Brandzeichen - H.C. Scherf - E-Book

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H.C. Scherf

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Beschreibung

» In mir hat der Satan ein Zuhause gefunden. Tust du nicht das, was ich von dir verlange, wirst du genau ihn von seiner fantasievollsten Seite kennenlernen. « Die Drohungen treiben dem korrupten Polizisten kalte Schauer über den Rücken. Während Doktor Karin Hollmann und Oberkommissar Spelzer einen Satanisten verfolgen, der im Ruhrgebiet seine Opfer sucht und findet, versucht der Serienmörder Pehling, an seinem Zufluchtsort neue Gegner abzuwehren. Aber nur, wenn sich die so unterschiedlichen Weggefährten zusammenschließen, haben sie eine verschwindend geringe Chance. Sie müssen verhindern, dass ein Satansjünger seine Visionen vom Reich des Antichristen verwirklichen kann. Der Weg dahin fordert einen blutigen Tribut, denn der Gegner scheint nicht von dieser Welt. Obwohl die Handlungsabläufe in sich abgeschlossen sind, empfiehlt es sich, die Bücher in der Reihenfolge zu lesen.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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- Kapitel 1 -
- Kapitel 2 -
- Kapitel 3 -
- Kapitel 4 -
- Kapitel 5 -
- Kapitel 6 -
- Kapitel 7 -
- Kapitel 8 -
- Kapitel 9 -
- Kapitel 10 -
- Kapitel 11 -
- Kapitel 12 -
- Kapitel 13 -
- Kapitel 14 -
- Kapitel 15 -
- Kapitel 16 -
- Kapitel 17 -
- Kapitel 18 -
- Kapitel 19 -
- Kapitel 20 -
- Kapitel 21 -
- Kapitel 22 -
- Kapitel 23 -
- Kapitel 24 -
– Kapitel 25 -
- Kapitel 26 -
- Kapitel 27 -
- Kapitel 28 -
- Kapitel 29 -
- Kapitel 30 -
- Kapitel 31 -
- Kapitel 32 -
- Kapitel 33 -
- Kapitel 34 -
- Kapitel 35 -
- Kapitel 36 -
- Kapitel 37 -
- Kapitel 38 -
- Kapitel 39 -
- Nachwort -

 

 

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Von H.C. Scherf

 

 

Thriller

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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Band 4 aus der Serie Spelzer/Hollmann

 

© 2018 H.C. Scherf

Ewaldstraße 166

45699 Herten

Email: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten

 

Aktives Mitglied im Selfpublisher-Verband e.V.

 

Covergestaltung: VercoDesign, Unna

Bilder von: aaron007, anyka, balounm, ivonnewierink, ja_rek,

nuttapong und carodi (alle clipdealer)

 

Dieses Ebook ist geschützt und darf ohne Genehmigung des Autors nicht

vervielfältigt oder weitergegeben werden.

 

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Spelzer/Hollmann-Serie – Band 4

 

 

von H.C. Scherf

 

 

 

 

 

Gemach, gemach.

Der Teufel ist auch nur ein Mensch.

 

© Peter Rudi

- Kapitel 1 -

Die Hitze im Raum war ins Unerträgliche gestiegen. Die glühende Kohle in der gusseisernen Schale zog Majas Blick magisch an. Ihr nackter Körper war schweißbedeckt und glänzte unter dem flackernden Licht vieler Kerzen, die der Unbekannte im Raum verteilt hatte. Immer wieder drehte er die lange Klinge des Messers in der Glut, prüfte gleichzeitig, ob das Brenneisen ebenfalls rot glühend wurde. Ihre fehlende Zunge und der breite Lederriemen über den Lippen verhinderten, dass Maja ihre unmenschliche Angst herausschreien konnte. Die unverständlichen Töne blieben zurück in ihrem Mund, in dem sich das Blut staute. Längst hatte es bei ihr für Übelkeit gesorgt, weil sie es hinunterschlucken musste. Absolut unbeeindruckt von ihrer Panik, wartete der Maskenmann neben dem Feuer, genoss die Furcht seines Opfers. Obwohl die Hitze eigentlich alles versengen müsste, glänzte sein drahtiger Leib im Schein des Feuers, jeder Muskel zeichnete sich ab. Unter anderen Umständen hätte man den durchtrainierten Körper dieser Bestie als erotisch bezeichnen können. Um seine Sixpacks würden ihn die meisten Männer beneiden.

Immer wieder irrte ihr Blick durch den Kellerraum, von dem sie nicht einmal sagen konnte, wo er sich befand. Als sie nach dem Schlag auf den Hinterkopf aufgewacht war, lag sie schon auf diesem langen Tisch, der den unnachahmlichen Geruch des Todes ausströmte. Aus den Tiefen des Gewölbes vernahm sie Klänge, die tief in ihr Bewusstsein eindrangen und keiner ihr bekannten Tonfolge ähnelten. Sie waren lediglich beängstigend, verwirrten die Sinne. Sie kamen aus einer Welt, die Maja einfach nur lähmende Angst einflößte.

Es war gerade einmal wenige Stunden her. Maja sah nur die funkelnden Augen hinter den Schlitzen der schwarzen Ledermaske, als sich eine kräftige Hand um ihren Hals legte und zudrückte. Als sie schon glaubte, die Besinnung zu verlieren, griff der Mann nach ihrer Zunge und zog sie weit aus dem Hals heraus. Der Schnitt war kurz und schmerzhaft. Eine gnädige Ohnmacht befreite sie kurz danach von ihrem Leiden. Jetzt wartete sie mit zitternden Gliedern auf das, was der Kerl mit der Maske ihr als Nächstes antun würde.

Lieber Gott, hilf mir. Bitte lass das nicht zu. Hole mich heraus aus dieser Hölle, aus diesem bösen Traum.

Als hätte er ihre Gedanken lesen oder hören können, stockte der Unbekannte, starrte zu ihr rüber.

»Er hört dich wohl, Menschenkind, aber er wird dir nicht helfen. Das tut er nie. Er lässt dich nur hoffen. Ihr Verdammten sollt von seinen leeren Worten zehren, von dem Glauben, den er euch abverlangt. Ich werde allen beweisen, dass es nur eine Macht in diesem Universum gibt, die Macht des Bösen. Niemand wird dir helfen, denn ich bin zu stark. Meine Kraft ist unübertroffen. Du sollst als Erste in dieser verdorbenen Stadt mein Zeichen tragen, auf dass du der Welt zeigen kannst, wie ich über euch kommen werde. Du bist eine von denen, die mir in die Verdammnis folgen werden. Ganze Heerscharen werden sich dir anschließen.«

Bisher hatte diese Bestie geschwiegen, hatte Maja schweigend gequält. Er redete sich in eine Ekstase hinein, die Augen blitzten sie an. Jetzt, wo sie zum ersten Mal diese zischelnde Stimme hörte, die sich in ein wildes Keifen steigerte, versuchte sie, sich in wilder Panik loszureißen. Unkontrolliert zerrte sie an den Armreifen, die sie mit kurzen Ketten an dem massiven Tisch festhielten. Sie dachte schon, dass ihre Sehnen reißen könnten, als dieses Tier das Brenneisen aus der Glut zog und sich langsam auf sie zubewegte. Majas Körper versteifte sich, ihre Augen drohten aus den Höhlen zu quellen. In einer für sie unverständlichen, fremden Sprache murmelte er Sätze vor sich hin, die ihre Angst nur noch verstärkten.

Mama ... wo bist du? Bitte hilf mir doch! Lass mich bitte aufwachen, ich ertrage das nicht länger. Es soll aufhören.

Es schien eine gefühlte Ewigkeit zu dauern, bis sich das Brenneisen schließlich zischend in Majas Bauchdecke fraß. Ihr erstickter Schrei blieb nur ein hilfloser Versuch, die Angst zu kanalisieren. Es blieb bei einem unverständlichen Gestammel. Das Gebrabbel des Mannes war im gleichen Augenblick zu einem wilden Brüllen angeschwollen. Gleichzeitig mit dem bestialischen Geruch ihres verbrannten Fleisches nahm sie die vielen bunten Kreise wahr, die jetzt vor ihren Augen tanzten, sich zu einer Art Regenbogen formierten und wieder sich verwirbelnd in einem dunklen Loch verschwanden. Ihr Geist hatte aufgegeben, sich gegen den unvorstellbaren Schmerz zu wehren. Die Besitzerin vor weiteren Qualen schützend hatte er sich in Bruchteilen von Sekunden in den Wahnsinn verabschiedet. Aus diesem Grund bekam sie schon nicht mehr real mit, wie der Maskierte das Messer aus der Glut zog und sein Werk an ihr vollendete. Das diabolische Lächeln auf dem Gesicht des Maskierten blieb ihr erspart.

- Kapitel 2 -

Oberkommissar Sven Spelzer, Leiter des Essener Morddezernats, drehte sich zum Fenster, presste die Hand vor den Mund. Das schwarz gelockte Mädchen, das immer noch ohne Bewusstsein vor ihm im Krankenbett lag, befand sich in einem bemitleidenswerten Zustand. Vielleicht war sie früher einmal eine Schönheit, nun hatte ihr jemand ein ganzes Leben gestohlen.

Karin Hollmann, die Rechtsmedizinerin und gleichzeitig Svens Freundin, trat näher an das Bett und zog die Decke zurück. Gerne hätte sie die vielen schrecklichen Wunden im Original betrachtet, breite Wundverbände verhinderten dies jedoch. Selbst das Gesicht war teilweise verbunden. Trotzdem konnte die erfahrene Ärztin annähernd einschätzen, wie diese junge Frau gelitten haben musste. Der Wahnsinn und die unerträglichen Schmerzen hatten sämtliche Gesichtszüge zu einer Grimasse verformt, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Vor ihr lag der Körper einer Heranwachsenden mit dem Gesicht einer wesentlich älteren Frau. Auf Karins Seziertisch lagen schließlich schon viele, denen Gewalt angetan wurde. Das hier übertraf alles Vorstellbare.

Sie durfte die Fotos sehen, die vor der Behandlung im Krankenhaus von dem Mädchen gemacht wurden. Die Bilder zeigten unvorstellbare Grausamkeiten und diese Frau, die an ein Kreuz genagelt wurde, das auf dem Kopf stand. Die Verletzungen leuchteten aus dem hellen Fleisch heraus wie Mahnmale. Sie hatte davon gehört, dass mehrere Polizisten, die sich erbrochen hatten, weggelaufen waren. Sie befanden sich derzeit in psychologischer Behandlung.

»Wer tut so was außer dem Teufel persönlich?«

Sven drehte sich um, hatte ihre leise gesprochenen Worte gehört. Obwohl auch sein Gesicht eine extreme Blässe zeigte, legte er den Arm um Karins Schulter und zog sie zum Fenster. Beide blickten schweigend über die vielen Gebäude des Essener Klinikums, in dem sich auch Karins Arbeitsplatz befand. Sven sprach aus, was Karin eigentlich nicht von ihm hören wollte.

»Das hätte selbst einen Serienkiller wie Pehling erschüttert. Dagegen ist er ein Chorknabe ... obwohl ...«

»Obwohl, was?«

»Ich erinnere mich daran, dass auch er damals das erste Opfer, das wir gefunden haben, am Leben ließ. Ich spreche von dem Mädchen auf der Landstraße. Wie hieß sie noch? Warte mal ... ja, ich hab´s ... Sandra Schober. Es konnte ein Versehen gewesen sein, aber auch sie kam in die Klapse.«

Karin zwang sich, nicht auf diese Bemerkung einzugehen, obwohl sie sich der grausamen Wahrheit dieser Worte nicht entziehen konnte. Sie legte den Kopf an Svens Schulter, ließ das Gesicht des Mörders Pehling, der sich jetzt irgendwo in der Welt aufhielt, vor ihrem geistigen Auge auftauchen. Sie wusste, dass Sven recht hatte. Pehlings Morde waren größtenteils grausam und in der Mehrzahl hatte er Unschuldige getötet. Doch ein solches Gemetzel, das auch nach den Umständen zu urteilen religiös motiviert war, wäre selbst bei ihm nicht vorstellbar gewesen.

»Hallo, liebe Kollegin Hollmann. Dieses Mädel hat es nicht bis auf Ihren Tisch geschafft. Das meine ich ohne jeden Zynismus, denn ich glaube, dass es für sie besser gewesen wäre. Sie hätte einen gnädigen Tod verdient.«

»Guten Tag, Doktor Sparring. Die Behandlung dieser Verletzungen hätten Sie sich sicherlich auch lieber erspart, oder etwa nicht? Das sah ja schlimm aus. Wir haben die Wunden auf den Fotos gesehen. Sind bei den Verletzungen im Bauchbereich auch innere Organe betroffen? Von der fehlenden Zunge und den Wunden in Händen und Füßen weiß ich ja bereits. Die vermutlich mit einem Messer herbeigefügten Schnitte in der Bauchdecke waren ja nun relativ tief.«

»Nein, Gott sei Dank nicht. Ich bin froh, dass sich die Wunden schnell geschlossen haben, was wohl der großen Hitze der Werkzeuge geschuldet ist. Entzündungen können wir höchstwahrscheinlich ausschließen. Die Zunge wird allerdings schlecht verheilen. Wie die neurologische Erstuntersuchung ergab, hätte sie wohl nie mehr ein vernünftiges Wort sprechen können, ob mit oder ohne Zunge. Beim Essen dagegen gibt es größere Probleme.«

Karin ergriff spontan die Hand des Mädchens, bemerkte sofort dieses ständige Zucken. Doktor Sparring beobachtete seine Kollegin.

»Der Kollege aus der Neurologie hat sehr wenig Hoffnung, dass dieses Gehirn irgendwann wieder normal funktionieren wird. Da müsste ein kleines Wunder geschehen. Er meint ganz simpel gesagt, dass es sich zum Schutz der Person einfach abgeschaltet hat. Das war bei unseren Vorfahren ein Überlebensvorteil. Heute ist das ein klarer Nachteil, weil wir ständig Entscheidungen treffen müssen und dabei komplexere Vorgänge im Auge behalten, also berücksichtigen sollten. Wir sind in der heutigen Zeit unbedingt auf die korrekte Funktion unseres Großhirns angewiesen. Dieses arme Wesen wird in Zukunft ständig von Flashbacks, also der Erinnerung an diese Folter heimgesucht werden und in einer Art darauf reagieren, die für die Mitmenschen nicht nachvollziehbar ist. Sie wird für den Rest ihres Lebens ein Pflegefall bleiben und professionell betreut werden müssen. Näheres kann Ihnen der Kollege dazu erzählen. Ich muss jetzt zur Visite. Ihnen noch einen schönen Tag.«

Sven stand zwar mit dem Rücken zum Bett, war der Unterhaltung jedoch aufmerksam gefolgt. Karin konnte erkennen, dass er beide Hände zu Fäusten ballte und schneller atmete.

»Sven, beruhige dich. Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, dieses Tier einzufangen, ihn zur Strecke zu bringen. Es darf kein weiteres Opfer mehr geben.«

»Hast du die Fotos eingesteckt? Ich möchte gleich mit Doktor Haller telefonieren. Der Mann liefert immer eine gute Erklärung für die Beweggründe bei diesen Psychopathen. Ich brauche dringend ein ungefähres Bild von solchen Satanisten. Lass uns gehen. Mich macht diese Hilflosigkeit depressiv, aber auch gleichzeitig aggressiv.«

 

»Spelzer, kommen Sie bitte einen Augenblick in mein Büro. Ich brauche einige Infos zum Fall.«

Kriminalrat Fugger fing Sven ab, bevor der sein Büro betreten konnte. Da er die Tür schon halb geöffnet hatte, staunte Krassnitz nicht schlecht, als ihr Chef sie wieder zuzog und verschwand. Sie zuckte nur mit den Schultern und ließ ihren Lippenstift wieder zurück in den unergründlichen Tiefen ihrer Handtasche verschwinden.

»In einer Viertelstunde muss ich zum Alten. Wie muss ich mir das Ganze mit diesem Mädchen vorstellen, das man heute im Nienhausenpark gefunden hat? Die lebt doch hoffentlich noch, oder?«

»Mehr oder weniger, Chef. Von Leben kann da keine Rede mehr sein. Sie atmet noch ... sagen wir mal so. Wie die Ärzte meinen, ist sie in einer schrecklichen Zwischenwelt, in der sie die Erlebnisse immer mal wieder neu durchleben muss, nimmt aber am normalen Leben nicht mehr teil. Ganz grob umrissen.

Aber jetzt zum Fall selbst. Sie wurde völlig nackt an ein Holzkreuz genagelt, das der Täter auf den Kopf stehend ausgerechnet in der Nähe des Freibades in die Erde gerammt hat. Wir hatten Glück, dass der Bademeister zuerst am Tatort war und damit verhindern konnte, dass die Gäste, vor allem die Kinder, das gruselige Bild sahen. Er veranlasste sofort, dass keiner mehr in den Park eingelassen wurde. Er rief Polizei und Rettungskräfte.«

»Ja, Spelzer, das ist mir mittlerweile auch bekannt. Aber ein Wahnsinniger soll ihr Symbole in die Haut gebrannt haben. Wissen Sie dazu schon mehr?«

»Nur recht grob, Chef. Es handelt sich dabei um ein Symbol, das man als gehörnte Hand oder auch mano cornuto bezeichnet. Ich habe von Doktor Haller vorhin die Adresse von einem Geistlichen bekommen, der sich recht gut im Okkulten auskennt. Nach fünfzehn Uhr kann ich Ihnen vielleicht mehr dazu sagen. Habe mich mit ihm verabredet.«

»Gehörnte Hand, ein komischer Begriff. Obwohl ich glaube, dass der mir schon mal irgendwo untergekommen ist. Ich komme nicht drauf, wo. Gut, Sie erledigen das mit dem Pfaffen, ich geh jetzt zum Alten und vertröste den auf später. Die Presse rennt mir auch schon die Tür ein. Die faseln von der Erscheinung Satans auf Erden. Bescheuertes Volk, diese Journalisten. Die wittern wieder eine fette Schlagzeile und spielen mit der Angst der Leser vor dem Teufel.«

- Kapitel 3 -

»Sie sind bestimmt Oberkommissar Spelzer. Habe ich recht? Kommen Sie bitte rein in meine bescheidene Hütte. Ein Glas Rotwein?«

Pater Heumann machte mit der Hand eine einladende Geste zum Küchentisch, auf dem bereits zwei Gläser und eine geöffnete Rotweinflasche warteten. Sven versuchte, sich im Vorbeigehen ein Bild von dem Mann zu schaffen, der komplett in schwarz gekleidet war, ansonsten nur wenig von dem Bild eines Paters lieferte, das man sich hinlänglich von dieser Berufsgruppe schuf. Obwohl er höchstens Mitte vierzig war, ließ ihn sein kahl geschorener Schädel weitaus älter erscheinen. Auffällig an ihm waren für Sven drei Dinge. Zum einen das große Kruzifix, das er an einer langen Kette um den Hals trug, die vielen Freundschaftsbänder an seinem Handgelenk und dieser starke Geruch von Weihrauch – als hätte er darin gebadet.

»Herr Spelzer, der Wein ist die kleine Sünde, die ich mir am Abend erlaube. Der Herr gestattet selbst uns, seinen direkten Dienern ein kleines Schlückchen nach getaner Arbeit zu uns zu nehmen. Möchten Sie auch ein Gläschen? Seien Sie sicher, dass sich in dieser Flasche nicht das Blut Jesu befindet.«

Heumann kicherte über den kleinen Witz, wurde aber sofort wieder ernst.

»Nein danke, Pater Heumann, ich bin noch im Dienst. Meine Arbeit ist noch nicht getan. Aber ich nehme gerne ein Glas Wasser, wenn ich darf.«

»Hui, Wasser. Na ja, jedem, was ihm gefällt. Ich benutze das in der Regel mehr zum Waschen und Kochen. Mein Arzt schimpft zwar immer und erinnert an die Nierenfunktion, aber die müssen ja immer was zum Meckern haben. Lassen Sie uns trotzdem anstoßen. Ich habe nicht so oft Besuch hier. Seitdem die Leute von meiner Krankheit wissen, meidet man mich, als hätte ich AIDS. Was soll´s? Was kann ich für Sie tun? Sie deuteten etwas an, als würde es sich um Teufelsanbetung oder dergleichen handeln.«

Sven war es unangenehm, stellte die Frage dennoch.

»Bitte seien Sie mir nicht böse. Aber über welche Krankheit sprechen wir bei Ihnen?«

»Ach, nichts weiter. Nur eine besonders aggressive Art der Leukämie. Ist nicht ansteckend und die Unterhaltung schaffen wir zeitlich noch, bevor ich ... War nur ein Scherz, Spelzer. Legen Sie endlich los, ich bin von Natur aus ein Zyniker, aber auch sehr neugierig.«

Sven war dieser große, drahtige Glatzkopf sofort sympathisch. Haller verriet ihm bereits, dass sich Pater Heumann um Jugendliche kümmerte, die einen Hang zum Okkultismus entwickelt hatten. Da er wusste, wie gefährlich das für die Betroffenen werden konnte, versuchte er, sie schon in der Frühphase davon abzubringen.

»Wir haben ein Mädchen, besser eine junge Frau, im Nienhausenpark gefunden. Das ist aber nicht der Grund, warum ich hier bei Ihnen sitze.«

»Das ist mir klar, Herr Spelzer. Was war an ihr so besonders?«

»Jemand hat sie lebend an ein Kreuz genagelt.«

Pater Heumann hob die Hand, unterbrach Sven schon an dieser Stelle.

»Das Kreuz hing verkehrt herum, richtig?«

»Genau. Aber damit nicht genug. Wir erkennen bei ihr zwei Zeichen in der Bauchdecke. Zu diesen Symbolen wollte ich Ihre Meinung einholen. Sicherlich könnte ich mir das im Internet erklären lassen, doch das gibt mir nicht ausreichend Hintergrund.«

Der Pater sah Sven völlig unbeeindruckt und schweigend an. Er wartete geduldig auf eine Beschreibung, rieb währenddessen unablässig über die Figur des Christus, die auf dem großen Kreuz an der Kette abgebildet war.

»Es handelt sich um eine gehörnte Hand. Ich habe mich kundig gemacht. Das nennt man auch ...«

»... man nennt es mano cornuto. Und lassen Sie mich raten. Das andere Zeichen bestand aus drei Zahlen, es waren Sechsen, richtig?«

»Woher wissen Sie das, Pater?«

»Beides sind Zeichen, die die Anwesenheit des Satans bekunden sollen. Mano cornuto stammt angeblich aus Italien und diente dem Schutz vor dem Bösen. Es gibt verwirrte Geister, die glauben, darin den Teufelskopf erkennen zu können. Ich habe das schon häufig auf Heavy-Metal-Konzerten gesehen. In Deutschland nennt man das oft Pommesgabel und soll die Zusammengehörigkeit in der Gruppe zur Schau stellen. Es existiert auch die Theorie, dass es ein Freimaurerzeichen wäre. Tatsächlich ist es aber eine altgriechische Hörnerfigur, bekannt durch den Minotaurus und signalisiert die Untreue. Die Hörner des Minotaurus wurden gerne als Symbol der Untreue übernommen. Sie kennen doch diesen Spruch, dass dem Ehepartner Hörner aufgesetzt wurden, oder?

Doch nun zu den drei Sechsen. Diese Ziffernfolge tauchte zum ersten Mal in der Bibel-Apokalypse auf, und zwar in der Offenbarung des Johannes. Es gab schon viele Versuche, diese Zahlenfolge zu erklären. Das geht über den Namen Nero, auch über dem Buch der Könige. Dort heißt es: Und das Gewicht des Goldes, welches dem Salomon in einem Jahr einkam, war sechshundertsechsundsechzig Talente Gold. Stellen Sie sich vor, dass die Roulette-Zahlen Null bis Sechsunddreißig addiert Sechshundertsechsundsechzig ergeben. Ich bevorzuge die theologische Bedeutung aus verständlichen Gründen. Sechs ist die Zahl der Menschen, denn sie wurden am sechsten Tag der Genesis von Gott erschaffen. Die 666 ist die dreifach potenzierte Zahl des Menschen, der Gott nicht erreichen kann, sondern sich auf dessen Stelle setzen möchte. Machen wir es kurz. Es ist die Zahl des Antichristen.«

Sven saß mit halbgeöffnetem Mund vor dem Geistlichen und versuchte das Gehörte zu verarbeiten. Nur die letzte Bemerkung schlug bei ihm ein, machte ihn nervös.

»Pater Heumann, ich muss zugeben, dass ich nicht alles verstanden habe, aber möchte mal das Ergebnis festhalten. Hier tritt jemand als Jünger des Satans auf, erklärt sich zu seinem Erfüllungsgehilfen? Ist das so halbwegs korrekt dargestellt?«

Der Pater setzte glucksend das Rotweinglas ab und sah Sven mit seinen stechenden blauen Augen an, die jedoch auch einen gewissen Schalk zeigten.

»Ich bewundere immer wieder Menschen, die die Fähigkeit besitzen, große Worte in kurze Sätze zu fassen. Ich hole immer viel zu weit aus. Ja, das könnte man so in eine Kurzform bringen. Ich muss Sie das einfach fragen: Hat das Mädchen diese Tortur überlebt?«

»Ja, das hat sie. Allerdings schwer verletzt und geistig gestört.«

Wieder nahm Pater Heumann einen kräftigen Schluck und versank in eine tiefe Traurigkeit.

»Ich habe es befürchtet, Herr Spelzer ... ich habe es tatsächlich befürchtet. Sie gehört jetzt dem Satan, wird ihm immer wieder in ihrer Welt begegnen. Genau das war die Absicht des Täters. Und das Schlimme an der Sache ist, dass er nicht aufhören wird. Er hat sich vermutlich zur Aufgabe gemacht, ein Heer von Satanisten aufzustellen, dass die Herrschaft Gottes auf Erden beenden soll. Sie müssen ihn unbedingt finden und unschädlich machen. Satan wird sein Ziel zwar niemals erreichen, da die Macht Gottes dem entgegensteht. Doch es wird unschuldige Leben kosten, wenn wir es nicht schaffen, diesen Wahnsinnigen zu stoppen.«

Jetzt war es Sven, der den Pater nachdenklich ansah.

»Sie haben noch eine Frage, Herr Spelzer? Ich sehe es Ihnen an.«

»Zumindest keine, die Sie mir mit wenigen Sätzen beantworten könnten. Ich erinnere mich nur gerade an eine Religionsstunde in der Schule. Dort kam die Frage eines Klassenkameraden an den unterrichtenden Pfarrer, warum Gott diesen Satan zulässt, obwohl er doch die Macht haben sollte, ihn in die ewige Hölle zu verbannen. Ich muss zugeben, dass ich das bis heute nicht verstanden habe. Der Lehrer war, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage, uns Kindern das plausibel zu vermitteln.«

Pater Heumann verlor für einen Augenblick die Selbstsicherheit, schenkte sich in aller Ruhe Rotwein nach und sah erst dann wieder auf den Oberkommissar.

»Wenn wir diese wirklich wichtige Frage erörtern wollen, sollten wir uns zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Mal verabreden. Das ist äußerst komplex in der Erklärung und braucht seine Zeit. Ich hoffe jedoch, dass ich Ihnen helfen konnte. Wenn Sie mich brauchen, stehe ich immer gerne zur Verfügung.«

»Eine Frage hätte ich noch. Sie beschäftigen sich doch schon längere Zeit mit den Versuchen Satans, unter uns Menschen Fuß zu fassen. Dass er damit schon großen Erfolg hatte, kann ich Ihnen aus meiner Berufspraxis heraus nur bestätigen. Doch wäre für mich interessant, ob Sie in dem Umfeld, das Sie betreuen, einen Menschen kennen, der sich besonders stark mit dem Okkulten beschäftigt. Ich meine jetzt nicht diese dubiosen Séancen, bei denen Jugendliche sich an den Händen halten und Verstorbene auf Friedhöfen beschwören. Gibt es bei Ihnen bekannten Menschen vielleicht jemanden, der sich besonders auffällig dem Satan zugewendet zeigt? Wir müssen irgendwo mit der Suche beginnen. Sie sagten ja selbst, dass er nicht aufhören wird. Es ist also Eile geboten.«

Pater Heumann setzte sich wieder, nachdem er sich bereits erhoben hatte. Seine Stirn lag in Falten, wieder rieb er über die Christusfigur. Sven wartete geduldig, wollte ihn nicht drängen.

»Geben Sie mir einen Tag Zeit, Herr Spelzer. Ich möchte durch die vorschnelle Herausgabe eines Namens keinen Unschuldigen in Verdacht geraten lassen. Ich werde mir dazu Gedanken machen und Sie dann benachrichtigen, falls ich zu einem Ergebnis gekommen bin. Lassen Sie mir Ihre Karte hier. Nun muss ich Sie aber leider bitten ... Da warten noch zwei einsame Seelen auf meinen Besuch und das Wort Gottes.«

- Kapitel 4 -

Das Majestico-Hotel in Milano Marittima konnte von sich behaupten, schon seit Jahrzehnten besonders bei deutschen Gästen sehr beliebt zu sein. Lucia, die Betreiberin des Bagnos hinter dem Hotel, beglückwünschte sich selbst dazu, diesen kräftigen, dazu noch sehr gut aussehenden Mann durch Zufall in einem Café an der Viale Anello del Pino entdeckt zu haben. Sein geheimnisvolles Lächeln fiel ihr sofort auf. Schließlich fand sie sogar den Mut, den allein an einem Tisch sitzenden Fremden anzusprechen. Es war absolut nicht die Art dieser resoluten, geschäftstüchtigen Frau, Männer auf der Straße anzumachen. Doch Renato, der Café-Betreiber, hatte ihr gesteckt, dass dieser Kerl ihn nach einem Job gefragt hatte. Und genau den hatte sie zu vergeben.

»Buon Giorno, der Herr. Darf ich mich einen Moment zu Ihnen setzen? Keine Sorge, ich suche keinen Kontakt, wie Sie vielleicht vermuten könnten, aber Renato hat mir gerade verraten, dass Sie nach einem Job gefragt haben. Mein Name ist übrigens Lucia.«

Sie streckte dem Gast ihre Hand entgegen. Elmar Küper, wie er laut gefälschter Papiere jetzt hieß, erhob sich galant und zeigte auf den freien Stuhl neben sich. Die langhaarige Frau mit den freundlich blitzenden schwarzbraunen Augen war ihm schon aufgefallen, als sie die Bar betrat. Eine wahre Schönheit, wie er sich eingestehen musste. Sie stach sogar unter den Frauen dieses von attraktiven Menschen verwöhnten Landes hervor.

»Da haben Sie richtig gehört, Signora. Ich bin erst seit wenigen Tagen hier in der Stadt und suche eine Beschäftigung. Mein Name ist übrigens Elmar, Elmar Küper. Wüssten Sie denn jemanden, der eine Hilfe sucht? Ich muss allerdings einschränkend vorausschicken, dass ich nur wenige Worte italienisch beherrsche. Mit einem Kellnerjob wäre ich restlos überfordert, da ich nicht einmal die Getränkekarte verstehe.«

Lucia gefiel die offene Art des Mannes, der auch noch Manieren zu besitzen schien. Sie bedankte sich bei Renato, der ihr ein großes Glas Birra reichte. Nach einem kräftigen Schluck wendete sie sich wieder Elmar zu.

»Keine Sorge, Elmar. Ich darf Sie doch so nennen, oder? Ich suche derzeit selbst eine Hilfe, die mich an meinem Bagno am Ende der Traversa XI Pineta unterstützen kann. Wissen Sie, eigentlich käme es mir sogar sehr entgegen, dass Sie Deutscher sind. Ich habe sehr viele Besucher aus Ihrem Land, die sich darüber freuen würden, sich in der Heimatsprache verständlich machen zu können. Ich suche jemanden, der die Liegestühle und die Sonnenschirme beaufsichtigt und auch sonst für Ordnung sorgt. Wenn Sie den Gästen auch noch bei Bedarf Getränke und kleine Snacks an die Stühle bringen könnten, wäre das sicher verkaufsfördernd. Über die Bezahlung werden wir uns bestimmt schnell einig.

Haben Sie denn schon eine Bleibe hier im Ort, oder kann ich Ihnen bei der Suche behilflich sein? Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich könnte Ihnen eine kleine Wohnung im Nachbarhaus anbieten. Das gehörte meinen Eltern, jetzt wohnt darin eine liebe Freundin. Die würde sich wahrscheinlich darüber freuen, wenn ein Mann im Haus wäre, der eventuelle Einbrecher abhält. Wenn Sie auch noch handwerklich begabt wären, dann ist das ja wie ein Sechser im Lotto. Was sagen Sie dazu?«

»Was ich sage, Signora Lucia? Ich bin überwältigt. Damit hatte ich so schnell nicht gerechnet. Den Job und natürlich das Angebot mit der Wohnung würde ich sehr gerne annehmen. Es gibt da allerdings ein Problem.«

Lucias Freude schwand so schnell, wie sie gekommen war. Warum sollte dieser glückliche Zufall nicht auch wieder einen Haken haben. Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Lucia versteifte sich.

»Ich höre.«

»Ich bin ohne jegliches Mobiliar, nur mit wenigen Textilien bewaffnet aus Deutschland direkt hierher gefahren. Ein Freund, bei dem ich in einer WG lebte, hatte seine große Liebe in einer Schauspielerin gefunden und mich netterweise von heute auf morgen vor die Tür gesetzt. Mich hat dort in der Heimat nichts mehr gehalten. Ich wollte nur noch weg, ein neues Leben beginnen. Und hier bin ich nun gelandet.«

Mit angehaltenem Atem war Lucia dem Geständnis ihres neuen Mitarbeiters gefolgt – hatte schon das Schlimmste erwartet. Jetzt atmete sie befreit auf.

»Herrgott, haben Sie mir einen Schrecken eingejagt. Wenn es mehr nicht ist. Machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Die Wohnung ist voll ausgestattet. Sie finden alles, vom Bettzeug bis zur Kuchengabel. Eventuelle Möbel hätten wir sowieso nicht zustellen können. Was machen Sie heute Abend noch? Haben Sie Zeit? Dann können wir uns Ihr neues Zuhause sofort anschauen. Und Fiorella wird sich sicherlich freuen. Ihren kleinen Sohn werden Sie bestimmt sofort in Ihr Herz schließen. Das ist ein richtiger Schatz, der Süße. Nur bitte, fragen Sie vorerst nicht nach dem Papa. Die beiden müssen erst darüber hinwegkommen, dass Toni vor einem Monat ertrunken ist. Man hat ihn morgens tot im Kanal, in der Nähe des Harleycafés gefunden. Die Polizei ermittelt immer noch. Doch kommen Sie jetzt, es sind nur ein paar Schritte bis zur Via Verdi. Aber vorher würde ich gerne mit Ihnen zum Bagno gehen, zu Ihrem neuen Arbeitsplatz. Einverstanden?«

»Bitte sagen Sie einfach Elmar und DU. Das SIE hört sich für mich so fremd an.«

»Aber nur, wenn Sie ... ich meine du ... Lucia zu mir sagst. Renato, per favore paga!

---ENDE DER LESEPROBE---