Brain in Balance - Joey Remenyi - E-Book

Brain in Balance E-Book

Joey Remenyi

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Beschreibung

  • Chronischer Schwindel, Benommenheit und Tinnitus sind unsichtbare Störungen im Leben unzähliger Menschen, bei denen herkömmliche Behandlungen wirkungslos sind – dieser Leitfaden zum Selbststudium bietet Betroffenen ungeahnte Heilungswege!

  • Das revolutionäre Konzept der Autorin basiert auf den Prinzipien der Neuroplastizität, den Fähigkeiten der Neuronen im Gehirn, sich neu zu verbinden.

  • Auf leicht verständliche Weise erklärt die Expertin für vestibuläre Audiologie, wie Gehirn und Nervenbahnen funktionieren und bietet praktische Übungen und Tipps für die tägliche Anwendung.

  • Anhand zahlreicher Fallbeispiele erfahren sowohl Betroffene als auch Therapeuten, wie mit methodischen Schritten wieder eine gesunde Normalität und Lebensqualität zurückgewonnen werden können.

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Joey Remenyi

BRAIN IN BALANCE

Wie das Gehirn Schwindel und Tinnitus heilen kann

 

 

 

Würdigung der First Nations People

Ich verneige mich vor den traditionellen Hütern des Landes, dem Stamm der Wadawurrung vom Volk der Kulin People im Südwesten Australiens, wo ich lebe und dieses Buch geschrieben habe. Tief berührt von der Kraft und Schönheit des Wadawurrung-Landes, bin ihren Vorfahren für immer dankbar, dass sie stets die Geschichten, Lieder und den Geist dieses Landes gehegt und gepflegt haben – in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ich empfinde große Traurigkeit über die Geschichte der Wadawurrung und wie diese Menschen behandelt wurden. Ich bin jedoch voller Hoffnung, dass die Lieder und Geschichten der Wadawurrung zurückkehren, dass man ihnen zuhört und sie von allen respektiert werden.

Impressum

Joey Remenyi

BRAIN IN BALANCE

Wie das Gehirn Schwindel und Tinnitus heilen kann

1. Auflage 2023

ISBN 978-3-96257-268-6

© Narayana Verlag 2023

Titel der englischen Originalausgabe:

ROCK STEADY

HEALING VERTIGO OR TINNITUS WITH NEUROPLASTICITY

Copyright © 2021 by Joe Remenyi

Translated from the English language: ROCK STEADY: HEALING VERTIGO OR TINNITUS WITH NEUROPLASTICITY

First published by: Page Two Books

Translation by arrangement with Transatlantic Literary Agency Inc.

Übersetzt aus dem Englischen von

Elisabeth Möller-Giesen

Coverdesign und -layout: Narayana Verlag GmbH

Coverabbildung: © Jordan.Koussis

Illustrationen: Jennifer Lum

Herausgeber: Unimedica im Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2,

79400 Kandern, Tel.: +49 7626 974970-0

E-Mail: [email protected],

www.unimedica.de

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Erkenntnisse in der Medizin unterliegen einem laufenden Wandel durch Forschung und klinische Erfahrungen. Autor und Übersetzer dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben (insbesondere hinsichtlich Indikation, Dosierung und unerwünschten Wirkungen) dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Das entbindet den Nutzer dieses Werkes jedoch nicht von der Verpflichtung, anhand einschlägiger Fachliteratur und weiterer schriftlicher Informationsquellen zu überprüfen, ob die dort gemachten Angaben von denen in diesem Werk abweichen und seine Verordnung in eigener Verantwortung zu treffen.

Für die Vollständigkeit und Auswahl der aufgeführten Medikamente übernimmt der Verlag keine Gewähr. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in der Regel besonders kenntlich gemacht (*). Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann jedoch nicht automatisch geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Inhalt

Vorwort

Einleitung: Ihre Fähigkeit zur Selbstheilung

Teil 1: Gewohnheiten

Unerwünschte Empfindungen

Das Dilemma

Die verschiedenen Ebenen von Gesundheit

Das Gehirn

Warum kann mir kein Arzt helfen?

Ein neuer Weg zur Heilung

Wie ist Ihr Körper vernetzt?

Die Anwendung der Neuroplastizität erlernen

Erlauben Sie sich zu fühlen

Tägliche Übungspraxis entwickeln

Eine neue Art zu leben

Teil 2: Hilfe

Tinnitus verstehen

Woher kommen die Geräusche?

Warum werden die Geräusche lauter?

Warum kommt und geht der Tinnitus?

Vertigo & Gleichgewichtsstörungen verstehen

Persistierender postural-perzeptiver Schwindel (PPPD)

Was kann ich tun?

Heißer Tipp

Benigner (gutartiger) paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS)

Labyrinthitis oder vestibuläre Neuronitis: Innenohrentzündungen

Menière-Krankheit oder endolymphatischer Hydrops

Vestibuläre Migräne (VM)

Mal-de-Débarquement-Syndrom (MdDS)

Bogengangsdehiszenz (engl. Superior Semicircular Canal Dehiscence, SSCD)

Vestibularisschwannom (Akustikusneurinom)

Gehirnnebel, mentale Unschärfe, Benommenheit, idiopathischer Schwindel

Nicht die Diagnose, sondern die medizinische Abklärung ist entscheidend

Vestibuläre Funktionsdiagnostik: Gleichgewichtstest

Teil Drei: Heilung

Der Ansatz der ganzheitlichen Medizin

Warum es wichtig ist, sich zu fokussieren

Wie Sie wieder auf festem Boden stehen

Hören Sie auf Ihren Körper

Dauerhaftes Selbstmitgefühl

Wenn ich das nur vorher gewusst hätte

Wie sprechen Sie mit sich selbst?

Was brauchen Sie, um zu heilen und zu fühlen, was sie fühlen wollen? Ermöglichen Sie es sich!

Warum stören mich die Geräusche?

Warum fühle ich mich so wütend, frustriert und aufgebracht?

Bin ich ein schlechter Mensch? Habe ich es verdient?

Auf der Achterbahnfahrt des Lebens Stabilität finden

Es kommt nicht darauf an, was man tut, sondern wie man sich dabei fühlt

Panikattacken

Ihr neuer Normalzustand

Zwei wichtige Fragen, die Sie sich beantworten müssen

Lassen Sie uns über unser Ego sprechen

Lassen Sie uns über Kontrolle sprechen

Ihr neuer Normalzustand

Schlusswort

Ergebnisse des Rock-Steady-Programms

Vorschläge für einen Betroffenen-Lesekreis

Anmerkungen

Über die Autorin

Stichwortverzeichnis

Danksagung

Stimmen zum Buch

Ihr faszinierendes Gehirn

Ihr Gehirn besteht aus Milliarden von Neuronen und Billionen von synaptischen Verbindungen.

Ihre innere Welt: Lernen Sie Ihre Nervenzellen kennen

In dem Arbeitsbuch auf meiner Internetseite finden Sie Illustrationen mit den entsprechenden anatomischen Bezeichnungen.*

Ihr äußerst intelligentes Ohr

*www.seekingbalance.com.au, Seite in engl. Sprache)

Vorwort

Vertrauen Sie Ihrem Körper. Er spricht aus einem bestimmten Grund zu Ihnen. Das ist die Kernaussage von Joey Remenyis Buch BRAIN IN BALANCE: Wie das Gehirn Schwindel und Tinnitus heilen kann.

Per Definition ist Neuroplastizität die Fähigkeit des Gehirns, synaptische Verbindungen zu bilden und neu zu organisieren, insbesondere als Reaktion auf Erfahrungen oder Verletzungen. Aktuell wird sie zunehmend als Mittel zur Heilung von verschiedensten Leiden genannt, von der Heilung von Hirnverletzungen bis hin zur Verbesserung der Konzentration. Aber kann sie auch dazu beitragen, die Symptome von Patientinnen und Patienten mit Schwindel oder Tinnitus zu lindern?

Ich habe mit vielen Patienten mit Neuritis vestibularis (Gleichgewichtsstörung) gesprochen, die sich nach mehreren Arztbesuchen und zahllosen Behandlungen immer noch „nicht ganz richtig“ fühlten. Wenn Sie zu diesen Menschen gehören, könnte dieses Buch Ihnen helfen, das fehlende Puzzleteil zu finden.

Joey Remenyi macht Patienten mit Neuritis vestibularis Hoffnung für die Zukunft. Sie ermutigt dazu, Neugier und Offenheit gegenüber den Symptomen zu entwickeln, anstatt ihnen wertend und mit Vorurteilen zu begegnen.

Dieses Buch bietet kein Wundermittel. Doch wenn Sie bereit sind, auf Ihren Körper zu hören, und offen dafür sind, selbst an sich zu arbeiten, lohnt sich das Weiterlesen.

Joeys Botschaft ist einfach (vielleicht zu einfach, wenn man der Ansicht ist, dass Lösungen kompliziert sein müssen).

Lernen Sie, Ihren Körper und seine Biologie zu verstehen!

Folgen Sie dem medizinischen Weg und lassen Sie sich beraten. Gehen Sie zu den entsprechenden Spezialisten – sie sind Experten auf ihrem Gebiet. Lassen Sie die notwendigen Tests durchführen und behandeln Sie Ihre körperlichen Symptome. Lassen Sie diese medizinisch abklären und gehen dann dazu über, Ihre inneren Empfindungen zu erforschen. Denken Sie daran: Sie selbst sind Ihr eigener Experte!

In diesem Buch erfahren Sie, wie Gehirn und Nervenbahnen funktionieren. Sie selbst können mit Ihrer Aufmerksamkeit entscheiden, welche Neuronen „zünden“. Joey erklärt, wie Sie Ihre Aufmerksamkeit neu ausrichten können, um Neuronen neu zu „verdrahten“ und sich dadurch ausgeglichener und sicherer zu fühlen. Das ist Neuroplastizität. Ein großes Wort für einen relativ einfachen Prozess.

Ein Prozess, der Ihnen bei der Heilung behilflich sein kann.

Cynthia Ryan, Geschäftsführerin der Vestibular Disorders Association (VEDA), Portland, USA

Einleitung: Ihre Fähigkeit zur Selbstheilung

Dieses Buch richtet sich an all diejenigen, die unter chronischen, unerwünschten Empfindungen in ihrem Körper leiden. Diese Empfindungen kann man auf unendlich viele Arten beschreiben, von einer seltsamen Mikrobewegung über einen dumpfen Schmerz bis hin zu einem Klingeln, Dröhnen, Kreischen oder verzerrten visuellen Flecken und Auren. Alles, was wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen, sind Empfindungen: Berührung, Klang, Geschmack, Geruch und Sehen. Dieses Buch soll dabei helfen, trotz der Vielzahl unangenehmer Empfindungen, Frieden in sich selbst zu finden. Es ist auch für Familienangehörige gedacht, damit sie mehr darüber erfahren, was Betroffene durchmachen. Es richtet sich ebenso an medizinische Fachkräfte, die besser verstehen wollen, wie sie ihre Patienten bei der Heilung von anhaltenden Symptomen unterstützen können.

Vertigo (lateinisch für Schwindel) beschreibt jegliche Empfindungen von Bewegung oder Desorientierung, wenn man stillsteht. Er kann sich in Form von Gleichgewichtsstörungen, Schwindel, Übelkeit, Unsicherheit beim Bewegen oder in dem Gefühl, dass etwas nicht stimmt oder „nicht ganz richtig“ zu sein, was ich in diesem Buch kurz mit „NGR“ bezeichne, äußern. Tinnitus bezieht sich auf Geräuschempfindungen, die im Inneren des Körpers zu hören sind – Klingeln, Summen, Knacken, Rauschen, Quietschen – und nicht von außen kommen. Schwindel und Tinnitus sind wie unsichtbare Störfaktoren im Leben eines Menschen, die medizinisch schwer zu beheben sind. Beide hängen damit zusammen, wie das Gehirn die von den Innenohren transportierten neuronalen Botschaften interpretiert.

Jeder Mensch, der unter Schwindel oder Tinnitus leidet, hat seine eigene Art, dies auszudrücken. Ihre Empfindungen sind etwas, das niemand sonst jemals fühlen oder wirklich verstehen kann. Dies ist zwar eine Wahrheit, die sich sehr einsam anfühlt, doch es gibt Hoffnung, denn unabhängig davon, ob Sie Ihre Empfindungen als Drehen, Orientierungslosigkeit, Summen, Klingeln, Rauschen, Schaukeln oder als NGR-Gefühl beschreiben: Sie sind damit nicht allein! Außerdem laufen einige Aspekte des Heilungsprozesses bei allen Menschen identisch ab. Wir können lernen, diesen Prozess der körperlichen, geistigen, emotionalen und spirituellen Heilung besser zu verstehen.

Wenn Sie unter Schwindel oder Tinnitus leiden, sollten Sie Folgendes wissen:

Es ist nicht Ihre Schuld.

Sie haben es nicht verdient.

Sie werden nicht verrückt.

Tinnitusgeräusche oder Schwindelgefühle existieren wirklich in Ihnen.

Es sind neuronale Botschaften, die von Ihrem Gehirn und Ihrem Körper erzeugt werden.

Diese Botschaften können sich täglich verändern.

Ihr Gehirn und Ihr gesamter Körper brauchen vielleicht Unterstützung, um diese neuronalen Netzwerke neu zu kalibrieren, damit Sie sich wieder wie Sie selbst fühlen können.

Dieses Buch will Hochachtung vor der Funktionsweise unseres Körpers vermitteln und die Möglichkeiten zur Selbstheilung aufzeigen. Es soll Sie dazu inspirieren, mit dem Wiederaufbau neuer Nervenbahnen zu beginnen, die sich wieder „normal“ anfühlen, damit Sie ein erfülltes und erfolgreiches Leben führen können. Dieser Prozess der Erneuerung von Nervenbahnen wird als Neuroplastizität bezeichnet.

In den letzten zehn Jahren habe ich als Gehörspezialistin für Gleichgewichtsstörungen gearbeitet und die Herausforderungen gesehen, denen Patientinnen und Patienten mit unsichtbaren und chronischen Symptomen ausgesetzt sind. Ich habe selbst Schwindel und Tinnitus erlebt und erinnere mich daran, dass ich mich verloren, überfordert und alleingelassen fühlte. Ich fragte mich, ob Heilung überhaupt möglich ist, und hatte das Gefühl, dass ich trotz aller Suche danach nur noch desillusionierter wurde. Letztendlich waren es meine Ausbildungen in Yoga, Psychologie, Neurowissenschaften und vestibularer Audiologie**, die es mir ermöglichten, das Potential der Neuroplastizität aus erster Hand zu erkunden. Die darauffolgenden vier Jahre waren geprägt durch ein intensives Selbststudium, bei dem ich lernte, die Theorie der Neuroplastizität in der Praxis umzusetzen. Ich veränderte den Zustand meines Gehirns, sodass meine Beschwerden verschwanden. Daraus entwickelte ich später das unter dem Namen „Rock Steady“ bekannt gewordene Programm zur Selbstanwendung für Betroffene, einen umfassenden Leitfaden zum Selbststudium für einen Heilungsansatz mittels Neuroplastizität.***

Der Zweck dieses Buches ist es, Sie über Ihre Fähigkeit zur Selbstheilung aufzuklären. Alle Fallstudien basieren auf echten Patienten, die ich im Laufe der Jahre behandelt habe; Details, über die man die Personen identifizieren könnte, habe ich geändert oder entfernt.

Die Zitate zu Beginn eines jeden Kapitels stammen von Mitgliedern meiner Rock-Steady-Facebook-Gruppe (der Sie gerne beitreten können), die folgende Frage beantwortet haben: Wie fühlt sich Neuroplastizität für dich an?

Bei der Gestaltung dieses Buches habe ich auf ein einfaches Layout und eine klare Schriftart geachtet, damit sich Leser, die unter sensorischen Störungen oder Empfindlichkeiten wie Migräne leiden, relativ leicht auf den Seiten zurechtfinden können. Außerdem habe ich Fachausdrücke und Fußnoten auf ein Minimum reduziert, um Unübersichtlichkeit und Reizüberflutung zu vermeiden. Ich möchte jedoch jeden, der mehr über die Anatomie und Physiologie der Nerven erfahren möchte, dazu auffordern, Neurowissenschaftskurse an Universitäten zu besuchen oder entsprechende Lehrbücher zu lesen. Hinweise zu weiteren wissenschaftlichen Forschungsartikeln über Neuroplastizität, Achtsamkeit und die Rehabilitation von Vertigo und Tinnitus finden Sie unter www.seekingbalance.com.au/research-articles/.

Dieses Buch zeigt einen Weg, eigene heilsame Erkenntnisse über sich selbst zu gewinnen. Ich hoffe, Sie damit zu inspirieren, mit Ihrer Heilung zu beginnen, wann immer Sie sich dazu bereit fühlen.

Glauben Sie an sich selbst. Sie sind Ihr eigener Experte.

Hinweis des Verlags: Interessierte finden weiterführende Informationen und Anregungen auf der englischsprachigen Internetseite der Autorin unter www.seekingbalance.com.au. Dort ist auch das Arbeitsbuch hinterlegt, auf das Autorin stellenweise verweist.

** spezielle Berufsbezeichnung für Fachpersonen im Bereich der Otoneurologie (Australien/USA

*** „Rock Steady“ bedeutet im Deutschen sinngemäß „auf festem Boden stehen“, Anm. d. Verlags.

Teil 1

Gewohnheiten

1

Unerwünschte Empfindungen

Früher hatte ich Angst vor meinen körperlichen Empfindungen; jetzt heiße ich sie willkommen und lasse mich darauf ein ... Seitdem ich weiß, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen kann, wenn es erforderlich ist, erledige ich meine Arbeit voller Selbstvertrauen und mit mehr Freude und Achtsamkeit denn je zuvor.

Pedro

Viele von Ihnen werden schon einmal körperliche Empfindungen erlebt haben, die extrem unangenehm waren. Vielleicht hat es sich sogar beängstigend angefühlt, wie zum Beispiel ein stundenlanges, heftiges Drehen oder ein sehr abruptes lautes Dröhnen in Ihren Ohren oder in Ihrem Kopf. Vielleicht leiden Sie immer noch unter diesen Empfindungen und Geräuschen, ohne dass Sie Linderung erfahren.

Dies sind Beispiele für Schwindel (Vertigo) – ein Gefühl von Bewegung, obwohl Sie still stehen – und Tinnitus – Geräusche in Ihrem Kopf oder Ihren Ohren, die nicht aus der äußeren Umgebung kommen. Sowohl Schwindel als auch Tinnitus können jeden von uns treffen, in jedem Alter.

Sie sind so weit verbreitet, dass wahrscheinlich jeder von uns schon einmal auf irgendeine Art diese äußerst unangenehmen Empfindungen erlebt hat. Es betrifft Männer und Frauen, junge und alte Menschen. Dabei kann es sich um Knackgeräusche oder Quietschen handeln, das kommt und geht, oder um Schwindelgefühle in Kopf und Körper. Es kann sich beängstigend anfühlen und Stunden oder nur wenige Sekunden andauern. Damit erhalten wir alle einen Eindruck davon, wie lähmend und störend diese außer Kontrolle geratenen Symptome sein können.

Aber was können wir tun, wenn sie anhalten? Wie gehen wir damit um, wenn diese Empfindungen nie aufhören, obwohl die Ärzte alles tun, was sie können? Ich hoffe, dass Sie mit der Lektüre dieses Buches einen Plan für Ihre eigene Genesung entwickeln. Ich hoffe, dass Sie ein besseres Verständnis dafür bekommen, was Ihr Körper durchmacht, was Ärzte für Sie tun können und was nicht, und warum Sie sich so fühlen, wie Sie sich fühlen.

Das Dilemma

Menschen, die unter Schwindel oder Tinnitus leiden, leben in einem Körper, der Empfindungen erzeugt, vor denen man nicht weglaufen und die man auch nicht einfach ausblenden kann. Sie lassen sich auch nicht medikamentös behandeln. Sie können einen in den Wahnsinn treiben, dazu führen, dass man sich abnormal fühlt oder sich selbst die Frage stellt: Werde ich verrückt?

Doch ich versichere Ihnen: Sie werden nicht verrückt! Sie hören diese Geräusche tatsächlich und Ihr Schwindelgefühl ist echt. Schwindel und Tinnitus sind das Ergebnis von natürlichen Impulsen (oder Signalen), die von Neuron zu Neuron durch Ihr Gehirn und Ihren Körper wandern. Unabhängig von Ihrer Diagnose erleben Sie bei allen Formen von Schwindel und Tinnitus ein neuronales Feuerwerk in Ihrem Gehirn und Ihrem ganzen Körper, das nicht zu Ihrer aktuellen Umgebung passt. Es ergibt keinen Sinn und fühlt sich falsch an. Wir nennen dies einen sensorischen Konflikt. Sie sehen, hören oder fühlen Dinge, die nicht mit der Realität übereinstimmen. Zum Beispiel könnten Sie ein Summen hören, das aber nirgendwo herkommt. Oder Sie spüren ein räumliches, desorientiertes Gefühl, wenn Sie still stehen oder einfach nur spazieren gehen. Diese Geräusche und Empfindungen kommen von neuronalen Impulsen, die in Ihrem Nervensystem erzeugt werden.

Für den Anfang möchte ich, dass Sie verstehen, dass es sich bei diesen seltsamen Gefühlen oder Geräuschen um neuronale Muster handelt, die in Ihrem Gehirn und Ihrem Körper ablaufen. Sie können trotz völlig normaler medizinischer Befunde auftreten. Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Ärzte entsprechende medizinische Tests anordnen werden, um festzustellen, ob ein medizinischer Eingriff erforderlich ist. Es kann aber durchaus sein, dass bei Ihrem MRT- oder CT-Scan, bei Bluttests, Hörtests und Ähnlichem keine Anomalien festgestellt werden.

Bei diesen Empfindungen von Schwindel oder Tinnitus handelt es sich um neuronale Muster, die nur Sie hören oder fühlen. Sie werden von Ihrem Gehirn und Ihrem gesamten Körper erzeugt. Vielleicht können Ihnen die Ärzte eine Ursache dafür nennen, vielleicht aber auch nicht.

Die meisten Menschen wollen wissen: Warum fühle ich mich so? Warum macht mein Körper das? Gibt es dafür einen medizinischen Grund, der noch nicht erkannt wurde? Es kann sehr frustrierend sein, wenn Ihre Ärzte oder medizinischen Fachkräfte diese Fragen nicht beantworten können. Der Körper ist ein komplexes Gebilde, bestehend aus physischen, mentalen, emotionalen und spirituellen Aspekten hinsichtlich seiner Gesundheit. Wird nach einer eingehenden Untersuchung keine medizinische Ursache gefunden, fühlen Sie sich wahrscheinlich erst einmal verloren. Es gibt jedoch einen anderen Weg, um Informationen über Ihren Körper zu sammeln. Was ist also der nächste Schritt? An wen können wir uns wenden, um Informationen über unsere geistige, emotionale und spirituelle Gesundheit zu erhalten? Und was noch wichtiger ist, was kann Ihnen dabei helfen, gesund zu werden?

Dauerhafte Nervenschäden können Sie nicht rückgängig machen, um wieder der Mensch zu werden, der Sie einmal waren. Sie haben jedoch die Möglichkeit, Ihre Nervenbahnen zu verändern, indem Sie Ihre funktionsfähigen Nervenbahnen nutzen. Trotz bleibender Schäden sind Sie in der Lage, sich wieder wohlzufühlen und wieder normale Empfindungen zu haben. Mithilfe der Neuroplastizität können Sie selbst dazu beitragen: körperlich, geistig, emotional und spirituell.

Ich lade Sie ein, nach innen zu schauen. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Körper die Neuronen aus einem bestimmten Grund aktiviert. Auch wenn Sie es im Moment vielleicht nicht verstehen, können Sie durch Selbststudium, mitfühlende Selbstwahrnehmung und eine Praxis der Selbstliebe Schichten des inneren Wissens freilegen, was Ihnen dabei hilft, die neuronalen Muster und Empfindungen zu verstehen, die Sie fühlen.

Zu der Zeit, als ich meinen eigenen Schwindel und Tinnitus überwand, praktizierte ich bereits seit 15 Jahren Yoga. Durch meine tägliche Übungspraxis lernte ich, die Ebenen der Gesundheit in meinem Körper zu beobachten. Yoga hat mich nicht notwendigerweise geheilt, aber es hat mir die Fähigkeiten der Selbstbeobachtung, des Selbstmitgefühls und des Nicht-Urteilens vermittelt. Es verhalf mir zu der Überzeugung, dass ich meinen Körper und meinen Geist verändern kann, wenn ich mich darum bemühe. Nach über 7.000 Ausbildungsstunden war ich schließlich eine anerkannte Yogalehrerin. Ich hatte dann das Privileg mitzuerleben, wie sich Körper und Geist meiner Yogaschüler veränderten, während sich ihre Praktiken und Fähigkeiten im Selbststudium weiterentwickelten. Aus dieser Perspektive erkannte ich, dass meine Fähigkeiten als Yogalehrerin auch meinen Patienten mit Vertigo-Beschwerden wirklich weiterhelfen könnten. Im Yoga bezeichnen wir den Prozess des Selbststudiums als Svādhyāya (gesprochen „svah-t-ya-ya“). Es ist die persönliche Erforschung unseres Selbst, die uns unserer inneren Wahrheit näherbringt und uns zu Selbstverwirklichung und innerem Frieden führt. Jeder ist in der Lage, sich selbst zu studieren. Nicht jeder muss dafür Yoga betreiben oder sich intensiv der Meditation widmen. Es gibt zahlreiche andere einfache und leicht zugängliche Möglichkeiten, nach innen zu schauen und die Empfindungen der eigenen inneren Welt zu erforschen. Eine der wirkungsvollsten Yogapraktiken ist der Bodyscan.

Probieren Sie es jetzt aus: Eine genaue Anleitung für den „Bodyscan“, eine Methode des Selbststudiums aus der Yogatradition, finden Sie am Ende dieses Kapitels.

Die verschiedenen Ebenen von Gesundheit

Oft lernen wir erst durch Verletzungen, Traumata, Verlust oder eine Notlage etwas über unser Innenleben. Wenn das Leben in guten, geordneten Bahnen verläuft, neigen wir dazu, uns der Freude und den Aktivitäten des Lebens hinzugeben, ohne das Bedürfnis zu verspüren, nach innen zu schauen. So wissen Sie wahrscheinlich nur sehr wenig über Ihr Knie und seine Funktionsweise, bis Sie sich eventuell verletzen und während der Rehabilitation etwas darüber erfahren. Zuvor schien es nicht wichtig zu sein und Sie haben vielleicht nicht allzu viel darüber nachgedacht. Das Knie hat einfach funktioniert.

Aus Sicht der Yoga-Philosophie spricht und kommuniziert unser Körper ständig mit uns. Dazu gehören körperliche Empfindungen sowie Emotionen und Gefühle. Die Kommunikation zwischen unserem Geist und Körper ist häufig dann am lautesten, wenn wir Schmerzen haben. Beschwerden machen es uns schwieriger, die Signale des Körpers zu ignorieren. Es könnte sein, dass Ihr Körper nach Ruhe, Schlaf oder Streicheleinheiten schreit. Vielleicht benötigt er eine bessere Ernährung, mehr Bewegung oder Anregungen. Oder vielleicht sucht er nach Unterstützung, Zugehörigkeit, Selbstliebe und Selbstakzeptanz – oder nach Kreativität, Freiraum, Verbindung, Intimität und vielem mehr.

Wenn wir uns gut fühlen, machen wir uns nicht wirklich Gedanken über unseren Körper und nehmen ihn nicht besonders wahr. Wir sind zu sehr damit beschäftigt zu leben und in unserem Leben voranzukommen! Meistens sind es Schmerzen, Anstrengungen und Schwierigkeiten, die uns mehr über unsere innere Welt lehren. Wir spüren Bereiche unserer inneren Welt, die niemand sonst spüren oder erfahren kann.

Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass wir immer glücklich sein sollten. Durch die Werbung wird uns vermittelt, dass wir ein bestimmtes Produkt kaufen müssten, um unsere Probleme zu lösen. Unerwünschte Gefühle wie Schmerzen, Depressionen oder Ängste werden als Störungen abgestempelt, anstatt sie als normale und wirksame Möglichkeiten zu betrachten, mit denen uns unser Körper etwas mitteilen kann. Wenn nicht Sie auf Ihren Körper hören, dann tut es keiner. Es mag seltsam klingen, aber es ist normal, das gesamte Spektrum an Emotionen zu empfinden: Eifersucht, Feindseligkeit, Überraschung, Freude, Kraft, Kummer, Traurigkeit, Einsamkeit oder Ruhe, um nur einige zu nennen. Alle Emotionen enthalten eine Botschaft der Weisheit und lehren uns etwas über uns selbst und unsere Umwelt. Dazu gehören auch Emotionen, die von unseren unerwünschten Geräuschen und Empfindungen ausgelöst werden. Oft beeinflussen unsere Emotionen unsere Entscheidungen und steuern unsere Handlungen. Wenn wir lernen, uns mit unserer inneren Welt zu verbinden und unser emotionales Selbst zu unterstützen, können wir klarer denken und in der äußeren Welt besser wirken.

Doch meistens wird uns beigebracht, diese oder jene Pille zu kaufen und uns darauf zu verlassen, dass andere uns helfen. Vielleicht machen wir den Fehler, uns selbst zu erniedrigen, indem wir unsere Gefühle ignorieren und uns selbst als abnormal ansehen. Eine andere Perspektive wäre, sich zu sagen: Ich darf mich so fühlen. Mein Körper kommuniziert mit mir und signalisiert, dass er etwas benötigt. Was könnte er benötigen? Ich kann die Unterstützung finden, die ich dafür brauche. Ich schaffe das.

In vielen Kulturen auf der ganzen Welt werden wir darauf trainiert, unsere Gefühle zu unterdrücken und anderen gegenüber nur positive Gefühle zu zeigen. Uns wird gesagt: „Nicht weinen. Beruhige dich.“ Das führt zu einem Problem in unserer inneren Welt. Die äußere Welt (die Gesellschaft und alles außerhalb von uns) sagt uns, dass wir glücklich sein sollten. Aber vielleicht fühlen wir uns einfach „nicht ganz richtig“ (NGR). So können wir in eine Spirale aus Scham, Schuldgefühlen, Depression, Angstzuständen und dergleichen geraten. Unsere innere Welt ist voller schwieriger, unterdrückter Emotionen, die wir nie gelernt haben auszuleben. Also schieben wir sie weg. Unser Körper steigert die Intensität dieser Empfindungen immer weiter und schafft einen Kreislauf, der sich immer wieder nicht richtig anfühlt oder anhört.

Diese Situation kann überwältigend werden: Man mag nicht, was man fühlt, aber man kann nicht davor weglaufen, und niemand kann es einem erklären. Die Ursache scheint unsichtbar zu sein, wodurch ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit entstehen kann. All das entwickelt sich möglicherweise zu einem großen, düsteren, schwierigen Problem, das niemand versteht und von dem man nicht weiß, wie man es bewältigen soll. Verdrängen funktioniert nicht. Sie sind nicht glücklich. Sie fühlen sich vielleicht nicht normal. Sie versuchen, so zu tun, als ob und schlagen sich irgendwie durch. Aber Sie fühlen sich einfach nicht wohl.

Wenn Sie davon ausgehen, dass Ihr Körper versucht, sich Ihnen mitzuteilen, dann werden die Empfindungen umso stärker, je länger Sie sie ignorieren. Ihr Körper will, dass Sie mit ihm reden. Nicht, dass Sie über ihn reden. Nicht, dass Sie ihn reparieren. Nicht, dass Sie ihn bewerten. Nicht, dass Sie diese Gefühle loswerden. Ihr Körper will, dass Sie die Botschaft beherzigen, die er übermittelt. Alle Gefühle sind normal. Ihre innere Welt ist einzigartig. Sie enthält all Ihre Erinnerungen, Gedanken und Ideen; sie enthält Ihre Träume, Albträume, Ängste und Sehnsüchte. Es ist normal, dass Sie fühlen, was in Ihnen vorgeht. Niemand sonst kann verstehen, was es bedeutet, Sie zu sein. Aber Sie können es.

Für die Heilung ist es wichtig, die vielen Schichten in Ihrem Inneren kennenzulernen, um festgefahrene oder aufgestaute Gefühle loszulassen, sich in Ihrer inneren Landschaft zurechtzufinden und sich in Ihrem Körper wieder zu Hause zu fühlen. Es ist wichtig, dass Sie Ihre körperlichen, geistigen, emotionalen und spirituellen Aspekte kennen, damit Sie sich wieder mit Ihrem wahren Ich verbinden und sich wieder gut fühlen. Ich rate Ihnen nicht, sich auf Ihre Symptome zu konzentrieren, sondern auf die tieferen Botschaften zu hören, die Ihr Körper Ihnen über diese Sinneskanäle sendet.

Die meisten Menschen sind auf die Wiederherstellung ihrer physischen Gesundheit fixiert. Dieser Fokus führt oftmals dazu, dass wir uns zwanghaft auf körperliches Training oder unsere Ernährung konzentrieren. Oft vernachlässigen wir die spirituelle Ebene unserer Gesundheit. Werfen Sie einen Blick nach innen. Was teilt Ihnen Ihr Körper mit? Welche Bereiche funktionieren gut? Von welchen Bereichen fühlen Sie sich getrennt?

Ändern Sie jetzt noch nichts und bewerten sie nichts. Beginnen Sie zunächst damit, die verschiedenen Bereiche Ihrer inneren Welt wahrzunehmen. Zelebrieren Sie diese Wahrnehmungs- und Entdeckungsphase. Sie werden mehr über sich selbst erfahren und sich wohler fühlen, wenn Sie Ihr eigener Experte geworden sind. Neuroplastizität ist ein Prozess der Selbsterkenntnis.

Damit Sie zu Hause Ihre Übungen entwickeln können, sollten Sie zunächst mehr über Ihre innere Welt erfahren. Hier sind einige Beispiele für die inneren Ebenen der Gesundheit:

KÖRPERLICH

MENTAL

EMOTIONAL

SPIRITUELL

Bewegung

Selbstgespräche

Stressmuster

Wertvorstellungen

Körperhaltung

Gedanken

Kampf/Flucht/Erstarren

Träume

Anspannung/Entspannung

Zweifel

Das gesamte Spektrum der Gefühle von Angst über Wut und Freude bis hin zu Frieden

Kreativität

Schlaf

Ängste

Zugehörigkeit

Sexualität

Ideen

Bestimmung

Beziehung zu Ihrem inneren Selbst

Das Gehirn

Das Gehirn und das Nervensystem bestehen aus vielen Nervenzellen, den sogenannten Neuronen. Jedes Neuron hat eine Aufgabe zu erfüllen und eine Nachricht zu übermitteln. Das geschieht kontinuierlich. Ein neuronales Muster entsteht, wenn sich die Nervenzellen wiederholt gegenseitig Botschaften übermitteln. Sie bilden eine neuronale Karte bzw. einen neuronalen Kreislauf, der während der Lernprozesse fest verdrahtet wird. So müssen wir nicht jeden Tag alles neu lernen. Wir wachen auf und wissen, wie wir gehen, sprechen und unsere Umgebung interpretieren können. Dieses Wissen und diese Fähigkeiten sind bereits im Gehirn und im Körper eines jeden Menschen entwickelt und fest verankert.

Wir erschaffen unseren neuronalen Schaltplan durch Wiederholung, durch Umwelteinflüsse und durch den emotionalen Kontext. Dinge, die wir lieben oder hassen, erhalten einen höheren Stellenwert als Dinge, an denen wir wenig Interesse zeigen. Deshalb wirkt sich unser emotionaler Zustand auf unsere neuronale Vernetzung aus. Die Dinge, die uns am Herzen liegen, werden am effektivsten verdrahtet. Um zu überleben, mussten wir uns seit jeher der Gefahren (Tiger, Erdbeben, Hungersnot usw.) und unserer Bündnisse (Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, geliebte Menschen und Freunde usw.) bewusst werden. Emotionen spielen eine wichtige Rolle beim Abbilden der Welt, wie wir sie sehen, fühlen und hören.

Neuronale Impulse wandern vom Gehirn zum übrigen Körper und umgekehrt. Die sensorischen Botschaften werden in alle Richtungen ausgesandt. Das System ist wunderbar komplex und es gibt noch so viel mehr über die vielen neuronalen Muster des menschlichen Körpers zu erfahren.

Was immer Sie fühlen, ist echt. Auch wenn es die Wissenschaft nicht erklären, finden, testen, grafisch darstellen oder sehen kann. Ihre Wahrheit ist, dass Sie es in sich spüren, und dieses Gefühl wird über eine Nervenbahn in Ihrem Gehirn und Ihrem gesamten Körper transportiert. Es gibt so viele Nervenbahnen in Ihrem Körper, dass es unmöglich ist, sie alle zu testen. Viele Ihrer neuronalen Muster sind gesund und funktionieren wunderbar, wie zum Beispiel die neuronalen Bahnen im Sprachzentrum Ihres Gehirns, während Sie diese Seite lesen. Die „Wortkarte“ in Ihrem Gehirn erkennt Wörter und bildet den Sinnzusammenhang innerhalb der Sätze.

Wenn Sie Ihre Symptome spüren, senden einige Ihrer Neuronen Muster von Schwindel, Ungleichgewicht, Übelkeit, Klingeln, Brummen, Rauschen, Drehen, Schaukeln oder Schwanken aus. Ein Überbegriff, mit dem ich all diese Symptome auf neutralere Weise zusammenfasse, ist das Gefühl, „nicht ganz richtig“ zu sein (NGR – Sie werden feststellen, dass ich diesen Überbegriff im gesamten Buch unter dieser Abkürzung verwende). Zunächst werden Sie ärztlich untersucht hinsichtlich körperlicher Ursachen dieser NGR-Symptome. Wenn keine zu finden sind, dann danken wir ihnen für die medizinische Abklärung und beginnen den neuroplastischen Ansatz zur Heilung. Das Gefühl von NGR kann ein Hinweis darauf sein, dass etwas in den mentalen, emotionalen oder spirituellen Bereichen Ihrer inneren Welt aus dem Gleichgewicht geraten ist. Ihre Erkenntnisse aus dem Selbststudium können Ihnen helfen, Ihre NGR-Empfindungen zu identifizieren und zu verstehen, was diese für Sie bedeuten.

Um unerwünschte Empfindungen zu heilen und zu einem Gefühl der Normalität zurückzukehren, müssen Sie Ihre neuronalen Netzwerke neu trainieren. Das ist etwas, das Sie mithilfe von Anleitung, Unterstützung und einer methodischen täglichen Übungspraxis erreichen können. Medikamente sind nicht in der Lage, die Neuronen für Sie zu verändern. Das können auch nicht Ihre Familienangehörigen, Ärzte, Physiotherapeuten, Audiologen oder Psychologen. Nur Sie können Ihre neuronalen Landkarten verändern, was Sie in einem schrittweisen Prozess erlernen.

Kurz gesagt: Sie nutzen die gesunden Neuronen in Ihrem Gehirn und Ihrem Körper, um geschädigte Bahnen zu überschreiben und neue neuronale Verknüpfungen zu schaffen, die sich wieder normal anfühlen.

Um diese neuen normalen Empfindungen zu ermöglichen, müssen Sie zunächst klären, was für Sie „normal“ bedeutet. Neuroplastizität ist ein Prozess des Fühlens, daher ist es wichtig, dass Sie genau wissen, wie sich Ihr Normalzustand anfühlt. Es geht nicht darum, die Symptome loszuwerden, sondern vielmehr darum, die für Sie „normalen“ Empfindungen neu zu definieren. Der Aufbau neuer gesunder Nervenbahnen wird dann zu Ihrer täglichen Praxis. Sie bauen diese Bahnen auf, indem Sie üben, sie auf die von Ihnen gewählte Weise zu spüren.

Im Laufe Ihres Selbststudiums wird Ihnen klar werden, wie Sie sich fühlen wollen, wie Sie Ihre Neuronen mithilfe der Neuroplastizität neu konfigurieren und diese Übungspraxis täglich umsetzen können. Es ist Ihr Körper, also sind Sie die Person, die die gewünschten Veränderungen in sich selbst herbeiführt. Sie entscheiden, wie Sie üben und welche Mittel Sie zur Unterstützung einsetzen.

Eine der größten Hindernisse auf dem Weg zur Heilung sind Zweifel daran, dass man tatsächlich selbst dazu in der Lage ist. Viele Menschen tun sich schwer damit, ihren neuen Normalzustand zu definieren, und bleiben bei dem Versuch stecken, die Symptome loswerden zu wollen. Sie können nicht mit dem täglichen Training beginnen, da sie nicht wissen, welche neuen neuronalen Verbindungen sie aufbauen sollen. Sie fokussieren sich weiterhin auf ihre Schwindel- oder Tinnitussymptome und ihr Gefühl festzustecken bleibt bestehen. Heilung kann erst dann beginnen, wenn Sie geklärt und definiert haben, was es für Sie bedeutet, sich „normal“ zu fühlen. Es kann zum Beispiel bedeuten, Frieden zu empfinden und nicht nur die Abwesenheit von Symptomen. Mit dieser Einsicht können Sie dann beginnen, Instrumente zu entwickeln, die Ihnen helfen, täglich Frieden zu empfinden. Diese positive innere Erfahrung kann jeden Tag durch Wiederholungen verstärkt werden, sodass neue neuronale Netzwerke entstehen können. Mit der Zeit können Sie ein neues, friedvolles Gefühl der Normalität entwickeln.

Wenn Sie jedoch jemanden suchen, der Sie wieder in Ordnung bringt, dann sind Sie vielleicht noch nicht bereit, Ihre Neuronen neu zu trainieren. Es kann ein anstrengender Prozess sein zu lernen, an sich selbst zu glauben. Manche Menschen befinden sich jahrelang in der Erwartungshaltung, dass andere sie heilen werden, und geben Unmengen an Geld für Behandlungen aus, in der Hoffnung, dass ihre Symptome dadurch verschwinden. Es kann ein schmerzhafter Prozess sein, bis man es eines Tages satthat, darauf zu warten, dass andere ein Wunder vollbringen und sich plötzlich bereit dafür fühlt, es selbst in die Hand zu nehmen.

Der Ausgangspunkt ist die Bereitschaft zu lernen. Fragen Sie sich selbst: Bin ich bereit, daran zu glauben, dass mein Körper heilen kann?

Warum kann mir kein Arzt helfen?

Viele Menschen, die unter Schwindel oder Tinnitus leiden, haben schon mehr als einen Arzt oder Gesundheitsexperten aufgesucht, um ihre Symptome abklären zu lassen. Einige meiner Patientinnen und Patienten berichteten, dass sie bei mehr als fünfzehn Ärzten waren und sie sich trotz deren Bemühungen immer noch hoffnungslos fühlten.

Warum ist das so?

Oftmals wird nicht bedacht, dass die Heilung von Schwindel und Tinnitus ein Prozess ist. Ärzte untersuchen die Symptome, indem sie Tests anordnen, um eine medizinische Ursache herauszufinden, die sie dann behandeln können. Diese Tests sind wichtig, aber oft helfen uns die Testergebnisse nicht weiter, um die Symptome zu beseitigen. Oder die Ergebnisse und Diagnosen sind nur vage. Vielleicht wird Ihnen mitgeteilt, dass man nichts mehr für Sie tun kann. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Denn Ärzte können Ihre Nervenbahnen nicht neu für Sie einstellen. Nach Abschluss einer umfassenden Untersuchung kann man tatsächlich nichts weiter tun, außer Sie zu ermutigen, sich über Neuroplastizität zu informieren. Vielleicht erhalten Sie eine Überweisung an einen Spezialisten für Rehabilitation, der Sie darin unterstützt, die Heilung durch Neuroplastizität zu erlernen. Allerdings sei angemerkt, dass es nur wenige solcher Spezialisten gibt.

Meine Ausbildung in Neuroplastizität erhielt ich eher zufällig. Es war eine Kombination aus meiner Yogapraxis und der Erkenntnis, dass der Körper sich verändern kann, meinem Studium der Psychologie (einschließlich der Akzeptanz- und Commitmenttherapie sowie der kognitiven Verhaltenstherapie) und der Neurowissenschaften, die mir die Physiologie und die verhaltensbezogenen Aspekte von Veränderung vermittelten. Entscheidend war natürlich auch meine Spezialisierung als Gehörspezialistin für Gleichgewichtsstörungen, bei der ich die subtilen Aspekte des Nervensystems kennenlernte, die für Schwindel und Tinnitus charakteristisch sind. Ich habe nie versucht, etwas über Neuroplastizität zu lernen; ich habe es eher durch das Leben selbst gelernt. Mein wissenschaftliches Studium lehrte mich, alles zusammenzufügen, was ich bei meinen Klienten, meinen Yogaschülern und natürlich durch meine eigenen Erfahrungen im Leben beobachtet hatte. Neuroplastizität war so viel mehr als nur ein Fachbegriff aus einem neurowissenschaftlichen Lehrbuch; für mich wurde sie zu einem kraftvollen Bestandteil meiner Lebensweise, den ich zu nutzen lernte.

Ärzte sind dafür ausgebildet, Krankheiten zu diagnostizieren und Therapien zu empfehlen. Es ist nicht ihre Aufgabe, Sie über den Genesungsprozess aufzuklären, der erforderlich ist, um die Nervenbahnen neu zu verdrahten und damit die Symptome zu lindern. Sie sind geschickt darin, Krankheiten, Leiden und Befindlichkeiten zu erkennen, die für bestimmte Symptome verantwortlich sind. Wenn sie keine Ursache finden, versichern sie Ihnen, dass Sie sich nicht in ernsthafter medizinischer Gefahr befinden. Mit ihrer diagnostischen Kompetenz können Mediziner Sie über die Vorgänge in Ihrem Körper aufklären. Das ist ein wichtiger Teil des Genesungsprozesses.

Nennen wir Folgendes Phase 1: Untersuchung, Diagnose und medizinische Abklärung.

Der wichtigste Teil von Phase 1 ist die ärztliche Abklärung. Sie müssen sich vergewissern, dass sich Ihre Vitalparameter im gesunden Bereich befinden. Die erste Frage muss lauten: Ist alles in Ordnung? Brauche ich medizinische Hilfe?

Nach der medizinischen Abklärung können Sie sich von Ihren Ärzten beruhigen lassen und eine mögliche Diagnose erhalten. Selbst wenn diese nicht eindeutig ist, so ist die ärztliche Abklärung entscheidend, um die nächsten Schritte im Genesungsprozess einzuleiten. Durch die von Ihren Ärzten angeordneten Tests erfahren Sie mehr über Ihre Diagnose und erlangen medizinische Gewissheit. Die Tests sind nicht dazu gedacht, Sie zu heilen, sie dienen lediglich der Diagnose. Im zweiten Teil dieses Buches werden wir uns bestimmte medizinische Tests genauer ansehen.

Nach medizinischer Abklärung und Diagnose sind Sie nun so weit, sich mit Ihrem eigenen Genesungsprozess zu befassen. Dazu gehört auch, dass Sie lernen, wie Sie die Neuroplastizität nutzen können, um Ihre anormalen neuronalen Empfindungen zurückzusetzen, damit Sie sich wieder gut fühlen können.

Nennen wir Folgendes Phase 2: Stimulierung der Genesung und Erlernen, Neuroplastizität zu nutzen.

Leider können Ärzte uns nicht von unseren unerwünschten Empfindungen befreien. Ihr Arzt wird mit Ihnen besprechen, ob Medikamente Ihre Heilung unterstützen können. Mit Medikamenten kann man versuchen, die Symptome in den Griff zu bekommen, es ist aber keine langfristige Lösung.

Vielleicht fühlen Sie sich nach dem Arztbesuch nicht ernst genommen oder missverstanden. Ich habe bei Klienten auf der ganzen Welt erlebt, dass sie nach dem Diagnoseprozess hoffnungslos waren, ständig über ihre Symptome nachgedacht haben und schlussendlich noch frustrierter waren. Es ist niemandes Schuld. Sie tun Ihr Bestes und Ihre Ärzte tun das auch. Sie bieten alle Lösungen und Behandlungsmöglichkeiten an, die ihnen zur Verfügung stehen. Für Ärzte ist es schwer mitanzusehen, dass sie Ihre Schmerzen nicht lindern können. Sie wollen Ihnen helfen, aber wenn sie noch keine Erfahrung mit Behandlungsmethoden haben, die Neuroplastizität mit einbeziehen, wissen sie vielleicht nicht wie.

Um den ganzen Menschen zu behandeln und die Symptome zu verstehen, muss man über die körperliche Untersuchung der Symptome hinausgehen und die mentalen, emotionalen und spirituellen Aspekte der Genesung ansprechen. Es geht um Ihre innere Welt und Ihr inneres Erleben – Ihre „Ganzheit“, einschließlich Ihrer Träume, Wertvorstellungen, Gefühle, Wünsche, Beziehungen, Kreativität und Sexualität. Die mentale, emotionale und spirituelle Untersuchung ist ein individueller Prozess, bei dem Sie selbst der Experte sind. Sie suchen vielleicht nach einem hoch qualifizierten medizinischen Experten, der Ihnen die Lösung auf dem Silbertablett serviert, aber in Wirklichkeit ist jeder Experte nur auf einem bestimmten Gebiet hoch qualifiziert. Sie können nur ein oder zwei Teile des Puzzles anbieten. Es liegt an Ihnen, all die kleinen Teile zusammenzutragen und sich selbst einen Reim darauf zu machen.

Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO) ist Experte für die Untersuchung der Anatomie Ihres Ohres. Der Neurologe ist Experte für Ihr Gehirn, Ihre Reflexbahnen und die MRT-Analyse. Der Physiotherapeut ist Experte für Übungen des Bewegungsapparates und des Gleichgewichtsorgans. Der Audiologe ist Experte für Ihr Gehör und Ihr Gleichgewichtssystem. Der Psychologe ist Experte für die psychologische Diagnose und Therapie. Der Ernährungsberater ist Experte für Ihre Ernährungsbedürfnisse und so weiter. Aber Sie selbst kennen sich besser, als es je ein anderer könnte. Sie sind der Experte für das, was Sie fühlen und brauchen.

Beginnen Sie damit, jede der Übungen in diesen Kapiteln auszuprobieren und ein tägliches Trainingsprogramm zu entwickeln. Lesen Sie weiter. Lernen Sie weiter. Glauben Sie an sich selbst.

Hier nun meine Fragen an Sie: Sind Sie bereit, die Beziehung zu Ihren medizinischen Fachkräften neu zu gestalten? Sind Sie bereit, sie in Ihr Genesungsteam einzuladen, mit Ihnen als Teamleiter? Sind Sie bereit, Ihr eigener Experte zu sein? Wie würde es sich anfühlen, Ihre Ärzte als Assistenten bei der Abklärung Ihrer Erkrankung zu betrachten, anstatt von ihnen zu erwarten, dass sie Ihnen Gewissheit geben oder die Symptome für Sie beheben?

Ich weiß, dass dies anfangs irritierend klingt. Aber es kann auch ermutigend sein. Sie selbst treffen nun die Entscheidungen und tragen die nötigen Informationen zusammen. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, und holen sich die Unterstützung, die Sie benötigen. Bleiben Sie offen hinsichtlich der Ergebnisse und befreien Sie sich von den Erwartungen an sich selbst und an Ihren Körper. Nehmen Sie wahr, dass Sie sich verändern, und gehen Sie liebevoll mit sich um, während Sie lernen, auf Ihre im Wandel begriffenen Bedürfnisse einzugehen.

Geduld, Selbstliebe und Selbstmitgefühl sind wesentlich für die Neuroplastizität. Niemand kann gut lernen, wenn er gestresst ist oder sich kritisiert fühlt. Wir müssen uns wohlfühlen und entspannt sein, um neue Nervenbahnen aufzubauen. Der gesamte Prozess beruht auf dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ – nur Sie selbst wissen, was Sie jeweils fühlen und was Sie fühlen wollen. Neuroplastizität ist die Kunst, bei Bedarf diese Diskrepanz schließen zu können.

Ich lade Sie ein, sich nicht länger auf die Symptome zu konzentrieren, sondern stattdessen die Fülle der Empfindungen wahrzunehmen, die Sie in Ihrem ganzen Wesen spüren. Versuchen Sie nicht mehr, Ihre Symptome loszuwerden. Lassen Sie die NGR-Empfindungen zu und richten Sie Ihren Fokus auf neue Empfindungen, die irgendwo in Ihrem Körper auftauchen. Forschen Sie nach der Weisheit, die in Ihnen schlummert. Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Empfindungen eine wichtige Botschaft für Sie enthalten und behandeln Sie sie liebevoll. Sowohl angenehme als auch unangenehme Empfindungen kommen und gehen, ohne dass wir sie kontrollieren können. Erleben Sie Ihre Empfindungen bewusst, wenn sie auftauchen. Sie können sie vorbeiziehen lassen oder sich ihnen entgegenstellen und dadurch dem Gehirn beibringen, sie zu verstärken. Wir Menschen können kontrollieren, worauf wir uns fokussieren, und wir haben jederzeit eine riesige Auswahl an Empfindungen, aus denen wir wählen können. Sie haben die Wahl, auf welche Ihrer inneren Empfindungen Sie sich konzentrieren wollen.

Probieren Sie die Übungen am Ende des Kapitels aus, beginnend mit dem Bodyscan. Betrachten Sie sich als Anfänger. Begegnen Sie sich selbst zum ersten Mal. Nehmen Sie wahr, was Sie von Kopf bis Fuß spüren, und werden Sie neugierig auf Ihre innere Welt. Erspüren Sie all Ihre inneren Empfindungen mit Achtsamkeit. Wenn Sie beginnen, Ihrem Körper mit mehr Mitgefühl und Freundlichkeit zu begegnen, können Sie sich auch dafür öffnen, die Chemie Ihres Gehirns und Ihres Körpers zu verändern.1

Wenn man mit anhaltenden Symptomen und endlosen medizinischen Untersuchungen konfrontiert ist, ist es ganz normal, dass man ängstlich, gestresst, selbstkritisch oder in starren Denkmustern gefangen ist. Machen Sie sich also keine Sorgen, wenn Sie diese Gefühle bei sich selbst feststellen. Die Entwicklung Ihrer Eigenwahrnehmung und die behutsame Auseinandersetzung mit den Aspekten Ihrer inneren Welt sind ein wichtiger Teil der Neuroplastizität und der Heilung. Sie gewinnen Einsichten und lernen, Ihr eigener Experte zu sein. Sie lernen, wie Sie sich als eigener Freund selbst unterstützen können.

Vielleicht denken Sie: „Joey, das hat nichts mit meinen Emotionen und Gefühlen zu tun – ich will nur meine Symptome loswerden.“ Doch ich habe Menschen getroffen, die ihre Tinnitusgeräusche genießen, und andere, die Geld dafür bezahlen, dass bei ihnen Schwindelgefühle ausgelöst werden, weil ihnen gerne schwindlig ist. Es ist die emotionale Beziehung zu den Symptomen, die die neuronalen Auswirkungen beeinflusst, und diese Beziehung können wir tatsächlich kontrollieren – wenn wir in uns selbst hineinschauen.

Zusammenfassung

• Schwindel und Tinnitus sind neuronale Empfindungsmuster, die im Gehirn und im Körper blitzschnell ablaufen. Sie können bei – aus medizinischer Sicht – völlig gesunden Menschen auftreten. Diese Empfindungen können Anzeichen sein, dass etwas in den physischen, mentalen, emotionalen oder spirituellen Bereichen Ihrer inneren Welt aus dem Gleichgewicht geraten ist.

• Ihre neuronalen Muster erzeugen eine Vielzahl von Eindrücken, die sich täglich anpassen und verändern.

• Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Ärzte Sie „reparieren“ können. Vertrauen Sie jedoch darauf, dass Ihre Ärzte die körperliche Ursache Ihrer Empfindungen fachkundig untersuchen. Dies ist ein wichtiger Teil von Phase 1: Untersuchung, Diagnose und medizinische Abklärung.

• Sie sind der Experte Ihrer selbst. Sie allein sind in der Lage, Ihre neuronalen Muster zu ändern. Dies ist Phase 2: Stimulierung der Genesung und Erlernen, wie man die Neuroplastizität nutzt.

• Ärzte und medizinisches Fachpersonal können als Assistenten bei der Abklärung Ihrer Erkrankung betrachtet werden und Sie dabei unterstützen, wichtige Erkenntnisse über Ihren Körper zu gewinnen.

• Ein Teil der Neuroplastizität besteht darin, dass Sie neugierig werden auf Ihre innere Welt und darauf, was Ihr Körper Ihnen mitteilt.

• Indem Sie sich von einer starren Fokussierung auf die Symptome lösen und zu einer urteilsfreien Wahrnehmung aller Empfindungen finden, schaffen Sie bereits neue neuronale Bahnen.

Übungen für zu Hause

Bodyscan

Der Bodyscan ist eine grundlegende Übung für die Heilung durch Neuroplastizität. Dieses Buch bietet mehrere Variationen davon.

Sie können diese Übung im Sitzen, Stehen oder Liegen durchführen. Die im Zusammenhang mit Yoga verwendeten Sanskrit-Namen für diese Varianten des Bodyscans sind sukhāsana (ausgesprochen „soo-kah-sa-na“), tāḍāsana (ausgesprochen „ta-dah-sa-na“) und śavāsana (ausgesprochen „sha-vah-sa-na“).2

Suchen Sie sich einen ruhigen Ort, an dem Sie ungestört für sich sein können. Nehmen Sie die Tiefensensibilität (Propriozeption) Ihres Körpers wahr, vom Kopf bis zu den Zehen. Spüren Sie in die Gegenstände oder Stoffe, mit denen Sie in Berührung sind. Nehmen Sie Ihre linke und rechte Seite wahr, nehmen Sie Ihren Körper von oben bis unten wahr; wie fühlen Sie sich in und außerhalb Ihrer Haut? Nehmen Sie die Welt in Ihrem Inneren wahr und die äußere Welt, die Sie berührt. Beginnen Sie in der Tat, sich selbst wie eine Kunstskulptur zu empfinden. Spüren Sie Ihre Konturen und Ihre Gestalt. Nehmen Sie die Position Ihrer Schultern über Ihrer Hüfte wahr. Spüren Sie Ihre körperliche Mitte.

Nehmen Sie so viele Berührungen wahr wie möglich. Spüren Sie alles. Verbinden Sie sich mit Ihrem Körper und üben Sie, sich sicher zu fühlen, so wie Sie sind. Entwickeln Sie ein Gefühl der Neugier und Achtsamkeit für Ihren Körper und Ihre Biologie. Nehmen Sie wahr, dass sich Ihre Empfindungen ständig verändern. Lassen Sie sich darauf ein, dass jeder Bodyscan eine völlig neue Erfahrung ist.

Spielerische Präsenz

Finden Sie Dinge in Ihrem Leben, die Sie mit Neugier und Begeisterung erfüllen, ganz gleich wie klein sie sind.

Machen Sie eine Liste mit Dingen, die Sie faszinieren und neugierig machen. Sehen Sie Ihr alltägliches Leben mit neuen, nicht-wertenden Augen. Gehen Sie spielerisch mit dem um, was Sie sehen und fühlen. Das stärkt Ihre Konzentration, Ihren Fokus und Ihre Fähigkeit, präsent zu sein. Bewertungen zu vermeiden ist ein wesentlicher Bestandteil der Neuroplastizität. Sie können Ihre Beobachtungen auch in einem Notizbuch festhalten, solange Sie dies für sinnvoll halten.

Meine normalen Empfindungen

Wie fühlt sich „normal“ für Sie an? Denken Sie daran, dass es nicht hilfreich ist, sich auf das zu konzentrieren, was nicht normal ist. Definieren Sie klar für sich, wie sich Ihre Version von Normalität anfühlt, und seien Sie dabei konkret. Zum Beispiel: ruhig, entspannt, sorglos, zuversichtlich, friedlich, klar denkend, beständig, enthusiastisch, hoffnungsvoll ...

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Ein neuer Weg zur Heilung

Die Neuroplastizität hat mir geholfen, meinem Körper wieder zu vertrauen und keine Angst mehr vor meinen körperlichen Empfindungen zu haben. Ich habe dadurch gelernt, meine Gefühle und Überlegungen zu überdenken und neu zu formulieren, während ich mich früher gegen alles gewehrt habe, was mir Unbehagen bereitet hat.

K. H.

Von Neuroplastizität hörte ich zum ersten Mal in einer Vorlesung an der Universität während meines Studiums der Neurowissenschaften. Damals habe ich nicht viel darüber nachgedacht. Es hatte mich nicht sonderlich interessiert, dass sich Neuronen in meinem Körper anpassen, verändern und neu verbinden. Erst als ich spürte, wie diese Veränderungen meinen eigenen Körper heilten, entwickelte ich Ehrfurcht vor diesem biologischen Prozess, bei dem Zellen des Gehirns und des Körpers miteinander „sprechen“. Das Verständnis Ihrer Biologie kann Ihnen helfen, Ihren eigenen neuroplastischen Heilungsprozess zu unterstützen, um chronische Symptome lindern und überwinden zu können.

Unsere Gehirn- und Nervenzellen werden Neuronen genannt. Diese Neuronen sind über den gesamten Körper verteilt und bilden das Nervensystem. Das Nervensystem ist in den Innenohren, den Augen, der Zunge, der Nase, der Haut und dem Gehirn verankert, um im alltäglichen Leben Informationen über die Umwelt zu sammeln. Es ermöglicht uns zu sehen, zu hören, zu fühlen und mit anderen zu interagieren. Das Nervensystem ist für all unsere automatisierten Prozesse wie Atmung, Verdauung, Kreislauf usw. verantwortlich. Jede Nervenzelle im Nervensystem hat die Aufgabe, eine Nachricht vom Gehirn zum Körper und vom Körper zum Gehirn zu übermitteln. Diese Verbindungen finden an den fingerähnlichen Fortsätzen eines jeden Neurons statt; die Nachrichten werden durch Botenstoffe übermittelt, die von einem Neuron zum anderen wandern.

Einfach ausgedrückt sieht ein Neuron aus wie ein Körper mit zwei Armen, die sich nach beiden Seiten ausstrecken (siehe die Abbildung am Anfang des Buches). Stellen Sie sich vor, Sie würden Ihre Arme seitlich ausstrecken und Ihre Finger weit spreizen. Jede Neuronenzelle hat eine unserem Körper ähnliche Struktur mit Armen, Händen und Fingerspitzen. Neuronen funktionieren, indem sie chemische Nachrichten von Fingerspitze zu Fingerspitze senden. Jeder fingerspitzenähnliche Fortsatz hat viele Synapsen, von denen Botenstoffe abgegeben und empfangen werden können. Neuronale Nachrichten entstehen, wenn verschiedene chemische Stoffe von einer Synapse zur nächsten weitergegeben werden; diese chemischen Botenstoffe werden als Neurotransmitter bezeichnet. Die neuronale Nachricht kommt zustande, wenn genügend Botenstoffe in der Nervenzelle vorhanden sind, um einen ungefährlichen elektrischen Impuls zu erzeugen, den wir als Aktionspotential bezeichnen. Jedes erfolgreiche Aktionspotential erzeugt ein neues Signal in der benachbarten Nervenzelle und die Botschaft wandert so lange von Neuron zu Neuron, bis die chemischen Botschaften anzeigen, dass es Zeit ist aufzuhören. Dieser gesamte Prozess ist gesund und normal.

Sie haben eine Fülle von Neuronen, die entlang von Nervenbahnen in Ihrem Körper kommunizieren, und das ist nichts, wovor Sie sich fürchten müssen. Sie haben eine Vielzahl gesunder Neurotransmitter, die durch Ihr Gehirn und Ihren gesamten Körper wandern. Sie erleben diese Impulse des Aktionspotentials den ganzen Tag über, sogar während Sie schlafen. Wenn diese Worte auf Sie einschüchternd wirken oder das alles für Sie gefährlich klingt, seien Sie versichert, dass dieser Prozess der neuronalen Übertragung und Verdrahtung für das Leben selbst unerlässlich ist. Diese neuronalen Verbindungen und Botenstoffe in ihrem Gehirn geben Ihrem Körper die Fähigkeit zu funktionieren.