Brandungstoben - Hanjo Ulbrecht - E-Book

Brandungstoben E-Book

Hanjo Ulbrecht

0,0
6,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gefährlicher Schmuggel in der Bretagne – für alle LeserInnen von Jean-Luc Bannalec, Nicole de Vert und Liliane Fontaine »›Ich bin Ärztin und ich glaube, ich habe eine interessante Story für sie.‹›Und um was geht es?‹, fiel Sylvie ihr ungeduldig und zugleich etwas neugierig ins Wort.›Am Telefon möchte ich das noch nicht sagen. Ich möchte mich persönlich mit Ihnen unterhalten. Ginge das?‹« In Hamburg stirbt eine Ärztin. Eine Journalistin wittert eine brisante Story. Derweil werden an der französischen Atlantikküste gefährliche Medikamente geschmuggelt und Kriminelle betreiben dubiose Geschäfte. Kriminalkommissar a.D. Robert Müller und seine Frau Nanni geraten mitten in einen vertrackten Kriminalfall – dabei wollten sie doch nur ein paar schöne Tage mit ihrem Wohnmobil in der Bretagne verbringen. »Eines ist sicher, es ist ein spannender und fesselnder Krimi. Sehr empfehlenswert.«  ((Leserstimme auf Netgalley))  »Ich fand den Thriller sehr spannend und aufregend. Schon nach wenigen Seiten möchte man einfach immer nur wissen, wie es weiter geht.«  ((Leserstimme auf Netgalley)) 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Mehr über unsere Autoren und Bücher: www.piper.de

Wenn Ihnen dieser Krimi gefallen hat, schreiben Sie uns unter Nennung des Titels »Brandungstoben« an [email protected], und wir empfehlen Ihnen gerne vergleichbare Bücher.

© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Franz Leipold

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Alexa Kim »A&K Buchcover«

Covermotiv: shutterstock.com (Phil Phoenix; Vereshchagin Dmitry); depositphotos.com (Irochka)

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Île de Noirmoutier, L’Herbaudière

Île de Noirmoutier, Le Petit Vieil

Fisherman’s Drug

Hamburg – Hummelsbüttel

Hamburg – Wedel

Frankreich ruft

Île de Noirmoutier – Fiese Pillen

Hamburg – Die Ärztin

Île de Noirmoutier – Bruno

Hamburg Wedel – Auf nach Locquirec

Hamburg – Das Geständnis

Locquirec – Das Wiedersehen

Hamburg – Aufstieg und Fall der Ärztin

Locquirec – Die Doppelhochzeit

Köln – Konzernzentrale »Humanpharma«

Hamburg – Späte Einsicht

Île de Noirmoutier

Hamburg – Redaktion »Unter der Lupe«

Hamburg – Die Ärztin – Das Ende

Köln – Konzernzentrale »Humanpharma«

Hamburg – LKA Dezernat 41

L’Herbaudière – Überraschungen

Köln – Konzernzentrale »Humanpharma«

Alle Wege führen auf die Île de Noirmoutier

Robert und Nanni – on the road again

Sylvie – In der zweiten Heimat

Marcel und François – Zwei Männer auf dem Weg nach Noirmoutier

Île de Noirmoutier – Es geht voran

Île de Noirmoutier – Le Vieil – Kumpel Serge

Île de Noirmoutier – Herbe Enttäuschung

Île de Noirmoutier – Man findet sich

L’Herbaudière – Ein Abend mit Überraschungen

L’Herbaudière – Bruno und sein Kutter

L’Herbaudière – Urlaub geht auch

Köln – Konzernzentrale »Humanpharma«

L’Herbaudière – Robert wird aktiv

L’Herbaudière – Auf der Lauer

L’Herbaudière – Heiße Spuren?

Hamburg – LKA Dezernat 41

Noirmoutier – Der Investigator

L’Herbaudière – Leinen los!

Fromentine – Auf in die Niederlande

Den Haag – Fahrt mit Überraschung!

L’Herbaudière – Abschied!

Den Haag – Hartelijk welkom!

L’Herbaudière – Vergangenheit und Zukunft

Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande – Die Razzia

L’Herbaudière – Schiefgegangen

Villa Lalac – Madame verliert die Contenance

Epilog – Aufbruch in die Zukunft

Köln – Konzernzentrale »Humanpharma«

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Île de Noirmoutier, L’Herbaudière

Jeanmarie Pineau stand am Steuer seines Fischkutters »La Belle«. Er hatte Kurs auf seinen Heimathafen L’Herbaudière auf der Insel Noirmoutier genommen. Sein Vormann Bruno stand neben dem Steuerhaus und rauchte mal wieder einen seiner scheußlich stinkenden Zigarillos. »Mensch Bruno, muss das sein? Du weißt, dass ich das Kraut nicht riechen kann.«

»Ach, hab dich nicht so. Hast doch genug frische Luft hier draußen. Freu dich lieber über unseren guten Fang«, antwortete Bruno schelmisch grinsend.

Eine knappe Stunde später machten die beiden im Hafen fest und begannen sofort, ihren Kutter zu entladen. Zwischen den Kisten mit Fischen verstauten sie auch etliche stabile schwarze Plastiksäcke auf dem Karren, mit dem sie ihren heutigen Fang zu dem kleinen Transporter auf dem Parkplatz oberhalb der Steganlage brachten. Als Jeanmarie sicher war, dass ihn niemand beobachtete, öffnete er schnell einen der Plastiksäcke und holte ein Päckchen heraus, das er vor den Fahrersitz legte.

Nachdem das Boot versorgt war, wünschte er Bruno einen schönen Feierabend und fuhr geradewegs zu dem großen Supermarkt vor dem Hauptort der Insel, um dort seinen Fang abzuliefern. Noch einen anderen Job erledigen und dann ab nach Hause, wo er sich mit seiner Frau einen schönen Abend machen wollte.

Auf einem abgelegenen Areal kurz vor der Brücke zum Festland wartete bereits ein weißer Transporter auf ihn. Keine Reklameaufschrift verriet etwas über das Fahrzeug und seinen Einsatzzweck. Als Jeanmarie auf den Parkplatz fuhr, kam ihm ein finster dreinblickender junger Mann entgegen, der lässig an der Fahrertür gelehnt hatte. Bekleidet war der Typ mit einer schwarzen Jeans und einem schwarzen T-Shirt, auf das ein weißer Totenkopf aufgedruckt war. Beim Näherkommen sah Jeanmarie, dass seine Unterarme komplett mit Tattoos bedeckt waren. Er kannte den Mann nicht, doch der Lieferwagen war derselbe, mit dem die Ware schon immer abgeholt worden war. Bisher hatte jedoch ein anderer Fahrer das Fahrzeug gefahren. Ohne einen Gruß kam der junge Mann sofort zur Sache: »Fahr rückwärts an meinen Lieferwagen! Okay?« Damit drehte er sich um, ging zur Hecktür seines »Jumper« und öffnete sie. Jeanmarie rangierte rückwärts an das andere Fahrzeug heran und öffnete ebenfalls die Hecktür seines Autos.

Dabei fragte er misstrauisch:« Was ist denn mit dem anderen Fahrer?«

»Geht dich nichts an.«

Der Schwarzbekleidete begann sofort damit, die Säcke umzuladen. Nachdem alle verstaut waren, fragte er noch zur Kontrolle: »Sind das alle?«

»Na, klar doch.«

Der Mann übergab Jeanmarie einen braunen Briefumschlag, verabschiedete sich: »À la prochaine« und fuhr rasch davon.

Jeanmarie ging zur Fahrertür seines Transporters und öffnete das Päckchen, das er vor dem Fahrersitz versteckt hatte. Mit einem hoffnungsfrohen Lächeln entnahm er eine kleine Packung, die er schnell in seiner Jackentasche verschwinden ließ.

Île de Noirmoutier, Le Petit Vieil

Fisherman’s Drug

Jeanmarie Pineau kam gut gelaunt nach Hause, wo er schon von seiner Frau Marie-Claire erwartet wurde.

Er war mit ihr seit über 30 Jahren verheiratet. In all der Zeit hatte sie mit viel Bewegung und gesunder Ernährung dafür gesorgt, sich ihre Attraktivität zu erhalten, und das war ihr deutlich besser gelungen als vielen ihrer Altersgenossinnen. In ihrer schwarzen Kurzhaarfrisur waren bei genauem Hinsehen zwar schon erste graue Haare zu entdecken, aber das störte sie nicht. Mit ihrer Kleidung betonte sie geschickt ihre gute Figur und ihre positive Lebenseinstellung. Alterstristesse, Grau und Schwarz waren ihr ein Gräuel. Heute trug sie zu einer Jeans, die dezent mit einigen Strassapplikationen verziert war, eine locker geschnittene Bluse mit einem fantasievollen Muster aus weißen und blauen Farbtönen. Sie war für ihren Mann immer noch attraktiv und begehrenswert.

»Hallo, ma chérie!«, begrüßte Jeanmarie seine Frau überschwänglich. Dabei nahm er sie in seine kräftigen Arme und drückte sie an seinen Körper. Trotz seiner 65 Jahre hielt er sich für ziemlich fit. Mitunter fiel ihm die schwere Arbeit auf dem Fischerboot etwas schwerer als früher, aber aufhören wollte er noch lange nicht. Ein Leben ohne die Fahrten raus aufs Meer konnte er sich nicht vorstellen.

Marie-Claire war von seiner heftigen Begrüßung überrascht. »Was ist denn mit dir los?«

»Wart’s ab. Wir machen uns einen schönen Abend.« Dabei fuhr er in ihrem Rücken mit seiner Hand unter ihr T-Shirt und versuchte, ihren BH zu öffnen.

»Na, du bist ja gut drauf. Aber übernimm dich nicht«, neckte Marie-Claire ihren Mann.

»Keine Sorge. Du wirst schon sehen.« Jeanmarie grinste vielsagend, nahm sie an der Hand und zog sie hinter sich her ins Schlafzimmer, wo er langsam begann, sie auszuziehen.

Marie-Claire fand Gefallen an dem Spiel. Als Jeanmarie ebenfalls unbekleidet vor ihr stand, meinte sie anerkennend: »Oh lala! Das sieht ja vielversprechend aus.« Sie drehte sich zu dem großen französischen Bett um, ließ sich entspannt auf den Rücken fallen und zog ihren Mann hinter sich her. Der ließ sich nicht lange bitten, und es begann ein heftiges Liebesspiel.

Plötzlich hielt Jeanmarie inne, ließ sich auf die Seite rollen und griff sich ans Herz. Er hechelte wie ein Hund und rang mühsam nach Luft. Im nächsten Augenblick wurde er ohnmächtig.

»Jeanmarie, Jeanmarie, was ist mit dir?«, schrie Marie-Claire voller Angst. Sie schüttelte ihren Mann vorsichtig, aber er reagierte nicht. Voller Schrecken bemerkte sie, dass er nicht mehr atmete. Rasch sprang sie aus dem Bett, rannte zum Telefon und wählte die Notrufnummer.

Während sie auf den Notarzt wartete, zog sie sich wieder an und deckte ihren Mann notdürftig zu.

Als der Notarzt eintraf, konnte er nur noch Jeanmaries Tod feststellen.

»Tot? Mein Gott, das kann doch gar nicht sein. Mein Mann war doch kerngesund. Selbst im letzten Jahr, als hier die Grippewelle tobte, wurde er nicht krank und ist weiter zum Fischen rausgefahren. Ist er vielleicht nur ohnmächtig Herr Doktor?«

»Nein Madame, ich muss Sie enttäuschen. Er ist wirklich verstorben. Ich kann zwar noch nicht genau sagen woran, aber ich vermute Herzversagen.«

Er bat Marie-Claire zu schildern, was genau sich ereignet hatte.

Mit Tränen in den Augen begann sie stockend:

»Na ja, mein Mann kam überaus gut gelaunt nach Hause und …«, sie zögerte und wurde ein wenig rot, bevor sie fortfuhr. »Er hat mich wie in jungen Jahren verführt, und wir hatten Sex. Mit einem Mal fing er an, heftig nach Luft zu ringen, griff sich an sein Herz und wurde ohnmächtig. Ich habe vergeblich versucht, ihn wieder wach zu kriegen. Dann habe ich sofort den Notdienst gerufen.«

»Mmh, hat Ihr Mann in der letzten Zeit mal über Atemnot oder Herzbeschwerden geklagt?«

»Nein, eigentlich nicht. Er hat nur gesagt, dass ihm die Arbeit auf seinem Fischkutter ›La Belle‹ bisweilen etwas schwerer als früher fallen würde.«

»Hat Ihr Mann irgendwelche Medikamente genommen?«

»Nein, nur wenn er mal erkältet war.«

» Ich werde Ihren Mann dennoch von einem Gerichtsmediziner untersuchen lassen müssen. Aber keine Sorge, das ist nichts Außergewöhnliches, sondern vorgeschriebene Routine bei solchen Ereignissen. Da es sich zunächst um einen ungeklärten Todesfall handelt, muss ich außerdem die Polizei informieren. Auch das ist normal in solch einem Fall.«

»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte Marie-Claire mit tränenerstickter Stimme.

»Zunächst veranlasse ich, dass der Tote abgeholt und in die Gerichtsmedizin gebracht wird. Wenn die vorgeschriebene Untersuchung abgeschlossen und der Leichnam freigegeben ist, müssen Sie sich um die Beerdigung kümmern. Haben Sie jemanden, der jetzt für Sie da ist? Falls ich noch etwas für Sie tun kann, rufen Sie mich an«, meinte der Notarzt fürsorglich und gab ihr seine Visitenkarte.

»Ja, vielen Dank! Ich werde meine Schwester Madeleine anrufen. Sie wohnt auch hier in Le Vieil.«

Der Arzt verabschiedete sich und ließ Marie-Claire allein zurück. Mechanisch sammelte sie die Kleidungsstücke ihres Mannes ein, die immer noch auf dem Boden verstreut herumlagen. Sie hob die Cordhose hoch und fasste sie an den Enden der Hosenbeine, um sie ordentlich zusammen zu legen. Dabei fiel aus einer der Hosentaschen ein Tablettenstreifen auf den Boden. Neugierig bückte sie sich danach und schaute sich den Fund genauer an. Stirnrunzelnd las sie »Viala« und den Namen des Herstellers. Der Aufdruck sagte ihr zunächst nichts. Sie grübelte darüber nach, woher ihr der Name bekannt vorkam. Mit einem Mal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen! Natürlich! Das war doch diese Sexpille. War Jeanmarie deswegen so aufgedreht und tatendurstig gewesen? Sollte sie den netten Arzt anrufen und ihm ihre Entdeckung mitteilen? Marie-Claire entschied sich, erst einmal mit ihrer Schwester darüber zu sprechen. Sie rief Madeleine an und informierte sie, dass Jeanmarie gestorben war.

»Was, Jeanmarie ist tot? Mon Dieu! Wie ist denn das passiert? Hatte er einen Unfall auf See?«

»Nein, er ist hier zu Hause gestorben. Vermutlich Herzinfarkt, meint der Notarzt.«

»Mein Gott, das ist ja schrecklich! Ich komm sofort zu dir.«

***

20 Minuten später klingelte es an der Haustür. »Hallo, Madeleine«, begrüßte Marie-Claire mit Tränen in den Augen ihre Schwester, »schön, dass du gleich kommen konntest.«

Ihre Schwester nahm sie in ihre Arme und streichelte sanft über ihren Rücken, um sie etwas zu beruhigen. Doch Marie schluchzte immer wieder: »Jeanmarie, mein armer Jeanmarie.«

»Oh Marie-Claire. Was für ein Unglück. Ich kann es noch gar nicht fassen. Du weißt, ich bin immer für dich da, wenn du Hilfe brauchst.«

Langsam beruhigte sich Marie-Claire und bat ihre Schwester, mit in das Wohnzimmer zu kommen.

»Möchtest du vielleicht einen Kaffee? Ich wollte mir auch gerade einen kochen.«

»Danke, das ist nett von dir. Aber soll ich das nicht lieber machen? Ich kenn mich ja in deiner Küche aus.«

»Nein lass mal. Das lenkt mich ein bisschen ab.«

»Wie kann ich dir denn jetzt helfen?«

»Ich brauche deinen Rat. Ich habe diesen Streifen mit Tabletten in Jeanmaries Hosentasche gefunden. Ich glaube, das sind so Sexpillen. Ich wusste nicht, dass er solche Dinger geschluckt hat. Das wäre eventuell auch eine Erklärung dafür, warum er vor seinem Tod so aufgedreht war. Soll ich das dem Arzt sagen? Eigentlich ist mir das ein wenig peinlich«

Ihre Schwester überlegte kurz, ehe sie antwortete: »Ich denke schon. Ich weiß ja nicht genau, wie deine Altersversorgung aussieht, und ich möchte auch nicht pietätlos sein, aber wenn diese Dinger an Jeanmaries Tod schuld sind, kannst du vielleicht den Hersteller haftbar machen. Ich habe gelesen, dass in Amerika Firmen deswegen auf Schadenersatz verklagt werden.«

»Ach, ich weiß nicht. Das wird dann bestimmt in die Zeitungen kommen. Das wäre mir überhaupt nicht recht.«

»Das verstehe ich, aber du hast doch mal in einem unserer Gespräche angedeutet, dass deine Witwenversorgung nicht besonders gut ist. Überleg dir das. Vielleicht solltest du mal mit Maître Touzeau, dem Rechtsanwalt, darüber sprechen.«

»Na ja, ich werde mal darüber nachdenken. Zunächst muss ich mich aber um die Beerdigung kümmern, sobald Jeanmaries Leiche freigegeben ist. Kannst du mich dabei unterstützen?

»Sicher. Willst du jetzt erst einmal mit zu uns kommen?«

»Das Angebot ist lieb, aber ich möchte im Augenblick lieber allein sein. Das verstehst du sicher.«

»Natürlich. Melde dich, wenn du was brauchst«, erwiderte Madeleine und verabschiedete sich.

Marie-Claire verbrachte eine ziemlich schlaflose Nacht auf dem Sofa im Wohnzimmer. Immer wieder grübelte sie darüber, wie ihr Leben nun weitergehen sollte. Ihre finanzielle Situation würde nicht gerade rosig sein. Je länger sie darüber nachdachte, aus Jeanmaries Tod vielleicht Kapital zu schlagen, desto verlockender erschien ihr die Idee. Am nächsten Morgen griff sie den Vorschlag ihrer Schwester auf und vereinbarte für 11:00 Uhr einen Termin mit Maître Touzeau.

»Bonjour, Madame Pineau. Mein aufrichtiges Beileid zum Tod ihres Mannes«, begrüßte sie der Anwalt. Er wusste natürlich schon Bescheid, denn unter den Einheimischen auf der Insel sprach sich solch ein Vorfall rasch herum.

»Jeanmarie machte doch so einen vitalen Eindruck, und jetzt dieser überraschende Tod. Was kann ich für Sie tun?«

Marie-Claire berichtete ihm von dem Tablettenfund und ihrer Vermutung, dass diese den Tod von Jeanmarie verursacht haben könnten.

»Das ist natürlich ein schwerwiegender Verdacht. Zunächst müssen wir den Arzt über Ihren Fund informieren. Dann könnte man bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung gezielt Ihrem Verdacht nachgehen. Wenn es Ihnen recht ist, würde ich den Arzt deswegen anrufen. Wir kennen uns von verschiedenen Fällen in der Vergangenheit, in denen wir zusammengearbeitet haben. Sie müssten mir allerdings das Mandat für diesen Fall erteilen.«

Nachdem die Formalitäten erledigt waren, verabschiedete sich Marie-Claire. Maître Touzeau versprach, sich zu melden, sobald er ein Ergebnis hätte.

Hamburg – Hummelsbüttel

Sylvie Abels hatte sich erst einmal einen starken Kaffee gekocht und stand nun mit der dampfenden Tasse in der Hand auf der kleinen Terrasse ihrer Wohnung. Sie war am Vortag aus Delhi zurückgekommen und hatte die Zeitverschiebung noch nicht ganz verkraftet.

Die Journalistin war im Auftrag der Zeitschrift, für die sie schon etliche Reportagen geschrieben hatte, nach Indien gereist, um über Kinderarbeit in diesem Staat zu berichten. Obwohl sie dort offiziell verboten ist, werden immer noch über 10 Millionen Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen ausgebeutet. Sylvie hatte schlimme Dinge gesehen, die sie wohl kaum wieder vergessen würde. Sie hoffte, mit ihrer Reportage einen Beitrag dazu zu leisten, dass dieses Thema in Deutschland stärker in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. Bisher nahmen sich lediglich kleinere humanitäre Organisationen des Themas an.

Der Auftrag für diese Reportage war ihr gerade recht gekommen. Bloß weg aus Hamburg, und das möglichst weit. Ihre Ehe mit Klaus war vor Kurzem endgültig gescheitert. Vor einiger Zeit war sie von einer Recherche in Süddeutschland vorzeitig nach Hause zurückgefahren und hatte, wie in einem billigen Film, Klaus mit einer jungen Direktionsassistentin aus seiner Firma in ihrem Schlafzimmer erwischt. Wütend hatte sie ihn angeschrien, ob er mal wieder einen seiner tollen Geschäftserfolge feiern würde, und voller Zorn die Wohnung verlassen.

Ihre Ehe war schon länger brüchig, Klaus und sie hatten in letzter Zeit nur noch nebeneinander her gelebt. Das war nun das Aus. Sylvie reichte die Scheidung ein.

Ihre finanzielle Situation versetzte sie in die Lage, sich eine Eigentumswohnung leisten zu können. Schon nach kurzer Suche wurde sie in Hummelsbüttel fündig und lebte nun dort in einer 3-Zimmer-Wohnung.

Die Gedanken über ihre verkorkste Vergangenheit und die Eindrücke, die sie in Indien gewonnen hatte, wurden durch ihr Handy jäh unterbrochen. Den Klingelton – es war der Song »Je veux« der französischen Sängerin Zaz – hatte sie sich ausgesucht, weil er ihrer eigenen Mentalität entsprach.

Da sie eine Zeit lang von einem Stalker verfolgt worden war, meldete sie sich seitdem nur mit einem knappen »Hallo«.

»Spreche ich mit Sylvie Abels, der Journalistin?«, fragte eine etwas fahrig, aber nicht unsympathisch klingende Frauenstimme.

»Ja, das bin ich. Und wer sind Sie?«

»Mein Name ist Hanschmidt. Der Name wird Ihnen nichts sagen. Ich bin Ärztin und ich glaube, ich habe eine interessante Geschichte für Sie.«

»Und um was geht es?«, fiel Sylvie ihr ungeduldig ins Wort. Sie hasste es, wenn die Leute nicht auf den Punkt kamen.

»Am Telefon möchte ich das nicht besprechen. Können wir uns irgendwo treffen. Ginge das?«

Sylvie war nun doch neugierig geworden. Ihr journalistischer Instinkt sagte ihr, dass sie hier vielleicht tatsächlich eine vielversprechende Story zu hören bekam.

»Gut. Wo und wann wollen wir uns treffen?«

»Ich schlage vor, dass Sie heute Abend zu mir in meine Wohnung kommen. Wäre das möglich?«

Sylvie überlegte kurz. Sie hatte heute noch einiges in der Redaktion zu erledigen und wollte anschließend früh zu Bett gehen, um sich wieder auf die mitteleuropäische Zeit einzustellen. Doch schließlich siegte ihre Neugier, und sie stimmte zu.

Die Ärztin gab ihr noch die Adresse durch, und sie verabredeten sich für 19:00 Uhr.

Hamburg – Wedel

Frankreich ruft

Wie jeden Tag war Robert Müller zeitig am Morgen zu einem Spaziergang mit ihrem Hund Aika aufgebrochen, um beim Bäcker an der Hauptstraße ein paar frische Brötchen für das Frühstück mit seiner Frau Nanni einzukaufen. Vor dem Geschäft traf er einen Nachbarn, der ihn freundlich begrüßte: »Hallo, Herr Müller, wie geht es denn so?«

»Ach, das kühle Wetter macht mir etwas zu schaffen. Da spüre ich meine alte Schusswunde.«

»Ja, es ist wirklich kalt gewesen die letzten Tage. Dabei haben wir Hochsommer. Aber es soll ja wieder wärmer werden.«

»Na, dann wollen wir mal hoffen. Und wie geht es Ihnen und vor allem Ihrer Frau? Ich habe gehört, dass sie sich an der Hüfte operieren lassen musste«, erkundigte sich Robert.

»Die OP ist ohne Komplikationen über die Bühne gegangen, und ihr Arzt ist sehr zufrieden mit dem Heilungsprozess. Übermorgen wird sie aus dem Krankenhaus entlassen. Ich bringe sie anschließend gleich in die Reha nach Bad Segeberg. Gott sei Dank bin ich ja noch topfit.«

»Dann bestellen Sie ihr einen schönen Gruß, und ich wünsche ihr weiterhin gute Besserung. So, jetzt muss ich aber nach Hause, sonst macht sich meine Frau Sorgen, wo ich so lange bleibe.« Damit verabschiedete sich Robert und machte sich auf den Heimweg.

Als er die Haustür seines hübschen Reihenhauses aufschloss, hörte er, wie seine Frau mit jemandem telefonierte. Sie schien ein wenig verärgert. Robert hörte, wie sie ihrem Gesprächspartner oder ihrer Gesprächspartnerin vorwarf, dass irgendetwas fürchterlich übertrieben sei. Schließlich würde sie für den Verlag arbeiten. Man hätte deswegen Nicolas Gaillard, dem französischen Autor, dessen Buch Nanni bei ihm in Locquirec, einer kleinen Stadt an der bretonischen Atlantikküste, übersetzt hatte, ohne Weiteres ihre E-Mail-Adresse geben können. »Ich kümmere mich jetzt selbst darum«, beendete sie barsch das Gespräch.

»Was war das denn?«, fragte Robert irritiert.

»Das war die neue Chefsekretärin des Verlages, für den ich das Buch von Nicolas Gaillard übersetzt habe. Nicolas wollte sich mit uns in Verbindung setzen, hat aber aus Versehen meine E-Mail-Adresse in seinem digitalen Adressbuch gelöscht. Deshalb wollte er sie beim Verlag in Erfahrung bringen. Das hat diese blöde Kuh aber aus Datenschutzgründen abgelehnt. Ich müsse erst mein Einverständnis geben. Man kann es mit dem Datenschutz auch übertreiben!«, ereiferte sich Nanni.

»Na ja, ich finde das auch ein wenig übertrieben, aber du musst auch die Frau verstehen. Sie ist neu und will keinen Fehler machen. Am besten, du rufst Nicolas gleich an. Hast du seine Telefonnummer oder soll ich mein kleines Adressbuch holen?«

»Das wäre nett. Ich habe mir Nicolas’ Telefonnummern zwar aufgeschrieben, aber ich müsste erst einmal den Zettel suchen, der vermutlich in einer meiner Handtaschen ist.«

»Lass mal, das könnte ewig dauern, wenn ich daran denke, was da so alles drin ist«, meinte Robert und verschwand grinsend in seinem kleinen Arbeitszimmer.

Er kam rasch zurück und gab Nanni das bereits aufgeschlagene Adressbuch. Seine Frau schaute ihn schmunzelnd an: »Es hat ja schon gewisse Vorteile, mit einem zuverlässigen und etwas pedantischen ehemaligen Beamten verheiratet zu sein.« Sie gab ihrem Robert dabei einen Kuss auf die Wange, um ihm zu zeigen, dass diese Bemerkung nicht bös gemeint war. Robert mochte es nämlich überhaupt nicht, als Beamter bezeichnet zu werden. Er war mit Leib und Seele Kriminalkommissar gewesen. Nicht irgendein x-beliebiger Sesselfurzer.

Im Gegensatz zu ihrer sonstigen morgendlichen Routine, in aller Ruhe ihr Frühstück zu genießen und dabei die Tageszeitung zu lesen, nahmen sie sich heute keine Zeit hierfür. Nach dem hastigen Frühstück griff sich Nanni das Telefon und wählte Nicolas’ Nummer. Er ging nicht an den Apparat, und Nanni wollte ihren Anrufversuch schon abbrechen, als sich eine weibliche Stimme mit einem zurückhaltenden »Oui, j’écoute!« meldete.

»Bonjour. Véronique?«, fragte Nanni, da sie die Stimme nicht sofort erkannt hatte. »Ich bin es, Nanni. Du erinnerst dich?«

»Naturellement!«, antwortete Veronique erfreut und wechselte sofort ins Deutsche, was ihr nicht schwerfiel, da sie Germanistik studiert hatte. Dies wäre allerdings bei Nanni, die als Übersetzerin für Französisch arbeitete, nicht nötig gewesen. »Das ist ja eine Überraschung. Schön, dass du anrufst. Ist das zufällig? Nicolas wollte euch nämlich eine E-Mail schicken, aber er hat bei der Aktualisierung seines Adressbuchs auf seinem PC versehentlich unter anderem die Karteikarte ›Robert Müller‹ gelöscht. Er hat sich deshalb mit seinem deutschen Verlag in Verbindung gesetzt, aber die wollten eure E-Mail-Adresse nicht rausrücken.«

»Deswegen rufe ich an. Der Verlag hat mein Einverständnis verlangt, dass sie euch unsere E-Mail-Adresse nennen dürfen. Aus Datenschutzgründen! So ein Blödsinn. Die wissen doch, dass ich Nicolas’ Roman übersetzt habe«, regte sich Nanni erneut auf. »Warum wolltet ihr uns denn erreichen?«

»Warte, das soll euch Nicolas selber sagen. Ich gehe mal zu ihm. Er frühstückt auf der Terrasse und genießt den Blick auf das Meer. Un moment, s’il-te-plâit.«

»Bonjour, Nanni!«, begrüßte Nicolas sie freudig. »Super, dass du anrufst. Ich hatte schon befürchtet, dass ich euch nicht rechtzeitig erreichen würde.«

Er machte eine kurze Pause, und Nanni hakte sofort nach: »Rechtzeitig für was?«

»Véronique und ich möchten euch zu unserer Hochzeit Ende August einladen. Wir würden uns riesig freuen, wenn ihr kommen könntet«, gab Nicolas voller Stolz die große Neuigkeit bekannt.

»Was? Ihr wollt heiraten? Das finde ich super! Also erst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurem Entschluss. Ich glaube, ihr passt wirklich gut zueinander. Robert hat übrigens mitgehört und streckt begeistert seinen Daumen hoch. – Ende August? Ja, das müsste gehen. Ich habe zwar noch eine kleine Übersetzung zu erledigen, aber die kriege ich bis dahin fertig.«

»Es wird übrigens eine Doppelhochzeit«, meldete sich Véronique aus dem Hintergrund.

»Ja, wir heiraten zusammen mit Jacqui und Markus. Nach den aufregenden Erlebnissen[1] im letzten Jahr haben wir uns näher kennengelernt und festgestellt, dass wir viele gemeinsame Interessen haben. Daraus ist eine echte Freundschaft entstanden.«

»Das freut mich zu hören. Wir fanden die beiden auch sehr nett, und zu Markus’ Eltern haben wir immer noch lockeren Kontakt. Es wundert mich, dass sie uns nichts von der Hochzeitsplanung erzählt haben.«

»Das war mein Wunsch. Ich wollte euch persönlich einladen. Ich muss dazu sagen, dass mir Odile und Daniel angedroht haben, mich zu verlassen, wenn ich das nicht mache. Sie haben euch wohl in ihr Herz geschlossen.«

»Das ist wohl eine ernste Drohung, denn ohne Odiles Kochkünste würdet ihr verhungern«, scherzte Robert aus dem Hintergrund.

»Na, ganz so schlimm würde es nicht kommen. Odile hat Véronique unter ihre Fittiche genommen und ist dabei, aus ihr eine passable Köchin zu machen.«

»Ich werd’ dir gleich zeigen, was deine passable Köchin alles kann!«, fuhr Véronique lachend dazwischen.

»Also? Dürfen wir mit euch rechnen?«, fragte Nicolas jetzt wieder ernsthaft.

»Natürlich! Wir freuen uns schon jetzt auf das Wiedersehen. Vielleicht kombinieren wir die Reise nach Locquirec noch mit anderen Zielen in Frankreich. Wir melden uns dann spätestens Ende Juli. Ach, bevor ich es vergesse! Gib mir bitte mal deine E-Mail-Adresse. Ich schicke dir dann unsere.«

Damit wollte Nanni das Gespräch beenden, aber Véronique hatte Nicolas den Hörer aus der Hand genommen und meldete sich noch einmal: »Er wird euch zur Sicherheit auch meine E-Mail-Adresse schicken, denn falls mein Chaosbube wieder versuchen sollte …« Der Rest des Satzes ging in einem fröhlichen Kichern und übermütigen Gekreische unter. Der Hörer war Véronique wohl aus der Hand gefallen, denn Nanni und Robert hörten nur noch ein fröhliches »Hör auf, mich zu kitzeln!«

Nach dieser erfreulichen Neuigkeit machte sich Robert gleich an die Planung ihrer Frankreichreise. Natürlich würden sie dafür ihr Wohnmobil nutzen, das sie auf den Namen »Matilda« getauft hatten. Er stöberte in verschiedenen Internetportalen und machte schließlich Nanni den Vorschlag, nach der Hochzeitsfeier auf die Île de Noirmoutier zu reisen und vielleicht auf dem Rückweg entlang der Loire zu fahren, um sich das ein oder andere der berühmten Schlösser anzusehen.

»Hört sich gut an«, meinte Nanni. »Aber auf der Hinfahrt möchte ich auch ein wenig Zeit haben und nicht total gestresst in Locquirec ankommen.«

»Keine Sorge. Dazu habe ich auch keine Lust. Immerhin sind es über 1400 Kilometer, die wir fahren müssen. Ich denke, dass wir das in mindestens vier Etappen, besser noch in sechs machen sollten.«

»Schön, könntest du eventuell einen Stopp in Bayeux einplanen? Ich würde mir zu gerne den weltberühmten Wandteppich ansehen.«

Die nächsten Tage verbrachte Robert einige Zeit vor seinem PC und suchte in den verschiedenen Internetportalen für Wohnmobilisten nach geeigneten Etappenzielen.

[1]

Siehe: Hanjo Ulbrecht »Brandungsrauschen«, Piper 2021

Île de Noirmoutier – Fiese Pillen

Der Anruf des Anwalts ließ nicht lange auf sich warten. Er bat Marie-Claire, zu ihm in die Kanzlei zu kommen.

Maître Touzeau war wie immer elegant gekleidet. Heute trug er jedoch keinen Anzug, sondern eine Kombination. Das leichte blaue Sommersakko harmonierte gut mit der hellbeigen Tuchhose, und in das am Hals offene weiße Hemd hatte er ein schickes weißblaues Tuch gebunden.

»Bonjour, Madame Pineau. Nehmen Sie bitte Platz.« Galant schob er einen Stahlrohrsessel vor seinem Schreibtisch zur Seite und machte eine einladende Handbewegung. Er selbst setzte sich in den seinen schwarzen Ledersessel und holte ein Blatt mit handschriftlichen Notizen hervor.

»Also, ich habe das Laborergebnis und die Bewertung des Arztes erhalten. Um es kurz zu machen: Der Wirkstoff des potenzsteigernden Medikaments, das ihr Mann genommen hat, war viel zu hoch dosiert und entsprach nicht den Angaben des Herstellers, der dieses Mittel vertreibt. Zusätzlich haben die Labortechniker herausgefunden, dass die Pille, die sie zur Verfügung gestellt haben, stark verunreinigt war. Sie haben Chemikalien entdeckt, die dort nichts zu suchen haben.«

»Das ist ja fürchterlich!«, entfuhr es Marie-Claire.

»Ich würde sagen kriminell. Der Hersteller ist verantwortlich für die Rezeptur seiner Produkte und muss die Werte, die beim Antrag auf Zulassung des Medikaments zugrunde gelegt wurden, genau einhalten. Auch dass andere Chemikalien zugemischt werden, ist absolut unzulässig. Ich rate Ihnen zu einer Klage wegen fahrlässiger Tötung und zu einer entsprechenden Schadenersatzforderung.«

»Monsieur Touzeau, ich bin schockiert. Wie kann ein namhafter Pharmakonzern so verantwortungslos handeln?«

»Das kann ich natürlich nicht beantworten, aber das Streben nach geschäftlichem Erfolg und Gewinnmaximierung ist schon ein gewichtiges Motiv. Ich denke, wir haben gute Chancen, mit einer Klage erfolgreich zu sein.«

Marie-Claire überlegte kurz, bevor sie, immer noch zögernd, antwortete. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das machen soll, aber ich vertraue Ihnen; also reichen Sie die Klage ein. – Doch eins möchte ich vorab noch wissen. Was kostet denn so ein Prozess gegen einen Pharmakonzern? Kann ich das überhaupt bezahlen?«

»Wenn wir den Prozess gewinnen, und davon gehe ich aus, muss die andere Seite die Kosten tragen. Noch eine Frage. Können Sie sich vorstellen, woher ihr Mann diese Pillen hatte? Das ist zwar für den Erfolg der Klage nicht ausschlaggebend, würde aber helfen, den Pharmakonzern in Erklärungsnot zu bringen.«

»Tut mir leid. Ich habe mir zwar in den letzten Tagen den Kopf zerbrochen, aber mir ist dazu überhaupt nichts eingefallen.«

»Das ist nicht weiter problematisch. Die vorliegenden Fakten reichen auch so aus. Ich werde die Klage formulieren und beim zuständigen Gericht einreichen.«

»Müssen wir denn nicht die Polizei einschalten?«

»Nein, das ist meines Erachtens nicht erforderlich. Das Medikament, das zum Tod Ihres Mannes führte, stammt von einem namhaften Pharmakonzern. Es gibt allerdings im Internet eine Vielzahl von Firmen, die dort Medikamente zu sehr günstigen Preisen anbieten, die aus obskuren Quellen stammen. Ich glaube aber nicht, dass die Pillen, die Sie gefunden haben, auf diesem Weg nach Frankreich gelangt sind. Wie gesagt, die Verpackung kann einem bekannten Medikamentenhersteller zugeordnet werden.«

»Und wann kann ich meinen Mann beerdigen?«, fragte Marie-Claire mit leiser Stimme und ein wenig feuchten Augen.

»Ich werde mich um die Freigabe der Leiche kümmern. Dem dürfte nichts mehr im Wege stehen. Wir haben die Untersuchungen des Labors und die Aussage des Arztes. Das sind unumstößliche Fakten. Wenn ich die Freigabe erwirkt habe, werde ich Sie sofort informieren.«

»Danke, Monsieur Touzeau.«

Hamburg – Die Ärztin

Zuverlässig wurde Sylvie vom Navi ihres BMW-Cabrios zu der gewünschten Adresse in Rissen gelotst. Auf der Suche nach einer Parklücke ärgerte sie sich über einen blauen Renault Megane, der so dämlich abgestellt war, dass er gleich zwei Parkplätze blockierte. Hinter dem Steuer saß noch der Fahrer, der seinen tätowierten Oberarm lässig aus dem Fenster gelehnt hatte. Leicht genervt musste sie ein weiteres Mal um den Häuserblock fahren, ehe sie doch noch einen Platz fand, der gerade frei geworden war. Allerdings lag er ein gutes Stück entfernt. Trotz dieser kleinen Verzögerung war sie immer noch etwas zu früh dran. Frau Dr. Hanschmidt wohnte in einer gepflegten Appartementanlage, die stufenförmig angelegt war. Zu jeder Wohnung gehörte eine große nach Südwesten ausgerichtete Terrasse, die von den jeweiligen Bewohnern mit mehr oder weniger Geschick ausgestattet worden war. Neben Oleanderkübeln entdeckte Sylvie auch schlichte Blumenkästen mit Geranien und Petunien. Im Stillen fragte sie sich, ob hier vielleicht auch eine Sammlung Gartenzwerge ihren Platz gefunden hatte.

Die Wohnung der Ärztin musste, dem Klingelschild nach zu urteilen, wohl im obersten Stockwerk liegen. Vielleicht eine Penthouse Wohnung? Auf Sylvies Klingeln antwortete unverzüglich die ihr vom Telefon bekannte Stimme. Hatte die Frau ihr Kommen beobachtet? Der Türsummer ertönte, und Sylvie konnte in den modern und mondän gestalteten Eingangsbereich eintreten. Der kaum hörbare Fahrstuhl brachte sie nach oben. Als sie ausstieg, sah sie, dass von dem kleinen Flur nur zwei Türen abgingen. In der geöffneten Tür zu ihrer Linken stand eine Blondine. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Sie trug einen weit geschnittenen schwarzen Hausanzug, der von ihrer Figur nur wenig erahnen ließ. Sie schien jedoch recht mager zu sein. Um ihren Hals hatte sie einen roten Chiffonschal geschlungen, sodass die Haut nicht sichtbar war. Sylvie hatte die Erfahrung gemacht, dass diese Hautpartie am ehesten Rückschlüsse auf das Alter zuließ. Trotzdem schätze sie die Ärztin auf ungefähr vierzig. Sie war barfuß und überragte Sylvie, die immerhin 1,78 Meter groß war, dennoch um einige Zentimeter. Sie war überhaupt das krasse Gegenteil zu der schwarzhaarigen Sylvie mit ihrer sportlichen Figur und dem frechen Kurzhaarschnitt. Da sie nicht gewusst hatte, was sie erwartete, hatte sich Sylvie für ein neutrales Outfit entschieden. Zu der legeren schwarzen Jeans, die sie so gerne trug, hatte sie, der Witterung entsprechend, ein weißes Top von Tommy Hilfiger gewählt.

»Hallo, Frau Abels. Kommen Sie herein. Sie sind ja überpünktlich.«

»Ja, ich hätte nicht gedacht, so zeitig hier zu sein. Zum Glück hatte ich kaum Probleme, einen nahegelegenen Parkplatz zu finden. Das ist hier in der Stadt ja schon fast wie ein Sechser im Lotto.«

»Richtig, allerdings wohnen wir hier auch ein wenig abseits.«

»Doch dafür wunderschön.«

»Danke. Lassen Sie uns in meinen Livingroom gehen.«

Der Raum, in den sie Sylvie führte, war ca. 30 Quadratmeter groß. Die Einrichtung, vornehmlich in Weißtönen gehalten, machte auf Sylvie einen kühlen, fast schon abweisenden Eindruck; so als ob die Ärztin nichts Persönliches von sich preisgeben wollte. Eine Ausnahme bildete lediglich ein großes Aquarell. Es zeigte einen Küstenstreifen unter blassblauem Himmel. Auf dem Strand lagen Fischerboote mit pastellfarbenem Anstrich, und auf den Klippen im Hintergrund waren einzelne Häuser aus Naturstein zu erkennen.

Frau Dr. Hanschmidt hatte Sylvies Interesse an dem Bild bemerkt. »Das Bild habe ich mir aus der Bretagne mitgebracht, wo ich immer wieder gerne Urlaub mache. Ich finde, dieses Bild hat den Charakter und die Stimmung dieser schönen und manchmal auch dramatischen Landschaft gut eingefangen. Aber nehmen Sie doch bitte Platz.« Dabei wies sie auf die weiße Ledersitzgruppe. »Was kann ich Ihnen anbieten? Ich hätte einen guten französischen Rotwein.«

»Nein danke, bitte keinen Alkohol. Ich muss ja leider noch fahren«, erwiderte Sylvie.

»Ich habe natürlich auch Mineralwasser oder verschiedene Fruchtsäfte und auch Rhabarberschorle. Oder möchten Sie lieber einen Kaffee oder Tee?«

»Oh, eine Rhabarberschorle wäre super.«

Frau Dr. Hanschmidt kam mit der Schorle und einem Glas Rotwein zurück. Sie setzte sich auf die andere Ecke der Sitzgruppe und schaute ihren Gast forschend an. Anscheinend überlegte sie, wie sie das Gespräch nach dem bisher belanglosen Small Talk auf den eigentlichen Grund der Einladung bringen sollte.

Sylvie hatte solch eine Situation schon öfter erlebt und vermied es, die Ärztin, die ein wenig abwesend auf ihr Glas Rotwein schaute, in ihren Gedanken zu stören.

Schließlich hob Dr. Hanschmidt ihren Kopf und schaute sie direkt an. Sie hatte offenkundig einen Entschluss gefasst.

»Ich möchte Ihnen meine persönliche Geschichte erzählen und bitte Sie um Hilfe.«

Île de Noirmoutier – Bruno

Durch den unerwarteten Tod von Jeanmarie war sein Vormann Bruno arbeitslos geworden. Er machte sich ernsthaft Sorgen um seine Zukunft. Wie sollte es für ihn weitergehen? Zwar wurden auf der Insel in der Gastronomie ständig Arbeitskräfte für die Saison gesucht, aber er hatte nach seiner Schulzeit direkt bei Jeanmarie angefangen. Eine Berufsausbildung hatte er nicht gemacht. Und irgendeinen Hilfsjob als Spülhilfe oder Putzmann wollte er nicht annehmen. Er liebte das Meer. Aber da waren die Fangquoten, die die Fischer ständig weiter einschränkten, sodass immer mehr Kollegen die Fischerei aufgaben. In diesem Bereich war es für ihn so gut wie aussichtslos, einen neuen Job zu finden. Es blieb eigentlich nur eine Lösung. Er musste mit Marie-Claire reden.

»Bonjour, Marie-Claire! Ich bin’s, Bruno. Ich rufe dich an, weil ich mit dir reden muss.«

»Hallo, Bruno. Um was geht es denn?«

»Na ja, ich mache mir Sorgen um meine Zukunft. Jetzt, wo Jeanmarie nicht mehr da ist, bin ich ja arbeitslos. Da möchte ich gern wissen, ob du schon darüber nachgedacht hast, was du mit dem Fischkutter machen willst. Ich weiß, meine Frage kommt vielleicht etwas früh, aber bevor du eine Entscheidung triffst, wollte ich mal nach deinen Plänen fragen.«

»Ja, das kommt allerdings überraschend. Über den Kutter habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich denke, dass ich versuchen werde, ihn zu verkaufen.«

»Ist wohl für dich das Beste. Ich hätte Interesse, die ›La Belle‹ zu kaufen. Ich kenne das Boot in- und auswendig, schließlich habe ich über 20 Jahre darauf gearbeitet. Ich würde dir natürlich einen fairen Preis zahlen.«

»Ach Bruno, es wäre schön, wenn du das Schiff übernehmen könntest. Das wäre sicher auch in Jeanmaries Sinn. Ich denke über dein Angebot nach und melde mich in den nächsten Tagen bei dir.«

»Danke. Bis dann.« Na, sie hat ja nicht gleich nein gesagt, freute sich Bruno.

Nach diesem Telefonat war er wieder etwas optimistischer gestimmt. Er steckte eine Packung Zigarillos ein und fuhr mit dem Fahrrad zum Hafen in L’Herbaudière.

Er saß schon eine Weile auf einer der Bänke, von denen aus man das geschäftige Leben im Hafen beobachten konnte. Sehnsüchtig dachte er daran, dass er bis vor Kurzem noch Teil dieses Lebens gewesen war. Und hoffentlich würde das bald auch wieder so sein.

Er war so sehr in seine Gedanken versunken, dass er den schwarzgekleideten Mann erst bemerkte, als dieser sich neben ihn setzte.

»Na Bruno, wie geht’s? Sehnsucht nach der See?«

»Hm«, knurrte Bruno einsilbig. Er mochte den Kerl nicht.

»Okay. Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Nach Jeanmaries Tod suchen wir einen Nachfolger. Du kennst das Geschäft; warst ja Jeanmaries Vormann. Die Ware, die ihr draußen auf See übernommen habt, hat er an mich übergeben. Wir waren sozusagen Geschäftspartner. Du könntest da einsteigen.«

»Wie soll das gehen? Ich habe doch kein Schiff.«

»Das ließe sich regeln. Hier im Hafen werden immer wieder Kutter zum Kauf angeboten, weil die älteren Fischer aufgeben und keinen Nachfolger finden. Vielleicht will ja auch die Witwe von Jeanmarie seinen Kutter verkaufen.«

»Selbst wenn. Wo sollte ich das Geld dafür hernehmen. Ich hab zwar einiges gespart, aber das wird nicht reichen, um ein Boot zu kaufen.«

»Keine Sorge. Da könnte dir meine Firma unter die Arme greifen. Bewährte, zuverlässige Partner halten wir gerne bei der Stange. Denk mal drüber nach. Ich komm wieder auf dich zu. Ach, mein Name ist übrigens Karim.« Karim erhob sich und schob die Ärmel seines schwarzen Kapuzenshirts hoch. Dadurch kamen zahlreiche Tattoos zum Vorschein. Kein Fleckchen seiner Haut schien noch frei zu sein. Als er sah, dass Bruno neugierig darauf starrte, schob er schnell die Ärmel wieder herunter und mischte sich unter die auf dem Kai flanierenden Touristen.

»Also, ich habe über dein Angebot nachgedacht«, meldete sich Marie-Claire einige Tage später bei Bruno. »Was würdest du denn für Jeanmaries Kutter zahlen?«

»Ich könnte 50.000 Euro aufbringen. Ich habe ein bisschen was gespart und den Rest könnte ich finanzieren. Das Schiff ist ja schon älter, und ich denke, das ist ein faires Angebot.«

»Sicher ist es schon älter, aber Jeanmarie hat es immer sehr gut in Schuss gehalten. Ich habe auch im Hafen vergleichbare Angebote gesehen. Die lagen so bei 60.000 bis 70.000 Euro.«

»Ja, so werden die angeboten, aber zu dem Preis werden sie nicht verkauft. Außerdem weiß ich natürlich, dass einiges gemacht werden muss. Die alte Maschine muss zum Beispiel mal wieder generalüberholt werden. Ich habe dir deshalb einen realistischen Preis genannt. Ich möchte nicht mit dir handeln und unser gutes Verhältnis dadurch belasten.«

»Bruno, du bist ein Schlitzohr. Lass mich noch eine Nacht über die Angelegenheit schlafen, bevor ich mich entscheide.«

»Na gut, dann bis morgen.«

***

»Guten Morgen Bruno«, meldete sich Marie-Claire wie versprochen am nächsten Tag. »Also, um es kurz zu machen. Ich verkaufe dir die ›La Belle‹ für 50.000 Euro.«

»Das freut mich. Veranlasst du die notwendigen Formalitäten oder soll ich mich darum kümmern?«

»Es wäre mir lieb, wenn du das übernehmen würdest.«

Kurz nach diesem Gespräch erhielt Bruno einen Anruf von Karim. Hatte der Kerl mein Telefon angezapft?, schoss es ihm durch den Kopf.

»Bonjour, Bruno. Gibt es schon was Neues in Sachen Bootskauf?«

»Ja, ich kann Jeanmaries Kutter von seiner Witwe kaufen.«

»Und? Wie viel verlangt sie?«

»50.000 Euro.«

»Das ist, glaube ich, ein guter Deal. Was brauchst du von der Firma als Darlehen?«

»Die Hälfte.«

»Okay. Werde ich weitergeben. Ich ruf dich wieder an.«

Hamburg Wedel – Auf nach Locquirec

»So, ich glaube, unsere Reiseroute steht; zumindest bis Locquirec. Wie wir von da aus weiter zur Île de Noirmoutier fahren wollen, müssen wir noch beratschlagen«, schloss Robert seine Planungen für den ersten Teil ihrer Frankreichreise ab.

»Übrigens Nanni, hast du schon mal darüber nachgedacht, was wir den beiden Brautpaaren zur Hochzeit schenken?«, ergänzte er noch. »Vielleicht gibt es in Frankreich ja bestimmte Gepflogenheiten, was Hochzeitsgeschenke angeht.«

»Du bist gut. Ich habe zwar Französisch studiert, aber solche Fragen wurden da nicht behandelt und bisher habe ich auch noch nie an einer französischen Hochzeitsfeier teilgenommen. Ich weiß noch nicht einmal, was man da anzieht und wie die Zeremonie vonstattengeht. Aber ich werde mal im Internet recherchieren, ob ich was darüber finde.«

Kurz darauf erhielten Robert und Nanni wie versprochen eine E-Mail von Nicolas. Als Anhang hatte er eine Kopie der formellen Einladung hinzugefügt. Er entschuldigte sich für diese ungewöhnliche Form, aber er befürchtete, dass die Einladung per Post vielleicht nicht mehr rechtzeitig eintreffen würde. Er hatte auch einen separaten Vermerk kopiert, der im Original den Einladungen beigefügt war. Darauf bat das Brautpaar, von Geschenken abzusehen und stattdessen einen entsprechenden Betrag für die Stiftung »À la bonheur des enfants« zu überweisen. Diese Stiftung hatte Nicolas gegründet, nachdem er aus dem Familienunternehmen ausgeschieden war und eine großzügige Abfindung erhalten hatte.

Zwei Tage später meldeten sich auch Markus und Jacqui per E-Mail. Die beiden hatten sich mit Véronique und Nicolas getroffen und von dem kleinen Einladungsdesaster erfahren. Sie berichteten, dass Jacqui die Chance ergriffen hatte, ein eigenes Maklerbüro zu eröffnen, nachdem ihr ehemaliger Chef und sein Komplize wegen Immobilienbetrugs und Anstiftung zum Mord zu längeren Haftstrafen verurteilt und ihre Maklerbüros von Amts wegen geschlossen worden waren. Ihr erster Kunde war Markus, der ihr den Auftrag gab, für seine Eltern ein Ferienhaus zu suchen. Er hatte ihr auch gleich noch einen zweiten Auftrag gegeben. Sie solle sich doch mal umschauen, ob sie nicht ein kleines Schmuckstück für ein junges Paar finden könnte. Sie hatte nicht gleich verstanden. Erst als Markus meinte, sie könnten ja nicht ewig in dem Wohncontainer auf dem Campingplatz bleiben, wurde ihr die Bedeutung seiner Worte bewusst: Es war endlich der ersehnte Heiratsantrag, den er schon vor einem Jahr angekündigt hatte. Mittlerweile hätten sie auch schon ein passendes Objekt für ihre gemeinsame Zukunft gefunden. Genau wie Nicolas und Véronique würden auch sie sich riesig freuen, Robert und Nanni wiederzusehen, und sie schlossen sich der Bitte ihrer Freunde um eine Spende für Nicolas’ Stiftung an.

»Das freut mich für die beiden. Ich bin mir sicher, das wird ein tolles Fest«, kommentierte Nanni die E-Mail. »Jetzt müssen wir nur noch die Bekleidungsfrage klären. Da bin ich etwas unsicher. Aber im Internet finde ich bestimmt entsprechende Ratschläge.«

»Dann schau du mal. Ich suche inzwischen Stellplätze an unserer geplanten Route heraus«, brummelte Robert, denn ihm schwante nichts Gutes.

Nach fast drei Stunden kam Nanni zu ihm in sein kleines Arbeitszimmer. »Also: Die Hochzeitsfeiern in Frankreich sind im Allgemeinen sehr förmlich und vor allem festlich. Das müssen wir berücksichtigen. Ich habe ja das schicke cremefarbene Sommerkostüm, das ich mir letztes Jahr gekauft habe. Mit einem farblich passenden Hut und einem entsprechenden Chiffonschal ist das genau das Richtige. Allerdings fürchte ich, in deiner Garderobe ist eher nichts Passendes.«

«Aber ich habe doch den dunkelblauen Anzug.«

»Robert, Schatz, ich sagte: › Passendes‹. Erstens ist der Anzug, genau wie du, etwas in die Jahre gekommen und nicht mehr zeitgemäß, und zweitens glaube ich nicht, dass du da noch hineinpasst.«

»Na hör mal. Ich bin doch kein alter fetter Sack. Der Anzug wird mir schon noch passen.«

Ende der Leseprobe