mist, jetzt werde ich rot wie ein Schulmädchen, und das mit 30. Ich erinnere mich daran, dass ich diesen Ordner angelegt habe, als Lukas gerade mal zwei Tage hier war. Ich war dermaßen durch den Wind, dass ich offenbar alles falsch abgeheftet habe. Das hätte ich natürlich längst korrigieren sollen. Aber in der ersten Zeit war so viel los, dass ich nicht dazu gekommen bin, und dann habe ich es total vergessen.

„Ich bringe das in Ordnung“, verspreche ich ihm. „Wenn du von deinem Meeting zurück bist, ist alles an seinem richtigen Platz abgeheftet.“

Lukas nickt und verkneift sich zum Glück die Frage, warum die Unterlagen so entsetzlich durcheinander sind.

„Danke“, erwidert er und lächelt. Dann beginnt er zu essen. Sogar die Art, wie er isst, ist sexy – langsam, genussvoll, irgendwie sinnlich.

Heißt es nicht, dass jemand so isst, wie er auch im Bett ist? Oder war das Tanzen? Verwechsele ich da etwas?

Egal, was es war, ich sollte solche Gedanken nicht haben. Ich bin ganz klar chronisch untervögelt.

Ich schnappe mir den Ordner, wünsche Lukas guten Appetit und setze mich an meinen Schreibtisch.

Oh mein Gott, ich muss aber wirklich sehr neben der Spur gewesen sein. Alles ist kreuz und quer ohne jeden Sinn und Verstand abgeheftet, und eine Übersicht gibt es gar nicht. Wirklich sehr peinlich.

Ich lege alle Unterlagen auf den Schreibtisch, sortiere und ordne sie, fertige ein Inhaltsverzeichnis an, drucke es aus und hefte die Unterlagen fein säuberlich ab. Das Telefon klingelt wie üblich alle paar Minuten und ich vertröste die Anrufer, denn Lukas ist inzwischen in einem Meeting und ich darf ihn nicht stören.

„Brighton Cooper Stone, Cathy Simmons, was kann ich für Sie tun?“, melde ich mich zum gefühlten fünfhundertsten Mal an diesem Tag.

Eine Weile bleibt es still in der Leitung.

„Hallo?“, frage ich nach. „Wer ist denn da, bitte?“

„Hi, Cathy“, erklingt eine rauchige Stimme, von der ich nicht sagen könnte, ob sie einem Mann oder einer Frau gehört.

„Bin ich da im Vorzimmer von Lukas Brighton?“

„Ja, das sind Sie“, erwidere ich. „Lukas ist allerdings gerade in einer Besprechung. Kann ich ihm etwas ausrichten?“

„Nein, das ist nicht nötig. Ich möchte dir gern etwas ausrichten.“ Die Stimme atmet schwerer.

„Weißt du eigentlich, was dein Chef nach Feierabend treibt?“

Ich zucke zusammen. Das ist offenbar ein Geisteskranker oder jemand, der sich einen Scherz erlaubt.

„Nein, und es interessiert mich auch nicht“, erwidere ich.

„Wenn Sie keine Nachricht für Lukas hinterlassen möchten, werde ich jetzt auflegen.“

„Natürlich interessiert es dich.“ Der Anrufer lacht.

„Alles andere ist eine Lüge. Selbstverständlich willst du wissen, was dein Chef treibt, wenn er seinen schicken Anzug ablegt. Und es interessiert dich brennend, wie er darunter aussieht.“

„Auf Wiederhören“, sage ich und lege meinen Finger auf die Taste, die die Verbindung trennt.

„Lukas geht heute um Mitternacht ins Hot Fire, wie jeden Freitag. Weißt du, was das Hot Fire ist? Das ist ein sehr spezieller Club, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Es ist mir egal, wohin Lukas heute oder sonstwann geht“, sage ich sehr bestimmt. „Was Lukas privat unternimmt, geht mich nichts an.“

„Das mag ja sein, aber es interessiert dich trotzdem“, gurrt die Stimme unbeirrt weiter.

„Nein, tut es nicht.“ Damit lege ich endlich auf. Ich habe mir diesen Schwachsinn schon viel zu lange angehört. Es gibt so viele Irre auf der Welt.

Ich bringe den Ordner weiterhin auf Vordermann und vergesse den Anruf wieder. Naja, fast.

Nach einer Weile kommt Lukas vom Meeting zurück, stolziert in mein Büro, greift nach einer Mappe und blättert sie gedankenverloren durch. Das Telefon klingelt erneut, und ich hebe ab.

„Willst du wissen, was dein Boss im Hot Fire macht?“

Wieder ist es dieselbe heisere, rauchige Stimme. Ich platziere meinen Finger über der Trennungstaste, aber ich drücke sie nicht. Ich presse den Hörer an mein Ohr und mein Herz klopft mir bis zum Hals. Warum lege ich nicht auf, verdammt noch mal?

„Lukas fickt sich die Seele aus dem Leib.“

Die Stimme ist jetzt noch heiserer.

„Er fickt schnell und hart. Sehr schnell und sehr hart. Die Frauen sind verrückt nach ihm. Kannst du dir das vorstellen, wenn du ihn jetzt ansiehst? Kannst du ihn dir ohne seinen Anzug vorstellen? Nackt, mit hartem Schwanz?“

Meine Kehle wird trocken. Was soll das? Was will der perverse Anrufer damit bezwecken?

Ich starre Lukas an. Nein, ich will mir das nicht vorstellen. Das ist absolut tabu.

„Schau ihn an“, sagt die Stimme jetzt schmeichelnd.

„Ist er nicht ein schöner Mann? Du kannst mir nicht erzählen, dass du dir nicht schon mal vorgestellt hast, ihn zu reiten. Du bist eine sehr attraktive Frau, und er ist ein umwerfender Mann. Da kommen diese Gedanken ganz automatisch.“

Lukas‘ Armmuskeln spannen sich an, als er einen dicken Ordner aus dem Regal nimmt. Er hat kein Gramm Fett am Körper und ist durchtrainiert, ohne aufgepumpt zu sein. Kraftvoll, stark, männlich. Ja, natürlich kann so ein sportlicher Mann stundenlang … nein, das habe ich jetzt nicht gedacht!

„Kannst du dir vorstellen, wie er dabei aussieht?“, fährt die Stimme fort, und ich kann es nicht verhindern, dass plötzlich Ameisen zwischen meinen Beinen herumlaufen.

„Wie sein Rücken vor lauter Anstrengung schweißnass glänzt? Wie sein Gesicht vor Lust verzerrt ist? Wie seine Backen sich bei jedem Stoß zusammenkneifen? Wie er stöhnt? Wie er völlig außer sich ist? Wie er komplett abhebt und in einer ganz anderen Dimension ist?“

Ich will dem Anrufer sagen, dass er seinen perversen Mund halten soll, aber ich bringe keinen Ton heraus. Wie hypnotisiert umklammere ich den Hörer und schlucke und schlucke. Wie gut, dass Lukas so vertieft in seine Unterlagen ist und gar nicht mitkriegt, was hier passiert. Ich schließe die Augen.

„Wie er seinen Schwanz tief hineinstößt? Immer und immer wieder, bis die Frau nur noch wimmert? Kannst du dir deinen Boss, den du nur in Anzug und Krawatte kennst, vorstellen wie ein wildes, hungriges Tier? Und wie er dann explodiert und es heiß aus ihm herausschießt?“

Die Ameisen laufen inzwischen über meinen ganzen Körper, und mein Gesicht ist garantiert tomatenrot. Warum schaffe ich es nicht, das Gespräch zu trennen? Warum höre ich mir diesen Mist an?

„Du würdest ihn mal von einer ganz anderen Seite kennenlernen.“ Die Stimme lacht. „Es wäre sicher sehr prickelnd. Komm heute um Mitternacht, da erlebst du ihn in action. Wäre das nicht ein geiler Anblick? Das würdest du nie vergessen.“

Endlich drücke ich mit zitternden Fingern auf die Taste. Viel zu spät. Wie konnte ich mir das nur so lange anhören! Ich schäme mich und fühle mich, als hätte ich Lukas verraten.

Lukas blickt von seiner Mappe auf und runzelt die Stirn.

„Alles okay, Cathy? Du siehst aus, als würdest du jeden Moment einen Herzinfarkt kriegen.“ Er wirkt richtig besorgt.

„Alles in Ordnung.“ Ich suche nach Worten. „Das war ein … äh … etwas merkwürdiger Anrufer. Irgendein Spinner.“

Ich wage kaum, Lukas anzusehen, so peinlich ist mir das alles.

Lukas grinst. „Na, davon gibt es hier in New York ja massig. Hat er irgendwas Obszönes gesagt?“

Mir wird noch heißer.

Ja, er hat gesagt, dass du außer Rand und Band bist, wenn du fickst. Hart und schnell. Und dass ich mir das mal ansehen soll.

Oh Mann, ich kriege gleich wirklich einen Herzinfarkt. Warum bringt mich so ein bescheuerter Anrufer dermaßen aus der Bahn? Kurz überlege ich, ob ich Lukas fragen soll, ob er das Hot Fire kennt. Doch dann entscheide ich mich dagegen, denn was soll das bringen? Kennt er es nicht, kann er nichts dazu sagen. Kennt er es, will er nichts dazu sagen. Denn wenn der Anrufer womöglich die Wahrheit gesagt hat, schämt sich mein Chef in Grund und Boden. Und ich mich gleich mit. Das möchte ich uns wirklich ersparen.

„Also ja“, erkennt Lukas an meiner feuerroten Birne. „Nimm dir das nicht so zu Herzen, Cathy. Diese Vollidioten brauchen einfach irgendein Ventil.“

Ich frage mich gerade, woher dieser Irre eigentlich meine Durchwahl hatte, denn er wurde nicht von der Zentrale zu mir durchgestellt.

Er fickt schnell und hart. Sehr schnell und sehr hart. Die Frauen sind verrückt nach ihm.

Die Worte hallen in meinem Ohr nach. Nein. Ich will mir das nicht bildlich vorstellen. Es geht mich überhaupt nichts an, wen Lucas wann und wo und wie …

Ich stehe auf und gehe in die Küche. Dabei merke ich, dass meine Knie zittern. Völlig verrückt. Ein Irrer ruft mich an und erzählt irgendwelchen Mist, und ich bin völlig aufgelöst.

Warum hat er mich angerufen? Was bezweckt er damit? Will er Lukas schaden? Weshalb? Soll ich Lukas von dem Anruf erzählen? Aber was soll das bringen? Es war ein Wahnsinniger, nichts weiter. Davon gibt es Tausende, und viele davon in einer Stadt wie New York. Ich sollte den Anruf einfach vergessen und nicht weiter darüber nachdenken. Er hat absolut keine Bedeutung.

Kapitel 2 - Cathy

Am Samstag tobe ich mich mit meinen Freundinnen Julie und Dee in einem Club aus, in dem wir allen Stress einfach wegtanzen. Das machen wir oft, und es tut uns irre gut.

Julie ist schon lange mit Tom zusammen, aber der ist eher ein Stubenhocker und hält so gar nichts von Discos. Eigentlich sind wir alle überrascht, dass Julies und Toms Beziehung schon seit fünf Jahren hält, denn sie sind total verschieden, aber jeder lässt dem anderen seinen Freiraum. Julie sagt ja auch nichts, wenn Tom stundenlang gegen seinen Computer Schach spielt.

Dee ist vor einem halben Jahr völlig überraschend von ihrem Freund verlassen worden, weil der sich spontan in eine zwanzig Jahre ältere Frau verschossen hat. Naja, er hat sich wohl eher in ihr Geld verschossen, denn er geht plötzlich nicht mehr arbeiten und fährt einen teuren Wagen, den er sich selbst niemals leisten könnte.

Dee war am Boden zerstört, und wir mussten ihr klarmachen, dass sie um so einen miesen Charakter wirklich nicht trauern muss, was sie aber natürlich trotzdem tut. Immerhin war sie drei Jahre mit diesem Arsch zusammen.

Meine letzte Beziehung liegt gute anderthalb Jahre zurück. Er hieß Nathan und war ein lieber Kerl, aber irgendwann wurde uns beiden klar, dass wir Freundschaft mit Liebe verwechselt hatten. Das zeigte sich vor allem daran, dass sexuell zwischen uns von Anfang an nicht besonders viel lief. Wir dachten wohl beide, dass sich das noch entwickeln würde, was es dann auch tat, nur leider in die falsche Richtung. Am Ende hatten wir schon drei Monate lang gar nicht mehr miteinander geschlafen – und was das Schlimmste war: Wir vermissten es nicht mal.

Also trennten wir uns und sind nun das, was wir im Grunde schon immer waren: gute Freunde. Es gab keinen großartigen Trennungsschmerz, denn wir haben uns nicht verloren und sehen uns regelmäßig. Wir sind nur eben kein Paar mehr.

Als ich nach einer Weile etwas außer Puste ein paar Schritte vor die Tür gehe, um mich abzukühlen, klingelt mein Handy. Es wird keine Nummer angezeigt, und als ich den Anruf annehmen will, meldet sich niemand. Dafür stelle ich fest, dass ich eine Nachricht erhalten habe. Der Absender sagt mir nichts.

Es scheint ein Video zu sein. Unschlüssig starre ich darauf. Ein Video von einer unbekannten Nummer? Was soll das sein? Sollte ich es nicht lieber ungesehen löschen?

Doch natürlich siegt meine Neugierde, und ich klicke das Video an.

Und dann erstarre ich. Es ist total surreal.

Ich sehe eine Frau mit langen, blonden Haaren auf allen Vieren. Hinter ihr kniet ein muskulöser Mann, der ihre Pobacken umfasst und sie kräftig stößt. Hart und schnell. Man kann deutlich sehen, wie sehr die Frau jeden einzelnen Stoß genießt.

Der Mann ist Lukas, das kann ich selbst auf diesem kleinen Display erkennen. Lukas, der eine Frau fickt, die sich ihm begierig entgegenstreckt.

Lukas, mein Boss.

Das Video verschwimmt vor meinen Augen. Ich darf das nicht sehen. Ich will das nicht sehen. Jeder hat Sex, auch mein Chef. Aber ich will ihm dabei nicht zugucken.

Ich stoppe das Video und entdecke eine neue Nachricht.

Na, gefällt es dir, deinen Boss so zu sehen? Du kannst das live haben, jeden Freitag. Schau ihm zu. Er wird es genießen. Er mag es, wenn man ihm dabei zusieht.

Ich sollte das Video löschen. Natürlich sollte ich das. Es geht mich überhaupt nichts an, mit wem mein Chef es treibt. Das ist seine Privatsache.

Ich schlucke. Ich kann es nicht. Ich kann dieses im wahrsten Sinne des Wortes verfickte Video nicht löschen. Schlimmer noch: Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich es mir nochmal ansehen will. Und zwar in groß.

Mein Herz hämmert hart gegen meine Brust.

Es ist, als würde dieses Video mit aller Gewalt das nach oben spülen, was ich immer zu verdrängen versuche: nämlich, dass Lukas nicht nur mein Chef ist, sondern auch ein verdammt attraktiver und erotischer Mann. Ich will mir ja nicht mal eingestehen, dass ich ihn heiß finde. Sobald auch nur der Hauch eines Gedankens auftaucht, der in diese Richtung geht, schiebe ich dem einen Riegel vor, indem ich mir wie ein Mantra vorbete, dass er mein Boss ist. Das hat bisher auch mehr oder weniger gut funktioniert.

Aber auf dem Video ist er nicht mehr mein Chef. Da ist er einfach nur ein unglaublich verführerischer Kerl, der gnadenlos geil ist und eine ebenso geile Frau vögelt.

Wer hat dieses Video gemacht? Und warum hat derjenige es mir geschickt? Woher hat er überhaupt meine Handynummer? Was will er damit erreichen?

Ich bin so durcheinander, dass ich stolpere und fast hinfalle. Irgendjemand fängt mich im letzten Moment auf und ich registriere wie durch einen Nebel, dass es ein ziemlich attraktiver Mann ist. Aber ich habe jetzt keinen Blick für einen Mann. Ich meine, für einen anderen Mann.

Wie gerne würde ich Julie und Dee von dem Video erzählen, aber das käme mir wie ein Verrat gegenüber Lukas vor. Das Video ist garantiert nicht mit seinem Einverständnis gefilmt worden und er fände es sicher alles andere als lustig, wenn sich seine Sekretärin samt ihren Freundinnen daran ergötzen würden.

In meinem Kopf summt es wie in einem Bienenhaus.

Lukas vögelt also jeden Freitag in einem Sexclub irgendwelche Frauen, die er sicher nicht mal mit Namen kennt.

Schockt mich das? Habe ich ihm das nicht zugetraut? Er hat doch gar keine Zeit für eine Beziehung, und Sex braucht er trotzdem. Warum sollte er da nicht in einen Club gehen?

Oh mein Gott, wie er ausgesehen hat … Seine Brust glänzte vor Schweiß, seine Bewegungen waren so unglaublich kraftvoll, sein Gesicht vor Lust verzerrt. Scheiße, wie soll ich diese Bilder jemals wieder aus meinem Kopf kriegen? Und wie soll ich ihm übermorgen bloß in die Augen sehen können, ohne dass ich vor Scham im Boden versinke?

„Was ist denn mit dir passiert?“

Wie aus dem Boden gewachsen stehen meine beiden Freundinnen plötzlich vor mir.

„Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“

Ich lächele schwach.

„So ungefähr könnte man das nennen.“

Ich höre die wummernden Bässe, die sich mit den heftigen Schlägen meines Herzens vermischen. Diese Bilder werde ich nie wieder aus meinem Kopf kriegen. Und besonders deutlich werde ich sie vor mir sehen, wenn ich Lukas übermorgen im Büro begegne.

„Was ist los?“ Dee legt ihren Arm um mich und blickt mich besorgt an.

„Ist dir nicht gut? Hängt es mit dem Typen zusammen, der dich gerade aufgefangen hat?“

„Nein.“

Ich schüttele den Kopf. Ich will Lukas nicht verraten, aber ich platze, wenn ich dieses schräge Ereignis nicht mit jemandem teilen kann.

Ich hole tief Luft.

„Ich hatte gestern im Büro einen total merkwürdigen Anruf. Jemand hat mich gefragt, ob ich weiß, was Lukas in seiner Freizeit so treibt.“

„Vor allem, mit wem er es treibt.“ Julie fängt an zu kichern. „Das würde mich auch mal brennend interessieren.“

„Und dann?“, forscht Dee ungeduldig weiter. „Was hat er noch gesagt? Das war doch nicht alles, oder?“

„Nein.“

Ich hole tief Luft. Dee und Julie hängen gebannt an meinen Lippen und vergessen vorübergehend zu atmen. Ich habe sie mal mit zu einer Firmenfeier genommen, wo sie Lukas live gesehen haben, und natürlich sind sie voll auf ihn abgefahren.

„Er hat gesagt, Lukas würde jeden Freitag in einen Club namens Hot Fire gehen und es da mit irgendwelchen Frauen treiben.“

Ich schlucke.

„Und jetzt wurde mir gerade ein Video zugeschickt, auf dem genau das zu sehen ist.“

„Du hast ein Video von deinem Boss beim Sex?“ Dees Stimme überschlägt sich fast.

„Auf deinem Handy? Oh mein Gott!“ Sie fängt an, unnatürlich zu quietschen. „Du musst es uns sofort zeigen!“

„Nein, das kann ich nicht.“ Wieder schüttele ich den Kopf.

„Ich kann Lukas doch nicht dermaßen blamieren.“

„Wieso blamieren?“ Julies Wangen haben sich rot gefärbt.

„Ich glaube kaum, dass er sich beim Sex blamiert. Er wird weder vergeblich den Eingang suchen noch nach zwei Stößen zusammenbrechen – so durchtrainiert, wie dieser Hammertyp ist.“

„Und überhaupt – wenn wir in diesen Club gehen würden, würden wir ihn sogar live und in Farbe dort sehen.“

Dee schließt überwältigt die Augen.

„Das machen wir!“ Julie bekommt einen irren Blick. „Wie war das noch gleich? Freitags im Hot Fire? Wir sind dabei.“

„Das sind wir nicht.“ Mir wird kurzfristig schwarz vor Augen.

„Seid ihr verrückt geworden? Was, wenn er uns entdeckt? Und überhaupt: Wie peinlich ist das denn, meinen Boss beim Sex zu beobachten?“

„Ich finde das überhaupt nicht peinlich.“ Dee leckt sich die Lippen.

„Ich glaube sogar, es gibt nichts, das ich weniger peinlich finde. Ich fände es einfach nur mega antörnend.“

„Falls ihr es vergessen haben solltet: Ich bin seine Sekretärin“, zische ich.

„So was kann ich nicht bringen, dann bin ich sofort meinen Job los.“

„Wieso das denn? Du könntest doch zufällig dort sein“, argumentiert Julie.

„Niemand kann dir verbieten, in einen privaten Club zu gehen. Wenn ganz zufällig an diesem Abend auch dein Chef da sein sollte, kannst du doch nichts dafür.“

„Niemals und auf gar keinen Fall“, widerspreche ich. „Außerdem habe ich euch ganz bestimmt nicht davon erzählt, damit ihr schnurstracks dort hinlauft.“

„Ach, Cathy, jetzt hör doch endlich mal damit auf, ständig die Vorzeige-Sekretärin zu spielen.“ Dee verdreht die Augen.

„Dauernd dieser blöde Spruch, eine gute Sekretärin sei nur dann eine gute Sekretärin, wenn sie in ihrem Chef wirklich nur den Chef sehen würde. So ein Quatsch! Es ist erwiesen, dass man bereits in den ersten drei Sekunden abcheckt, ob man mit seinem Gegenüber ins Bett gehen würde. Und wie die Antwort bei Lovely Lukas ausfällt, ist ja wohl klar.“

„Du kannst mir nicht erzählen, dass du nie daran gedacht hast, wie es wohl ist, mit ihm Sex zu haben“, fällt mir nun auch Julie in den Rücken. Diese Gespräche kenne ich zur Genüge, denn wir führen sie nicht zum ersten Mal. Und meine Antwort ist immer dieselbe.

„Ja, wenn Lukas nicht mein Boss wäre, hätte ich sicher mal daran gedacht“, gebe ich zu.

„Aber so verbieten sich diese Gedanken ganz von selbst.“

„Ach, Cathy, so tugendhaft bist nicht mal du“, grinst Dee.

„Jetzt zeig uns endlich dieses Video.“ Julie zerrt an meinem Arm.

„Wer hat es dir denn überhaupt geschickt?“

Ich zucke mit den Achseln.

„Das war eine Nummer, die ich nicht kenne. Nein, ich kann euch das Video nicht zeigen.“

„Das ist doch Quatsch.“ Julie ist die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

„Wie schon gesagt – wenn wir in diesen Club gehen würden, würden wir ihn doch auch in dieser Situation sehen.“

„Wir gehen aber nicht in diesen Club“, bestimme ich.

„Das werden wir noch sehen“, murmelt Julie, und ich ahne Schreckliches.

„Außerdem: Es ist ja wohl viel peinlicher, wenn du als seine Sekretärin dieses Video siehst, als wenn es zwei völlig Unbeteiligte anschauen“, versucht es Dee nun mit Logik.

„Ehrlich – wir sehen Lukas doch im täglichen Leben gar nicht, während du ihm jeden Tag gegenübersitzt. Für dich muss es viel peinlicher sein. Also, Cathy, zück schon dein Handy und zeige uns Lukas in action. Das Display ist sowieso total klein, wir sehen praktisch nichts.“

„Dann müsst ihr es euch ja gar nicht erst anschauen“, wehre ich immer noch ab, denn ich will Lukas irgendwie schützen. Das bin ich einfach so gewohnt. Ich verleugne ihn am Telefon, wenn er mit bestimmten Leuten nicht sprechen will; ich vertröste die Mandanten, wenn er gerade keine Zeit für sie hat; ich verbiete meinen Freundinnen, ein Video von ihm beim Sex anzusehen.

„Wenn es dir wirklich so peinlich für ihn ist, dann darfst du dir das Video aber auch nicht noch mal angucken.“ Dee zieht ihre Augenbrauen drohend zusammen.

„Das will ich ja auch gar nicht“, behaupte ich, doch ich bin eine schlechte Lügnerin.

„Okay, dann lösch es, hier und jetzt. Das ist ja wohl nur konsequent.“

Triumphierend blicken meine Freundinnen mich an.

Mist. Jetzt haben sie mich erwischt. Wenn ich Lukas wirklich schützen wollte, würde ich das Video tatsächlich löschen. Auf der Stelle.

„Das kann ich ja immer noch zu Hause machen“, sage ich lahm.

„Ja, klar, nachdem du es dir zwanzigmal auf deinem riesigen Fernseher angeguckt hast, damit du auch bloß jedes einzelne Detail erkennst“, spottet Julie.

„Und nachdem du es auf einen Stick kopiert hast“, fügt Dee gehässig hinzu. „Dann kannst du dich großartig vor uns hinstellen und verkünden, dass du es gelöscht hast. Ganz große Klasse! Für wie bescheuert hältst du uns eigentlich?“

„Ich würde vorschlagen, wir gehen jetzt alle zu Cathy und schauen uns das Video in Großaufnahme auf einer riesigen Leinwand an.“ Julie grinst diabolisch.

Ich gebe mich geschlagen. Auf dem winzigen Display sieht man wirklich nicht viel. Vielleicht ist es nicht mal Lukas, sondern nur jemand, der ihm zufällig ähnlich sieht.

Julie und Dee kriechen fast in mein Handy, als ich das Video mit zitternden Fingern starte.

Er ist es. Unverkennbar. Und doch so völlig anders. So ganz anders.

Der Lukas, den ich kenne, erscheint jeden Morgen in einem sündhaft teuren Designer Anzug mit weißem Hemd und modischer Krawatte im Büro, lächelt mir zu und vergräbt sich dann in seinen Akten.

Der Lukas, den ich kenne, ist ein taffer Anwalt, der so gut wie jeden Prozess gewinnt. Sein Stundensatz fängt bei tausend Dollar an, und ich habe schon oft gehört, dass er jeden einzelnen Cent wert ist. Er arbeitet effektiv, hochkonzentriert und produktiv. Wenn die Mandanten den Besten haben wollen, wählen sie ihn. Und ich bin verdammt stolz, für ihn arbeiten zu dürfen.

Der Lukas, den wir auf diesem kleinen Display sehen, ist ein völlig anderer. Er trägt keinen Anzug. Er trägt überhaupt nichts.

Seine Arme sind muskulös, sein Brustkorb definiert, sein Bauch natürlich ebenfalls, die Schenkel fest und straff. Er ist ein göttlicher Anblick.

Das Video ist von vorn aufgenommen worden, so dass die blonde Frau, die niemanden interessiert, seine Körpermitte verdeckt. Doch man sieht seine kräftigen Bewegungen, sein vor Erregung verzerrtes Gesicht, seine Ekstase. Man sieht ganz deutlich seine Geilheit.

Wir sagen alle drei keinen Ton, sondern starren nur wie hypnotisiert auf mein Handy und denken daran, wie es sich anfühlt, wenn es ein Mann wirklich drauf hat. Und Lukas hat es verdammt drauf.

„Oh Gott, ich will auch“, flüstert Julie mit heiserer Stimme.

„Was: ‚Ich will auch‘?“ Dees Stimme ist nicht minder heiser.

„Du hast doch Tom. Du kannst jederzeit Sex haben.“

„Kann ich nicht.“ Julie beugt sich noch näher zum Handy.

„Der spielt nur noch mit seinem blöden Computer Schach. Da läuft schon ewig nichts mehr. Oh mein Gott, wenn ich das jetzt sehe, weiß ich erst so richtig, was ich schon die ganze Zeit so sehr vermisse.“

„Ich dachte, du bist glücklich mit Tom.“ Auch ich kann meinen Blick nicht von dem Display abwenden und weiß jetzt schon, dass ich mir dieses Video nicht zum letzten Mal ansehe.

„Im alltäglichen Leben bin ich das ja auch.“ Julie zuckt mit den Schultern.

„Aber sexuell war es von Anfang an nicht der Brüller. Und jetzt sind wir immer zu müde oder zu überarbeitet oder was weiß ich. Außerdem finde ich, dass Sex nicht das Wichtigste in einer Beziehung ist. Allerdings frage ich mich gerade, ob ich mir das nicht nur einrede. Wenn ich das Video sehe, werde ich echt neidisch. Ich wäre jetzt auch gern die blonde Frau mit den Silikontitten. Was meint ihr: Hätte ich eine Chance bei Lukas, wenn ich ins Hot Fire gehe?“

Entgeistert starre ich sie an. Das meint sie jetzt aber hoffentlich nicht ernst!

„Wir gehen nicht ins Hot Fire“, wiederhole ich mich. „Lasst das bloß bleiben.“

„Du vielleicht nicht, aber wir beide schon“, erklärt Dee und hakt Julie unter.

„Lukas hat uns noch nie gesehen. Auf der Party damals hat er nur mit wichtig aussehenden Pinguinen gesprochen. Er kennt uns nicht. Natürlich sind wir nächsten Freitag da. Endlich passiert mal was in meinem langweiligen Leben.“

„Ihr wollt in einen Sexclub gehen?“, erkundige ich mich mit schriller Stimme.

„Um dort mit meinem Chef Sex zu haben oder ihm beim Sex zuzugucken? Seid ihr von allen guten Geistern verlassen? Julie, du hast einen Freund!“

„Mit dem sexuell nichts mehr läuft“, sagt Julie mit Grabesstimme.

„Ich habe ihn letztens sogar gefragt, ob es ihn stören würde, wenn ich mit anderen Männern Sex hätte. Ich berichtige mich: wenn ich mit Männern Sex hätte. Mit ihm habe ich ja keinen mehr. Und wisst ihr, was er geantwortet hat?“

Julie verdreht ihre Augen.

„So lange ich ihn nicht bei seinem dämlichen Schachspielen stören würde, wäre es ihm egal.“

„Das gibt’s doch nicht.“ Mitfühlend lege ich den Arm um Julies Schulter.

„Das ist ja eine Unverschämtheit und total verletzend. Als ob sein blöder PC wichtiger wäre als du.“

Julie seufzt steinerweichend auf.

„Ehrlich gesagt habe ich oft das Gefühl, dass es tatsächlich so ist.“

Ihre Miene wird traurig. Doch dann erscheint ein Anflug von Trotz auf ihrem Gesicht.

„So gesehen ist es ja dann auch egal, ob ich in so einen Club gehe. Ich wollte immer schon mal wissen, was da wirklich los ist.“

„Ich auch“, echot Dee prompt. „Und jetzt haben wir wirklich einen Grund, dorthin zu gehen. Wir beobachten Cathys Boss beim Sex! Oder wir machen sogar selber Sex mit ihm! Cathy, wir werden dir berichten, wie dein Chef so als Lover ist.“

Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten.

Aber wahrscheinlich ist das nur albernes Gerede und sie machen es nicht wahr.

Am nächsten Tag statte ich meiner Nachbarin Mrs. Bennett einen Besuch ab. Sie wohnt auf demselben Stockwerk wie ich, ist 78 Jahre alt und immer noch putzmunter. Sie engagiert verschiedene Lieferdienste, die ihr das Essen bringen sowie eine Putzfrau, da sie zum Glück genug Geld hat. Nur mit dem aufräumen hapert es, weshalb ich das jeden Sonntag für sie übernehme. Dabei unterhalten wir uns, und sie gibt ihre Lebensweisheiten zum Besten. Sie war dreimal verheiratet, ist um die ganze Welt gereist und hat viel erlebt. Es macht wahnsinnig viel Spaß, ihr zuzuhören, und ich freue mich jedes Mal, zu ihr zu gehen.

„Kindchen, heute siehst du so aus, als sei dir irgendetwas passiert, womit du deine Schwierigkeiten hast“, liest sie sofort in mir wie in einem offenen Buch. Das macht wohl ihre Lebenserfahrung. Vor ihr kann ich nichts verheimlichen, und sie hat mir in den fünf Jahren, in denen wir uns jetzt schon kennen, schon manch guten Rat gegeben.

Ich seufze tief auf. Am liebsten würde ich ihr alles erzählen, aber hat eine ältere Dame dafür Verständnis? Außerdem ist mir die ganze Angelegenheit furchtbar peinlich, obwohl ich ja nun nicht das Video gedreht habe.

„Ich habe Ihnen doch schon mal von meinem Chef erzählt“, beginne ich zögernd.

Mrs. Bennett nickt eifrig.

„Ja, natürlich, und nicht nur das. Du hast mir sogar ein Foto von ihm gezeigt. Lukas heißt er, richtig? Wirklich ein sehr schneidiger, junger Mann. Wenn ich 50 Jahre jünger wäre, würde ich ihn mir sofort schnappen.“

Ich muss lachen. Mrs. Bennett hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen.

„Und nun? Ist es endlich soweit?“ Amelie streicht sich ihre immer noch knallrot gefärbten, langen Haare zurück. Aufmunternd blickt sie mich mit ihren wachen, funkelnden Augen an.

„Nein, das nicht, aber ich habe so seltsame Anrufe bekommen, und dann hat mir jemand auch noch ein merkwürdiges Video von Lukas geschickt.“

„Was genau meinst du mit merkwürdig?“ Amelies Interesse ist geweckt. Mir wird heiß.

„Es zeigt Lukas in einer kompromittierenden Lage“, versuche ich zu umschreiben, während ich das Geschirr, das kreuz und quer herumsteht, in den Küchenschrank einsortiere. Amelie lehnt sich in ihrem Ohrensessel, den sie mitten in die riesige Küche gestellt hat, zurück.

„Bringt Lukas gerade jemanden um? Hält er jemandem die Pistole an den Kopf?“, will sie wissen und greift zu einer Orange. „Möchtest du auch eine Apfelsine haben? Vitamine sind wichtig für die Gesundheit.“

„Äh … ja“, stottere ich. „Ich meine, nein.“

„Also ja zu den Vitaminen und nein zu der Pistole“, erkennt Amelie sehr richtig und fängt an, die Orange zu schälen.

„So ist es.“ Die Tasse zittert in meiner Hand. „Auf dem Video sieht man Lukas in einer eindeutigen Situation, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

Amelie hält in ihrer Bewegung inne. Dann fängt sie an, über das ganze Gesicht zu lachen.

„Kindchen, nur weil ich alt bin, weiß ich doch noch, was Sex ist. Ich hatte drei Ehemänner und viele Liebhaber. Glaubst du nicht, dass ich mit denen auch noch was anderes gemacht habe, als spazieren zu gehen und sich dabei an den Händen zu halten?“

Sie schüttelt belustigt den Kopf.

„Ihr jungen Dinger glaubt immer, dass man kein Verständnis mehr dafür hat, wenn man selbst alt ist. Natürlich, bei mir findet diesbezüglich nichts mehr statt, aber das heißt noch lange nicht, dass ich mich nicht sehr gut daran erinnern könnte. Also, heraus mit der Sprache! Dir wurde ein erotisches Video von deinem Boss zugeschickt. Und jetzt? Es hat dich durcheinander gebracht, und du fragst dich, ob du nicht doch mehr für ihn sein willst als nur seine Sekretärin.“

Ich schlucke. Damit hat sie ins Schwarze getroffen.

„Vor allem frage ich mich, ob ich ihm in den Club folgen soll, wie es mir der Anrufer geraten hat.“

„In was für ein Club? Ach so, ich verstehe.“

Amelie denkt eine Weile nach, während ich ihre Kleidung zusammensuche und sie ordentlich in den Kleiderschrank hänge. Als ich wieder in die Küche komme, lächelt sie.

„Weißt du, meine Liebe, wenn ich eins gelernt habe in meinem langen Leben, dann das: Nimm alles mit, was du kriegen kannst, und lasse nichts aus. Wenn du am Ende deines Lebens angekommen bist, bereust du die Dinge, die du nicht gemacht hast. Aber dann ist es zu spät. Tue lieber etwas und mach damit einen Fehler, als gar nichts zu tun.“

„Hm.“ Nachdenklich schaue ich sie an. Vom Prinzip her mag sie ja Recht haben, aber es könnte mich meinen Job kosten, wenn ich in diesen Club gehe.

„Wenn du es nicht tust, denkst du sowieso dauernd darüber nach, und das ist im Prinzip genauso, als wenn du es tust“, konstatiert Amelie und hält mir ein Stück Orange hin, das ich ergreife.

„Meinen Sie wirklich?“, frage ich zweifelnd.

„Du solltest immer deinem Herzen folgen“, rät mir Amelie und zwinkert mir zu. „Wenn du das, was du auf dem Video gesehen hast, gerne selbst mit ihm tun würdest, dann geh in diesen Club. Hol dir das, was du willst. Alles andere wird sich dann schon finden.“

Ich finde es sehr erstaunlich, dass mir eine 78-jährige Frau diesen Rat gibt. Trotzdem bin ich immer noch nicht überzeugt. Mein Verstand sagt, dass ich die ganze Angelegenheit einfach vergessen soll, aber mein Herz weiß genau, dass ich das Video niemals vergessen kann. Und schon gar nicht kann ich vergessen, was es mit mir gemacht hat.

Kapitel 3 - Cathy

Als ich am Montag ins Büro komme, ist mir ganz mulmig zumute. Ich konnte einfach nicht widerstehen und habe mir das Video tatsächlich noch etliche Male auf meinem Großbild-Fernseher angeschaut. Und es ist mir durch und durch gegangen.

Lukas in einer solchen Situation zu sehen, hat mir einfach den Boden unter den Füßen weggezogen. Es ist eine Sache, zu wissen, dass der eigene Chef Sex hat, und eine ganz andere, ihn dabei zu beobachten.

Mein eigener Satz „Eine gute Sekretärin ist nur dann eine gute Sekretärin, wenn sie in ihrem Chef nur ihren Chef sieht“ erscheint mir auf einmal absolut lächerlich. Wem will ich eigentlich etwas vormachen? Mir selbst vielleicht? Warum bin ich mir selbst gegenüber nicht endlich einmal ehrlich?

Lukas ist ein absolut heißer Typ, und jede Frau leckt sich die Finger nach ihm. Der einzige Grund, warum ich nicht zugeben will, dass ich ihn ungemein anziehend finde, ist, dass ich mir keinerlei Chancen bei ihm ausrechne. Wem die Trauben zu hoch hängen, der behauptet eben, sie seien sauer. Bevor ich mir eingestehen muss, dass Lukas an mir als Frau null Interesse hat, rede ich mir lieber ein, ich hätte kein Interesse an ihm, weil er mein Boss ist.

Als er gegen Mittag nach einem Meeting ins Büro kommt, entgleisen mir sämtliche Gesichtszüge. Ich sehe plötzlich nicht den Lukas im schicken Designeranzug vor mir, sondern ich sehe ihn nackt, wie er diese Blondine bumst. Ich weiß jetzt, was er unter seinen teuren Anzügen verbirgt, nämlich einen atemberaubenden Körper. So atemberaubend, dass mir der Atem stockt, wenn ich nur daran denke.

„Hallo, Cathy“, begrüßt er mich nichtsahnend und lächelt mich freundlich an. „Na, hattest du ein schönes Wochenende?“

Plötzlich bekomme ich ein irrsinnig schlechtes Gewissen. Was um alles in der Welt habe ich nur getan? Natürlich konnte ich nichts dafür, dass mir jemand so ein kompromittierendes Video zugeschickt hat. Aber ich konnte sehr wohl etwas dafür, es meinen Freundinnen zu zeigen und es mir noch mindestens hundertmal anzusehen.

„Ja, danke“, beantworte ich die obligatorische Frage. „Und du?“

Lukas nickt. „Ja, ich hatte auch ein sehr schönes Wochenende“, gibt er die übliche nichtssagende Floskel von sich.

Manchmal frage ich mich wirklich, was diese Floskeln eigentlich sollen. Klar, es ist reine Höflichkeit, aber irgendwie ziemlich überflüssig. Niemand sagt, wie er sich wirklich fühlt und wie er sein Wochenende tatsächlich verbracht hat.

Ich sage Lukas ganz sicher nicht, dass mir jemand ein Sex Video von ihm geschickt hat, das ich dauernd ansehen musste und dass meine Freundinnen in diesen Club gehen wollen, um ihn beim Sex zu beobachten. Und er sagt mir nicht, dass er in diesem Sexclub war und den Frauen das Hirn rausgevögelt hat. Also können wir uns diesen Smalltalk eigentlich sparen.

Das Telefon klingelt zum x-ten Mal an diesem Tag, und ich hebe den Hörer ab, um mich mit dem üblichen Spruch zu melden.

„Na, hat dir das Video von deinem Boss gefallen?“

Ich zucke zusammen. Es ist wieder diese merkwürdige, heisere Stimme. Wer zum Teufel ist das? Und warum tut er so etwas?

„Natürlich hat es dir gefallen.“ Die Person lacht. „Wem würde dieser Anblick auch nicht gefallen, wenn ein junger, durchtrainierter Mann eine Frau beglückt? Wärst du gern an ihrer Stelle gewesen? Hättest du ihn gern in dir gespürt, wie er sich immer schneller, härter und fester in dir bewegt? Das kannst du alles haben.“

Ich bin wie gelähmt. Mein Blick wandert zu Lukas, der gerade seine Jacke auszieht und sie ordentlich an den Garderobenständer hängt. Wieder taucht das Bild aus dem Video vor meinem geistigen Auge auf, ich kann einfach nichts dagegen machen. Ich sehe es praktisch immer vor mir. Es verfolgt mich geradezu.

Lukas sieht mich fragend an, und ich lege meine Hand über die Sprechmuschel.

„Brauchst du irgendetwas?“, frage ich ihn.

„Du weißt doch, was er braucht“, lacht es hämisch aus dem Hörer „Er braucht jeden Freitag einen guten Fick. Schau ihn dir an. Sieht er nicht wahnsinnig entspannt aus? Du solltest dir ab und zu auch etwas Entspannung gönnen, am besten zusammen mit ihm.“

„Ich bräuchte den Ordner von Henderson & Blake“, erwidert Lukas. „Und dann verbinde mich bitte mit Andy Ferguson und danach Robin Fieldman.“

Er nickt mir zu und geht nach nebenan in sein Büro.

„Was wollen Sie von mir?“, blaffe ich in den Hörer. „Was soll das alles? Warum rufen Sie mich an? Warum schicken Sie mir dieses Video? Was soll ich damit anfangen“

„Das überlasse ich dir. Ist es nicht ungemein spannend, plötzlich einen ganz anderen Eindruck von jemandem zu bekommen? Eine ganz andere Facette von demjenigen zu sehen? Macht es dich nicht neugierig darauf, was sich sonst noch hinter diesem Mann verbirgt? Möchtest du nicht wissen, was für ein Mensch dein Boss wirklich ist?“

„Nein“, zische ich. „Das will ich nicht. Und jetzt hören Sie endlich auf damit. Ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken. Lukas ist mein Chef, und zwar ein sehr guter. Dabei soll es bleiben. Ich weiß alles über ihn, was ich als Sekretärin über ihn wissen muss.“

„Aber als Frau möchtest du sicher noch viel mehr über ihn wissen“, lässt dieser Psycho nicht locker.

„Was, glaubst du, bevorzugt er? Ist er ein Kuscheltyp oder mag er es eher hart? Kannst du dir vorstellen, dass er eine SM Ader hat? Dass er sich vielleicht sogar einen eigenen Folterkeller eingerichtet hat? Dass er Frauen schlägt und sie auspeitscht? Oder will er selber auf dem Boden herumkriechen und gequält werden? Was glaubst du?“

Das ist mir jetzt aber wirklich zu viel, und ich lege auf. Dabei merke ich, dass mir mein Herz bis zum Hals klopft und ich langsam Angst bekomme.

Was will dieser Irre von mir? Hat er es auf mich abgesehen oder auf Lukas? Sollte ich Lukas nicht lieber einweihen? Wer weiß, was dieser Verrückte vorhat.

Mechanisch greife ich nach dem Ordner, den Lukas verlangt hat und lege ihn auf Lukas‘ Schreibtisch. Lukas bedankt sich und nickt mir zu. Unschlüssig bleibe ich an seinem Schreibtisch stehen.

„Ist noch was?“, erkundigt er sich und heftet seine wundervollen blauen Augen auf mich.

Lukas schlägt doch nicht wirklich Frauen, oder? Und dass er sich selbst auspeitschen lässt, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Andererseits: Bei wem kann man sich das schon vorstellen? Und doch gibt es genug Menschen, die diese Art von Sexualität praktizieren. Man sieht es niemandem an der Nasenspitze an, und warum sollte Lukas nicht dazu gehören? Klar ist es möglich, dass er auf SM steht. Aber das kann ich ihn ja jetzt wohl schlecht fragen.

Ich schüttele den Kopf, drehe mich um und gehe wieder in mein Büro, um Lukas mit den beiden gewünschten Mandanten zu verbinden.

Als das Telefon das nächste Mal klingelt und keine Nummer angezeigt wird, ahne ich schon, wer der Anrufer ist. Und ich habe Recht.

„Ich will dir keine Angst machen.“ Jetzt klingt die Stimme nicht mehr heiser und ganz normal.

„Aber ich glaube, Lukas steht auf dich. Er will privates und berufliches nur nicht miteinander vermischen. Aber wenn du in diesen Club gehst, kann er dir bestimmt nicht widerstehen. Versuch es einfach mal. Und jetzt schau in deinen Posteingang. Was du da siehst, wird dir sicher gefallen.“

Damit legt der Anrufer auf. Mein Herz hämmert wie wild. Was für ein Video hat er mir diesmal geschickt? Und warum lösche ich es nicht auf der Stelle, wenn ich doch eine so loyale Sekretärin sein will?

Mit zitternden Händen öffne ich die Mail und dann den Anhang. Lukas steht in einem dunkelblauen Anzug in einem Büro, das ich nicht kenne. Er lächelt und lockert mit langsamen, lasziven Bewegungen seine Krawatte. Mir stockt der Atem, als er ungeniert über seine Hose streicht. Warum zum Teufel lässt er solche Videos drehen? Es sieht nicht so aus, als sei dieses Video rein zufällig gefilmt worden. Es ist auch nicht heimlich gefilmt worden. Lukas wusste davon, mehr noch, ganz offensichtlich wollte er, dass er gefilmt wurde.

Will er auch, dass diese Videos jemandem vorgeführt werden? Mir etwa? Mein Herz klopft noch schneller. Hat am Ende Lukas das alles selbst inszeniert? Will er, dass ich ihn so sehe? Spielt er ein merkwürdiges Spiel mit mir?

Mein Herz bleibt stehen, als Lukas aufreizend langsam den Reißverschluss seiner Hose öffnet. Mir stockt der Atem. Ich kann meine Augen nicht vom Bildschirm lösen. Fasziniert starre ich auf die Beule in der Hose, die sich langsam vergrößert. Lukas lächelt in die Kamera und beginnt nun, sein Hemd aufzuknöpfen. Wie gebannt schaue ich ihm zu. Er wird doch nicht das tun, was ich vermute?

Ja, er tut es. Nach einigen Sekunden hat er seinen Schwanz in der Hand und reibt genüsslich den Schaft auf und ab, während er sein Gesicht genießerisch verzieht. Ich glaube, ich falle gleich tot um. Alles in mir tobt, und zwischen meinen Schenkeln beginnt es sehnsüchtig zu pochen.

Als der echte Lukas seinen Kopf durch die Tür steckt, bin ich so aufgeregt, dass es mir nicht gelingt, die Mail wegzuklicken. Der harte, große Schwanz bringt mich völlig aus der Fassung. Meine Güte, mein Boss trägt ja das absolute Mördergerät mit sich herum!

„Ist dir nicht gut?“

Lukas kommt auf mich zu. Hektisch schließe ich die Mail und in der Aufregung gleich das ganze Postfach.

„Nein, alles in Ordnung,“, lüge ich und muss mich zwingen, nicht auf seine Hose zu blicken. Mein lieber Scholli, darunter verbirgt sich aber tatsächlich ein wahres Prachtexemplar! Ob er das, was er auf dem Video getan hat, auch manchmal nach einem anstrengenden Arbeitstag macht? Lukas ist oft der letzte im Büro. Vielleicht braucht er spätabends etwas Entspannung und holt dann tatsächlich seinen Schwanz aus der Hose, um sich ihn genüsslich zu wichsen. Vielleicht hat er das Video in einer solchen Situation gedreht. Wer weiß denn schon, wie oft er das hier gemacht hat. Manchmal schließt er die Tür hinter sich und gibt mir die Anweisung, dass er in den nächsten zwei Stunden nicht gestört werden möchte, auch nicht von mir. Manchmal schließt er sogar die Tür ab, angeblich, damit er sich besser konzentrieren kann. Aber wer weiß denn schon, ob das wirklich stimmt. Vielleicht macht es ihn an, im Büro zu sitzen und sich einen runterzuholen. Vielleicht arbeitet er gar nicht immer so viele Stunden am Tag, sondern macht es sich ab und zu selbst.

Und war er letzte Woche nicht verdächtig lange mit dieser Anwältin der Gegenpartei essen? Wer weiß, ob sie tatsächlich nur zusammen essen waren. Vielleicht hat er es ihr schnell irgendwo besorgt. Nach dem Treffen war die ehemals zickige Anwältin am Telefon nämlich plötzlich sehr zahm und freundlich. Vielleicht musste sie einfach nur mal wieder ordentlich durchgefickt werden.

Meine Gedanken schlagen Purzelbäume. Ich schwöre es: In den zwei Jahren, seit ich für Lukas arbeite, sind mir derartige Gedanken niemals, wirklich niemals, durch den Kopf gegangen. Aber jetzt, nach diesen beiden Videos, ist es, als sei ein Ventil geplatzt und als käme nun alles an die Oberfläche, was ich zwei Jahre lang verdrängt habe. Nämlich, dass Lukas ein wahnsinnig verführerischer, erotischer Mann ist und auch mich nicht kalt lässt.

Wie soll ich jetzt noch vernünftig für ihn arbeiten können?

In den nächsten Stunden gehe ich durch die Hölle. Lukas diktiert mir einen langen Schriftsatz direkt in den Computer und ich tippe mit zitternden Fingern. Er sitzt lässig auf dem Schreibtisch und beugt sich ab und zu dichter an den Bildschirm heran und damit auch zwangsläufig dichter zu mir. Ich rieche seinen unwiderstehlichen Duft, höre seine tiefe, samtweiche Stimme und bewundere ihn mal wieder dafür, dass er so einen komplizierten Sachverhalt aus dem Ärmel schüttelt. Manchmal blickt er mich nachdenklich aus seinen meeresblauen Augen an und überlegt sich die nächste Formulierung. Mein Herz macht dann jedes Mal einen Purzelbaum. Ich kann es nicht verhindern – ich sehe diese Augen vor mir, wie sie verschleiert sind, als Lukas sich selbst Lust verschafft hat. Ich kriege diesen Anblick einfach nicht aus meinem Kopf. Und das ist wirklich sehr störend beim Arbeiten. Ich hoffe, Lukas merkt nicht, dass ich völlig durch den Wind bin, dass mein Herz klopft und meine Hände zittern. Ich bemühe mich sehr, die perfekte Sekretärin zu sein, die er gewohnt ist, aber es fällt mir unendlich schwer.

„Sollen wir eine Pause machen?“ Lukas blickt mich aufmerksam an. „Du bist etwas grün um die Nase, und ich könnte auch ein bisschen Entspannung vertragen.“

Ich kann es nicht verhindern, dass mir bei dem Wort „Entspannung“ sämtliche Bilder aufsteigen, die so gar nichts an meinem Arbeitsplatz zu suchen haben.

„Was meinst du denn mit Entspannung?“, platzt es aus mir heraus, obwohl ich ihm diese Frage eigentlich gar nicht stellen wollte. Es fehlte mir gerade noch, dass Lukas mir antwortet:

„Och, ich hole mir ab und zu ganz gerne mal an meinem Schreibtisch einen runter. Das finde ich in der Tat höchst entspannend.“

Lukas schaut mich mit einem, wie ich finde, merkwürdigen Blick an.

„Ich dachte, ich laufe einmal um den Block.“ Er fährt sich mit beiden Händen durchs Gesicht. Warum sieht eigentlich alles, was er tut, sexy aus? Dieser zwei Tage Bart, seine Muskeln, seine ganze Aura, die so viel Kraft und Männlichkeit ausstrahlt … Das alles bringt mich wirklich um den Verstand, zumal er viel zu nah neben mir steht. Wenn ich mich bewegen würde, würde ich ihn berühren. Er macht mich total wuschig heute.

„Das Meeting war echt anstrengend. Vier Stunden die kompliziertesten Sachverhalte wälzen strengt an. Da ist Laufen ein guter Ausgleich. Oder eine entspannende Thai Massage, direkt hier um die Ecke. Das gönne ich mir manchmal mittags oder nach Feierabend.“

Hätte er mir das vor einer Woche erzählt, hätte ich mir überhaupt nichts dabei gedacht. Jetzt aber frage ich mich sofort, ob das wirklich nur eine traditionelle Thai Massage ist, oder doch eine Massage an ganz besonderer Stelle. Die wäre dann sicher entspannend.

Jetzt bewegt er sich und streift mit seinem Arm meine Schulter. Es ist wie ein elektrischer Schlag. Lukas wirft einen Blick auf die Uhr und seufzt dann.

„Aber ich fürchte, ein Kaffee muss reichen“, beschließt er und streckt sich. Auch das noch. Muss er mir ausgerechnet heute seine Muskeln vorführen? Ich weiß auch so, dass er bestens durchtrainiert ist. Nach den beiden Videos weiß ich es sogar noch besser.

„Möchtest du jetzt Mittagspause machen? Ich kann auch eine Weile allein weiter tippen“, schlägt er vor. Tatsächlich beherrscht Lukas das Zehn-Finger-Blindschreiben, aber ich bin doppelt so schnell. Wenigstens etwas.

„Nein, natürlich nicht.“ Ich schüttele den Kopf. Ich weiß, dass morgen früh um 7:00 Uhr der Abgabetermin für diesen Schriftsatz ist und es gibt noch einiges zu tun. Natürlich will ich Lukas nicht damit hängen lassen. Er kann sich darauf verlassen, dass ich ihm zur Seite stehe.